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HEROES LETICIA BUFONI

Sie springt aus Flugzeugen und kickfippt durch Londons Naturkundemuseum: Die Skateboard-Pionierin brennt für die kreative Seite ihres Sports und öffnet ihn für Mädchen. Nun kommt sie nach Deutschland.

Dass Leticia Bufoni nach München kommt, dürfte viele freuen. Dann wäre nur noch die Frage zu klären – für welche Sportart eigentlich? Fährt sie wieder mal bei einer Rallye mit? Oder verteidigt sie ihren jüngsten Sieg als Rennfahrerin in der PorscheCup-Serie? Geht sie zum Skydiven, Wakeboarden, Jetskifahren oder Motocross? Will sie ihre Snowboard-Skills in den Alpen trainieren? Ihr Sixpack im bekannten Gym in der Leopoldstraße stählen? Lockt sie die Welle im neu eröffneten Surftown MUC am Münchner Flughafen? Präsentiert sie ihre eigene Bikini-Kollektion? Kriegt sie noch einen Eintrag ins Guinness-Buch der Rekorde? Ach so, ja, skateboarden könnte sie natürlich auch. Die Frau lebt fünf Sportkarrieren auf einmal, mindestens.

Auf zu neuen Sphären

Und die korrekte Antwort lautet übrigens: Leticia Bufoni ist der große Name bei Red Bull Pool Drop in München, einem Skateboard-Contest, der als Mix aus den Disziplinen Street und Bowl auf einem schwimmenden Skatepark im Olympiaparksee ausgetragen wird (siehe Seite 96). Bufoni wird es lieben. Weil die Brasilianerin sich als Skaterin gerade wieder neu erfindet. Erst war sie das schüchterne Talent aus Brasilien, dann wurde sie zur weiblichen Skateboard-Ikone und zum Vorbild für Mädchen weltweit. Und jetzt hat sie sich von der klassischen Skate-Pro-Karriere verabschiedet und skatet abseits von Contests oder Streetspots in ihren ganz eigenen Sphären.

Ein paar Beispiele gefällig? Bufoni macht in 2700 Meter Höhe einen Feeble Grind, rutscht auf einer Achse ihres Boards über ein Rail aus der ofenen Ladeklappe eines fiegenden Transportfugzeugs hinaus (ja, mit Fallschirm). In London kickfippt sie im Naturkundemuseum über das Skelett eines Velociraptor-Dinosauriers. Im McLaren-Hauptquartier ollied sie zwischen Formel-1-Wagen sieben Stufen. Jetzt folgt als nächster Höhepunkt also eine Performance auf einem schwimmenden Skatepark.

Leticia Bufoni ist das Showgirl des Skatens. Und, ja, keine andere Fahrerin zeigt so viel Haut, Muskeln und Logos wie die 31-jährige Brasilianerin. Sie weiß sich zu vermarkten – und das Interessante ist: Niemand nimmt es ihr übel. Dabei ist Skateboarden immer noch ein Sport, der seine Wurzeln kennt. Auch die weltbesten Fahrer klettern in Kalifornien, Barcelona oder Berlin über Zäune, um sonntags auf Schulhöfen oder vor Bürogebäuden zu skaten, bis Securitys und die Polizei sie verjagen. Der Sport ist trotz Millionenreichweite auf Instagram noch real. Und Leticia Bufoni wird als Skaterin sehr respektiert. Weil sie so viel erreicht hat. Und es dabei nie leicht hatte.

Als sie als Neunjährige mit dem Skaten in São Paulo anfängt, ist sie das einzige Mädchen weit und breit. Ihre Oma kauft ihr das erste Board und Skateschuhe. Aber ihr Vater fndet den Sport unweiblich und ist dagegen, er zersägt sogar vor ihren Augen ihr Brett. „Es war einer der traurigsten Momente in meinem Leben“, erzählt Bufoni, „aber das konnte mich nicht aufhalten.“ Als sie erste Wettkämpfe in Brasilien gewinnt, kratzen die Eltern das letzte Geld zusammen, um ihr einen Flug in die USA zu einem großen Contest zu ermöglichen. Sie bleibt als 14-Jährige ohne Familie und Englischkenntnisse in Los Angeles und wird Prof. Bufoni sammelt mehr Medaillen als jede Skaterin vor ihr und bringt Frauenskaten mit harten Railtricks und dicken Gap-Ollies auf ein neues Level.

Wild und fürsorglich

Das „Forbes“-Magazin zählt sie 2018 zu den 25 einflussreichsten Sportlerinnen. Statt Skateboard-Baggy-Kleidung zieht sie aber lieber enge Leggings und knappe Tops an, färbt ihre Haare rot, tätowiert und pierct sich, macht Bikini-Selfes und zeigt sich hüllenlos, nur mit einem Skateboard bedeckt, in der „ESPN Body Issue“. Sie verdient viel Geld, hat einen eigenen Skatepark und hängt mit Superstars wie Nyjah Huston, Gabriel Medina und Neymar jr. rum. Neben der wilden Leticia gibt es aber auch die verantwortungsvolle, die supergesund lebt (früh schlafen, kein Fleisch – und das als Brasilianerin!). Während der Olympischen Spiele in Tokio kümmert sie sich rührend um Brasiliens Teenie-SkateSuperstar Rayssa Leal, die Bufoni unironisch „Mom“ nennt. Und wenn man Leticia Bufoni sprechen hört, fällt auf, was für eine sanfte Stimme sie hat. Null Gepose, null Angeberei, einfach sympathisch.

„Ich möchte, dass Mädchen mich anschauen und sehen, dass es möglich ist, seinen Träumen zu folgen“, sagt Bufoni. Eine gute Gelegenheit dazu wäre doch ihr Auftritt in München. Spannend wird es obendrein – welche Tricks zeigt Bufoni? Denn hinter aller Show steckt in Leticia Bufoni immer noch eine exzellente Skaterin.

Instagram: @leticiabufoni

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