DIE FELSWANNEN DES MARECCHIA-TALS
Texte Massimiliano Battistini Fotos CEFAC und Massimiliano Battistini Herstellung Provinz Rimini 2014 im Rahmen des Projekts SEE-InTourAct Umschlagfoto Einzelwanne von San Paolo in Maiolo
San Leo
Die felswannen des Marecchiatals
Das Marecchia-Tal bietet in landschaftlich einen Anblick, der es von allen umliegenden Tälern unterscheidet. Folgt man vom Meer aus dem Fluss Marecchia, bemerkt man recht bald enorme Felsklippen, die sich von den Hügeln erheben, und auf denen man Orte wie Verucchio oder San Leo, Burgen wie die von Maiolo oder Wallfahrtsstätten wie die der Madonna von Saiano erkennt. Je mehr man ins Binnenland vordringt, werden die Felsen immer häufiger, auch und vor allem in Form von Felsaufschlüssen und Felsblöcken, die von Erdrutschen und Erosionen herrühren. Gerade auf diesem natürlichen Material bemerkt man bei aufmerksamem Hinschauen Spuren, die der Mensch in sehr weit zurückliegenden Zeiten hinterlassen hat. Die Geschichte des MarecchiaTals zeigt, dass hier der Mensch schon seit sehr langer Zeit präsent ist, nämlich seit ca. 900.000 Jahren; dies ist durch zahlreiche archäologische Funde nachgewiesen und wird auch durch die vielen Zeugnisse bestätigt, die auf den Felsen hinterlassen wurden. Solche Zeugnisse oder Erscheinungen können unterschiedlicher Art sein, die Einritzungen, Graffiti oder scheinbar bedeutungslose Zeichen (auch diese sehr zahlreich im Marecchia-Tal) umfassen und bis zu den sogenannten größeren oder kleineren Felsdenkmälern bzw. den Strukturen und Artefakten reichen, die aus Felsmaterial gewonnen wurden. In einem verhältnismäßig begrenzten Bereich des oberen Marecchia-Tals zwischen San Marino und Badia Tedalda konzentriert sich eine beachtliche Anzahl der als Felswannen bezeichneten Steindenkmäler. Diese Felswannen sind lokal aufgrund jahrhundertealter mündlicher Überlieferungen als „Opferaltäre“ bekannt und schon immer sehr viel Interesse und Neugier nicht nur der lokalen Bevölkerung, sondern auch bei Besuchern des Tals hervorgerufen. Unter Felswannen versteht man die unterschiedlich geformten Aushöhlungen (im Allgemeinen mehr als 50 cm lang), die entweder auf Felsaufschlüssen oder Felsblöcken vorgenommen wurden. Diese Aushöhlungen dienten
3 hauptsächlich dazu, Flüssigkeiten zu enthalten, auch wenn die tatsächliche Funktion, für die sie hergestellt wurden, noch völlig unklar ist. Eines der interessanten Merkmale, durch die sich fast alle Wannen im Marecchia-Tal auszeichnen, ergibt sich aus ihren Standorten: Sie befinden sich hauptsächlich in Wäldern oder auf Gipfeln und liegen fast völlig isoliert weitab von anderen Strukturen. Zusammen mit den sehr alten mündlichen Überlieferungen hat dieser Umstand sie mit einem Nimbus von Geheimnis und Magie umgeben, was dazu geführt hat, die Felswannen des Tals als einstige Kultstätten zu betrachten. Auch wenn eine solche Annahme nicht auszuschließen ist, haben Vergleiche und Forschungsarbeiten gezeigt, dass die Funktion der Wannen sehr alt ist und auch verschieden voneinander sein kann, dass aber alle entweder auf religiöse Kulthandlungen oder auf eine produktive Funktion zurückzuführen sind. Hinsichtlich der Kulthandlungen wurden die Wannen seit prähistorischer Zeit für verschiedene Arten von Versöhnungsritualen benutzt, wobei Tiere geopfert wurden, oder zur Verwendung verschiedener Flüssigkeiten wie Wasser und Öl, um günstige Ernten, erfolgreiche Jagden oder Kriege zu bewirken. Was hingegen den produktiven Bereich betrifft, lässt sich an verschiedene Verwendungen denken, die meist vom Kontext abhingen, in dem die Wannen entstanden sind; man spricht von Wannen zur Herstellung von Wein oder Öl in der Nähe von Weinbergen oder Olivenhainen; Wannen zum Gerben des Leders in der Nähe von Wasserläufen oder Quellen; Wannen zur Kalkherstellung in der Nähe einstiger Gebäude usw. Durch die natürliche Wandlung des Tals im Lauf der Jahrhunderte lässt sich dieser ursprüngliche Kontext nicht mehr rekonstruieren, weshalb auch deren tatsächliche und ursprüngliche Bestimmung nur schwierig ermittelt werden kann. Dennoch wird bestätigt, dass die Felswannen einen sehr alten Ursprung haben und in die Vorund Frühgeschichte zurückreichen und wahrscheinlich rituellen Handlungen dienten.
Burg von Maioletto
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Hinsichtlich der Verwendungen ist es außerdem völlig plausibel, dass ein und dieselbe Wanne im Lauf der Zeit für unterschiedliche Zwecke wiederverwendet wurde, die auch völlig von der ursprünglichen Bestimmung abweichen konnten. Als eine wahrscheinliche Reminiszenz von Kulthandlungen wurden sie zuletzt vom lokalen Volksglauben in den meisten Fällen als Orte der Heilung und Gesundheit angesehen. Sehr oft wurde hierbei auf Kulthandlungen im Zusammenhang mit Heiligen zurückgegriffen, weshalb die Wannen die Bezeichnung „Bett“ und den Namen eines Heiligen erhielten (Bett des hl. Markus, Bett des hl. Paulus). In struktureller Hinsicht sei auf die verschiedenen Formen der Wannen verwiesen (rechteckig, elliptisch, dreieckig usw.), die außer von der möglichen
Verwendung auch von der Größe und Form des Felsaufschlusses oder des Felsbrockens beruhen, in die sie eingemeißelt sind. Das für diese Wannen am meisten benutzte Felsmaterial war der Sandstein, weil er am häufigsten vorkommt und leichter zu bearbeiten ist. Schaut man sich insgesamt die Felswannen im Marecchia-Tal wie auch anderswo in Italien und nicht nur dort an, lassen sich leicht drei Typologien unterscheiden, die ausschließlich auf ihrer Morphologie beruhen.
Die drei Typologien sind: l Einzelwannen l Mehrfachwannen l Offene Wannen
Die Einzelwannen Zu dieser Typologie gehören alle verschiedenförmigen Felsaushöhlungen, die einen normaler flachen oder leicht konkaven Boden haben und rundherum mit einem Rand versehen sind, um Flüssigkeiten oder anderes Material zu enthalten oder zu sammeln. Für die Einzelwannen können zwei unterschiedliche Fälle vorliegen, in denen die Aushöhlung entweder in Felsaufschlüssen oder in Felsblöcken erfolgte und zuweilen beachtliche Ausmaße annahm. Im zweiten Fall, d.h. bei den Felsblöcken (oder Felsaufschlüssen, die höher sind als das umliegende Gestein) besteht das Merkmal im eventuellen Vorhandensein eines Loches oder einer Ablaufrinne: denn oft befindet sich ein Loch an einer der Seiten der Wanne, durch das etwaige Flüssigkeiten austreten können; das Loch liegt allgemein in der Höhe des Bodens, so dass die Flüssigkeit vollständig ablaufen konnte, was oft noch durch eine leichte Abwärtsneigung begünstigt wird. Bei nicht sehr hohen Rändern und flachen Wannen ist das Loch durch eine Rinne ersetzt, die aus einem kleinen Einschnitt besteht, die vom Rand bis zum Boden der Wanne reicht und das rasche Abfließen der Flüssigkeiten begünstigt. Zu dieser Typologie gehören auch die ‚ZisternenWannen‘, d.h. die ebenfalls in den Fels gemeißelten Strukturen, die als Wannen zum Sammeln von Wasser dokumentiert sind und zu mittelalterlichen Burgen gehörten. Im Allgemeinen sind die Zisternen-Wannen größer und in vielen Fällen mit Resten von Mauerstrukturen oder Räumen verbunden, die in den Fels gehauen sind.
Die Mehrfachwannen Als Mehrfachwannen werden zwei oder mehr Aushöhlungen nebeneinander bezeichnet, die miteinander verbunden sind. Im Allgemeinen bestehen sie aus zwei Wannen und nur ganz selten sind drei oder mehr miteinander verbundene Wan-
nen vorhanden. Die beiden Wannen bestehen normalerweise aus einer größeren und einer kleineren Wanne; sie können wie bei den Einzelwannen auch voneinander verschiedene Formen aufweisen, auch wenn die von viereckigen oder kreisförmigen Formen zahlreicher sind. Grundlegendes Merkmal der Doppelwannen ist der Höhenunterschied zwischen den beiden Wannen, denn der Boden der größeren Wanne liegt höher als der Boden der kleineren Wanne. Hierdurch wird der Abfluss von Flüssigkeiten oder Substanzen aus der ersten in die zweite Wanne über ein Loch oder eine Rinne erleichtert. Das Loch befindet sich direkt im Fels zwischen den beiden Wannen; normalerweise liegt es direkt am Boden der größeren Wanne wie bei den Einzelwannen, aber es gibt auch Fälle, in denen das Loch höher liegt als der Boden der oberen Wanne, wahrscheinlich um die Flüssigkeit vom schwereren Material zu trennen, dass sich am Boden ablagert. Was die Standorte der Doppelwannen betrifft, finden sie sich sowohl auf Felsblöcken als auch auf Felsaufschlüssen, die einige Meter aus dem Boden herausragen, bei denen die natürliche Geländeneigung genutzt wurde, um zwei Wannen in unterschiedlicher Höhe auszuhöhlen. Ihre Struktur zeigt deutlich, dass die größere Wanne dazu dient, Flüssigkeiten oder Materialien zu sammeln und zu bearbeiten, während die kleinere Wanne als Auffangbecken für die Materialen oder Flüssigkeiten fungiert, die man erhalten wollte. Für diese Typologie wird der Begriff Mühlstein (palmento) gebraucht, der sich auf eine mögliche Funktion im Zusammenhang mit dem Keltern der Trauben für die Weinherstellung bezieht.
Die offenen Wannen Bei dieser Typologie, die sich leicht von den vorherigen unterscheidet, gehören alle Aushöhlungen, die Wannen mit einer offenen Seite reproduzieren, bei denen also einer der vier Ränder fehlt. Die klassische Form der offenen Wanne besteht aus einem horizontalen Boden und eine vertikalen hinteren
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Wand; an den Seiten nehmen die Ränder zum Boden hin an Höhe ab. Diese Wannen sind im Allgemeinen rechteckig, zuweilen mit gekrümmten und nicht geradlinigen Seiten; in den meisten Fällen liegt die Öffnung an der längeren Seite, um so die ganze Länge der Aushöhlung auszunutzen. Die Struktur dieses Wannentyps verweist auf eine anderen Funktion im Vergleich zu den anderen: nicht mehr Behältnis und Sammelbecken, sondern Basis oder Stütze für Gegenstände und Materialien unterschiedlicher Art.
Rillen sowie durch einige Einritzungen gekennzeichnet, unter denen besonders das lateinische Kreuz auf dem Wannenboden in abgesonderter Position auffällt, von dem erzählt wird, dass es von den durchziehenden Hirten geküsst wurde, um das Schicksal günstig zu stimmen. Dadurch, dass es in einer Höhe von 1100 m liegt, ist die Wanne von San Marco das höchstgelegene Felsdenkmal des ganzen Marecchia-Tals.
San Leo
Die Wannen im Marecchia-Tal
Die Wannen befinden sich an folgenden Stellen: Monte San Marco (Gemeinde Montecopiolo), San Leo, Tausano (Gemeinde San Leo), Monterano (Gemeinde Badia Tedalda).
An der Nordseite des dem hl. Leo geweihten Doms wurde zwischen dessen Mauer und dem Glockenturm die große rechteckige Einzelwanne ausgehöhlt, deren längere Seiten wie der Dom selbst auf der Ost-West-Achse liegen. Auf dem Wannenboden befindet sich in zentraler Position eine Rinne, die direkt zum Abflussloch für etwaige Flüssigkeiten führt; auf den Seitenrändern sind zahlreiche Elemente wie Kupellen, kleinere Aushöhlungen, Löcher für Pfähle sowie eine Rinne vorhanden, um das Wasser in die Wanne fließen zu lassen. Weitere sehr signifikante Elemente, die die mögliche kultische Funktion des Standortes und der Wanne in vorchristlicher Zeit bekräftigen, sind Einritzungen im Felsaufschluss hinter dem Glockenturm, auch wenn sie sich nicht in unmittelbarer Nähe befinden; diese Einritzungen stellen Figuren und Symbole dar (darunter erkennt mit eine Schaufel, Kupellen mit einer Rinne und Sonnensymbole), die völlig denen der Valcamonica ähneln, einer der weltweit wichtigsten Stätten für Felseinritzungen.
Monte San Marco
Tausano
Die Einzelwanne, die örtlich als „Bett des hl. Markus“ bekannt ist, wurde in eine Erhebung der Felsrippe aus Kalkstein gehöhlt, die sich wenig unterhalb des Berggipfels befindet, wo noch die Reste der alten Burg mit dem Namen ‚Monte Acuto‘ vorhanden sind. Die Wanne ist rechteckig und durch die besonderen und größeren Seitenwände mit stufenförmigen
Die rechteckige Wanne befindet sich im Felsaufschluss aus Sandstein am Weg, der auf dem Kamm verläuft und vom Biforca-Pass nach Tausano führt. Angesichts ihrer klassischen und regelmäßigen Form scheint diese Aushöhlung an die Felsgräber zu erinnern, auch wenn sie sehr viel kleiner ist. Die mit den längeren Seiten auf der Nord-Süd-Achse liegende Wanne präsentiert kei-
Bisher sind 10 Felswannen im Marecchia-Tal bekannt, die alle den drei Typologien zuzuordnen sind: 4 Einzelwannen, 4 Mehrfachwannen und 2 offene Wannen. Einzelwannen: Für die erste Typologie, also die Einzelwannen, bietet das Marecchia-Tal 4 Exemplare, die sowohl wegen ihrer strukturellen Morphologie als wegen der Umgebung, in die sie eingefügt sind, sehr interessant sind.
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Einzelwanne des Monte Fotogno in Montecopiolo (M. Battistini)
Einzelwanne von San Leo
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ne dekorativen oder funktionellen Elemente. Das einzige feststellbare Element besteht aus den Seitenwänden, die sich voneinander unterscheiden, denn die westliche Seite hat einen abgerundeten Rand, während andere Seite eher rechtwinklig geformt ist und Bearbeitungsspuren zeigt, die die Verwendung eines zugespitzten Werkzeugs bezeugen.
von der Aushöhlung gesammelt wird, obwohl sie nicht besonders tief ist. Das Wasser hat zur Bildung von brustwarzenförmigen Tropfsteinen geführt, die sehr augenfällig und spektakulär sind. Die Wanne scheint von einer Art Schutzfilm überzogen zu sein, der ebenfalls aus Kalkstein besteht, der vom ständig über den ganzen Felsblock fließenden Wasser abgelagert wurde.
Monterano
Mehrfachwannen: Alle Mehrfachwannen im Tal bestehen ausschließlich aus zwei miteinander verbundenen Becken, weshalb sie als „Doppelwannen“ bezeichnet werden. Sie weisen interessante morphologische Unterschiede auf, die hauptsächlich in den Formen zum Ausdruck kommen, die von runden bis zu rechteckigen Wannen reichen.
Innerhalb der Tabussa-Grotte in der Lokalität Monterano in der Gemeinde Badia Tedalda (Prov. Arezzo) wurde in einen Fels-Parallelepiped eine rechteckige Steinwanne gemeißelt. Die Wanne befindet sich gleich hinter dem Eingang der Grotte unterhalb einer Quelle, aus der ständig Wasser austritt, das über eine kurze Strecke senkrecht die Felswand herabläuft und dann
Es gibt 4 klassifizierte Exemplare, die sich an fol-
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Kupellen mit Ablaufrinne in San Leo
genden Stellen finden: Monte Fotogno (Gemeinde San Leo), Torricella (Gemeinde Novafeltria), Ville di Monte Benedetto (Gemeinde Sant’Agata Feltria), Pennabilli.
Monte Fotogno Das Denkmal befindet sich auf dem südöstlichen Abhang des Monte Fotogno in der Nähe der Lokalität Tausano. Die dichte Vegetation, die den ganzen Berg bedeckt, verbirgt nicht nur die Wanne, sondern erschwert auch den Zugang. Das Artefakt wurde aus einem großen Felsblock aus Kalkstein gewonnen (örtlich bekannt als „Masso del Tino“ oder „Tinaccio“, soviel wie „Bottichblock“), auf dem die größere dreieckige Wanne mit längeren Seiten und abgerundeten Spitzen ausgemeißelt wurde, zu der man über Stufen gelangt, die in den Fels gehauen wurden.
Die kleinere Wanne, die mit der größeren durch ein Abflussloch verbunden ist, hat keine ausgeprägten Ränder, sondern besteht aus einer Art abgerundeter Konkavität, die nicht sehr tief, aber sehr umfangreich ist. An der Außenseite ist rechts vom Wannenabfluss ein weiteres Loch zu sehen, das den Abfluss einer weiteren Aushöhlung an der senkrechten südlichen Wand des Felsblocks darstellt. Diese vertikale Wanne ist rechteckig und ziemlich groß. Wahrscheinlich wurde ursprünglich auf dem Felsblock die rechteckige Einzelwanne gefertigt; nach einem Erdrutsch war der Block wahrscheinlich den Abhang hinabgerollt, und es wurde die Doppelwanne ausgehöhlt, so wie sie heute zu sehen ist. Hieraus ergibt sich deutlich, dass der Ort und der Felsblock eine beachtliche Bedeutung für die lokale Bevölkerung hatte; darauf hinzuweisen ist, dass an verschiedenen Stellen des Felsblocks Kupellen oder kleinere Wannen ausgehöhlt wurden.
Kupellen mit Ablaufrinne (San Leo)
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Torricella Die Doppelwanne, auf die auch ein touristisches Schild mit der Aufschrift „Ara Sacrificale“ („Opferaltar“) hinweist, ist in einen großen Felsblock aus Sandstein gehöhlt, der sich links des Fosso Ca’ San Martino etwa 400 m südlich von Torricella befindet. Die größere Wanne liegt im oberen Teil des Felsblocks und hat eine unregelmäßige Form mit abgerundeten Ecken. Das eine Ende ist über eine Rinne mit der kleineren Wanne verbunden. Die untere rechteckige Wanne hat wie die offenen Wannen keinen Rand an den kürzeren Seiten; auf Bodenebene ist in zentraler Position eine Kupelle vorhanden. An den Rändern und an den Außenwänden des Felsblocks befinden sich charakteristische Elemente, die aus Kupellen, dekorativen Einritzungen und kleinen Stufen bestehen, die ein Hinaufsteigen zur oberen Wanne erleichtern.
Ville di Monte Benedetto Eine weitere Doppelwanne wurde in einen Felsen bei Ville di Monte Benedetto in der Gemeinde Sant’Agata Feltria gehöhlt. Es handelt sich um eine Wanne auf der Oberseite eines Felsaufschlusses, der sich der Geländeneigung folgend nach oben entwickelt. Sowohl die obere als die untere Wanne haben eine elliptische Form. Die untere Wanne hat keine Ränder, aber man sieht deutlich das Glätten des Felsgesteins, um eine Art Becken zu schaffen und die eventuelle Flüssigkeit entlang der vertikalen Wand nach außen abzuleiten; dieselbe Wand scheint bearbeitet worden zu sein, um einen Einschnitt zum leichteren Abfließen des Wassers aus der kleineren Wanne herzustellen. Auch in diesem Fall ist die Umgebung sehr interessant, denn innerhalb des Waldes, in der sie sich befindet, gibt es zahlreiche Felsblöcke, die diverse Bearbeitungen wie Kupellen, kleinere Einschnitte und in den Fels gehauene Stufen aufweisen.
Pennabilli Das Felsdenkmal befindet sich innerhalb eines Privatgeländes in der Lokalität Tregenghe, an der Straße, die von Ponte Messa nach Pennabilli führt. Das Artefakt ist in einen Felsblock aus Kalkstein gehöhlt und besteht aus zwei quadratischen Wannen, die über ein Loch im Fels miteinander in Verbindung stehen. Die Beschaffenheit der Wanne mit den beiden symmetrischen Aushöhlungen von derselben Form auf ein und derselben Achse sowie die Wahrscheinlichkeit, dass wegen der besonderen Gesteinsart metallisches Material zu ihrer Herstellung benutzt wurde, lässt möglicherweise auf ein jüngeres Datum schließen und daher auf eine ursprünglich pro-
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duktive Funktion. Offene Wannen: Auch wenn sie weniger häufig als die anderen Wannentypen sind, erweisen sich die offenen Wannen im Marecchia-Tal sowohl wegen ihrer morphologischen Merkmale und wegen ihrer Besonderheiten als sehr interessant. Die vorhandenen zwei offenen Wannen befinden sich an den folgenden Stellen: Piano di San Paolo (Gemeinde Maiolo), Monte San Silvestro (Gemeinde Sant’Agata Feltria).
Piano di San Paolo Im Wald unterhalb der Burg von Maioletto auf der rechten Seite des Flusses Marecchia treten verschiedene Felsblöcke aus Sandstein zutage, die zu verschiedenen Zeiten vom darüber liegenden Berg herabgerutscht sind; auf einem dieser Felsblöcke rechts des Fosso Rasino wurde eine offene Wanne von mäßiger Größe ausgehöhlt. Zu den charakteristischen Elementen des Monuments gehören die Rinnen auf den Seitenrändern und entlang der Wannenunterseite; aber am Interessantesten ist das Abflussloch einer der Seitenränder in Bodenhöhe. Die lokale Überlieferung erzählt, dass der hl. Paulus auf einer seiner Reisen sich in die Wanne
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Einzelwanne der Tabussa-Grotte in Badia Tedalda (M. Battistini)
13 gelegt habe, um auszuruhen; hieraus entstand der Kult im Zusammenhang mit dem hl. Paulus, weshalb es Brauch ist, sich in die als „Bett des hl. Paulus“ bezeichnete Wanne zu setzen, um Rückenschmerzen oder Rheumatismen zu heilen. Da Paulus als Schutzpatron gegen Schlangenbisse angesehen wird (aufgrund der Episode, in der Paulus bei seinem Aufenthalt auf Malta ohne Folgen von einer Viper gebissen wurde), erzählt dieselbe Überlieferung, dass sich des Nähe des „Bettes“ zahlreiche Schlangennester befinden, die als Wächter und Beschützer der Wanne gelten.
Monte San Silvestro Im Ortsteil Monte Benedetto von Sant’Agata Feltria befindet sich in einem Wald bei der Lokalität Osteria eine offene Wanne auf einem der zahlreichen Felsblöcke aus Kalkstein, die im Wald herumliegen. Die Wanne ist jetzt in ein größeres und ein kleineres Stück zerbrochen, die dicht beieinander liegen. Am Boden des größeren Fragments befindet sich eine Rinne, die vom Wannenrand zu einer Kupelle in der Mitte des Wannenbodens führt. In der Nähe der Wanne befinden sich wenigstens zwei Fragmente aus Kalkstein, die potentiell zum Felsblock gehörten, in den die Wanne gemeißelt wurde. Auch dieser offenen Wanne, die örtlich als „Bett des hl. Silvester“ oder „Bett des hl. Oktavian“ bezeichnet wird, werden dieselben heilenden Eigenschaften gegen Rückenschmerzen zugeschrieben. Befährt man die Straße, die von S. Agata Feltria nach Monte Benedetto führt, wird wie im Fall von Torricella durch ein touristisches Schild auf dieses Artefakt hingewiesen: „Monte Benedetto – Ara Sacrificale“ („Monte Benedetto – Opferaltar“). Die Felswannen, die sogenannten „Opferaltäre“, sind einfache, in natürliches Felsmaterial gehöhlte Artefakte, die zwar das obere Marecchia-Tal
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Doppelwanne des Montefotogno in San Leo (M. Battistini)
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Doppelwanne von Torricella (Novafeltria) gekennzeichnet haben und kennzeichnen - vielleicht wegen des Geheimnisses, das sie umgibt, oder weil sie so isoliert sind und keinen Zusammenhang mit der Umgebung aufweisen – aber noch nicht die Aufmerksamkeit erhalten haben, die sie verdient hätten, und die sie auf eine Stufe mit den anderen anthropischen Strukturen in diesem Gebiet stellen würde. Denn wie alle Denkmäler bilden auch die Wannen nicht nur ein Zeugnis für die Präsenz oder den vorübergehenden Aufenthalt des Menschen an bestimmten Orten, sondern auch ein wichtiges Element für die historisch-kulturelle Rekonstruktion des gesamten Tals.
DIE FELSWANNEN DES MARECCHIA-TALS Die Felswannen gehören zu den emblematischsten Erscheinungen der prähistorischen Felsarchäologie, durch die sich einige Gebiete der italienischen Halbinsel auszeichnen. Zu ihnen gehört auch das Marecchia-Tal, das neben vielen anderen Zeugnissen einer sehr weit zurückreichenden Präsenz des Menschen auch noch zahlreiche und interessante Beispiele dieser Art von Denkmälern aufweist. Alle Artefakte in diesem Gebiet werden den morphologisch bedingten drei Typologien zugeordnet: Einzelwannen, Mehrfachwannen, offenen Wannen. Sie sind örtlich als „Opferaltäre“ bekannt und gehen wahrscheinlich auf alte Kultrituale zurück. Dennoch werden den Felswannen des Marecchia-Tals verschiedene Funktionen zugewiesen, die entweder produktiver oder ritueller Art sind. Was auch immer die ursprüngliche Verwendung der einzelnen Artefakte gewesen sein mag, die sich auf ihren örtlichen oder kulturellen Kontext zurückführen lässt: Die Felswannen des Marecchia-Tals stellen wichtige Spuren für die sozio-kulturelle Rekonstruktion des Montefeltro dar, wie auch alle anderen Monumente, die sich in unserem Gebiet befinden.
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