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Dienstag, 23. Oktober 2012 | u neues deutschland
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Nachrichten Schreiber nicht verhandlungsfähig
Die Freiheit der Anderen
Augsburg (dpa/nd). Der wiederaufgerollte Prozess gegen den ehemaligen Waffenlobbyisten Karlheinz Schreiber ist bis Donnerstag unterbrochen worden. Ein Amtsarzt sagte nach einer weiteren Untersuchung des Angeklagten am Mittag, dieser sei weiter nicht verhandlungsfähig – wegen Übelkeit und Schwindels als Folge der blutdrucksenkenden Medikamente. Deshalb sei Schreiber nicht in der Lage, an dem Verfahren geistig mitzuarbeiten. Die Vorsitzende Richterin unterbrach den Prozess daraufhin. Die Zeugenvernehmung von Ex-Rüstungsstaatssekretär Ludwig-Holger Pfahls soll allerdings erst am 19. Dezember fortgesetzt werden.
Der Film »Verboten-Verfolgt-Vergessen« dokumentiert die Verfolgung von Kommunisten im Westdeutschland der Ära Adenauer
Hunderttausende waren in den 50er und 60er Jahren von der antikommunistischen Hatz in der jungen Bundesrepublik betroffen. Bis heute herrscht weitgehend Schweigen darüber. Das möchte Regissuer Daniel Burkholz mit seinem Film ändern.
Foto: Roadside Dokumentarfilm/Daniel Burkholz
Kritik aus Moskau zurückgewiesen Berlin (dpa/nd). Die Bundesregierung hat sich hinter ihren Russland-Beauftragten Andreas Schockenhoff gestellt und Vorwürfen aus Moskau widersprochen. »Diese Unterstellungen sind natürlich zurückzuweisen. Nicht jedes offene Wort, nicht jede sachliche Kritik ist Verleumdung«, sagte Regierungssprecher Steffen Seibert am Montag. Moskau hatte Schockenhoff nach Kritik an der Justiz des Landes als Russland-Beauftragten abgelehnt und erklärt, der CDU-Politiker habe sich mehrfach verleumderisch geäußert.
Bundesweite Alphabetisierung Magdeburg (epd/nd). In Magdeburg hat am Montag eine bundesweite Kampagne gegen Analphabetismus begonnen. Im Mittelpunkt der Aktion »Lesen und Schreiben – Mein Schlüssel zur Welt« stehe eine multimediale Ausstellung durch die Regionen, die zum Mitmachen anregen soll, teilte das Bundesbildungsministerium zum Auftakt mit.
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Von Thomas Blum Wir lernen Herbert und Ingrid Wils aus Hagen (Nordrhein-Westfalen) kennen. Die Eheleute sitzen auf einem Sofa, vor einer gedeckten Kaffeetafel. Hinter ihren Köpfen sind manchmal Wandteller und Fotos der Enkelkinder zu sehen. Herr und Frau Wils sind gefährliche Staatsfeinde. Das ist nicht sofort auf den ersten Blick zu erkennen, denn Staatsfeinde tarnen sich gut. In den 50er Jahren waren die beiden Mitglieder der KPD und der FDJ, heute gehören sie der DKP an. Herr Wils hat einmal als junger Bursche gerne Lieder zur Gitarre gesungen, »auch solche politischen Inhalts«, erklärt er. In den Liedern, die nicht immer ganz frei von Kitsch und Pathos waren, ging es um flammende Schwüre auf den Frieden, das Zerspringen der Ketten der Geknechteten und eine Jugend, die die »Einheit für Deutschland« fordert. Herr Wils singt ein solches Lied vor und begleitet sich selbst dazu auf der akustischen Gitarre. »Das war Staatsgefährdung«, sagt er mit bitterem Lachen. »Das durfte nicht gesungen werden.«
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Der flächendeckende Mindestlohn hat eigentlich eine Mehrheit im Bundesrat. Doch die Verhandlungen über einen Gesetzentwurf ziehen sich hin. Will die SPD nicht mehr so richtig? Im Bundesrat ziehen sich die Verhandlungen um den Thüringer Vorschlag für ein Mindestlohngesetz immer mehr in die Länge. Ei-
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Die geschilderte Szene entstammt dem Dokumentarfilm »VerbotenVerfolgt-Vergessen«, in dem am Beispiel ausgewählter Lebensläufe erzählt wird, wie im Westdeutschland der Adenauerzeit mit all jenen umgesprungen wurde, die im Ruch standen, an kommunistischen Umtrieben beteiligt zu sein. Der Regisseur Daniel Burkholz spricht von »einem Thema, das leider bis heute der breiten Öffentlichkeit unbekannt ist«. Oftmals waren Menschen von polizeilicher Verfolgung betroffen, die nichts anderes im Sinn hatten, als einen neuen Krieg zu verhindern, die oft nichts weiter getan hatten, als pazifistische Flugschriften zu verteilen oder sich im Betriebsrat
Die Verhandlungen im Bundesrat geraten ins Stocken Von Marian Krüger
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gegen die Wiederbewaffnung auszusprechen. Sie wurden observiert, drangsaliert, schließlich verhaftet und teils zu jahrelangen Gefängnisstrafen verurteilt. »Der Besitz von Büchern aus der DDR war beispielsweise für Nichtkommunisten nicht strafbar. Bei Kommunisten galt dasselbe aber als subversive Straftat«, so erläutert etwa Herbert Wils. Dem Juristen Rolf Gössner zufolge sind Schicksale wie das von Herbert und Ingrid Wils keine bizarren Einzelfälle. Über Jahrzehnte hinweg, seit ihrer Gründung, so bestätigt der Rechtsanwalt und Bürgerrechtsaktivist, sei in der Bundesrepublik Deutschland gegen Menschen ermittelt worden, die sich in kommunistischen Organisationen und gegen die Wiederaufrüstung der Bundeswehr engagierten. Insgesamt 200 000 Leute – darunter viele, die sich vor allem gegen die Remilitarisierung des Landes stark machten – gerieten so ins Visier polizeilicher Ermittlungen. 10 000 von ihnen wurden verurteilt, in der Regel ohne dass es ausreichende Beweise gegeben hätte. Häufig wurden ihnen auch in der Zeit nach der Entlassung aus
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Wils wurde von der Polizei festgenommen. Das Urteil lautete damals auf 18 Monate Gefängnis. »Wir hatten Isolationshaft, Einzelhaft«, erklärt Herbert Wils. »Wir waren nie alleine. Stündlich gab es eine Kontrolle am Türspion. Dauernd wurden wir drangsaliert. Man wollte uns spüren lassen: ›Ihr seid Dreck‹.«
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gentlich könnte der Antrag mit einer zügigen Abstimmung und einer breiten Mehrheit rechnen, da sich inzwischen auch die großen Koalitionen in Berlin, SachsenAnhalt und im Saarland dafür ausgesprochen haben. Für Thüringens Ministerpräsidentin Christine Lieberknecht besteht nun die Chance, »endlich« und »ohne Rücksicht auf Parteibücher« im Interesse der stetig anwachsenden Zahl von Arbeitnehmern im Niedriglohnsektor zu handeln. In der Länderkammer breitet sich jedoch eine bemerkenswerte Langsamkeit im Umgang mit dem Mindestlohnantrag aus. Der Ausschuss für Arbeit und Sozialpolitik hat ihn erneut vertagt. »Bis auf Wiederaufruf«, wie es heißt, und ohne einen neuen Termin zu nennen. Im Thüringer Landtag reagierte die LINKE in der vergangenen Woche prompt, um der Ursache dieser Verzögerung auf den Grund zu gehen. Ihr wirtschaftspolitischer Sprecher, Dieter Hausold, sagte im Landtag, dass offenbar nicht alle SPD-Landesregierungen hinter dem zwischen Lieberknecht und ihrem Wirtschaftsminister Mathias Machnig (SPD) ausgehandelten Kompromiss stehen. Die SPD zeigte sich hingegen zuversichtlich, dass die Initiative im »nächsten Jahr« umgesetzt werde. In dem Gesetzesentwurf hatte
die CDU erstmals dem Prinzip eines flächendeckenden, branchenübergreifenden Mindestlohns zugestimmt. Im Gegenzug hatte die SPD auf ihre Forderung nach einem Stundenlohn von 8,50 Euro verzichtet. Im Bundesratsplenum selbst quittierten die SPD-Landesfürsten diesen Tauschhandel mit eisigem Schweigen, während der rheinland-pfälzische Ministerpräsident Kurt Beck (SPD) am Rande der Sitzung von einem »ziemlich blass gewaschenen Kompromiss« sprach. Dagegen haben LINKEBundes- und Landespolitiker den Thüringer Vorstoß pragmatisch als Schritt in die richtige Richtung gewertet. Auch Brandenburgs rot-rote Landesregierung schloss sich der Initiative an. Obwohl Machnig und Lieberknecht ihren Vorstoß Monate zuvor ankündigten, hält sich bei der SPD der Enthusiasmus für die von ihren Thüringer Parteifreunden ausgehandelte Lösung in Grenzen. Sie scheut sich offenkundig davor, sich noch vor den Bundestagswahlen inhaltlich auf eine Einigung mit der Union einzulassen. Für die arbeitsmarktpolitische Sprecherin der LINKEN, Sabine Zimmermann, verschenkt die SPD »zum wiederholten Male eine Chance auf dem Weg zu einem allgemeinen gesetzlichen Mindestlohn«. Wenn es darauf ankommt, kämpfe die SPD »nicht für die Geringverdiener, sondern lieber für sich selbst«, so Zimmermann.
der Haft die bürgerlichen Ehrenrechte aberkannt. Von der deutschen Justiz rehabilitiert wurden diese Menschen bis heute nicht. Auch das 1956 in Kraft getretene Verbot der KPD ist bis heute unverändert gültig.
Antikommunistische Kontinuität »Insgesamt waren mehr als eine halbe Million Menschen betroffen. Das sind Dimensionen, die sind unglaublich«, meint Gössner. Die fragwürdigen Straftatbestände, die seinerzeit, in den 50er Jahren, zumeist als juristische Grundlage für eine Verurteilung sogenannter »zersetzender Elemente« herhalten mussten, klangen nicht selten, als habe man sie unverändert aus den Gesetzbüchern des Nationalsozialismus übernommen: »Geheimbündelei«, »Staatsgefährdung«, »Rädelsführerschaft«. Tatsächlich hat man sich als einigermaßen historisch interessierter Zeitgenosse nie Illusionen darüber hingegeben, dass der tief verwurzelte Antikommunismus der Deutschen sich in der Nachkriegszeit in Luft aufgelöst hätte. Die Richter, Staatsanwälte, Kri-
minalbeamten der 50er und 60er waren in der Regel dieselben, die bereits zur Nazizeit in Amt und Würden waren und denen Kommunisten unverändert als »Kriminelle« galten. Dass das Bundesjustizministerium dem Regisseur des Films kein Interview zu dem Thema geben wollte, dürfte wenig erstaunlich sein. Dem Filmvorspann vorangestellt ist ein Zitat des einstigen CDU-Bundeskanzlers Konrad Adenauer: »Die persönliche Freiheit ist und bleibt das höchste Gut des Menschen.« Am Ende des Films steht ein berühmt gewordener Satz Rosa Luxemburgs. Der dürfte als bekannt vorausgesetzt werden. »Verboten-Verfolgt-Vergessen«. Deutschland 2012, Regie: Daniel Burkholz, 57 Minuten. Die nächsten Termine: ● 23. Oktober, 19.30, Gewerkschaftshaus, in Hagen/Gevelsberg ● 8. November, 19.00, Kino Pelmke, in Hagen ● 11. November, 20.00, »Kult 41«, in Bonn Mehr unter: www.roadside-dokumentarfilm.de
Williamson muss erneut vor Gericht
Merkel für Beteiligung an Mali-Einsatz
Verfahren nächstes Jahr gegen Holocaus-Leugner
Bundeswehrmission in Westafrika rückt näher
Regensburg (epd/nd). Der Holocaust-Leugner und Bischof der ultrakonservativen Pius-Bruderschaft, Richard Williamson, muss sich erneut wegen Volksverhetzung vor Gericht verantworten. Williamson hat gegen einen Anfang Oktober erlassenen Strafbefehl des Amtsgerichts Regensburg abermals Einspruch erhoben, wie ein Gerichtssprecher am Montag mitteilte. Das Hauptverfahren werde im nächsten Jahr eröffnet. Das Gericht hatte eine Geldstrafe von 100 Tagessätzen gegen den 72-jährigen Briten verhängt. Der Bischof hatte 2008 in einem Interview mit einem schwedischen Fernsehsender im Priesterseminar der Piusbruderschaft in Zaitzkofen bei Regensburg den Mord an sechs Millionen Juden und die Existenz von Gaskammern in der Nazizeit bestritten. In dem sich seit vier Jahren hinziehenden Fall hatte das Oberlandesgericht Nürnberg im Februar eine erste Verurteilung wegen Verfahrensmängeln aufgehoben. Am Wochenende hatte »Der Spiegel« berichtet, die Piusbruderschaft plane den Ausschluss von Williamson. Grund sei ein Streit über den religiösen Kurs innerhalb der traditionalistischen Bruderschaft.
Strausberg (dpa/nd). Ein Bundeswehreinsatz im westafrikanischen Mali rückt immer näher. Bundeskanzlerin Angela Merkel erklärte am Montag die grundsätzliche Bereitschaft Deutschlands, sich an einer Ausbildungsund Unterstützungsmission der Europäischen Union für den Kampf der malischen Regierung gegen Islamisten zu beteiligen. »Freiheitliche demokratische Staaten können nicht akzeptieren, dass der internationale Terrorismus im Norden des Landes ein sicheres Rückzugsgebiet erhält«, sagte Merkel auf einer Bundeswehrtagung in Strausberg bei Berlin. »Wir wissen, dass die Streitkräfte Malis zu schwach sind zu handeln. Sie brauchen Unterstützung.« Mali steht nach der Eroberung des Nordens durch islamistische Rebellen vor der Spaltung. Eine Militärintervention afrikanischer Staaten unter dem Mandat der Vereinten Nationen wird immer wahrscheinlicher. Die Europäische Union könnte Kräfte zur Ausbildung der malischen Streitkräfte entsenden. Die Vorbereitungen dafür laufen bereits. Bis zum 19. November soll die EU-Außenbeauftragte Catherine Ashton ein Einsatzkonzept vorlegen.