Demografische Turbulenzen führen von der Arbeitsplatz- zur Fachkräftelücke

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IMPRESSUM Herausgeber: Qualifizierungsförderwerk Chemie GmbH 2008 Autorin:

Bettina Wiener zsh Zentrum für Sozialforschung Halle e.V. (an der Martin-Luther-Universität Halle-Wittenberg)

Druck:

Druckerei Landsberg

Nachdruck und Vervielfältigung nur mit schriftlicher Genehmigung des Herausgebers.

Das Projekt wurde gefördert durch:

Landkreis Saalekreis Eigenbetrieb für Arbeit

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Bettina Wiener Zentrum für Sozialforschung Halle e.V. an der Martin-Luther-Universität Halle-Wittenberg)

Demographische Turbulenzen führen von der Arbeitsplatzzur Fachkräftelücke Expertise für die Qualifizierungsförderwerk Chemie GmbH (QFC)

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Bettina Wiener: Demographische Turbulenzen führen von der Arbeitsplatz- zur Fachkräftelücke

Inhaltsverzeichnis Vorwort Vorbemerkungen

5

1. Ein Blick zurück

7

1.1 1.2

Turbulente demographische Entwicklungen in Ostdeutschland seit mehreren Jahrzehnten ... und die Auswirkungen auf den ostdeutschen Arbeitsmarkt

2. Die demographischen Probleme sind in vielen Unternehmen noch nicht angekommen 2.1 2.2 2.3 2.4

Aus Erfahrungen werden Erwartungen Die Dominanz von KMU in Ostdeutschland geht häufig einher mit fehlender strategischer Personalpolitik Die bereits sehr hohen Anforderungen an das Qualifikationsniveau in der Chemie werden weiter steigen Die Überalterung der Beschäftigten in der ostdeutschen Chemie ist schon länger ersichtlich

3. Es gibt erste Fachkräftelücken in der Chemie 3.1 3.2

7 7 10 10 13 14 15 17

Schwierigkeiten bei der Suche nach Fachkräften Verantwortung für die Fachkräftesituation

17 18

4. Auf den Wegen zur Fachkräftesicherung für die Zukunft

19

4.1

4.2

4.3

5

Bildung als wichtigstes Gut für eine erfolgreiche Chemie 4.1.1

Verstärkte Zusammenarbeit der Unternehmen mit Allgemeinbildenden Schulen

4.1.2

Berufsausbildung im Betrieb und in den Berufsschulen

4.1.3

Qualifizierung im Fach- und Hochschulbereich

4.1.4

Zunehmende Weiterbildungsaktivitäten

Zielgruppenarbeit 4.2.1

Integration von Jugendlichen

4.2.2

Erfahrung bei den älteren Beschäftigten

4.2.3

Frauen in der Chemie

4.2.4

Ausländische Fachkräfte

Personalwirtschaftliche Anreize 4.3.1

Lohnentwicklung in den neuen Bundesländern

4.3.2

Vereinbarkeit von Familie und Beruf

Abschluss

19 19 21 22 23 25 26 27 29 32 32 32 34 37

Literatur

38

Anhang

42

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Vorwort Das Land Sachsen-Anhalt hat in den zurückliegenden Jahren große Fortschritte bei der Anpassung an wettbewerbsfähige Strukturen gemacht. Dennoch zählt es im europäischen Maßstab noch zu den Regionen mit Entwicklungsrückstand und hoher Arbeitslosigkeit. Zu den wichtigsten Standbeinen der wirtschaftlichen Entwicklung zählt nach wie vor die Chemieindustrie mit ihren traditionsreichen Standorten. Umfassende traditionelle Chemiekompetenz verbindet sich hier mit hoher Chemieakzeptanz: wettbewerbsfähige Standortbedingungen und eine produktionsgerechte Infrastruktur kennzeichnen diese Region. Hier setzte das Pilotprojekt „Synthese“ mit einem ganzheitlichen Ansatz an. Die Qualifizierungsförderwerk Chemie GmbH Halle erhielt im Juni 2007 durch den Landkreis Saalekreis, Eigenbetrieb für Arbeit (EfA) den Auftrag, die koordinierende Bearbeitungsstelle und das Projektmanagement für das Pilotprojekt „Synthese“ des Eigenbetriebes für Arbeit einzurichten und umzusetzen. Dieses Pilotprojekt berücksichtigte auf der Grundlage des Operationellen Programms des Landes Sachsen-Anhalt aus Mitteln der Technischen Hilfe des Europäischen Sozialfonds, das gesamte Spektrum der Instrumentarien der Arbeitsförderung und sonstiger arbeitsmarktpolitischer Maßnahmen in Chemieunternehmen in Sachsen-Anhalt und wendete diese bedarfsorientiert an. Über einen gezielten Dialog und der Kooperati-

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on zwischen Arbeitsmarktakteuren, Bildungsträgern und Unternehmen wurden regionale Unternehmen gestärkt. Mit Beginn der Projektaktivitäten wurde ein Projektbeirat gegründet, dessen Vertreter ihre Erfahrungen zur Umsetzung der arbeitsmarktpolitischen Instrumentarien in das Projekt eingebracht haben. Dieses Gremium war mit Vertretern der Ministerien für Wirtschaft und Arbeit, für Finanzen sowie der Sozialpartner der chemischen Industrie, des Verbandes der chemischen Industrie e.V. und Industriegewerkschaft Bergbau, Chemie, Energie und des Präsidenten des Statistischen Landesamtes Sachsen-Anhalt besetzt. Mit der hier vorliegenden Broschüre will die Qualifizierungsförderwerk Chemie GmbH (QFC) dazu beitragen, betriebliche Akteure für die aktuelle Fachkräftesituation und die sich daraus ergebenden personalpolitischen Anforderungen, zu sensibilisieren. Die QFC GmbH dankt dabei allen, die an dieser Expertise mitgewirkt und bei der Beschaffung von Materialien und durch Interviews und Informationen behilflich waren. Unser besonderer Dank gilt dem Zentrum für Sozialforschung Halle e.V., das mit einem erfahrenen Team von Projektbearbeiterinnen die Broschüre in unserem Auftrag erstellt hat.

Helmut Krodel Geschäftsführer Halle im August 2008


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Vorbemerkungen Der ostdeutsche Arbeitsmarkt ist seit der Wende von hoher Arbeitslosigkeit und einer außerordentlich großen Nachfrage an Ausbildungs- und Arbeitsplätzen geprägt. Die Arbeitslosigkeit ist nach wie vor ein sehr ernstzunehmendes Problem. Allerdings verändert sich die Problemlage: Aus der Ausbildungs- und Arbeitsplatzlücke für Arbeitssuchende in den letzten Jahren wird zukünftig eine Fachkräftelücke für die Unternehmen. Es fehlen bereits erste Spezialisten in verschiedenen Wirtschaftsbereichen und in der Zukunft wird für viele Qualifikationen ein Fachkräftemangel erwartet, der sich vor allem aus den extrem sinkenden Schulabgängerjahrgangsstärken bei gleichzeitig erhöhtem Renteneintritt ergibt. Wenn dem Fachkräfteproblem nicht entgegengewirkt wird, kann es das Überleben vieler bisher erfolgreich am Markt agierender Unternehmen gefährden. Aus diesem Grund wird in der Expertise das demographische Problem noch einmal dargestellt und es werden Wege beschrieben, um die bereits heute absehbare Entwicklung eines Fachkräftemangels abzuwehren. Die Expertise gliedert sich in vier Kapitel. Im ersten Kapitel werden die turbulenten demographischen Entwicklungen der letzten Jahrzehnte in Ostdeutschland und deren Auswirkungen auf den ostdeutschen Arbeitsmarkt beschrieben. Im zweiten Kapitel wird thematisiert, dass das demographische Problem in vielen Unternehmen nach wie vor nicht angekommen ist. Im dritten Kapitel wird die aktuelle Fachkräftesituation für die Chemie Sachsen-Anhalt ausgewertet. Und im vierten und abschließenden Kapitel werden Wege aus der „demographischen Falle“ beispielhaft skizziert. Die Quellen für die Erstellung dieser Expertise sind vielfältig:

Zum einen wurden Ergebnisse aus wissenschaftlichen Untersuchungen zusammengetragen, die in und um das zsh speziell zur ostdeutschen Entwicklung am Arbeitsmarkt in den letzten zehn Jahren erstellt wurden. Besonderer Dank gilt dabei dem Forschungsdirektor des zsh, Prof. Dr. Dr. h. c. Burkart Lutz1, der sich unermüdlich seit Beginn der Wende für die Belange gerade der ostdeutschen Industrie eingesetzt hat sowie seinem gesamten Forscherteam. 2 An der Erstellung der Ergebnisse im zsh waren Dipl. Soz. Sabine Böttcher (Erstellung der Fachkräftestudie an den drei besagten Chemiestandorten), Dipl. Soz. Christina Buchwald (Auswertung und Erstellung selbiger Studie, sowie der Mitarbeiterbefragung zum Thema „Vereinbarkeit von Erwerbstätigkeit und Familie“), Dipl. Soz. Thomas Ketzmerick (Sonderauswertung der Beschäftigtenstatistik), Dipl.-Soz. Ingo Wiekert (Ergebnisse der Ausbildungsbefragung 2006 in Sachsen-Anhalt) und Dipl.-Soz. Susanne Winge (Ergebnisse eines Kompetenzentwicklungsdatensatzes) beteiligt. Weiterhin wird in der Expertise neben den umfänglichen Arbeiten, die im zsh entstanden, auch auf aktuelle Ergebnisse bundesweit einschlägiger Wissenschaftseinrichtungen zurückgegriffen. Außerdem wird auf vielfältige Erfahrungen aus Fachgesprächen eingegangen, die in den letzten Jahren mit Unternehmern und wirtschafts- wie arbeitsmarktpolitischen Akteuren geführt wurden. Speziell für diese Expertise fanden im Sommer 2008 Interviews (INT) zum Thema mit folgenden Experten statt: • INT1: Dr. Paul Kriegelsteiner (Hauptgeschäftsführer Arbeitgeberverband Nordostchemie) • INT2: Petra Reinbold-Knape (Landesbezirksleiterin IG BCE/Landesbezirk Nordost)

Prof. Lutz wurde, nicht zuletzt auch wegen seines Engagements in den letzten 20 Jahren, am 6. Oktober 2008 von der Deutschen Gesellschaft für Soziologie für sein „hervorragendes wissenschaftliches Lebenswerk“ ausgezeichnet. 2 Ausführliche Informationen zum Zentrum für Sozialforschung Halle e. V. an der Martin-Luther-Universität Halle Wittenberg (zsh) finden sich unter www.zsh-online.de. 1

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• INT3: Jürgen Jankowski (Leiter Personalwesen InfraLeuna GmbH) • INT4: Joachim Nowak (Betriebsrat InfraLeuna GmbH) • INT5: Toralf Müller und Thomas Huerthe Betriebsräte Guardian Flachglas GmbH Thalheim) • INT6: Barbara Röder und Burkhard Plöschner (Betriebsräte MDSE mbH BT Bitterfeld). Zudem haben sich im April 2008 55 Unternehmen der Chemie und industrienaher Dienstleistungen der drei Chemiestandorte Bitterfeld-Wolfen, Leuna und Schkopau-Merseburg an einer repräsentativen Fachkräftebefragung beteiligt.

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Zum Thema „Vereinbarkeit von Erwerbstätigkeit und Familie“ kann ergänzend auf aktuelle Ergebnisse aus einer schriftlichen Befragung im Sommer 2008 zurückgegriffen werden, an der 189 Mitarbeiter aus 5 Unternehmen am Chemiestandort Bitterfeld-Wolfen teilnahmen. Allen Beteiligten sei noch einmal herzlich für die gute Zusammenarbeit und Unterstützung gedankt. Die Expertise wurde im Sommer 2008 für die Qualifizierungsförderwerk Chemie GmbH (QFC) erarbeitet und konzentriert sich auf Problemlagen der Fachkräfteentwicklung in der ostdeutschen Chemieindustrie.

Dipl.-Soz. Bettina Wiener Halle im September 2008


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1. Ein Blick zurück 1.1 Turbulente demographische Entwicklungen in Ostdeutschland seit mehreren Jahrzehnten Über mehrere Jahrzehnte hinweg konnte der jeweilige Bedarf an Humanressourcen, an Qualifikation und Kompetenz, an Motivation und Leistung auf hochgradig zuverlässige Weise gedeckt werden (Lutz 1998, S.280 ff.). Ende der neunziger Jahre wurde deutlich, dass das sehr effiziente und verlässliche Modell zur Rekrutierung, Ausbildung und qualifikatorischen Weiterentwicklung der Fach- und des größten Teils der technischen Führungskräfte zunehmender Erosion ausgesetzt ist. (Lutz; Wiener 2000, S. 39–69) Ein wesentlicher Grund liegt in den demographischen Verwerfungen, die sich in Ostdeutschland besonders gut beobachten lassen: • Vorzieheffekte in der DDR führten zu extrem geburtenstarken Jahrgängen zwischen Mitte der siebziger und Mitte der achtziger Jahre; • darauf folgend kam es während der Wende zu einem völligen Einbruch und einem Rückgang der Geburtenzahlen teilweise auf ein Drittel, also von zwischenzeitlich 240.000 auf 80.000 Geburten pro Jahr;

• die niedrigen Geburtenzahlen blieben in Ostdeutschland seit 1991 fast unverändert gering bei nur noch ca. 100.000 Kindern pro Jahr. Diese Entwicklungen (Lutz, Ketzmerick, Wiener 1999) zeigen, dass spätestens seit der Unabhängigkeit der Frauen durch die Pille in den siebziger Jahren verstärkt mit demographischen Schwankungen gerechnet werden muss. Die Unregelmäßigkeiten in den Geburtenzahlen, die durch Selbstbestimmung entstehen, mögen auf den ersten Blick als Nachteil erscheinen. Der unübersehbare (auch gesellschaftliche) Vorteil besteht aber darin, dass die Frauen autonom über den Zeitpunkt und die Zahl der Kinder, die sie bekommen möchten, entscheiden und somit unter anderem auch ihre beruflichen Karrieren besser planen können. Die Auswirkungen dieser demographischen Schwankungen sind zudem meist langfristiger Natur, so dass man sich im Bildungssystem und auf dem Arbeitsmarkt rechtzeitig darauf vorbereiten könnte, wenn man diese Entwicklungen kontinuierlich beobachtet und die Schwankungen ernst nimmt.

1.2 ... und die Auswirkungen auf den ostdeutschen Arbeitsmarkt Der ostdeutsche Arbeitsmarkt steht als Folge der massiven demographischen Turbulenzen vor einem dramatischen Umschlag an Knappheitsverhältnissen. Die Ursachen dafür liegen in den sehr großen Unterschieden im Zustrom von Arbeitskräften zum Arbeitsmarkt sowie im Abstrom der Arbeitskräfte vom Arbeitsmarkt.3 Die demographischen Schwankungen führten dazu, dass der ostdeutsche Arbeitsmarkt seit Mitte der

90er Jahre bis in die Gegenwart mit zwei massiven Auswirkungen in Arbeitskräfteangebot und -nachfrage zu kämpfen hatte: (1) Die erste Auswirkung demographischer Turbulenzen zeigte sich ein gutes Jahrzehnt lang in dem massiven Nachwuchskräfteangebot für den Berufsausbildungs- und Arbeitsmarkt, das nur in Teilen und teilweise sehr unbefriedigend bedient werden konnte.

Aktuell hat Lutz (2008) in einer Expertise für die Otto-Brenner-Stiftung derzeitige Strukturen und zu erwartende Entwicklungen von Beschäftigung und Arbeitsmarkt in der Metall- und Elektroindustrie in den neuen Bundesländern und ihre Bedeutung für die Interessenvertretung zusammengetragen.

3

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Das Angebot an Nachwuchskräften war seit der Mitte der 90er Jahre bis vor einem Jahr als Spätfolge der aufwändigen Geburtenpolitik der DDR durch sehr starke Schulabgängerzahlen bestimmt, die ganz überwiegend einen dualen Ausbildungsplatz suchten.

Zum einen die sogenannten Olympiamannschaften (Behr 2001), die sich die ersten Jahre nach der Wende gründeten und vorrangig junge Mitarbeiter um die 30 Jahre einstellten (beispielsweise im IT-Bereich). Diese Unternehmen hatten bisher keine nennenswerten Altersabgänge zu verzeichnen.4

Die Zahl von Schulabgängern eines Jahrganges machte in den Spitzenzeiten mit rund 220.000 und 240.000 Jugendlichen zwischen 4 und 5 Prozent des Gesamtbestandes an Erwerbstätigen in Ostdeutschland aus. Das ist doppelt so viel, wie bei sich nicht verändernden Beschäftigtenzahlen gebraucht wird.

Zum anderen die bereits heute überalterten Betriebe, die seit anderthalb Jahrzehnten, das Unternehmen gemeinsam aufrecht halten, oft wegen fehlendem Ersatzbedarf völlig ausbildungsunerfahren und -entwöhnt sind und in Kürze einen großen Teil ihrer Belegschaft in Rente verlieren.

(2) Die zweite Auswirkung demographischer Turbulenzen spiegelte sich über mehr als ein Jahrzehnt in der geringen Nachfrage an Nachwuchskräften wieder, die schon bei gleichbleibenden Beschäftigungsbeständen zum Problem geworden wäre, aber bei den zu beobachtenden sinkenden Beschäftigtenzahlen noch viel massiver nachwirkte. Sie war die Folge ausgesprochen geringer Austrittszahlen von Erwerbstätigen in Rente im gleichen Zeitraum. Die sehr geringen Abgangszahlen von jährlich rund 80.000 bis 90.000 Personen brachten im Verhältnis zu den bis zu 2,5-fach höheren Zugangszahlen immense Probleme mit sich. Über die Folgen wird im Weiteren noch zu sprechen sein. Ursachen lagen vor allem in den massiven Frühverrentungsprogrammen der Jahre um 1990, die dazu führten, dass es über 10 Jahre hinweg kaum Beschäftigte in Ostdeutschland gab, die das gesetzliche Rentenalter erreichten. Vielmehr ging die große Zahl dieser Menschen aus Vorruhestandregelungen, Altersübergang oder Arbeitslosigkeit in Rente und machte somit auch keine Arbeitsplätze frei. In der betrieblichen Struktur äußerte sich die Entwicklung so, dass vor allem zwei Typen von Unternehmen mit sehr homogenen Altersstrukturen den Markt dominierten:

Die hier vorgestellten Ungleichgewichte waren und sind nicht nur konjunkturell bestimmt und von vorübergehender Art, sondern zeigen auch strukturelle Probleme. So schreibt Lutz, dass sich „offenkundig die meisten der überlebenden ostdeutschen Betriebe in diesem ungleichgewichtigen Zustand mehr oder minder gut einrichten konnten: • Nachwuchs war nicht nur für alle Betriebe, die ausbilden wollten und konnten, überreichlich vorhanden. • Das Verdienstniveau liegt bis heute weit unter den westdeutschen Vergleichswerten5. • Die erfahrenen, qualifizierten Beschäftigten waren (und sind vielfach noch heute) froh, einen Arbeitsplatz zu haben und zu behalten und stellen wenig Forderungen – abgesehen vom Erhalt der Arbeitsplätze. • Es gibt in den neuen Bundesländern kaum Fluktuation zwischen den Betrieben. • Tarifverträge und tarifliche Regelungen sowie der betriebspolitische Einfluss von Betriebsräten spielten und spielen vor allem in der großen Zahl von kleinen Betrieben kaum eine Rolle.“ (Lutz 2008a)

Da es sich bei diesen Unternehmen um sehr homogene Altersstrukturen handelt, kann auf sie das Ablöseprobleme von Fachkräften und der Verlust von Erfahrungswissen in den nächsten 10 bis 15 Jahren zukommen, wenn die derzeitige Belegschaft von vorrangig 40- bis 50-Jährigen das Rentenalter erreicht. 5 So verdienen z.B. die Fachkräfte in der ostdeutschen Chemieindustrie nur zwei Drittel des westdeutschen Durchschnitts. (siehe Abbildung 1 im Anhang)

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Lutz führt weiter aus, dass sich „diese Bedingungskonstellation, die bisher vor allem mit Vorteilen für die Arbeitgeber verbunden war“ zu Gunsten der Arbeitnehmer entwickeln wird. Nachdem ein gutes Jahrzehnt lang sehr starke Jahrgänge die ostdeutschen Schulen verlassen hatten, setzt jetzt ein massiver Rückgang der Schulabgängerzahlen ein6. So werden im Jahr 2011 in allen neuen Bundesländern nicht einmal mehr halb so viele junge Männer und Frauen wie in den vergangenen Jahren die Allgemeinbildenden Schulen verlassen (Kultusministerkonferenz, 20077). Durch die derzeit zunehmend stärkeren Alterskohorten, die das Rentenalter erreichen und neu zu besetzende Arbeitsplätze räumen, sowie durch den konjunkturellen Aufschwung seit 2006, der zur

Entstehung neuer Arbeitsplätze führte, wurde die Diskussion um die Fachkräfteentwicklung entfacht. Während wirtschafts- wie arbeitsmarktpolitische Akteure jahrelang die Ausbildungsplatzlücke in Ostdeutschland und die Überqualifizierung vieler ostdeutscher Beschäftigter thematisieren, sprechen dieselben Unternehmen jetzt von fehlendem qualifiziertem Nachwuchs und einer sich androhenden Fachkräftelücke. Dieses Zusammenwirken der Veränderungen auf der Angebots- und auf der Nachfrageseite wird in den nächsten Jahren im Beschäftigungssystem zur Herausbildung eines grundlegend anderen Ungleichgewichts führen. Der Forschungsdirektor des Zentrums für Sozialforschung Halle, Prof. Lutz, sprach bereits vor zehn Jahren von der demographischen Falle.

Abbildung 1: Schulabgänger und 63jährige Beschäftigte in Ostdeutschland 2001–2020 (absolute Zahlen) 250000

200000

150000

100000

50000

20 01 20 02 20 03 20 04 20 05 20 06 20 07 20 08 20 09 20 10 20 11 20 12 20 13 20 14 20 15 20 16 20 17 20 18 20 19 20 20

0

63jährige Beschäftige

Schulabsolventen

Quelle: Schulabgänger; Prognose der Kultusministerkonferenz 2007; sozialversicherungspflichtig Beschäftigte: hochgerechnet aus dem Beschäftigtenpanel der Bundesagentur für Arbeit; neue Bundesländer; absolute Zahlen Unternehmen in den Chemieregionen berichten bereits von der Halbierung der Beweberzahlen im Jahr 2008. Dieser Rückgang der Bewerberzahlen in den Unternehmen geschieht zurzeit allerdings noch auf einem sehr hohen Niveau. „[…] wir haben ja heute noch in Betrieben für 50 Ausbildungsplätze 1000 Bewerbungen, dann haben wir zwar weniger als letztes Jahr, da waren es vielleicht 2200, aber immerhin noch 1000.“ [INT2] In anderen weniger attraktiven Bereichen als in den großen Chemiebetrieben wird aber auch schon heute von quantitativ wie qualitativ unzureichenden Bewerberzahlen gesprochen. 7 Prognose der Kultusministerkonferenz 2007; sozialversicherungspflichtig Beschäftigte: hochgerechnet aus dem Beschäftigtenpanel der Bundesagentur für Arbeit; neue Bundesländer; absolute Zahlen 6

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Einige wirtschaftliche Akteure haben sich bereits frühzeitig mit den Langzeitfolgen dieser demographischen Verwerfungen auseinandergesetzt und eine kontinuierliche Personalplanung in ihren Unter-

nehmen versucht. An dieser Stelle sei noch einmal an den Nachwuchskräftepool in Leuna erinnert, mit dem ein Brückenschlag von der Arbeitsplatz- zur Fachkräftelücke gelang. (Meier, Pauli, Wiener 2002)

2. Die demographischen Probleme sind in vielen Unternehmen noch nicht angekommen Die in Kapitel 1 aufgeführten Entwicklungen aus der demographischen Entwicklung und der damit verbundenen abnehmenden Bewerberzahl von Fachkräften werden von vielen Unternehmen noch nicht erkannt. Dementsprechend unvorbereitet agieren einige Unternehmer. Daraus könnten sich schwerwiegende Folgen für die Unternehmen ergeben: Sie könnten sich beispielsweise darin zeigen, dass es starke „Turbulenzen und Ungleichgewichte im Lohngefüge durch die Gewinnung neuer Spezialisten“ gibt. So kann das Entlohnungssystem aus den Fugen geraten, wenn einzelne Spezialisten mit viel Geld in die Regionen und Unternehmen gelockt werden und mehr oder minder über Nacht eine deutliche Besserstellung als langjährig eingesetzte Mitarbeiter erfahren. Wichtig ist es, die Betriebe auf die Folgen für das gesamte Betriebsklima bei solchen

Kurzfristreaktionen aufmerksam zu machen. Hier können die Tarifpartner mit Aufklärung präventiv und unterstützend einwirken. (Vgl. auch Lutz 2008a) Besonders schwierig wird es, wenn sich der Fachkräftemangel auf die De-Industrialisierung von Regionen auswirkt, indem es zur Schließung oder Verlagerung wichtiger Industrieunternehmen kommt. Zwar entscheiden sich Unternehmen sehr selten zu einer Standortverlagerung, wenn Fachkräfte am Markt fehlen (in aktuellen Befragungen8 gaben das gerade einmal fünf Prozent als eine mögliche Option an). Kommt es aber zu einem solchen Entschluss, hat das starke negative Auswirkungen auch auf die Arbeitsfähigkeit der verbleibenden Betriebe am Standort. Solche Regionen leiden zunehmend unter der fehlenden Wirtschaftskraft und verlieren an Attraktivität für neue Ansiedlungen.

2.1 Aus Erfahrungen werden Erwartungen Dass bei den Betrieben die demographischen Probleme noch nicht überall angekommen sind, belegen beispielhaft die nachfolgenden Ergebnisse einer im zsh durchgeführten Studie.9 In einer Ausbildungsbefragung in den Bundesländern Brandenburg, Niedersachsen und Sachsen-Anhalt wurden ausbildende Unternehmen nach den Erfahrungen mit der Entwicklung der Bewerberzahlen für die Berufsausbildung in den letzten Jahren befragt.

In der repräsentativen Befragung ausbildender Unternehmen 2006 gaben ein Drittel der befragten Betriebe an, dass ihre Bewerberzahlen bereits gesunken seien. Interessant ist, dass für alle Betriebe, unabhängig von den Bewerberzahlen, zu diesem Zeitpunkt galt, dass sie über 90 Prozent ihrer Ausbildungsstellen besetzen konnten.

fischerAppelt/manager magazin (Februar 2008). www.fischerappelt.de/Fachkraefteumfrage.pdf (download Mai 2008) und Befragung des zsh an drei Chemiestandorten in Sachsen-Anhalt 2008 (vgl. Kapitel 3) 9 Zusammengefasste Ergebnisse einer zsh-Ausbildungsbefragung aus dem Jahr 2006 in: Lutz (2008) und Wiekert (2008) 8

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Abbildung 2: Entwicklung der Bewerberzahlen in den letzten fünf Jahren

Bisherige und erwartete Entwicklung der Bewerberzahlen (Que lle: z sh-Au sbi ldun gsb etrieb sbefrag un g 200 6; S palten pro zent)

Die Bewerberzahl ist in den letzten fünf Jahren ... gestiegen.

28,9

... gleich geblieben.

43,4

... gesunken.

27,7

Gesamt

100,0

Folien-Nr.4

Datum 04.06.2008

zs h Zentrum fü r Soz ialf orsch ung Halle e. V.

Quelle: zsh-Ausbildungsbefragung 2006

Mehr als die Hälfte der Unternehmen (55 Prozent) gab zudem an, dass sie auch zukünftig nicht mit sinkenden Bewerberzahlen rechnen werden. Mit dem Hintergrundwissen um die extrem stark abneh-

menden Schulabgängerzahlen, die seit einiger Zeit auch überall in den Medien diskutiert werden, überraschte diese Antwort doch sehr.

Abbildung 3: Entwicklung der Bewerberzahlen in den nächsten Jahren

Bisherige und erwartete Entwicklung der Bewerberzahlen (Que lle: z sh-Au sbi ldun gsb etrieb sbefrag un g 200 6; S palten pro zent)

Die Bewerberzahl ist in den letzten fünf Jahren ... gestiegen.

28,9

... gleich geblieben.

43,4

... gesunken.

27,7

Gesamt

Folien-Nr.5

100,0

Datum 04.06.2008

Die Bewerberzahl wird in den nächsten Jahren ... sinken.

44,4

... nicht sinken.

55,6

Gesamt

100,0

zs h Zentrum fü r Soz ialf orsch ung Halle e. V.

Quelle: zsh-Ausbildungsbefragung 2006

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In der Studie wurde der Frage nachgegangen, wie es zu erklären ist, dass Veränderungen, die von sehr großer Bedeutung für die Unternehmen sind oder werden können, von vielen Betrieben auch dann (noch) nicht wahrgenommen werden, wenn sie offensichtlich sind? Die Wissenschaftler/innen kamen zu dem Ergebnis, dass offenkundig ein sehr deutlicher und enger Zusammenhang zwischen der Einschätzung der zukünftigen Entwicklung der Bewerberzahlen auf der einen Seite und den eigenen aktuellen Erfahrungen der Betriebe mit dem tatsäch-

lichen Rückgang der Zahl der Lehrstellenbewerber auf der anderen Seite besteht. Denn mehr als 70 Prozent der befragten Unternehmen sammelten noch keine Erfahrungen mit Bewerbermangel. Von diesen Unternehmen rechnen über zwei Drittel auch in Zukunft nicht mit einem Rückgang der Bewerberzahlen, wobei sie häufig darauf verweisen, dass sie als Ausbildungsbetrieb attraktiv seien oder in besonders attraktiven Berufen ausbilden würden.

Abbildung 4: Aus Erfahrungen werden Erwartungen

Aus Erfahrungen werden Erwartungen (Que lle: z sh-Au sbi ldun gsb etrieb sbefrag un g 200 6; Tab ell enprozen t)

Die Bewerberzahl

... ist nicht gesunken.

... ist gesunken.

Gesamt

... wird nicht sinken.

48,9

5,5

54,3

... wird sinken.

22,8

22,9

45,7

71,6

28,4

100,0

Gesamt

Folien-Nr.6

Datum 04.06.2008

zs h Zentrum fü r Soz ialf orsch ung Halle e. V.

Quelle: zsh-Ausbildungsbefragung 2006

Knapp 30 Prozent der befragten Unternehmen hatten bereits Erfahrungen mit rückläufigen Bewerberzahlen. Von diesen Betrieben rechnet realistischerweise fast jeder auch in Zukunft damit, dass diese Entwicklung anhält oder sich noch verstärkt. Diese Unternehmen zeigen, dass sie sich rechtzeitig auf die neuen Verhältnisse einzustellen versuchen. Hingegen ist zu erwarten, dass viele Betriebe der ersten Gruppe, die (noch) nicht von den Auswirkungen der massiven Veränderungen in der Nachfrage

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nach Fachkräften und vor allem in dem knappen Angebot an Fachkräften betroffen waren, überzeugt sind, dass sie auch in Zukunft mit ihren bis jetzt bewährten Verhaltensmustern gut zurechtkommen. „Diese Betriebe sind, so kann man ohne große Übertreibung formulieren, auf dem Weg in die Zeitfalle und werden dies mit sehr hoher Wahrscheinlichkeit erst feststellen, wenn es zu spät ist, erfolgreich gegenzusteuern.“ (Lutz 2008a)


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2.2 Die Dominanz von KMU in Ostdeutschland geht häufig einher mit fehlender strategischer Personalpolitik Die Hälfte der Chemieunternehmen beschäftigt nicht einmal 10 Mitarbeiter. Auch wenn in den großen Unternehmen mit 250 und mehr Beschäftigten fast zwei Drittel der Mitarbeiter in der Chemie angestellt sind,

ist die große Zahl der kleinen und mittelständischen Unternehmen (KMU10) nicht zu unterschätzen. Sie gehören mit einem Drittel der Beschäftigten ebenfalls zu den Leistungsträgern dieser Branche.

Tabelle 1: Betriebe und Beschäftigte der Chemieindustrie nach Betriebsgröße (Angaben in Prozent)

Betriebe mit

Betriebe

Beschäftigte

0 bis 9 Beschäftigten

50,5

2,2

10 bi 49 Beschäftigten

26,7

9,5

50 bis 249 Beschäftigten

15,8

26,8

250 bis 499 Beschäftigten

2,7

14,4

500 und mehr Beschäftigten

2,3

47,1

100,0

100,0

Quelle: Hauptverband der gewerblichen Berufsgenossenschaft, http://www.hvbg.de/d/pages/statist/unter/voll_betr/ (download am 01.09.2008)

Hinzu kommt, dass sich gerade in Ostdeutschland die Beschäftigtenzahlen noch etwas stärker auf die kleinen Unternehmen konzentrieren. (Vgl. Berechnungen des Beschäftigtenpanels im Anhang, Tabelle 1)

gungsabbau in den mittleren und großen Unternehmen stehen. Die Beschäftigungsentwicklung und die Beschäftigungspläne signalisieren, dass der Mittelstand weiterhin mit einem soliden Wachstum rechnet. (Mittelstandsmonitor 2008, S.VI).

Die wirtschafts- und beschäftigungspolitische Bedeutung der kleinen und mittleren Unternehmen wird in der Öffentlichkeit recht wenig wahrgenommen und diskutiert. Gerade wenn es um die Fragen der Bekämpfung von Arbeitslosigkeit und um neue Beschäftigung geht, beherrschen die großen Unternehmen im positiven wie im negativen Sinne die Schlagzeilen. Eine Stärke der deutschen Volkswirtschaft liegt aber unter anderem in dem hohen Anteil leistungsstarker kleiner und mittlerer Betriebe.

Trotz eines Wandels in der Betrachtung der KMU werden diese bis heute oft unterbewertet und wenig wahrgenommen. Wenn aber große Unternehmen immer mehr Beschäftigungsabbau und Ausgliederungen betreiben, wird zum Erhalt der Wettbewerbsfähigkeit der deutschen Volkswirtschaft die Sicherung der kleinen Unternehmen zunehmend wichtiger. Diese Unternehmen erhalten im Zuge der Globalisierung und des Zusammenwachsens der Weltwirtschaft sowie immer kürzerer Produktlebenszyklen aber nur eine Chance, wenn sie eine klare strategische Ausrichtung haben, ausgeprägtes Innovationsmanagement betreiben können und konsequente Kundenorientierung pflegen. (Hartmann, Wiener, Winge 2006)

Allein ein Blick auf die Statistik veranschaulicht die besondere Rolle kleiner Unternehmen. Die positiven Beschäftigungseffekte kommen aus den kleinen Unternehmen, die im Gegensatz zum Beschäfti-

Nach der KMU-Definition der EU handelt es sich um ein kleines oder mittleres Unternehmen, wenn die Mitarbeiterzahl unter 250 Personen liegt und entweder der Jahresumsatz ≤ 50 Mio. Euro oder die Bilanzsumme ≤ 43 Mio. Euro ist.

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Dabei kommt dem Wissen und Können der Mitarbeiter im Unternehmen bei der Erhaltung der Wettbewerbsfähigkeit immer größere Bedeutung zu. Der Erhaltung und dem Ausbau von Wissen und Können der Mitarbeiter dient die Personalentwicklung. Sie umfasst alle „Maßnahmen der Bildung, Förderung und der Organisationsentwicklung, die zielgerichtet, systematisch und methodisch geplant, realisiert und evaluiert werden.“ (Becker, 2002, S. 4) Aufgrund der Dynamik in der Wirtschaft wird es gerade auch für kleine und mittelständische Unternehmen, die keine eigenständischen Personalabteilungen haben und bei denen vielfach die Ge-

schäftsführung Personalfragen neben den sonstigen Aufgaben bearbeitet, immer wichtiger, der Personalentwicklung ein größeres Gewicht zu geben. Angesichts der dünnen Personaldecke und des geringen Zeitbudgets vieler Führungskräfte in kleinen und mittelständischen Unternehmen fehlt es häufig an einer kontinuierlichen Personalarbeit. Hier können durch den Aufbau von Unterstützungsstrukturen, z. B. in Form von Nachwuchskräfte- und Qualifizierungspools (Meier, Wiener, Winge 2007) sowie Arbeitgeberzusammenschlüssen (Hartmann, MeyerWölfing 2008), Führungskräfte auf dem Gebiet der Personalentwicklung qualifiziert und entlastet werden.

2.3 Die bereits sehr hohen Anforderungen an das Qualifikationsniveau in der Chemie werden weiter steigen Das Qualifikationsniveau in der Chemieindustrie ist extrem hoch. Das zeigt sich beispielsweise darin, dass in der Chemie fast doppelt so viele Hochqualifizierte (18 Prozent) beschäftigt sind, wie im Schnitt

aller Branchen (10 Prozent). In Ostdeutschland liegt der Anteil sogar fast zwei einhalbmal so hoch (24 Prozent).

Tabelle 2: Beschäftigte der Chemieindustrie nach Qualifikationsgruppen (Angaben in Prozent)

Qualifikation und Stellung im Betrieb

Alte Länder

Neue Länder

Gesamt

Hochqualifizierte und Führungskräfte

17,4

24,2

18,1

Facharbeiter und Fachangestellte

59,8

59,4

59,8

Un- und Angelernte

22,8

16,4

22,1

100,0

100,0

100,0

Quelle: BA-Beschäftigtenpanel 2006, Berechnungen im zsh

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Außerdem zeigt sich bei den Hochqualifizierten und Führungskräften ein höherer Anteil in den neuen Bundesländern als in den alten Bundesländern. Das unterscheidet die Chemie von anderen Branchen, in denen die Anteile der Höherqualifizierten in Ost und West nur wenig differieren (Vgl. Lutz 2008a für die Metall- und Elektroindustrie). Die Unterschiede zeigen sich im Metall- und Elektrobereich eher bei den Facharbeitern und Fachangestellten, während in der Chemie in diesen Qualifikationsstufen keine Unterschiede zu finden sind.

wurde vermehrt darauf hingewiesen, dass das hohe Qualifikationsniveau weiter bestehen bleiben wird oder sich sogar weiter erhöht. Das heißt, dass mit dem Abgang älterer Beschäftigter nicht einfach ein Arbeitsplatzabbau verbunden werden kann, sondern dass viele Qualifikationen durch junge Nachwuchskräfte ersetzt werden müssen. Hier wird der professionelle Umgang bei der Übertragung des Erfahrungswissens von den Älteren auf die Jüngeren sehr wichtig.

In vielen Befragungen und Untersuchungen der letzten Jahre (beispielsweise Reinberg, Hummel 2004)

2.4 Die Überalterung der Beschäftigten in der ostdeutschen Chemie ist schon länger ersichtlich Ein Übergewicht der mittleren und älteren Altersgruppen ist in der ostdeutschen Chemie bereits seit längerem zu verzeichnen. Schon im Jahr 2000 führte das zsh, vom BMBF gefördert, in Zusammenarbeit mit dem Arbeitgeberverband Nordostchemie eine Personalstrukturerhebung durch, die dies eindeutig belegt. Mehr als ein Drittel der Beschäftigten befand sich in der Altersgruppe zwischen 40 und 49 Jahren. Mehr als ein Viertel der Beschäftigten war schon damals im Alter zwischen 50 und 59 Jahren. Diese beiden Altersgruppen bestimmten im hohen Maße das Durchschnittsalter in der ostdeutschen Chemie von 43,4 Jahren. (Böttcher, Meier, Wiener 2001) Das hauptsächliche Problem besteht darin, dass selbst Unternehmen, die bereits sehr frühzeitig, also vor ca. 8 bis 10 Jahren versucht haben, der demographischen Falle gegenzusteuern oder bei denen – wie am Chemiestandort Leuna – seit Jahren ein Beschäftigungszuwachs zu verzeichnen ist, nur

begrenzt erfolgreich sein konnten, da auch sie äußeren Zwängen unterlagen. Dazu gehörten unter anderem die geringen Abgangszahlen älterer Beschäftigter in Rente. In der nachfolgenden Grafik, die der Personalleiter der InfraLeuna, Herr Jankowski, auf der Abschlussveranstaltung des Projektes Synthese präsentierte, wird dies für den Chemiestandort Leuna verdeutlicht: • So ist der Anteil der älteren Beschäftigten in den letzten Jahren weiter angestiegen. Die Unternehmen am Standort Leuna haben nun in den nächsten 10 bis 15 Jahren massive Altersabgänge zu erwarten. • Man sieht aber auch, dass am Standort bereits versucht wurde, Nachwuchskräfte aufzubauen, so dass sich die Zahl der 20 bis 25-Jährigen – wenn auch auf sehr geringen Niveau – im Zeitraum zwischen 2000 und 2006 verdoppeln konnte. (Vgl. Abbildung 5)

In dem Projekt „Synthese“ wurden mit einem ganzheitlichen Ansatz gezielt Kooperationen zwischen regionalen Arbeitsmarktakteuren, Bildungsträgern und Unternehmen aufgebaut, um dem Arbeitsmarkt passgenaue Fachkräfte zuführen zu können und insbesondere Langzeitarbeitslose bei ihrem Integrationsprozess zu unterstützen. Die Qualifizierungsförderwerk Chemie GmbH wurde im Rahmen eines Ausschreibungsverfahrens des Projektträgers, Landkreis Saalekreis, Eigenbetrieb für Arbeit mit der Durchführung des Projektmanagements beauftragt. Seite 15

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Abbildung 5: Personalstruktur am Chemiestandort Leuna im Vergleich 2000 zu 2006 Personalstruktur am Chemiestandort Leuna Altersstruktur der Beschäftigten gesamt 25 Beschäftigte 2000

Beschäftigte 2006

20

15

10

5

0 unter 20

20-24

25-29

30-34

35-39

40-44

45-49

50-54

55-59

60 und älter

Extrapolation einer im Jahr 2000 durchgeführten Personalstrukturerhebung

19.06.2008

Jürgen Jankowski

www.infraleuna.de

Quelle: Daten der InfraLeuna. Eine detaillierte Darstellung der Altersstruktur am Standort Leuna nach Funktionen und Berufen ist im Anhang dargstellt (Jankowski 2008).

Verschiedene Untersuchungen weisen darauf hin, dass vor allem die Höherqualifizierten von der Überalterung betroffen sind (Vgl. hierzu auch Abb. 2 und 3 im Anhang). Welche Spuren die extrem homoge-

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ne Altersstruktur vieler Betriebe bereits jetzt in der Entwicklung ihrer Personalstruktur hinterlässt, soll in dem nächsten Kapitel verdeutlicht werden.


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3. Es gibt erste Fachkräftelücken in der Chemie Zum Thema Fachkräfteentwicklung hat das Zentrum für Sozialforschung Halle e. V. (zsh) im Mai 2008 eine telefonische Umfrage an drei Chemiestandorten (Bitterfeld-Wolfen, Leuna und Schkopau-Merseburg)

durchgeführt. Die Studie verdeutlicht, dass in der ostdeutschen Chemie bereits erste Fachkräftelücken sichtbar werden. (Die Ergebnisse sind ausführlich in Wiener/Böttcher/Buchwald 2008 nachzulesen.)

3.1 Schwierigkeiten bei der Suche nach Fachkräften Jeder vierte Betrieb – und das ist mehr als im bundesweiten Durchschnitt12 – sagt, dass sich bereits heute die Suche nach Fachkräften sehr schwierig gestaltet. Ein weiteres Viertel der befragten Unternehmen (24 Prozent) schätzt die Suche nach Fachkräften als schwierig ein. Nur elf Prozent sind der Meinung, dass es leicht sei, Fachkräfte zu finden. In keinem der befragten Unternehmen ist man der Ansicht, dass es sehr leicht sei, neue Fachkräfte zu rekrutieren. Weiterhin ergab die Untersuchung, dass kleine Betriebe die Suche nach Fachkräften schwieriger einschätzen als größere Unternehmen. Aufmerken lässt uns die Tatsache, dass etwas mehr als ein Drittel (35 Prozent) der Befragten in den drei Chemieregionen sagt, dass sie aufgrund des Fachkräftemangels bereits heute Stellen nicht besetzen können. Trotz aktuell weiterhin sehr hoher Arbeitslosenquoten beklagen knapp drei Viertel der Unternehmen in den befragten Chemieregionen (71 Prozent) wie auch deutschlandweit über alle Branchen (70 Prozent) bereits heute, dass zu wenig passfähige Fachkräfte auf dem Arbeitsmarkt zu finden seien. Hier wird der seit Jahren bestehende Widerspruch zwischen Arbeitskräfteüberschuss und gleichzeitigem Fehlen qualifizierter Fachkräfte sehr deutlich. Ein großes Problem sieht die Hälfte der Unternehmen in der nach wie vor anhaltenden Abwanderung von gut qualifizierten Fachkräften aus den befragten Chemieregionen.

Bei den Unternehmen, in denen bereits Stellen unbesetzt bleiben, wird der Bereich „Produktion“ besonders häufig genannt, mehr als jedes zweite Unternehmen erlebt hier bereits Engpässe. Für den Bereich „Forschung und Entwicklung“ gab jedes vierte Unternehmen Probleme bei der Stellenbesetzung an. Dieser Wert ist ebenfalls sehr hoch, wenn man bedenkt, dass bei weitem nicht alle befragten Unternehmen Forschung und Entwicklung betreiben. Aus der unterschiedlich starken Suche nach Fachkräften in den einzelnen Bereichen ergibt sich natürlich auch eine unterschiedlich starke Nachfrage in den einzelnen Berufen. Im Durchschnitt ist jedes Unternehmen in zwei Berufsgruppen auf Fachkräftesuche. Gesucht werden vor allem folgende Qualifikationen: Im Bereich Chemische Grundstoffe sind es vor allem Laborberufe (Chemielaboranten), bei den Chemischen Endprodukten Chemieproduktionsberufe (Chemikanten) und Chemiker (Dipl.-Chemiker, Chemieingenieure und Ing. für Verfahrenstechnik), aber auch Ausbilder und Industriemeister für Chemie. Bei den Industrienahen Dienstleistungen sind es Metall- und Elektroberufe (Industrie- und Anlagenmechaniker), ebenfalls Ausbilder und Industriemeister für Elektrotechnik und Metall, Technikerberufe (Chemietechniker und Techniker des Elektro- und Metallfachs) sowie naturwissenschaftliche und technische Ingenieure.

12 Um die Ergebnisse der Befragung in die wirtschaftliche und arbeitsmarktpolitische Gesamtsituation einbinden zu können, wird an entsprechenden Stellen den Vergleich zu einer ebenfalls im Jahr 2008 durchgeführten bundesweiten Umfrage unter 1300 Unternehmen verschiedener Branchen herangezogen (fischerAppelt/manager magazin (Februar 2008).

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Ganz eindeutig zeigt sich, je höher die Qualifikationsanforderungen in den technischen Berufen sind, desto schwieriger wird es mit der Fachkräftesuche. Das mündet teilweise in die vergebliche Suche nach Ingenieuren, die unter anderem darin begründet ist,

dass sich trotz guter Berufsaussichten die Ausbildungszahlen für technische Berufe und Studienrichtungen seit längerem rückläufig entwickeln. (siehe dazu mehr in Kapitel 4)

3.2 Verantwortung für die Fachkräftesituation

Nur die Verantwortung der Universitäten und Ausbildungsstätten wird mit rund 80 Prozent häufiger genannt, was auf die hohen Qualifikationsanforderungen vieler Mitarbeiter hinweist, die nur mit Unterstützung dieser Bildungseinrichtungen zu sichern sind. Qualifizierte Tätigkeiten haben in der Chemie einen hohen Stellenwert, somit werden auch weit häufiger als im Bundesdurchschnitt (41 vs. 26 Prozent) private Bildungseinrichtungen als Partner bei der Beseitigung des Fachkräftemangels gesehen.

Länder und Bund sowie Beschäftigte und Arbeitssuchende) zur Fachkräftesicherung gebraucht wird, zeigt sich in den optimistischen Zukunftserwartungen der Chemieunternehmen in Sachsen-Anhalt. Mittelfristig, in den nächsten drei Jahren, erwarten fast alle der befragten Betriebe eine gleichbleibende (49 Prozent) oder sogar steigende (47 Prozent) Entwicklung der Beschäftigtenzahlen. Diese optimistische Einschätzung der mittelfristigen Entwicklung der Beschäftigtenzahl geben vor allem Unternehmen der Wirtschaftsbereiche Chemische Endprodukte und industrienahe Dienstleistungen. Unternehmen der chemischen Grundstoffproduktion erwarten hingegen kaum Veränderungen bei den Beschäftigtenzahlen.

Bund, Länder und Kommunen (50 vs. 29 Prozent) sowie die Bundesagentur für Arbeit (44 vs. 8 Prozent) sind für die Unternehmen in den ostdeutschen Chemieregionen im Vergleich zur gesamtdeutschen Erhebung deutlich wichtiger. Hier wird sehr auf Zusammenarbeit und Unterstützung gesetzt. Diese Einschätzungen sind sicherlich auf gute Erfahrungen13 zurückzuführen.

Im Vergleich zur mittelfristigen Perspektive fällt die Einschätzung der Beschäftigtenentwicklung in der langfristigen Perspektive, für die kommenden zehn Jahre, noch einmal positiver aus. Hier erwarten 56 Prozent der Unternehmen eine Zunahme. 40 Prozent der Unternehmen schätzen für diesen Zeitraum ein, dass sich die Anzahl der Beschäftigten in ihrem Unternehmen nicht verändern wird.

Hingegen spielte die Eigeninitiative der Arbeitnehmer bei der Einschätzung der befragten Chemieunternehmen in Sachsen-Anhalt eine deutlich geringere Rolle als im Bundesdurch-schnitt (39 vs. 58 Prozent). Erfahrungen aus dem Projekt Synthese zeigen, dass sich das für viele Arbeitssuchende ändern lässt.

Deutliche Unterschiede in den Erwartungen zeigen sich in Abhängigkeit von der Betriebsgröße der Unternehmen. So erwarten 85 Prozent der Unternehmen mit weniger als 50 Mitarbeitern eine Zunahme ihrer Beschäftigtenzahl. Bei den Unternehmen mit mehr als 50 Mitarbeitern sind dies nur 44 Prozent. Das heißt, gerade die kleineren Unternehmen, die es bei der Fachkräftesuche häufig noch schwerer haben als die größeren, setzen in Zukunft auf qualifizierte Verstärkung.

Wenn es um die Beseitigung des Fachkräftemangels geht, wird die eigene Verantwortung von Unternehmen weit oben angeführt. Rund 70 Prozent der Unternehmen geben das in beiden Befragungen an.

Dass der Einsatz aller Akteure (Unternehmen, Agenturen, Verbände und Gewerkschaften, Kommunen,

Nicht zuletzt mit solchen Projekten wie dem eben abgeschlossenen „Synthese“, mit dem durch aufwendige Sozialisations- und Qualifikationsmaßnahmen versucht wurde, Langzeitarbeitslose in qualifizierte Tätigkeiten in der Chemie zu vermitteln. (Quelle: http://qfc.projekt-mia.de/main.php?lang=de&act=projects_detail&pid=34&subid=4, Download Juli 2008)

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4. Auf den Wegen zur Fachkräftesicherung für die Zukunft Da wir von einzelnen Unternehmen bereits wissen, dass sie einschätzen, dass das Fachkräfteproblem bereits auf Kosten der Qualität ihrer Arbeit geht, wird es dringend notwendig, nach Wegen zur Fachkräftesicherung zu suchen. So berichten vor allem mittelständische Unternehmen davon, dass sie Entwicklungsprojekte zurückstellen müssen, wenn die entsprechenden Qualifikationen durch Ingenieure,

Techniker oder andere Fachkräfte fehlen. Die Vermeidung von Fachkräftelücken ist somit im Hinblick auf die Festigung der zukünftigen Wettbewerbsfähigkeit der Regionen eine nicht zu unterschätzende Aufgabe. In diesem Kapitel werden unterschiedliche Ansätze, die bereits erprobt sind und Lösungen, die in diesem Zusammenhang diskutiert werden, vorgestellt.

4.1 Bildung als wichtigstes Gut für eine erfolgreiche Chemie Einen ausreichenden Pool guter Fachkräfte kann eine Gesellschaft nur durch ein vorbildlich entwickeltes modernes Bildungssystem erreichen. Dafür tragen Politik, Wirtschaft und die Beschäftigten gleichermaßen Verantwortung. Die Bildung beginnt bereits im frühkindlichen Alter und mündet in ein Lebenslanges Lernen (LLL). In Deutschland werden seit längerem eine „mangelnde Ausbildungsfähigkeit“ vieler Jugendlicher und eine im internationalen Vergleich viel zu niedrige Studienberechtigtenquote festgestellt. Das steht im Widerspruch zu den im Zusammenhang mit dem Wandel der Arbeitswelt wachsenden Aus- und Weiterbildungsanforderungen. Somit kam es bei vielen Beschäftigten in den letzten 15 Jahren zu deutlich höheren Anforderungen an Komplexität und theoretischem Anspruch. (Gehrke u. a. 2008) Auf die hohen Qualifikationsansprüche in der Chemie wurde bereits in Kapitel 2 ausführlich eingegan-

gen. Bei den steigenden fachlichen Ansprüchen ist zu befürchten, dass sich die Schere zwischen Anforderungs- und Eignungsprofil weiter öffnet. Hier kann nur mit Bildung entgegengewirkt werden. Umso wichtiger wird die Qualifizierungsvereinbarung für die Chemieindustrie, die nach übereinstimmender Auffassung von BAVC und IG BCE zur Sicherung und Stärkung der Wettbewerbsfähigkeit der Chemieunternehmen sowie zum Erhalt und der Verbesserung der Beschäftigungsfähigkeit der Arbeitnehmer dient. Die Unternehmen müssen frühzeitig mit der Fachkräftesicherung beginnen, das heißt gemeinsam mit den Kindertagesstätten, den Allgemeinbildenden Schulen und Berufsschulen sowie mit den Hochschulen daran arbeiten, das Interesse an Technik bei den Kindern und Jugendlichen zu wecken und zu fördern.

4.1.1 Verstärkte Zusammenarbeit der Unternehmen mit Allgemeinbildenden Schulen Der Fachkräftemangel wird als quantitatives sowie als qualitatives Problem diskutiert. Das von den Betrieben benannte Hauptproblem ist die abnehmende Zahl guter Bewerber für die Berufsausbildung. Die Unternehmen berichten, dass die Berufsausbildungsbewerber immer leistungsschwächer werden.

Die Wissenslücken zeigen sich, wie auch der Personalleiter der InfraLeuna auf der Synthese-Tagung am 04. Juni 2008 zusammenfasste, vor allem bei „Defiziten in der Mathematik (wie Prozentrechnung, Dreisatz, Umrechnung von Maßeinheiten) und im Fach Chemie. Hinzu kommen Rechtschreibschwä-

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chen (die sich schon in fehlerhaften Bewerbungsschreiben zeigen) und Probleme in der Grammatik sowie beim Lesen. Weitere Defizite zeigen sich im Sozialkunde- und Allgemeinwissen der Berufsausbildungsbewerber.“ Das Problem fehlender guter Schulabsolventen für die Berufsausbildung kann sich in den nächsten Jahren mit den geringer werdenden Bewerberzahlen noch verschärfen, da Erfahrungen der Vergangenheit zeigen, dass mit abnehmenden Schulabgängerzahlen der Anteil der Jugendlichen, die sich dann für eine betriebliche Ausbildung entscheiden sinkt und der Anteil der Jugendlichen, die ein Studium beginnen, steigt. Das geht auf Kosten der Qualität der Berufsausbildungsbewerber. Die Ursachen für die abnehmende Qualität der Ausbildungsbewerber sind vielfältiger Natur. Ein Grund liegt in den seit Jahren steigenden Schulabbrecherquoten. So verließen im Schuljahr 2006/2007 deutschlandweit fast 76.000 junge Menschen die Schule ohne Abschlusszeugnis, das waren 7,8 Prozent aller Abgänger aus Allgemeinbildenden Schulen. (Statistische Ämter des Bundes und der Länder (2008)

bedeutet Zukunft.“ Das macht ja unser Bezirk HalleMagdeburg auch sehr gut.“ [INT2] Für die vorberufliche Bildung der Jugendlichen sollten sich nicht nur Allgemeinbildende Schulen, Berufsschulen und Betriebe sondern auch die Eltern gemeinsam verantwortlich fühlen. Vorbehalte gegenüber Chemie-Berufen gibt es nach wie vor, diese „existieren durch die Eltern und Großeltern, die betriebsbedingt entlassen worden sind … das fällt uns jetzt auf die Füße“ [INT3]. Umso schwieriger aber auch umso wichtiger ist die Information der Eltern über die Zukunft in der Chemie. Gerade Betriebe müssen mehr Berufsausbildungswerbung und Nachwuchsarbeit betreiben. Von allen Interviewpartnern wurden bereits bestehende Aktivitäten angeführt:

Ein anderer Grund besteht darin, dass das Interesse der Kinder und Jugendlichen für technische und naturwissenschaftliche Fächer extrem gering ist. „Dann wollen sie sich nicht die Hände schmutzig machen, und wenn die dann mal hier in den Betrieb reinkommen, […] die sind völlig geplättet, das können die sich gar nicht vorstellen. Weil ja ein Großteil nur das Handy am Ohr hat und dann rumrennt: ‚Hurra, ich werd Superstar’.“ [INT5]

Sommer- und Wintercamps für Schüler (organisiert zusammen mit der Bundesagentur für Arbeit); Vorstellung von Chemie- und chemienahen Berufe in den Schulen; Informationsveranstaltungen an den Chemiestandorten (hier könnten verstärkt auch Eltern beispielsweise zu den Tagen der offenen Tür mit eingeladen werden); Standort- und Unternehmensbesichtigungen; Schüler und auch Lehrer im Quartal für einen Tag in die Praxis integrieren; Mitarbeiter, Betriebsräte und Azubis gehen in die Klassen und erzählen etwas über die Berufsbilder oder Sozialpartnerschaft im Betrieb und spielen mit den Schülern Verhandlungen durch. [Beispiele aus INT3 und INT4]

So gilt es in Zukunft, bereits frühzeitig mit der Interessenbildung von Kindern und Jugendli-chen für die Chemie zu beginnen. „Unser Bezirk Halle-Magdeburg arbeitet an einem Projekt, naturwissenschaftlich-technische Berufe in den Schulen, ja sogar schon in den Kindergärten bekannt zu machen. Wichtig dabei ist, praktisch zu erkennen, dass Chemie nichts Schlimmes ist, im Gegenteil: Chemie

Den Schulen fehlt es in vielen Fällen an technischer Infrastruktur. Um diese Lücken zu schließen, könnten Unternehmen mit Sachinvestitionen oder auch Personal helfen. Solche Investitionen sind ein Weg, Schüler frühzeitig für Technik zu interessieren und später leichter für den beruflichen Eintritt zu gewinnen. „Dass du also den Jugendlichen mal vorführst: Wie sieht das in der Praxis aus, nicht nur das, was

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angelesen wird. Ja, und das ist ja so eine Art Qualitätszertifikat für Schulen. Wenn die Schulen gewillt sind, sich diesem Zertifizierungsprozess zu unterziehen, sponsern wir mit Material für Chemieunterricht, Physikunterricht. Oder mit Geld, machen eben Projekte.“ [INT4] Es gibt also bereits einzelne Beispiele. Diese reichen aber bei weitem nicht aus. Allen Initiatoren sollte zudem bewusst sein, dass sich der Erfolg erst mittel- bis längerfristig zeigen kann. Besonders wichtig wird auch die Weiterbildung der Lehrer, um sie an die Praxis in den Unternehmen heranzuführen. Diese Angebote, soweit sie bereits bestehen, werden noch viel zu wenig genutzt. „Ich hatte immer den Eindruck, irgendwo ist die Lehrerschaft ein Stück weit überfordert, den Schülern etwas über die Berufswelt beizubringen. Nicht nur Lehrer,

sondern auch Eltern. Wir sind jetzt in der glücklichen Lage, dass sich das ein bisschen zum Positiven entwickelt, weil so viele Arbeitsplätze entstehen.“ [INT5] Mit einer Verbesserung der Beschäftigungssituation für Arbeitssuchende, fällt auch die Chemie wieder in ein besseres Licht. Der Hauptgeschäftsführer der Nordostchemie bringt die Aufgaben noch einmal auf den Punkt, indem er sagt: „Ich versuche jetzt ein stringentes Unterstützungssystem für Naturwissenschaften zwischen Kindergarten und Universitäten aufzubauen. Wir sind bisher punktuell vorgegangen, wir machen den Chemie-Kinderwettbewerb, wir unterstützen Patenschaften von Unternehmen und Schulen, wir spenden Geld, wir bilden Lehrer fort …, aber ein durchgängiges System haben wir nicht.“ [INT1]

4.1.2 Berufsausbildung im Betrieb und in den Berufsschulen Das deutsche duale Ausbildungssystem und die Qualität seiner Absolventen werden weltweit anerkannt und geschätzt. Allerdings haben in den letzten Jahren zunehmend mehr Ausbildungsplatzbewerber keine Chance zur Berufsausbildung erhalten. Aktuell fällt die Entscheidung zwischen Ausbildung und externer Rekrutierung bei vielen Unternehmen vielfach gegen die eigene Ausbildung aus (nur rund ein Viertel aller Betriebe bilden aus14), die Ausbildungsquote in der ostdeutschen Chemie liegt bei 5,5 Prozent, also unter dem Gesamtdurchschnitt aller Branchen mit 8,5 Prozent.15 In den drei befragten Chemieregionen in SachsenAnhalt sind 2008 breite Ausbildungsaktivitäten zu finden. 89 Prozent aller befragten Unternehmen bilden aus und erfüllen eine überdurchschnittliche Ausbildungsquote von 9 Prozent. Die Übernahmequote liegt bei 68 Prozent, dabei werden von fast 40 Prozent der Betriebe alle ausgebildeten Absolventen übernommen. Bei den Auszubildenden, die nicht übernommen werden, muss man damit rechnen, dass ein Großteil abwandert und somit auch spä14 15

ter dem regionalen Arbeitsmarkt nicht zur Verfügung steht. Denn die Rückwanderungsneigung Jugendlicher, die erst einmal in einer anderen Region Fuß gefasst haben, ist relativ gering. Die Ausbildungsaktivitäten werden in den nächsten Jahren nach Einschätzung der Betriebe aus der Unternehmensbefragung Chemie weiter zunehmen. So wollen die meisten Unternehmen mittelfristig, also in den nächsten drei Jahren, die Anzahl ihrer Ausbildungsplätze beibehalten oder erhöhen. Das heißt, durch die Erhöhung der Ausbildungsaktivitäten bei gleichzeitigem Rückgang der Bewerberzahlen müssen die Unternehmen folglich verstärkt werben und rekrutieren, denn es wird noch schwieriger werden, entsprechend gut qualifizierte Schulabgänger für industrielle Berufe zu gewinnen. In der praktischen Umsetzung der Berufsausbildung zeigen sich weitere Anforderungen. Bei den Inhalten der Berufsausbildung wird darauf verwiesen, dass manche Ausbildungen durch die ständige Weiterentwicklung zu komplex würden. Andere Ausbildungs-

Vgl. BIBB (2007a). Auswertung des Beschäftigtenpanels der BA

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gänge seien auf veraltetem Wissensstand. Hier ist die Beteiligung an der Diskussion um die Berufsausbildung durch die Betriebe besonders wichtig. Seit Mitte der 90er Jahre arbeiten die Experten des BIBB mit den Betriebspraktikern an der Modernisierung der Ausbildungsordnungen und der Schaffung einer Vielzahl neuer Berufe. Wie anspruchsvoll und komplex die Umsetzung einer optimalen Berufsausbildung ist, zeigt sich in unterschiedlichen Einschätzungen von Berufsbildungsexperten. Auf der einen Seite wird die Ausbil-

dungsqualität durch das duale Berufsbildungssystem in Deutschland als zuverlässig eingeschätzt. Auf der anderen Seite wird aber auch von den Betrieben eine bessere Durchlässigkeit der Bildungssysteme angemahnt. Ein Weg wird beispielsweise in der Umschulung angelernter, erfahrener Mitarbeiter zur IHK-Fachkraft gesehen. Auch modulare Ausbildungen werden angestrebt und mit den Kammern diskutiert. Allerdings darf durch solche Veränderungen nicht die Attraktivität und Zuverlässigkeit der dualen Berufsausbildung gefährdet werden.

4.1.3 Qualifizierung im Fach- und Hochschulbereich In einer Studie vom Niedersächsischen Institut für Wirtschaftsforschung (NIW), von der Nord/LB und dem zsh wird festgestellt, dass die Vermittlung und Förderung von ‚Technikkompetenz’ in Deutschland über lange Jahre vernachlässigt worden ist. Trotz guter Berufsaussichten haben sich die Bewerberzahlen für technische Ausbildungsberufe und Studiengänge über Jahre hinweg rückläufig entwickelt. So ist z.B. die Zahl der Absolventen ingenieurwissenschaftlicher Studiengänge in den letzten 10 Jahren (von 48.300 im Jahr 1996 auf 35.600 in 2006) um gut ein Viertel gesunken, während die Zahl der Hochschulabsolventen insgesamt im gleichen Zeitraum um fast 10 Prozent angewachsen ist (von 202 Tsd. auf fast 221 Tsd.). In der Konsequenz sind in der Gruppe der unter 40-jährigen Bevölkerung in Deutschland schon heute weniger Akademiker mit ingenieurwissenschaftlicher Kompetenz vertreten als unter den 55–64-Jährigen. Insofern ist absehbar, dass sich, der in der Breite der Wirtschaft beklagte Ingenieurmangel, im Zuge der Verrentung der stark besetzten älteren Jahrgänge drastisch verschärfen wird. (Gehrke u. a. 2008; Heine 2006; Uhly 2007) In Ostdeutschland kam zu der geringen Studierfreudigkeit der Jugendlichen ein weiterer Grund verschärfend hinzu. Angesichts der schlechten Arbeitsmarktchancen waren viele Gymnasialabsolventen aus den starken Kohorten der Schulabgänger be-

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strebt, rasch erwerbstätig zu werden. Sie bewarben sich zu Lasten Gleichaltriger mit niedrigerem Schulabschluss um einen der immer knapper werdenden betrieblichen Ausbildungsplätze. (Steiner 2007) So stieg die Zahl der Lehrstellenbewerber weiter an, während die Studierquote deutlich unter den westdeutschen Werten blieb (die vielfach den Ausbauplänen der Hochschulen zugrunde gelegt wurden). (Lutz 2008a) Von den Interviewpartnern wurde die befürchtete Fachkräftelücke gerade im Hochschulbereich mehrfach angemahnt. „Ich denke, dass es in dem ganzen Bereich der Studienabgänger – also Ingenieure und Techniker – ein starkes Problem geben wird. Das ist nicht so sehr in den Ballungsgebieten das Problem, da gibt es andere Probleme. Das ist eher in den sehr stark ländlichen Strukturen ein Problem. Da muss man schon Anreize bieten. Das hat zum einen etwas mit der ländlichen Struktur, aber auch zum anderen mit der Bezahlung zu tun.“ [INT2] Neben der Berufsausbildung (87 Prozent) nutzen die Chemieunternehmen in Sachsen-Anhalt auch viele andere Möglichkeiten zur Rekrutierung neuer Fachkräfte: Am häufigsten wurde bei den zusätzlichen Wegen die Kontaktaufnahme und Bindung von Studenten genannt (66 Prozent). Das kann durch die „Anbindung während der Studienzeit beispiels-


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weise in Form von Praktika und Diplomarbeiten oder auch durch kooperative Ausbildungsgänge, also die Kombination von Ausbildung und Studium geschehen.“ [INT2] Neben „Praktika, Diplom-Arbeiten und Bachelor-Arbeiten müssen sich die Firmen an den Hochschulen auch selbst präsentieren, nicht nur durch die Vergabe von Arbeiten, sondern durch ihr Profil und ihre Leistungspalette, die sie anbieten. Dadurch können sie sich dann auch besser positionieren.“ [INT3] Solche Möglichkeiten können zum Beispiel bei den Kontaktbörsen der Hochschuleinrichtungen genutzt werden. Ergänzend wurde in der Befragung von Chemieunternehmen in Sachsen-Anhalt danach gefragt, ob die Betriebe eher passgenaue Fachkräfte (62 Prozent) einstellen oder nach der Einstellung der Fachkräfte Qualifizierungsanpassungen vornehmen (64 Prozent). Zu sehen ist, dass jeweils zwei Drittel der Unternehmen diese Wege nutzen. Außerdem wird von den Unternehmen häufig auch überregional nach Fachkräften gesucht (62 Prozent). Wichtig sind für die Unternehmen nicht nur die formalen Abschlüsse, sondern auch die vermittelten Ausbildungsinhalte. Hier muss mehr Transparenz darüber bestehen, welche Kompetenzen bei Bewer-

bern mit bestimmten Abschlüssen zu erwarten sind. Das gilt ganz besonders für die langsam zunehmende Zahl von Bewerbern mit Bachelor-Abschluss. Viele Unternehmen können damit noch nicht viel anfangen, durchschauen zudem das System nicht. Es gibt z.B. dreijährige und vierjährige Bachelorstudiengänge. Vielfach ist für die Unternehmen unklar, welche Funktionen diese Absolventen im Arbeitsprozess übernehmen können und wie sie zu entlohnen sind. Es gibt aber auch Betriebe, die bereits stark auf die neuen Bildungsabschlüsse setzen und weitere Qualifikationsmodelle in Angriff nehmen. „Das ist meiner Ansicht nach die ideale Kombination. Da haben wir jetzt mit der Fachhochschule Merseburg einen Versuchsballon laufen, bei dem das Bachelor-Studium in die Berufsausbildung integriert ist. Da haben wir einen Elektroniker für Betriebstechnik, das sind vier Jahre Bachelor-Studium und davon ein Jahr Berufsausbildung. Die ersten zwei Jahre macht er ein BA-Studium, das dritte Jahr macht er Berufsausbildung und das vierte Jahr macht er dann wieder das BA-Studium. Der Vorteil ist, dass er praxisorientierter eingesetzt werden kann, er hat dann mehr Detailwissen und beherrscht wesentlich mehr auf der Strecke Energietechnik, als die Bachelor ohnehin schon beherrschen.“ [INT 3]

4.1.4 Zunehmende Weiterbildungsaktivitäten Ein Problem der Fachkräftesicherung liegt in zunehmend unausgeglichenen Altersstrukturen der Belegschaften und dem weitgehenden Fehlen von vorausschauender Personalpolitik besonders in kleinen und mittelgroßen Firmen, die die Unternehmenslandschaft in Ostdeutschland bestimmen. „So haben die Unternehmen einen Großteil des von ihnen aktuell beklagten Fachkräftemangels bedingt durch wenig eigenständige ‚Nachwuchspflege’, unzureichende Ausbildungs- und Weiterbildungsanstrengungen, Freisetzung von qualifizierten, vielfach älteren Kräften, in wirtschaftlich ungünstigen Phasen etc. selbst zu verantworten16.“ (vgl. Gehrke u. a. 2008)

Wie wichtig Weiterbildung ist, wird beispielsweise im IT-Bereich sehr deutlich, weil das Wis-sen dort besonders schnell veraltet. Die Unternehmen schätzen ein, dass der gestiegene Anspruch an Weiterbildung die meisten Tätigkeiten und Mitarbeitergruppen betrifft. Allerdings fehlt es in den meisten Unternehmen an einer systematischen Weiterbildung im Anschluss an die Berufsausbildung. Die Weiterbildung, als ein Weg zur Fachkräftesicherung, wird bei den befragten Chemieunternehmen, noch vor der Ausbildung mit 87 Prozent, in neun von zehn Fällen (89 Prozent) genannt. Hier zeigt sich bereits ein hohes Bewusstsein zu diesem Thema.

16 So investieren die Betriebe nach einer aktuellen VDI-Studie viel zu wenig in die Weiterbildung ihrer eigenen Belegschaften bzw. setzen dabei die falschen Schwerpunkte. Vgl. dazu Wirtschaftswoche Nr. 51/2007, S. 100–103: Die Mär vom Mangel.

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Allerdings sagt diese Bekundung der Unternehmen noch nichts über die Form und Qualität der Weiterbildung aus, weil „… es bei der Weiterbildung erst ganz langsam zum Wandel in den Betrieben kommt. Nicht nur immer speziell auf den einzelnen Arbeitsplatz abgestellt weiterzubilden, also learning by doing, sondern darüber hinaus sich mal so einen Pool von Menschen zu schaffen, die nicht alle hinterher Führungskraft werden, die aber zumindest bereitstehen und bestimmte Qualifikationen haben. Es gibt einige Großbetriebe, die haben solche Weiterbildungsprogramme.“ [INT2] Für tarifgebundene Unternehmen ist „Weiterbildung und Personalplanung mitbestimmungspflichtig. Wir haben eine Betriebsvereinbarung, die Qualifizierung und Weiterbildung heißt.“ [INT4] Bei den vielen nicht tarifgebundenen Unternehmen sieht die Situation deutlich schwieriger aus. Die in Deutschland im internationalen Vergleich eher schwach ausgeprägte Weiterbildungsbeteiligung gilt nicht nur auf Seiten der Unternehmen, speziell bei KMU17. Auch die individuelle Weiterbildungsbereitschaft der Beschäftigten ist tendenziell niedriger als in vielen anderen Ländern. Besonders auffällige Abweichungen ergeben sich bei gering Qualifizierten und älteren Beschäftigten18. Das Engagement zur Weiterbildung bei den gering qualifizierten Mitarbeitern im gewerblichen Bereich wird von den Unternehmen als besonders schwierig eingeschätzt. Das hängt zum einen mit der Motivation der Beschäftigten zusammen, ist aber zum anderen auch auf fehlende Angebote der Betriebe zurückzuführen. Viele Unternehmen praktizieren ihre

Weiterbildung aus Kostengründen ausschließlich als „training-on-the-job“, um damit eine höhere Produktivität am gegenwärtigen Arbeitsplatz zu erzielen, ohne deutlich höhere Kosten einsetzen zu müssen. Die Diskussion um ein zu geringes Engagement in der Weiterbildung vor allem in kleineren und mittleren Unternehmen geht aber auch einher mit der Diskussion um den Wandel von Lernformen. Neben den herkömmlichen Formen formalen Lernens oder formaler Weiterbildung treten zunehmend „innovative“ oder „neue“ Lernformen, wie arbeitsprozessnahes aber auch selbstgesteuertes Lernen, in den Fokus. Untersuchungen19 zu diesem Thema verweisen auf die wachsende Bedeutung dieser Lernformen gerade für kleinere und mittlere Unternehmen. Die lernförderliche Gestaltung von Arbeitsplätzen – gerade für Mitarbeiter geringerer Qualifikation – kann Lernhemmnisse durch entsprechend ausgerichtete Angebote überwinden helfen. Exemplarisch sei hier auf die Dauer von Schulungen verwiesen: kürzere Einheiten mit vielen Wiederholungen entsprechen dem Lernstil von Mitarbeitern niedrigerer Qualifikation eher als Tagesseminare mit voll gepacktem Programm. (Winge/ Wiener 2008) Mit der Forderung nach zunehmender Sicherung der Beschäftigungsfähigkeit Älterer muss auch die Lernkultur für Ältere verbessert werden.20 Man muss wissen, dass ältere Menschen anders lernen, und dass sie andere Motivationen zum Lernen bewegen. In dem BIBB-Forschungsprojekt „Weiterbildungskonzepte für das spätere Erwerbsleben (WeisE)“ wurden Personalverantwortliche in Unternehmen nach Weiterbildungsangeboten für ältere Beschäftigte befragt. Es zeigte sich, dass spezielle Weiterbildungs-

In der NIW-Studie 2008 steht: Deutschland belegt nach den Ergebnissen der dritten europäischen Erhebung zur betrieblichen Weiterbildung (CVTS 3) im Jahr 2005 unverändert (zur Vorgängeruntersuchung aus 1999) nur im Mittelfeld. Bei wichtigen Kennziffern zur betrieblichen Weiterbildung sind zudem sogar Rückgänge zu verzeichnen gewesen. So nahmen der Anteil weiterbildender Unternehmen und der Anteil der Unternehmen, die Weiterbildung in Form von Kursen und Seminaren anbieten, ab. Zudem hat sich der Anteil der Beschäftigten, die in Maßnahmen eingebunden sind, leicht rückläufig entwickelt, während die direkten finanziellen Aufwendungen der Unternehmen für Weiterbildung (nominal) sogar um fast ein Viertel geschrumpft sind – bei unveränderter Zahl der durchschnittlichen Weiterbildungsstunden je Beschäftigten (vgl. Behringer/Moraal/Schönfeld 2008). Während nach dieser Untersuchung lediglich 44 Prozent der Kleinunternehmen mit 10 bis 19 Beschäftigten Kurse anbieten, ist dies bei Großunternehmen mit mehr als 1000 Beschäftigten nahezu die Regel. Im internationalen Vergleich fällt damit das Weiterbildungsengagement von kleineren Unternehmen in Deutschland besonders schwach aus (vgl. dazu auch Haak 2003). 18 International vergleichende Analysen finden sich bei Behringer/Moraal/Schönfeld (2008), Schmidt (2007), OECD (2005) und in der Zusammenschau bei Gehrke/Schasse (2006). 19 Siehe auch Kailer, N. (Hrsg.) 2001: Betriebliche Kompetenzentwicklung. Wien: Linde oder Kriegesmann, B.; Lamping, S.; Schwering, M. 2002: Kompetenzentwicklung und Entwicklungsdynamik in KMU und Großunternehmen. Berichte aus der angewandten Innovationsforschung. Nr. 202, Institut für Angewandte Innovationsforschung Bochum. 20 Aktuelle Auswertungen des Bundesinstituts für Berufsbildung (BIBB 2008) belegen für Deutschland im Vergleich zu 26 europäischen Ländern eine unterdurchschnittliche Teilnahmequote älterer Beschäftigter. 17

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angebote für Ältere bei Seminaren oder Workshops zu Themen wie Altersteilzeit oder Vorruhestand bei generationsspezifischen Nachholbedarfen, wie z.B. bei den IuK-Technologien, Sinn machen. Sehr viel wichtiger als speziell didaktisch gestaltete Bildungsangebote für Ältere wurden aber kontinuierliche Weiterbildungen über den gesamten Berufsverlauf eingeschätzt. Außerdem sollten die Mitarbeiter spüren, dass ihr Expertenwissen und ihre Erfahrungen gefragt sind. (BIBB 2008)

Ein weiterer Grund für die fehlende Motivation zur Weiterbildung bei den Beschäftigten kann in der ungenügenden Anerkennung ihres Engagements liegen. „Wenn ich jetzt die Weiterbildung innerhalb des Unternehmens sehe: Viele Leute sind flexibel ausgebildet, kriegen aber immer noch den gleichen Lohn, wie einer der hier nur Stapler fährt. Da sehen wir ein Riesenproblem auf das Unternehmen zukommen, weil auch die Motivation der Leute wichtig ist.“ [INT5]

Der von der BAVC und IG BCE neuartige „Tarifvertrag Lebensarbeitszeit und Demografie“, der 2008 geschlossen wurde, berücksichtigt erste Aufgaben zum demographischen Wandel und greift damit die Herausforderungen der alternden Gesellschaft auf. So sollen Anreize für eine längere Beschäftigung, beispielsweise durch Maßnahmen zur alters- und gesundheitsgerechten Gestaltung des Arbeitsprozesses mit dem Ziel der Verbesserung der Beschäftigungs- und Leistungsfähigkeit sowie durch Maßnahmen zur Qualifizierung während des gesamten Erwerbslebens, gesetzt werden. (vgl. BAVC 2008)

Unternehmen begründen geringe Weiterbildungsaktivitäten häufig mit fehlendem Geld und zu geringen Zeitressourcen. Vielfach verbreitet ist auch die Meinung, erfolgreiche Unternehmen bräuchten keine Weiterbildung, Es sei abschließend zu diesem Thema angemerkt, dass in aktuellen Studien des zsh nachgewiesen wird, dass weiterbildungsaktive Unternehmen erfolgreicher sind als andere. Diese Erfahrungen sollten unbedingt an die Unternehmen herangetragen werden. (Winge/Wiener 2008)

4.2 Zielgruppenarbeit Wenn die zur Verfügung stehenden Fachkräfte für die Unternehmen nicht mehr ausreichen, müssen die Personalverantwortlichen Zielgruppen berücksichtigen, die bisher viel weniger im Mittelpunkt ihrer Rekrutierungsstrategien stehen. Hier lassen sich für die Zukunft eine Menge Potentiale ausschöpfen. Allerdings werden damit die Investitionen für gut ausgebildete und qualifizierte Fachkräfte zeitlich und finanziell eher steigen. Auf vier Gruppen, jüngere und ältere Arbeitnehmer/ innen, Frauen und ausländische Fachkräfte, soll im Weiteren ausführlicher eingegangen werden. Für die ersten beiden Gruppen von Beschäftigten, die unterschiedlichen Altersgruppen angehören, wird ein interessantes Ergebnis aus der Unternehmensbefragung in Chemiebetrieben Sachsen-Anhalts

vorangestellt. Dazu sei eingangs darauf hingewiesen, dass 91 Prozent der befragten Unternehmen der Aussage zustimmten, dass der demographische Wandel auf die Personalbeschaffung der Zukunft negative Auswirkungen haben werde. Trotz des hohen Problembewusstseins treten, wie im Folgenden abgebildet, Widersprüche im Rekrutierungsverhalten der Betriebe auf. So betonen zwar drei Viertel der Unternehmen (76 Prozent), dass das Alter bei der Rekrutierung von Arbeitskräften keine Rolle spielen würde, da Berufserfahrung wichtiger sei. Aber nur 49 Prozent der Unternehmen geben an, bewusst auch Ältere einzustellen, obwohl bei denen eher Berufserfahrung zu erwarten wäre. Hier offenbaren sich in der Praxis große Potentiale der zukünftigen Arbeitskräfterekrutierung.

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Gleichzeitig sagen 87 Prozent der Unternehmen, besonders darauf zu achten, jüngere Arbeitnehmer einzustellen. Dies erklärt sich zum Teil aus der

aktuellen Situation vieler überalterter Unternehmen, die versuchen müssen, eine Verjüngung der Belegschaften zu gewährleisten.

Abbildung 6: Rekrutierung von Jungen und Älteren (Mehrfachnennungen)

Wandel führt in Regionen zu Problemen bei der Personalbeschaffung

91%

Alter spielt keine Rolle, Berufserfahrung ist wichtig

76%

Achten darauf, auch Jüngere einzustellen

87%

Stellen bewusst auch Ältere ein

49%

Quelle: zsh-Unternehmensbefragung für das QFC 2008

4.2.1 Integration von Jugendlichen Zurzeit besteht bereits bei Hochschulabsolventen ein erster Engpass. „Bei uns ist klar, dass in den nächsten fünf bis sechs Jahren mindestens 120 Beschäftigte durch Inanspruchnahme der Altersteilzeit ausscheiden werden. Aber, da sind wir im Prinzip auch schon gewappnet. Für die zu ersetzenden 120 haben wir jetzt schon 30, meist in Form von Doppelbesetzungen, an Bord. Das sind in aller Regel Trainees und Auszubildende oder zukünftige Trainees, die bei uns ein duales Studium absolvieren oder auch Werksstudenten.“ [INT3] Es wird zum beruflichen Einstieg wichtig sein, dass sie interessante Aufgabenfelder in ihrem zukünftigen Unternehmen erkennen und ein Gefühl von Perspektive und Sicherheit erhalten. Weiterhin kann sich das Unternehmen durch Berufsausbildung den eigenen Facharbeiternachwuchs heranbilden. Auch hier wird es mit abnehmender Bewerberzahl immer wichtiger gegen andere Ausbil-

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dungsplatzanbieter durch gute Konditionen zu konkurrieren. Angebote einer längerfristigen Beschäftigungsperspektive im Anschluss an die Ausbildung und guter Entwicklungschancen auch über die Ausbildung hinaus werden hier zum Trumpf der Unternehmen. Wenn die Schulabgänger nicht mehr ausreichend für die Berufsausbildung zur Verfügung stehen, sollte nach Wegen gesucht werden, um aus dem Potential der Jugendlichen zu schöpfen, die aufgrund der schwierigen Bedingungen der letzten zehn Jahre viel zu wenig Möglichkeiten bekamen, den Einstieg ins Erwerbsleben zu bewältigen. Diese Jugendlichen haben in einer Reihe von teilweise sehr aufwendigen Förderprogrammen des Bundes, der ostdeutschen Bundesländer und der Bundesagentur für Arbeit sogenannte Maßnahmekarrieren durchlaufen. Vielfach wurden durch die Programme lediglich die beim


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Übergang von Schule in Erwerbstätigkeit zu überwindenden Schwierigkeiten von der „ersten Schwelle“ (zwischen Schule und Ausbildung) an die „zweiten Schwelle“ (dem Übergang von Ausbildung in Erwerbstätigkeit) verschoben. Insgesamt ist ca. einem Drittel aller Schulabgänger aus den geburtenstarken Jahrgängen kein Einstieg in akzeptable Erwerbstätigkeit gelungen.21 Selbst von den Jugendlichen der geburtenstarken Jahrgänge, die einen guten Schulabschluss und eine abgeschlossene Berufsausbildung nachweisen konnten, hatten rund 20 Prozent nach zwei Jahren noch nie eine sozialversicherungspflichtige Beschäftigung gefunden.22 Somit ist auch nicht erstaunlich, dass ein erheblicher Teil der ostdeutschen Jugendlichen nach Beendigung der Schule oder nach Abschluss der Berufsausbildung in die alten Bundesländer abwanderte. (vgl. Lutz 2008b) „Die fehlenden Lösungsansätze für innovative und nachhaltige Maßnahmen für Jugendliche an der zweiten Schwelle haben bereits jetzt dazu geführt, dass viele junge Erwachsene biographische Erfahrungen sammeln mussten, die ihre grundsätzliche Leistungsfähigkeit und Bereitschaft zur Integration in die Gesellschaft stark mindern. […] Die Gesellschaft muss unbedingt reagieren und sich stärker den

Problemen der Jugendarbeitslosigkeit, insbesondere an der zweiten Schwelle, widmen, wenn sie nicht in kurzer Zeit mit den negativen Spätfolgen ihrer bisher zu wenig erfolgreichen Arbeitsmarktpolitik für diese junge Generation konfrontiert werden will.“ (Wiener, Meier 2006) Wenn man diese Jugendlichen für den Arbeitsmarkt (zurück)gewinnen will, muss relativ viel Kraft und Zeit investiert werden. Viele dieser Jugendlichen sind gar nicht mehr in der Lage oder waren noch nie in der Lage, einfachste gesellschaftliche Regeln und soziale Tugenden (wie Verlässlichkeit, Pünktlichkeit, Verantwortung übernehmen) zu leben. Die Aufbauarbeit für diese Jugendlichen, die für eine Beschäftigung fitt gemacht werden sollen, kann nicht von den Unternehmen geleistet werden. Sie sollte aber von Anbeginn mit ihnen zusammen und mit massiver Unterstützung der Arbeitsagenturen vorgenommen werden. Hier haben alle bisherigen „Gewinner“ der Gesellschaft ein Stück Verantwortung zu tragen, wenn nicht auf Dauer eine sehr große Gruppe von Menschen von der Gesellschaft ausgeschlossen bleiben soll und diese für alle Zeiten mit Subventionsleistungen belastet.23

4.2.2 Erfahrung bei den älteren Beschäftigten Wenn es in den ostdeutschen Unternehmen nicht mehr nur um Arbeitsplatzabbau geht, sollten die Betriebe neben den jungen Fachkräften auch wieder die älteren in ihr Blickfeld nehmen. Die überall zu beobachtende Skepsis gegenüber älteren Bewerber/ innen ist gerade in den teilweise extrem überalterten ostdeutschen Unternehmen nicht zu verstehen, die ja zu einem immensen Teil durch diese Altersgruppe gestützt werden.

Hörwick und Bender (2006) schreiben: „Paradoxerweise haben sich viele Betriebe im Zuge der Rationalisierungswellen der letzten Jahre gerade dieser älteren Mitarbeiter in großer Zahl entledigt, die über diese aktuell so gefragten Kompetenzen in hohem Maße verfügen. ‚Nirgendwo in Europa verzichten die Firmen so rigoros auf das Potenzial älterer Arbeitnehmer wie in Deutschland. Nirgendwo anders haben 40-, 50- oder 60-Jährige so schlechte Chancen einen Job zu finden. Sechs von zehn Unternehmen in Deutschland beschäftigen gar keine Menschen mehr, die älter als fünfzig sind’ (Zons 2006, 3).“

Vgl. am Beispiel eines Bundeslandes: Ketzmerick, Meier, Wiener (2007) Vgl. Prein (2005) 23 Die mangelhafte Integration junger Menschen in die Arbeitswelt verursacht ganz erhebliche gesellschaftliche Folgekosten. Durch grundlegende bildungspolitische Weichenstellungen könnten für die Jahre 2007 bis 2015 insgesamt 13,4 Milliarden Euro an direkten und 15,9 Milliarden Euro an indirekten Kosten bei der Integration von Jugendlichen in Ausbildung und Beschäftigung eingespart werden. Hinzu kämen Wertschöpfungspotenziale durch den nachträglichen Erwerb von Berufsabschlüssen von gering qualifizierten Arbeitnehmern in Höhe von 21,5 Milliarden Euro. Zu diesem Ergebnis kommt eine aktuelle Studie, die im Auftrag der Bertelsmann Stiftung vom Institut der deutschen Wirtschaft Köln erstellt wurde. (Bertelsmann Stiftung 2008) 21 22

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Die Regel der Personalverantwortlichen der meisten ostdeutschen Unternehmen war in den letzten Jahren: Was ich habe, kenne ich; was ich bekomme, weiß ich nicht. Das heißt, Personalverantwortliche sind häufig rekrutierungsentwöhnt und nur von Personalabbauerfahrungen geprägt. „Sehen Sie, es ist schwer das Ruder umzulegen, wenn sie jahrelang Leute entlassen haben und entlassen mussten. […] Die Vorstellung, den Fachkräften nachlaufen zu müssen und für Azubis in den Schulen aktiv zu werden, Werbung, Marketing für den eigenen Betrieb, Employer Branding zu betreiben, ist manch einem Personalverantwortlichen fremd.“ [INT1] Wenn dieser nun in die Lage versetzt wird, neue Fachkräfte einzustellen, ist ein Anspruch, möglichst gut durchmischte Altersstrukturen aufzubauen. Und dazu gehören auch die älteren Mitarbeiter, die mit ihrer Lebens- und Berufserfahrung ein großes produktives Potential einbringen können. Um die Beschäftigungsfähigkeit der Mitarbeiter, gerade auch im Interesse eines erhöhten Renteneintritts, lebenslang zu sichern, spielt das Gesundheitsmanagement eine immer stärkere Rolle, der sich jedes Unternehmen stellen kann und sollte. Nicht alle Maßnahmen können, wie das nachfolgende Beispiel, so aufwendig gestaltet werden. „Für Feuerwehrmänner haben wir ein komplettes Trainingsprogramm unter ärztlicher, professioneller Überwachung, weil das ja absolut entscheidend ist für die Ausübung des Berufes im Brandschutz. Das ist G 26-3 der berufsgenossenschaftlichen Vorgabe. Dort machen wir ein Fitnessprogramm unter Anleitung, so dass die Gesunderhaltung das Arbeiten so lange wie möglich gewährt. Das ist unser wichtigstes Projekt in dieser Form.“ [INT4] Der betriebliche Aufwand für Aktivitäten zur Gesunderhaltung der Mitarbeiter/innen ist ganz unterschiedlich. An dieser Stelle sollen mögliche Maßnahmen vorgestellt werden. Organisiert werden können diese Angebote beispielsweise über eine Servicestelle, wie es sie am Chemiestandort Leuna bereits gibt:

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• Gesundheitsvorsorge, Prophylaxe o Physiotherapie: bspw. Rückenmassage am Arbeitsplatz mit oder ohne Kostenübernahme während der Arbeitszeit oder o ergonomisch geformten Stühle, strahlungsarme Bildschirme o Getränkeversorgung und gesunde Kost in der Kantine o Unternehmenssport, an dem Mitarbeiter freiwillig und kostenlos teilnehmen können. Sie treffen sich zu Fußball, Volleyball, Badminton, Nordic Walking, Wirbelsäulengymnastik, Schwimmen, Wandern u. a. o Fitnesscenter • (Betriebs-)ärztliche Untersuchungen o Untersuchungen nach berufsgenossenschaftlichen Vorgaben o erweiterte Untersuchungen wie LangzeitEKG oder komplettes Check-Up In einigen Beispielen gibt es für diese Maßnahmen in der Betriebsvereinbarung ein Gesundheitsvorsorgeprogramm. Gerade in der Produktion ist es für viele Tätigkeiten trotz aller Gesundheitsvorsorge schwer vorstellbar, die Mitarbeiter/innen bis zum Renteneintritt dort zu beschäftigen. „Es fehlen Ausweicharbeitsplätze […] Sie arbeiten sieben Tage am Stück. Die Arbeiten draußen sind nicht ganz so einfach und wenn man älter wird, fällt einem das immer schwerer. Ich habe bei mir zum Beispiel einen Arbeitskollegen, der wird 60. Ich weiß nicht, wie die sich das in der Politik so vorstellen, dass die Leute in solchen Produktionsberufen dann bis 67 arbeiten gehen sollen. […] Solche Leute, gerade in der Produktion, sind meistens in der Lehre und beginnen dann gleich zu arbeiten. Die kommen auf über 40, auf 45 Arbeitsjahre. Ich denke mal, das ist von der Sache her genügend. Jemand der studiert und dann erst mit über 30 ins Arbeitsleben eintritt, das ist wieder was anderes. Die haben auch meistens die Ambition über 67 hinaus noch zu arbeiten.“ [INT5]


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Vor allem in der Schichtarbeit wird beklagt, dass dies sehr auf Kosten der Gesundheit geht und besonders für ältere Mitarbeiter Belastungen mit sich bringt. So wünschen sich die Beschäftigten, dass für chronisch Kranke durch gesetzliche Regelung Erleichterungen im Arbeitsprozess geschaffen werden (z. B. durch Reduzierung der Wochenarbeitszeit oder Unterstützung bei dem Übergang in Altersteilzeit)24. „Wir haben ja bei uns in den Betrieben ganz viele Schichtarbeiter, Vollschichtarbeiter, das schaffst du nicht bis 67. Das heißt, da muss man auch intelligente Lösungen zum Ende des Arbeitslebens hin finden, eine Humanisierung auch deutlicher für diese hinbekommen. […] Dazu zählt natürlich auch unser Tarifvertrag, aber da muss es mehr geben.“ [INT2] Buck schreibt bereits 2001, dass die Unternehmen vor der Herausforderung stehen, ausgewogene Altersstrukturen zu schaffen und ihre Rekrutierungsstrategien, die ausschließlich auf den angeblich leistungsfähigeren und innovativeren jüngeren Mitarbeiter setzen, spätestens dann zu überdenken, wenn nicht mehr genügend jüngere Mitarbeiter zur Verfügung stehen. Einige Unternehmen reagieren

bereits mit einer „demografiefesten Personalpolitik“. „Indem wir jetzt z. B. durch Umqualifizierung andere Arbeitsplätze für solche Kollegen schaffen, die in ihrem Berufsbild nicht mehr tätig sein können, aufgrund gesundheitlicher Einschränkungen […] Ein Feuerwehrmann kann zum Beispiel zum Werkschutz gehen und Tordienst machen“ [INT4] Das heißt, die Unternehmen müssen eine alternsgerechte Arbeits- und Personalpolitik entwickeln. Dazu sollten zugunsten ausgewogener Altersstrukturen drastische Rekrutierungs- und Berentungswellen vermieden werden. Ungerechtfertigte Vorurteile über die Leistungsfähigkeit älterer Mitarbeiter müssen abgebaut werden. Außerdem sollten einseitige Spezialisierungen von Mitarbeitern, welche in berufliche Sackgassen führen vermieden werden, vielmehr geht es um die Aktivierung und Förderung der Kompetenzen aller Beschäftigten. Der Transfer von Erfahrungswissen zwischen den betrieblichen Altersgruppen muss gefördert werden und eine alternsgerechte Arbeitsgestaltung und betrieblichen Gesundheitsförderung, bereits bei den jungen Mitarbeitern beginnend, wird zunehmend wichtiger. (Buck 2001)

4.2.3 Frauen in der Chemie Die Frauenquote in der Chemie ist relativ gering, vor allem bei den Un- und Angelernten, aber auch bei den Hochqualifizierten. Dabei gibt es allerdings

deutliche Unterschiede zwischen Ost und Westdeutschland.

Tabelle 3: Frauenquote in der Chemieindustrie nach Qualifikationsgruppen (Angaben in Prozent)

Qualifikation und Stellung im Betrieb

Alte Länder

Neue Länder

Hochqualifizierte und Führungskräfte

22

40

Facharbeiter und Fachangestellte

36

45

Un- und Angelernte

23

40

Quelle: BA-Beschäftigtenpanel 2006, Berechnungen im zsh

24

Ergebnisse einer Mitarbeiterbefragung am Standort Bitterfeld-Wolfen für das QFC

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Umso erstaunlicher waren die Ergebnisse der Unternehmensbefragung 2008. Darin wurde neben dem Rekrutierungsverhalten der Betriebe nach unterschiedlichen Altersgruppen gesondert auch nach der Rekrutierung weiblicher Fachkräfte gefragt.

Diese Zielgruppe rückte kaum in das Blickfeld der Chemieunternehmen. Hier offenbaren sich sicherlich noch viele ungenutzte Potentiale für die Zukunft. (Abb. 7)

Abbildung 7: Noch keine Zunahme bei Rekrutierung von Frauen Wandel führt in Regionen zu Problemen bei der Personalbeschaffung

91%

Wir stellen zunehmend Frauen in unser Unternehmen ein, ...

um berufliche Chancen der Frauen zu erhöhen

weil Frauen bessere soziale Kompetenzen haben

weil immer mehr männliche Fachkräfte fehlen

10%

12%

11%

Quelle: zsh-Unternehmensbefragung für das QFC 2008

In den befragten Unternehmen an den Chemiestandorten in Sachsen-Anhalt werden Frauen bisher kaum als zusätzliche Zielgruppe gesehen. Zur Erinnerung sei noch mal gesagt, dass die meisten Unternehmen (91 Prozent) Probleme bei der Personalbeschaffung erwarten. Trotzdem bejahten die nachfolgenden Argumente, verstärkt Frauen einzustellen, nur jeweils zehn bis zwölf Prozent der Unternehmen. Bei den benannten Gründen – die beruflichen Chancen der Frauen zu erhöhen, ihre sozialen Kompetenzen zu nutzen, oder sie wegen fehlender männlicher Fachkräfte einzusetzen – sind keine nennenswerte Unterschiede zu erkennen. Dafür gibt es mehrere Gründe. Zum einen ist das Interesse an naturwissenschaftlichen Fächern sehr geschrumpft und der Anteil junger Mädchen, die sich für Berufe in diesen Fächern interessieren, enorm gering. „Das ist nach wie vor das Thema, dass sich

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die Mädchen für Chemie-Berufe wenig interessieren – mit Ausnahme Laborant –, für die technischen Berufe gleich gar nicht. Das ist eigentlich unser leidiges Problem. Wir sind sehr offen für Mädchen, sowohl in technischen Berufen, wie auch im Chemikanten-Bereich. Aber, wie gesagt, das Interesse der Mädchen geht nach wie vor in andere Bereiche: Florist, Friseuse, Kosmetikerin und was nicht alles.“ [INT3] Zum anderen werden einige Tätigkeiten von den Interviewpartner/innen wegen ihrer körperlichen Anforderungen und Gefährdungspotentiale für Frauen gar nicht als Arbeitsbereich erwogen. „Wir hatten mal ganz am Anfang in der Produktion einen Versuch gestartet. Da waren dann Frauen in der Produktion eingestellt, aber dagegen spricht, dass es körperliche Arbeit ist. [...] Schwer ist es nicht, aber es ist in der Halle sehr warm. Dann haben wir natürlich auch Abteilungen, da sind Temperaturen von 70 Grad.


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[…] Wo dann im Endeffekt auch körperlich gearbeitet werden muss und Ausdauer gebraucht wird. Und man muss sagen, da ist wirklich eine Unterscheidung zu machen. Damals in dieser Probezeit, in der man versucht hat Frauen einzustellen, das war schwierig. Also das hat nichts mit frauenfeindlich zu tun. Also die ganzen Arbeiten sind sehr schwierig für Frauen zu machen. […] In der Regel werden unsere Arbeiten ja von Maschinen, Kränen, Gabelstaplern oder dergleichen gemacht, aber wie z.B. die Arbeit hinten im Lager. […] Da haben Männer schon Schwierigkeiten das Gestänge zu bewegen. Da geht’s nicht anders als mit der Hand. Dann haben wir Spannmaschinen, gut – wir haben jetzt seit 2 Jahren zwar umgesattelt auf leichtere, wir haben Spannmaschinen, die sind auch ziemlich schwer und die müssen wir auf der Leiter in ziemlicher Höhe halten und das ist auch nicht ganz so einfach. […] Und wenn die mit Staplern bewegt werden, da müssen sie die Seile einhängen und dergleichen und da muss man schon von der Voraussetzung her ne ziemlich große Frau haben. Das ist dann immer so: Stapler hoch, runter und wenn man das in der Schicht so 80 Mal macht, geht das auch ziemlich auf die Knochen. Die Frauen, die da waren, haben von sich aus gesagt: ‚Das ist nichts für mich’. „[INT5] „Jedes Unternehmen hat da eine andere Kultur. Manche Unternehmen sagen, nach Möglichkeit ist ein Chemikant bei mir männlich. Aber wir haben hier das allgemeine Gleichbehandlungsgesetz, so dass man bei den Bewerbungskriterien nicht unterscheiden darf zwischen männlich und weiblich. Das sind ja chemische Berufe und da sind bestimmte Gefährdungspotentiale dabei. Und da muss man eben auch aufpassen: Ist das jetzt wirklich gut für eine Frau? Es ist sowieso nicht gut, aber wenn ich jetzt eben schwere Lasten heben muss oder was bewegen muss, dann komm ich ja auch von der Arbeitsstättenverordnung her und den Sicherheitsbestimmungen an die Grenzen. Ich darf eben als Frau nicht mehr als 10, 15 Kilo heben permanent. […] Manche nehmen eben jetzt lieber Männer und manche nehmen pari-pari. Weil das ist auch eine Frage, das Team ist immer am besten besetzt, wenn bei-

de Geschlechter vertreten sind. Weil nur Frauen ist kompliziert und nur Männer auch, in einer anderen Art.“ [INT4] Es gibt bereits auch Unternehmen, die umdenken. „Also wir haben jetzt eine Frauenquote von 30 Prozent. […] Wir machen das so: Wenn wir jetzt Neueinstellungen machen, sowohl im Trainee, also im künftigen Führungskräftebereich, als auch im gewerblich-technischen Bereich, versuchen wir eine gute Mischung hinzubekommen.“ [INT4] In höheren Funktionen sind Frauen trotz ihrer guten Qualifikationen seltener anzutreffen. „Frauen in Führungspositionen: Wenn man mal genauer hinguckt, ist es nicht besonders weit verbreitet. […] Es muss hier deutlich mehr getan werden. Wir werden dies mit Netzwerken unterstützen, aber auch die Vereinbarkeit von Beruf und Familie – für beide Geschlechter – stärker in den betrieblichen Focus rücken. Dazu haben wir schon viele Betriebsvereinbarungen.“ [INT2] Auf jeden Fall sind Frauen zu wenig im Blickfeld der Personalverantwortlichen. Erfahrungen aus DDRZeiten – mit einer deutlich höheren Frauenerwerbsquote auch in der chemischen Produktion – zeigen, dass es weit aus mehr Möglichkeiten gäbe, Frauen einzusetzen, als dies bisher passiert. „Das ist erfolgreich zurückgedrängt worden. Das müssen wir gemeinsam wieder nach vorne bringen. Das Selbstverständnis ist hier, Gott sei Dank, noch vorhanden. So ist es hoffentlich ein bisschen einfacher, neben der Vereinbarkeit von Beruf und Familie auch die Karriereplanung für Frauen voranzutreiben.“ [INT2] Dazu müssen zum einen die Mädchen schon frühzeitig für die Ausbildungen in der Chemie interessiert werden: „Also wir haben gute Erfahrungen gemacht mit dem Sommercamp der Bildungsakademie Leuna. Da werden 40 bis 50 Schüler der neunten Klassen in der Regel mit den Ausbildungsbedingungen an der Bildungsakademie Leuna vertraut gemacht. Da sind sehr viele Mädchen dabei, bei denen wenigstens ein bisschen technisches Verständnis entwickelt wird. In der Folge sind wir stark daran interessiert, in den Schulen aufzutreten und dort die Berufe vorzustellen.“ [INT3]

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Zum anderen muss mehr für die Vereinbarkeit von Familie und Beruf geschehen. Das wird besonders notwendig in einer Zeit, in der wieder beide Partner berufstätig sein wollen und können. Wenn einer der

Partner (meist die Frauen) nicht mehr die häuslichen Verpflichtungen durch Nichterwerbstätigkeit alleine übernimmt, wird es umso wichtiger Beruf und Familienleben gut miteinander vereinen zu können.

4.2.4 Ausländische Fachkräfte

Das Handwerk beginnt seine Auszubildenden aus Tschechien und Polen nach Ostdeutschland zu holen. Solche Maßnahmen wurden bisher in der Chemie noch nicht gebraucht, aber man stellt sich auf viele neue Wege ein, auch um ausländische Fachkräfte nach Deutschland zu bringen. „Wenn es so eng wird, dass wir bei der Personalrekrutierung ‚kalte Füße bekommen’, dann könnte ich mir das vorstellen. Ich könnte mir vorstellen, in vier, fünf Jahren wird sicherlich der eine oder andere in diese Richtung denken müssen. Ich persönlich wäre da im Prinzip auch offen für solche Geschichten.“ [INT3]

„Also, wir kommen ja bei der ganzen Frage Fachkräftemangel nicht darum herum, ausländischen Fachkräften Arbeitsplätze anzubieten. Es ist wichtig, dass wir das auf Arbeitnehmer- und Arbeitgeberseite gemeinsam machen, und wir müssen eine politische Aussage dazu treffen. Wir müssen Integrationsvereinbarungen treffen, weil wir nicht ohne diese Fachkräfte auskommen werden. Wir haben hier noch nicht viele ausländische Fachkräfte. […] Hier hat man noch nicht so viele Erfahrungen. Wir müssen uns diesem Arbeitsmarkt öffnen, wir müssen offen sein für Neue und Neues und wir müssen für eine lebenswerte Umwelt sorgen. Dazu bedarf es auch Aussagen der Tarifvertragsparteien oder der politischen Bereiche. Wir haben zum Teil Betriebsvereinbarungen zu mehr Chancengleichheit oder Integration.“ [INT2]

Wenn wir mehr ausländische Fachkräfte nach Deutschland holen wollen, müssen allerdings die Zuwanderungsbedingungen für qualifizierte Personen mit langfristigen Beschäftigungsperspektiven, auch aus Nicht-EU-Ländern, verbessert und die Integrationsbemühungen ausgeweitet und gefördert werden.

Welche Wirkungen jedoch tatsächlich mit steigenden Zuwanderungen verbunden sind, hängt entscheidend vom Bildungs- und Ausbildungsstand der Zuwanderer ab: Je höher die Qualifikation der Zuwanderer, umso niedriger das Arbeitslosigkeitsrisiko und der Bezug von Transferleistungen von Migrantenhaushalten.25 (Gehrke u. a. 2008)

Auch ausländische Fachkräfte werden wieder für den deutschen Arbeitsmarkt entdeckt. Zuwanderungen können hierbei zur Milderung des absehbaren Fachkräftebedarfs beitragen.

4.3 Personalwirtschaftliche Anreize 4.3.1 Lohnentwicklung in den neuen Bundesländern

In der Unternehmensbefragung 2008 wurden Wege zur Fachkräftesicherung unterschiedlich häufig aufgezeigt. Während bei den Bildungsaufgaben noch die meisten Unternehmen (über 90 Prozent) bekundeten, diese durchzuführen (in welchem Umfang 25

Vgl. Brücker u.a. (2002).

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wurde nicht erfragt), gab nur ca. ein Drittel der Betriebe (36 Prozent) an, finanzielle Anreize zu setzen, obwohl die Löhne zwischen Ost und West noch immer extrem auseinander klaffen.


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„Und so sind andere Geschäftsführer auch eingestellt. Die wollen versuchen administrativ die Leute zu halten, die sie noch haben, tun nichts zum Gewinn von neuen Leuten oder relativ wenig; und sehen dann ihre Felle davon schwimmen. Bis hin zur Tarifentwicklung, das ist das gleiche Problem. Das sind auch diejenigen, die weit unter dem ChemieTarif bleiben und sich wundern, dass die Leute langsam woanders hingehen, bzw. überhaupt nicht kommen. Das Stammpersonal, das ist diszipliniert, aber die anderen nicht mehr.“ [INT3] Dass sich in dem Einkommensgefüge bereits etwas tut, ist bekannt. Zurzeit geschieht dies aber nur punktuell. „Und die Superkräfte, die wir haben, da haben wir auch als Betriebsräte kaum noch Einblick, was die verdienen. Also diese Leute verhandeln nur mit dem Geschäftsführer. Wir haben da einige Spezialisten, die in der Glasbranche sehr gefragt sind und die auch eine sehr hochwertige Ausbildung haben, hochwertige Ausbildung auch von Seiten unserer Firma in den USA, die dort auch ausgebildet wurden. Anders kriegt man solche Leute ja heutzutage auch nicht mehr.“ [INT5] „Wir haben nunmehr ab 2009 die volle Angleichung, Ost- gleich Westtarif in der Chemie. Dafür haben wir lange gekämpft. Damit gleichen sich die Arbeitsbedingungen an. Dies ist ein gutes Argument hierzubleiben, nicht in die alten Bundesländer abzuwandern, weil dort mehr bezahlt wird. Die Menschen wollen Perspektive hier, an ihrem Lebens- und Arbeitsort.“ [INT2] „Die ostdeutschen Firmen werden mit ihren Gehältern nicht vollkommen an westdeutsche Regionen wie Baden-Württemberg oder Bayern anschließen können. Aber eine Verkaufsstrategie kann es werden, zu sagen, mit dem was ihr hier verdient, könnt ihr euch dasselbe leisten, wie in den Regionen, mit denen ihr eure Gehälter vergleicht. Ostdeutschland hat eine moderne Infrastruktur, sehr schöne und bezahlbare Wohnungen und vieles mehr. Wahrscheinlich wird der Markt in die Richtung gehen, zu sagen:

Wenn du einen Chemie-Ingenieur nach Apolda oder in sonst eine ländliche Region haben willst, wirst du erheblich mehr zahlen müssen als heute, nämlich soviel wie in einer Metropolregion. Wenn er das gleiche Entgelt bekommt, wie beispielsweise im Westen, dann kann er damit bei uns wesentlich mehr anfangen.“ [INT1] Lohnanreize können vielfältig gestaltet werden. Es gibt beispielsweise Prämiensysteme und Jahresausschüttungen, Direktversicherungen, betriebliche Altersvorsorge, vermögenswirksame Leistungen, Firmenfahrzeuge, kostenlose Darlehen, oder Internetshops für günstigere Arbeits- und Freizeitbekleidung. Besondere Gehälter, die in großen Unternehmen für bestimmte Aufgaben temporär gezahlt werden, können die kleinen Unternehmen nicht bieten, dafür versprechen sie mehr Kontinuität. In den großen Firmen gibt es oft Zwei-Drei-Jahresprojekte, die nur in dieser Zeit entsprechend hoch bezahlt werden. Kleinere Unternehmen versuchen über langfristige Zusagen, die Beschäftigten zu binden. Nun ist die Finanzierung sehr wichtig, aber nicht die einzige Möglichkeit, für Fachkräfte interessant zu werden und Mitarbeiter an das Unternehmen zu binden. Neben einer anreizorientierten Lohnpolitik ist auch eine bewusste Karriereplanung für viele Arbeitnehmer/innen entscheidend. Bei beiden Wegen haben große Unternehmen gegenüber den kleineren Unternehmen eindeutig Vorteile. Aber auch kleine Unternehmen haben viel zu bieten. Während große Unternehmen mit einem Stab von Mitarbeitern in den Personalabteilungen meist sehr professionell Karriereplanungen praktizieren, regelmäßig Mitarbeitergespräche führen, mit den Beschäftigten Zielvereinbarungen schließen und sich um den Erhalt der Beschäftigungsfähigkeit sowie um Aufstiegsmöglichkeiten möglichst vieler Mitarbeiter bemühen, können kleinere Unternehmen solche Personalarbeit nur sehr marginal leisten. Sie setzen

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der Karriereplanung aufgrund fehlender Aufstiegsmöglichkeiten interessante Arbeitsplätze entgegen und versuchen Motivation durch vielschichtige Tä-

tigkeiten in Teamwork oder temporären Teams zu schaffen. (vgl. Gehrke u. a. 2008)

4.3.2 Vereinbarkeit von Familie und Beruf

Auch die Erleichterung der Vereinbarkeit von Beruf und Familie als eine weitere Möglichkeit zur Fachkräftegewinnung wurde in der Unternehmensbefragung 2008 nur von knapp einem Drittel der Betriebe benannt (29 Prozent). Dabei steht fest, wer sich auf familienfreundliche Arbeitsbedingungen einlässt, kann sich für die Zukunft einen deutlichen Wettbewerbsvorteil sichern. Das zsh hat am Chemiestandort Bitterfeld-Wolfen im Sommer 2008 eine Mitarbeiterbefragung zu diesem Thema durchgeführt, aus der hier einige Ergebnisse zusammengefasst werden sollen26. An der Mitarbeiterbefragung beteiligten sich 189 Beschäftigte aus fünf Unternehmen. Anders als traditionell oft vermutet, beschäftigt die Diskussion zum Thema „Vereinbarkeit von Familie und Beruf“ nicht nur Frauen, wenn sie auch nach wie vor bei diesem Thema den Ausschlag geben, was letztendlich sicherlich mit ihrer häufig höheren Doppelbelastung zu tun hat. Mit der zunehmenden Übernahme familiärer Verpflichtungen durch die Männer bringen sich auch diese immer mehr in die Diskussion mit ein. Am Antwortverhalten wird deutlich, wen das Thema im Besonderen interessiert: Es sind vor allem Mitarbeiter/innen in Schichtarbeit, besonders Alleinerziehende (Frauen und Männer), Familien mit Kindern im betreuungspflichtigen Alter und Familien mit Pflegefällen. Im Weiteren soll darauf eingegangen werden, wie die Mitarbeiter/innen in den Chemiebetrieben, die zumeist vollbeschäftigt sind und vorrangig im Schichtdienst arbeiten, ihren Arbeitsalltag zwischen beruflichen Herausforderungen sowie familiären Ansprüchen und Verpflichtungen meistern.

Ein Merkmal der Chemieindustrie ist, dass viele Beschäftigte in Schichten arbeiten. Es ist bekannt, dass Schichtdienst an die Mitarbeiter/innen besondere Herausforderungen in der Koordination von beruflichen und familiären Verpflichtungen stellt. Die meisten Mitarbeiter/innen haben sich mit ihren Arbeitszeiten arrangiert und organisieren danach ihren Alltag. Fragt man die Mitarbeiter/innen, ob sie mit ihren jetzigen Arbeitszeiten zufrieden sind, dann zeigt sich, dass bei einem Großteil, wenn auch nicht bei allen, die tatsächliche Arbeitszeit der Wunscharbeitszeit entspricht.27 In Einzelfällen wünschten sich die Männer lieber geringere Arbeitszeiten, bei den Frauen waren es 14 Prozent, die nicht zufrieden mit ihren Arbeitszeiten waren. Die meisten von ihnen würde lieber weniger arbeiten, einige wollten aber gern auch mehr arbeiten. Knapp die Hälfte der befragten Mitarbeiter/innen haben Kinder, die in ihrem Haushalt leben. Das gaben Frauen wie Männer gleichermaßen an. 15 Prozent der Befragten mit Kindern ist alleinerziehend, Frauen (22 Prozent) fast viermal so häufig wie Männer (6 Prozent). Bei den Kindern unter 6 Jahren erfolgt die Betreuung häufig in einer Kombination von öffentlichen Einrichtungen und Familienangehörigen der Eltern- und Großelterngeneration. Von den Sechsbis Neunjährigen gehen die meisten in die Grundschule. Für die Eltern dieser Altersgruppe spielen die eben genannten öffentlichen Betreuungseinrichtungen und familiären Hilfen weiterhin eine entscheidende Rolle. Die familiäre Unterstützung ist vor allem in den Randbetreuungszeiten zu Arbeitsbeginn und Arbeitsende wichtig, wenn die Kindereinrichtungen noch nicht oder nicht mehr geöffnet haben. Außerdem wird für die Kinder dieser Altersgruppe häufiger eine Nachmittagsbetreuung als Unterstützung genannt.

Ausführlich nachzulesen in Buchwald/Wiener 2008 Fast ein Drittel (30 Prozent) hat zu dieser Frage keine Angabe gemacht. Es ist zu befürchten, dass in dieser Gruppe einige unzufriedene Mitarbeiter/innen enthalten sind, die sich aber nicht zu diesem Thema äußern wollten. Allerdings lassen sich dazu nur Vermutungen anstellen.

26 27

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Knapp drei Viertel der Befragten (74 Prozent) sind mit der Kinderbetreuung zufrieden, das verbleibende Viertel ist es allerdings nicht. Verbesserungen bei der Betreuung der Kinder wünschen sich die Befragten bezüglich der Öffnungszeiten der Kindertageseinrichtung. Außerdem wurde von mehreren Mitarbeiter/innen eine Nachmittagsbetreuung und verstärkt Angebote in den Ferienzeiten als wünschenswert empfunden. In Einzelfällen wird eine Nachmittagsbetreuung für Kinder im Alter von einem bis drei Jahren gewünscht. Die Betreuungszeit, die sich diese Betroffenen für ihre Kinder wünschen, liegt im Bereich von 5.00 Uhr bis 18.00 Uhr. Angesprochen wird ebenfalls im Rahmen der Nachmittagsbetreuung ein Fahrdienst für Kinder, der von Firmen übernommen werden könnte. Somit wäre ein sicherer Transport der Kinder zu Nachmittagsveranstaltungen – wie z. B. Sportgemeinschaften oder Musikschule – gewährleistet, wenn die Eltern arbeiten müssen.

selbst sowie aus möglichen Unvereinbarkeiten zwischen den Anforderungen der Pflege und der beruflichen Umwelt der pflegenden Angehörigen. Diese zum Teil widersprüchlichen Anforderungen schlagen sich nicht selten auch in physischen, psychischen und psychosozialen Beanspruchungen nieder.

Neben den familiären Verpflichtungen der Kinderbetreuung wurden auch Pflegeverpflichtungen der Beschäftigten genannt. Schon jetzt gibt jeder zehnte Befragte an, pflegebedürftige Angehörige zu betreuen. Das entspricht auch anderen Befunden (z.B. Höpflinger/Hugentobler 2005 und Schneekloth/Wahl 2005), aus denen zu ersehen ist, dass die Pflegeleistungen zwar zwischen Männern und Frauen geteilt werden, aber dass Frauen stundenmäßig deutlich stärker involviert sind und andere Aufgaben übernehmen als Männer. Frauen führen meistens die eigentlichen Betreuungsleistungen durch, während sich Männer eher um die administrativen Fragen (wie die Beantragung des Pflegegeldes) und die Organisation der Pflegezeiten kümmern. Somit fühlen sich Männer häufig, trotzt einer ebenfalls vorhandenen zusätzlichen Belastung, beim Pflegethema nicht ebenso stark angesprochen wie Frauen.

Neben der alltäglichen Doppelbelastung wird es für betreuungspflichtige Erwerbstätige besonders schwierig, mit der Zusatzbelastung fertig zu werden, wenn Notsituationen wie Erkrankung der Hauptbetreuungsperson, kurzfristiger Schichtwechsel oder eine mehrtägige Dienstreise eintreten. Um allen Anforderungen gerecht werden zu können, wurde nach den hauptsächlichen Problemen bei der Organisation von Familien- und Erwerbsanforderungen sowie nach Unterstützungswünschen gefragt.

Die Anforderungen, die an die pflegenden Angehörigen gestellt werden, kollidieren nicht selten mit ihrer Belastungsfähigkeit und den Ansprüchen, die an eine qualitativ hochwertige Pflege gestellt werden müssen. Vor allem bei Erwerbstätigkeit entstehen zahlreiche Belastungen aus dem Pflegeprozess

Von den Befragten, die bereits jetzt pflegedürftige Angehörige haben, gab jeder Fünfte an, dass es Schwierigkeiten bei der Versorgung dieser Angehörigen gibt. Dies äußert sich vor allem darin, dass kein Betreuungsplatz sowie keine Hilfe bei der Betreuung der pflegebedürftigen Angehörigen zu Hause vorhanden sind und dass sie keine Unterstützung während der Urlaubszeit erhalten. Inwieweit diesen Mitarbeiter/innen der gesetzliche Anspruch von 4 Wochen Unterstützung für die häusliche Pflege bei Verhinderung der Pflegeperson bekannt ist (§39 SGB XI), wurde nicht erfragt.

Neben politischen Forderungen, die sich im Besonderen auf die Änderung des Kinderförderungsgesetzes (KiFöG) in Sachsen-Anhalt (bezüglich Halbtagsplatz) bezogen, gab es auch viele Wünsche und Anregungen, wie Unternehmen zur Vereinbarkeit von Familie und Beruf beitragen können. Bezüglich der Kinderbetreuung wurden von den Befragten Belegrechte in Kinderbetreuungseinrichtungen (in der Nähe des Arbeitsplatzes) angesprochen, für die sich der Betrieb einsetzen könnte. Fast jeder Zehnte antwortete, dass er von einem geförderten Angebot zur Kinderbetreuung am Chemiestandort Gebrauch machen würde. Außerdem wurde der

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Wunsch geäußert, dass die Betriebe durch eine Kooperation mit Tagesmüttern den Mitarbeiter/innen helfen könnten. Weitere Wünsche waren gerechtere Arbeitszeiten für junge Mütter; Betreuungsmöglichkeiten am Wochenende (Sa. bis 16 Uhr); stärkere Berücksichtigung von Familien mit schulpflichtigen Kindern zur Urlaubsplanung in Ferienzeiten; Unterstützung der Firmen durch Fahrdienste für Kinder am Nachmittag; finanzielle Unterstützung durch den Betrieb (z. B. Zuschuss zu Betreuungskosten); Ermöglichen einer kurzfristigen Urlaubnahme; Erleichterung des Tausches von Schichten; großzügigere Nutzung von Zeitguthaben für Hilfe bei Arztbesuchen Angehöriger und Einsatz für bessere Versorgung durch Ärzte in der Region. Das hauptsächliche Problem zeigt sich in der Vereinbarkeit von Schichtzeiten mit dem Familienleben. Davon sind Frauen und Männer gleichermaßen betroffen. So bleibt durch die Schichten zu wenig Zeit für die Familie. Die Samstagsarbeit kam in die Kritik und besonders häufig kamen die Klagen von Mitarbeiter/innen des vollkontinuierlichen Schicht-systems. Vor allem eine höhere Flexibilität der Unternehmen hinsichtlich der Arbeitszeit zur Vereinbarkeit mit Kinderbetreuung und Pflegeverpflichtungen bei Angehörigen wurde immer wieder angesprochen. Beispiele aus Unternehmen zeigen, dass es Bereiche gibt, in denen sehr flexibel mit der Arbeitszeit umgegangen werden kann. „Dann haben wir die ganzen Arbeitszeiten so modernisiert, dass sich der Mitarbeiter das Arbeitszeitmodell aussuchen kann in seinem Team, wie er das am Besten vereinbaren kann. Da ist jeder, ich sag mal, ein bisschen anders gestrickt. Entscheidend ist eben, dass die Teamfähigkeit gestärkt wird. […] Das wird eben organisiert. Ich meine, wir haben jetzt ungefähr 12 verschiedene Schichtsysteme, Vertrauensarbeitszeit, flexible

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Arbeitszeit. Also, der Mitarbeiter hat die Wahl in welchem Arbeitszeitsystem er arbeiten möchte. Und hat aber auch die Wahl sich selbst eines zu erfinden.“ [INT4] In der Studie wurden einige Probleme bei der Vereinbarkeit von Familie und Beruf angesprochen. Zeit wird oft zu einem besonders wertvollen Gut. Viele der vorgeschlagenen Anregungen und Änderungswünsche betreffen nicht nur Einzelne, sondern einen Großteil der Mitarbeiter/innen in den Betrieben. „Vereinbarkeit von Beruf und Familie, das heißt in der ersten Lebenshälfte Kinder, in der zweiten zunehmend die Versorgung bzw. Pflege der eigenen Eltern. Dies wird uns in der Zukunft sehr viel stärker beschäftigen. Hier müssen wir mit unseren Sozialpartnern Lösungen finden. Es gibt schon einige Erfahrungen, aber hier müssen wir deutlich mehr machen. Betriebsvereinbarungen zur flexiblen Freistellung zur Pflege sind notwendig.“ [INT2] So macht es Sinn, dass Betriebe und Kommunen über gemeinsame Lösungen am Standort nachzudenken. Organisiert werden können die Hilfen beispielsweise in einem „Familie & Job Center“ wie in Brandenburg oder in einem „Servicebüro“ für Fragen der Vereinbarkeit von Beruf und Familie wie in Leuna. Anregungen für die Umsetzung lassen sich also aus bereits erfolgreich laufenden Modellen übernehmen. Die Gründe für eine familienfreundliche Personalpolitik können vielfältig sein: Dazu gehören ethischmoralische Aspekte und soziales Engagement, es geht in den Unternehmen um Personalkostenoptimierung bis hin zu einer langfristigen Sicherung ihrer wirtschaftlichen Rahmenbedingungen.


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5. Abschluss Es hat sich gezeigt, dass die Unternehmen in der Chemie selbstbewusst in die Zukunft schauen. Fachkräfte sind für ihren wirtschaftlichen Erfolg extrem wichtig. Vielen ist bewusst, dass sich Versorgungslücken auftun werden, andere haben bereits erste Erfahrungen damit sammeln müssen. Für alle die, die derzeit noch nicht über das Thema der Fachkräftelücke nachdenken, kann es in Kürze schwierig werden, auf ein sinkendes Fachkräfteangebot zu reagieren. Kleine Unternehmen geraten bei Rekrutierungsaufgaben aufgrund fehlender Kapazitäten häufig ins Hintertreffen. Ein Stück weit kann dieser Nachteil beispielsweise durch Kooperationen abgeschwächt werden. Aber auch Kooperationen verlangen Engagement und Einsatz. Einige Anregungen zur Fachkräftegewinnung und Fachkräftesicherung kann diese Expertise geben. Das Thema muss aber weiter kontinuierlich verfolgt und bearbeitet werden. Wenn keine Mittel und Wege helfen, die entsprechenden Fachkräfte für die Betriebe zu gewinnen, denken Unternehmen auch über Standortverlegungen nach. Das sind Entscheidungen von großer Tragweite. Dieser Schritt wird auch nur von vier bzw. fünf Prozent

aller befragten Betriebe als Ausweg angesehen. Wenn es dazu kommt, ist diese Entscheidung allerdings besonders schädlich für die wirtschaftliche Entwicklung einer Region und kann sich auch auf die Leistungsfähigkeit anderer Unternehmen am Standort (z. B. Zulieferer oder industrienahe Dienstleister) negativ auswirken. Solche Regionen leiden häufig unter abnehmender Wirtschaftskraft und haben es besonders schwer, neue Investoren zu gewinnen. Von solchen Entscheidungen ist die ostdeutsche Chemie hoffentlich weit entfernt, denn wenn wir mal richtig hinschauen, gibt es ein großes Potential von zukünftigen Fachkräften, das teilweise aber erst neu erschlossen werden muss. Nach der Zeit eines überquellenden Arbeitsmarktes von lernwilligen Berufsanfängern bis hin zu ausgezeichnet qualifizierten und berufserfahrenen Arbeitslosen kommen wir jetzt in eine Phase abnehmender Schulabgängerzahlen und zunehmender Arbeitssuchender, die schon lange dem Arbeitsmarkt fern sind. Das heißt, die Wirtschaft muss neue Wege gehen und zusätzliche Potentiale bei Jüngeren wie Älteren, bei Frauen und Männern, bei in- und ausländischen Fachkräften erschließen, wenn sie auch weiterhin ihre Beschäftigten für die Zukunft sichern will.

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Anhang Abbildung 1: Verdienststruktur der Facharbeiter Ost-West in derChemie 14

Facharbeiter 2006

12 10 -> ostwest = 1 Westdeutschland

8

-> ostwest = 2 Ostdeutschland (einschl, Berlin)

6 4 2

10 00 14 00 18 00 22 00 26 00 30 00 34 00 38 00 42 00 46 00 50 00

20 0 60 0

0

Brutto-Monatseinkommen bis... (Euro)

Quelle: BA-Beschäftigtenpanel 2006, Berechnungen im zsh

Tabelle1: Beschäftigte der Chemieindustrie nach Betriebsgröße (Angaben in Prozent)

Zahl der Beschäftigten in Betrieben mit Alte Länder 0 bis 19 Beschäftigten

3,6

5,8

20 bi 99 Beschäftigten

12,5

21,8

100 bis 199 Beschäftigten

10,1

12,5

200 bis 499 Beschäftigten

19,8

17,6

500 und mehr Beschäftigten

53,9

42,1

100,0

100,0

Quelle: BA-Beschäftigtenpanel 2006, Berechnungen im zsh

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Neue Länder


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Jürgen Jankowski (2008): Exploration einer im Jahr 2000 durchgeführten Personalstrukturerhebung mit dem zsh im vom BMBF geförderten Projekt „Gene-

rationenaustausch in industriellen Unternehmensstrukturen (GENIUS)“

Abbildung 2: Altersstruktur in ausgewählten geweblichen Berufen Personalstruktur am Chemiestandort Leuna Altersstruktur für ausgewählte gewerbliche Berufsgruppen 30

Chemie-Produktionsberufe Metall- und Elektroberufe

25

Laborberufe industrielle Dienstleistungen

Pr o z en t

20 15 10 5 0 unter 20 20-24

25-29

30-34

35-39

40-44

45-49

50-54

55-59

60 und älter

Alter

Angaben ohne Auszubildende Chemie-Produktionsberufe: Chemikant, Pharmakant; Chemiebetriebswerker u.a. Laborberufe: Chemielaborant, Biologielaborant, Chemielaborwerker, Werkstoffprüfer, Lacklaborant Metall- und Elektroberufe: Industriemechaniker, Prozessleitelektroniker, Energieelektroniker, Anlagenmechaniker, Industrieelektroniker industrielle Dienstleistungsberufe: Fachkraft für Lagerwirtschaft, Warenprüfer, Werkschutz

Extrapolation einer im Jahr 2000 durchgeführten Personalstrukturerhebung

www.infraleuna.de

Jürgen Jankowski

19.06.2008

Abbildung 3: Altersstruktur in ausgewählten Qulifikationsstufen Personalstruktur am Chemiestandort Leuna Altersstruktur für ausgewählte Berufsgruppen 30 Chemiker

Ingenieure

Führungskräfte

25

P r oz e n t

20 15 10 5 0 unter 20 20-24

25-29

30-34

35-39

40-44

45-49

50-54

55-59

Chemiker: Chemiker, Chemieingenieure, Ingenieure der Verfahrenstechnik, Biotechnologen u.a. Ingenieure: sonstige Ingenieure Führungskräfte: Betriebsleiter, Geschäftsführer, Geschäftsbereichsleiter, Vertriebsgebietsleiter u.a.

60 und älter

Alter

Extrapolation einer im Jahr 2000 durchgeführten Personalstrukturerhebung

19.06.2008

Jürgen Jankowski

www.infraleuna.de

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