Zeitung zur Ausstellung "Revolution macht Republik" im Abgeordnetenhaus

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1. EXTRAAUSGABE

DIENSTAG, DEN 11. DEZEMBER 19

REVOLUTION MACHT REPUBLIK! DAS PREUSSISCHE ABGEORDNETENHAUS

IN DER REVOLUTION 1918/19

AUSSTELLUNG IM ABGEORDNETENHAUS VON BERLIN

11. DEZEMBER 18 BIS 25. JANUAR 19

Ausrufung der Republik am Reichstag, 9. November 1918 © National Library of Scotland, CC-BY-NC-SA

DIE REVOLUTION 1918/ 19 BERLIN, 9.11.18 –18.3.19 Krieg, Hunger, Diktatur: Im Herbst 1918 war die Geduld der Menschen mit Kaiser und Militär am Ende. Der Krieg war verloren und der Herrschaftsapparat hatte jedes Vertrauen verspielt. Der Befehl an die Flotte in Kiel und Wilhelmshaven, zu einem Selbstmordkommando gegen die britische Marine auszulaufen, brachte das Fass zum Überlaufen. Die Meuterei im Norden entfachte einen Aufstand, der zur Revolution im ganzen Land wurde. Kasernen, Rathäuser und Schlösser wurden gestürmt und besetzt, die alten Machthaber abgesetzt. Die Kontrolle übernahmen Arbeiter- und Soldatenräte, die sich aus gewählten Vertreter*in-

nen der Betriebe und Kompanien zusammensetzten. Die wichtigsten Ziele der Revolution waren die Beendigung des Krieges und die Errichtung der Republik. Bezeichnend hierfür war die Parole: „Frieden, Brot und Demokratie“. Sie wurde im Herbst 1918 von der überwiegenden Mehrheit der Deutschen geteilt. Die Revolution 1918/19 begann nicht in Berlin, aber die Hauptstadt war ihr entscheidender Schauplatz. Hier lagen die Zentren der Macht des überkommenen und handlungsunfähigen Kaiserreichs. Hier wurde um die wichtigsten Entscheidungen gerungen, die bedeutendsten Erfolge erreicht. Aber auch die tragischsten Entwicklungen nahmen hier ihren Ausgang. Hier rief Philipp

Scheidemann am 9. November 1918 die Republik aus, hier wurde das Ende des Ersten Weltkriegs bekannt gegeben, hier wurde das Wahlrecht für Frauen beschlossen, der Weg in die parlamentarische Demokratie geebnet, die Sozialpartnerschaft zwischen Unternehmern und Gewerkschaften ausgehandelt. In Berlin kam es aber auch zu den blutigen Aufständen, bei denen die sich die Anhänger*innen der gespaltenen Arbeiterbewegung als unversöhnliche Feinde gegenüberstanden, hier wurden Rosa Luxemburg und Karl Liebknecht ermordet, hier fanden hunderte politische Morde statt, wurde mit schwerer Artillerie auf Wohngebiete geschossen, geriet die junge Demokratie in ernste Gefahr.

29.9.18 NIEDERLAGE!

UND WAS HAT DAS MIT DEM ABGEORDNETENHAUS VON BERLIN ZU TUN? REVOLUTION MACHT REPUBLIK, 11.12.18–24.1.19 Die Geschichte des Gebäudes, heutiger Sitz des Berliner Abgeordnetenhauses, ist unmittelbar mit der Revolution 1918/19, ihren Leistungen und Ergebnissen verknüpft. Viele wichtige Ereignisse fanden genau hier statt: Die Ablösung der preußischen Monarchie und der Übergang zur Republik, die entscheidenden Weichenstellungen hin zur parlamentarischen Demokratie auf dem Reichskongress der Arbeiter- und Soldatenräte, die endgültige Spaltung der Arbeiterbewegung mit der Gründung der KPD oder das erste auch von Frauen gewählte Preußische Parlament. In diesem Gebäude kristallisiert sich die Geschichte der Revolution 1918/19 wie fast nirgendwo sonst in Berlin. Revolution ist prinzipiell partizipativ und dynamisch, sie findet auf der Straße statt und lebt

von der Mitwirkung der Menschen. Aufrufe mobilisierten auch 1918/19 zum Aufbruch in den Frieden und die Demokratie. Hieran orientiert sich die Ausstellung „REVOLUTION MACHT REPUBLIK“. Themen wie die Ausrufung der Republik, der „Fahrplan“ für die Demokratie, die Macht der Räte und die (Ohn-) Macht des Räte-Gedankens als politisches System, die Spaltung der Arbeiterbewegung oder das Frauenwahlrecht können so dargestellt und in größere Zusammenhänge eingebettet werden. „Versammelt Euch!“, „Macht Frieden!“, „Mischt Euch ein!“, „Keine Gewalt!“, „Informiert Euch!“, „Beteiligt alle!“ und „Solidarisiert Euch!“ heißen die Kapitel, an denen die Geschichte der Revolution und die Rolle des Preußischen Abgeordnetenhauses darin gezeigt werden. Die Gestaltung mittels Holz-Bauzäunen, auf die aufrufartig die Inhalte plakatiert werden,

nimmt diese Dynamik auf und gibt der Revolution als weitgehend unfertigem Prozess einen visuellen Ausdruck. Er erinnert historisierend an tatsächliche Plakat-Aufrufe der Revolutionszeit und schlägt gleichzeitig thematisch die Brücke ins Heute. Somit ist die Ausstellung einerseits auch optisch in der Revolutionszeit verwurzelt. Andererseits kann eine solche Ästhetik auch die Aktualität der Inhalte betonen: Demokratie ist eine dauerhafte Baustelle, an der es immer und immer wieder neu zu bauen gilt. Ihr Fundament – in diesem Fall das heutige Abgeordnetenhaus von Berlin – steht fest, umso wichtiger ist es jedoch, die Gestaltung und den Ausbau stets in demokratischen Händen zu lassen und die Baustellen, die sich dabei ergeben, nicht den Feinden der Demokratie zu überlassen.

Die deutsche Militärführung, die Oberste Heeresleitung (OHL), gibt den Ersten Weltkrieg verloren und fordert von der Reichsregierung ein sofortiges Waffenstillstandsangebot an die US-Amerikaner. Deutsche Kriegsgefangene im französischen Abbeville am 2. Oktober 1918. © ullstein bild – mirrorpix


REVOLUTION MACHT REPUBLIK!

DAS PREUSSISCHE ABGEORDNETENHAUS IN DER REVOLUTION 1918/19

VERSAMMELT EUCH! Die Grundbedingung dafür, dass Menschen politische Teilhabe einfordern können, ist die Versammlungsfreiheit. „Friedlich und ohne Waffen“, so heißt es im heutigen Grundgesetz der Bundesrepublik Deutschland, haben Menschen jederzeit das Recht, unter freiem Himmel „eine örtliche Zusammenkunft zur gemeinschaftlichen, auf die Teilhabe an der öffentlichen Meinungsbildung gerichteten Erörterung oder Kundgebung“ abzuhalten. Doch Deutschland tat sich mit der Versammlungsfreiheit lange schwer und gewährte sie erst in der Weimarer Reichsverfassung. Es waren die Massen, die sich am 9. November 1918 zu Millionen versammelten und somit den Sturz der Monarchie und die Ausrufung der ersten deutschen Republik erzwangen. Über eine Million Menschen zogen gemeinsam durch die Straßen Berlins und forderten Frieden und Demokratie. Unter dem „Druck der Straße“ erklärte Reichskanzler Max von Baden schließlich eigenmächtig die Abdankung des Kaisers und übertrug seine Amtsgeschäfte dem Sozialdemokraten Friedrich Ebert. Das machte den Weg frei zur Ausrufung der Republik am Reichstag durch dessen Parteikollegen Philipp Scheidemann: Mit der Abdankungserklärung im Rücken, den demonstrierenden Massen vor der Tür und den linksradikalen Revolutionären in Nacken sprach er die berühmten Worte: „Das alte Morsche ist zusammengebrochen… Es lebe das Neue! Es lebe die deutsche Republik!“. Die Revolution hatte den Staat zur Sache des Volkes gemacht. Die erste deutsche Demokratie war erkämpft. Ohne Versammlung gibt es also keine Revolution. Beispiele dafür, wie das Grundrecht auf Versammlungsfreiheit willkürlich eingeschränkt, mit Polizeigewalt niedergeknüppelt oder durch eine intransparente Genehmigungspolitik beschnitten wird, gibt es jeden Tag in den Nachrichten. Angesichts historischer wie aktueller Beispiele kann man ohne Übertreibung behaupten, dass die Ver-

28.10.18 DIE MATROSEN MEUTERN!

UND IM ABGEORDNETENHAUS? DER KLANGLOSE UNTERGANG DER ALTEN HERRSCHAFT

Versammlung der USPD vor dem Reichstagsgebäude, 8. Dezember 1918 © ullstein bild – Gircke

sammlungsfreiheit dasjenige Grundrecht ist, das den größten Ermessensspielraum in der Auslegung durch Staat und Behörden erlaubt und somit immer wieder Einschränkungen unterworfen ist. Denn es ist ebenfalls kein Geheimnis, dass der Druck versammelter Menschen, die gemeinsam

MACHT FRIEDEN! Allein in den Jahren 2015 und 2016 kamen etwa 324.000 Menschen in bewaffneten Konflikten um. Über 60 Millionen Menschen befinden sich heute auf der Flucht vor Krieg und Gewalt. Keine andere Forderung aus der Zeit der Revolution 1918/19 zeigt sich heute so relevant wie die nach Frieden! Die Revolution war dem Anlass nach ein Aufstand gegen den Krieg. Das Ende des Ersten Weltkriegs war ihr vordringlichstes Ziel und schließlich eine ihrer bedeutendsten Errungenschaften. Zwei Tage nach dem Sturz der Monarchie wurde

Die Mannschaften der Kriegsschiffe, die zu einem letzten Gefecht gegen die Engländer auslaufen sollen, verweigern den Gehorsam. Rund 1000 Männer werden daraufhin verhaftet. Es werden Räte gebildet und rote Fahnen gehisst.

für ein Ziel einstehen, selbst die mächtigsten festgefügten Strukturen und Regime ins Wanken bringen kann. In Deutschland 1918 ebenso wie in der DDR 1989, überall auf der Welt bis in die jüngste Zeit. Gegen Missstände und illegitime Regime aufzustehen heißt: #Versammelt Euch! ein Waffenstillstandsabkommen unterschrieben, die Kampfhandlungen waren damit beendet. Als Hauptverantwortlicher für den Wahnsinn des Weltkriegs wurde der Kaiser gesehen, weshalb sein Hauptsitz, das Berliner Schloss, schon am 9. November Ziel der revolutionären Massen war. Karl Liebknecht, der wohl bekannteste Antikriegsaktivist des Landes, verkündete hier: „Der Tag der Revolution ist gekommen. Wir haben den Frieden erzwungen. Der Friede ist in diesem Augenblick geschlossen.“ Die große Tragik der Revolution von 1918/19 war jedoch, dass mit ihr zwar das Ende des Krieges erkämpft wurde, die Gewalt jedoch nicht endete. Im Gegenteil: Es kam zu schweren gewalt-

Hier steht eine Bildunterschrift. Diese kann kurz oder lang sein.

Die monarchische Ordnung endete im Preußischen Abgeordnetenhaus genauso sang- und klanglos wie im gesamten Kaiserreich. Als am 9. November 1918 die Revolution Berlin erreichte und tags darauf der Rat der Volksbeauftragten als provisorische Regierung die Amtsgeschäfte übernahm, war der deutsche Kaiser und preußische König Wilhelm II. Geschichte. Analog zum Rat der Volksbeauftragten bildete sich auch eine preußische Übergangsregierung: Das Revolutionskabinett. Mehrheits-Sozialdemokraten (MSPD) und Unabhängige (USPD) besetzten es paritätisch, den Handelsminister stellte die (formell erst am 20. November gegründete) linksliberale Deutsche Demokratische Partei (DDP). Unter der Führung von Paul Hirsch (MSPD) und Heinrich Ströbel (USPD) übernahm das Revolutionskabinett am 12. November die Macht. Der kommissarisch amtierende preußische Ministerpräsident Robert Friedberg übergab ihnen einfach die Geschäfte. Das Abgeordnetenhaus selbst hatte zu diesem Zeitpunkt gar keinen Präsidenten: Hans Graf von Schwerin-Löwitz, der seit 1912 amtierte, war gerade am 4. November verstorben. Das Revolutionskabinett erließ jedenfalls am 15. November eine Verordnung, deren erster Satz die Auflösung des Preußischen Abgeordnetenhauses verfügte. Die Legitimation dafür hatte es sich von den Arbeiterund Soldatenräten geholt. Und genau deren oberstes Gremium, der Groß-Berliner Arbeiterund Soldatenrat unter Führung von Richard Müller und Brutus Molkenbuhr, versammelte sich hier im Abgeordnetenhaus. Gegen die Auflösung des alten Preußischen Abgeordnetenhauses protestierte zwar dessen Vizepräsident Felix Porsch noch am 24. November, doch das interessierte kaum mehr jemanden: Die alte Herrschaft war untergegangen. samen Auseinandersetzungen und schrecklichen Gräueltaten. Nur bekämpften sich jetzt nicht mehr Staaten, sondern Bürger*innen. Zu groß war die Ablehnung der reaktionären Eliten gegen Demokratie und Sozialstaat, zu radikal manche Forderung nach sozialistischer Veränderung. Dieser blutig ausgetragene Konflikt und die damit um sich greifende Gewalt lassen sich als eine der Sollbruchstellen der Weimarer Republik verstehen, an der schließlich der neue, demokratische Staat scheiterte und die Hitler und den Nationalsozialisten den Weg zur Macht eröffnete. Die Folge waren der Zweite Weltkrieg und der Holocaust. Auch wenn sich gegenwärtig ein Trend abzeichnet, dass sich die Anzahl der Konflikte weltweit verringert – die Opferzahlen steigen. Und noch besorgniserregender: Es gibt immer mehr Konflikte, an denen mehrere Staaten beteiligt sind und ihre Interessen entweder direkt gewaltsam oder über die logistische Unterstützung einer Konfliktpartei vertreten. Heute wie vor hundert Jahren gilt es daher, gegen Krieg und Gewalt zu protestieren – nicht nur zur Bekämpfung von Fluchtursachen, sondern in allererster Linie zum Schutz eines jeden Menschen vor Gewalt und Tod. Also: #Macht Frieden!

3.11.18 DER AUFSTAND BEGINNT!

Meuternde Matrosen entladen Anfang November 1918 in Wilhelmshaven Munition von Kampfschiffen, die eigentlich zur Schlacht gegen die britische Marine auslaufen sollten. © ullstein bild – Archiv Gerstenberg Vor dem Berliner Schloss spricht ein Arbeiter vom Dach eines Krankwagens aus zur Menge, 9. November 1918. © ullstein bild – Haeckel Archiv

UND IM ABGEORDNETENHAUS? VOM LANDESPARLAMENT ZUM HÖCHSTEN REVOLUTIONSGREMIUM Offiziell wurde das Preußische Abgeordnetenhaus am 15. November 1918 von dem neu gegründeten preußischen Revolutionskabinett aufgelöst. Jedoch schon drei Tage zuvor, am 12. November, zog ein anderes Gremium in das Abgeordnetenhaus: der Vollzugsrat der Arbeiter- und Soldatenräte Groß-Berlins – das seinem Selbstverständnis nach höchste Revolutionsgremium im Reich. Nach dem bemerkenswert gewaltlosen und schnellen Sturz der Monarchie übernahmen überall im Land sogenannte Arbeiter- und Soldatenräte die Macht. Inspiriert von den Sowjets, den Räten der russischen Revolutionen 1905 und 1917, sollten diese Gremien den Arbeiter*innen und Soldaten den bisher verwehrten politischen Einfluss sichern. Auch in Berlin waren es Räte – zunächst 2

organisiert von den Revolutionären Obleuten, im Geheimen agierende Vertrauenspersonen der einzelnen Betriebe –, die den Aufstand organisierten und dann die Macht übernahmen. Für den äußeren linken Flügel der Aufstandsbewegung war klar, dass auch nach der Abdankung des Kaisers die Macht bei den Räten liegen sollte. Eilig beriefen die Revolutionären Obleute daher noch am 9. November eine Versammlung der Delegierten aller Berliner Räte für den nächsten Tag ein, um zu entscheiden, welches Gremium an der Spitze der gerade ausgerufenen Republik stehen sollte. Nach heftigen Debatten – es herrschten sehr unterschiedliche Vorstellungen unter den rund 3000 Anwesenden im Zirkus Busch – wurden schließlich zwei Körperschaften ins Leben gerufen:

der Rat der Volksbeauftragten und der Vollzugsrat der Arbeiter- und Soldatenräte Groß-Berlins. Ersterer sollte provisorisch die Regierungsgeschäfte übernehmen und setzte sich aus den Spitzenpolitikern der beiden sozialdemokratischen Parteien MSPD und USPD zusammen. Der Vollzugsrat war ebenfalls paritätisch besetzt, rekrutierte sich allerdings vornehmlich aus der organisierten Arbeiterschaft. Als direkt aus der revolutionären Bewegung hervorgegangenes Gremium sah er sich als höchste Vertretung der Revolution und als Kontrollinstanz der Regierung. In der politischen Praxis spiegelte sich das jedoch nicht wieder. Hier prägte der Rat der Volksbeauftragten maßgeblich die Politik wohingegen sich der Vollzugsrat immer wieder in kleinteiligen Verfahrensfragen verstrickte.

Eine Demonstration von Matrosen und Arbeiter*innen in Kiel wird von kaisertreuen Truppen beschossen – acht Tote und 29 Verletzte sind die Folge. Die Wut darüber entfacht den bewaffneten Aufstand, der sich von Norden aus über das ganze Land ausbreitet. Massenproteste der Matrosen in Kiel Anfang November 1918. © ullstein bild – Sueddeutsche Zeitung Photo


REVOLUTION MACHT REPUBLIK!

DAS PREUSSISCHE ABGEORDNETENHAUS IN DER REVOLUTION 1918/19

MISCHT EUCH EIN! Demokratie ist Verhandlungssache. Keine Selbstverständlichkeit. Sie lebt nur durch Partizipation, durch gemeinsames Handeln und Verhandeln. Sich einmischen, teilnehmen, beteiligen – kurz: politische Mitbestimmung – das ist, was eine demokratische Gesellschaft ausmacht. Jede politische Revolution ist immer auch ein Kampf um diese Mitbestimmung, ein Kampf um das Recht die politischen, wirtschaftlichen, sozialen und kulturellen Verhältnisse in denen man lebt, mitzugestalten. Da macht die Deutsche Revolution von 1918/19 keine Ausnahme. Angefacht von Kriegsverdruss, Hunger und wachsendem Groll gegen die Obrigkeit waren ihre Ziele und Forderungen zunächst ebenso bescheiden wie essentiell: Frieden und Brot. Doch schon bald nach dem überraschend gewaltlosen und schnellen Erfolg der revolutionären Massen – der Krieg ist vorbei und die kaiserliche Ordnung innerhalb von Tagen hinweggefegt – wurde die Sache kompliziert. Denn was ist eigentlich gemeint, wenn von Mitbestimmung die Rede ist, von politischer Beteiligung oder Partizipation? Was soll mitbestimmt werden und von wem? Und vor allem: Wie soll diese Mitbestimmung organisiert werden? 1918 entbrannte genau über diese Fragen ein erbitterter Konflikt. Auf der einen Seite: die Befürworter eines parlamentarischen Systems in Gestalt von Sozialdemokraten und Liberalen. Auf der anderen Seite: linke und linksradikale Kräfte, die sich für ein Rätesystem aussprachen. Inspiriert von der Russischen Revolution sollte alle politische Macht bei direkt gewählten, dezentralen und lokalen Gre-

Philipp Scheidemann spricht auf dem Reichsrätekongress, 17. Dezember 1918 © ullstein bild – Süddeutsche Zeitung Photo / Scherl

mien liegen. Und tatsächlich: In der Revolution übernahmen in Deutschland ähnliche Institutionen, die sogenannten Arbeiter- und Soldatenräte, fast überall die Macht – zumindest regional. Befürworter*innen eines reinen Rätesystems fanden sich allerdings kaum. Die klare Mehrheit favorisierte die Einberufung eines Parlaments. Das zeigte sich besonders bei dem in Berlin tagenden Reichsrätekongress. Im Preußischen Landtag, dem heutigen Berliner Abgeordnetenhaus, trafen sich vom 16. bis 21. Dezember 1918 Delegierte der Arbeiter- und Soldatenräte aus ganz Deutschland und bildeten damit das höchste Revolutionsgremium. Hier wurden die entscheidenden Fragen der zukünftigen Form politischer Mitbestimmung diskutiert. Für das Parlamentssystem trat vor allem die SPD-Führung ein und konnte eine ganz eindeutige Mehrheit hinter sich versammeln. Die Wahl einer verfassungsgebenden Nationalversammlung nur

gut zwei Monate nach Beginn der Revolution wurde mit 400 zu 50 Stimmen befürwortet. Fragen nach demokratischen Alternativen zum parlamentarischen und repräsentativen System sind erst 50 Jahre später im Kontext der 68er-Revolte wieder ernsthaft in der Öffentlichkeit diskutiert worden. Spätestens seit dem Zusammenbruch der Sowjetunion, was übrigens übersetzt Rätevereinigung heißt, und dem Sieg des westlichen Demokratie- und Wirtschaftsmodells im sogenannten Kampf der Systeme, stehen alternative Demokratiekonzepte aber nicht mehr auf der öffentlichen Tagesordnung. Politische Mitbestimmung gilt heute den meisten Menschen in Deutschland als derart selbstverständlich, dass ihr Wert kaum hinterfragt wird. Der Grad der Mitbestimmungsrechte für die Bürger*innen variiert jedoch auch in den Demokratien der Europäischen Union und ist andererseits selbst in Diktaturen mitunter nicht gänzlich abgeschafft. Politische Mitbestimmung gibt unter Umständen sogar den erklärten Feinden einer Demokratie eine politisch legale Handhabe, gegen die Demokratie vorzugehen. Angesichts der massiven gesellschaftlichen Umwälzungen und Probleme, mit denen wir uns heute konfrontiert sehen und die auch herkömmliche Formen politischer Mitbestimmung in Frage stellen – Klimawandel, Digitalisierung, entfesselter Finanzkapitalismus, ökonomische Ungleichheit, Globalisierung – könnten offene Debatten über zukünftige Formen politischer Beteiligung jedoch wieder aktuell werden. Und sei es nur, um den allerorten erstarkenden autoritären Vorstellungen von Gesellschaft etwas entgegenzusetzen – etwas Demokratisches. Also: #Mischt Euch ein!

UND IM ABGEORDNETENHAUS? REVOLUTION MACHT REPUBLIK In diesem Haus wurde der Grundstein der Weimarer Republik gelegt! Hier, im Preußischen Landtag, trat am 16. Dezember 1918 der Reichskongress der Arbeiter- und Soldatenräte zusammen. Innerhalb von fünf Tagen wurden die entscheidenden politischen Weichen gestellt, die zur ersten deutschen Demokratie führten. Während der Revolution hatten überall in Deutschland lokale Arbeiter- und Soldatenräte die Macht übernommen. Von den 500 Delegierten, die sich hier trafen, gehörten rund zwei Drittel den Mehrheits-Sozialdemokraten (MSPD) an, rund 100 den Unabhängigen (USPD) und höchstens ein Dutzend zum Spartakusbund, dem äußersten linken Flügel der USPD. So stand von der Eröffnung an fest, dass Deutschland eine parlamentarische Demokratie werden solle, denn dafür trat die MSPD ein. Ein Räte-System nach sowjetrussischem Vorbild hatte zwar engagierte Fürsprecher, jedoch keine Mehrheit – weder in der Bevölkerung, noch beim Kongress. Es ist bezeichnend, dass es den prominentesten Köpfen der äußersten Linken, Karl Liebknecht und Rosa Luxemburg, nicht gelang, für dieses „erste revolutionäre Tribunal Deutschlands“ (so Richard Müller, der erste Vorsitzende des Kongresses und ein Befürworter des Räte-Systems) ein Delegierten-Mandat zu erringen. Einen verbindlichen Wahlmodus hatte es allerdings nicht gegeben: Wie die Delegierten gewählt wurden, blieb den lokalen Räten überlassen. Auf etwa 200.000 Einwohner*innen und 100.000 Soldaten sollte jeweils ein Mandat kommen. Die deutliche Mehrheit sprach sich für die Politik der provisorischen Regierung und deren faktischem Chef Friedrich Ebert aus. Sie unterstützte den Rat der Volksbeauftragten als legitime Vertretung des nach-kaiserlichen Deutschlands. Und sie beschloss im hiesigen Plenarsaal den Grundstein der ersten deutschen Republik: die Wahlen zur Nationalversammlung am 19. Januar 1919. Zu dieser ersten freien und allgemeinen Wahl bekamen auch Frauen das volle aktive und passive Wahlrecht. Von den 423 gewählten Abgeordneten der verfassunggebenden Nationalversammlung in Weimar waren 37 Frauen – die SPD-Abgeordnete Marie Juchacz war die erste Frau, die vor einem deutschen Parlament sprechen durfte.

9.11.18 ES LEBE DAS NEUE!

Die Revolution macht Deutschland zur Republik – zur Sache des Volkes. Mit dem Ausspruch „Es lebe das Neue!“ läutet Philipp Scheidemann (SPD) vor rund einer Million Menschen am Reichstag die erste demokratische Ära Deutschlands ein. Kurz zuvor erklärt Reichkanzler Max von Baden eigenmächtig die Abdankung des Kaisers. Philipp Scheidemann (SPD) ruft am 9. November 1918 vom Fenster des Reichstagsgebäudes die deutsche Republik aus. Ob diese Aufnahme tatsächlich am 9. November entstand oder nachgestellt wurde, ist umstritten. © ullstein bild – ullstein bild

Vossische Zeitung, 16. Dezember 1918

Zur Eröffnung des Reichsrätekongresses spricht Karl Liebknecht von einem Balkon des damaligen Preußischen Landtags am 16. Dezember 1918 zu Demonstrierenden. Für den Kongress selbst hatte Liebknecht allerdings kein Abgeordnetenmandat erringen können. © ullstein bild – Gircke

11.11.18 DER KRIEG IST AUS!

Der Erste Weltkrieg ist zu Ende, das Deutsche Reich ist klarer Verlierer. Im französischen Compiègne wird ein weitgehend von den deutschen Kriegsgegnern England, Frankreich und USA bestimmter Waffenstillstandsvertrag unterzeichnet. Deutsche Soldaten überqueren am 15. November 1918 bei ihrem Abzug eine Schiffsbrücke über den Rhein. Demonstration für das Räte-System während der Eröffnung des Reichsrätekongresses, 16. Dezember 1918 © ullstein bild – Gircke

Anna Simon war die einzige Frau unter den rund 500 Delegierten am zweiten Tag des Reichsrätekongresses, 17. Dezember 1918. © ullstein bild – Süddeutsche Zeitung Photo / Scherl

© ullstein bild – Robert Sennecke

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VERANSTALTUNGSKALENDER AUSSTELLUNGEN, FILME, KONZERTE,

AUSSTELLUNGEN REVOLUTION 1918/19 Friedhof der Märzgefallenen: ab 3.9.2018 Die 1848 für die Gefallenen der Märzrevolution angelegte Grabanlage im Friedrichshain wurde auch zum Begräbnisort für die Toten der Kämpfe im November und Dezember 1918. Die neue Außenausstellung auf dem Friedhof der Märzgefallenen führt in die Geschichte dieser Phase der Revolution ein. GEORGE GROSZ IN BERLIN Bröhan-Museum: 18.10.2018–6.1.2019 Öffentliche Führungen: sonntags 15 Uhr George Grosz (1893–1959) ist einer der bedeutenden politisch-satirischen Künstler der Weimarer Republik – dreimal wurde Grosz angeklagt, wegen Beleidigung der Reichswehr, Angriffs auf die öffentliche Moral und Gotteslästerung. In der Ausstellung wird seine die Zeitgenoss*innen provozierende Kunst der Berliner Zeit detailliert vorgestellt. BERLIN IN DER REVOLUTION 1918/19. FOTOGRAFIE, FILM, UNTERHALTUNGSKULTUR Museum für Fotografie: 9.11.2018–3.3.2019 Die Revolution 1918/19 entschied sich in den Straßen Berlins. Bei den Kämpfen, Demonstrationen und Trauerzügen waren die Pressefotografen immer dabei. Gleichzeitig ging der Alltag in der Stadt weiter. Die Menschen besuchten Kinos, amüsierten sich in Revuen und Kabaretts. Die Ausstellung zeigt eine Bildgeschichte der Revolution und ein Panorama der Unterhaltungskultur dieser Monate. FREIHEIT. DIE KUNST DER NOVEMBERGRUPPE 1918–1935 Berlinische Galerie: 9.11.2018–11.3.2019 Während der Revolution gründete sich in Berlin die Novembergruppe als „Vereinigung der radikalen bildenden Künstler“ mit dem Ziel, am Aufbau einer demokratischen Gesellschaft mitzuwirken. Die Schau präsentiert rund 120 Gemälde, Skulpturen, Grafiken und Architekturmodelle und wirft einen frischen Blick auf die Avantgarde zwischen den Weltkriegen und deren gesellschaftliche Utopien. Es finden spezielle Führungen, darunter eine Tastführung, statt. REVOLUTION! NEUKÖLLN 1918/19 Rathaus Neukölln: 9.11.2018–16.1.2019 Dort, wo auf den Tag genau vor 100 Jahren der erste Arbeiter- und Soldatenrat Neuköllns seine Arbeit aufnahm, wird am 9.11. eine Ausstellung des Mobilen Museums Neukölln im Bezirksrathaus eröffnet. Sie schildert die Ereignisse, die in den Jahren 1918/19 zur Ausrufung der „Republik Neukölln“, zu schweren Straßenkämpfen und schließlich zur Auflösung des Arbeiter- und Soldatenrats führten.

20.11.18 HUNDERTTAUSENDFACHE TRAUER

Auch wenn der Umsturz in Berlin bemerkenswert friedlich verlaufen ist, sind doch Opfer zu beklagen. Hunderttausende begleiten die Särge der am 9. November Getöteten in einem Trauerzug durch die Stadt zum Friedhof der Märzgefallenen, wo die Revolutionäre von 1918 neben denen von 1848 beerdigt werden. Trauerzug für die am 9. November ums Leben gekommenen Revolutionär*innen vor dem Brandenburger Tor am 20. November 1918. © ullstein bild – ullstein bild

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„FRIEDEN, FREIHEIT, BROT!“ 100 JAHRE REVOLUTION – FRIEDRICHSHAIN UND KREUZBERG 1918/19 FHXB Friedrichshain-Kreuzberg Museum: 9.11.2018–31.3.2019 Friedrichshain und Kreuzberg waren während der Revolution 1918/19 zentrale Schauplätze im Kampf um Frieden, Freiheit und Brot. Das Werk der Knorr-Bremse AG in Friedrichshain beispielsweise wurde als „Rote Knochenmühle“ zu einem Symbol der Widerstandsbewegung. Der Kampf um den sozialdemokratischen „Vorwärts“ in Kreuzberg im Januar 1919 führte zur Spaltung der deutschen Arbeiterbewegung. BERLIN 18/19 – DAS LANGE LEBEN DER NOVEMBERREVOLUTION Märkisches Museum: 23.11.2018–19.5.2019 Die Sonderausstellung beleuchtet das Berliner Großstadtleben im Spannungsfeld von Kriegsfolgen, Demokratisierung und Gewalteskalation. Von wenigen Einzelereignissen abgesehen, sind die vielschichtigen Auswirkungen der Revolution auf die Stadtgesellschaft heute weitestgehend vergessen. Dabei wirkte diese kurze Phase der Umwälzungen in Berlin lange nach – sie prägte politische Kämpfe und künstlerische Auseinandersetzungen über Jahrzehnte. ROBERT LIEBKNECHT – DAS FRÜHWERK Käthe-Kollwitz-Museum: 30.11.2018–3.2.2019 Käthe Kollwitz lernte 1919 den damals 16-jährigen Robert Liebknecht kennen, als sie seinen ermordeten Vater auf dem Totenbett zeichnete. Sie war es, die Robert zur künstlerischen Ausbildung ermutigte. Eine Studioausstellung widmet sich ergänzend dem Gedenkblatt für Karl Liebknecht von Käthe Kollwitz. DER VERRAT?! LEGENDEN DER NOVEMBERREVOLUTION Museum Pankow: 17.1.–19.5.2019 Vor 50 Jahren veröffentlichte der Journalist und Publizist Sebastian Haffner seine streitbaren Thesen zu Bedeutung und Wirkung der Novemberrevolution. Die Ausstellung setzt sich anhand von sieben Thesen Sebastian Haffners mit den diversen Legenden zu den historischen Ereignissen auseinander. 100 Jahre Rezeptionsgeschichte zeigen die wechselnde Bewertung und Beurteilung der Ereignisse und prägen die Erinnerungskultur bis heute. CARL MELCHIOR. JÜDISCHER VORKÄMPFER EINES EUROPÄISCHEN FRIEDENS Jüdisches Museum: 18.1.–31.3.2019 Wie konnte 1918 nach einem jahrelangen Mahlstrom der Gewalt und angesichts von Millionen Opfern Frieden geschaffen und gesichert werden? Als Mitglied der deutschen Waffenstillstandsdelegation und Delegierter bei den Friedensverhandlungen mit den Alliierten versuchte Carl Melchior dies auszuhandeln. Der Spross einer alten Hamburger Rabbinerfamilie war 1918 Mitbegründer der DDP. Rastlos reisend setzte er sich für faire Reparationsbedingungen ein.

VORTRÄGE UND MEHR 23./ 24.12.18 „BLUTWEIHNACHT“

Ein Streit um die Bezahlung der revolutionären Volksmarinedivision eskaliert und die der Regierung unliebsame Truppe entführt den SPD-Stadtkommandanten. Die Parteikollegen in der Regierung rufen das Militär, das brutale Straßenschlachten gegen die Matrosen führt – und verliert. Rund 70 Tote sind die Folge. Revolutionäre Matrosen und Soldaten verteidigen das Berliner Stadtschloss. © ullstein bild – Haeckel Archiv

REVOLUTION IST KEIN NATUREREIGNIS Museum Lichtenberg im Stadthaus: 20.1.–5.5.2019 Die Lichtenberger Märzkämpfe 1919 sind weitgehend vergessen. Die Stadt vor den Toren Berlins war Schauplatz der letzten gewaltsamen Auseinandersetzungen. Auf Befehl von Gustav Noske kam es zu willkürlichen Verhaftungen und Misshandlungen von Revolutionären und Zivilisten. Freikorpsverbände beschossen Wohnquartiere mit schwerem Gerät. Am 12. März flohen die letzten Aufständischen. Das Ende der Novemberrevolution war besiegelt. Die Ausstellung belegt, wie militärische Gewalt zum Muster für das Niederschlagen von politisch motivierten Erhebungen wurde.

FILME DIE REVOLUTION IM FILM b-ware! Ladenkino Gärtnerstraße 19, 10245 Berlin Veranstalter: Friedhof der Märzgefallenen

ARE YOU SATISFIED? AKTUELLE KUNST UND REVOLUTION Galerie im Körnerpark: 19.1.–3.4.2019 Was sind konstitutive Bedingungen und Mechanismen revolutionären Handelns aus heutiger Sicht? Vor der Folie der historischen Revolution vermessen die beteiligten Künstler*innen aktuelle politische Bedingungen und individuelle Handlungsspielräume. Sie befassen sich mit den Potenzialen des Aufruhrs, mit den Grenzen der Partizipation und mit Spuren und Mechanismen von Repressionen in den Demokratien sowie mit der modernen Konsumgesellschaft.

11.1.2019, 19–22 Uhr DEUTSCHE REVOLUTION. BERLIN 1918 Dokumentation von Boris von Brauchitsch, 2008, 45 Min DAS LIED DER MATROSEN Spielfilm von Kurt Maetzig und Günter Reisch, DEFA 1958, 126 Min Als die deutsche Revolution wie eine gewaltige Welle binnen einer Woche durch Deutschland flutete, war es eine Welle der Hoffnung, nicht der Aggression, eine Welle der Befreiung, nicht der Verhaftung und Lynchjustiz. Auf den Spuren dieser vielversprechenden Anfänge bewegt sich die Dokumentation von Boris von Brauchitsch. Der DEFA-Film stilisiert, seiner Zeit verhaftet, den Matrosenaufstand als „kleine Oktoberrevolution“.

KAMPF UM HEUT UND MORGEN. BEZIRKLICHE SPURENSUCHE ZU 100 JAHREN FRAUENWAHLRECHT Bezirksamt Steglitz-Zehlendorf, Fachbereich Kultur – Schwartzsche Villa: bis 10.3.2019 Die Werkstattausstellung erzählt von neun Frauen aus dem proletarischen oder bürgerlichen Milieu, die für die politische und gesellschaftliche Gleichberechtigung von Frauen eintraten. Geschenkt wurde den Frauen damals wie heute nichts. Der Titel „Kampf um heut und morgen“ zitiert ein Gedicht der Sozialdemokratin Emma Döltz. Die Einführung des Frauenwahlrechts fiel in die Zeit des revolutionären Umbruchs und der Bildung der Bezirke Steglitz und Zehlendorf.

12.1.2019, 17–22 Uhr ROSA LUXEMBURG Spielfilm, Margarethe von Trotta, 1988, 123 Min TROTZ ALLEDEM! Spielfilm von Günter Reisch, DEFA 1972, 120 Min Der mehrfach ausgezeichnete Autorenfilm „Rosa Luxemburg“ überzeugt in seiner „Besinnung auf Zivilcourage, unbestechliche politische Moral sowie den Mut zu utopischem Denken“ (Lexikon des internationalen Films) und zeichnet ein eindringliches Bild der Wilhelminischen Ära. Die Filmbiografie „Trotz alledem!“ zitiert einen Liebknecht-Artikel in der Roten Fahne vom 15. Januar 1919. Das damalige DEFAPrestigeprojekt erzählt die Jahre 1918/19 bis zur heimtückischen Ermordung des Spartakisten.

KONZERTE SINN-PHONIE DER MENSCHENRECHTE Parochialkirche: 3.3.2019, 16 Uhr Getreu dem Motto „Sei selbst die Veränderung, die du in der Welt sehen willst“ (Gandhi), hat der Komponist Andreas Schmidt-Hartmann 2016 den Menschenrechten eine „Sinn-Phonie“ gewidmet. Das multimediale Werk mit Chören, Sprechern, Musikern, Video- und Audioeinspielungen basiert auf der allgemeinen Erklärung der Menschenrechte vom 10.12.1948. TRAUER UND SCHMERZ Berliner Cappella Kammermusiksaal der Philharmonie Berlin: 17.3.2019, 20 Uhr Trauer und Schmerz um die Opfer von Krieg und Gewalt werden von vier Komponisten in Musik gefasst. Gustav Holsts „Ode to Death“ (1919), nach einer Elegie Walt Whitmans, betrauert Freunde Holsts, die im ersten Weltkrieg fielen. Der Text des „Stabat Mater“ schildert die Trauer Marias um ihren Sohn; aufgeführt wird die beliebte Vertonung von Giovanni Pergolesi. Der lettische Komponist Peteris Vasks vertonte in „The fruit of silence“ (2013) einen Text von Mutter Theresa. Der Auftragskomposition „kaum noch“ von Steven Heelein liegen Passagen aus Friedrich Hölderlins „Hyperion“ zugrunde.

4.1.19 ABSETZUNG EINES UNLIEBSAMEN

Die Absetzung des USPD-Polizeipräsidenten Emil Eichhorn ruft tags darauf Massenproteste hervor. Hunderttausende demonstrieren für seinen Verbleib im Amt und gegen die SPD-Regierung, die Eichhorns Entlassung angeordnet hat. Gruppen Bewaffneter ziehen los und besetzen öffentliche Gebäude und Zeitungen. Demonstration in der Siegesallee gegen die Entlassung des Berliner Polizeipräsidenten Emil Eichhorn am 5. Januar 1919. © Anti-Kriegs-Museum

VORTRÄGE/DISKUSSIDNEN THEMENABEND: 100 JAHRE REICHSRÄTEKONGRESS Plenarsaal des Berliner Abgeordnetenhauses: 17.12.2018, 18–21 Uhr Der Reichsrätekongress, der vom 16. bis zum 21. Dezember 1918 im Berliner Abgeordnetenhaus tagte, stellte die Weichen für die parlamentarische Demokratie in Deutschland. Zugleich zeugen die Debatten vom Ringen um verschiedene Formen der Demokratie und um Wege zu gesellschaftlicher Veränderung. Der Reichsrätekongress eröffnete damit Fragen, die bis heute aktuell sind. Mit szenischen Lesungen, Vorträgen und einer Podiumsdiskussion werden das historische Ereignis gewürdigt und aktuelle gesellschaftliche Fragen debattiert. KONFERENZ: „HABEN WIR FORDERUNGEN ZU UNTERBREITEN.“ AUFBRÜCHE UND WIDERSPRÜCHE EINES REVOLUTIONSPARLAMENTS Revolutionszentrum Podewil Klosterstraße 68, 10179 Berlin 18.12.2018, 11–20 Uhr Wissen Sie, was der „Reichsrätekongress“ ist? Ohne ihn hätte es keine Nationalversammlung


und letztlich keine Weimarer Verfassung gegeben. Trotz seiner Bedeutung für die erste deutsche Demokratie ist der „Erste Allgemeine Kongress der Arbeiter und Soldatenräte“ ein wenig beleuchteter Fleck Revolutionsgeschichte. Vom 16. bis 21. Dezember 1918 debattierten die Vertreter der Arbeiter- und Soldatenräte hitzig, welchen Weg die Revolution nehmen sollte. Eine Konferenz soll nun klären, warum nur der Beschluss zur Nationalversammlung historisch wirksam wurde. Welche weiteren Aufbrüche, Widersprüche und Widerstände traten damals zutage? Ein musikalisches Programm und szenische Inszenierungen rahmen die Konferenz. Veranstalter: Rosa-Luxemburg-Stiftung zusammen mit dem Gedenkort Friedhof der Märzgefallenen, dem August-Bebel-Institut, dem Zentrum für Zeithistorische Forschung und dem Berliner Münzenbergforum WILLY BRANDTS KRITISCHES URTEIL ÜBER DIE REVOLUTION 1918/19 Bundeskanzler-WiIIy-Brandt-Stiftung: 16.1.2019, 18 Uhr Die drei Historiker Peter Brandt, Alexander Gallus und Ulrich Schöler diskutieren über Willy Brandts Kritik an der Politik der SPD-Führung 1918/19. Was sagt die heutige Geschichtswissenschaft zu Brandts Urteil über Friedrich Ebert, Rosa Luxemburg und andere? WEIMARS WIRKUNG. DAS NACHLEBEN DER ERSTEN DEUTSCHEN REPUBLIK Öffentliche Ringvorlesung der HumboldtUniversität zu Berlin, des Zentrums für Zeithistorische Forschung Potsdam und der Topographie des Terrors Verschiedene Veranstaltungsorte bis 15.7.2019, jeweils 18.15–19.45 Uhr Entgegen einer Verengung des Blicks auf die vielbeschworenen „Weimarer Verhältnisse“ als Vorspiel zu den Ereignissen nach 1933 unternimmt die Ringvorlesung einen doppelten Perspektivwechsel: Einerseits fragt sie nach der Eigenart und dem Stellenwert der ersten deutschen Republik, andererseits verfolgt sie die Bedeutung der mit „Weimar“ verbundenen Kultur des Politischen bis in die Gegenwart.

INSZENIERUNGEN/ PERFORMANCES HOMMAGE AN ROSA LUXEMBURG Volksbühne (Roter Salon), Kunstraum Bethanien, Wittenbergplatz: 10.–15.1.2019 mit Gregor Gysi, Katja Kipping, Bernadette La Hengst, Klaus Lederer, Paul Mason, Britta Steffenhagen, Ley Ypi u. a. Wenn noch an der Totenbahre der Hass nicht schweigt und der Fluch laut wird: „Deine Asche möge im Wind verwehn!“, dann weiß man – frei nach Carl von Ossietzky –, dass ein außergewöhnliches Leben zu Ende gegangen ist. Vor 100 Jahren ermordeten deutsche Offiziere Rosa Luxemburg. Bis heute ist die polnische Sozialistin ein Symbol für die Bekämpfung ökonomischer, politischer und sexueller Unterdrückung. Politik war für Rosa Luxemburg angewandte Philosophie. Die Hommage mit einem vielfältigen Mix aus Politik und Kultur widmet sich einer Frau, deren Namen in Deutschland jeder kennt, über deren Leben und Werk jedoch viele Legenden im Umlauf sind. Veranstalter: Rosa-Luxemburg-Stiftung

DIE WOCHE BEGINNT MIT REVOLUTION! MONTAGSREIHE IM REVOLUTIONSZENTRUM PODEWIL Revolutionszentrum Podewil Klosterstraße 68, 10179 Berlin Im Podewil in Berlin-Mitte richtet Kulturprojekte Berlin ein Revolutionszentrum ein. Jeden Montag finden hier Diskussionsrunden, Vorträge, Konzerte, Theater, Poetry Slam und Filmvorführungen statt. Einmal im Monat wird in Zusammenarbeit mit verschiedenen Partnern eine „Talkshow aus der Zukunft“ mit Expert*innen und prominenten Gästen organisiert. Im Februar 2019 werden in einer zusammenfassenden Schau alle Aktionen rund um den historischen Möbelwagen im Revolutionszentrum präsentiert. Im Möbelwagen selbst sind dann eine Installation und eine Performance der renommierten Künstlerin Chiharu Shiota erlebbar. Montag, 10.12.2018, 19 Uhr TAG DER MENSCHENRECHTE: AMNESTY INTERNATIONAL BRIEFMARATHON UND TALK Greifen Sie zu Kugelschreiber, Füller oder Filzstift und schreiben Sie einen Brief für das Recht auf freie Meinungsäußerung! Protestieren Sie brieflich gegen die Inhaftierung von Journalist*innen und Menschenrechtler*innen! Die Erfahrungen zeigt, dass der gemeinsame Einsatz für Menschenrechte wirkt: Zu Unrecht inhaftierte Menschen werden freigelassen, diskriminierende Gesetzestexte geändert und politisch Aktive in ihrer Arbeit unterstützt und gestärkt. Am Tag der Menschenrechte lädt Amnesty International deshalb zum gemeinsamen Briefeschreiben mit der verfolgten Bloggerin Shammi Haque aus Bangladesch und Ralf Milten-

berger, Sprecher von Amnesty International Berlin-Brandenburg ein. Bloggerin Haque berichtet dabei von ihren persönlichen Erfahrungen im Kampf für Freiheitsrechte in Bangladesch. Briefe können ganztägig geschrieben werden, der Vortrag beginnt um 19 Uhr mit anschließendem Briefeschreiben. Veranstalter: Amnesty International Berlin Brandenburg in Kooperation mit Kulturprojekte Berlin Montag, 17.12.2018, 19 Uhr TALKSHOW AUS DER ZUKUNFT: MISCHT EUCH EIN! 1918 – 2018 – 2038 Moderation: Christine Watty, Deutschlandfunk Kultur 1918 stand die deutsche Nation am Scheideweg: Welche Staatsform sollte sie sich geben, eine parlamentarisch-repräsentative Demokratie oder ein Rätesystem? Es wurde bekanntlich erstere, die Weimarer Republik. 100 Jahre später sind sich Bürger*innen und politisches System fremd und Volksparteien Geschichte. 2018 stehen wir vor der Frage: Wie zeitgemäß ist das System mit Parteien, Wahlen und Repräsentationsprinzip noch? Kann es die Probleme der Zukunft lösen? Schlagworte wie Liquid Democracy, Republik Europa und Grassroots Demokratie machen die Runde. Bei dieser Podiumsdiskussion tauschen Philipp Ruch vom Zentrum für Politische Schönheit – bekannt für seine provokativen Aktionen –, Daphne Büllesbach von European Alternatives und Shai Hoffmann, Nachhaltigkeits-Influencer und Dozent an der HWR Berlin, ihre Erfahrungen und Ideen aus. Veranstalter: Kulturprojekte Berlin in Kooperation mit European Alternatives und Die offene Gesellschaft Montag, 7.1.2019, 19 Uhr TALKSHOW AUS DER ZUKUNFT: INFORMIERT EUCH! 1918 – 2018 – 2038 Unter anderem mit Christian Mihr (Reporter ohne Grenzen) und Katrin Gottschalk (taz) Moderation: Christine Watty (Deutschlandfunk Kultur) Medien werden als „Lügenpresse“ diffamiert, Redaktionen fungieren als Zielscheiben, unbequeme Journalist*innen landen ohne Prozess im Gefängnis. Befinden wir uns im Jahr 1918 oder 2018? Beides! Damals wie heute sind die Freiheit und Unabhängigkeit der Medien durch politische Einflussnahme gefährdet. In dieser Talkrunde diskutieren Journalist*innen die Rolle der Medien in der Gesellschaft 1918, 2018 und in der Zukunft. Auch Ihre Meinung ist gefragt! Wie wichtig werden Medien 2038 sein, um Politik zu kontrollieren und Öffentlichkeit zu schaffen? Wo und wie informieren Sie sich? Veranstalter: Reporter ohne Grenzen in Kooperation mit Kulturprojekte Berlin Montag, 14.1.2019, 19 Uhr ALLES SOLL SICH ÄNDERN, NUR BEI MIR NICHT? SEHNSUCHT NACH REVOLUTION UND WUNSCH NACH BESTÄNDIGKEIT Unter anderem mit Hans-Christian Ströbele Seien Sie dabei, wenn rbb-Moderator Harald Asel für die Reihe „Das Forum“ die Revolution 1918/19 ins Podewil holt und mit seinen Gesprächspartnern kritisch hinterfragt: War die deutsche Revolution vor 100 Jahren erfolgreich oder scheiterte sie? An welchen Kriterien machen wir das überhaupt fest? Thema sind auch die Befindlichkeiten Deutschlands im Jahre 2018: Wie viel Neues wird gewollt – und wie viel Vertrautes muss bleiben? Wie viel Revolution brauchen und vertragen wir wirklich? Die Diskussion wird mitgeschnitten und in der Sendereihe „Das Forum“ zeitversetzt im Inforadio ausgestrahlt. Veranstalter: Inforadio rbb in Kooperation mit Kulturprojekte Berlin

6.1.19 GENERALSTREIK

Die Führungen der auf der äußeren Linken stehenden Gruppierungen entschließen sich die Gunst der Stunde zu nutzen und einen Putschversuch zu wagen. Der Generalstreik wird ausgerufen, die Regierung für abgesetzt erklärt und es kommt erneut zu Massendemonstrationen mit hunderttausenden Teilnehmer*innen. Ein „Spartakist“ spricht während des Januaraufstands in Berlin zu einer Menschenmenge, die sich vor dem Reichstagsgebäude versammelt hat. © ullstein bild – Süddeutsche Zeitung Photo / Scherl

Montag, 21.01.2019, 19 Uhr TALKSHOW AUS DER ZUKUNFT: BETEILIGT ALLE! 1918 – 2018 – 2038 Unter anderem mit Stefanie Lohaus (Missy Magazin) Moderation: Christine Watty (Deutschlandfunk Kultur) „Männer und Frauen haben grundsätzlich dieselben Rechte und Pflichten.“ Artikel 109 Abs. 2, Weimarer Verfassung 1919. Seit 100 Jahre besitzen Frauen in Deutschland das Wahlrecht. Doch 100 Jahre waren anscheinend nicht genug, die Gleichberechtigung auch in der Gesellschaft umzusetzen. Allen Emanzipationsbewegungen zum Trotz dominieren Männer Parlamente und Dax-Vorstände, Frauen stoßen in vielen Lebensbereichen an gläserne Decken. Wie kann dafür gesorgt werden, dass an unserer Gesellschaft 2038 wirklich alle gleichberechtigt beteiligt sind? Veranstalter: Kulturprojekte Berlin Montag, 28.1.2019, 19 Uhr WIR AUCH! 100 JAHRE FRAUENWAHLRECHT – SZENISCHE LESUNG Mit Inka Friedrich (Schauspielerin, „Tatort“ uvm.) Bis 1918 beschränkte sich die Damenwahl vor allem auf Tanzlokale – Politik war in Deutschland Männersache. Frauen durften weder wählen noch gewählt werden. Weltweit protestieren sie gegen dieses Unrecht, organisierten sich in Frauenbewegungen und verlangten die Einführung des Frauenwahlrechts. Erst die Republik verwirklichte im Zuge der Novemberrevolution diese Forderung. Diesem revolutionären Schritt hin zu politischer Gleichberechtigung widmet sich die szenische Lesung „Wir auch! 100 Jahre Frauenwahlrecht“. In einer Zusammenstellung zeitgenössischer Dokumente geht sie den Fragen nach: Wie kam es zu dieser Entscheidung? Welche Folgen hatte das Frauenwahlrecht für die Politik? Und wie veränderte sich dadurch das Verhältnis der Geschlechter? Montag, 4.2.2019, 19 Uhr „STRASSE FREI – FENSTER ZU – HIER WIRD SCHARF GESCHOSSEN“ ODER MAN TANZT FOXTROTT Eine Musik-Text-Bild-Collage aus dem Berlin der Jahre 1918/1919 Es knallt in Berlin! Seien Sie dabei an diesem Berliner Winterabend des Jahres 1918. Während auf den Straßen geschossen wird, perlt in den Bars der Sekt in den Gläsern. Kriegsversehrte und Bettler sitzen auf dem Alexanderplatz vor Litfaßsäulen, auf denen Plakate die nächste Nackt-Revue ankündigen. Schon vor 100 Jahren wurde Berlin seinem Image als Stadt der Extreme und Party-Hauptstadt gerecht. Ein Mix aus zeitgenössischen Liedern, Fotografien und Texten der Tagespresse lässt das Berlin dieser revolutionären Tage wieder auferstehen – aber nur für eine Nacht. Evelin Förster: Gesang, Recherche und Zusammenstellung Ferdinand von Seebach: Piano, Arrangements, musikalische Leitung Andreas Henze: Kontrabass Stephan Genze: Schlagzeug Veranstalter: Kulturprojekte Berlin Montag, 11.2.2019, 19 Uhr SLAM REVOLUTION Ein Poetry-Slam zum Thema Revolution Moderation: Wolf Hogekamp Ich sage: Revolu – Ihr sagt: -tion! Berlins beste Poetry-Slammer*innen rappen und reimen, was die Revolution hergibt. Im verbalen Kampf um die Gunst der Zuschauer*innen präsentieren die Slammer*innen ihre selbstgeschriebenen Zeilen zum heißen Thema des Abends. Ihr Ziel ist der Sieg – und das geht nur mit Eurer Hilfe! Ihr entscheidet, welcher revolutionäre Text am explosivsten ist und das Zeug zum Umsturz hat. Mit dabei ist der beste Special Guest (Spoileralarm): Noah Klaus. Wolf Hogekamp ist ein Pionier der deutschen Poetry Slam Szene und war schon auf allen wichtigen deutschsprachigen Bühnen vertreten. Seit 1994 organisiert er regelmäßig Poetry Slams in Berlin, darunter seit 2000 den „Bastard Poetry Slam“. Außerdem begründete er die ersten deutschsprachigen Poetry-Slam-Meisterschaften! Noah Klaus ist Slam Poet aus Berlin. 2014 war er Berlin-Brandenburg-Meister im Poetry Slam. Veranstalter: GRIPS Theater und Wolf Hogekamp in Kooperation mit Kulturprojekte Berlin Montag, 18.02.2019, 19.30 Uhr ERLEBT – ERZÄHLT – BEHAUPTET KURFÜRST FRIEDRICH III. KRIEGSVASE ZIGARETTENETUI LIEBKNECHTS HUMBOLDT FORUM HIGHLIGHTS GESPRÄCHE u. a. mit Moritz Riesewieck (Regisseur, „The Cleaners“) Was verbindet das Zigarrenetui von Karl Liebknecht, eine Maya-Kriegsvase und eine Statue von Kurfürst Friedrich III. von Brandenburg? Sie alle sind Teil des Humboldt Forums! In der Reihe „Humboldt Forum Highlights“ sprechen internationale Expert*innen über die Bedeutung der drei besonderen Objekte und der Geschichten, die sie verbergen. Besonders das Zigarrenetui erinnert an eine der wichtigsten Personen der Deutschen Revolution 1918/1919. Es war Karl Liebknecht der am 9.11.1918 eine freie sozialistische Re-

12.1.19 DIE LETZTE STELLUNG FÄLLT

Am frühen Morgen fällt die letzte Stellung der Aufständischen – das Polizeipräsidium. Auch hier kommt es im Nachgang zu Misshandlungen und Morden an Revolutionär*innen. Der erneute Umsturz ist gescheitert und hat fast 170 Menschenleben gefordert, 13 auf Seiten der Regierungstruppen. Regierungstruppen beschießen während des Januaraufstands 1919 am Alexanderplatz Aufständische mit Artillerie. © ullstein bild – ullstein bild

publik ausrief – ausgerechnet vor dem Berliner Schloss, in dessen Neubau ab nächstem Jahr das Humboldt Forum mit den vorgestellten Objekten residieren wird. Veranstalter: Humboldt Forum in Kooperation mit Kulturprojekte Berlin Montag, 25.2.2019, 19 Uhr EIN SCHAUSPIEL ZU DEN POLITISCHEN UMBRÜCHEN IN DEUTSCHLAND 1918/19 Deutschland 1918/19. Fünf Menschen begegnen sich: Ein Kieler Matrose, eine Hamburger Fabrikarbeiterin, ein Freikorpsmann, Reichswehrminister Noske und der Hamburger Bürgermeister Werner von Melle. In den Wirren der Revolution wird ihre Loyalität getestet, steht Menschlichkeit auf dem Spiel - und wie jeder Konflikt fordert auch dieser seine Opfer. Dabei geht es um nichts weniger als die politische und gesellschaftliche Ordnung, aber auch um menschliche Schicksale und die Hoffnung auf eine gerechte Zukunft. Wie würden wir heute reagieren? Eine Stimme unserer Zeit kommentiert das Geschehen, wissend, wie es nach 1918/19 endet – aber nicht, wie es 2018/2019 weitergeht. Veranstalter: Axensprung Theater in Kooperation mit Kulturprojekte Berlin Montag, 4.3.2018, 19 Uhr TALKSHOW AUS DER ZUKUNFT: SOLIDARISIERT EUCH! 1918 – 2018 – 2038 Mit Adrienne Goehler, Ralf Hoffrogge, Britta Ohm und Ralf Linder Moderation: Christine Watty (Deutschlandfunk Kultur) In der Revolution 1918/19 ging es zunächst um Frieden und Brot, dann erst um Demokratie. Als es schließlich zum Verteilungs- und eigentlichen Machtkampf kam, zerbrach die revolutionäre Bewegung und ihre Gegner hatten leichtes Spiel. Das wäre heute nicht mehr möglich? Angesichts einer immer weiter wachsenden Vermögensungleichheit und fragwürdiger Beschäftigungsverhältnisse sind Fragen nach einer gerechten Gesellschaft und Zukunft auch heute erschreckend aktuell. Wie sieht Umverteilung und menschenwürdige Arbeit 2038 aus? Wenn neue Studien besagen, dass die Einkommensungleichheit in Deutschland auf dem Stand von 1913 ist, was sagt uns das über die Idee gesellschaftlichen Fortschritts? Veranstalter: Museum Lichtenberg in Kooperation mit Kulturprojekte Berlin Montag, 11.3.2019, 18 Uhr REVOLUTIONÄRER SPAZIERGANG DURCH BERLINS MITTE Frühling und Revolution liegen in der Luft! Zum letzten Mal laden Dr. Bjoern Weigel und Dr. Henning Wellmann, Kuratorenteam des Themenwinters, zu diesem exklusiven Stadtspaziergang ein, der Sie an die Orte des revolutionären Geschehens führt. Von A wie Alexa bis Z wie Zille erfahren Sie an Originalschauplätzen in Berlin die kuriosen und ungeahnten Hintergründe der umstürzlerischen Tage. Genau hier wurde vor 100 Jahren Geschichten geschrieben! Der Stadtspaziergang bildet den Abschluss der Montagsreihe „Die Woche beginnt mit Revolution!“. Teilnehmerzahl begrenzt. Veranstalter: Kulturprojekte Berlin

BEI ALLEN VERANSTALTUNGEN IST DER EINTRITT FREI! MEDIENPARTNER: Berliner Zeitung, taz, tip Berlin und Zitty 5


REVOLUTION MACHT REPUBLIK!

INFORMIERT EUCH! Die Pressefreiheit gilt als einer der entscheidenden Indikatoren für den Zustand einer Demokratie. Grob gesagt: Je stärker der Zugang zu und die Verfügbarkeit von regierungsunabhängigen Informationen eingeschränkt ist, desto autokratischer das Regime. Nicht umsonst werden wir besonders hellhörig, wenn irgendwo Journalist*innen unter fadenscheinigen Vorwänden verhaftet, Zeitungen verboten und Internetseiten gesperrt werden. Oder auch, wenn aufgewiegelte Wutbürger*innen lauthals „Lügenpresse!“ skandieren, nur weil die mediale Berichterstattung ihrem Glaubensgebäude nicht entspricht, in dem „alternative Fakten“ zunehmend salonfähig sind und gefühlte Missstände die realen an Strahlkraft weit überbieten. In Deutschland gab es zwar 1815 und 1874 Ge-

3.3.19 GENERALSTREIK

Die Vollversammlung der Arbeiter- und Soldatenräte beschließt den Generalstreik. Viele Menschen sind unzufrieden mit der Politik der Regierung und dem Verlauf der Revolution. Sie fordern weitergehende Reformen hinsichtlich der Demokratisierung des Militärs, der Verbesserung der Situation der Arbeiter*innen und der Sozialisierung der Großindustrie.

DAS PREUSSISCHE ABGEORDNETENHAUS IN DER REVOLUTION 1918/19

setze zur Pressefreiheit, die jedoch jeweils kurz darauf wieder stark eingeschränkt wurden. Die Aufhebung der Zensur und die Verankerung der Pressefreiheit in der Verfassung waren Errungenschaften der Revolution von 1918/19. Gleichzeitig markiert die Revolutionszeit eine Phase, in der die Freiheit der Presse so stark und gewaltsam umkämpft war wie selten zuvor. Angriffe waren dabei aus allen politischen Lagern zu verzeichnen. Vor allem im sogenannten Januar­ aufstand 1919, als Gruppen der äußeren Linken versuchten die Macht zu übernehmen, zeigte sich diese Ambivalenz: Im Fokus der Aufständischen standen vor allem Zeitungen und Verlage. Die stark durch bürgerliche bis reaktionäre Interessen geprägte Presse war den Revolutionär*innen ein Dorn im Auge. Im Zeitungsviertel wurden daher kurzerhand die wichtigsten Zeitungen, Redaktionen und Verlage besetzt – obwohl die Aufhebung der Zensur und damit die Pressefreiheit ja ein hohes Gut der Revolution war. Die Regierung reagierte mit militärischer Härte und ließ den Aufstand blutig niederschlagen. Rund 170 Tote waren die Folge. Im weiteren Verlauf der Revolution griff dann die Regierung immer häufiger auf die Zensur zurück, ließ unliebsame Filme und Lieder verbieten und verbot immer wieder linke Zeitungen – oder ließ gleich ihre Redaktionen und Druckereien verwüsten. Die Pressefreiheit war auch in der Folge während der gesamten Weimarer Republik gefährdet, vor allem aufgrund der Übermacht bestimmter Medienkonzerne. Und wenn es auch heute noch genügend Baustellen – Monopolisierungstendenzen im Mediensektor, Qualitätsverlust, Fake News – gibt: Unter 180 ausgewerteten Ländern steht Deutschland in der Rangliste der Pressefreiheit der Nichtregierungsorganisation „Reporter ohne Grenzen“ derzeit auf Platz 15. Die Möglichkeit, regierungsunabhängige Informationen in einer freien Presse- und Medienlandschaft zu bekommen, ist nicht hoch genug einzuschätzen. Nutzt die Möglichkeiten: #Informiert Euch!

Die Königstraße in Berlin-Mitte während des Generalstreiks Anfang März 1919. © Landesarchiv Berlin

Berliner Illustrirte Zeitung, 17. November 1918 © ullstein bild – Axel Springer Syndication

Menschen lesen Flugblätter, die von oben abgeworfen wurden, Januar 1919 © ullstein bild – adoc-photos

UND IM ABGEORDNETENHAUS? DIE SPALTUNG DER ARBEITERBEWEGUNG BERLIN, 1.1.19 Zu Beginn des Ersten Weltkriegs 1914 gab es mit der SPD nur eine relevante Arbeiterpartei in Deutschland. Kurz nach seinem Ende im November 1918 waren es drei. Der letzte Akt dieser Spaltung, die bis heute nachwirkt, fand im Festsaal des Abgeordnetenhauses statt: vom 30. Dezember 1918 bis zum 1. Januar 1919 tagte hier der „konstituierende Parteitag der einzigen revolutionären sozialistischen Partei des deutschen Proletariats“, wie Rosa Luxemburg die Gründungskonferenz der Kommunistischen Partei Deutschlands (KPD) kommentierte. Begonnen hatte die Spaltung schon unmittelbar nachdem sich die SPD-Führung 1914 auf die Seite der Kriegsbefürworter stellte. Als Reaktion formierte sich zunächst eine innerparteiliche Opposition, die 1917 jedoch eine neue Partei, die Unabhängige Sozialdemokratische Partei (USPD), begründete. Berühmte SPD-Politiker*innen traten nun der USPD bei oder waren schon Gründungsmitglieder, etwa Hugo Haase, Luise Zietz, Karl Kautsky und Eduard Bernstein. Auch die beiden

KEINE GEWALT!

UND IM ABGEORDNETENHAUS? DIE ARMEE DER REVOLUTION

Das Recht auf Leben, das Recht auf körperliche Unversehrtheit und das Recht auf Freiheit der Person sind die vielleicht persönlichsten und physisch nahegehendsten Grundrechte, die unsere Verfassung kennt. Sie sollen den Schutz eines jeden Menschen vor unrechtmäßiger Gewalt garantieren – auch und vor allem staatlicherseits. Willkürliche Verhaftungen, Folter, Misshandlung und Mord sind so nicht nur für Bürger*innen tabu sondern auch als Mittel der Politik und Strafverfolgung ausgeschlossen. Zwar gab es auch im Kaiserreich rechtliche Einschränkungen der staatlichen Gewaltausübung, allerdings wurden selbst diese basalen Hürden während des Ersten Weltkriegs immer wieder außer Kraft gesetzt – zum Beispiel durch die Verhängung des Belagerungszustands. Der Aufstand

Kampflose Übergabe der Garde-Ulanen-Kaserne an Vertreter des Arbeiter- und Soldatenrats, November 1918 © ullstein bild – Imagno

Aufruf des Bürgerrats von Groß-Berlin, Januar 1919 © Landesarchiv Baden-Württemberg, Hauptstaatsarchiv Stuttgart J 151 Nr. 2425 Bild 1

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ehemaligen Mitglieder Karl Liebknecht und Rosa Luxemburg wechselten das Parteibuch und traten zusammen mit der von ihnen gegründeten Spartakusgruppe zur USPD über. Sie bildeten den äußeren linken Flügel der neuen Partei. Vor allem die Bildung einer gemeinsamen Revolutionsregierung mit der MSPD, die für viele durch ihren Kriegskurs jegliches Vertrauen verspielt hatte, sorgte bei den äußeren linken Strömungen der USPD für Unmut. Im Laufe der Revolution spitzte sich der innerparteiliche Konflikt um die richtige politische Strategie immer weiter zu, bis schließlich auch die linke Abspaltung der SPD weiter zerfiel und zum Jahreswechsel 1918/19 die KPD gegründet wurde. Vorsitzende der neuen Partei wurden neben anderen Karl Liebknecht und Rosa Luxemburg. Ohnehin schon verhasst in gegenrevolutionären und konservativen Kreisen, wurden sie nun zum Feindbild schlechthin aufgebauscht. Am 15. Januar wurden sie auf Befehl des reaktionären Hauptmanns Waldemar Pabst ermordet – mit Billigung der SPD-Spitze.

vom Herbst 1918 richtete sich daher in bedeutendem Maße auch gegen staatliche Willkür, Verhaftungen und Gewalt, vor allem im und durch das Militär. Der Slogan „Brüder! Nicht schießen!“, der im November 1918 auf den Revolutions-Transparenten zu sehen war, lässt sich somit auch als genereller Aufruf zur Gewaltlosigkeit verstehen. Die an den Fronten des Ersten Weltkriegs erlebte Gewalt sollte sich eben nicht nach innen wenden. Weder jetzt, noch nach dem Kriegsende, das am 11. November 1918 erzwungen wurde. An gezielten politischen Mord dachte wohl erst recht niemand. Karl Liebknecht und Rosa Luxemburg mussten allerdings spätestens im Januar 1919 genau damit rechnen. Vor allem während des Januaraufstands wurden sie zu Symbolfiguren der Revolution, obwohl ihr Anteil am eigentlichen Umsturz vom November eher gering war. Die Rechten übertrieben ihre tatsächliche Macht maßlos, schürten populistisch Ängste davor, dass die beiden Köpfe der gerade gegründeten KPD Tod und Verderben des Vaterlandes bringen würden und lancierten explizite Mordaufrufe. Die zielgerich-

tete Ermordung Liebknechts und Luxemburgs im damaligen Hotel Eden durch republikfeindliche Freikorps am 15. Januar 1919 bildete dann den traurigen Auftakt zu hunderten politischen Morden bis 1923. Die Eskalation der Gewalt ging vor allem von den alten militärischen Eliten aus – mit Billigung der neuen Regierung. Man muss kein profunder Kenner des aktuellen politischen Geschehens sein, um mitzubekommen, dass das Menschenrecht auf Leben, auf körperliche Unversehrtheit und Freiheit weltweit täglich zig-fach missachtet wird – durch Regierungen und Regime, durch organisierte Kriminalität und bewaffnete Banden. Doch Grund zur Sorge bereiten auch die Tendenzen, diese so zentralen Grundrechte in den westlichen Demokratien zu beschneiden. Folter wird wieder zur Option, politische Morde sind Realität und neue Polizeigesetze erlauben immer längere Inhaftierungen ohne Anklage. Was schon während der Revolution 1918/19 und viel später, 1989, für die Friedliche Revolution in der DDR Motto war, gilt auch heute noch uneingeschränkt: #Keine Gewalt!

Das Abgeordnetenhaus war während der Revolution nicht nur Sitz der Verwaltung und des Vollzugsrates der Groß-Berliner Arbeiter- und Soldatenräte. Auch eine militärische Einheit hatte hier Quartier bezogen: die Abteilung II der Volksmarinedivision (VMD). Ins Leben gerufen kurz nach dem die Revolution Berlin erreichte, verstand sich diese Truppe aus revolutionären Matrosen als bewaffnete Schutzmacht des Aufstands. Sie sollte die Errungenschaften der Revolution sichern und gegen konterrevolutionäre Angriffe verteidigen. Damit stand sie von Beginn an in Konkurrenz zu den regulären Sicherheitskräften in der Hauptstadt und war als revolutionsfreundliche, eher linksstehende Truppe nicht unumstritten. Verständlicherweise waren es vor allem diejenigen, die schon der Revolution kritisch oder gar ablehnend gegenüberstanden, die auch diese „Revolutionsarmee“ skeptisch sahen. Ihnen schien sie unzuverlässig, unberechenbar und potenziell gefährlich. Dabei ging die erste ernsthafte Gefahr für die junge Republik nicht von der Volksmarinedivision aus, sondern von rechts. Eine Verschwörung von kaisertreuen Offizieren und Beamten organisierte am 6. Dezember einen Putschversuch, bei dem die Macht der Arbeiter- und Soldatenräte gebrochen und SPD-Chef Friedrich Ebert zum Präsidenten ausgerufen werden sollte. Soldaten umstellten das Abgeordnetenhaus und versuchten die hier tagenden Mitglieder des Vollzugsrates zu verhaften. Gleichzeitig zog eine Gruppe Soldaten vor die Reichskanzlei und wollte Ebert als neuen Präsidenten ausrufen. Beides scheiterte. Ebert lehnte ab – er müsse erst mit seinen Freunden aus der Regierung reden. Die Soldaten im Abgeordnetenhaus, die von den hinter der Verhaftung steckenden Putschplänen anscheinend nichts wussten, ließen sich so lange hinhalten, bis Tausende Arbeiter und Matrosen der Volksmarinedivision dem Vollzugsrat zur Hilfe gekommen waren. Nach diesen Vorfällen wurde die Abteilung II der Volksmarinedivision in das Abgeordnetenhaus verlegt, um den Vollzugsrat gegen weitere Angriffe zu schützen.


REVOLUTION MACHT REPUBLIK!

BETEILIGT ALLE! Am 19. Januar 2019 ist es exakt 100 Jahre her, dass Frauen zum ersten Mal in Deutschland wählen und gewählt werden durften. Vier Monate später jähren sich das Inkrafttreten des Grundgesetztes und damit die volle rechtliche Gleichstellung zwischen Mann und Frau zum siebzigsten Mal. Doch trotz dieser Meilensteine gilt: Am Ziel, eine gleichberechtigte und gleichgestellte Gesellschaft für alle zu schaffen, sind wir auch nach über 150 Jahren Kampf noch nicht. Eine der entscheidendsten Leistungen der Revolution von 1918/19 war die Einführung des Frauenwahlrechts. Das Kaiserreich hatte nur Männern die politische Mitbestimmung in Form von Wahlen gestattet, für die neu an die Macht gekommene Revolutionsregierung war hingegen klar: Alle Erwachsenen sollten wählen und gewählt werden dürfen. Hierfür hatten Frauen-

DAS PREUSSISCHE ABGEORDNETENHAUS IN DER REVOLUTION 1918/19

rechtlerinnen wie Minna Cauer, Helene Stöcker, Luise Zietz, Clara Zetkin, Rosa Luxemburg und viele weitere schon Jahrzehnte lang gekämpft. Erstmals reichsweit zur Geltung kam diese revolutionäre Neuerung bei den Wahlen zur Nationalversammlung im Januar 1919. Ein weiterer großer Schritt in Richtung Gleichberechtigung war die Verabschiedung der Weimarer Verfassung im selben Jahr, in der Männer und Frauen zumindest „grundsätzlich die gleichen Rechte und Pflichten“ zugestanden wurden. Das Wort „grundsätzlich“ wurde trotz harter Kämpfe von Frauenrechtlerinnen nicht gestrichen und so konnten verschiedene Benachteiligungsformen weiter bestehen bleiben. Erst 30 Jahre später verschwanden mit dem Grundgesetz alle formal-rechtlichen Einschränkungen der Gleichberechtigung. Nun hieß es: „Männer und Frauen sind gleichberechtigt.“ Damit war die rechtliche Gleichstellung erreicht – von wirtschaftlicher, sozialer und kultureller Gleichstellung konnte allerdings keine Rede sein.

Und auch heute, 70 Jahre später, sind wir noch weit entfernt davon, eine Gesellschaft mit gleichen Zugangs- und Beteiligungsmöglichkeiten für alle Menschen zu sein. Frauen sind in der politischen Sphäre immer noch unterrepräsentiert, mit einer rückwärtigen Entwicklung, und rechtliche Gleichstellung mündet noch keinesfalls in faktischer Gleichstellung, wie Frauen tagtäglich feststellen müssen. Aber nicht nur das Frausein hat in unserer Gesellschaft eine Benachteiligung zur Folge, Ungleichbehandlung orientiert sich zusätzlich und meist verschränkt an sozialer Schicht, Ethnie und Sexualität. Eine Vielzahl von Studien zeigt die Benachteiligung am Arbeitsplatz und im Privatleben – (sexualisierte) Gewalt, Diskriminierung und Unterdrückung sind 2018 traurige Realität, der es entgegenzutreten gilt. Auch heute noch ist die Frage von damals aktuell: Männer oder alle? Und genauso kann auch heute die Antwort nur lauten: #Beteiligt alle!

5.3.19 GEWOLLTE ESKALATION

In der Gegend um den Alexanderplatz und das Polizeipräsidium eskalieren die Kämpfe zwischen Regierungstruppen und revolutionären Verbänden. Vieles deutet darauf hin, dass diese Zuspitzung gezielt durch die Regierungstruppen provoziert wurde, um ein hartes Durchgreifen zu rechtfertigen. Am Alex­ anderplatz werden sogar schwere Kriegswaffen wie Mörser aufgebaut. Entlang der heutigen Karl-Marx-Allee errichten Aufständische Barrikaden. Regierungstruppen mit Flammenwerfer vor einem Panzer am Alexanderplatz während der Märzkämpfe 1919. © Landesarchiv Berlin

Lange Schlange von Wähler*innen vor dem Wahllokal in einer Gastwirtschaft, Kaiser-Friedrich-Straße Ecke Pestalozzistraße in Charlottenburg, 19. Januar 1919. © ullstein bild – Haeckel Archiv / Conrad Hünich

9.3.19 FAKE NEWS UND SCHIESSBEFEHL

In vielen Zeitungen wird berichtet, dass Aufständische in Lichtenberg grausame Morde an bis zu 200 Polizeibeamten begangen hätten. Daraufhin erlässt Reichswehrminister Noske (SPD) den sogenannten Schießbefehl, der in der Folge von Regierungstruppen als Rechtfertigung für zahlreiche Morde und Gräueltaten genutzt wird. Die Zeitungsberichte waren frei erfunden und gezielt von Regierungstruppen verbreitet worden. Regierungstruppen marschieren während der Märzkämpfe 1919 Richtung Lichtenberg, wohin sich die Aufständischen zurückgezogen haben. © ullstein bild – Süddeutsche Zeitung Photo / Scherl

Wahlplakat der SPD zur Nationalversammlung, Januar 1919 © Friedrich-Ebert-Stiftung

UND IM ABGEORDNETENHAUS? „BÜRGERINNEN, WÄHLT AM 26. JANUAR“ Am 26. Januar 1919 war es so weit: Die ersten allgemeinen, gleichen und geheimen Wahlen der preußischen Geschichte standen an. Erstmals hatten Frauen nun auch auf der Ebene des größten und bevölkerungsreichsten deutschen Landes das volle aktive und passive Wahlrecht. Genau wie acht Tage zuvor im Reich gerieten die Wahlen zur Verfassunggebenden Landesversammlung zum Triumphzug für die Demokratie. Vom „Bruderkampf“ der Arbeiterparteien wollten die Wähler*innen nichts wissen: 36,4 Prozent der Stimmen gingen an die SPD, nur 7,4 Prozent an die Unabhängigen Sozialdemokraten (USPD), die KPD trat gar nicht an. Auch die nicht-sozialistischen demokratischen Parteien überflügelten die Gegner der Republik deutlich: die katholische Zentrums-Partei kam als zweitstärkste Kraft auf 22,2 Prozent, die linksliberale Deutsche Demokratische Partei auf 16,2. Die rechtsliberale und in ihrer Haltung zur Republik eher ambivalente Deutsche Volkspartei (DVP) überzeugte nur 5,7 Prozent der Wähler*innen. Stärkste republikfeindliche Kraft wurde die nationalistische und schon damals antisemitische Deutsch-nationale Volkspartei (DNVP) mit 11,2 Prozent. Am 13. März 1919 kam die Verfassunggebende Landesversammlung im Abgeordnetenhaus zusammen, das fortan als Preußischer Landtag firmierte. Von den 401 gewählten Abgeordneten waren 26 Frauen – die Frauenquote lag mit 6,5 Prozent also unter derjenigen der Weimarer Nationalversammlung, in der 9,6 Prozent der Abgeordneten Frauen waren und damit eine neue Weltrekordmar-

ke setzten. Zum Präsidenten der Landesversammlung wurde Robert Leinert (SPD) gewählt. Wichtigste Aufgabe des neuen Parlaments war die Ausarbeitung einer Preußischen Verfassung: Bereits am 20. März 1919 konnte hier im Landtag eine vorläufige Regelung verabschiedet werden, fünf Tage darauf wurde Paul Hirsch (SPD) Ministerpräsident einer Koalition aus SPD, Zentrum und

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DDP. Sie begründete eine parlamentarisch-demokratische Tradition in Preußen, die sich fast während des gesamten Bestehens der Weimarer Republik als demokratisches Bollwerk gegen alle Verfassungsfeinde hervortat. Erst der Staatsstreich des erzreaktionären Franz von Papen – der bald darauf Steigbügelhalter Hitlers werden sollte – beendete 1932 die preußische Demokratie.

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REVOLUTION MACHT REPUBLIK!

DAS PREUSSISCHE ABGEORDNETENHAUS IN DER REVOLUTION 1918/19

11.3.19 MASSAKER

Unter einem Vorwand werden rund 200 Mitglieder der Volksmarinedivision, einer linksstehenden revolutionären Truppe, von Regierungssoldaten in einen Hinterhalt gelockt und verhaftet. Aus Angst vor Gegenwehr lässt der Befehlshabende rund 30 von ihnen mit einem Maschinengewehr erschießen. Auch an weiteren Orten in Berlin kommt es zu Massenmorden. Von Regierungstruppen während der Märzkämpfe 1919 ermordete Aufständische. © ullstein bild – ADN-Bildarchiv

Maschinengewehrposten von Regierungstruppen am Spittelmarkt, Anfang März 1919 © ullstein bild – Haeckel Archiv

SOLIDARISIERT EUCH! Was hält eine Gesellschaft zusammen? Reichen geteilte demokratische Werte und eine rechtsstaatliche, liberale Verfassung oder braucht es mehr? Sowohl den Revolutionär*innen von 1918/19 als auch den Vätern und Müttern des heutigen Grundgesetztes war klar, dass demokratische Strukturen und Grundrechte allein nicht ausreichen, ein friedliches Miteinander in einer Gesellschaft zu gewährleisten. Es bedarf darüber hinaus eines Mindestmaßes an sozialem und wirtschaftlichem Ausgleich, einer Form gesellschaftlicher Solidarität, die allen Mitgliedern der Gesellschaft ein menschenwürdiges Leben ermöglicht. Darüber wie diese Solidarität oder auch Umverteilung organisiert werden sollte und wie weit sie reichen muss, gab und gibt es seit jeher erbitterten Streit zwischen den politischen Lagern. Vor hundert Jahren führte dieser Konflikt zur Zerschlagung der revolutionären Bewegung. Anfang März 1919 stellten Berliner Arbeiter*innen

13.3.19 DAS ENDE DES AUFSTANDS

die Machtfrage in den Betrieben. Eine ihrer zentralen Forderungen nach der Sozialisierung der Schwerindustrie war von der SPD-Regierung nie in Angriff genommen worden – trotz gegenteiliger Zusagen. Dabei war die Verstaatlichung der Schlüsselindustrien nicht nur eine Selbstverständlichkeit in jedem linken Wahlprogramm, sie fand sich als Forderung sogar noch in Programmen der späteren CDU. Doch ausgerechnet nach dem Sieg der sozialistischen Parteien in der Revolution passierte in dieser Hinsicht nichts. Der Generalstreik wurde ausgerufen und es kam zu Konflikten zwischen Arbeiter*innen und Sicherheitskräften. Die Situation eskalierte und die SPD-Regierung rief das Militär zur Hilfe, darunter auch rechtsextreme Freikorps, um für „Ruhe und Ordnung“ zu sorgen. Die daraus resultierenden Märzkämpfe wurden von Regierungsseite mit äußerster Brutalität und militärischer Härte geführt. Als Folge blieb neben zahlreichen willkürlichen Erschießungen der Tod von rund 1200 Menschen zu beklagen – überwiegend Unbeteiligte. Die Märzkämpfe markieren damit das blutigste Kapitel der Revolution in der Hauptstadt. Nach dem bemerkenswert friedlichen und schnellen Sturz der Monarchie etablierte sich kein sozialistisches, sondern ein bürgerlich-kapitalistisches System. Trotzdem reichte der Druck der sozialistischen Bewegung aus, zumindest einige Teilerfolge in Sachen Arbeitnehmerrechte und soziale Absicherung zu erzielen, die schließlich in der Weimarer Republik zur Geltung kamen. Auch heute rücken Themen wie Vermögens- und Einkommensverteilung wieder auf die öffentliche Agenda und Rufe nach mehr Solidarität und

Freiheit, 8. März 1919

sozialem Ausgleich werden lauter – verständlicherweise, bedenkt man, dass die Einkommensungleichheit heute größer ist als 1913. Die gesellschaftlichen Zerfallsprozesse, die ein solches Maß an Ungleichheit hervorruft, werden immer deutlicher sichtbar. Nur ein Mehr an gesellschaftlicher Solidarität kann dem entgegenwirken, also: #Solidarisiert Euch!

SPD-Reichwehrminister Gustav Noske erklärt vor der Nationalversammlung, dass in Berlin wieder Ruhe herrsche. Mit schweren Kriegswaffen und sogar Kampfflugzeugen wurde der Aufstand in der Hauptstadt niedergeschlagen. Nach offiziellen Angaben kamen 1200 Menschen ums Leben, die tatsächlichen Zahlen liegen vermutlich deutlich höher. Die allermeisten Opfer waren völlig unbeteiligte.

Eine Ausstellung der Kulturprojekte Berlin GmbH zum Themenwinter „100 Jahre Revolution – Berlin 1918/19“ mit freundlicher Unterstützung des Abgeordnetenhauses von Berlin.

© Landesarchiv Berlin „Die Sozialisierung marschiert!“: Erklärung der Reichsregierung, März 1919. © Bundesarchiv, Plak 002-005-005

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MEDIENPARTNER:

Mitte März 1919 wurde im Abgeordnetenhaus heftig gestritten. Immer wieder unterbrachen Zwischenrufe die Sitzungen der Landesversammlung, Abgeordnete bezichtigten sich gegenseitig der Lüge und brachten harte Anschuldigen vor. Die Fronten verliefen jedoch nicht mehr wie zu Kaisers Zeiten, also zwischen Vertreter*innen der Arbeiterschaft und Bürgerlichen. Es waren jetzt vor allem die beiden sozialdemokratischen Parteien – MSPD und USPD – die sich harte Wortgefechte lieferten. Während zunächst Ruhe eingekehrt zu sein schien in der jungen Republik – im Februar trat die Nationalversammlung in Weimar zusammen, Friedrich Ebert (SPD) wurde als ihr erster Präsident vereidigt und Philipp Scheidemann (SPD) stellte das erste Kabinett auf – flammten Anfang März 1919 erneut revolutionäre Kämpfe auf. Obwohl sich für die Arbeiter*innen schon einiges verbessert hatte, sahen viele die Versprechen einer sozialistischen Revolution nicht eingelöst. Der Achtstundentag und die Anerkennung der Gewerkschaften als legitime Interessenvertretung der Arbeiter*innen, beides im Stinnes-Legien-Abkommen von November 1918 vereinbart, reichten als Zugeständnisse nicht aus. Forderungen nach der Sozialisierung der Großindustrie, einer demokratischen Militärreform und der Verankerung der Räte in der Verfassung kamen auf. Auch in Berlin kam es zu Massenprotesten und Streiks. Die Regierung zeigte sich jedoch kompromisslos und ließ die Proteste blutig niederschlagen. Die dabei ausgeübte grausame Gewalt sollte nach dem Willen der USPD-Fraktion im Abgeordnetenhaus durch einen mit umfassenden Rechten ausgestatteten Untersuchungsausschuss aufgearbeitet werden. Die Debatte darüber war heftig. Letztlich wurde der Antrag abgelehnt und lediglich eine abgespeckte Version des Ausschusses eingesetzt. Die Ergebnisse verliefen im Sande, ernsthaft zur Rechenschaft gezogen wurde niemand. Die vor allem von rechts ausgehende Gewalt während der Revolution und ihre fehlende Aufarbeitung wurden zur schweren Hypothek für die Weimarer Republik und zementierten die Spaltung der Arbeiterbewegung auf Jahrzehnte.

IMPRESSUM

Ein während der Märzkämpfe 1919 durch Minentreffer zerstörtes Haus in der Alten Schützenstraße im Berliner Bezirk Mitte.

GEFÖRDERT VON:

UND IM ABGEORDNETENHAUS? VERPASSTE CHANCE ZUR AUFARBEITUNG

UNTERSTÜTZT VON:

Konzeption/Kurator: Dr. Bjoern Weigel Projektmanagement: Anja Vogel Wissenschaftliche Mitarbeit: Dr. Henning Wellmann Art Direction: Georg von Wilcken Gestaltung: Martina Kogler, Caroline Menges Projektleitung Themenwinter: Jaana Prüss, Moritz van Dülmen, Simone Leimbach

EIN STADTWEITES GEMEINSCHAFTSPROJEKT VON:


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