Vermittler – mit einem gewissen Abstand

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DEUTSCHLANDBILD

Vermittler – mit einem gewissen Abstand „Was?! Sie wissen nicht, was Kaution und Provision ist? Sie sprechen doch so gut Deutsch!“… Es war mein erster Monat in Deutschland, ich war auf der Suche nach einer passenden Wohnung. Das war 1999. Ich hatte soeben meine Tätigkeit als Redakteur im Bengali-Programm der Deutschen Welle aufgenommen. Rund 14 Jahre nach meinem ersten Kontakt mit der deutschen Sprache. In der Zwischenzeit war ich zwar ein paar Mal in Deutschland, hatte aber nie in diesem Land gelebt. Kein Wunder also, dass die Begegnung mit einem leibhaftigen deutschen Makler für mich ziemlich anspruchsvoll war. Viel lieber hätte ich mit ihm über die Nachkriegsliteratur, über Methodik und Didaktik im Bereich Deutsch als Fremdsprache oder über die Reformpolitik des seinerzeitigen Bundeskanzlers Schröder gesprochen – Themen, mit denen ich als Deutschlehrer und von meiner Tätigkeit im

deutschen Generalkonsulat in Kalkutta eher vertraut war. Für jemanden, der Deutschland lange fast ausschließlich aus der Ferne beobachtet hat, kann die reale Begegnung nur ein kontinuierlicher Prozess der Auseinandersetzung sein. „Die Deutschen“, die ich aus meiner Zeit in Indien in Erinnerung hatte, habe ich hier selten wiedergefunden. Andererseits habe ich Menschen kennengelernt, die in meinem Bewusstsein ein völlig neues Bild geprägt haben. Und mit Maklern, Handwerkern, Automechanikern und anderen „einfachen Leuten“ habe ich mittlerweile auch hinreichend Erfahrung. Was mich vor dem Neuanfang in Deutschland auch bewegte: Wie würde ich in meiner neuen Wahlheimat aufgenommen werden? Gibt es wirklich Diskriminierung? Auch wenn sie eine eher latente Form hat? Reichen allein die Sprachkenntnisse? Oder muss man in Deutschland geboren sein, um einen uneingeschränkten

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„Die Begegnung mit einem

leibhaftigen deutschen Makler war für mich anspruchsvoll“: Sanjiv Burman

Zugang zur Gesellschaft zu haben? Fragen, die mich intensiv beschäftigt haben. Nun lebe ich seit zehn Jahren in Deutschland – nein, besser gesagt: im Rheinland. Heute kann ich sagen: Ich habe hier Freunde, die mir Geborgenheit bieten, mir zur Seite stehen. Wenn ich meine Erfahrungen der vergangenen zehn Jahre zusammenfassen müsste, dann am besten mit den Worten: 01 ganz normal. Als ich bei meiner bisher letzten Wohnungssuche von meinem Vermieter bevorzugt wurde – obwohl sich mehrere deutsche Familien für das Objekt interessierten – da war mir klar: Mein Status als Festangestellter war für ihn wichtiger als meine Hautfarbe. Er wollte in erster Linie seine Mieteinnahmen sicherstellen. Diese Einstellung dürfte auch der Hintergrund gewesen sein, als sich ein Verkäufer in einem Kauf haus erstaunlich viel Zeit für mich nahm – mit der Folge, dass zwei ungeduldige deutsche Studentinnen ihm vorhielten, er habe offenbar wenig Lust, sich um Kunden zu kümmern, deren Kaufkraft er geringer einschätze… Man muss aber Diskriminierung nicht am eigenen Leib erleben, um einen bitteren Beigeschmack zu bekommen. Man beobachtet Dinge, erf ährt sie von Betroffenen. Dass es in vielen deutschen Einrichtungen eine Gleichstellungsbeauftragte gibt, hat mich doch verwundert. Selbst in einem hochindustrialisierten Land mit einem hohen Bildungsniveau sind Frauen immer noch Diskriminierungsversuchen ausgesetzt. In meiner täglichen Arbeit als Redakteur geht es nicht zuletzt um die Vermittlung eines Deutschland- und Europabildes an Hörer und Internetnutzer in Indien und Bangladesh. Dabei

spielt natürlich auch das persönliche, im Unterbewusstsein verankerte Bild eine starke Rolle. Andererseits betrachte ich die Zielländer mit einem Abstand, der wertvolle Einblicke verschafft – in eine Region, die immer bedeutender wird. Schon in meinen früheren Tätigkeiten hatte ich diese Vermittlerrolle, sei es als Deutschlehrer oder als Konsulatsmitarbeiter. Diese „Brückenfunktion“ ist bereichernd. So f ällt es mir als Inder offenbar viel leichter, mich mit dem europäischen Integrationsprozess zu identifizieren, als vielen Europäern, die diesen Prozess noch immer nicht schätzen gelernt haben. Wenn ich heute meine ursprüngliche Heimat besuche, werde ich auch mit Fragen konfrontiert, wie mein Leben im fernen Deutschland aussieht und ob ich mich mittlerweile wie ein Deutscher fühle. Kann man sich „wie ein Deutscher“ fühlen, wenn man einen „Migrationshintergrund“ hat? Wenn man nicht in Deutschland geboren und aufgewachsen ist? Ist es überhaupt erstrebenswert, einen solchen Zustand zu erreichen? Zumal, wenn man sich als Ausländer im Großen und Ganzen wohlfühlt? Selbst wenn man diesen Versuch unternimmt, könnte es ja heißen: Wer nicht wenigstens aus dem europäischen Kulturraum stammt, der kann die europäischen bzw. deutschen Grundwerte nicht verinnerlichen. Da mag er noch so gut Deutsch sprechen und in die Gesellschaft integriert sein – dem fehlt dieses gewisse „Etwas“. Vielleicht ist da ein gewisser Abstand doch schonender. ——

Sanjiv Burman

Sanjiv Burman Jahrgang 1968, geboren und aufgewachsen in Kalkutta, Indien, erwarb sein Deutschlehrerdiplom im Goethe-Institut, München. Burman studierte Germanistik (MA) im indischen Hyderabad. Bis 1999 war er im deutschen Generalkonsulat in Kalkutta im Bereich Presse- und Öffentlichkeitsarbeit tätig. Außerdem arbeitete er gut zehn Jahre als Deutschlehrer im Goethe-Institut Kalkutta sowie als DAAD-Lektor an der dortigen Universität. Als Redakteur im Bengali-Programm der Deutschen Welle ist er unter anderem für die Sendung „Deuschland – Europa“ veranwortlich.

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