infosantésuisse: Dossier Der Patient 2011

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infosantĂŠsuisse Dossier Der Patient


Inhalt Der Patient

1 infosantésuisse 3/11: „Der Patient“ 25 Studie: „Informations communiquées aux assurés en matière de bonnes pratiques“ de Julie Galodé 97 Studie: „Informations communiquées aux assurés en matière de coûts de la santé pour une prise de conscience“ de Julie Galodé 136 Studie: „Improving Population Care with an Integrated Electronic Panel Support Tool”, de Yi Yvonne Zhou, PhD, Robert Unitan, MD, Jian J. Wang, MS, Terhilda Garrido, MPH, Homer L. Chin, MD, Marianne C. Turley, PhD, and Linda Radler, MBA, in Population Health Management, volume 14, Nr 1, 2011

144 Wesentliche Punkte des Patientenrechts 164 infosantésuisse 5/09: „Die Versicherten“


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info santĂŠsuisse

Der Patient

Das Magazin der Schweizer Krankenversicherer


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Rund 1,5 Milliarden geben wir jährlich aus für die Behandlung von Diabetes. Die Mitwirkung des Patienten ist für deren Verlauf entscheidend. Interview mit dem Vertrauensarzt von santésuisse.

Der Patient will Informationen. Krankenversicherer setzen verschiedene Mittel ein, um vor allem chronisch Kranke zu erreichen. Beispielhaft sind die USA.

Der Patient ist für die Kontrolle der Arztrechnung unverzichtbar. Nur er weiss, wie lange sein Arztbesuch dauerte und wie viele Medikamente er erhalten hat.

Inhalt Im Fokus

4 Eine Annäherung an das Phänomen Patient aus verschiedenen Blickwinkeln 5 Punktlandung: Schweizer sind krank, weil es ihnen eingeredet wird 6 Chronisch Kranke brauchen Instruktion, um ihre Krankheit zu managen 9 Verschiedene Krankenversicherer bieten Diabetikern spezielle Betreuung an 11 Wie Krankenversicherer mit Hochkosten-Patienten umgehen am Beispiel der CSS 12 Zielgerichtete Kurse, Web-Plattformen und Printprodukte im Dienst des Patienten 14 Welches sind die Rechte der Patienten? Was tun, wenn diese Rechte verletzt wurden? 16 Wie Versicherte ihre Arzt-Rechnung selbst kontrollieren können Gesundheitswesen

2 0 Das Schweizer Gesundheitswesen hat Vorzeigecharakter, aber vorwiegend im Ausland 20 News aus aller Welt 21 Die Branchenlösungen der Krankenversicherer punkten beim Datenschutz 22 Der gute Service der Krankenversicherer sorgt für gute Noten bei den Kunden Rubriken

10 Buchtipp: Management von Hochkostenfällen im Schweizer Gesundheitswesen 15 Grafik des Monats: Der Röstigraben lebt auch bei den Ausgaben pro Versicherten 18 3 Fragen an: Josef Bächler, Leiter Stiftung Zurich vitaparcours 19 klipp&klar: Drei Gründe, warum Myozyme nicht auf die Spezialitätenliste gehört

Nr. 3, juli 2011. Erscheint sechsmal jährlich Abonnementspreis Fr. 54.− pro Jahr, Einzelnummer Fr. 10.− Herausgeber und Administration santésuisse, Die Schweizer Krankenversicherer, Römerstrasse 20, Postfach, 4502 Solothurn Verantwortliche Redaktion Silvia Schütz, Abteilung Kommunikation, Postfach, 4502 Solothurn, Tel. 032 625 41 53, Fax 032 625 41 51, E-Mail: redaktion@santesuisse.ch Herstellung: Rub Graf-Lehmann, Murtenstrasse 40, 3001 Bern Gestaltungskonzept: Pomcany’s Layout und grafiken: Henriette Lux Anzeigenverwaltung: Alle Inserate − auch Stelleninserate − sind zu richten an: «infosantésuisse», Römerstrasse 20, Postfach, 4502 Solothurn E-Mail: redaktion@santesuisse.ch Abonnementsverwaltung Tel. 032 625 42 74, Fax 032 625 41 51 Homepage: www.santesuisse.ch Titelbild: Prisma ISSN 1660-7228


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Bärenstark Zugegeben, ein gewisser Jö-Effekt löst das Titelbild dieser Ausgabe aus. Der Teddybär – ist er nicht ein herziges, harmloses Spielzeug für Gross und Klein? Für Pharmavertreter, gesponserte Krankheitsvereinigungen und Ärzte? Diesen Eindruck gewinnt auf jeden Fall, wer die Punktlandung liest (S. 5). Und das «Pflästerli» kennzeichnet die Stelle, an der Teddys überforderter Kopf auf die Computertastatur aufschlug, als die Informationsflut zu seiner Krankheit über ihn hinwegrollte (S. 4). Doch Obacht, die Mundpartie scheint keck und selbstbewusst auszudrücken: «Ihr habt mich alle unterschätzt!» Dieser Gedanke dürfte dem Arzt kommen, wenn der Teddy mit stichhaltigen Argumenten Positionen auf der Rechnung streicht (S. 16). Gänzlich zum Wolf im Bärenpelz mutiert er, wenn er dem Leistungserbringer diktiert, welche Behandlung er bitte auch noch möchte. Blättern Sie auf die Titelseite: Der rechte Teddyarm wandert doch genau genommen zur Spritze hin, nicht umgekehrt (S. 6). Was eigentlich, wenn dem Bär Unrecht geschieht, weil er beim «Dökterle» glattrasiert statt gewaschen wird oder plötzlich ein Auge fehlt? Teddy lässt sich keinen Bären aufbinden und weiss um seine Rechte (S. 14). Willkommen beim Thema dieses Heftes: Der Patient. Je mehr Akteure man zu ihm befragt, desto mehr Facetten gewinnt er. Im Fokus dieser Ausgabe steht der chronisch kranke Patient. Er kann den Verlauf seiner Krankheit entscheidend beeinflussen, wenn er weiss, wie (S. 6 – 8).Vor allem braucht er gut aufbereitete Information (S. 12), Instruktion, Motivation und Unterstützung bei der Organisation seiner Behandlung (S. 9), wie am Beispiel Diabetes 2 ausführlich gezeigt wird. Die Krankenversicherer unterstützen chronisch Kranke mit Case Management und Desease-Programmen (S. 11). Das Ziel ist, den Patienten ins Zentrum zu stellen. Er soll seine Krankheit in den Griff bekommen und Folgekrankheiten verhindern. Dafür braucht er Kompetenzen (S. 9). 20 Prozent chronisch Kranke verursachen 70 Prozent der Ausgaben. Setzt man hier richtig an, ist der Effekt bärenstark. Frohes Lesen,

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Silvia Schütz Chefredaktorin infosantésuisse


infosantésuisse : dossier Der Patient 3/2011 4 Annäherung an ein Phänomen

Der Patient Der Patient – wer ist das? Das hängt davon ab, wer gefragt wird und aus welcher Perspektive man sich dem Phänomen annähert: Für die einen ist er mündig und weiss, was er braucht. Für die anderen gleicht er einem Spielball im Kräftefeld verschiedener Akteure, die ihn für ihre Zwecke missbrauchen.

Foto: Keystone

Der Patient möchte mehr Entscheidungskompetenz und ist aufgrund von medizinischen Internetseiten und elektronischer Vernetzungen auch zunehmend besser informiert.1 Der Patient gestaltet als Konsument aber auch die Ausgaben mit. Durch sein Verhalten hat er zur Änderung des Versicherungsgedankens in der Grundversicherung beigetragen. Der Versicherungszweck bei Inkrafttreten des KVG 1996 war das Verhindern wirtschaftlicher Not durch schwere Krankheiten. Heute herrschen der Ausbau des Leistungskataloges, eine höhere Anspruchsmentalität und der Wunsch nach Vollversorgung zum Nulltarif vor. Das hat seinen Preis: Pro Kopf haben die Kosten im Gesundheitswesen seit der Einführung des KVG von 1723 auf 2748 Franken pro Jahr zugenommen.2 Das entspricht 60 Prozent. Die jährlich steigenden Kosten im Gesundheitswesen haben dazu geführt, dass auch für den Staat und die Leistungserbringer die Eigenverantwortung des Patienten für seine Gesundheit zunehmend wichtiger wird. Prävention und Eigenverantwortung lauten hier die Stichworte.3 Damit der Patient diese aktive Rolle wahrnehmen kann, muss er über Kompetenzen in Bezug auf Krankheiten, deren Verhinderung und deren Behandlungsmöglichkeiten verfügen. Ebenfalls unabdingbar ist Systemwissen. An der Frage, ob und inwieweit der Patient wissend, mündig und eigenverantwortlich

ist, scheiden sich die Geister. Befürworter sehen den Patienten als «Co-Produzent seiner Gesundheit» und als «mündige Person, die sich selbst organisiert und heilt», so Zukunftsforscherin Karin Frick vom GDI. Letzteres geschieht durch zunehmende Automation einfacher medizinischer Handlungen und dank der vielschichtigen, weltweiten Vernetzung durchs Internet. Die gleiche Mündigkeit billigt die Zukunftsforscherin dem Patienten auch beim Umgang mit seinen vielfältig hinterlassenen Datenspuren (Facebook, Google, iPhone) zu.4 Die Überzeugung am anderen Ende des Meinungsspektrums ist pessimistischer: «Der Patient ist heillos überfordert und geht in der Informationsflut unter». So Heinrich von Grünigen, Präsident der Adipositas-Stiftung. Auch zahlreiche Ärzte teilen seine Meinung. Ebenfalls empfänglich (siehe der eingeredete Kranke) ist der Patient für Krankheiten, die durch interessierte Kreise propagiert und durch die Medien an die Öffentlichkeit getragen werden. Und was sagt der Patient dazu? Darüber gibt die jährliche Umfrage sondage santé Auskunft. Demnach ist der Patient gut informiert über die Leistungen der Krankenversicherer, die ihm nützen, aber es hapert, sobald es darum geht, welche Funktion die Krankenversicherungen im Gesundheitssystem einnehmen.5 Und: Die Patienten möchten zwar die hohe Qualität beibehalten und gleichzeitig sparen, aber bitte nicht bei sich selbst. Die fehlende Systemkompetenz wäre einerseits wichtig, um das gesamte medizinische Versorgungsund Versicherungsangebot sinnvoll zu nutzen. Andererseits wäre es hilfreich, um Sinn und Zweck der Krankenversicherungen als Teil des Gesundheitswesens besser zu verstehen. Parallel zum Staatsbürger, der seine Interessen im Rahmen der Demokratie vertritt, ist auch der Patient in ein überge-

Der Patient lebt auf grossem Fuss: Seit Einführung des neuen Krankenversicherungsgesetzes sind seine Ausgaben um 60 Prozent gestiegen.

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Foto: ZVG

Punkt landung

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Urs P. Gasche ist freier Publizist und Co-Autor des Buchs «Schluss mit dem Wachstumswahn – Plädoyer für eine Umkehr», Rüegger Verlag, Fr. 19.50

Der eingeredete Kranke Eben sind die neusten Zahlen zu den Gesundheitsausgaben erschienen: Sie stiegen im Jahr 2009 um 4,3 Prozent auf 61 Milliarden Franken. Das sind pro Einwohner 7836 Franken. 2748 Franken davon zahlte die obligatorische Krankenversicherung. Falls die Gesundheits-Ausgaben im gleichen Rhythmus weiter wachsen, zahlen wir in nur 16 Jahren doppelt so viel! Doch viele Schweizer sind nicht krank, weil sie krank sind. Vielmehr reden ihnen Ärzte, Apotheker und Pharmamanager das ein. «Man kann viel Geld machen», kommentierte das British Medical Journal, «indem man Gesunde überzeugt, sie seien krank.» Um dieses «Patientengut» wetteifern die ärztlichen Fachgesellschaften, Pharmafirmen und Hersteller von Medizinalprodukten mit kühnen Schlagzeilen, welche die Medien gern verbreiten. Sie rücken ihre jeweilige Disziplin in den Vordergrund und zeichnen ein schwarzes Bild vom helvetischen Gesundheitszustand: Angeblich leiden 1,4 Millionen Schweizerinnen und Schweizer an chronischen Schmerzen, 900 000 an einem Reizdarm, 740 000 an einer Unterfunktion der Schilddrüse, 500 000 plagt die Inkontinenz, 400 000 haben eine Diabetes, 365 000 befinden sich in einer behandlungsbedürftigen Depression, 150 000 klagen über Schuppenflechte, und 70 000 haben ein offenes Bein. Die Schweiz, ein Lazarett! Das ist ganz im Sinn von Schweizer Ärzten, weil sie mit jeder Konsultation, jeder Arztkontrolle, jeder Diagnostik und mit jeder Therapie ihr Einkommen aufbessern können. Die Pharmafirmen mischen umso kräftiger mit, als sie für ihre Medikamente hohe Preise verlangen können. Ein Beispiel: Die Schweizer Krankenversicherer mussten im letzten Jahr allein für den Cholesterin-Senker Sortis 155 Millionen Franken aus-

gegeben. 128 Millionen davon hätten sie sich sparen können, wenn die Kassen für Sortis nur so viel zahlen müssten wie in Deutschland. Für die meistverkaufte Packung mit hundert Tabletten blättern Schweizer Kassen 212.20 Franken hin, während die deutschen Krankenversicherer dafür lediglich umgerechnet 32.50 Franken zahlen müssen. Der exorbitante Preis in der Schweiz hat zwei Gründe: Erstens werden die Kassen dazu verknurrt, die teuersten Medikamente zu vergüten, selbst wenn es viel günstigere der gleichen Wirkstoffgruppe gibt, die den Zweck ebenso gut erfüllen. Zweitens stützt sich das Bundesamt für Gesundheit (BAG) auf einen Preisvergleich mit einigen europäischen Ländern, welcher der Fiktion näher kommt als der Realität. Dagegen können die Krankenversicherer nichts tun. Sie dürfen Entscheide des BAG nicht anfechten. Das ist nur Pharmafirmen erlaubt. Derweil können sich Patienten an die Weisheit des über 80-jährigen Linguisten und Publizisten Wolf Schneider halten. Er möchte genussvoll essen und trinken, seinen Cholesterinspiegel ignorieren und seinen Darm ungespiegelt lassen, und zwar ohne ein schlechtes Gewissen zu haben. Im Voraus zu erfahren, wann und woran er sterben wird, wäre für ihn «eine grauenvolle Einbusse an Lebensqualität». Schneider fragt: «Wenn wir nicht der ‹Volksseuche› Herztod erliegen dürfen, sollen wir dann lieber an Krebs sterben – mit dem Risiko, dass das Sterben wahrscheinlich langwieriger, schmerzlicher und ekelhafter sein wird?» Auf seiner Todesanzeige könne stehen: «Unser Vater, Grossvater, Lehrer und Freund ist ungespiegelten Darmes, ohne PSA-Tests und ohne täglichen Hormonersatz gestorben.»

ordnetes System eingebettet: die Solidargemeinschaft der Prämienzahler, bestehend aus allen in der Schweiz lebenden Menschen. Die Grundfragen sind in beiden Systemen dieselben: Gehen die Interessen des Kollektivs oder des Individuums vor? Wo ist die Grenze zwischen der individuellen Freiheit und den Interessen der Gemeinschaft zu ziehen? Wer zieht diese Grenze? Was sind die Konsequenzen? Die perfekte Lösung gibt es nicht. Für die Demokratie und die Solidargemeinschaft der Prämienzahler gilt: Das Interesse der Gemeinschaft steht oft über den Interessen des Individuums: Sei es im Fall der Solidargemeinschaft bei der Weitergabe von Daten für die Rechnungskontrolle, damit wir keine unnötigen Ausgaben

berappen müssen. Oder bei der Beschränkung von Behandlungen, deren Kosten-/Nutzenverhältnis nicht stimmt. Silvia Schütz

Careum, «Patientenbildung in der Schweiz», Working Paper, 2010. Provisorische Zahlen des BfS für 2009. Kosten und Finanzierung des Gesundheitswesens. Herausgegeben 29. April 2011. 3 vgl. Working Paper zur Patientenbildung Careum und infosantésuisse 5/10. Welche Prävention brauchen wir? 4 Frick, Karin, GDI Rüschlikon: «Eine neue Datenkultur statt neuer Verbote», 12. Juni 2011, Sonntagszeitung, S. 2, Fokus Standpunkte und infosantésuisse 06/10, eHealth kommt! 5 sondage santé 2009, infosantésuisse 07/10, S. 4 –7. 1 2

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infosantésuisse : dossier Der Patient 3/2011 6 Diabetes Typ 2 liesse sich durch eine gesunde Lebensführung weitgehend vermeiden

Patienten zu Eigenverantwortung motivieren Die Rolle der Patienten hat sich verändert. Chronisch Kranke werden heute viel stärker ins Behandlungskonzept einbezogen. Bei Diabetes Typ 2 ist die Mitwirkung der Patienten für den Verlauf der Krankheit entscheidend. Das zeigt das Gespräch mit Reto Guetg, Vertrauensarzt von santésuisse. «Die Zukunft ist chronisch» titelte kürzlich eine Fachzeitschrift. Teilen Sie diese Feststellung?

Die Zunahme der chronischen Krankheiten ist schon seit einiger Zeit spürbar. In Hausarztpraxen betreffen heute etwa zwei Drittel der Konsultationen chronisch Kranke. Ein weiterer Anstieg kommt schon allein wegen der steigenden Lebenserwartung auf uns zu. Auch ein Grossteil der Gesundheitskosten – rund 70 Prozent – ist auf chronische Krankheiten und Mehrfacherkrankungen zurückzuführen.

in der Medizin eine Art Reparaturwerkstätte, die ihren Körper wieder vollständig herstellt. Solch übertriebene Ansprüche sind auch in der Praxis zu spüren. Schon vor rund zehn Jahren hat eine Studie des Tessiner Gesundheitsökonomen Gianfranco Domenighetti gezeigt, dass bei rund einem Drittel der Arztkonsultationen Patienten von sich aus zusätzliche Untersuchungen, Medikamente und weitere Zusatzleistungen verlangen. Das Anspruchsverhalten hat inzwischen noch zugenommen. Die Studie hat aber auch gezeigt, dass die Mehrheit der Ärzte in diesem Fall bereit ist, mehr als das Notwendige zu tun.

Krankenversicherer betonen im Kampf gegen die Kostenentwicklung immer wieder die Eigenverantwortung aller. Überschätzen sie das Sparpotenzial, da doch ein Grossteil der Kosten durch chronisch Kranke verursacht wird und nicht durch diejenigen Versicherten, die unnötig zum Arzt rennen?

Dass die Ärzte in vielen Fällen den Zusatzwünschen nachgeben, ist nicht erstaunlich. Der Arzt baut über Jahre ein Vertrauensverhältnis zu vielen seiner Patienten auf, er ist sozusagen ihr Anwalt und Berater in gesundheitlichen Fragen. Er kann ihnen zwar raten, was für sie nötig und sinnvoll ist, aber eine Bitte abzuschlagen, eine Leistung zu verweigern, ist schon sehr heikel. Den Ärzten deswegen vorzuwerfen, sie handelten nur aus wirtschaftlichen Interessen, ist ungerecht.

Auch chronisch Kranke können Verantwortung wahrnehmen. Sie können den Verlauf ihrer Krankheit(en) beeinflussen und damit Folgeschäden und Folgekosten vermeiden. Sie brauchen aber oft Information, Motivation und Instruktion, damit sie ihre Krankheit selber managen können.

Keine Zeitung ohne Medizinbeilage, kein TV-Sender ohne Medizinsendung, Millionen von Beiträgen zur Gesundheit im Internet. Haben sich die Patienten verändert?

Ist die Einzelpraxis mit der Behandlung der wachsenden Zahl an chronisch Kranken und multimorbiden Patienten überfordert? Gehört die Zukunft vernetzten Institutionen wie Ärztenetzen, HMOs und Desease-ManagementProgrammen?

Managed Care-Modelle sind eine wichtige Entwicklung in der Gesundheitsversorgung. Ihre Bedeutung wird weiter zunehmen – mit oder ohne Gesetzesänderung. Trotzdem wird es die Hausarztpraxis als Einzelpraxis ohne Anschluss an ein Managed Care-Modell weiter geben, und sie hat auch ihre Vorteile bei der Betreuung chronisch Kranker. Denn nicht das Modell ist bei der Betreuung entscheidend, sondern die Konstanz der Beziehung, das gegenseitige Vertrauen. Chronisch Kranke brauchen zudem ein gut funktionierendes nicht medizinisches Betreuungsnetz, bestehend aus Spitex, Ernährungsberatung, Ergotherapie, Physiotherapie, Apotheke. Auch dieses Netz sollte möglichst konstant sein. Ein solches Netz kann ein erfahrener Hausarzt genauso wie die HMO garantieren. Ebenso kann er externe Betreuungs- und Schulungsprogramme nutzen. Die Medizin macht dauernd Fortschritte. Verändern die wachsenden Diagnose- und Eingriffsmöglichkeiten die Ansprüche der Patienten?

Das ist zweifellos so. Viele Menschen haben übermässige Erwartungen an die Medizin. Sie strapazieren oder ruinieren mit ihrem Lebensstil ihre Gesundheit und sehen dann

Im Grunde genommen finde ich es gut, dass den Patienten heute ein breites Wissen über Gesundheit und Krankheit zur Verfügung steht. Aber das genügt nicht. Sie müssen das Gehörte und Gelesene im konkreten Fall auch verarbeiten und einordnen können, und das geht kaum ohne die Hilfe des Arztes. Man muss natürlich auch wissen, dass der Gesundheitsmarkt sich der Medien bedient. Viele Informationen sind gesteuert. Sie wollen vor allem Nachfrage nach Produkten und Dienstleistungen schaffen; dabei hilft ein wissenschaftlicher Anstrich. Hat sich die Compliance (Therapietreue, Bereitschaft eines Patienten zur aktiven Mitwirkung an therapeutischen Massnahmen) verbessert?

Das ist schwer zu sagen. Ich stelle einfach fest, dass die Compliance kein Problem ist, wenn die Erkrankung akut und der Leidensdruck gross ist. Ist das Leiden aber noch nicht spürbar, wie beim Bluthochdruck, so ist sie schwieriger zu erreichen. Ich versuche aber, die Patienten möglichst in meine Überlegungen einzubeziehen. Denn was man versteht, kann man besser nachvollziehen und das führt auch zu einer besseren Compliance. Aufklärung ist allerdings teuer, sie braucht Zeit, soll sie zum Erfolg führen. Im heutigen System ist sie nicht adäquat abgegolten.

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Heute, wo Gesundheit in der Gesellschaft einen so grossen Stellenwert hat, sollte man meinen, verhalten sich die Menschen vernünftiger. Sind sie tatsächlich gesundheitsbewusster geworden? Zeigt die Aufklärung Wirkung?

Es gibt Anzeichen, dass sie Wirkung zeigt. So bewegen sich die Leute in der Schweiz im Durchschnitt etwas mehr als vor ein paar Jahren. Ein Drittel bleibt aber nach wie vor passiv. Männer ab 40 rauchen massiv weniger, leider junge Frauen mehr. Seit 2004 ist der Zigarettenverkauf um rund 15 Prozent zurückgegangen. Auch die Zahl der Übergewichtigen stagniert in jüngster Zeit. Trotzdem nimmt eine Zivilisationskrankheit wie Diabetes Typ 2 weiter zu.

Von einem veränderten Verhalten ist hier noch nichts zu spüren. Zuerst muss sich der positive Trend beim Ess- und Bewegungsverhalten bestätigen und verstärken, und dann dauert es eine Weile, bis er in der Praxis spürbar ist. Aber wir sind heute mit den Folgen des ungesunden Verhaltens der letzten 30 Jahre konfrontiert. Bei Diabetes sind diese Folgen für die Betroffenen sehr belastend und für das Gesundheitswesen sehr teuer. Schlecht behandelt kann die Krankheit zu Schädigungen von Nieren, Nerven und Augen bis hin zu Fuss- und Beinamputationen führen. Dabei liesse sich der Typ 2 Diabetes (sogenannte Altersdiabetes) durch eine gesunde Lebensführung weitgehend vermeiden oder wenigstens sehr günstig beeinflussen. Und wenn man schon Diabetes hat, sind dann Spätfolgen noch vermeidbar?

Je früher die Krankheit entdeckt wird, umso besser lässt sie sich behandeln. Diabetes Typ 2 ist ein gutes Beispiel dafür, wie viel chronisch Kranke, wenn sie ihre Verantwortung wahrnehmen, zu einem guten Verlauf der Krankheit beitragen können. Die Krankheit lässt sich zwar nicht heilen, aber man kann sie mit einer guten Blutzuckerregelung in den Griff bekommen. Und was können die Betroffenen tun?

Das Wichtigste ist, die Ernährung umzustellen und sich mehr zu bewegen und – bei Übergewicht – abzunehmen. Und natürlich braucht es Disziplin bei der Kontrolle von Blutzucker und Blutdruck, überhaupt bei der ganzen Therapie. Trotz der guten Behandlungsmöglichkeiten sind aber die Folgen und die Folgekosten dieser Krankheit noch immer ein grosses Problem. Viele Betroffene sind offenbar beratungsresistent. Wie erklären Sie sich das?

Dr. med Reto Guetg ist Allgemeinpraktiker in eigener Praxis und Vertrauensarzt von santésuisse.

Das grosse Problem ist die Anpassung des Lebensstils wie Ernährungsumstellung und mehr Bewegung. Patienten fürchten, an Lebensqualität einzubüssen. Viele bringen die notwendige Disziplin dafür nicht auf. Andere sind nachlässig bei der Einnahme von Medikamenten oder dem Spritzen von Insulin.

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Fotos: Walter Imhof, www.fotolyrium.ch

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Die Versicherer sollten sich zusätzliche Anreize für eine Verhaltensänderung überlegen, etwa Prämienermässigungen.

Wie lässt sich die Situation verbessern?

Immer mehr setzen Spitäler, Ärztenetze, aber auch Versicherer bei der Behandlung des Typ-2-Diabetes auf umfassende Betreuungsprogramme (Bewegung, Ernährungsberatung, Diabetesberatung, ärztliche Betreuung). Solche Programme halte ich für sehr wichtig. Es ist gut, dass sie seit zwei Jahren kassenpflichtig sind. Ziel muss ein flächendeckendes Angebot in der ganzen Schweiz sein. Denn die bisherigen Erfahrungen mit den Programmen sind sehr positiv. Sind nicht jene Patienten am schwierigsten von solchen Programmen zu überzeugen, die es am nötigsten hätten?

Es handelt sich hier auch um ein schichtspezifisches Problem. Man müsste deshalb niederschwellige Angebote auf Quartierebene prüfen. Die Versicherer sollten sich zusätzliche Anreize für eine Verhaltensänderung überlegen, etwa Prämienermässigungen bei konsequenter und erfolgreicher

Teilnahme an Betreuungs- oder Rehabilitationsprogrammen. Noch besser wäre es natürlich, wenn man die Leute noch vor Ausbruch der Krankheit erfassen könnte, nämlich schon dann, wenn die Risikofaktoren erkennbar werden. Das gilt für alle chronischen Krankheiten. Und wie soll das geschehen?

Indem man die Prävention im KVG weniger stiefmütterlich behandelt. Man könnte zum Beispiel die Risikostratifizierung, das heisst das kurze Abfragen von Gesunden auf Gewicht, Ernährung, Trinkverhalten, Rauchgewohnheiten und Impfstatus, in der Grundversorgung separat abgelten. Mit relativ wenig Aufwand würde man so langfristig eine grosse Wirkung erzielen. Interview: Walter Frei

Volkskrankheit Diabetes Typ 2 Diabetes mellitus (im Volksmund Zuckerkrankheit) ist eine Stoffwechselstörung, die zu einem erhöhten Blutzuckerspiegel führt. Beim Typ 1-Diabetes, der vor allem junge Menschen betrifft, wird aufgrund einer Fehlsteuerung des Immunsystems die Insulinproduktion der Bauchspeicheldrüse unterbunden. Ohne Insulin kann aber der durch die Verdauung gebildete Zucker nicht mehr aus dem Blut in die Zellen aufgenommen werden. Im Falle von Typ-2Diabetes (90 Prozent der Diabetesfälle) produziert die Bauchspeicheldrüse zwar noch Insulin, aber oft nicht genügend oder der Körper kann es nicht mehr wirksam verwenden, um Blutzucker in Energie umzuwandeln (Insulinresistenz). Bei der Entstehung von Diabetes Typ 2 spielen Erbfaktoren eine wichtige Rolle, aber ebenso falsche Ernährung, Übergewicht und Bewegungsmangel. Die Krankheit betrifft vor allem Menschen in der zweiten Lebenshälfte (deshalb auch der Begriff Altersdiabetes). Immer häufiger wird sie nun auch bei übergewichtigen Jugendlichen und jungen Erwachsenen diagnostiziert.

Diabetes lässt sich mit einer guten Blutzuckereinstellung unter Kontrolle halten. Diese kann beim Typ 2 – vor allem im Anfangsstadium – erreicht werden durch Gewichtsabnahme, richtige Ernährung und ausreichende Bewegung. Meistens ist zusätzlich eine Therapie mit Medikamenten oder mit Insulin nötig. In der Schweiz gibt es keine zuverlässigen Daten über die Anzahl Diabetiker oder über die Kosten der Behandlung an sich bzw. der Spätfolgen des Diabetes. Schätzungen gehen davon aus, dass rund fünf Prozent der Bevölkerung von Diabetes betroffen sind, das heisst gegen 400 000 Personen. Die Behandlungskosten werden auf rund 1,5 Mrd. Franken geschätzt. Hinzu kommen noch einmal so hohe Folgekosten für Gefäss-, Augen-, Nieren- und Nervenschädigungen. Die Schweizerische Diabetesgesellschaft rechnet mit jährlich 20 000 neu diagnostizierten Fällen und damit einer starken Zunahme der Krankheit in den nächsten Jahren. Der Begriff Volkskrankheit ist also durchaus zutreffend.

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infosantésuisse : dossier Der Patient 3/2011 9 Verschiedene Krankenversicherer bieten Diabetes-Patienten ein Betreuungsprogramm an

Kompetenz der Patienten stärken Der Beitrag, den Patienten selber zur Erhaltung ihrer Gesundheit oder zum optimalen Verlauf ihrer Krankheit leisten können, wird noch immer unterschätzt. Neue Behandlungsansätze sehen aber gerade hier ein grosses Sparpotenzial.

Bei vielen chronischen Krankheiten können die Betroffenen den Krankheitsverlauf vor allem im Frühstadium massgeblich beeinflussen und sich damit Leiden sowie dem Gesundheitswesen Kosten ersparen. Das ist umso wichtiger, als mit unserem modernen Lebensstil und der Alterung der Gesellschaft eine starke Zunahme der chronischen Krankheiten verbunden ist. Damit erhalten neue Behandlungsansätze unter den Begriffen Desease-Management und Chronic Care einen immer grösseren Stellenwert. Ein Hauptziel ist dabei die Stärkung des Selbstmanagements der Patienten. Es soll erreicht werden durch das Arbeiten mit strukturierten Betreuungsprogrammen und in Betreuungsgruppen. Patienten nehmen grossen Einfluss auf die Krankheit

Ein Beispiel, bei dem die Patientinnen und Patienten einen besonders grossen Einfluss auf den Verlauf ihrer Krankheit haben, ist Diabetes Typ 2. Unbehandelt führt diese Krankheit im Verlauf der Jahre zu Schädigungen der Gefässe, Nerven, Nieren und Augen. Solche Spätfolgen lassen sich jedoch

Kostenübernahme durch die Krankenversicherung Rehabilitationsprogramme: Seit dem 1. Juli 2009 werden die Kosten für die Teilnahme an Diabetes-Rehabilitationsprogrammen von der Krankenversicherung übernommen. Die Einzelheiten sind im Anhang 1 (Punkt 11 Rehabilitation) der KrankenpflegeLeistungsverordnung (KLV) geregelt. Diabetesberatung: Für die Diabetesberatung zuständig sind nach wie vor die Diabetesberatungsstellen der schweizerischen Diabetesgesellschaft. Sie sind Leistungserbringer nach KVG für Beratung und Schulung im Umgang mit Diabetes. Die Einzelheiten regelt Art. 9c KLV.

mit der richtigen Behandlung grösstenteils vermeiden oder zumindest weit hinausschieben. Um die Kompetenz und die Eigenverantwortung der Diabetespatienten zu fördern, werden seit einigen Jahren spezielle Betreuungs- oder Rehabilitationsprogramme angeboten. Sie bezwecken Veränderungen im Lebensstil wie Ernährungsumstellung und mehr Bewegung sowie eine gute Motivation für die notwendigen Kontrollen und Behandlungen. Untersuchungen zeigen, dass sich solche Programme sehr positiv sowohl auf die Blutzuckerwerte als auch auf das Krankheitsmanagement auswirken.

Foto: Keystone

Ziel ist der Aufbau eines schweizweiten Netzes

Die Änderung der Lebensgewohnheiten ist ein zentraler Punkt bei der Behandlung von Diabetes Typ 2. Dafür braucht es viel Motivation und Unterstützung.

Vor einigen Jahren wurde am Inselspital in Bern das DIAfit-Programm entwickelt und mit Unterstützung von Diabetologen, Sporttherapeuten und Krankenkassen auf- und ausgebaut. Das ambulante Rehabilitationsprogramm dauert 12 Wochen und wird dann abgelöst durch ein Langzeitprogramm in regionalen DIAfit-Gruppen. Heute gibt es bereits ein gutes Dutzend solcher Programme. Ziel ist der Aufbau eines schweizweiten Netzes. Verschiedene Krankenversicherer bieten Diabetespatienten in Zusammenarbeit mit dem Telemedizinzentrum Medgate ein Betreuungsangebot an. Am weitesten fortgeschritten ist das Programm der CSS, in dem der behandelnde Arzt eingebunden ist und Regionalstellen der schweizerischen Diabetesgesellschaft eine ergänzende Gruppenbetreuung durchführen (s. Seite 11). Erwähnt werden muss auch das Telefoncoaching der Sanitas, das 2010 mit 300 Versicherten als Pilotprogramm gestartet und wissenschaftlich von Diabetologen des Universitätsspitals Zürich begleitet wurde. Aufgrund der positiven Resultate (Senkung des HbA1c um durchschnittlich 0,55 Prozent und bessere Patientenkompetenz) wird das Programm weitergeführt. Bis jetzt konnte erst ein kleiner Teil der Diabetesbetroffenen von strukturierten Betreuungsprogrammen profitieren. Mit einem weiteren Ausbau der Programme bis hin zu einem flächendeckenden Angebot könnte die Qualität der Betreuung verbessert und ein erhebliches Sparpotenzial erschlossen werden. Walter Frei

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infosantésuisse : dossier Der Patient 3/2011 10 Buchtipp: Management von Hochkostenfällen

Achtung, Achtung, Reformstau – bitte auflösen! 20 Prozent der Kranken verursachen 70 Prozent der Gesamtkosten im Gesundheitswesen. Sie leiden meist an komplexen, multimorbiden Krankheiten. Können diese Kosten durch eine bessere Betreuung, also eine integrierte Versorgung, gesenkt werden? Ja, sie können. Die Mittel und Wege sind bekannt, allein, sie werden nicht umgesetzt.

«Das Schweizer Gesundheitswesen ist im internationalen Vergleich teuer und ineffizient». So lautet die These von Nadine Engler, der sie im Rahmen ihrer Dissertation nachgeht.1 Engler schlägt folgende Lösung vor: «Aufgrund der asymmetrischen Kostenverteilung ist es möglich, durch optimale Fallführung von Hochkostenfällen Kosten einzusparen und die Qualität der medizinischen Behandlungen zu verbessern. Dadurch können die schweizerischen Gesundheitsausgaben gesenkt bzw. die Effizienz gesteigert werden». In Deutschland und Grossbritannien werden die dazu nötigen Instrumente bereits breit benutzt, in der Schweiz kommen sie zunehmend sporadisch zum Zug. Dabei handelt es sich um das Disease Management (DM) und das Case Management (CM). Um den beobachtbaren Aufschwung zu fördern, muss das schweizerische Gesundheitssystem reformiert werden, so Engler. Leistungserbringer müssen von Vorurteilen abrücken

Der erste und wichtigste Schritt in diese Richtung ist laut Nadine Engler, die Qualität in medizinischen Institutionen zu messen. In diesem Bereich steht die Schweiz im Vergleich mit den USA und anderen europäischen Ländern noch am Anfang. Vor allem müsse die Qualitätsmessung in den Spitälern verbindlich und nach einheitlichen Kriterien zur Vorschrift werden. Erst das gibt den Case-Managern die nötigen Informationen in die Hand, damit sie das optimale Spital für den von ihnen betreuten Kranken auswählen können. Eine Verbesserung der Datenlage bedingt jedoch einen Abbau des restriktiven Datenschutzes. Solange weder Bundesämter noch Krankenkassen eine Diagnose- und Leistungsstatistik führen können, sind Analysen der Hochkostenfälle in Bezug auf Effizienz und Qualität unmöglich. Allerdings widersetzen sich die Leistungsbringer mit dem Argument des Datenschutzes, die nötigen Daten zu liefern. Der verbesserte Risikoausgleich ist ein Muss

Kranke, die hohe Kosten verursachen, sind so genannte «schlechte Risiken». Engler plädiert deshalb für einen verbesserten Risikoausgleich, der neu die Diagnose der Hochkostenfälle berücksichtigt. Damit die Krankenkassen einen Anreiz haben, in Case- und Disease- Management zu investieren, müsse ein Wettbewerb um Hochkostenfälle entstehen. Schliesslich weist die Studie darauf hin, dass die durchschnittlichen Kosten für Medikamente in der Schweiz im internationalen Vergleich immer noch recht hoch sind und

dass diese wie auch die Preise für extreme kostenintensive Spitalbehandlungen gesenkt werden sollten. So verursacht eine Niereninsuffizienz durch die anschliessende Nierenwäsche Ausgaben von rund 200 000 Franken. Grosse Operationen bei Tumoren oder Transplantationen sind ebenfalls mit enorm hohen Ausgaben verbunden. Was bereits richtig gemacht wird

Als «sehr unterstützend» auf das Management von Hochkostenfällen bezeichnet Engler die zurzeit diskutierten, generellen Reformvorschläge, so die monistische Spitalfinanzierung, den Abbau des Vertragszwanges und die Erhöhung des Selbstbehaltes für Versicherte. Diese Vorschläge werden von santésuisse seit langem unterstützt. Den einzig unbestrittenen Punkt in der gesundheitspolitischen Debatte sieht die Autorin im erheblichen Reformbedarf. Hindernisse für grössere Reformschritte ortet sie in Widerständen von Seiten der Interessenverbände, der Akteure des Gesundheitswesens und des intensiven Lobbyings. Offen bleibe die Frage, wieviel Zeit und Kostendruck die Politik noch benötige, um die hängigen Reformen zu verwirklichen. Engler ist davon überzeugt, dass bei optimal ausgestaltetem Management die Versorgungssituation und die Behandlungsqualität der Hochkostenfälle verbessert und die Kosten gesenkt werden können. Josef Ziegler

Engler, Nadine: «Management von Hochkostenfällen im Schweizer Gesundheitswesen, Analyse und Reformvorschläge, in: Schriftenreihe der Schweizerischen Gesellschaft für Gesundheitspolitik (SGGP), Nr.103, Bern, 2010.

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Wer verursacht hohe Kosten? Rund 82 Prozent der Personen, die zwischen 20 000 und 50 000 Franken pro Jahr kosten, sind älter als 50 Jahre. Diese Hochkostenfälle 1 (HKF1) generieren 80 Prozent der Gesamtkosten. Beinahe 75 Prozent der Patienten, die jährlich mehr als 50 000 Franken an Kosten verursachen (HFK2), sind ebenfalls über 50 Jahre alt. Die höchsten Durchschnittkosten indes entfallen auf die 19 bis 25-Jährigen. Diese Patienten leiden meist an chronischen Krankheiten (Aids, Parkinson, Diabetes, Hautkrebs, Asthma, Herz- und Nierenkrankheiten) oder haben eine Transplantation hinter sich.

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infosantésuisse : dossier Der Patient 3/2011 11 Die CSS Versicherung bietet gezielte Patientenbetreuung und -begleitung an

Wie Krankenversicherer mit Hochkosten-Patienten umgehen Einige Versicherer bieten ihren chronisch kranken Versicherten strukturierte Betreuungs- und Begleitprogramme an. Ein gutes Beispiel dafür ist die CSS Versicherung, Pionierin in diesem Bereich.

Die Versicherten werden im CSS Magazin und in Informationsbroschüren regelmässig über das Bestehen dieser Angebote informiert. Wirksamkeit nachgewiesen

Die CSS Versicherung bietet ihren chronisch kranken Patienten Betreuungs- und Hilfsprogramme an, die sie zusätzlich zu den Hausarztbesuchen in Anspruch nehmen können. Diese Programme werden auf jeden Fall und jede individuelle Situationen angepasst. Sie sollen dem Patienten im Alltag den Umgang mit seiner Krankheit erleichtern und seine Lebensqualität verbessern oder stabilisieren. Es stehen dafür verschiedene Herangehensweisen zur Verfügung: Care Management zum Beispiel bietet Einzelpersonen mit komplexen Krankheiten eine individuelle Begleitung an. Der Care Manager unterstützt den Versicherten nach dessen Einwilligung in diversen organisatorischen Belangen, die einen Bezug zur Krankheit haben (Administratives, Kontakte mit Sozialversicherungen, IV, Beistand zu Hause). Er arbeitet eng zusammen mit dem Patienten, seinen Angehörigen und den Leistungserbringern. Unterstützung für die Versicherten

Im Rahmen von standardisierten Disease Management-Programmen (DMP) unterstützt die CSS Versicherung hauptsächlich Patienten mit Diabetes Typ 2, Herzinsuffizienz und Bluthochdruck. Das Schweizer Zentrum für Telemedizin Medgate fungiert dabei als medizinischer Partner, bei dem sich chronisch Kranke jederzeit Hilfe holen können. Es ist sowohl mit der Diabetes-Gesellschaft als auch mit dem Hausarzt vernetzt. Typ 2-Diabetiker haben zusätzlich die Möglichkeit, während Weiterbildungen in Gruppen und in telefonischen Einzelgesprächen ihre Kenntnisse über die Krankheit zu vertiefen. Je nach Therapie- und Krankheitsverlauf werden die Programmteilnehmer via Coaching und Telemedizin begleitet, damit sie ihre Blutzuckerwerte stabilisieren können. Der Blutzuckerwert wird regelmässig an Medgate weitergeleitet und jeweils zwischen Patient und Hausarzt bzw. zwischen Patient und spezialisiertem Medgate-Personal besprochen. Ähnlich verhält es sich bei Patienten mit Herzinsuffizienz. Gewicht, Blutdruck und Puls werden regelmässig überprüft und die Werte an das Schweizer Zentrum für Telemedizin Medgate weitergeleitet. Diese zusätzliche Überwachung trägt zur Optimierung der verschiedenen Behandlungsschritte bei. Und dem Hausarzt bietet sie zwischen zwei Konsultationen einen umfassenden Überblick über den Krankheitsverlauf.

2010 konnten durch Patientenbegleitung und -betreuung mittels Care Center der CSS Versicherung (dazu gehören Care Management, Desease Management und andere Dienstleistungen wie das Case Management und das so genannte ­Demand Management, d.h. der Patient verlangt telefonisch medizinische Ratschläge) 22 Millionen Franken eingespart werden. Auch eine von Professor Konstantin Beck vom CSS Institut für empirische Gesundheitsökonomie im Jahr 2010 durchgeführte Studie zeigt, dass mit Managed Care reale Einsparungen erzielt werden. Sie wies nach, dass die Kosten von HMO-Versicherten über Jahre hinweg durchschnittlich 18,2 Prozent unter denen anderer Versicherter liegen. Das Problem ist, dass diese Programme in der Schweiz noch nicht überall angeboten werden. Daher sollten gesetzliche Rahmenbedingungen geschaffen werden, die allen Akteuren Anreize geben, dieses nachweislich wirkungsvolle ­Modell durchzusetzen. Für die Versicherer könnte das zum Beispiel ein besserer Risikoausgleich sein, für die Leistungserbringer Budgetmitverantwortung. Maud Hilaire Schenker

Managed Care, Case Management und Disease Management Case Management (CM) und Disease Management (DM): Diese zwei Instrumente von Managed Care sollen helfen, chronisch Kranke und schwierige Fälle möglichst optimal zu versorgen. Managed Care ist der Oberbegriff für sämtliche Instrumente und Strukturen, die zur Koordination von Gesundheitsleistungen eingesetzt werden. Während die Amerikaner dabei den ökonomischen Aspekt hervorheben, stehen bei den Europäern Qualität und Effizienz im Vordergrund. CM oder DM? Das CM nimmt sich einzelnen Patienten an, oft so genannt komplexen Fällen, für die es die effizienteste und wirtschaftlichste Behandlung festlegt. Der Care Manager hat die Aufgabe, die unterschiedlichen Behandlungsschritte zu koordinieren. Case Manager arbeiten in Spitälern, Rehabilitationskliniken, HMO oder bei Versicherern. Demgegenüber konzentriert sich das DM auf bekannte Krankheiten (Diabetes, Herzerkrankungen, Hirnschläge, Krebs, Asthma usw.), für die es bereits Direktiven gibt, deren Effizienz nachgewiesen ist. Quelle: Engler, Nadine, Management von Hochkostenfällen im Schweizer Gesundheitswesen, 2010.

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infosantésuisse : dossier Der Patient 3/2011 12 Vielfältiges Informationsangebot für Versicherte in Sachen Good Practices

Information ist oft das beste Rezept Seit einem Jahrzehnt bereits erleben unsere Gesundheitssysteme eine Mini-Revolution. Das Zeitalter des aufgeklärten Patienten, der seine Gesundheit selber in die Hand nimmt, ist gekommen. Vielfältige Kommunikationsmittel informieren und lenken ihn dabei, mit seiner Gesundheit sorgsam umzugehen und die Gesundheitsversorgung bestmöglich zu nutzen. Das Phänomen ist weltweit auf dem Vormarsch, und die Instrumente gleichen sich an.

In unseren Breitengraden beruhen 70 Prozent aller Todesfälle auf Herz-Kreislauf- und Krebserkrankungen. Prävention und Gesundheitsförderung könnten für die Gesundheit von viel grösserem Nutzen sein als eine Krankheitsbehandlung. Die Gesundheitsbehörden haben dies erkannt und beschlossen, ihr Augenmerk auf die Information der Patienten allgemein und der chronisch Kranken im Speziellen zu legen. Leitfäden über Good Practices, Broschüren, Websites, zielgerichtete Kurse – alles wird getan, um den Patienten wieder ins Zentrum des Gesundheitssystems zu rücken und ihm eine individuelle Behandlung zu bieten. Ziel ist es, die Betreuung und die Lebensqualität der Patienten zu verbessern, aber auch die Gesundheitskosten zu senken, indem die Hospitalisierungsrate gesenkt und die Gesundheitsdienstleistungen optimiert werden. Information scheint bei chronisch Kranken die erste Stufe des Therapieverlaufs zu sein, in Deutschland genauso wie in England und in den USA. Einfachheit, die ins Schwarze trifft

Jedes dieser untersuchten Länder verfügt über Good-Practices-Empfehlungen, die sich insbesondere an Menschen richten, die an Diabetes oder an einer Herzerkrankung leiden. Die Leitfäden informieren sie über Risikofaktoren, gesunde Lebensweisen sowie Massnahmen, die es im Alltag umzuset-

Und wo steht die Schweiz? In der Schweiz existiert zwar kein Gesetz, doch gewisse Versicherer haben die Initiative ergriffen und bieten für Diabetiker und Herzkranke Disease-Management-Programme sowie verschiedene Instrumente im Bereich Telemedizin an. Zudem ergänzen die Versicherer die Aufklärung und Information ihrer Versicherten über ihre Website und ihr Quartalsmagazin. Gewisse Versicherer haben auch Web-Plattformen wie zum Beispiel «Vitaclic» entwickelt, die den Versicherten über einen geschützten Zugang Informationen über die bezogenen Leistungen sowie verschiedene Alltagssituationen (Reisen, Notfälle) bereitstellen und ihnen ermöglichen, mit Experten in Kontakt zu treten. Die Abteilungen für Angiologie und Hämatologie des Waadtländer Universitätsspitals CHUV bieten ebenfalls einen Kurs für Hämophilie-Patienten an, die mit Unterstützung ihres behandelnden Arztes mehr Autonomie gewinnen möchten. Die vorhandenen Instrumente sind zahlreich, doch sie würden an Bedeutung gewinnen, wenn sie beim breiten Publikum besser bekannt wären.

zen gilt. Allerdings sind einzig die deutschen Empfehlungen für die Patienten – die übrigens an der Ausarbeitung mitwirken – leicht verständlich. Es gibt Broschüren, Zeitschriften und Websites, die grösstenteils vom Ärztlichen Zentrum für Qualität in der Medizin, einer Ärztevereinigung, entwickelt wurden. Gewisse Krankenversicherer fordern ihre Versicherten auf, diese Richtlinien zu befolgen. Solche Instrumente müssen in einer einfachen Sprache verfasst sein, um möglichst für alle verständlich zu sein, und klar die konkreten Konsequenzen aufzeigen, die gesundheitsschädliche Verhaltensweisen nach sich ziehen. Sie müssen davon ausgehen, dass es vielen Menschen schwerfällt, statistische Indikatoren wie Wahrscheinlichkeiten und Prozentsätze zu verstehen. Solchermassen gestaltete Dokumente sind eine gute Ergänzung zu den Disease-Management-Programmen. Versicherer als Leistungserbringer

Information erfolgt auch über die integrierte Betreuung der Patienten innerhalb von therapeutischen oder präventiven Disease-Management-Programmen, die sich auf spezifische chronische Erkrankungen konzentrieren. In Deutschland wurden die Disease-Management-Programme (DMP) 2002 von der Regierung ins Leben gerufen. Sie sind zulässig für Diabetes, Bronchialasthma, chronische obstruktive Lungenkrankheiten, koronare Herzkrankheiten sowie Brustkrebs. Sie konzentrieren sich auf die Prävention von Komplikationen, indem sie sich auf wissenschaftlich fundierte Empfehlungen stützen und Strategien verfolgen, welche die Fähigkeit der Patienten, für sich selber zu sorgen, stärken sollen. Die Programme werden direkt von den Krankenkassen organisiert. Die Versicherer nehmen also eine Schlüsselfunktion ein: Sie unterzeichnen Verträge mit den Leistungserbringern und informieren die Patienten via ihre Quartalsmagazine oder Websites. Gestützt auf das Gesetz von 2001 kontaktieren sie direkt den Patienten, um ihn individuell zu beraten und ihn sowie auch den Arzt an eine allfällige Untersuchung zu erinnern. Gewisse Krankenversicherer organisieren für ihre Versicherten auf ärztliche Verschreibung auch Gratiskurse in Kleingruppen und abhängig vom Krankheitsstadium, die entweder von angestellten Komplementärmedizinern oder von freischaffenden Aushilfsärzten durchgeführt werden. Ein Vertrag mit der Kassenärztlichen Vereinigung legt dabei die Modalitäten fest. Die DMP verfolgen ein doppeltes Ziel: Sie wollen das Problem des Risikoausgleichs zwischen den Kassen regeln und die Behandlungen der Ärzte in den Städten verbessern. Revolutionierung der Information durch Digitalisierung

In Zeiten der Digitalisierung wurde häufig auf das Internet und die Telemedizin gesetzt, um insbesondere das junge Publikum zu erreichen. In England beispielsweise begleitet der National Health Service (NHS) die Versicherten via NHS Direct (in Ergänzung zum Arzt und mit dem Ziel, dass sich der Patient um sich selber kümmert) und NHS Choices (Gesundheitsinformationen, Lernvideos und Themenblogs). Um seine Website bekannt zu machen, hat der NHS die In-

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strumente, die das Internet bietet (Suchmaschinen, E-MailBenachrichtigung, Platzierung von Links auf anderen Websites, soziale Netzwerke) optimiert. In den USA werden die Instrumente des Internets noch stärker gepusht. Kaiser Permanente (KP), die grösste ManagedCare-Organisation der USA, hat ein Webportal namens «My Health Manager» (mein Gesundheitsmanager) entwickelt, das den Patienten zahlreiche Informationen bereitstellt. Die Patienten können auf der Plattform auch ihre Analyseresul-

Kaiser Permanente: ein gigantisches Unternehmen Kaiser Permanente ist ein Managed-Care-Konzern mit Sitz in Oakland, Kalifornien, der 1945 vom Industriellen Henry J. Kaiser und dem Arzt Sidney Garfield gegründet wurde. Der riesige Konzern ist in drei gewinn- und nicht gewinnorientierte Einheiten gegliedert, die Versicherungen (HMO-Modell) anbieten und für ihre Mitglieder Arztpraxen und medizinische Zentren finanzieren. Seit 2006 ist Kaiser Permanente die grösste Managed-Care-Organisation der USA. Sie ist in neun Staaten aktiv und vereint 8,7 Millionen Versicherte, 167 300 Angestellte, 14 600 Ärzte, 35 medizinische Zentren und 431 Arztpraxen unter ihrem Dach.

tate, die Medikationen sowie Zusammenfassungen betreffend ihre Arztbesuche einsehen, die sie an die ärztlichen Anweisungen erinnern, sowie in aller Vertraulichkeit E-Mails an ihren Arzt senden. Gewöhnlich antwortet er ihnen noch am gleichen Tag. Die Allgemeinärzte hingegen profitieren vom Software-Programm «Panel Support Tools» (PST), das es ihnen gestattet, die Patienten in fünf Krankheitskategorien zu betreuen. Dies sind Diabetes, Herz-Kreislauf-Erkrankungen, Herzinsuffizienz, Bluthochdruck sowie chronische Nierenerkrankungen. Das Web-basierte Instrument hilft ihnen, eine Behandlung zu steuern, indem sie die beim Patienten durchgeführte Behandlung mit den nationalen Richtlinien vergleichen. Zudem können sie mit dem PST eine Abfrage starten, um eine Liste der Patienten anzuzeigen, deren Blutzuckerspiegel zu hoch ist, oder bei denen eine Untersuchung der Füsse oder der Augen ansteht. Das PST aktualisiert täglich automatisch sämtliche Patienten- und Paneldaten. Ist eine Effizienzsteigerung spürbar?

Die Auswirkungen dieser relativ neuen Massnahmen sind noch schwer einzuschätzen. Immerhin hat Kaiser Permanente zwei Studien veröffentlicht, die aufzeigen, dass die PST den Ärzten helfen, die Behandlung von diabetes- und/oder herzkranken Patienten zu verbessern und für gesunde Patienten bessere Präventionsleistungen zu erbringen. Angesichts der zahlreichen Informationen besteht jedoch die Gefahr, dass der Patient überrollt wird und sich verliert. Daher ist eine Good-Practice-Empfehlung angebracht: Gute Information ist elementar, aber Betreuung und Begleitung sind es ebenso.1 maud hilaire schenker

Information allein genügt nicht. Sie muss attraktiv, anregend und unkompliziert verabreicht werden.

1

Quelle: Julie Galodé, Studienbeauftragte für ausländische Gesundheitssysteme, Outils vulgarisés pour sensibiliser les patients aux bonnes pratiques en santé, Le Mans, 2011. Die Studie kann via julie.galode@cpam-lemans.cnamts.fr angefordert werden. Die Studie analysiert die Situation anhand konkreter Beispiele in England, Deutschland, Belgien, Norwegen, den Niederlanden, Schweden, der Schweiz und den USA.

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infosantésuisse : dossier Der Patient 3/2011 14 Foto: Prisma

Gut zu wissen: Welches sind meine Rechte als Patient?

Das ABC der Patientenrechte Wir alle sind potenzielle Patienten. Aber kennen wir auch unsere grundlegenden Patientenrechte? Was tun, wenn die Rechte verletzt wurden? Kantone, Vereinigungen und Leistungserbringer sind da, um den Patientinnen und Patienten beizustehen.

Obwohl die Patientenrechte zu den menschlichen Grundrechten gehören, werden sie oft verkannt. Daher haben die französisch- und die zweisprachigen Kantone beschlossen, eine Broschüre mit dem Titel «Wesentliche Punkte des Patientenrechts»1 herauszugeben. Ein gut informierter Patient kann seine Situation besser einschätzen und eine empfohlene Behandlung bewusst mittragen. Die Grundrechte

Da sich die Patientenrechte von Kanton zu Kanton unterscheiden, sollte man sich prinzipiell auf die kantonale Gesetzgebung berufen. Bestimmte Gesetze gelten jedoch in allen Kantonen: • Recht auf Information: Der Patient hat das Recht, klar und in geeigneter Weise über seinen Gesundheitszustand informiert zu werden. • Recht auf freie und aufgeklärte Einwilligung2: Keine Behandlung darf ohne die freie und aufgeklärte Einwilligung des urteilsfähigen Patienten stattfinden, egal ob dieser volloder minderjährig ist. • Recht auf eine Patientenverfügung: Jede Person hat das Recht, schriftlich die Art der Behandlung festzulegen, die sie haben oder nicht haben möchte für den Fall, dass sie ihren Willen nicht mehr ausdrücken kann. • Recht auf freie Wahl einer Medizinalperson • Prinzipielles Verbot von Zwangsmassnahmen: Nur in Ausnahmefällen dürfen Zwangsmassnahmen ergriffen werden, und zwar dann, wenn das Verhalten des Patienten eine ernsthafte Gefahr für seine Gesundheit, seine Sicherheit oder diejenige anderer Personen darstellt. • Recht auf Einhaltung des Berufsgeheimnisses • Recht auf Einsicht in das eigene Patientendossier • Recht auf Begleitung • Recht auf Organspende für Transplantationszwecke

Der Ombudsman der sozialen Krankenversicherung Bei Schwierigkeiten mit ihrer Krankenkasse können die Versicherten die Dienste des Ombudsman der sozialen Krankenversicherung beanspruchen. Nur Versicherte, die nicht durch einen Anwalt oder einen Sozialdienst vertreten sind, können sich an den Ombudsman wenden. Dieser prüft neutral, welche Rechte und Ansprüche den Versicherten nach den geltenden gesetzlichen oder vertraglichen Normen zustehen, und welches ihre Pflichten sind. Er prüft auch, ob ein Kassenentscheid rechtlich begründet ist. Die Dienste des Ombudsman sind kostenlos. www. ombudsman-kv.ch

Der Patient hat das Recht, detailliert darüber informiert zu werden, warum eine Behandlung gemacht wird und welche Auswirkungen sie hat.

Die Pflichten

Bei seiner Aufnahme in eine Gesundheitseinrichtung erhält der Patient gewöhnlich eine schriftliche Information über seine Rechte und Pflichten sowie die Rahmenbedingungen seines Aufenthalts. Der Patient hat nicht nur Rechte, sondern auch Pflichten. Er muss sich bemühen, zu einem guten Behandlungsverlauf beizutragen, indem er der behandelnden Medizinalperson die wahrgenommenen Symptome so genau wie möglich beschreibt, über frühere oder laufende Behandlungen informiert und Ergebnisse bereits erfolgter Therapien mitteilt. Ebenso ist er verpflichtet, die verordnete Behandlung zu befolgen und eine allfällige Unterbrechung mitzuteilen. Er muss auch das Pflegepersonal und die anderen Patienten respektieren. Hilfe benötigt?

Es treten Schwierigkeiten auf? Zuerst sollte man sich sinnvollerweise an die behandelnde Medizinalperson oder die betreffende Einrichtung wenden. Ist das Vorgehen erfolglos, gibt es verschiedene Instanzen, die den Patienten beraten. Die Schweizerische Stiftung SPO Patientenschutz, Verfechterin der Patientenrechte, bietet Unterstützung bei Konflikten mit einem Therapeuten oder einem Versicherer. Der Ombudsman der sozialen Krankenversicherung (siehe Kasten) ist auf Probleme mit den Versicherern spezialisiert, und die aussergerichtliche Gutachterstelle der Verbindung der Schweizer Ärztinnen und Ärzte (FMH) kümmert sich um die Beurteilung der Sachlage bei einem medizinischen Irrtum. Die Kantone bieten ebenfalls Mediationsdienste an, wie zum Beispiel der Kanton Waadt mit seiner kantonalen Dienststelle für Mediation in Gesundheitsfragen. Die Patientenrechte dürfen nicht ignoriert werden, denn ihre Einhaltung gewährleistet eine erfolgreiche therapeutische Beziehung. maud hilaire schenker

Sanimédia, Wesentliche Punkte des Patientenrechts in den Kantonen Bern, Freiburg, Jura, Neuenburg, Wallis und Waadt, September 2010, 24 Seiten. Die Broschüre ist online auf der Website von Sanimédia verfügbar sowie auf den Homepages der oben erwähnten Kantone. 2 Unter «Aufgeklärte Einwilligung» wird die Einwilligung eines Patienten oder Probanden in eine medizinische Handlung verstanden.Der Einwilligung liegt ein ausreichendes Verständnis der medizinischen Handlungen und deren Konsequenzen zugrunde. 1

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infosantésuisse : dossier Der Patient 3/2011 15 Grafik des Monats

Der Röstigraben lebt auch bei den Bruttoleistungen pro Versicherten Die Unterschiede zwischen Kantonen bei den Gesundheitskosten sind nicht nur nach wie vor gross, sondern sie vergrössern sich. Woher diese grossen Unterschiede zwischen den Kantonen? Welche Gründe gibt es dafür? Eine schwierige Frage, auf die es keine pfannenfertige Antwort gibt.

Auf der Karte sind die Bruttoleistungen in Franken pro Versicherten und pro Kanton im Jahr 2010 dargestellt. Bruttoleistungen sind Leistungen der Versicherer in der Grundversicherung (OKP) mit der Kostenbeteiligung der Versicherten. Es wurden die Zahlen der Statistik der obligatorischen Krankenversicherung 2010 des Bundesamts für Gesundheit verwendet. Diese Zahlen sind zwar noch nicht definitiv, doch zeigen sie bereits klar die Tendenz der grossen Unterschiede zwischen den Kantonen. Unterschiede und Fragen

Die Kantone mit den höchsten Bruttoleistungen sind mit grossem Vorsprung Genf und Basel-Stadt. Es folgen Zürich, Bern, Basel-Landschaft, Schaffhausen, Jura und Waadt. Obwalden, Nidwalden und Appenzell-Innerrhoden bilden das Schlusslicht. Bei der Betrachtung dieser Karte fällt zum einen der Unterschied zwischen der lateinischen Schweiz und der Deutschschweiz auf. Den Röstigraben scheint es auch bei den Gesundheitskosten zu geben. Inwieweit ist er kulturell bedingt? Gehen die Süd- und Westschweizer öfter zum Arzt als wir? Sind sie weniger gesund als wir? Oder «verkaufen» die Leistungsbringer ihr Angebot zielgerichteter als in der Deutschschweiz? Zum andern gibt es auch einen Gra-

ben zwischen den Land- und Stadtkantonen sowie zwischen Kantonen mit oder ohne Universitätsspital. Deshalb weisen Genf, Waadt, Bern, Basel-Stadt und Zürich hohe Kosten auf, Zürich allerdings deutlich tiefere als die übrigen Universitätskantone. Dann gibt es Kantone ohne Universitätsspital, die trotzdem teuer sind, wie das Beispiel Jura zeigt. Dieser Landkanton hat viel höheren Kosten als Zürich mit Universitätsspital. Das wirft Fragen auf. Hypothesen und vielfältige Faktoren

Diese Unterschiede sind nicht neu, sie scheinen sich aber zu vergrössern. Die teuersten Kantone, Basel-Stadt, Genf, Jura und Tessin verzeichneten zwischen 2008 und 2010 eine stärkere Erhöhung als die günstigsten, Nidwalden, Obwalden und Appenzell Innerrhoden. Die Krankheitskosten werden von verschiedenen Faktoren beeinflusst: Von den Preisen (wie dem TARMED-Taxpunktwert), der Menge (Anzahl der erbrachten Leistungen), der Angebotsdichte, dem Vorhandensein eines Universitätsspitals, dem Gesundheitszustand der Bevölkerung, von demografischen und kulturellen Faktoren. Der Blick auf die einzelnen Kantone zeigt, dass je Kanton verschiedene Faktoren die Kosten beeinflussen. In einem Kanton treiben die Spitalkosten die Ausgaben in die Höhe, in einem anderen ist es die Zahl der Ärzte oder der Leistungen (Überangebot). Es gibt keine einfache, einzige Erklärung für diese 26 Besonderheiten. Oder doch – typisch Schweiz? Maud Hilaire Schenker

SH

BS (provisorische) bruttoleistungen in franken pro versicherten und pro kanton 2010

BL

JU

SO

AG

LU

NE BE VD

TG ZH

AR

ZG SZ NW

OW

AI

SG GL

UR

FR

GR

TI GE Sichtbare grosse Ungleichheiten: Die Gesundheitskosten in der lateinischen Schweiz und in den Stadtkantonen sind höher als in der Restschweiz.

> 3900

VS

> 3000

QUELLE: STATISTIK DER OBLIGATORISCHEN KRANKENVERSICHERUNG 2010, BUNDESAMT FÜR GESUNDHEIT

> 2700

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> 2500

> 2000


infosantésuisse : dossier Der Patient 3/2011 16 Auch der Patient kann bei der Rechnungskontrolle einen wertvollen Beitrag leisten

Wie Versicherte ihre Rechnung selbst kontrollieren Pro Jahr kontrollieren die Krankenversicherer 70 Millionen Rechnungen und sparen dadurch eine Milliarde Franken ein. Damit sorgen sie dafür, dass der Prämienzahler fünf Prozent weniger an Prämienausgaben berappen muss. Doch nicht nur die Krankenversicherer, sondern auch die Patienten können Fehler auf der Arztrechnung entdecken. Findige Patienten erhalten von einigen Krankenversicherern Dankeskarten, kleine Präsente (Notfallapotheken) oder auch mal Reka-Checks.

Die Rechnungskontrolle beginnt bereits in der Arztpraxis. Vergewissern Sie sich bei der Ärztin oder dem Arzt, ob die geplanten Behandlungen (Untersuchungen, Medikamente, Therapien) durch die obligatorische Grundversicherung (OKP) gedeckt sind. Damit Sie kontrollieren können, ob eine Konsultation zu Recht verrechnet wird, sollten Sie Datum und Dauer der Arztbesuche und der verschriebenen Leistungen wie etwa Physiotherapie oder Ernährungsberatung notieren. Es lohnt sich, die Packung der Medikamente aufzubewahren, um später kontrollieren zu können, ob Packungsgrösse und Preis auf der Rechnung korrekt aufgeführt wurden. Sie haben das Recht, klärende Fragen zur Rechnung zu stellen, sei es in der Autowerkstatt oder in der Arztpraxis. Falls Sie Unverständliches auf der Rechnung feststellen, wenden Sie sich an den Arzt oder Ihren Krankenversicherer. Fragen stellen und Codes knacken

1–6  Personalien: Betrifft die Rechnung überhaupt Sie? Ist sie von Ihrem Arzt ausgestellt?

7  Diagnose: Die Diagnose ist im so genannten «Tessiner Code»

11  Anzahl = Verrechnete Menge proTarifposition: Hier steht,

wie oft eine Leistung erbracht wurde. Am einfachsten zu überprüfen ist die Zahl der Medikamente. Die Dauer der Konsultation entschlüsseln Sie folgendermassen: «00.0010» steht für die ersten fünf Minuten, «00.0020» für jede weiteren fünf Minuten und «00.0030» für die letzten fünf. Beim Rechnungsbeispiel dauerte die gesamte Konstultation also 15 Minuten.

12  Taxpunkt der ärztlichen Leistung: Für

jede Leistung (Taxpunkt) werden schweizweit gleich viele Taxpunkte verrechnet. Für Konsultationen, erste fünf Minuten zum Beispiel 9,57 Taxpunkte. Der TARMED (www.tarmedsuisse.ch) listet rund 4600 ärztliche Leistungen auf, die je mit einem Taxpunkt bewerten sind, und ist damit wohl weltweit das detaillierteste Inventar des medizinischen Handwerks.

13  Taxpunktwert der ärztlichen Leistung: Der Taxpunktwert1 (TPW AL) unterscheidet sich im Unterschied zum Taxpunkt von Kanton zu Kanton. Multipliziert man den Taxpunkt (im Beispiel 9,57) mit dem Taxpunktwert (im Beispiel 0,86) erhält man den Preis der zugrunde liegenden ärztlichen Leistung (AL). 14  Taxpunkt der technischen Leistung (TL): Sie vergütet die

Infrastruktur (Miete, Strom, Reinigung) und das nichtärztliche Personal (Praxisassistenten). Im Beispiel ist der schweizweit gleich hohe Taxpunkt (TL) 8,19.

15  Der Taxpunktwert der technischen Leistung (TL): muss mit 0,86 gleich hoch sein wie für die AL.

angegeben. Er setzt sich aus einem Grossbuchstaben und einer Zahl zusammen. «N1» auf der abgebildeten Rechnung steht für allergische Hauterkrankung/Ekzem. Dieses Beispiel zeigt, dass unter Diagnose nur ein sehr breit gefasstes Krankheitsbild angegeben wird.

16  Pflichtleistungscode: Wichtig ist hier die Spalte «P». Eine 0 an dieser Stelle bedeutet, dass die obligatorische Grundversicherung die Kosten übernehmen muss; eine 1 dagegen markiert eine Nicht-Pflichtleistung.

8  «TG» steht für Tiers garant und meint, dass der Versicherte

Sie setzt sich zusammen aus: Taxpunkt der ärztlichen Leistung x Taxpunktwert der ärtzlichen Leistung plus Taxpunkt der technischen Leistung x Taxpunktwert der technischen Leistung. Im Beispiel also: 9,57 x 0,86 plus 8,19 x 0,86 = 15.27.

die Rechnung bezahlt und danach der Krankenkasse den Rückforderungsbeleg einreicht. «TP» steht für Tiers payant und bedeutet, dass die Rechnung direkt an den Krankenversicherer geht.

17  Gesamtbetrag einer einzelnen Leistung (Tarifposition):

9  Daten der Behandlungen: Kontrollieren Sie, ob Sie zu den 18  Totalbeträge der einzelnen Bereiche wie AL,TL,Medi oder angegebenen Daten wirklich beim Arzt oder bei der Therapeutin waren. Beachten Sie dabei, dass auch telefonische Konsultationen verrechnet werden.

10  Nummer des angewendeten Tarifs (001 = TARMED, 316 = Analyseliste, 400 = Spezialitätenliste (SL): Die SL enthält alle Medikamente, die von der Grundversicherung bezahlt werden). Daneben gibt es eine Reihe weiterer Tariflisten. Stimmt das Verrechnete? Stimmen bei den Medikamenten (Doxyclin forte, 800mg, 8 Tabletten) die Angaben mit dem überein, was auf der Packung steht (Name, Dosierung, Anzahl Tabletten usw.)? Die Preise der von der Grundversicherung bezahlten Medikamente befinden sich unter www.galinfo.net.

MiGeL: Die Abkürzung MiGeL steht für die Liste der Mittel und Gegenstände. Sie enthält vom Blutzuckerstreifen über Beatmungsgeräte bis hin zu Krücken alles, womit sich der Patient zuhause selbst untersuchen, behandeln oder unterstützen kann. Alles auf der Liste Aufgeführte wird von der Grundversicherung bezahlt.

19  Gesamttotal der Rechnung Silvia Schütz

www.santesuisse.ch/datasheets/files/201103231714270.xls

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infosantĂŠsuisse : dossier Der Patient 3/2011 17

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infosantésuisse : dossier Der Patient 3/2011 18 3 Fragen an Josef Bächler, Leiter Stiftung Zurich vitaparcours

Rund um die Uhr Fitness für alle an schönster Lage Foto: ZVG

503 Vita Parcours bilden in der Schweiz ein flächendeckendes «Netz von Bewegungs- und Gesundheitsinstallationen», wie es der Fachjargon ausdrückt. Die gut unterhaltenen, schön angelegten Vita Parcours haben in der Schweiz einen Bekanntheitsgrad wie sonst nur Weltmarken. Josef Bächler erklärt das Erfolgskonzept.

1968 war das Jahr, als Jimi Hendrix im Hallenstadion Zürich spielte, der Höhepunkt der Flower Power-Zeit. 1968 wurde in Zürich auch der erste Vita Parcours gegründet. Flower Power ist Geschichte, Vita Parcours leben noch immer. Was ist das Erfolgsrezept?

Selbst im Hobbysport kann man die Drogenfreiheit der Akteure und die dadurch gestiegene Lebenserwartung nicht wirklich als Argument aufführen. Im Ernst: Vita Parcours sind bekannt und beliebt, wie Studien belegen. Lamprecht und Stamm (2002) stellen fest, dass 94 Prozent der Schweizerinnen und Schweizer den Begriff Vita Parcours kennen. 90 Prozent können eine rudimentäre Beschreibung, etwa «markierte Laufstrecke im Wald mit Übungen» machen. Das sind Werte, wie sie für bekannte Marken wie Coca Cola, Adidas, VW und weitere erhoben werden. Das Erfolgsrezept? Offenbar handelt es sich um ein Angebot, für das nicht Millionen in Werbung investiert werden müssen, um ein Bedürfnis zu wecken. Das Bedürfnis existiert und musste nur erkannt werden! Vita Parcours sind rund um die Uhr gratis für die ganze Bevölkerung da und sind mehr als das «Fitness-Center der armen Frau und des armen Mannes»; sie bilden das grösste Fitness-Center der Schweiz – und dies in der Natur und an der frischen Luft – und sprechen damit alle Sinne an... Trotzdem haben sich die Bedürfnisse und damit das Angebot seit 1968 verändert.

Natürlich. Es kam es zu einer umfassenden Neukonzeptionierung, die am Sportwissenschaftlichen Institut Magglingen entwickelt wurde. Geändert haben sich die Einlaufstrecken (sie sind länger geworden), die Anzahl der Stopps (Reduktion von 20 auf 15 Stationen, teilweise mit einem Geräte-

Der erste Vita Parcours wurde 1968 auf der Fluntern (ZH) durch die Männerriege Wollishofen ins Leben gerufen. Nach verschiedenen Anpassungen bei den Übungen kam es zum 25-JahreJubiläum 1993 zur Gründung der Stiftung Vita Parcours mit Felix Gutzwiller als Präsident. Josef Bächler ist seit 1993 Leiter der Stiftung, seit 1998 ist die Zurich Exklusivsponsorin. Neu (seit dem 40-Jahr-Jubiläum 2008) heissen die Vita Parcours «Zurich vitaparcours». In der Schweiz gibt es zurzeit 503 Vita Parcours. Proportional zur Bevölkerung in den drei Sprachregionen sind es in der Deutschschweiz 353, in der Westschweiz 116 und in der italienischsprachigen Schweiz 34 Parcours. Für weitere Informationen: www.zurichvitaparcours.ch und info@zurichvitaparcours.ch.

Beschwingt geht Josef Bächler mit gutem Beispiel voran.

wechsel), parallel dazu wurde die Anzahl Übungen von 26 auf 43 erweitert. Weitere Entwicklungen: neue Kennzeichnung von Übungen (Gelb für Beweglichkeit und Geschicklichkeit; Rot für Kraft; Blau für Ausdauer), eine genaue Vermessung nach Distanz, Steigung und Leistungskilometer sowie die Lancierung von Ausdauertests mit Berechnung des Kalorienverbrauchs. Wer finanziert das Schwitzen und Rennen in der freien Wildbahn?

Unser Exklusivsponsor ist die Zurich Versicherungs-Gesellschaft AG. Verantwortlich für Bau und Unterhalt sind bei 70 Prozent der Vita Parcours die Gemeinden, bei 15 Prozent Tourismusorganisationen und bei 15 Prozent «Private» wie Turnvereine, Skiclubs, Wandergruppen und weitere Vereine. Im Frühjahr steht jeweils ein gründlicher Service an, jetzt im Sommer werden die Parcours regelmässig geprüft. Arbeiten, die anfallen sind mähen, schneiden, reparieren, verbessern… Sämtliche Parcours werden alle ein bis drei Jahre auf ihre Qualität hin geprüft (jährlich rund 200 Prüfungen). Eine Arbeit, die sich auszahlt, denn 21 Prozent der durch Lamprecht und Stamm (2002) Befragten gaben an, dass sie den Vita Parcours nutzen, 10 Prozent sogar regelmässig. 2006 ergab eine Zählung auf Vita Parcours in verschieden grossen Ortschaften, dass in den Rushhours durchschnittlich 17,8 Personen pro Stunde auf dem Vita Parcours anzutreffen sind. Interview: Silvia Schütz

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Myozyme wird zum «heissen Eisen» Die Gratwanderung zwischen Ethik und Wirtschaftlichkeit im Gesundheitswesen ist schwierig. Das Bundesgericht hat am 23. November 2010 einen Krankenversicherer unterstützt, der einer Patientin die jährlichen Behandlungskosten von rund einer halben Million verweigert hatte (infosantésuisse Nr. 01/2011) und damit eine wichtige Debatte ausgelöst. Das Urteil und seine Auswirkungen war Thema an der kürzlichen RVK-Fachtagung unter dem Titel «Wie viel darf uns ein Leben kosten?» Fazit: Das Urteil bringt einen Stein auf verschiedensten Ebenen ins Rollen und lässt einen grossen Interpretations-Spielraum offen. Als Meilenstein darf gewertet werden, dass die Rechtsprechung weit über das Urteil hinaus Kriterien – wie zum Beispiel Kosten-/Nutzen-Beziehung – beurteilt. Diese werden auf politischer Ebene oft diskutiert, aber nicht verbindlich festgelegt. Daraus ergibt sich die Forderung an die Politik, den vom Bundesgericht steil zugespielten Ball aktiv aufzunehmen. Dabei soll die politische Gesamtverantwortung nicht aus dem Blickfeld geraten. Die Grundfrage lautet: wo sparen und wo nicht? Tatsache ist, dass das Gesundheitswesen jedes Jahr zusätzliche Teile des BIP wegfrisst, die in anderen Bereichen – zum Beispiel im Bildungswesen – fehlen. Die Kluft zwischen Anspruchshaltung und Finanzierungswille vergrössert sich immer mehr. Einbusse an Lebensqualität durch Nebenwirkungen wird ausgeklammert

Ein Mangel bei der Beurteilung des Nutzens aus gesundheitsökonomischer Sicht ist, dass der hypothetische Nutzen hoch gewichtet wird und einen hohen Preis zu rechtfertigen scheint. Das entscheidende Kosten-Nutzen-Verhältnis wird oft in den Hintergrund gedrängt und die Einbusse an Lebensqualität durch die Nebenwirkungen wird sogar ganz ausgeklammert. Die wissenschaftlich messbare Bewertung von Gesundheitszuständen, von Lebensqualität und gewonnenen Lebensjahren bietet erst die Grundlage, um den Nutzen von Behandlungskosten richtig einzuschätzen. Lassen sich Nutzenmaximierung, Risikominimierung und Gleichbehandlung unter einen Hut bringen? Wenn festgelegt wird, dass ein Medikament keinen kurzfristig genügenden Nutzen bringt (und langfristige Risken nicht bekannt sind), dann sei daraus zu schliessen, dass die Gesellschaft keinen Wert auf das weitere Überleben der Betroffenen lege. So die Folgerung aus moralischer Sicht. Der Frage der Finanzierung steht aber nicht nur die Bereitschaft zur Solidarität gegenüber, sondern auch die real begrenzten finanziellen und personellen Ressourcen.

Die Veranstaltung zeigte: Viele Fragen bleiben offen. Einfache Antworten gibt es nicht. Auch das Parlament und die Öffentlichkeit kommen nicht mehr drum herum, das heisse Eisen anzufassen; Wahljahr hin oder her. Der Anfang ist gemacht, die Fortsetzung steht bereits im Raum. Myozyme auf der Spezialitätenliste?

Denn laut Berichten in der Sonntagspresse von Mitte Juni (kurz vor Redaktionsschluss) hat die Eidgenössische Arzneimittelkommission dem Bundesamt für Gesundheit (BAG) empfohlen, Myozyme für die adulte Verlaufsform nun auf die Spezialitätenliste zu nehmen. Welche Folgen ein solcher Entscheid haben könnte und welche Folgerungen sich daraus ergeben, soll an dieser Stelle kurz aufgezeigt werden: Ein solcher Entscheid wäre ein Schuss vor den Bug des höchsten Gerichtes. Eine kurze Rückblende mag dies klar vor Augen führen: Ein Versicherer klagt, es folgt ein langwieriger Prozess, den der Versicherer gewinnt. Kaum hat das höchste Gericht den Entscheid gefällt, beschliesst die Verwaltung, den Spielraum des Krankenversicherers massiv einzuschränken, indem das Medikament nun bezahlt werden muss. Wird ein Medikament auf die SL genommen, bedeutet das automatisch, dass seine Wirksamkeit, Zweckmässigkeit und Wirtschaftlichkeit (WZW) für die entsprechenden Indikationen bestätigt ist. Dies, weil das BAG das Medikament auf seine WZW-Tauglichkeit geprüft und einen Preis festgelegt hat. Das ist heikel, weil im konkreten Fall gemäss Bundesgericht weder Wirksamkeit noch Wirtschaftlichkeit belegt sind. Ein SL-Medikament müssen die Prämierzahler berappen. Es gibt für registrierte Indikationen keine Einzelfallbeurteilung mehr wie bis anhin. santésuisse und die Krankenversicherer haben keine Legitimation und damit keine Möglichkeit, einen solchen, allfälligen Entscheid des BAG anzufechten. Die einzige Möglichkeit, die Rechtmässigkeit eines solchen BAG-Entscheids zu prüfen, ist wieder eine Ablehnung der Leistungspflicht durch einen Krankenversicherer im Einzelfall bis zu einem neuen, letztinstanzlichen Entscheid des Bundesgerichts. Statt den Ball zwischen Verwaltung und Richtern hin und her zu spielen, muss die Politik die Spielregeln genauer definieren und damit mehr Rechtssicherheit schaffen. Silvia Schütz

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Klipp klar

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Der Prophet gilt nichts im eigenen Land Die explodierenden Gesundheitskosten zwingen dazu, neue Finanzierungsarten der Gesundheitssysteme ins Auge zu fassen, schreibt das Wall Street Journal¹. Die Befürworter von Reformen in den USA wünschen sich weniger Staat und die Einführung von Konkurrenzelementen wie in den Niederlanden und in der Schweiz. Die US-Zeitschrift präsentiert das Schweizer Gesundheitssystem als Vorzeigemodell, dem das Gleichgewicht zwischen reguliertem Wettbewerb und Solidarität gelingt. Demgegenüber kommen die staatlich gesteuerten Gesundheitssysteme Frankreichs und Grossbritanniens schlecht weg: «nicht zeitgemäss» und «tief verschuldet» lauten die Vorwürfe. Ist das Gras anderswo grüner ?

Währenddem sich die europäischen Länder bei ihren Reformplänen am schweizerischen oder am niederländischen Gesundheitssystem orientieren möchten, wollen hierzulande manche den Rückwärtsgang einlegen und fordern «mehr Staatskontrolle». Ein Blick über die eigenen Landesgrenzen könnte sie vielleicht überzeugen, dass das Gras anderswo nicht grüner ist. Frankreich, der Sozialstaat schlechthin, steckt in der Dauerkrise. Seine staatliche Sozialversicherung rechnet bis Ende 2011 mit einem Defizit von 21,4 Milliarden. Und in Grossbritannien sind die Wartezeiten so lang, dass viele unzufriedene Briten nach Frankreich reisen, um sich dort behandeln zu lassen. In einem Anflug von Nationalstolz kann man sich da natürlich zur Behauptung hinreissen lassen, dass es bei uns in der Schweiz nicht so weit kommen wird. Doch das System wird auch bei uns in Frage gestellt.

Mythos und vorgefasste Denkmuster: die Gegner des Fortschritts

Grossbritanniens Reformgegner sind der Meinung, dass ein Gesundheitssystem, das nicht vom Staat getragen wird, ein Gesundheitssystem ohne Herz ist. Trifft das tatsächlich auf unser Gesundheitswesen zu, das auf Solidarität basiert? Ein Vertreter des britischen National Health Service behauptet darüber hinaus, dass «nichts beweist, dass Wettbewerb die Effizienz steigert. Das ist ein Mythos, der die Marktausweitung fördert und die Gesundheitskosten letztendlich in die Höhe treibt.» Am meisten befürchtet wird, dass diese Reformen einem System mit Zusatzversicherungen Vorschub leisten. Dies führe zu einer Qualitätsverminderung und ebne den Weg zu einem Zweiklassensystem. Zwar ist das Schweizer Gesundheitssystem teuer und könnte auch effizienter sein. Doch was der Qualität schadet, ist nicht der Wettbewerb, sondern zu wenig Wettbewerb. In den Niederlanden etwa herrscht Kontrahierungsfreiheit. Versicherer können dort frei wählen, mit welchem Leistungserbringer sie Abkommen unterzeichnen möchten. Dennoch sind ihre Gesundheitskosten tiefer und das niederländische Gesundheitssystem gilt bezüglich Qualität und Wirtschaftlichkeit international als das beste der Welt. Natürlich sind Verbesserungen immer möglich. Der Blick sollte aber nach vorne gerichtet und bereits Errungenes nicht leichtfertig aufgeben werden.

¹ Espinoza Javier, «Europe’s Failing Health», in The Wall Street Journal, 28. März 2011

Aus aller Welt

Das Schweizer Gesundheitswesen hat nur im Ausland Vorzeigecharakter

Effiziente Spitäler sind für Patienten besser «Medizinischer Erfolg, eine grosse Patientenzufriedenheit und Wirtschaftlichkeit schliessen einander nicht aus, sondern sind gemeinsam die Folge eines guten Klinik-Managements». Das belegt die aktuelle Studie «Management in Healthcare» der Unternehmensberatung McKinsey & Company. Beispielsweise gibt es eine höhere Überlebensrate nach Herzinfarkten in Kliniken mit einer hohen Managementqualität. Faktoren, die sich positiv auswirken, sind laut Studie beispielsweise ein intensiver regionaler Wettbewerb oder die Verankerung von medizinischer Kompetenz in der kaufmännischen Führungsetage. Für die Untersuchung wurden Manager in 1200 Krankenhäusern in sieben Ländern befragt (Deutschland, USA, Kanada, Schweden, Grossbritannien, Italien und Frankreich).

Gefährliche Schlankheitsmittel Foto: Prisma

Schlankheitsmittel, die weltweit via Internet bestellt werden können, sind oft gesundheitsgefährdend. Dieses Resultat ergab die Laboranalyse von 122 Proben beschlagnahmter Importe von Schlankheitsmitteln. Swissmedic warnt davor, Arzneimittel einzunehmen, die via Internet vertrieben werden. 90 Prozent der Schlankheitsmittel enthalten gefährliche Wirkstoffe, etwa Sibutramin. Dieser Wirkstoff wurde bereits vor mehr als einem Jahr weltweit vom Markt zurückgezogen, weil er HerzKreislauf-Komplikationen verursachen kann. In einzelnen Proben fand sich das Dreifache der früher zugelassenen Dosierung, was lebensgefährlich ist.

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Datenschutz-Zertifikat für den Risikoausgleich Die Versichertenkarte (VeKa-Center) und die Zentrale Meldestelle für den Risikoausgleich (ZEMRA) sind mit dem eidgenössischen Datenschutzzertifikat zertifiziert worden. Davon können die Versicherer und ihre Versicherten profitieren. Die SASIS AG setzt bei ihren Produkten beim Datenschutz und der Informationssicherheit auf die eidgenössische Zertifizierung, welche durch die KPMG auditiert wird. Bereits im Mai 2010 liess sich das VeKaCenter zertifizieren. Aus dieser Erfahrung hat die SASIS AG nun eine Tugend gemacht und auch die Zentrale Meldestelle für den Risikoausgleich (ZEMRA) für die Meldungen der Spital- und Pflegeheimtage im Mai 2011 zertifiziert. Im Vordergrund steht dabei der Schutz der Versicherten als Personen mit schützenswerten Daten. Ein ebenso wichtiger Aspekt ist der reibungslose Betrieb sowie die Qualität der Informationssicherheit und auch die Mandantensicherheit der teilnehmenden Versicherer als Firma. Daten von Versicherten, Versicherern und Leistungserbringern werden nun

Service

Die elektronischen Branchenlösungen der Krankenversicherer punkten beim Datenschutz

nach klaren Regeln und anerkannten Verfahren weitergeleitet. Versicherer und Datenschutzbeauftragte können sich auf die Zertifizierung abstützen

Das offen zugängliche Bearbeitungsreglement stellt sicher, dass alle Vorgaben des Datenschutzgesetzes (DSG) und der Verordnung (VDSG) geregelt sind und eingehalten werden können. Sehr wichtig ist dabei die rechtliche Grundlage der Informatik-Lösung sowie die Prozesse und Datenschnittstellen: Dadurch ist ersichtlich, was mit den Daten gemacht werden darf und wie die Nutzung erfolgt. Das Bearbeitungsreglement umfasst auch die Rechte und Pflichten der einzelnen Versicherten und deren Versicherer. Damit können sich die teilnehmenden Versicherer und deren Datenschutzbeauftragte auf diese Zertifizierungen abstützen, ohne dass sie beim Outsourcing selber alle Massnahmen des Datenschutzes und der Datensicherheit regeln und überprüfen müssen. Mit 177 Prüfungen zum Zertifikat

Die eidgenössische Zertifizierung des EDÖB wird denjenigen Firmen und Produkten gewährt, welche ein umfassendes Datenschutzund Informationssicherheitssystem (DSMS) betreiben und einen Informationssicherheits- und Datenschutzbeauftragten angestellt haben. Die Auditierung der Verordnung über die Datenschutzzertifizierung (VDSZ) durch die Firma KPMG umfasst insgesamt 177 Prüfungen aus dem Datenschutzgesetz und dem ISO-Standard 27001. Die Geschäftsleitung der SASIS AG hat sich im Oktober 2010 entschieden, diese Zertifizierung im Jahre 2011 auf alle elektronischen Branchenlösungen zu erweitern. H.-P. Schönenberger, Geschäftsführer der SASIS AG

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Service

Kundenzufriedenheitsumfrage 2011

Gute Noten für die Krankenversicherer Guter Kundenservice lohnt sich

Gewichtet nach Mitgliedern beträgt die Durchschnittsnote aller bewerteten Krankenkassen 4,8, was einem «befriedigend» entspricht. Vor einem Jahr haben die Versicherten im Durchschnitt ihre Krankenkasse mit der Note 4,9 und so nur leicht besser bewertet. Insgesamt ist die Zufriedenheit sehr stabil geblieben. Insbesondere haben die sehr unterschiedlichen Prämienerhöhungen keinen Einfluss auf die Zufriedenheit. Für die Krankenkassen ist das eine erfreuliche Nachricht, heisst es doch letztlich, dass sich guter Kundenservice nach wie vor lohnt. Agrisano neu an der Spitze der 20 Grössten

Bei den 20 grössten Krankenkassen gibt es einen neuen Spitzenreiter bei der Kundenzufriedenheit. 2011 wird Agrisano mit der Note 5,3 am besten bewertet. Die Krankenkasse des Bauernverbands löst die EGK und die Swica an der Spitze der Rangliste ab. Swica hat mit 5,2 die gleiche Note wie im Vorjahr erzielt und belegt so zusammen mit KPT und Visana den zweiten Platz. Die EGK erreicht in diesem Jahr einen Platz im vorderen Mittelfeld. Unter allen Krankenversicherern sind innova, Kolping und Provita am besten bewertet worden. Alle drei Kassen gehören nicht zu den 20 grössten Kassen und erhalten von ihren Kunden die Note 5,4. Sie verpassen die Bewertung «sehr gut» somit nur sehr knapp.

Foto: Prisma

Prämienanstiege beeinflussen die Kundenzufriedenheit mit der Krankenkasse kaum. Die Kunden schätzen den guten Service ihres Krankenversicherers und sind sich bewusst, dass die Krankenversicherer nicht verantwortlich sind für den Kostenanstieg im Gesundheitswesen. In der Umfrage von comparis erhielten innova, Kolping und Provita die besten Noten. In den letzten beiden Jahren sind die Krankenkassenprämien im Durchschnitt stark gestiegen. Diese Erhöhungen der letzten zwei Jahre haben jedoch laut comparis keinen negativen Einfluss auf die Zufriedenheit der Versicherten mit ihrer Krankenkasse. So haben die Versicherten ihre Krankenkasse in diesen beiden Jahren praktisch gleich gut bewertet wie in den Vorjahren, als der Anstieg moderater ausgefallen ist. Für die Umfrage haben im Mai 2011 über 5200 Nutzerinnen und Nutzer von comparis die Freundlichkeit und Kompetenz der Mitarbeiter, die Verständlichkeit der Kundeninformationen sowie die Qualität der Abrechnung ihrer Krankenkasse bewertet. Aus den Noten der einzelnen Kategorien wurde die Gesamtnote berechnet: 5,5 bis 6 ist «sehr gut», 5 und höher «gut», 4,5 und besser entspricht einem «befriedigend», 4 und mehr ist «genügend». Noten unter 4 sind «ungenügend». Ausgewertet wurden die Resultate der 20 grössten Krankenversicherer.

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Kursangebot für Fortgeschrittene

Kursangebot für Profis

Lehrgang Höhere Fachprüfung

Medizinischer Fachspezialist Leistungen

Krankenversicherungsexperten

Es hat noch einige Plätze frei! Vertiefen Sie Ihr gutes, medizinisches Fachwissen für Ihre tägliche Arbeit als Fachspezialist im Leistungsbereich oder vertrauensärztlichen Dienst! Die Ausbildung beginnt am 27. Oktober 2011, dauert 14 Monate, findet im Zentrum von Zürich statt und schliesst im Dezember 2012 mit einer Prüfung ab. Erarbeiten Sie an 11 spannenden Seminartagen die Fachbereiche Leistungspflicht, Rechtsprechung und Verfahren, Risikoprüfung, Tariffragen, Datenschutz, Vertrauensarzt-Vertrag, Medizinische Ethik, Plastische Chirurgie, Gastroenterologie, Rheumatologie, Kardiologie, Neurologie, Psychiatrie, Onkologie, Dermatologie, Infektionskrankheiten etc. Kurskosten Mitglied santésuisse CHF 4400.–, Nichtmitglied CHF 5600.–

Entscheiden Sie sich jetzt für den anspruchsvollen Lehrgang Höhere Fachprüfung zum Krankenversicherungs-Experten. Diese intensive Ausbildung dauert 2 Semester, findet im Zentrum von Zürich statt, startet am 19. Oktober 2011 und schliesst im November 2012 mit der Höheren Fachprüfung ab. Erarbeiten Sie an 12 Seminartagen und im Selbststudium unter anderem die Themen Krankenpflegeversicherung KVG/VVG, Taggeldversicherungen, Unternehmensführung und Personalmanagement (Projektarbeit), Recht und Koordination, Politik und soziale Sicherheit. Profitieren Sie noch von den Kurskosten 2011 Mitglied santésuisse CHF 3300.–, Nichtmitglied CHF 4800.–

Detailinformationen und Anmeldeformalitäten finden Sie auf unserer Anmeldeplattform www.santesuisse.ch/kursangebot

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Weitere Auskünfte: Martina Wolf Abteilung Ausbildung, Tel. 032 625 42 90, martina.wolf@santesuisse.ch

Weitere Auskünfte: Inge Bohmueller Projektleiterin HFP, Tel. 032 625 41 24, inge.bohmueller@santesuisse.ch

Medizinkurs Erwerben und vertiefen Sie Ihr medizinisches Fachwissen für Ihre tägliche Arbeit! Die Ausbildung beginnt im März 2012, dauert 9 Monate und findet im Zentrum von Zürich statt. Erarbeiten Sie an 10 Seminartagen unter anderem die Themen Herz und Kreislauf, Bewegungsapparat, Gynäkologie und Geburtshilfe, Urologie, Nephrologie, Psychiatrie, Pädiatrie aus dem Blickfeld der Krankenversicherung. Kurskosten Mitglied santésuisse CHF 3400.– Nichtmitglied CHF 4450.– Detailinformationen und Anmeldeformalitäten finden Sie auf unserer Anmeldeplattform www.santesuisse.ch/kursangebot Weitere Auskünfte: Martina Wolf Abteilung Ausbildung, Tel. 032 625 42 90, martina.wolf@santesuisse.ch

Gesundheitswesen Schweiz 2010 – 2012 Dieses Buch gibt eine aktuelle und sachliche Gesamtübersicht über das schweizerische Gesundheitswesen und ist deshalb ein Nachschlagewerk für Fachleute aus dem Gesundheits- und dem Sozialversicherungswesen, Politikerinnen und Politiker, Medienschaffende und für alle an unserem Gesundheitswesen und der Gesundheitspolitik Interessierten.

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Ex. «Gesundheitswesen Schweiz 2010 – 2012», Herausgeber: Gerhard Kocher / Willy Oggier, 4. Aufl. 2010, 464 S., Fr. 39.90 ISBN 978-3-456-84803-7

Bestellung an: Verlag Hans Huber, Hogrefe AG Länggass-Strasse 76, Postfach, 3000 Bern 9 Fax 031 300 45 94, E-mail: distribution@hanshuber.com Vorname / Name Strasse / Nr. PLZ / Ort


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2. St. Galler Tagung zum Gesundheitsrecht

2. St. Galler Pflegerechtstagung

Neueste Entwicklungen in Gesetzgebung und Rechtsprechung – Qualität in der Gesundheitsversorgung

Pflege und Arbeitsrecht

Mittwoch, 24. August 2011, Grand Casino Luzern

Mittwoch, 31. August 2011, Grand Casino Luzern

Themen/Referierende • Entwicklungen in der Gesetzgebung Prof. Dr. iur. Thomas Gächter, Professor für Staats-, Verwaltungs- und Sozialversicherungsrecht an der Universität Zürich, Zürich

• Neueste Rechtsprechung im Gesundheitsbereich Prof. Dr. iur. Tomas Poledna, Rechtsanwalt, Titularprofessor für Staats- und Verwaltungsrecht an der Universität Zürich, Partner Poledna Boss Kurer AG Rechtsanwälte, Zürich

• Entwicklungen im Gesundheitsrecht – Auswirkungen im Sozialversicherungsrecht PD Dr. iur. Ueli Kieser, Rechtsanwalt, Vizedirektor am Institut für Rechtswissenschaft und Rechtspraxis an der Universität St. Gallen, Lehrbeauftragter an der Universität Bern, Ersatzrichter am Verwaltungsgericht des Kantons Zürich, Partner bei Kieser Senn Rechtsanwälte, Zürich

• Einführung Dr. iur. Agnes Leu, Präsidentin Spitex Organisation, Dozentin, Richterin, Redaktionsleiterin Fachzeitschrift HILL (Health, Insurance, Liability, Law), forensische Tätigkeit in der Anwaltskanzlei Kieser Senn Partner, Forschungstätigkeit im NF-Projekt «Fallpauschalen in der Schweiz», Zürich

• Qualitätsstandards (practical guidelines) in der Gesundheitsversorgung Prof. Dr. med. Johann Steurer, MME, Direktor Horten-Zentrum für praxisorientierte Forschung und Wissenstransfer, Zürich

• Qualitätstandards in der Akutgeriatrie Dr. med. Daniel Grob, Facharzt für Innere Medizin, spez. Geriatrie, Chefarzt und medizinischer Direktor am Stadtspital Waid, Gesundheitsrat des Kantons Appenzell ARh, Verwaltungsrat eines Pflegezentrums, Mitglied der zentralen Ethikkommission der Schweiz. Akademie der medizinischen Wissenschaften SAMW, Zürich

• Qualitätsmanagement im Spannungsfeld von SwissDRG Dr. phil. nat. Bernhard Wegmüller, Direktor H+, Bern

• Aktuelle Entwicklungen bei der Haftung wegen Behandlungs- und Aufklärungsfehlern Prof. Dr. iur. Walter Fellmann, Rechtsanwalt, Fachanwalt SAV Haftpflicht- und Versicherungsrecht, Ordinarius für Europäisches und Schweizerisches Privatrecht an der Universität Luzern, Luzern

• Patientensicherheit im Gesundheitswesen Dr. med. Sven Staender, Chefarzt Institut für Anästhesie und Intensivmedizin Spital Männedorf, Beirat der Stiftung Patientensicherheit, Vorsitz Taskforce Patientensicherheit für die Europäische Gesellschaft für Anästhesie, Männedorf

Programme/Anmeldung Institut für Rechtswissenschaft und Rechtspraxis (IRP-HSG) Bodanstrasse 4, 9000 St. Gallen, Tel. 071 224 24 24 Fax 071 224 28 83, e-mail: irp@unisg.ch/www.irp.unisg.ch

Themen/Referierende • Arbeitsrechtliche Fragen der Nacht- und Schichtarbeit sowie des Pikettdienstes Prof. Dr. iur. Roland Müller, Rechtanwalt, Titularprofessor für Privat- und Wirtschaftsrecht an der Universität St. Gallen, Müller Eckstein Rechtsanwälte, Staad

• Arbeitsrechtliche Fragen der spitalexternen Krankenpflege lic. iur. Angela Hensch, Rechtsanwältin, Fachanwältin SAV Arbeitsrecht, Partnerin der Kanzlei Bratschi Wiederkehr & Buob, St. Gallen

• Unfall, unfallähnliche Körperschädigung und Berufskrankheit im Pflegebereich PD Dr. iur. Ueli Kieser, Rechtsanwalt, Vizedirektor am Institut für Rechtswissenschaft und Rechtspraxis an der Universität St. Gallen, Privatdozent für Sozialversicherungsund Gesundheitsrecht an der Universität St. Gallen, Lehrbeauftragter an der Universität Bern, Ersatzrichter am Verwaltungsgericht des Kantons Zürich, Partner bei Kieser Senn Rechtsanwälte, Zürich

• Finanzierung der Heimkosten – ein Überblick lic. iur. Urs-Christoph Dieterle, Rechtskonsulent, Sicherheitsdirektion des Kantons Zürich, Kantonales Sozialamt, Zürich

• Beschäftigung von ausländischem Personal in der Pflege Prof. Dr. iur. Kurt Pärli, Privatdozent für Arbeits- und Sozialversicherungsrecht an der Universität St. Gallen, Leiter F&E IWR School of Management and Law, Zürcher Hochschule für Angewandte Wissenschaften, Winterthur

• Wer entscheidet über die Pflege von urteilsfähigen und nichturteilsfähigen Kranken? Was bringt das neue Erwachsenenschutzrecht? (ZGB) PD Dr. med. Albert Wettstein, Chefarzt Stadtärztlicher Dienst Zürich, Zürich

• Aktuelles zur Pflegeversicherung Prof. Dr. iur. LL.M. Hardy Landolt, Lehrbeauftragter an den Universitäten St. Gallen und Zürich für Haftpflicht-, Privat- und Sozialversicherungs- sowie Gesundheitsrecht, wissenschaftlicher Konsulent am Institut für Rechtswissenschaft und Rechtspraxis an der Universität St. Gallen, Rechtsanwalt und Notar, Glarus

Programme/Anmeldung Institut für Rechtswissenschaft und Rechtspraxis (IRP-HSG) Bodanstrasse 4, 9000 St. Gallen Tel. 071 224 24 24, Fax 071 224 28 83 e-mail: irp@unisg.ch/www.irp.unisg.ch


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INFORMATIONS COMMUNIQUEES AUX ASSURES EN MATIERE DE BONNES PRATIQUES (notamment pour ce qui est des maladies cardiovasculaires)


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SOMMAIRE y y y

Finalités Problématique Situation pays : o Allemagne o Angleterre o Belgique o Norvège o Pays-Bas o Suède o Suisse o USA 2


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Informations communiquées en termes de bonnes pratiques – finalité Les objectifs des programmes mis en place sont de compenser les déficits dans la délivrance des soins, d’améliorer la qualité de la vie et de réduire les coûts pour les organismes d’assurance maladie (en réduisant le taux d’hospitalisation, notamment).

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Informations communiquées en termes de bonnes pratiques – finalité Dans un système de soins dominé par l’asymétrie d’informations, il est important de remettre les citoyens au centre du système de santé. Il est possible d’accroître leur pouvoir par la diffusion d’informations qui leur permettent de prendre en main la gestion de leur santé, d’utiliser de manière éclairée les services de santé et de participer à la définition des besoins et des moyens nécessaires pour y répondre (Domineghetti, 1994). Cette information peut également aider à obtenir le consensus social nécessaire pour assurer le financement collectif des soins de santé indispensable au maintien de la solidarité.

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Informations communiquées en termes de bonnes pratiques – une manière d’intensifier la prévention Dans nos pays où les maladies cardiovasculaires et les cancers causent environ 70 % des décès, les investissements dans la promotion de la modification des styles de vie, le contrôle des facteurs de risques et la promotion des mesures de prévoyance pourraient avoir une rentabilité sanitaire beaucoup plus élevée que ceux dans les soins curatifs. Il n’y a pas opposition mais complémentarité entre les mesures préventives et les soins curatifs. Mais actuellement l’essentiel des ressources affectées à la santé l’est dans le secteur des soins curatifs, et la répartition des responsabilités relatives au curatif et au préventif entre les instances nationales et régionales ne permet pas une coordination optimale entre ces deux domaines. Un programme de prévention par la diffusion d’information concernant les facteurs de risque des maladies cardiovasculaires dans le canton de Tessin depuis 1984 a pourtant permis une diminution de la mortalité cardiovasculaire largement supérieure à celle observée dans d’autres cantons n’ayant pas mis en œuvre un tel programme. 5


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Informations communiquées en termes de bonnes pratiques – nécessité d’un langage vulgarisé Les conséquences des comportements ayant un impact sur la santé sont plus faciles à imaginer et sont mieux mémorisées lorsqu’elles sont exprimées en termes d’espérance de vie plutôt qu’en termes de risques sanitaires. Ce que cela implique en matière de pratique médicale : lorsque les médecins communiquent avec les patients par rapport aux risques que ces derniers encourent médicalement, il est recommandé d’aborder des concepts pouvant être facilement mis en lien avec des situations issues de leur propre vie de tous les jours. (Etude 2010 – Elsevier) 6


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Informations communiquées en termes de bonnes pratiques – nécessité d’un langage vulgarisé Bon nombre de personnes (noamment les personnes de niveau socio économique modeste) éprouvent des difficultés à comprendre les indicateurs statistiques, comme les probabilités et les pourcentages. De même que les personnes ayant de bas revenus sont plus enclins à ne pas avoir d’assurance maladie adéquate et, par conséquent, doivent faire elles-mêmes des choix médicaux. En outre, ces personnes ont une plus forte probabilité d’avoir des modes de vie “malsains”, comme une activité physique réduite, etc. Il est donc nécessaire de communiquer sur les conséquences des comportements malsains en termes de risques de développer certaines maladies. 7


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Informations communiquées en termes de bonnes pratiques – intérêt particulier maladies cardiovasculaires Avec 147 000 décès par an, les maladies cardiovasculaires sont la deuxième cause de décès en France. Plus des trois quarts des hommes et les deux tiers des femmes de 35 à 55 ans présentent au moins un facteur de risque modifiable (tabac, dyslipidémie, obésité, sédentarité) mais beaucoup l’ignorent et sont donc insuffisamment pris en charge. 13 % des français sont traités pour maladie ou risque cardiovasculaire, soit un coût de 28,7 milliards d'euro par an pour l'Assurance Maladie (17 % de ses dépenses totales) Maladies cardiovasculaires, première cause de prise en charge à 100 % au titre d’une ALD, avec 2,8 millions de personnes concernées.

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PROBLEMATIQUE y

Sensibiliser le patient à la prise en charge de sa propre santé

y

Est-ce efficace ? Comment cela est-il appréhendé dans les pays étrangers ?

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ALLEMAGNE – programmes de disease management Les programmes de disease management, créés par le gouvernement en 2002 et directement gérés par les caisses d’assurance maladie, avaient pour finalité de traiter d’un double problème : celui de la compensation financière entre caisses - nécessaire pour neutraliser les effets de sélection des risques induits par la mise en concurrence des caisses d’assurance maladie ; celui de l’amélioration des pratiques des médecins de ville à travers des recommandations professionnelles opposables.

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ALLEMAGNE – programmes de disease management (DMP) Les DMP sont autorisés pour les maladies suivantes : diabète, asthme bronchique, maladies pulmonaires obstructives chroniques, maladies coronaires, cancer du sein. Par ailleurs, à noter qu’il existe des programmes de prévention pris en charge par l’assurance maladie (cours, etc.)

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ALLEMAGNE – disease management (DM) programs Le DM se concentre sur la prévention des complications en utilisant des recommandations scientifiquement fondées et des stratégies visant à accroître les capacités des patients à se prendre en charge. Un programme complet de disease management dans le cadre de l’insuffisance cardiaque a été développé pour les caisses d’assurance maladie publiques et privées afin d’améliorer les résultats sanitaires et les taux et coûts de réhospitalisation. Le programme comprend des appels dans le cadre de soins, du matériel écrit en matière de formation, des contrôles télémétriques, des rapports médicaux. 12


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ALLEMAGNE – disease management (DM) programs Tous les trimestres, les clients/ patients reçoivent le magazine de leur caisse d’assurance maladie. Dans ces magazines, mais aussi sur les sites Internet et chez le médecins, les patients reçoivent des informations sur ces programmes. Si les patients en profitent et s’inscrivent, les programmes leur permettent de faire des examens réguliers, de ne pas en oublier etc.

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ALLEMAGNE – disease management (DM) programs En vertu de la loi de 2001, les caisses d’assurance maladie sont censées avoir un contact direct avec le patient dans le cadre ces programmes de disease management pour jouer notamment deux fonctions : > conseil personnalisé à l’assuré > lettres de rappel au médecin et au patient pour le suivi (rappels d’examens à réalisés et d’examens non réalisés)

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ALLEMAGNE - Directives y

Directives disponibles : en janvier 2010, les directives nationales sur la gestion des maladies sont mises à disposition pour les sujets suivants : Asthme, Diabète mellitus de type 2 : Pied diabétique et rétinopathie diabétique, BPCO, Maladie coronarienne, Insuffisance cardiaque et Trouble dépressif. Le programme des directives de gestion des maladies DM-CPG relatif aux sujets suivants : Douleurs lombaires basses, Diabètes mellitus de type 2 : Neuropathie diabétique, Néphropatie diabétique, Thérapie et éducation et Démence est en cours de développement (en allemand).

y

Aides pratiques : comme outils de mise en œuvre, figurent les Aides pratiques relatives à la directive (en allemand).

y

Directives destinées aux patients : Participation du patient et du consommateur au développement de la directive et à son utilisation garantie et organisée par le Forum National des Patients (cf. Patientenforum - en allemand). Dans ce cadre, le Forum National des Patients développe des directives destinées aux patients sur les DMCPG (cf. Patientenleitlinien zu den NVL-Themen - en allemand).

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ALLEMAGNE – retranscription vulgarisée des directives Pour ce qui est des informations vulgarisées communiquées aux patients en matière de maladies cardiovasculaires, des recommandations de bonnes pratiques ont été retranscrites de manière simplifiée afin que le tout à chacun puissent se renseigner sur les traitements possibles, les risques et les avantages (cf. documents joints). En outre, des documents de méthodologie sont disponibles à l’attention des patients (cf. documents joints). 16


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Allemagne – compréhension des directives par les patients Ces directives sont-elles rédigées de façon accessible de manière à pouvoir être comprises par tous ? Certaines directives sont destinées aux médecins (elles sont bien sûr rédigées dans un style plus scolastique), et, pour de nombreuses maladies, des directives sont destinées aux patients, elles sont alors rédigées dans un langage très accessible. Comment les médecins généralistes aident-ils leurs patients ? Avec quels outils (en termes de suivi, etc.)? En fournissant des informations et en les motivant. Selon la maladie du patient, le médecin a le choix de le diriger vers des groupes spécifiques d’entraide de malades ou des groupes de malades. 17


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ALLEMAGNE – impact de ces directives sur les patients Actuellement, les patients ne sont “fortement” incités à lire ces directives. Il ne faut pas oublier que ces directives destinées aux patients sont encore relativement récentes ; il y a tout un processus et que les directives pourront jouer un rôle plus important à l’avenir. Cela dépend essentiellement du médecin, s’il présente ou non à son patient ce type de directives et l’encourage à les étudier et les suivre (si l’état de santé du patient le justifie).

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ALLEMAGNE – impact de ces directives sur les patients Ces directives ont été développées en grande partie par l’Agence allemande pour la qualité de la médecine (German Agency for Quality in Medicine), une association de médecins, et non par une caisse maladie ou des compagnies d’assurance. Il est donc très probable que les patients entendent d’abord parler de ces directives par leur médecin, soit en recevant une brochure imprimée ou un livret soit en étant invité à consulter ces directives sur Internet. Quelques caisses maladie contactent, toutefois, leurs assurés pour essayer de les encourager à suivre certaines directives. 19


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ALLEMAGNE Existe-t-il une documentation à l’attention des profanes concernant les maladies complexes ? Cf. les directives destinées aux patients mentionnées prédédemment. Cependant (également du fait des réglementations juridiques) il n’existe normalement pas de recommandations concernant l’utilisation des médicaments, car il en va de la responsabilité principale du médecin traitant. Outre des directives, sont proposées des informations de qualité contrôlées destinées aux patients sur le site Internet suivant : www.patienten-information.de/english 20


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ALLEMAGNE – innovation proposée par ArztPartner almeda Le concept du programme proposé par ArztPartner almeda, une plate-forme de services en santé, est un modèle de gestion des soins qui intègre les besoins médicaux, physiques, sociaux, environnementaux et émotionnels de l’individu. La présentation du programme est conforme aux recommandations de bonnes pratiques et de qualité. Elle est assurées par un conseils d’experts internationaux. Les services de Arztpartner sont proposés aux assurances maladie publiques et privées. Les éléments typiques du programme proposé par ArztPartner sont l’identification du patient, le fait de l’inciter à prendre part aux programmes de disease management, les appels médicaux, modification des comportements, contrôle télémétrique du poids et de la tension artérielle, rapports médicaux, solutions de logiciels, et contrôles.

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ALLEMAGNE - Implication des caisses d’assurance maladie Certaines caisses organisent elles-mêmes, sur prescription médicale, des séances gratuites (cours de petits groupes de composition la plus homogène possible en fonction du stade de la maladie) pour leurs assurés, réalisées soit par des paramédicaux salariés, soit par des praticiens libéraux vacataires. Un contrat avec l’Union des médecins conventionnés en définit les modalités.

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ANGLETERRE Existence de référentiels vulgarisés à destination des patients afin qu'ils soient mieux impliqués dans le traitement de leur pathologie ? Ces types de normes sont habituellement contrôlés par le gouvernement national en utilisant les « National Service Frameworks » (contours du service national). De plus, la majorité (plus de 90 %) des soins de santé au RoyaumeUni est financée par les impôts et n’est pas basée sur des assurances, il y a donc peu de communication sur la santé, les coûts etc. Toutefois, ceci pourrait changer à l’avenir, car le nouveau gouvernement a signalé un changement vers des soins de santé « personnalisés ». Certaines compagnies d’assurance privées fournissent ce type d’informations (BUPA et Nuffield Health. Il est reconnu au plus haut niveau gouvernemental que les autorités de santé doivent utiliser davantage et mieux les informations, et le Ministre de la santé, Andrew Lansley, MP, a décrit une « révolution de l’information » qui doit avoir lieu.

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ANGLETERRE – NHS Direct et NHS Choices Depuis des années, le site et le numéro de téléphone du Service national de santé, NHS Direct, que tout le monde connaît jusqu'aux enfants, répondent aux questions de santé. Et le site NHS Choices permet, quant à lui, de choisir un établissement et d’avoir accès à des informations personnalisées.

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ANGLETERRE – NHS Choices Propriété du gouvernement, NHS Choices informe sur la santé, propose des vidéos éducatives et des blogs thématiques. Il y a un large éventail d’informations figurant sur NHS Choices allant des checklists, aux guides d’auto évaluation, vidéos et aux outils inter actifs.

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ANGLETERRE – NHS Direct NHS Direct est un service téléphonique. Des infirmières donnent des renseignements concernant le traitement à la maison, ou, si nécessaire, elles passent les appelants au service concerné. NHS direct a pour finalité de décharger les GPs. Le page web du NHS Direct http://www.nhsdirect.nhs.uk compte plus de 200 000 de visiteurs par mois.

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ANGLETERRE – NHS Direct Créé en 2000 et étendu à toute la Grande-Bretagne fin 2002, NHS Direct proposent les services suivants : y

Une aide médicale rapide et facile

y

Permettre au citoyen britannique de prendre en mains d’une façon facile son « avenir » médical

y

Apporter une réponse au citoyen sur la nature des soins dont il a besoin et sur les moyens qu’il doit utiliser (SAMU, hôpital, médecin, dispensaire, soin à domicile ou auto médication)

NHS Direct s’organise autour de deux composantes : y

Un site Internet NHS direct en ligne…avec une base médicale et un système expert light « self care système » développé par une association avec des docteurs.

y

22 call-centers répartis à travers le pays. Ces call-centers utilisent une technologie développée et mise en place par une société américaine. 27


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ANGLETERRE – NHS Direct > Envoyer une question relative à la santé Envoyer une question à l’équipe sur les services NHS, les médicaments, les maladies et les traitements. http://www.nhsdirect.nhs.uk/

> NHS Direct > Vérificateur de santé et des symptômes

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ANGLETERRE – documentation NHS Existe-t-il une documentation à l’attention des profanes concernant les maladies complexes ? Le NHS en propose pour les maladies de longue durée et les cancers. http://www.nhs.uk/Conditions/Diabetestype2/Pages/MapofMedicinepage.aspx Les informations sont-elles présentées dans un rapport annuel par exemple ? Tous les prestataires de soins de santé doivent désormais produire un rapport de qualité annuel : http://www.nhs.uk/aboutnhschoices/professionals/healthandcareprofessional s/quality-accounts/pages/about-quality-accounts.aspx Le NHS utilise différentes façons pour encourager les personnes à se rendre sur son site Web : > Optimisation de moteur de recherche pour assurer de bons classements sur Google > Acceptation d’alertes e-mail > Promotion des liens à partir d’autres sites Web > Utilisation de médias sociaux (par ex. le bouton « j’aime » de Facebook)

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ANGLETERRE – BUPA informations personnalisées BUPA est l’assureur leader en Angleterre. Il propose notamment un rapport médical personnalisé, souvent disponible dans les 24h, et également un plan d’actions contenant des conseils pratiques visant à minimiser les risques sur la santé de l’assuré. Le bilan de santé Bupa – à partir de 149 £ - donne à l’assuré la possibilité de contrôler sa condition physique et son mode de vie pour rester en bonne santé et assurer son bien-être. 30


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ANGLETERRE – BUPA – bilan santé “ C’est tellement important de prendre soin de soi, avec l’aide d’un outil spécialisé comme Bupa, c’est maintenant possible. Nos bilans de santé vous donnent une image claire et détaillée de votre santé et vous indiquent comment rester en bonne santé. Quel que soit le niveau d’évaluation qui vous convient, vous trouverez ce qu’il vous faut si vous souhaitez en savoir plus sur votre santé.” Tous les bilans de santé Bupa incluent : y

Un questionnaire sur les antécédents médicaux et sur le mode de vie

y

Un examen clinique

y

Une consultation avec un médecin ou un conseiller en matière de santé

y

l’occasion de poser des questions et d’aborder des problèmes

y

La plupart des résultats des tests sont disponibles le jour même

“ Choisissez parmi notre large gamme de bilans de santé pour identifier les problèmes de santé et prendre les décisions adéquates pour y remédier. “

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BELGIQUE – Institut de promotion de la santé Existence de référentiels vulgarisés à destination des patients afin qu'ils soient mieux impliqués dans le traitement de leur pathologie ? Il n'existe pas de référentiels validés, et encore moins vulgarisés, mis en place à destination des patients pour mieux les impliquer dans leurs traitements. Il existe beaucoup de documents de vulgarisation - dont certains sont remarquables - laissés à l'initiative de tel ou tel soignant. Concernant les maladies cardiovasculaires, voici quelques-uns de ces documents disponibles en Belgique : http://www.promosantemg.be/fileadmin/user_upload/Outils_concernant_les_maladies_cardiovasculaire s.pdf (cf. document joint) L’un des meilleurs documents est le livret réalisé par Culture et Santé sur l'alimentation, à destination des patients précarisés : http://www.cultures-promosante.be/productions-education/accueil09.html 32


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BELGIQUE – Institut de promotion en santé Les recommandations faites au médecin sont de plusieurs ordres : > dépister le risque cardiovasculaire global : un algorithme validé existe http://www.promosante-mg.be/index.php?id=38 > accompagner le patient à risque identifié : http://www.promosante-mg.be/index.php?id=86 Il n'y a pas de circuit prévu. Chaque patient et chaque médecin fait ce qu'il veut, de manière non-organisée... 33


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BELGIQUE – Mutualité Chrétienne La santé est une préoccupation de la Mutualité Chrétienne (MC) et son service Infor Santé est chargé du développement de la promotion de la santé. Avec ses projets Réflexe Santé, la MC aide chacun à bouger plus et à mieux manger pour agir sur sa santé et son bien-être.

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BELGIQUE – Mutualité Chrétienne ¾

Service de promotion de la santé :

Des missions adaptées à tous publics y Informer le grand public et les intervenants en promotion de la santé via des publications. y Mettre à disposition du grand public et des professionnels des dépliants, de la documentation et du matériel pédagogique. y Réaliser des programmes de prévention et de sensibilisation sur différents thèmes. Et plus concrètement... y

y y y

Des livres, brochures et dépliants tout public sur différents sujets (le petit déjeuner, l'alimentation saine, l'hospitalisation, les médicaments génériques, les tarifs médecins et dentistes, le mammotest, les poux, ...). Un soutien pour des publics spécifiques (diabétiques, personnes invalides, ...). Réflexe Santé : des initiatives autour de l'alimentation saine et de l'activité physique. Des animations locales propres à chaque région.

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BELGIQUE – Mutualité Chrétienne les diabétiques y

Le passeport du diabète, un outil précieux

L'objectif du « Passeport du diabète » est d’aider les personnes diabétiques et leurs soignants à gérer leur diabète. En effet, en plus de comporter des conseils pratiques sur les comportements à adopter en cas de situations urgentes, ce passeport permet de faire un suivi des soins et de l'évolution de l’état de santé du diabétique. Il ouvre également le droit au remboursement de consultations chez un diététicien et un podologue agréés. Vous êtes diabétique ? Le passeport du diabète : un outil précieux y

Vivre le diabète au quotidien

Le diabète nécessite de se soigner chaque jour. Afin de vous aider à mieux comprendre la maladie et ses implications au quotidien, nous mettons à votre disposition la brochure « Vivre le diabète au quotidien » réalisée avec le Centre d'Education du Patient asbl. Cette brochure vous permettra de connaître les indicateurs du corps qu'il faut observer et les éléments qu’il faut comprendre pour se soigner. Vivre le diabète au quotidien BD 2010 y

Le pied du diabétique

Chez les personnes diabétiques, les pieds sont des zones à haut risque. De nombreuses complications peuvent survenir et s'avérer graves (infections, gangrène...). Il existe pourtant des mesures de prévention assez simples, elles sont détaillées dans cette brochure. Le pied du diabétique. La prévention 36


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BELGIQUE – Mutualité Chrétienne Pas de conseils en ligne en matière de maladies cardiovasculaires Par contre, la Mutualité Chrétienne privilégie les relations assurés/conseillers mutualistes. Ces échanges peuvent se faire en face à face ou par téléphone. Un suivi de la pathologie est alors réalisé. En outre : support très http://www.enmarche.be/

important

:

En

marche

Ce support mensuel – adressé à tous les membres de Wallonie et de Bruxelles de la Mutualité chrétienne, soit en 460 000 exemplaires - porte sur des sujets très divers et notamment les maladies cardiovasculaires. 37


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BELGIQUE – Mutualité Chrétienne thématiques du support mensuel Détecter les risques d’accident vasculaire cérébral Comment mettre les chances de son côté pour limiter le risque d’accident vasculaire cérébral et comment reconnaître ses symptômes pour un traitement rapide? Conseils utiles.

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NORVEGE - contexte Dans le système de soins de santé norvégien, le Ministère de la santé détient la responsabilité principale de fournir des services de santé adéquats et appropriés à tout un chacun en Norvège, quels que soient le lieu géographique et les situations financières. Les services de santé et de soins sont contrôlés par une législation étendue et la politique gouvernementale est mise en oeuvre par des allocations budgétaires annuelles. Les fonds d’assurance maladie ne font pas partie du service de santé publique.

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NORVEGE Quelles sont les principales normes mises en place pour que les patients jouent un plus grand rôle dans le traitement de leur maladie ? Les représentants des associations de malades participent activement au développement des directives nationales avec les recommandations relatives aux soins de santé prodigués en Norvège. Ces représentants veillent avec le personnel de santé à ce que les recommandations importantes concernant le rôle des patients dans leur propre traitement soient bien soulignées. 40


infosantésuisse : dossier Der Patient 3/2011 65

NORVEGE Quelles sont les recommandations faites aux médecins à cet égard (sous la forme de checklists, etc.) ? Le personnel de santé et les patients ont établi des directives nationales dans le domaine de la prévention des maladies cardiovasculaires en Norvège. Ces directives fournissent des recommandations pour un suivi optimal des personnes afin d’éviter le développement de maladies cardiovasculaires, incluant des conseils relatifs au tabagisme, aux habitudes alimentaires, à l’activité physique et éventuellement aux traitements médicaux. Dans ces directives, il est conseillé aux médecins d’évaluer les personnes à risque à l’aide d’un calculateur évaluant les risques individuels selon l’âge, le tabagisme, la pression artérielle et les taux de cholestérol.

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NORVEGE Quel type d’informations les médecins généralistes peuvent-ils transmettre à leurs patients ? Des informations spécifiques destinées aux patients concernant la prévention ou le traitement des maladies cardiovasculaires n’ont pas été développées au niveau national, mais la directive nationale en version courte est publiée avec un accès ouvert sur Internet. Cette directive donne des conseils concernant les bonnes habitudes alimentaires, l’activité physique et la désaccoutumance du tabac ainsi que sur les traitements médicaux.

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NORVEGE Comment les médecins généralistes aident-ils leurs patients ? A l’aide de quels outils (en terme de suivi, etc.) ? Un outil national appelé intervention minimale est mis au point pour aider les patients à arrêter de fumer. Cet outil est utilisé par les médecins généralistes lors du suivi de patients. En outre, un calculateur de risques basé sur le Web, peut être utilisé pour estimer le risque individuel de maladie cardiovasculaire et pour refaire une estimation en cas de modifications des facteurs de risque dues à des changements de mode de vie (par exemple la désaccoutumance du tabac). 43


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NORVEGE Existe-t-il une documentation à l’attention des profanes concernant les maladies complexes ? La direction principale de la santé publique en Norvège ne possède pas de documentation spécifiquement rédigée à l’attention du public et relative aux maladies cardiovasculaires et à leur suivi. Cependant des associations de patients et des pharmacies ont mis au point une telle documentation vulgarisée. Le parcours de soins suivi par les malades a-t-il une valeur contractuelle ? Il n’existe pas de contrat national standard à utiliser entre le personnel de santé et les patients dans le domaine des maladies cardiovasculaires. 44


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PAYS-BAS - contexte Le médecin généraliste est le pivot du système de santé. Le Ministre de la Santé veut développer une meilleure prise en charge des malades chroniques. Cela s’avère nécessaire car les malades chroniques augmenteront considérablement. Par exemple en 2025, la prévision est que sur la base de données démographique, le nombre de diabètes aura augmenté de 35 %.

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PAYS-BAS – innovation suivi du diabète Le projet « Diabeteszorgbeter » a pour but d’améliorer la qualité des soins pour les diabètes dans la première ligne (soins par le médecin généraliste). L’éducation du patient et la promotion d’un style de vie sain sont des éléments clés du projet et de cette façon les patients sont sensibilisés sur les bonnes pratiques en santé. En introduisant un système de financement intégral les professionnels de santé impliqués dans les soins du diabète sont incités à travailler ensemble. Ces professionnels coopèrent ensemble dans des groupes de soins, et ces groupes concluent une convention avec les assureurs soins de santé sur le prix des soins du patient. Par exemple : un diabète consulte le médecin généraliste, l’infirmier du cabinet du médecin, l’infirmier spécialisé en diabétique et le diététicien. Le groupe de soins reçoit de l’assureur soins de santé, le montant total des coûts de soins pour ce patient et les professionnels de santé se mettent d’accord sur le partage des coûts. Les patients diabétiques participant au projet ressentent une meilleure santé que les autres patients diabétiques. 46


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PAYS-BAS – résultat du projet 459 médecins généralistes ont participé au projet et les données de 27 000 patients ont été enregistrées. Le nombre de patients recevant un traitement par insuline en soins de première ligne a augmenté de 8 % en 2006 à 11% en 2008. Cela signifie que moins de patients sont traités dans un hôpital.

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SUEDE Quelles sont les principales normes mises en place pour que les patients jouent un plus grand rôle dans le traitement de leur maladie ? Il n’y a pas de telles normes. Le rôle du patient est clairement défini dans la loi sur la santé et la maladie dans laquelle la garantie nationale en matière de soins a été intégrée en juillet 2010. Informations transmises par le médecin à son patient : informations sur les niveaux de qualité aux niveaux national et régional, instructions sur les auto soins et la prévention (par exemple : obtenir un rendez-vous avec son médecin généraliste dans les 5 jours en cas de besoin médical, obtenir un rendez-vous avec un spécialiste dans les 30 jours suivant la décision de renvoi du médecin généraliste en accord avec le patient, 90 jours entre la décision médicale et l’opération. 48


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SUEDE Suite des principales mesures mises en place pour que les patients jouent un plus grand rôle dans le traitement de leur maladie ? La carte de consommation d’alcool aide le patient à avoir une vue globale de la quantité totale d’alcool qu’il consomme réellement. Et si les patients commencent à se mentir à eux-mêmes sur la quantité de leur consommation, cela leur permet d’en prendre conscience (pourquoi dois-je commencer à mentir ?) Suivi fait par les médecins généralistes par rapport à leurs patients : Ils utilisent les registres de qualité, et le Vardguiden (Guide en ligne des soins de santé). Absence d’ouvrages vulgarisés à l’attention des patients, mis à part éventuellement le Vardguiden. 49


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SUEDE En Suède, les seuls assureurs en santé, en tant que tels, sont des compagnies d’assurance privées. Le bureau national des assurances sociales n’est pas directement impliqué dans les questions de santé. C’est le Conseil régional qui s’occupe des affaires sanitaires. Les hôpitaux sont membres du réseau international de “Health Promoting Hospitals and Health Services” (Hôpitaux et services de promotion de la santé).

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SUEDE Trois brochures (cf. 3 pièces jointes) publiées par le Réseau de “Health Promoting Hospitals and Health Services”. > La première est destinée au personnel de santé et s’intitule “Parler du mode de vie”. Titres : “L’importance du mode de vie pour la santé”, “Discussions sur le mode de vie – une partie des habitudes quotidiennes”, “Comment commencer une discussion avec le patient sur son mode de vie”, “Comment les gens modifient-ils leur mode de vie?”, “Alcool”, “Tabac”, “Activité physique”, “Alimentation/Poids”. > La brochure suivante concerne le patient : “Avez-vous déjà pensé à changer de mode de vie ?”. Titres : Faits relatifs à l’alcool, au tabac, à l’activité physique, à l’alimentation/au poids, au stress. “Comment est-ce que je me comporte ?” “Testez-vous – alimentation/poids, activité physique, tabac, alcool”. > La dernière brochure est une carte pour le patient, qui lui permet de noter sa consommation hebdomadaire d’alcool. A noter, en outre, qu’un nombre croissant d’hôpitaux suédois exigent que les patients cessent de fumer avant certains types d’opération. Parmi ceux qui ont cessé, 20% n’ont pas repris après l’opération. La clinique orthopédique de l’hôpital universitaire de Norrlands annule même certains types d’intervention chirurgicale (comme les prothèses de hanche) si le patient n’a pas cessé de fumer. 51


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SUISSE Le rôle des assureurs ne se limite pas au remboursement des prestations fournies aux assurés, mais ils encouragent, conjointement avec les cantons, la promotion de la santé. Assureurs et cantons gèrent en commun une institution dont le but est de stimuler, de coordonner et d’évaluer les mesures destinées à promouvoir la santé et à prévenir la maladie.

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SUISSE Les assureurs suisses ne fournissent pas de récapitulatif détaillé des prestations servies à leurs assurés. Cependant, certains assureurs proposent des accès Internet protégés offrant un service de ce type. C’est le cas de Vitaclic, la plateforme de la santé : www.vitaclic.ch/fr/Public/Pages/landingpage.aspx

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SUISSE – le thème du Managed Care Le thème du managed care fait débat en ce moment. Ces modèles se développent librement aujourd'hui par entente contractuelle entre fournisseurs de soins et assureurs-maladie. La plus value d'un modèle managed care bien fait se réalise notamment dans l'accompagnement du patient dans la chaîne de soins. (ex. dans le canton de Genève http://www.reseau-delta.ch/). On parle également de disease management ou de case management, ces deux notions mettant l'accent sur le suivi des cas dans une filière de soins (ex. http://www.css.ch/fr/home/privatpersonen/kundenservice/kundienstleistungen_carecenter/kun-die-patientenbetreuung/kun-dieaus-chronische_erkrankung.htm).

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Suisse - Cours d'auto-gestion de l'anti-coagulation pour les patients http://www.cardiomet.ch/cmet_home/cardiomet-patients/cardiometpatients-cours_patients.htm Les Services d'angiologie et d'hématologie du Centre hospitalier universitaire vaudois ont mis sur pied un programme de formation intitulé "Auto-gestion de l'anti-coagulation par CoaguChek-XS". Ce cours s'adresse à des patients anti-coagulés à long terme désireux d'autonomie. Les objectifs du cours sont : Apprendre au patient à gérer seul son traitement en partenariat avec le médecin traitant. Instaurer une relation de qualité facilitant un changement de comportement du patient face à son traitement et à sa maladie. Travailler en partenariat avec le médecin traitant en lui envoyant par fax une évaluation claire et concise de l'enseignement.

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USA 1. Innovations de Kaiser Permanente 2. Healthvault 3. Mydiabetes health assistance 4. Assistance maladies cardiovasculaires

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USA – Kaiser Permanente Kaiser Permanente (KP) se consacre à l’avenir des soins de santé. Cet organisme est reconnu comme l’un des plus grands prestataires de soins de santé d’Amérique avec des plans sanitaires reconnus d'intérêt public. Créé en 1945, sa mission est d’assurer des soins de santé abordables et de grande qualité et d’améliorer la santé de nos membres et des communautés qu’il sert. Il est actuellement au service de 8,6 millions de membres dans neuf États et dans le District de Columbia. Les soins prodigués aux membres et aux patients sont concentrés sur leur santé générale et sont guidés par leurs médecins, les spécialistes et les équipes de personnel soignant. Kaiser Permanente se consacre aux innovations en matière de soins, à la recherche clinique, à l’éducation à la santé et au soutien de la santé de la communauté. 57


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USA – KP et My Health Manager y

KP a un portail Web appelé “My Health Manager” (Mon gestionnaire de santé) qui fournit de nombreuses informations aux patients.

y

En outre, KP a mis en ligne un livret d’ éducation en santé “HealthWise Handbook”.

y

Les patients peuvent également consulter leurs résultats d’analyses, les médications et les “résumés d’après-visite" qui leur rappellent les instructions du médecin. Ils peuvent envoyer des e-mails en toute confidentialité à leur médecin et reçoivent en général une réponse dans la journée. (Je pourrai faire une démonstration du système sur place.)

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USA – KP et Panel Support Tool Pour les médecins, KP utilise le logiciel “panel support tool" qui leur permet de suivre les patients dans 5 catégories de maladie (diabètes, maladies cardiovasculaires, insuffisance cardiaque congestive, hypertension et maladie rénale chronique). L’outil de support mesure les intervalles de traitement, (les traitements recommandés ou les contrôles auxquels ces patients auraient dû se soumettre mais auxquels ils ne se sont pas soumis) pour que le médecin ou l’équipe de soutien puisse contacter le patient et le faire venir. 59


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USA – KP Aux Etats-Unis, les patients reçoivent approximativement la moitié des soins préventifs recommandés pour les maladies aiguës et les maladies chroniques. En utilisant le nouvel outil, les médecins de Kaiser Permanente ont pu améliorer les scores de qualité et assurer davantage de ces soins recommandés. Ce sont les premières études qui permettent d’examiner l’efficacité d’un outil de soins d’une population dans une population importante et variée de malades. Alors que les médecins généralistes peuvent recevoir 20 ou 30 patients par jour, il existe des centaines de patients qu’ils ne vont pas voir et qui ont souvent besoin de contrôles préventifs, de médications et de dépistages. En utilisant cet outil de soin de la population, les médecins de Kaiser Permanente ont amélioré les soins des patients en bonne santé ainsi que de ceux atteints d’une maladie chronique. 60


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USA - KP Un outil basé sur le Web extrayant des informations du dossier médical électronique aide les médecins généralistes à améliorer les soins et à gérer toute leur clientèle. Voici les résultats de deux nouvelles études de Kaiser Permanente : la première ayant servi à examiner l’efficacité de l’outil de soin de la population dans une population importante et variée. La première étude, publiée en octobre dans la revue The American Journal of Managed Care, a permis de noter que l’outil breveté Panel Support Tool aidait les médecins à améliorer les soins des patients diabétiques et / ou cardiopathes. La seonde étude, dont les résultats sont parus dans Population Health Management, a permis de noter que l’outil Panel Support Tool aidait également les médecins à fournir de meilleurs soins de prévention aux patients en bonne santé.

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USA – KP et le panel support tool Le Panel Support Tool (PST) a été élaboré et mis en oeuvre par des médecins de Kaiser Permanente. Il s’agit d’un outil basé sur le Web qui aide les médecins généralistes à gérer les soins pour les patients individuels, les groupes de patients ou tout le panel, ceci en comparant les soins que le patient reçoit aux soins recommandés par les directives nationales. Les médecins peuvent, par exemple, interroger le PST avant la visite du patient pour voir si le patient a besoin d’un test de dépistage ou d’un vaccin. Ils peuvent interroger le PST pour afficher une liste de tous les patients qui ont laissé passer la date de leur mammographie ou du test de dépistage du cancer du colon ou une liste des patients diabétiques dont les niveaux de sucre dans le sang sont trop élevés, ou ceux qui ont besoin d’un examen des pieds ou des yeux. 62


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USA – KP et le Panel support tool Le PST est une application basée sur le Web totalement intégrée à Kaiser Permanente HealthConnect®, le plus grand registre électronique de santé du secteur privé. Les prestataires peuvent basculer entre le PST et KP HealthConnect, qui inclut une documentation globale de soins dans tous les domaines en incluant les laboratoires, la pharmacie, la radiologie et d’autres systèmes auxiliaires. Le PST supervise les recommandations liées à la gestion de la médication et au dépistage des comorbidités pour six maladies chroniques : l’asthme, le diabète, les maladies coronaires, cardiaques, l’hypertension et la maladie rénale chronique. L’outil permet également de contrôler les mesures préventives, telles que les vaccinations des adultes et le dépistage du cancer du sein, du cancer du col de l’utérus et du cancer colorectal, l’hyperlipidémie et l’ostéoporose. Pour chaque recommandation, le Panel Support Tool indique les actions à entreprendre, le cas échéant. 63


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USA – KP et le PST Une fois par jour, le PST extrait des données de KP HealthConnect et d’autres référentiels de données et met automatiquement à jour toutes les données au niveau du patient et du panel. Lorsque les patients ont besoin de dépistage ou d’analyses ou de prescriptions, l’outil de support reflète cette activité le lendemain. L’étude de gestion de la santé de la population a montré que la meilleure façon d’améliorer les soins de santé à l’aide du PST incluait l’interrogation du système pour noter les intervalles de soins de tout le panel, toutes les deux à quatre semaines ; l’envoi de lettres standardisées ou de messages e-mail sécurisés autour de la date d’anniversaire des membres mentionnant tous les soins nécessaires ; la participation d’assistants médicaux ou d’infirmiers pour qu’ils appellent les patients pour programmer les tests de dépistage et la révision des dossiers des patients par les pharmaciens pour les soins nécessaires lors des renouvellements d’ordonnance. 64


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USA – KP healthconnect et My health manager Kaiser Permanente HealthConnect® et My Health Manager relient 8,6 millions de personnes à leurs équipes de soins de santé, avec leurs informations personnelles et les toutes dernières connaissances médicales. Illustrations de « My Health Manager » sur Youtube. Il est possible d’accéder aux vignettes par la page Kaiser Permanente sur YouTube, à l’adresse suivante : http://www.youtube.com/user/kaiserpermanenteorg#grid/user/CE5 8780DCA083F65. Kaiser Permanente’s Les vidéos soulignent comment ce niveau de connexion améliore la capacité de Kaiser Permanente à assurer des soins de grande qualité à tout moment et partout. 65


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USA – KP - vidéos Dans ces vidéos, les membres et les cliniciens de Kaiser Permanente décrivent ce que KP HealthConnect leur a apporté dans la vie de tous les jours. Ils donnent des détails sur les améliorations apportées aux soins à fournir et à recevoir ; sur le niveau plus élevé de sécurité du patient ; l’accès plus simple aux informations importantes ; les relations plus efficaces et satisfaisantes entre le patient et le prestataire et un plus grand sens de la propriété des soins des santé.

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USA & UK- Healthvault y

Manager sa santé en 3 étapes :

1 : MESURER avec l'un des 11 instruments compatibles (à ce jour) 2 : CONNECTER à votre terminal Internet 3 : MANAGER grâce à la plate-forme d'outils Web de suivi de votre poids, votre exercice, votre pression sanguine, la santé de votre famille, etc. A ce jour 52 outils Web...

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USA et UK - Healthvault y

Avec le récent lancement de HealthVault au Royaume Uni, les Britanniques vont pouvoir s’occuper d’eux et de la santé de leur famille. Grâce à une relation stratégique entre MSN Life & Style et Nuffield Health, My Health Info a été mis à la disposition des citoyens britanniques dès le lancement.

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My Health Info, la première application pour se connecter à HealthVault au Royaume-Uni, fournit des outils interactifs pour aider les utilisateurs à rassembler et à visualiser les données relatives à leur santé et obtenir des informations utiles. Microsoft prévoit de continuer à développer son écosystème britannique des applications et dispositifs liés à HealthVault.

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USA et UK - Healthvault y y y

Coordination et concentration des données de télémonitoring Analyse des données (graphiques d’évolution dans le temps) Aide à la décision du patient et à son éducationempowerment, par référence à des recommandations internationales destinées à des patients et visant en priorité les affections chroniques

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USA et UK - Healthvault • • •

• •

Naviguer par activité Se connecter avec un prestataire de santé, S’organiser, Améliorer sa forme, Avoir une interaction avec la communauté, Gérer les analyses de laboratoire, Gérer les dossiers médicaux, Gérer les médications, Se préparer à une urgence, Suivre l’état de santé, Naviguer par maladie Vieillissement, Allergies, Asthme, Cancer, Diabète, Cardiopathie, Hypertension, Santé mentale, Grossesse, Gestion du poids, Mieux-être, Autres maladies Ready-My-Heart et Instant-Check ECG recorders

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USA – My diabetes health assistant (mon assistant personnel de surveillance du diabète)

My Diabetes Health Assessment (mon bilan diabète) produit par des associations, telles que American Heart Association (Association américaine des cardiopathies) et American Stroke Association (Association américaine des accidents cérébrovasculaires)

Si vous êtes atteint de diabète de type 2, utiliser My Diabetes Health Assessment de l’Association américaine des cardiopathies vous aidera à connaître vos risques de crise cardiaque ou d’accident cérébrovasculaire dans les dix prochaines années. Mais surtout, vous verrez comment changer de mode de vie peut réduire vos risques.

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USA – Assistance cardiovasculaire Heart360 Cardiovascular Wellness Center des associations American Heart Association (Association américaine des cardiopathies) et American Stroke Association (Association américaine des accidents cérébrovasculaires) permet aux personnes de gérer leur pression artérielle, leur taux de glycémie, de cholestérol, leur poids, leur nutrition et leur activité physique, tout en bénéficiant d’une formation et d’une information spécifiques à leur état de santé.

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INFORMATIONS COMMUNIQUEES AUX ASSURES EN MATIERE DE COUTS DE LA SANTE POUR UNE PRISE DE CONSCIENCE


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SOMMAIRE y y

Problématique Situation pays : o Allemagne o Angleterre o Belgique o Norvège o Pays-Bas o Québec o Suède o Suisse o USA 74


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PROBLEMATIQUE Il faut croiser cela avec les effets de la crise y Problème rencontrer : ce genre d’informations peut entraîner un sentiment de culpabilité chez le patient y

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ALLEMAGNE AZQ (Agence pour la qualité en médecine) a récemment commencé à décrire les coûts des soins mentionnés dans les DMP. Mais cela n’a pas encore été communiqué aux patients.

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ALLEMAGNE – système de reçu Les compagnies d’assurance maladie (publiques et/ou privées) envoientelles à leurs assurés des informations sur leur consommation en matière de soins de santé et sur les coûts encourus ?

Les membres des caisses d’assurance maladie (assurance maladie publique, environ 90 % de la population allemande) ont la possibilité de demander un reçu à leur médecin. Les membres des compagnies d’assurance maladie privées obtiennent un reçu auprès de leur médecin (pour connaître le montant de leur traitement) qu’ils remettent à leur compagnie d’assurance maladie pour être remboursés.

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ALLEMAGNE – peu d’intérêt chez les assurés Puisque les affiliés aux caisses d’assurance maladie n’ont pas à régler la consultation lorsqu’ils vont voir un médecin, ils ne cherchent en général pas à savoir combien leur traitement coûte. Afin d’offrir la plus grande transparence possible quant au coût des traitements, les caisses ont mis en place, il y a six ans, un système de reçu. Cependant, très peu de patients le demandent à leur médecin. Cela vient du fait que les patients n’ont pas à régler leur médecin et que, par conséquent, ils ne cherchent pas à connaître le coût de leur traitement.

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ALLEMAGNE Les informations sont-elles présentées dans un rapport annuel par exemple ?

Toutes les grandes institutions dans le domaine des soins de santé (dont la plupart sont des organismes statutaires de droit public) publient des rapports annuels. Des documents éducatifs sur le coût de la santé sont-ils envoyés aux assurés ? Oui, par tous les différents organismes, souvent avec une intention différente. A noter que le système de soins de santé allemand est essentiellement basé sur le principe de l’auto-administration. Les caisses d’assurance maladie ainsi que les organisations médicales exécutent seules les missions qui leur ont été attribuées par l’Etat. Le gouvernement n’assure que la base et le cadre juridique et supervise le travail de ces organisations. 79


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ALLEMAGNE – peu d’intérêt chez les assurés En général, les assurés peuvent demander à leur caisse maladie le montant des traitements dont ils ont bénéficié. Mais, comme mentionné précédemment, le fait que les assurés n’aient pas à régler pour une hospitalisation ainsi que pour les soins ambulatoires, la plupart d’entre eux ne cherchent pas à savoir combien a coûté leur appendicectomie ou leur pontage coronarien.

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ANGLETERRE – mal perçu par les Autorités Les Autorités ne conçoivent pas le fait de lier les soins aux coûts. Cela reviendrait à clamer « les professionnels de santé du secteur privé mettent un prix à la vie de leurs patients » ! Le gouvernement conservateur notamment clame que les gens devraient avoir « le droit » de fumer, de devenir obèse, etc. et de vivre en en subissant les conséquences ». Les Autorités pointeraient davantage les conséquences médicales d’un tel comportement (cancer du poumon, forte pression artérielle) que le coût lié à ce comportement.

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ANGLETERRE – « empreinte NHS » Presque tout le monde au Royaume-Uni est soigné gratuitement lorsque nécessaire par le système de santé britannique (NHS), les gens ne connaissent donc pas le coût de leur traitement. Il est intéressant de noter qu’il a été proposé que les patients puissent connaître leur « empreinte NHS ». Tout comme leur empreinte carbone leur indique leur impact sur l’environnement, leur empreinte NHS leur indiquerait le coût de leur traitement, même s’ils n’ont rien à payer, mais cela n’a pas encore été instauré.

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BELGIQUE – le gouvernement en faveur de cette idée Le gouvernement belge n’est pas contre ces initiatives et n’a jamais critiqué ce fait, ni pensé que cela pouvait culpabiliser les patients. Dans certains cas, c’est même le contraire (culpabiliser les fumeurs, éclairer les patients sur les conséquences négatives d’un non dépistage de certains cancers, etc.). Un exemple parmi mille, l’attribution du tiers payant en Belgique existe mais est très réglementée. Il faut éviter que le patient n’ait pas conscience du coût des soins pour la collectivité. 83


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BELGIQUE – facture hospitalisation Les Belges reçoivent, à l’issue d’une hospitalisation, une facture sur laquelle sont stipulés le coût total de leur hospitalisation, le montant pris en charge et le reste à payer

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BELGIQUE – Mutualité Chrétienne y

site www.mc.be<http://www.mc.be> (avantage non négligeable : possibilité d’impression)

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Rubrique « Remboursements »

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Comparaison des tarifs hôpitaux

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Calculez vous-même : Simulation des frais relatifs au coût d'un séjour hospitalier

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Réduire sa facture en soins de santé (outils pratiques)

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Consultez vos remboursements (votre dossier) Rubrique « Selfservice »

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Calculez : honoraires et remboursements, Médicaments génériques, Simulation de frais relatifs ….

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Chercher : vos prestataires de soins appliquent-ils les tarifs officiels

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Descriptif de la facture d’hospitalisation via l’Intranet de nos Mutualités

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Hospitalisation infos

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La facture d’hospitalisation expliquée 85


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NORVEGE Les compagnies d’assurance maladie (publiques et/ou privées) envoient-elles des informations à leurs assurés sur la consommation des soins de santé et les coûts encourus ? Le gouvernement est responsable des services sanitaires spécialisés en Norvège. Les hôpitaux et autres services spécialisés de soins de santé sont organisés comme des trusts de santé indépendants sous l’autorité des quatre autorités sanitaires régionales. Les quatre autorités sanitaires régionales ont une responsabilité de propriété pour les trusts de santé dans leur région et elles sont également responsables de la répartition des services de soins de santé dans la région. Les trusts de santé sont des personnes morales indépendantes avec des corps dirigeants au niveau régional et local. Le trust de santé et le trust de santé régional rapportent des informations à leurs dirigeants. Le trust de santé dresse un rapport au trust de santé régional et le trust de santé régional établit son rapport au Ministre de la santé et des services de soins. 86


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NORVEGE Dans ce cas, cela implique-t-il la communication au public :

Les trusts de santé régionaux établissent des rapports mensuels et annuels au Ministère de la santé. Le rapport annuel inclut une vue globale et l’état des coûts annuels et un rapport annuel global. L’exercice financier va du 01.01 au 31.12. Les trusts de santé régionaux enverront aux assurés toutes les informations sur les coûts de traitement des patients à l’hôpital (les informations sur les coûts sont indiquées à un niveau global) tels qu’on les voit dans le rapport annuel et dans d’autres types de rapports, dans l’année.

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PAYS-BAS – Bonne prise de conscience chez les patients y

Les assureurs soins de santé donnent à la fin de l’année à chaque assuré un relevé de ses coûts de santé.

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Le prix du médicament est inscrit sur chaque emballage et de cette façon le patient devient conscient des coûts.

y

Avec la réforme des Assurances Maladie, la liberté des patients s’est accrue (libre choix d’un assureur, davantage de choix en ce qui concerne le type de police, le montant de la franchise). Cette plus grande responsabilisation du patient a augmenté sa conscience des coûts.

y

Les prestataires et les assureurs se basent de plus en plus sur les expériences des patients et par ce dialogue la conscience des patients sur les coûts augmente également.

y

Il y a différents sites Internet (par exemple Kiesbeter.nl) qui fournissent de l’information aux patients sur la qualité et les coûts des hôpitaux et des assureurs. 88


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QUEBEC – à l’étude Le Canada n'est pas encore en mesure d'établir les coûts unitaires (prix de revient ou standards) des services. Durant les années 1990, des comités ministériels (comités Bédard et Arpin) ont été chargés d'examiner l’introduction de systèmes d’information axés sur le prix de revient. Dès 2000, la Commission Clair recommandait (R-25, page 287 du rapport) l'envoi aux citoyens d'un « relevé du coût des services ».

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QUEBEC – à l’étude Selon le rapport Arpin, pour arriver aux coûts unitaires, il faudrait réorganiser et compléter les systèmes d’information sur les clientèles, assurer le partage de l’information clinique sur l’usager entre les divers intervenants, et mettre en place un système de comptabilité analytique (ex. : coûts unitaires par type de diagnostic) pour chaque clientèle. Mais comme les investissements requis pour réaliser ce nouveau système d'information administratif étaient très importants à l'époque, ils ne se sont pas encore réalisés. L'optique que le gouvernement du Québec privilégie est en relation directe avec les recommandations des comités Ménard (p.89-93) et Castonguay (p.265 et suivantes) (cf. documents joints) et des images de leur « compte santé et services sociaux » (cf. pièces jointes). Cette idée a été formalisée dans le budget Bachand 2010 (ministre des Finances actuel) (cf. bref résumé joint). Ce sujet est encore à l'étude. 90


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QUEBEC Au Québec et au Canada, les assureurs offrent des protections dites « assurances maladie complémentaires ». L'industrie agit en complémentarité au système de santé public car la Loi canadienne sur la santé ne permet pas la couverture des soins médicaux ou hospitaliers en dehors du régime public. Si des services médicaux ou hospitaliers sont rendus à titre privé, l'individu en assume les coûts et ne peut être remboursés par un assureur. Cela rend difficile tout effort de littératie en matière de prévention ou optimisation des soins de santé.

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QUEBEC - RAMQ Les assureurs maladie (publics et/ou privés) communiquent-ils aux assurés des données sur leur consommation de soins et sur les coûts engendrés par cette consommation ? Oui à la demande seulement de la personne assurée ou de son mandataire (cf. document joint). ; il ne s’agit pas d’une information grand public. Il est important de préciser que les informations transmises ne couvrent que les montants payés par la Régie aux professionnels de la santé (médecins participant au régime). À titre d’exemple, pour une personne qui reçoit des soins dans un hôpital, le médecin est payé par la Régie de l’assurance maladie du Québec et l’hôpital assume les autres coûts reliés aux soins reçus, tels que les soins infirmiers, les frais de laboratoire, les médicaments prescrits et administrés pendant l’épisode de soins. Les informations transmises par la Régie n’incluent pas les coût assumés par l’hôpital. Assurance médicaments : Oui, au moment de l’achat du médicament par l’assuré (cf. document joint). 92


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QUEBEC - RAMQ En terme d’information générale : dans quel contexte et à quel moment ? sur quel champ de dépenses : remboursement ou reconstitution de la totalité du coût ? Dans le rapport annuel de la Régie de l’assurance maladie (RAMQ), des données sur les coûts assumés par la Régie sont rendus publics. Pour accéder au rapport annuel de la Régie 2009-2010, voici le lien internet : http://www.ramq.gouv.qc.ca/fr/publications/regierapan0910.shtml De plus, la Régie rend aussi disponibles, sur son site Internet, d’autres données statistiques : http://www.ramq.gouv.qc.ca/fr/statistiques/index.shtml S’agit-il d’une communication personnalisée ? Dans l’affirmative, est-elle systématique ? comment est-ciblée : vers qui ? à quel moment, avec quelle régularité ? Il s’agit d’une communication personnalisée qui fait suite à la demande d’une personne assurée ou de son mandataire. Annuellement, la Régie traite environ 9 000 demandes. À titre d’information, il y a 7,6 millions de personnes couvertes par le régime d’assurance maladie. Des documents pédagogiques sur le coût de la santé sont-ils transmis aux assurés ? NON

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QUEBEC - RAMQ > Loi sur l’assurance maladie Libellé de l’article 64 de cette loi qui encadre la transmission des informations à la personne assurée ou à son mandataire : « La personne qui a fourni ou reçu un service assuré par la Régie, de même que son avocat ou ses représentants dûment autorisés par elle ou agissant pour elle en vertu de la loi, a droit d'accès aux seuls renseignements suivants, malgré l'article 83 de la Loi sur l'accès aux documents des organismes publics et sur la protection des renseignements personnels (chapitre A-2.1): a) la date à laquelle ce service a été fourni; b) le nom et l'adresse de la personne qui a fourni ce service; c) les sommes payées par la Régie pour ce service et le nom des personnes à qui elles ont été payées. » 94


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QUEBEC-RAMQ – relevé consommation médicaments Par ailleurs, l'industrie des assurances de personnes et l'assureur public qu'est la RAMQ sont appelés à offrir un régime général d'assurance médicaments. Un relevé de prestations fait état de la consommation et certains assurés ont accès à leur dossier sur internet. Certains services d'adjudication offrent un service d'aviseur thérapeutique en pharmacie - cela est accessible au pharmacien et non au client. Ainsi, l'individu qui consomme des soins peut recevoir de l'information du médecin, du pharmacien, des professionnels de la santé, de son employeur et des compagnies pharmaceutiques 95


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QUEBEC - RAMQ Loi sur l’assurance médicaments Libellé de l’article 14 du règlement sur le régime général d’assurance médicaments Le pharmacien doit remettre à tout bénéficiaire à qui il fournit des services pharmaceutiques et des médicaments dont la couverture est assumée par la Régie, un reçu qui indique notamment les renseignements suivants à l'égard de chaque médicament ainsi fourni: 1° en ce qui concerne le coût: a) le coût de l'ordonnance; b) le montant assuré; c) l'excédent non assuré qui peut être exigé du bénéficiaire, le cas échéant; 2° en ce qui concerne la contribution au paiement du coût des services pharmaceutiques et des médicaments exigible du bénéficiaire: a) le montant de la franchise; b) le montant de la coassurance de 25 %; 3° le montant payé par la Régie; 4° en ce qui concerne l'état de la contribution maximale du bénéficiaire pour la période de référence: a) le montant des contributions payées à ce jour; b) le montant résiduel de la contribution maximale à laquelle il est assujetti; 5° le numéro de référence attribué par la Régie.

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SUEDE Les aspects économiques ne sont pas abordés avec les patients. Ceci n’est pas considéré comme politiquement correct. Les assureurs maladie (publics et privés) envoient des informations à leurs assurés en matière de consommation des soins et du coût qui en découle. Le Conseil du comté est chargé du suivi des soins financés par les impôts. Il y a une communication générale sur le coût des soins pour l’assurance maladie, mais pas par type de maladie. Par contre, il y a des données par type de remboursement. Cela figure dans le Rapport annuel. Les politiciens reçoivent ces informations une fois/an. Il y a des documents éducatifs sur les coûts de la santé et envoyés aux différents prestataires de santé.

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SUISSE y

Dans le cadre de la révision en cours de la LAMal et d’autres réformes, Santésuisse pose les exigences suivantes : Relation assureurs-assurés > Il faut promouvoir les formes d’assurance visant à responsabiliser les assurés et à leur faire prendre conscience des coûts. Par ailleurs, le législateur doit permettre une plus grande prise en compte des préférences des clients.

> Il faut accroître les incitations à la gestion des coûts pour les assurés présentant des coûts de la santé élevés.

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SUISSE > Monitoring de l’évolution des coûts de l’assurance-maladie : L'evolution des coûts bruts par assuré par canton et groupe de coûts.

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SUISSE

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SUISSE - avis des assurĂŠs

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SUISSE - avis des assurĂŠs

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SUISSE - avis des assurĂŠs

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USA – Kaiser Permanente - Relevé Les personnes des plans à prestataires privilégiés reçoivent habituellement un « relevé de paiement d’indemnités médicales » ou EOB (Explanation Of Benefits) après avoir vu un médecin ou si elles sont hospitalisés. Ce document indique les charges du prestataire, la remise éventuelle négociée par l’assureur, ce que l’assureur a payé, et le solde à la charge du patient (ticket modérateur ou coassurance). Cependant, les « charges » ne sont pas des coûts ; en fait, les charges affichées peuvent être de 4 à 5 fois le coût et sont simplement utilisées comme un outil de négociation. Pour une hospitalisation, les patients peuvent recevoir des douzaines de relevés de paiement de l’hôpital, des laboratoires externes, des spécialistes et autres. Il est très difficile de savoir ce que leur traitement a réellement coûté. 104


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USA - kaiser Permanente - Relevé Dans les réseaux de soins coordonnés tels que Kaiser Permanente, les membres peuvent voir en ligne combien ils ont réglé de leur poche par rapport à leur franchise (la plupart des gens en ont une maintenant). Ensuite ils pourront connaître leur ticket modérateur, mais non le coût du service total. Cependant, il reste encore quelques plans d’assurance (bien que leur développement soit en perte de vitesse) « tournés vers le consommateur » où les patients ont des franchises très élevées (5 000 ou 10 000 $) et obtiennent de nombreuses informations sur le prix des traitements avant de les choisir. Là encore, le « prix » est une charge et non une mesure du coût. Très peu d’efforts sont faits pour communiquer davantage d’éléments aux consommateurs. Ils ne se soucient pas de ce que la caisse nationale dépense, ils se soucient uniquement de leurs propres primes et de leurs tickets modérateurs ! 105


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USA – peu d’intérêt suscité chez les assurés Au sujet de la question de faire prendre conscience aux patients des coûts de la santé, peu d’Américains comprennent qui paie quoi. Ils peuvent savoir que leur employeur paie 75 % de leur prime d’assurance santé, mais leur attention est concentrée sur les 25 % qui sont retenus sur leur paie. Certains employeurs, KP compris, indiquent maintenant le coût des indemnités “payées par l’employeur” sur le bulletin de paie. C’est la même chose avec Medicare. Les salariés paient un impôt pour la partie A de Medicare (services d’hospitalisation) et dès qu’ils ont 65 ans ils ne paient plus de prime. Les bénéficiaires paient 25% du coût de la partie B (médecins, laboratoires et soins ambulatoires), et ce sont les revenus généraux qui font le reste. De nombreux bénéficiaires Medicare pensent avoir déjà payé Medicare alors que leurs cotisations ne couvrent vraisemblablement qu’une partie de leurs frais réglés par le gouvernement.

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USA - politiquement Les assureurs et les employeurs (mais pas Medicare) ont augmenté leur franchise et la participation aux coûts pour réduire les coûts des primes et rendre les gens plus sensibles aux coûts. Cependant cela est politiquement difficile et peut avoir des conséquences indésirables (les gens ont réduit tous les soins et pas seulement les soins de faible valeur). Dans tous les cas, ces augmentations n’ont pas suivi la croissance des dépenses globales de santé. Les débours en tant que part de l’ensemble n’ont jamais été aussi bas.

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USA - MyHumana MyHumana, site web d’assurance maladie en ligne, fournit aux membres un accès sécurisé aux informations sur leurs plans d'assurance-maladie, ainsi que des ressources pour trouver des médicaments à moindre coût et les médecins en réseau. Il permet à ses membres de gérer plus facilement en ligne les différents apects de leur assurance maladie personnelle : y

Suivre vos dépenses médicales et celles de votre famille

y

Voir ce que vous avez dépensé et les dépenses prévisibles.

y

Vérifier les réclamations en cours.

y

Comprendre les prestations proposées par votre assurance.

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Avoir accès à des informations claires en matière de performance des professionnels de santé et en matière de coûts, à l’aide d’outils tels que Compare Hospitals, the Cost Estimator, and Physician Profile.

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USA - MyHumana > Consulter les détails de son compte santé : état du compte, activité du compte, remboursements à venir :

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USA - MyHumana Prescription Benefits Planning Tool Rx Calculator permet à l’affilié de : > Consulter le récapitulatif de ce qu’il a dépensé en matière de prescriptions depuis le début de l’année > Etablir une estimation de ses prochaines dépenses en matière de médicaments prescrits

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SOURCES y y y y y y y y y y y y y y y y y y y y y y

Dr Christian ALBERT, Médecin allemand Michel CLAVET, Protecteur du citoyen Jean-Luc COLLIGNON, Directeur du Centre belge d’Eduction du Patient Dr Patrick DESCOINS, ARS Midi-Pyrénées Claude DI STASIO, Association canadienne des compagnies d’assurance de personnes Dr Anne FJELLER, Médecin Conseil suédois Bob GANN, NHS Choices Joanne GAUMOND, RAMQ Muriel GRASSO-OGI, Office fédéral suisse de la Santé Publique Malo HARVEY, Ministère de la Santé britannique Maud HILAIRE, Santésuisse Roland ILZHOFER, German National Association of Statutory Health Insurance Physicians (NASHIP) Carmen MAIOR, Chargée du Développement Santé, Ubifrance Allemagne Denise MCLELLAN, Ministère de la Santé britannique Anne NEGARD, Ministère de la Santé suédois Gerk NUMAN, Ambassade des Pays-Bas à Paris Franz REGO, INAMI Michel REICHENBACH, SantéSuisse Dr Corinna SCHAEFER, German Agency for Quality in Medicine Dr David SOBEL, Kaiser Permanente Daniel TREMBLAY Régie de l’Assurance Maladie du Québec Murray ROSS, Vice-Président de Kaiser Permanente 111


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Original Articles

POPULATION HEALTH MANAGEMENT Volume 14, Number 1, 2011 ª Mary Ann Liebert, Inc. DOI: 10.1089/pop.2010.0001

Improving Population Care with an Integrated Electronic Panel Support Tool Yi Yvonne Zhou, PhD, Robert Unitan, MD, Jian J. Wang, MS, Terhilda Garrido, MPH, Homer L. Chin, MD, Marianne C. Turley, PhD, and Linda Radler, MBA

Abstract

This study measured the impact of an electronic Panel Support Tool (PST) on primary care teams’ performance on preventive, monitoring, and therapeutic evidence-based recommendations. The PST, tightly integrated with a comprehensive electronic health record, is a dynamic report that identifies gaps in 32 evidence-based care recommendations for individual patients, groups of patients selected by a provider, or all patients on a primary care provider’s panel. It combines point-of-care recommendations, disease registry capabilities, and continuous performance feedback for providers. A serial cross-sectional study of the PST’s impact on care performance was conducted, retrospectively using monthly summary data for 207 teams caring for 263,509 adult members in Kaiser Permanente’s Northwest region. Baseline care performance was assessed 3 months before first PST use and at 4-month intervals over 20 months of follow-up. The main outcome measure was a monthly care performance percentage for each provider, calculated as the number of selected care recommendations that were completed for all patients divided by the number of clinical indications for care recommendations among them. Statistical analysis was performed using the t test and multiple regression. Average baseline care performance on the 13 measures was 72.9% (95% confidence interval [CI], 71.8%–74.0%). During the first 12 months of tool use, performance improved to a statistically significant degree every 4 months. After 20 months of follow-up, it increased to an average of 80.0% (95% CI, 79.3%–80.7%). (Population Health Management 2011;14:3–9)

Disease registries track lists of patients with 1 or more shared diagnoses and manage relevant information about them. Used largely for populations with chronic conditions, disease registries enable outreach activities in which primary care teams or centralized case managers contact patients who need care. Disease registries improve process and outcome measures for chronic disease management but are used by less than half of all US physician organizations with more than 20 providers.12–14 Disease registries commonly supplement the patient record, constituting a parallel documentation system; their shortcomings include duplicate data input and, often, a significant time lag before current patient data is recorded in the registry.15,16 They typically address single conditions and omit preventive care needs. The third function of information technology, performance feedback, can boost provider performance on evidence-based care recommendations.17,18 Short-term quality improvement initiatives often effectively combine performance audit, provider feedback, and continuing medical education strategies.19 Integrated ongoing provider feedback is less common.

Introduction

G

aps between evidence-based recommendations and health care are well documented. In the United States, patients receive roughly half of recommended preventive, acute, and chronic illness care.1–4 Information technology has the potential to substantially improve health care.5 To do so, it must: (1) help primary care providers follow practice guidelines, (2) provide disease registries for individual care planning and population care management, and (3) provide feedback to physicians and other health care professionals about performance.6 Clinical decision support systems can help health care providers follow practice guidelines by automatically comparing patient information against evidence-based recommendations. Approximately 90% of systems provide point-of-care reminders or alerts, which are variably effective at improving provider performance.7–9 Challenges to creating and maintaining effective clinical decision support systems include continually updating evidence-based recommendations and providing highly relevant content.10,11

Kaiser Permanente, Portland, Oregon.

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ZHOU ET AL.

This study reports on an examination of the use of an integrated information technology application—the Panel Support Tool (PST), also known as the Population Management Tool—that optimally provides all 3 functions necessary to improve health care: (1) robust and relevant point of care reminders, (2) patient registries with immediate data availability, and (3) continuous performance feedback. Our objective was to measure the tool’s impact on performance on preventive, monitoring, and therapeutic care recommendations by primary care teams. Methods Setting and subjects Kaiser Permanente is the largest not-for-profit integrated health delivery system in the United States, serving 8.6 million members in 8 regions spanning 9 states and the District of Columbia. Kaiser Permanente provides and coordinates the entire scope of care for members including preventive care, well baby and prenatal care, immunizations, emer-

FIG. 1.

gency care, hospital and medical services, and ancillary services including pharmacy, laboratory, and radiology. The Kaiser Permanente Northwest region, with 363,000 adult members in March 2008, is located in Oregon and southwest Washington. We studied performance on recommended care guidelines by 207 internal medicine and family practice primary care teams. A physician or a nurse practitioner/physician assistant led each team, which also included medical assistants and other health care professionals such as registered nurses and health educators. Each team cared for a list, called a ‘‘panel,’’ of patients who had chosen or been assigned to the lead provider; the 207 primary care panels included an average of 1273 adult members and collectively cared for 263,509 patients. Members under 18 years old are excluded. In addition, many physicians work part-time and carry a smaller panel than do full-time providers. The Panel Support Tool A proprietary Web-based application, the PST is tightly integrated with KP HealthConnect, a comprehensive

Panel Support Tool, patient-level view.


infosantésuisse : dossier Der Patient 3/2011 138 IMPROVING POPULATION CARE WITH PANEL SUPPORT TOOL electronic health record; providers can toggle between them. KP HealthConnect includes comprehensive documentation of patient care in all settings and connectivity to lab, pharmacy, radiology, and other ancillary systems. The adult primary care module of the PST was deployed between March and December of 2006 as part of a model of care called total panel ownership.20 Harnessing the power of immediately available and complete patient information, the PST allows primary care providers to examine rapidly what is recommended for the specific care needs of individual patients, any group within their patient panel (eg, members diagnosed with diabetes), or their entire panel. The PST is displayed as a dynamic report. The patientlevel view (Fig. 1) highlights the most recent clinic, urgent care, and/or emergency department visits, vital signs, medications, and any differences or ‘‘gaps’’ between 32 evidence-based care recommendations and delivered care. The PST monitors recommendations pertaining to medication management and screening for comorbidities for 5 chronic conditions: asthma, type 2 diabetes, coronary artery disease, heart failure, and chronic kidney disease. The tool also monitors preventive care measures such as administering adult immunizations, and screening for breast, cervical, and colorectal cancer, hyperlipidemia, and osteoporosis. For each care recommendation, the PST precisely indicates any action needed. Some recommendations monitored by the tool are derived from the Healthcare Effectiveness Data and Information Set (HEDIS). HEDIS is collated by the National Committee for Quality Assurance and is a series of standardized performance measures used by the majority of US managed care plans. Other recommendations reflect organizational priori-

FIG. 2.

5

ties based on peer-reviewed literature and/or internal research at Kaiser Permanente. In the panel-level view (Fig. 2), the PST enables outreach by displaying key information on all panel members such as age, sex, diagnoses (indicated by a Y), and any gaps between recommended care and what patients have received. By default, members are listed in decreasing order of gap scores between recommended care and care received, so clinicians can immediately see which members are most in need of outreach, as well as how successfully they are performing recommended care for the entire panel. Color-coding indicates disease severity and care gaps. Gaps in care are identified electronically using data from multiple sources and a methodology similar to that of HEDIS. Each night, the PST extracts data from KP HealthConnect and the data repository for all encounter, pharmacy, laboratory, and claims data and automatically updates all patient-level and panel views. When patients obtain needed screening or lab tests or fill prescriptions, the PST reflects the activity the following day. Design A serial cross-sectional study was conducted, retrospectively using monthly summary data for 207 teams. Baseline care performance was assessed 3 months prior to first use of the tool and in the month in which was began. Care performance was then assessed at 4-month intervals over 20 months of follow-up. Outcome measures The main outcome measure was a monthly care performance percentage for each provider team, calculated as the

Panel Support Tool, panel-level view.


infosantésuisse : dossier Der Patient 3/2011 139 6

ZHOU ET AL.

number of completed care recommendations for all panel patients divided by the number of clinical indications for care recommendations among them. Care performance percentage was calculated using 13 of the 32 PST care recommendations (Table 1); 19 care recommendations were excluded because of strong seasonal variation or changes in the definition of the measure over time. A single patient can qualify for multiple care recommendations on the basis of age, sex, and/or diagnosed conditions, and a single constellation of age, sex, and diagnosed conditions may indicate a need for more than 1 recommended intervention. For instance, heart failure with systolic dysfunction between the ages of 18 and 85 indicates a need for

Table 1. Care Recommendations Monitored by the Panel Support Tool Therapy recommendations Statins * Cardiovascular disease and diabetes mellitus populations* or based on 10-year coronary artery disease risk score Angiotensin-converting enzyme/Angiotensin receptor blocker * Indication: cardiovascular disease risk,* diabetes mellitus nephropathy,* heart failure* Beta-blockers * Indication: Post-myocardial infarction* or in heart failure* Glycemic control * Insulin if hemoglobin A1c 9 and on oral medications for 1 year * Metformin if body mass index 27 and hemoglobin A1c 8 Blood pressure control * Medications when blood pressure >140/90 in uncomplicated hypertension Osteoporosis treatment * In women older than age 65 with T-score 2.5 * Post fracture Monitoring recommendations Diabetes * Hemoglobin A1c* * Renal screening* * Foot screening * Retinal screening * Low-density lipoprotein screening* High-risk populations * Low-density lipoprotein screening Medication monitoring * Annual laboratory tests Chronic kidney disease * Creatinine, urine protein, hemoglobin, electrolytes Prevention recommendations High-risk populations * Flu shot during flu season * Pneumovax* General population * Mammogram* * Pap smear* * Colorectal screening * Cholesterol screening* * Tetanus shot* * Osteoporosis screening *Included in analysis.

treatment with beta-blockers and for treatment with an angiotensin-converting enzyme inhibitor or angiotensin II receptor blocker; each indicator was counted separately. The t test was used to assess the statistical significance of changes in monthly care performance summary data, comparing each 3-month measurement interval to the previous one. Multiple regression was also used to model the relationship between several independent variables and care performance. Independent variables included panel size and composition, baseline care performance, length of PST use, and an index of severity called the ‘‘care opportunity rate.’’ The care opportunity rate for each provider team was calculated as the number of clinical indications for care measures among all panel patients divided by the number of panel patients. All data used in the analysis for this paper was aggregated to the level of provider teams; ethics approval was not required. Results Among the 207 teams, average panel size included 1273 adult patients; within each panel, on average, 45% of adult patients were male, 52% were between the ages of 35 and 64 years, and 19% were 65 years of age or older. The average baseline care opportunity rate was 1.76. In other words, there were 1.76 unmet clinical care recommendations per panel patient. Average care performance before PST implementation was 72.9% both 3 months before implementation and in the month in which use began. After 12 months, it increased to 78.0% (95% confidence interval [CI], 77.3%–78.7%). After 20 months of follow-up, it further increased to an average of 80.0% (95% CI, 79.3%–80.7%). Table 2 displays improvements measured at 4-month intervals over the course of the observation period and their corresponding P values with Bonferroni correction. In a mixed model with repeated measures analysis, baseline care performance had the highest b coefficient at 0.85 (95% CI, 0.78–0.91). As a result, expected care performance improvements corresponded closely to observed improvements (R2 ¼ 0.76). Also of interest were the linear and quadratic terms of length of use, which indicated a 5% increase in performance in the first year. Independent variables and their coefficients are detailed in Table 3.

Table 2. Improvements in Care Performance Percentage with Panel Support Tool Use Months since implementation 3 0 4 8 12 16 20 *Bonferroni correction. NS, not significant.

Performance (95% confidence interval) 72.9% 72.9% 74.6% 76.5% 78.0% 79.1% 80.0%

(71.8%–74.0%) (72.2%–73.6%) (73.9%–75.3%) (75.8%–77.2%) (77.3%–78.7%) (78.4%–79.8%) (79.3%–80.7%)

Corrected P value* n/a NS <0.006 <0.006 <0.03 NS NS


infosantésuisse : dossier Der Patient 3/2011 140 IMPROVING POPULATION CARE WITH PANEL SUPPORT TOOL

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Table 3. Regression Analysis with Repeated Measures of Care b coefficient (95% confidence interval) Intercept Average baseline care performance Percent of panel members aged 18 to 34a Percent of male panel members Panel size/1000 members Length of use in years Length of use in years length of use in yearsb Average baseline care opportunity ratec/10 performance improvements

0.30 0.69 0.06 0.05 0.01 0.06 0.01 0.04

(0.25–0.35) (0.63–0.75) ( 0.09– 0.04) ( 0.07– 0.03) ( 0.02– 0.01) (0.05–0.17) ( 0.01– 0.01) ( 0.07– 0.02)

P value <0.0001 <0.0001 <0.0001 <0.0001 0.0004 <0.0001 <0.0001 0.002

a

There was no statistical significance to the percent of members aged 35 to 64 or the percent of members aged 65 and older. We used the quadratic term (length of use in years length of use in years) in addition to the linear term (length of use in years) because the performance improvement slowed as length of use increased. In other words, the relationship between performance improvement and length of use is not a simple linear one. c Calculated as the number of clinical indications for care measures among all panel patients divided by the number of patients on the panel. b

Discussion In 20 months, 207 teams using the PST increased their performance on 13 care recommendations by 7.1%. The care recommendations spanned therapeutic and monitoring needs in patients with heart failure, coronary artery disease, and diabetes, as well as routine preventive care. Improvements were most rapid and statistically significant in the first 12 months of use but continued throughout 20 months of followup. In an organization with high baseline performance on care recommendations, the PST enabled further improvements. Alternative explanations for our findings include the presence of other initiatives to increase performance on care recommendations. While adherence to evidence-based guidelines has long been a focus at Kaiser Permanente, there were no contemporaneous initiatives. Baseline performance remained unchanged when measured 3 months before and during the month of PST implementation. In addition, teams that used the tool more performed better than those that used the tool less. This is true for some measures despite baseline performance of some high-use teams being lower than baseline performance of some low-use teams. Strengths of this study include the large number of providers and patients and the ability to capture evidence-based care in multiple domains. Limitations include the lack of a control group. System architecture and the implementation schedule precluded randomizing Kaiser Permanente Northwest clinicians or patients into intervention and control groups, and significant interregional operational differences prohibited using another Kaiser Permanente region as a control. In addition, while performance on evidence-based care recommendations improved, patient outcomes were not studied. The PST differs substantially from previously reported information technology tools by simultaneously supporting ‘‘inreach’’ and ‘‘outreach.’’ Inreach occurs when all of a patient’s needs are met during clinical encounters. The tool supports inreach by highlighting all unmet needs, regardless of the reason for a scheduled visit. Outreach activities include contacting patients to arrange needed tests, medications, and visits. The tool enables outreach by stratifying patients from the greatest care gap to the least, allowing providers to identify who most needs care. The PST provides current

patient data and is tightly integrated with the patient’s complete electronic health record. Last, the tool provides continual performance feedback to physicians. Few reports of similarly comprehensive systems were found in the literature. Published reports focus largely on just 1 of the functionalities offered by the PST. Numerous evaluations and reviews of disease-specific decision support systems have been reported.21 Paper or electronic evidencebased checklists have been designed to increase preventive care among adults of average risk.22,23 Only 1 other clinical decision support system was found that addressed both prevention and therapeutic goals across diagnoses, using structured questions for patients and physicians to elicit more information related to the patient’s chief complaint and linking the results to an electronic knowledge base.24 However, its functionality was limited and it demonstrated no consistent pattern of clinician performance improvement. A systematic review found that information systems that provide decision support automatically as part of clinician workflow are associated most strongly with successful outcomes.25 In contrast, the current findings demonstrate that systems that rely on the initiative of primary care provider teams are also effective. One best practice for inreach depends on a medical assistant to review PST care recommendations that should be addressed in an upcoming visit, regardless of the reason for the visit. The medical assistant adds these recommendations as pending orders in the patient’s electronic health record; the primary care clinician reviews and signs the pending orders when seeing the patient. Best practice outreach strategies include querying the system for care gaps for the entire panel every 2 to 4 weeks, sending standardized letters or secure e-mail messages around the time of members’ birthdays that identify all needed care, having medical assistants or nurses call patients to schedule screening tests, and having pharmacists review the patient’s record for needed care when refilling medications. Continuous performance tracking integrated into the PST is a feature for which we found no other examples in the literature. Other studies and meta-analyses that assessed the potential of clinical decision support systems to improve screening rates demonstrated variable improvements on individual measures from 5.8% to 16.3%.26–28 However, while previous


infosantésuisse : dossier Der Patient 3/2011 141 8 studies have focused largely on the efficacy of clinical decision support systems,29 the current study presents data on effectiveness within a large and diverse population. It is important to note that PST implementation occurred in the context of strong support from clinical and operational leadership, a clear expectation from leadership that all primary care teams would use the tool and would also focus on specified quality goals during 2007, and postimplementation support that continued to adjust the tool to fit best within team workflows. These factors no doubt played a role in the tool’s impact on performance. The results point out the potential of ‘‘next generation’’ information technology to improve quality of care without creating additional burden for primary care providers. In the current model, medical assistants working to the full scope of practice use the PST to help busy primary care clinicians attend to inreach and outreach needs that might otherwise go unmet. Despite increasing demand for primary care services, 73% of clinicians and staff surveyed in 2008 agreed with the statement, ‘‘the PST has improved my work life.’’ However, health information technology alone is insufficient to improve care. Integrated health systems with incentive structures that promote quality and efficiency of care can motivate its effective use. In this study, additional quality was added to visits already scheduled through inreach activities, and outreach improved performance on care recommendations—without concern for revenue impacts. Nonintegrated systems could achieve similar results with population care registries, electronic supports similar to the PST, and aligned incentive structures. We note that performance on care recommendations measures only the process of care. This study does not address health outcomes. While the relationship between care processes and outcomes has been documented for some care recommendations, a comprehensive discussion of this evidence is beyond the scope of this paper. Future research should confirm that improved performance on recommended care using the PST does indeed improve health outcomes. PST functionalities continue to improve. Its integration within the electronic health record has increased since this study was conducted; physicians can now view the patientlevel screen from within any clinical encounter in the electronic health record and, with a few clicks, care recommendations in the PST appear as orders in the electronic health record. An additional function under development is the inclusion of biomathematical modeling that will predict patient outcomes of adhering to care recommendations. We anticipate that modeling will provide additional motivation for patients to follow through on care recommendations. Future research should assess its impact. Conclusion A PST, integrating point-of-care decision supports, population care management functions, and performance feedback with a comprehensive electronic health record, is an effective tool to improve performance on evidence-based care guidelines. Acknowledgments The authors would like to thank Thomas Hickey, M.D., Nancy Louie Lee, M.S., R.Ph., Mark Kleinman, M.D., and

ZHOU ET AL. Kati Traunweiser, operational and clinical leaders in the Northwest region, for operational insights and support; Trung Vu, Dawn Hayami, Harold Kurt, Mike Nash, and Luke Scott for Panel Support Tool database information and analytical advice; and Adrianne Feldstein, Ph.D. for advice. Very special thanks to Jed Weissberg, M.D. of Kaiser Permanente’s national quality leadership for sponsorship, insightful comments, and analytic suggestions. Jenni Green, M.S., provided editorial assistance. Author Disclosure Statement Drs. Zhou, Unitan, Chin, and Turley and Mr. Wang, Ms. Garrido, and Ms. Radler disclosed no conflicts of interest. References 1. McGlynn EA, Asch SM, Adams J, et al. The quality of health care delivered to adults in the United States. N Engl J Med 2003;348:2635–2645. 2. Mangione–Smith R, DeCristofaro AH, Setodji CM, et al. The quality of ambulatory care delivered to children in the United States. N Engl J Med 2007;357:1515–1523. 3. Mularski RA, Asch SM, Shrank WH, et al. The quality of obstructive lung disease care for adults in the United States as measured by adherence to recommended processes. Chest 2006;130:1844–1850. 4. Shrank WH, Asch SM, Adams J, et al. The quality of pharmacologic care for adults in the United States. Med Care 2006;44:936–945. 5. Institute of Medicine. Crossing the Quality Chasm: A New Health System for the 21st Century. Washington DC: National Academies Press; 2001 6. Bodenheimer T, Wagner EH, Grumbach K. Improving primary care for patients with chronic illness. JAMA 2002;288: 1775–1779. 7. Wears RL, Berg M. Computer technology and clinical work: Still waiting for Godot. JAMA 2005;293:1261–1263. 8. Garg AX, Adhikari NK, McDonald H, et al. Effects of computerized clinical decision support systems on practitioner performance and patient outcomes: a systematic review. JAMA 2005;293:1223–1238. 9. Hunt DL, Haynes RB, Hanna SE, Smith K. Effects of computer-based clinical decision support systems on physician performance and patient outcomes: A systematic review. JAMA 1998;280:1339–1346. 10. Schnipper JL, Linder JA, Palchuk MB, et al. ‘‘Smart Forms’’ in an electronic medical record: Documentation-based clinical decision support to improve disease management. J Am Med Inform Assoc 2008;15:513–523. 11. Ash JS, Sittig DF, Campbell EM, Guappone KP, Dykstra RH. Some unintended consequences of clinical decision support systems. AMIA Annu Symp Proc 2007;11:26–30. 12. Schmittdiel J, Bodenheimer T, Solomon NA, Gillies RR, Shortell SM. Brief report: Tthe prevalence and use of chronic disease registries in physician organizations. A national survey. J Gen Intern Med 2005;20:855–858. 13. Harris MF, Priddin D, Ruscoe W, Infante FA, O’Toole BI. Quality of care provided by general practitioners using or not using division-based diabetes registers. Med J Aust 2002;177:250–252. 14. Stroebel RJ, Scheitel SM, Fitz JS, et al. A randomized trial of three diabetes registry implementation strategies in a community internal medicine practice. Jt Comm J Qual Improv 2002;28:441–450.


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Address correspondence to: Yi Yvonne Zhou, Ph.D. Analytics & Evaluation HIT Transformation/Analytics 500 NE Multnomah Street 10th Floor, DMI Suite Portland, OR 97232 E-mail: Yvonne.Y.Zhou@kp.org


infosantĂŠsuisse : dossier Der Patient 3/2011 143


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WESENTLICHE PUNKTE DES PATIENTENRECHTS

VORWORT ....................................................................................................................................... 2 1 - RECHT AUF WAHLFREIHEIT ...................................................................................................... 3 2 - INFORMATIONSRECHT ................................................................................................................ 5 3 - EINSICHTSRECHT ....................................................................................................................... 6 4 - DAS BERUFSGEHEIMNIS ............................................................................................................. 8 5 - FREIE UND AUFGEKLÄRTE EINWILLIGUNGSERKLÄRUNG ........................................................ 10 6 - ZWANGSMASSNAHMEN ............................................................................................................ 12 7 - BEGLEITUNGSRECHT................................................................................................................ 13 8 - PATIENTENVERFÜGUNG UND THERPAEUTISCHER VERTRETER ................................................ 15 9 - ORGAN- UND GEWEBESPENDE .................................................................................................. 17 WAS TUN WENN PROBLEME AUFTRETEN

? DIE BESCHWERDEVERFAHREN...................................... 19

A. DIE MEDIATIONSINSTANZEN DER BERUFLICHEN ORGANISATIONEN ............................................................19 B. DIE KANTONALEN BESCHWERDEINSTANZEN..............................................................................................19

SIE BRAUCHEN HILFE, INFORMATIONEN ODER RATSCHLÄGE ? NÜTZLICHE ADRESSEN .................. 20

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infosantésuisse : dossier Der Patient 3/2011 145

VORWORT Jeder von uns muss eines Tages einen Arzt aufsuchen oder in einem Krankenhaus gepflegt werden. In der Beziehung Patient-Gesundheitswesen werden dem Patienten gesetzlich gewisse Rechte anerkannt. Diese Rechte sind jedoch bei der Bevölkerung noch zu wenig bekannt; deshalb möchte der öffentliche Gesundheitsdienst des Kantons Waadt die in Kraft tretende Revision des Gesundheitsgesetzes als Ausgangspunkt für eine bessere Kenntnis dieser Rechte gebrauchen. Diese Broschüre soll die Oeffentlichkeit über ihre Rechte innerhalb ihrer Beziehungen mit dem Medizinal-und Pflegepersonal informieren. Ein aufgeklärter Patient wird seine Lage besser einschätzen können, seine Ansicht gelten lassen und in Kenntnis der Sachlage an den vorgesehenen Behandlungen teilnehmen. Diese Veröffentlichung soll im Sinne einer grösseren Transparenz dazu beitragen, das gegenseitige Vertrauen einer guten therapeutischen Beziehung zu fördern. Die wichtigsten Patientenrechte wurden in 9 Kapiteln zusammengeführt. Jedes besteht aus drei verschiedenen Teilen: • • •

der erste Teil ist eine kurze Zusammenfassung der einzelnen Patientenrechte, mit Angabe des/der Gesetzartikel, auf die sich der interessierte Leser beziehen kann, wenn er die genaue Formulierung des Gesetzes kennen möchte. Der zweite Teil, mit dem Titel « In der Praxis », gibt wichtige Erklärungen und Angaben um das Gesetz zu verstehen; Der dritte Teil, mit dem Titel « Gut zu wissen», beantwortet die Hauptfragen der Öffentlichkeit in Bezug auf die besprochenen Themen.

Für zusätzliche Informationen oder Ratschläge stehen am Ende der Broschüre die Adressen der Organisationen, an die sich die interessierten Personen wenden können, sowie die Rechtsmittel die dem Patienten zur Verfügung stehen, wenn er schätzt, dass eines seiner Rechte verletzt wurde. Zum Schluss sollte man nicht vergessen, das die Rechte des Patienten nicht ohne bestimmte Pflichten gehen. Eine wirksame Behandlung bedarf der aktiven Teilnahme des Patienten. So ist der Patient verpflichtet, den Arzt so genau wie möglich über seine Krankeit zu informieren, sowie über eventuelle vorige Behandlungen. Wichtig ist auch, dass der Patient die Behandlung, in die er eingewilligt hat, befolgt. Schlussendlich verhilft eine höfliche und respektvolle Beziehung zu einem guten therapeutischen Rahmen.

Marc Diserens, Chef des öffentlichen Gesundheitdienstes Dr Jean Martin, Früherer Kantonalarzt

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infosantésuisse : dossier Der Patient 3/2011 146

1 – RECHT AUF WAHLFREIHEIT Im Falle einer ambulatorischen Behandlung hat der Patient das Recht, den Arzt frei zu wählen. Er hat auch das Recht, die Krankenanstalt, in der er gepflegt werden möchte, frei zu wählen. (Nach Artikel 20 des Gesetzes über das öffentliche Gesundheitswesen vom 29. Mai 1985)

In der Praxis Der Patient kann sich an die Medizinalperson seiner Wahl wenden; diese kann jedoch den Entschluss fassen, den Patienten zu einem Kollegen zu schicken, wenn er schätzt, dass er in diesem spezifischen Falle nicht über die angemessene Behandlung oder Zeit verfügt. Der Patient kann in einer öffentlichen Krankenanstalt seiner Wahl aufgenommen werden. Sie muss jedoch über ein freies Bett und über die von der Behandlung benötigten Einrichtungen verfügen. In den Spitälern und öffentlichen Krankenanstalten gebraucht es der Einwilligung des Patienten, um von den dort arbeitenden Ärzten gepflegt zu werden. Auf Wunsch hat der Patient das Recht auf eine zweite externe ärztliche Beurteilung. Jedoch werden die Kosten dieser Konsultation ihm zu Lasten gehen. Ausser im Notfall oder bei besonderen ärtzlichen Anweisungen (zum Beispiel eine Behandlung die im Kanton nicht verfügbar ist), muss der Patient in ein Krankenhaus seines Kantons eingewiesen werden. In einigen Fällen kann die Wahlfreiheit des Patienten von seiner Versicherungsdeckung eingeschränkt werden. Im Zweifelsfall betreffend eine Behandlung oder Spitaleinweisung sollten Sie sich vorher bei Ihrer Versicherung genauere Angaben geben lassen. Der Schweizer Verein der Versicherten, dessen Adresse am Ende der Broschüre steht, kann Ihnen ebenfalls nähere Auskunft erteilen. Gut zu wissen Was kann die Wahlfreiheit einer Krankenanstalt einschränken ? Nicht nur die Versicherungsformel kann die Wahl des Versicherten einschränken, sondern auch ein Mangel an freien Betten oder an angemessenen Einrichtungen in einem Pflegeheim oder einem Spital. Was geschieht, wenn ein Arzt nur in einer Privatklinik operiert? Wenn die Klinik keine allgemeine Abteilung hat oder wenn Ihre Versicherung die Privatabteilung nicht deckt, wird ein Teil der Kostenübernahme Ihnen zukommen. Sie sollten sich deshalb im Voraus bei Ihrem Arzt und bei Ihrer Versicherung erkundigen.

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infosantésuisse : dossier Der Patient 3/2011 147

Was geschieht, wenn ich ein Spital ausserhalb des Kantons Waadt wähle, obwohl meine Lage weder dringend noch aussergewöhnlich ist? Wenn sie keine Zusatzversicherung haben die diesen Fall deckt, wird ein Teil der Kostenübername an Sie gehen. Sie sollten sich deshalb bei Ihrem Arzt und bei Ihrer Versicherung erkundigen. Habe ich das Recht, mein Pflegeheim zu wählen ? Sie dürfen das Pflegeheim, in dem Sie wohnen möchten, frei wählen und auf Wunsch wechseln. Sie sind jedoch verpflichtet, ein Pflegeheim zu wählen, dessen Aufgabe (Geriatrie oder Psychogeriatrie) Ihrem Gesundheitszustand entspricht. Ausserdem müssen Sie sich bewusst sein, dass das Pflegeheim Ihrer Wahl nicht unbedingt zum richtigen Zeitpunkt über einen freien Platz verfügen wird. Kann ich im Pflegeheim den Arzt frei wählen? Ja. Wenn Sie es wünschen, können Sie einen externen Arzt aufsuchen. Die Konsultation wird Ihnen von der Grundversicherung zurückerstattet. Was würde geschehen, wenn ich ein Pflegeheim ausserhalb des Kantons Waadt wählen würde, um mich meinen Kindern zu nähern? Dies würde keine Folgen für Ihre AHV-Rente und Ihre Zusatzleistungen haben, beide sind den Bundesgesetzen unterstellt. Hingegen hätten Sie dann aber kein Recht auf die Unterstützung des LAPREHEMS, das Waadtländer Gesetz für pflegeheimbedürftige Personen. In einigen Fällen könnten Sie aber trotzdem die Waadtländische Sozialhilfe beziehen. Sie ist dann aber rückzahlbar und kann einen Beitrag der Familie an die Unterhaltskosten der Person bedeuten. Sie sollten sich deshalb über die Ihnen zustehende Hilfe im Kanton wo sich das Pflegeheim ihrer Wahl befindet, erkundigen.

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2 - INFORMATIONSRECHT Der Patient hat ein Recht auf eine verständliche und angemessene Information über seinen Gesundheitszustand, die vorgesehenen Untersuchungen und Behandlungen und deren eventuellen Folgen und Risiken, sowie über die Prognose und den finanziellen Aspekt der Behandlung. Auf Wunsch kann der Patient jederzeit eine zweite ärztliche Beurteilung beantragen. Bei seiner Aufnahme in einer Krankenanstalt muss der Patient schriftlich über seine Rechte und Pflichten sowie über seine Aufenthaltsbedingungen informiert werden. (Nach Artikel 21 des Gesetzes über das öffentliche Gesundheitswesen vom 29. Mai 1985)

In der Praxis Die Medizinalperson ist verpflichtet, den Patienten spontan aufzuklären. Sie muss ihm sachlich und vollständig alle nötigen Informationen geben, damit der Patient in die Behandlung aufgeklärt einwilligen kann. Diese Information kann jedoch in zwei Fällen beschränkt sein oder gar ausbleiben: • Wenn der Patient klar auf jede Information verzichtet, zum Beispiel wenn er nicht wissen will, ober er an einer unheilbaren Krankeit leidet. • Im Notfall, die Information wird dann später erteilt. Die Information ist für den Patienten, und nur für ihn, bestimmt. Gegenüber anderen Personen (darunter auch die Kollegen die nicht an der Behandlung beteiligt sind), sind die Medizinalpersonen an das Berufsgeheimnis gebunden. Wenn der Patient einen therapeutischen Vertreter genannt hat, (siehe Kapitel «Patientenverfügung und therapeutischer Vertreter»), ist die Medizinalperson verpflichtet, ihm treffende Informationen zu erteilen. Das Berufsgeheimnis wird dann, wenn nötig, für den therapeutischen Vertreter aufgehoben. Wenn der Patient eine zweite ärtzliche Beurteilung wünscht, hat er das Recht, den Arzt seiner Wahl aufzusuchen. Diese Konsultation wird von der Grundversicherung zurückerstattet. In den Spitälern kann er bei einem externen Arzt um eine zweite ärztliche Beurteilung bitten. Die Kosten dieser Konsultation werden jedoch ihm zu Lasten gehen. Gut zu wissen Warum eine zweite ärtzliche Beurteilung beantragen? Eine zweite ärtzliche Beurteilung ist nicht Zeichen des Misstrauens gegenüber dem Arzt. Sie bezweckt eine bessere Aufklärung des Patienten, damit er sich in Kenntnis der Sachlage für oder gegen die ihm vorgeschlagene Behandlung entscheiden kann. In welchem Fall kann ich eine zweite ärtzliche Beurteilung beantragen? Der Patient kann jederzeit eine zweite ärtzliche Beurteilung beantragen. Dieser Schritt ist besonders vor einem nicht dringenden chirurgischen Eingriff oder bei einer schweren vorgesehenen Behandlung geeignet.

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3 - EINSICHTSRECHT Der Patient hat jederzeit ein Einsichtsrecht in seine Krankengeschichte und kann sich den Inhalt erklären lassen. Er kann sich im Prinzip diese Unterlagen gratis übergeben lassen, als Original oder als Kopie, und ist berechtigt, sie einer Medizinalperson seiner Wahl weiterzugeben. (Nach Artikel 24 des Gesetzes über das öffentliche Gesundheitswesen vom 29. Mai 1985)

In der Praxis Dieses Recht umfasst weder die persönlichen Notizen des Arztes für seinen Eigengebrauch, noch die Informationen über andere Personen, die unter dem Schutz des Berufsgeheimnis stehen. Ausserdem kann der Arzt, wenn seiner Meinung nach eine Einsicht in die Krankengeschichte schlimme Folgen für den Patienten haben könnte, während der Einsicht seine eigene Anwesenheit oder die eines vom Patienten gewählten Arztes beantragen. Gut zu wissen Und was ist, wenn meine nächsten Angehörigen oder eine andere Medizinalperson Einsicht in meine Unterlagen verlangen? Ihre nächsten Angehörigen oder eine andere Medizinalpersonen können nur mit ihrem vollen Einverständnis Einsicht in ihre Unterlagen erhalten. Kann die Medizinalperson mir die Einsicht in meine Unterlagen verweigern, oder sie mir nur teilweise zeigen? Nein, mit Ausnahme seiner persönlichen Notizen oder Informationen über Dritte. Er kann jedoch darum bitten, dass Sie Ihre Unterlagen nur in seiner Anwesenheit konsultieren. Was wird aus meiner Krankengeschichte, wenn ich mich entscheide, einen anderen Arzt aufzusuchen? Sie können verlangen, dass ihre Unterlagen Ihnen persönlich übergeben werden oder dass sie an die neue Medizinalperson weitergeleitet wird. Im Falle eines Vorbehalts oder Weigerung können Sie sich an die bestehenden Mediationsinstanzen oder Beschwerdeinstanzen wenden. Welche Unterlagen kann eine Krankengechichte enthalten? Das Patientendossier enthält sachliche Anweisungen der Medizinalperson (Krankengeschichte, Diagnose, Fortschreiten der Krankheit,…) und Behandlungseinzelheiten (verabreichte Medikamente, Untersuchungsresultate und Röntgenbilder, Begutachtungen, Operations- oder Spitalaufenthaltsberichte, Zertfikate, …).

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Was versteht man unter « persönlichen Notizen » des Arztes? Einige Beispiele persönlicher Notizen einer Medizinalperson: Notizen, die sie nur als Merkzettel gebraucht und die ihr zum Beispiel helfen, sich am Telefon sofort an eine Person zu erinnern, oder auch die Supervisionssdokumente eines Hilfarztes, die ihm ausschliesslich zur Analyse seines Verhaltens gegenüber dem Patienten dienen. Handgeschriebene Bemerkungen sind jedoch nicht unbedingt persönliche Notizen. Wenn sie zur Krankengeschichte gehören, hat der Patient dazu Zugang. Was passiert mit meinem Dossier nach meinem Tod? Ihre Unterlagen bleiben auch nach Ihrem Ableben durch das Berufsgeheimnis geschützt. Ihre Angehörigen haben nur mit der Erlaubnis der Kantonalen Aufsichtsbehörde ein Einsichtsrecht.

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4 – DAS BERUFSGEHEIMNIS Der Patient hat ein Recht Gesundheitszustand anbelangt.

auf

Wahrung

der

Vertraulichkeit

was

seinen

Die Medizinalpersonen sind verpflichtet, das Berufsgeheimnis, auch als « Arztgeheimnis » bezeichnet, einzuhalten. Sie müssen jede Information, die sie im Ausüben ihrer Tätigkeit wargenommen haben, für sich behalten. Von gesetzlich vorgesehenen Ausnahmen abgesehen, dürfen sie sie nicht ohne die Einwilligung ihrer Patienten weitergeben. Das Berufsgeheimnis gilt auch unter den Medizinalpersonen. (Nach Artikel 80 et 80a des Gesetzes über das öffentliche Gesundheitswesen vom 29. Mai 1985)

In der Praxis Das Berufsgeheimnis bezweckt den Schutz des Patienten und dessen Interessen. Diese Schweigepflicht ist eine Voraussetzung für das notwendige Vertrauensverhältnis Arzt-Patient. Wenn er es für gut hält, kann der Patient den Arzt von seiner Schweigepflicht entbinden und ihm erlauben, Informationen an Dritte weiterzugeben. Er kann zum Beispiel die Uebergabe seiner Krankengeschichte an einen anderen Arzt beantragen oder gegebenenfalls verlangen. Das Berufsgeheimnis kann nicht gegen den Patienten erwähnt werden, denn dieser behält immer ein Einsichtsrecht in seine Krankengeschichte. Die Medizinalperson kann also nicht an das Berufsgeheimnis appellieren, um dem Patienten etwaige Informationen vorzuenthalten oder ihm den Zugang zu seinen Unterlagen zu verweigern. Auch nicht im Falle eines Konfliktes zwischen ihm und dem Patienten. Das Berufsgeheimnis wird auch unter den Ärzten befolgt. Es bedarf der ausdrücklichen Einwilligung des Patienten, damit der Arzt seinen Kollegen Elemente des Dossiers mitteilen kann. Das Berufsgeheimnis ist nicht absolut. In bestimmten und gesetzlich vorgesehenen Situationen, ausser bei einer klaren Einwilligung des Patienten, kann der Arzt von der Schweigepflicht entbunden werden: • • • •

Wenn ein Bundes- oder Kantonalgesetz den Arzt dazu verpflichtet, die Behörden zu informieren ; bestimmte ansteckende Krankheiten, so wie Tuberkulose oder Meningitis, müssen unbedingt den Gesundheitsbehörden gemeldet werden. Die Ärzte müssen alle ihnen bekannten Fällen von Misshandlung von Minderjährigen anzeigen ; sie haben auch die Pflicht, gefährliche Behandlungen oder Misshandlungen eines Patienten anzuzeigen. Das Bundesgesetz für Strassenverkehr sieht vor, dass ein Arzt den Behörden die Fahrer melden kann, deren Gesundheitszustand ihre Fahrfähigkeit beinträchtigt. Wenn der Patient dem Arzt die Informationsweitergabe verweigert, kann dieser aus wichtigen Gründen eine Entbindung seiner Schweigepflicht bei der Kantonalen Aufsichtsbehörde beantragen. Dies ist zum Beispiel der Fall, wenn der Arzt den Partner eines Patienten, der an einer schweren ansteckbaren Krankeit leidet, über eine mögliche Ansteckungsgefahr informieren möchte .

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Gut zu wissen Ist der Arzt dazu verpflichtet, Informationen über mich an Dritte zu vermitteln, wenn ich es möchte ? Im Prinzip ja. Jedoch kann er in grossen Ausnahmefällen darauf verzichten, zum Beispiel wenn er schätzt, dass die Vermittlung dieser Informationen Ihnen schaden könnte. Er kann sich jedoch nicht auf das Berufsgeheimnis berufen, wenn er mit Ihnen in Konflikt gerät. Was ist mit dem Berufsgeheimnis, wenn sich Angehörige über meinen Gesundheitszustand erkundigen wollen ? Der Arzt kann sie nur mit Ihrer Einwilligung informieren. Das Berufsgeheimnis bleibt auch nach dem Tod erhalten. Wenn Ihre Angehörigen nach Ihrem Ableben Informationen erhalten möchten, muss die Kantonale Aufsichtsbehörde ihre Zustimmung geben. Und wenn ich minderjährig bin? Ein Minderjähriger wird im Alter von ungefähr 14 oder 15 Jahren als einsichtsfähig erklärt, je nach Fall. Dem einsichtsfähigen, minderjährigen Patienten gebühren diesselben Rechte wie einem Erwachsenen. Als urteilsfähiger und minderjähriger Patient haben sie ein Recht auf Vertraulichkeit, was Ihr Gesundheitszustand anbelangt. Die Medizinalperson ist also dazu verpflichtet, Ihren Wunsch, die Eltern nicht zu informieren, zu respektieren, obwohl es besser ist, die Entscheidungen zusammen mit Ihren Eltern zu treffen. Wenn Sie ein jüngerer Minderjähriger sind, wird der Inhaber der elterlichen Gewalt die Sie betreffenden Entscheidungen treffen. Und wenn mein Arbeitsgeber sich über meinen Gesundheitszustand erkundigen will ? Ihr Arzt darf ihrem Arbeitsgeber nur über Ihre Eignung für das Arbeitsverhältnis aus gesundheitlicher Sicht informieren, aber keine Diagnose vermitteln. Wenn Sie es wünschen, kann der Arzt ihrem Arbeitsgeber ausführlicher Auskunft geben; dazu müssen Sie ihn ausdrücklich vom Arztgeheimnis entbunden haben.

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5 – FREIE UND AUFGEKLÄRTE EINWILLIGUNG Jede Behandlung bedarf der freien und aufgeklärten Einwilligung eines einsichtsfähigen Patienten, ob erwachsen oder minderjährig. Der einsichtsfähige Patient kann auf eigenen Wunsch eine Behandlung ablehnen, unterbrechen oder das Krankenhaus verlassen. (Nach Artikel 23und23c des Gesetzes über das öffentliche Gesundheitswesen vom 29. Mai 1985)

In der Praxis Der einsichtsfähige Patient kann jederzeit eine Behandlung verweigern, unterbrechen oder das Krankenhaus verlassen. In diesem Falle kann der Arzt ihn um eine schriftliche Bestätigung bitten und ihn über die eventuellen Risiken informieren. Dann übernimmt der Patient selbst die Risiken einer solchen Behandlungsverweigerung. Die Stellungsnahme sowie die freie und aufgeklärte Einwilligung des Patienten bedarf einer ausführlichen Information von Seiten der Medizinalperson. Der Arzt ist verpflichtet, ihn genügend und treffend zu informieren. Später behält der urteilsfähige Patient das Recht, seine Meinung zu ändern oder seine Einwilligung zurückzuziehen. Keine einsichtsfähige Person kann gegen ihren Willen zu einer Behandlung gezwungen werden. Unfreiwillige Behandlungen sind also verboten. Ausnahmsweise und unter strengsten Bedingungen kann der Arzt jedoch für einen Patienten eine Krankenhausaufnahme oder Zwangsmassnahmen verlangen, unter der Bedingung dass durch sein Verhalten eine ernsthafter Gefährdung des Patienten und/ oder anderer besteht. (zum Beispiel wenn er gewalttätig wird oder unter bestimmten ansteckenden Entzündungskrankeiten leidet) und wenn jede andere Massnahme gescheitert ist (siehe Kapitel «Zwangsmassnahmen »). Gut zu wissen Was ist Einsichtsfähigkeitt? Man spricht von Einsichtsfähigkeit, wenn man eine Lage einschätzen kann und die entsprechend richtigen Entscheidungen trifft. Die Einsichtsfähigkeit muss der präzisen Lage des Patienten und des aufgetauchten Probelms entsprechend bestimmt werden; sie wird bei jeder Entschlussfassung neu evaluiert . Jede Person ist mutmasslich einsichtsfähig, mit Ausnahme von Kleinkindern und den Personen, die sie an Folgen einer psychischen Krankeit, Schwachsinnes, Bewusstlosigkeit, Betrunkenheit oder anderen ähnlichen Gründen verloren haben. Geistesstörungen, hohes Alter, Bevormundung oder Minderjährigkeit sind kein Synonym für Einsichtsunfähigkeit. Diese Fähigkeit wird von Fall zu Fall eingeschätzt .

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Was passiert wenn ich einsichtsunfähig bin? Vor ihrer Behandlung muss der Arzt herausfinden, ob Sie eine verfasste Verfügung hinterlassen haben oder einen therapeutischen Vertreter ernannt haben (siehe Kapitel «Patientenverfügung und therapeutischer Vertreter»). Ist dies nicht der Fall, muss der Arzt die Einwilligung ihres gesetzlichen Vetreters erhalten. Wenn sie keinen haben, muss er die Angehörigen fragen, ohne jedoch durch deren Stellungnahme gebunden zu sein. Im Notfall oder wenn Sie keinen gesetzlichen Vertreter haben, wird der Arzt Ihre Interessen bestens vertreten, in dem er Ihren mutmasslichen Willen berücksichtigt. Ist der Arzt dazu verpflichtet, für jeden seiner Eingriffe meine Einwilligung zu verlangen? Bei einer nicht invasiven- und Routinebehandlung, wie zum Beispiel einer Blutabname oder Messung des Blutdrucks, reicht Ihre stillschweigende Einwilligung. Sonst ist der Arzt verpflichtet, Sie klar zu fragen, ob Sie in die vorgeschlagene Behandlung einwilligen.

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6 – DIE ZWANGSMASSNAHMEN Aus Prinzip sind alle Zwangmassnahmen dem Patienten gegenüber verboten. (Nach Artikel 23d und 23e des Gesetzes über das öffentliche Gesundheitswesen vom 29. Mai 1985)

In der Praxis Die Bestimmungen betreffend die Zwangsmassnahmen gelten in sämtlichen Krankenanstalten (Krankenhäusern, Pflegeheime, psychiatrische Anstalten,…). Eine Zwangsmassnahme ist eine ernsthafte Massnahme, die ohne das Wissen oder gegen die freie und aufgeklärte Einwilligung des Patienten getroffen wird. Sie schränkt seine persönliche Freiheit ein und kann seiner Würde schaden. Einsperrung, Freiheitseinschränkung oder Kontaktverbot mit den nächsten Angehörigen, Isolierung Festhalten/Fixieren oder Zwangsmedikation sind zum Beispiel solche Zwangsmassnahmen. Im Ausnahmefall kann der Arzt, nach Besprechung mit dem Pflegepersonal, Zwangsmassnahmen verlangen. Und dies nur, wenn die Gefahr einer gesundheitlichen Schädigung oder einer ernsthaften Gefährdung des Patienten und/ oder anderer besteht. Diese Massnahmen dürfen erst nach dem Scheitern weniger restriktiven Massnahmen getroffen werden. Soweit das möglich ist, muss sich der Arzt im Voraus mit dem Patienten, dem therapeutischen Vertreter, dem geseztlichen Vorgesetzten oder den Angehörigen darüber unterhalten. Die Zwangsmassnahmen dürfen nur für eine beschränkte Zeit getroffen werden und können nicht als therapeutische Massnahmen angesehen werden. Sie können auch nicht durch ein Personalmangel gerechtfertigt werden. Eine Zwangsmassnahme muss reevaluiert werden, um zu entscheiden, ob es nötig ist, sie aufrecht zu erhalten oder ob sie aufgehoben werden kann. In der Krankengeschichte muss ein genaues Protokoll stehen. Gut zu wissen Was ist eine Zwangsmedikation ? Das ist die Verabreichung von Beruhigungsmitteln gegen den Willen des Patienten, ohne spezifische therapeutische Ziele. Wie kann ich eine Zwangsmedikation ablehnen ? Die betroffene Person, ihr gesetzlicher Vorgesetzter, ihr therapeutischer Vertreter, ihre nächsten Angehörigen oder ihr Begleiter (siehe Kapitel « Begleitungsrecht») können sich an die Beschwerdekommission wenden, um die Zwangsmassnahmen verbieten oder aufheben zu lassen. In ernsthaften Fällen kann die Kommission eine aufschiebende Wirkung entschliessen. Sie muss ihre Entscheidung innert fünf Tagen nach Eingabe der Klage treffen. Wenn eine Freiheitsentziehung entschlossen wurde, ist die Beschwerdekommission nicht zuständig. Die Klage muss dann an die gesetzlichen Behörden adressiert werden.

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7 – DAS BEGLEITUNGSRECHT Während seines ganzen Aufenthalts in einer Krankenanstalt hat der Patient ein Recht auf Betreuung und Ratschläge . Er hat auch ein Recht auf die Unterstützung seiner nächsten Angehörigen und auf den Kontakt mit seiner Umgebung. Auf Wunsch kann er externe Begleitpersonen herbeirufen, die von unabhängigen Organisationen ohne Erwerbszwecke ernannt werden. (Nach Artikel 20a des Gesetzes über das öffentliche Gesundheitswesen vom 29. Mai 1985)

In der Praxis Auf die klare Anfrage des Patienten kann ihm eine Begleitperson in seinen verschiedenen Schritten im Zusammenhang mit seiner Spitaleinweisung oder seinem Aufenthalt beistehen. Diese Begleitperson wird von einer Organisation ohne Erwerbszweck ernannt und kann während den Gesprächen des Patienten mit den Medizinalpersonen oder anderen Instanzen anwesend kein. Die Organisationen die ihre Hilfe anbieten, müssen vom Gesundheits- und Sozialdepartement anerkannt werden. Die Krankenanstalten stellen zur Verfügung der Patienten eine aktualisierte Begleiterliste. Diese Hilfe ist kostenlos. Das Begleitungsrecht steht nur dem Patienten zu, und nicht seinen nächsten Angehörigen oder den Vereinigungen. Der Patient kann selbst entscheiden, ob er den Besuch eines Begleiters wünscht oder nicht. Gut zu wissen Wer sind meine Angehörigen? Man versteht unter « Angehörigen » die Personen, die den Patienten durch ihr Verwandschafts- oder Freundschaftsverhältnis mit ihm gut kennen und die ein Interesse für seine Lage zeigen. Es können genausogut Familienmitglieder sein, wie auch Ihr Partner oder Ihre Freunde. Welche Rolle hat mein Begleiter? Ihr Begleiter gibt Ihnen Ratschläge, sowie eine psychische und menschliche Unterstützung. Er trägt dazu bei, ein Mangel an Beziehungen auszufüllen, besonders dann, wenn Sie von Ihrer Umgebung keinen Besuch erhalten. Er hilft Ihnen bei Ihren Entscheidungen und kann Ihnen in Ihren verschiedenen Schritten im Zusammenhang mit Ihrer Spitaleinweisung oder Ihrem Aufenthalt helfen. Hingegen kann er sich nicht an Ihre Stelle setzen und darf Sie in keinem Fall vertreten. Kann ich während meinem Spitalaufenthalt frei Besuch erhalten ? Ja, sie können empfangen wen Sie wünschen (Eltern, Angehörigen, Bekannte, Gäste), ausser wenn ernste ärztlichen Kontraindikationen bestehen (zum Beispiel bei Ansteckungsgefahr oder Intensivpflege).

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Wie finde ich einen Begleiter während meinem Spitalaufenthalt ? Sie finden die Liste der Organisationen bei der Spitaldirektion, und können dann mit Ihnen Kontakt aufnehmen. Wenn es Ihr Gesundheitszustand nicht erlaubt, können Sie das Personal bitten, für Sie die nötigen Schritte zu unternehmen..

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8 – PATIENTENVERFÜGUNG UND THERAPEUTISCHER VERTRETER Jede Person hat das Recht auf eine verfasste Verfügung, in der sie sich im Falle einer Urteilsunfähigkeit über die gewünschten oder verweigerten Pflegemassnahmen äussert. Sie kann auch einen therapeutischen Vertreter ernennen, der sich an ihrer Stelle über die Art der Behandlung äussern kann, wenn sie selbst nicht mehr ansprechbar ist. (Nach Artikel 23a, 23b et 23c des Gesetzes über das öffentliche Gesundheitswesen vom 29. Mai 1985)

In der Praxis Wenn eine Person nicht mehr einsichtsfähig ist, muss die Medizinalperson nach einer verfassten Verfügung suchen oder rausfinden, ob sie einen therapeutischen Vertreter ernannt hat. Der Arzt ist verpflichtet, den Willen des Patienten zu beachten, wenn er ihn kennt. Deshalb sollte die Person eine Verfügung verfassen, in der sie diesen Willen erklärt und die leicht zu finden ist. Im Notfall kann der Arzt handeln, ohne auf eine eventuelle Verfügung zu warten. In diesem Falle wird er den mutmasslichen Willen des Patienten berücksichtigen. Die verfasste Verfügung kann jederzeit geändert oder annuliert werden. Wenn der Patient einen therapeutischen Vertreter ernannt hat, ist die Medizinalperson dazu verpflichtet, ihm die treffenden Informationen zu erteilen und seine Einwilligung in die Behandlung zu erhalten. Deshalb kann er, wenn nötig, gegenüber dem therapeutischen Vertreter vom Berufsgeheimnis entbunden werden. Der therapeutische Vertreter handelt gratis. Wenn eine Entscheidung des therapeutischen Vertreters die Gesundheit des Patienten aufs Spiel setzt, kann der Arzt diese in Frage stellen und sich an den Friedensrichter wenden. Der Patient sollte seinem therapeutischen Vertreter eine Kopie seiner Verfügung übergeben. Im Falle dass sich dieser für ihn einsetzten sollte, besteht somit nicht die Gefahr, dass Entscheidungen gegen den Willen des Patienten getroffen werden. Gut zu wissen Was ist eine « Verfügung»? Dieser Begriff « Verfügung » bezeichnet die Anweisungen, die Sie im Voraus geäussert haben, im Fall einer Unfähigkeit, ihren Willen zu äussern. Sie können sich somit über die gewünschten oder aus Prinzip verweigerten Pflegemassnahmen äussern. Wie soll ich meine Verfügung formulieren ? Eine schriftliche Verfügung schafft mehr Klarheit. Sie haben die Wahl der Form dieses Dokumentes sowie der darin stehenden Rubriken. Ihre verfasste Verfügung wird nur von Ihnen unterschrieben. Dazu braucht es keinen Zeugen. Auch wenn Sie keine Verfügung verfasst haben, bleibt Ihnen natürlich immer noch die Möglichkeit, Ihre Meinung mündlich zu äussern, zum Beispiel vor einer Operation. 15


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Sie können die Verfügung jederzeit annulieren oder ändern. Im Prinzip werden diese Änderungen schriftlich vorgenommen. Jedoch, wenn es dringend ist, zum Beispiel vor einer Operation, können Sie die Medizinalperson mündlich über die Ungültigkeit Ihrer Verfügung informieren und ihr, immer noch mündlich, Ihren neuen Willen angeben. Wie kann ich sicher sein, dass meine Verfügung rechtzeitig gefunden wird? Sie können sie immer bei sich behalten; oder ihrem therapeutischen Vertreter (wenn Sie einen haben), behandelnden Arzt, der Spitalleitung, dem Pflegeheim oder dem medizinisch-sozialen Zentrum eine Kopie übergeben; Sie können ihren Bekanntenkreis darüber informieren. Muss der therapeutische Vertreter selbst eine Medizinalperson sein? Nein, Sie können in ihrer Familie, ihrem Freundeskreis oder unter ihren Angehörigen eine Person wählen, die Sie gut kennt und in die Sie volles Vertrauen haben. Welche Rechte hat mein therapeutischer Vertreter? Der therapeutische Vertreter muss in die vorgesehene Behandlung einwilligen; die Medizinalperson ist also verpflichtet, ihm alle nötigen Informationen zu erteilen, damit er aufgeklärt der Behandlung zustimmen kann. Die Rechte des therapeutischen Vertreters üben sich dann aus, wenn Sie unfähig sind, ihren Willen auszudrücken oder wenn Sie nicht mehr die nötige Einsichtsfähigkeit besitzen. Was geschieht, wenn ich weder eine verfasste Verfügung noch einen therapeutischen Vertreter habe und einsichtsunfähig bin? Wenn Sie keine Verfügung hinterlassen haben und keinen therapeutischen Vertreter besitzen, ist die Medizinalperson verpflichtet, vor einem Eingriff die Einwilligung ihres gesetzlichen Vertreters zu erhalten. Wenn sie keinen haben, muss er sich bei Ihren nächsten Angehörigen um ihre Meinung erkundigen, ist aber durch diese Meinung nicht gebunden. Im Notfall oder wenn Sie keinen gesetzlichen Vertreter haben, wird der Arzt das Beste tun, um in Ihrem Interesse zu handeln, indem er Ihren mutmasslichen Willen beachtet.

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9 – ORGAN- UND GEWEBESPENDE Eine Person kann zu ihren Lebzeiten entscheiden, ihre Organe für Transplantationszwecke zu spenden. Eine Verweigerung der Organentnahme nach ihrem Tod muss klar geäussert werden. Es ist möglich, diese Organentnahme bei einem verstorbenen Angehörigen zu verweigern, es sei denn dieser hat selbst dazu eingewilligt. Der Organ- oder Gewebehandel ist in jedem Fall streng verboten. (Nach Artikel 27, 27a und 27c des Gesetzes über das öffentliche Gesundheitswesen vom 29. Mai 1985)

In der Praxis Wenn die verstorbene Person zu ihren Lebzeiten sich nicht gegen die Organentnahme für Transplantationszwecke geäussert hat, gilt ihre mutmassliche Einwilligung. Wenn eine Person jede Organ-oder Gewebeentnahme nach ihrem Tod verweigert, muss sie sich klar dagegen äussern. Ohne einen solchen Willen kann die Entnahme stattfinden. Die Angehörigen können nicht gegen den zu seinen Lebzeiten geäusserten Willen des Verstorben gehen. Wenn aber die verstorbene Person keinen Willen geäussert hat, müssen die nächsten Angehörigen zu Rate gezogen werden. Sie können eine Organentnahme verweigern. Gut zu wissen Was tun, wenn ich gegen eine Organentnahme nach meinem Tod bin? Sie müssen sich ausdrücklich zu ihren Lebzeiten gegen die Entnahme äussern. Sie können zum Beispiel eine Verfügung verfassen (siehe Kapitel « Patientenverfügung und therapeutischer Vertreter»). Sie sollten sie bei sich behalten, um sicher zu gehen, dass man sie im richtigen Moment findet. Was tun, wenn ich nach meinem Tod meine Organe spenden möchte? Um Ihren Willen klar zu äussern, können Sie eine Spenderkarte von Swiss Transplant ausfüllen und sie bei sich behalten. Die Spenderkarten sind in allen Apotheken erhältlich oder können direkt bei Swiss Transplant (0800 570 234) bestellt werden. Wenn Sie weitere Informationen über Tranplantationen und Organspenden wünschen, können Sie sich an den Centre Hospitalier Universitaire Vaudois (CHUV) und an Swisstransplant wenden: > Centre Hospitalier Universitaire Vaudois (CHUV) Commission de transplantation, Coordination de transplantation, CP 2, CHUV, 1011 Lausanne, tél. : 021/ 314 18 35 e-mail : Coordination.Transplantation@chuv.hospvd.ch

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> Swisstransplant, Schweizer Stiftung für Organspende und Transpantation bd de la Tour 4, 1205 Genève tél.: 0800 570 234 www.swisstransplant.org

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WAS TUN, WENN PROBLEME AUFTAUCHEN? DIE BESCHWERDEVERFAHREN a. Die Mediationsinstanzen der Berufsorganisationen > Le médiateur de la Société vaudoise de médecine (SVM) Société vaudoise de médecine, médiateur Rte d’Oron 1, CP 76, 1010 Lausanne 10 tél.: 021 652 99 12 > La Commission de médiation de la Société vaudoise des médecins-dentistes (SVMD) Société vaudoise des médecins-dentistes, Commission de médiation Rue du Valentin 30, Case postale 181, 1018 Lausanne tél.: 021 351 54 05 > La Chambre de l’éthique de l’Association vaudoise d’établissements médico-sociaux (AVDEMS) AVDEMS, Chambre de l’éthique, Case postale 607, 1009 Pully, tél. : 021 721 01 75 > Die ethische Kommission des Schweizer Berufsverbands der Krankenschwestern und Krankenpfleger (ASI) ASI, Choisystrasse 1, Case postale 8124, 3001 Berne tél.: 031 388 36 36 > Die aussergerichtliche Gutachterstelle der Verbindung der Schweizer Ärzte und Ärtztinnen (FMH) Wenn ein Patient einen Diagnose-oder Behandlungsfehler eines Arztes oder einer Person unter seiner Verantwortung vermutet, mit ernsthaften Folgen für seine Gesundheit, beauftragt die Gutachterstelle einen Experten oder ein Expertenteam, um festzustellen , ob es einen Fehler gegeben hat oder nicht. Die aussergerichtliche Gutachterstelle der FMH Service romand d’information médicale, Rte d’Oron 1, 1010 Lausanne 10 tél.: 021 652 16 74 Ausserdem können die Krankenanstalten immer öfters ihre eigenen Vermittler ernennen oder selbst eine Reihe von Massnahmen treffen, um die Beschwerden zu behandeln. Die Verwaltung der Anstalt wird Sie informieren. b. Die Kantonalen Beschwerdeinstanzen Der Patient, dessen Rechte verletzt wurden, kann sich jederzeit an eine der zwei Kantonalen Beschwerdeinstanzen wenden. Diese behandeln die Beschwerden betreffend die Übernahme der Medizinalpersonen und der Krankenanstalten. Das Verfahren ist kostenlos. > Patientenbeschwerdeinstanz und Beschschwerdeinstanz für Pflegeheime und Abteilungen C der Spitäler Division qualité du Service de la santé publique, Secrétariat Case postale 183, 1000 Lausanne 17 tél.: 021 316 42 20

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SIE BRAUCHEN HILFE, INFORMATIONEN ODER RATSCHLÄGE ? NÜTZLICHE ADRESSEN >

Sanimédia, Service de la santé publique Informiert und orientiert sie, wenn nötig, über andere Informationsquellen. tél. 0800 106 106 www.sanimedia.ch info@sanimedia.ch

> Schweizerische Patienten - Organisation (SPO)

Die Ziele der SPO sind den Schutz der Patientenrechte. «SPO Conseil» hilft und verteidigt die Patienten, die ein Problem mit einem Therapeuten oder einer Versicherung haben. OSP, Conseil et secrétariat romand, rue du Bugnon 21, 1005 Lausanne tél.: 021 314 73 88, ligne d’urgence: 0900 56 70 47 (fr2.13/min.); www.osp.ch

> Konsumenten-Vereinigung der Westschweiz (FRC) Vereinigung, die die Konsumenten informiert und Ihre Interessen vertritt. FRC, rue de Genève 7 , CP 2820 , 1002 Lausanne tél.: 0900 575 105 (fr. 2.13/min) www.frc.ch > Vereinigung für das Wohl der Bewohner von Alters-und Pflegeheimen (Résid’EMS) Vereinigung, die in allen Fragen betreffend die Aufenthalte in Alters-und Pflegeheimen hilft und informiert. Résid’EMS, av. de Chailly 10, case postale 226, 1000 Lausanne 12 tél.: 021 653 33 44 >

Groupe romand d’accueil et d’action psychiatrique (GRAAP) Vereinigung, die den Personen, mit psychischen Schwierigkeiten Unterstützung und Information anbietet. GRAAP, rue de la Borde 23-27, 1018 Lausanne tél.: 021 647 16 00 www.graap.ch

konfrontiert,

>

Alter Ego Vaud Kantonale Abteilung von Alter Ego, Schweizerische Vereinigung gegen Misshandlung im Alter, die die Würde und den Respekt älterer Menschen innerhalb der Gesellschaft fördert, durch die Unterstützung von Ausbildung, Forschung und Information. Alter Ego Vaud, case postale 752, 1000 Lausanne 9 e-mail : alterego.vd@bluewin.ch

>

Schweizerische Vereinigung der Versicherten (ASSUAS) Vereinigung, die den Versicherten im Rahmen ihrer Verbindungen mit den Versicherungen hilft. ASSUAS Vaud, rue du Simplon 15, 1006 Lausanne Rendez-vous: lundi 8h-11h au 021 653 35 94 Permanence: mercredi 18h-20h (sur rendez-vous) au 021 617 20 33 www.assuas.ch

Deutsche Ubersetzung: Ursula Hornisberger

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info santĂŠsuisse Die Versicherten

Das Magazin der Schweizer Krankenversicherer


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Seite 4

Seite 6

Seite 10

Gewinnen die Interessen der Versicherten durch die Krise an Boden?

Sie wissen, wo der Schuh drückt: Die Ombudsstelle fühlt direkt den Puls der Versicherten

Parallelimporte: Das sind die Erfahrungen aus der EU

Inhalt Schwerpunkt 4 Gewinnen die Interessen der Versicherten durch die Krise an Boden? 6 Sie wissen, wo der Schuh drückt: Die Ombudsstelle fühlt direkt den Puls der Versicherten 8 Dr. Charles Giroud, Präsident des RVK: «Die kleinen Versicherer stabilisieren das System» 10 Parallelimporte: Das sind die Erfahrungen aus der EU 12 Prämienverbilligungen: Fluch oder Segen für das System? 14 Für zehn Minuten Behandlung 29 Minuten bezahlen? Krankenversicherung 16 Haben Sie sich schon für infosantésuisse online registriert? 17 Fünf Fragen an: Hans-Ueli Regius, Generaldirektor der SWICA Gesundheitsorganisation 18 11. Forum der sozialen Krankenversicherung in Zürich 20 Grafik des Monats Juni: Kantone mit hoher Facharztdichte haben meist hohe Prämien 21 Nationaler Gesundheitsbericht fordert: Ungleichheiten abbauen 22 Bild des Monats: Unbeugsame Kämpfernatur von königlichem Gebahren Klipp&klar 23 Leistungen der Grundversicherung Service 24 Starker Rückgang der Kindersterblichkeit seit 1990 24 EU-Gesundheitsminister: Gesundheitsversorgung darf nicht unter Wirtschaftskrise leiden 25 Neue Methode vermeidet offene Operation am Herzen 25 Frankreich: Kein Gesetz zur Heimarbeit 26 Schweizerische Umfrage zum Tabakkonsum 26 News aus aller Welt 27 Veranstaltungen 27 Mr. Raoul

Nr. 5, juni 2009. Erscheint zehnmal jährlich Abonnementspreis Fr. 69.− pro Jahr, Einzelnummer Fr. 10.− Herausgeber und Administration santésuisse, Die Schweizer Krankenversicherer, Römerstrasse 20, Postfach, 4502 Solothurn Verantwortliche Redaktion Peter Kraft, Abteilung Politik und Kommunikation, Postfach, 4502 Solothurn, Tel. 032 625 42 71, Fax 032 625 41 51, E-Mail: redaktion@santesuisse.ch Herstellung: Rub Graf-Lehmann, Murtenstrasse 40, 3001 Bern Gestaltungskonzept: Pomcany’s Layout: Henriette Lux Anzeigenverwaltung: Alle Inserate − auch Stelleninserate − sind zu richten an: «infosantésuisse», Römerstrasse 20, Postfach, 4502 Solothurn E-Mail: redaktion@santesuisse.ch Abonnementsverwaltung Tel. 032 625 42 74, Fax 032 625 41 51 Homepage: www.santesuisse.ch Titelbild: Heiner Grieder, Langenbruck (BL) ISSN 1660-7228


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Aus Kosten werden Prämien

Fünf Monate und fast ebenso viele runde Tische sind vergangen, seit santésuisse Anfang Jahr vor einer happigen Prämienrunde gewarnt hat. Anfänglich als unseriös verschrien, zeigt sich nun, dass die Berechnungen der Taskforce «Kostenentwicklung» alles andere als an den Haaren herbei gezogen waren. Das Bundesamt für Gesundheit (BAG) geht in der Zwischenzeit für 2010 von einer durchschnittlichen Prämienerhöhung von 15 Prozent aus. In einzelnen Kantonen rechnet das BAG sogar mit 20-prozentigen Erhöhungen. Während jetzt wenigstens Klarheit darüber herrscht, wie es um die allgemeine finanzielle Lage unseres Krankenversicherungssystems steht und dass kein Weg daran vorbei führt, den Prämienzahlenden die aktuelle Lage klipp und klar zu erklären, ist in der Politik eine gewisse Ratlosigkeit spürbar. Das zeigt sich an hilflosen Erklärungsversuchen, wie es überhaupt so weit kommen konnte. Schuld am Schlamassel hätten Kapitalanlageverluste der Versicherer, wird etwa moniert. Oder die Mehr-Markenstrategie vereinzelter Versicherer. Oder (zu) hohe Provisionen für Versicherungsmakler. Nur ganz vereinzelt dringt der wahre Grund für die aktuelle Lage durch: die stetig steigenden Gesundheitskosten und die Vollkaskomentalität in der obligatorischen Grundversicherung. Natürlich trifft es zu, dass die globale Finanzkrise 2008 Spuren in unseren Jahresrechnungen hinterlassen hat. Und der Wettbewerb unter den Krankenversicherern setzt die Prämien für den Schutz gegen die finanziellen Risiken von Krankheit, Unfall, Mutterschaft und Alter tatsächlich stark unter Druck. Das ist zunächst einmal eine gute Sache für die Prämienzahlenden und obendrein eine logische und gewollte Folge der von Politik und Behörden definierten Spielregeln. Das gilt im Übrigen auch für die Maklergebühren. Man kann nicht Wettbewerb wollen und die Marktteilnehmer dafür kritisieren, dass sie den Wettstreit und die damit verbundenen Spielregeln ernst nehmen. Man kann aber das Grundproblem unseres Gesundheitswesen bei den Wurzeln packen und auf die Mengen- und Preisausweitung einwirken, anstatt vor ihr zu kapitulieren. Nur wenn wir die Kostenentwicklung in den Griff bekommen, lassen sich die Prämien nachhaltig eindämmen. Alles andere ist Augenwischerei. Es wäre daher an der Zeit, dass alle Beteiligten die wahren Herausforderungen annehmen und Massnahmen auf der Kostenseite ernsthaft angehen. santésuisse hat dem Bundesrat dazu ein ganzes Bündel von konstruktiven Vorschlägen gemacht. Damit lässt sich zwar kaum mehr die Prämienrunde 2009/2010 dämpfen, wohl aber jene in den Folgejahren.

3 | Editorial 5/09

Manfred Manser Vizepräsident santésuisse


infosantésuisse : dossier Der Patient 3/2011 167 Die aktuelle, schwierige Situation bietet durchaus die Chance, dass sich die Akteure einander annähern

Gewinnen die Interessen der Versicherten durch die Krise an Boden?

Hoffnungsschimmer gibt es: Vor kurzem sind Parlamentarier aus allen vier grossen Bundeshausfraktionen gemeinsam vor die Medien getreten und haben Massnahmen für tiefere Medikamentenpreise vorgestellt. Verena Diener (GLP), Simonetta Sommaruga (SP), Claude Ruey (FDP) und Christoffel Brändli (SVP) fordern einen genaueren Auslandsvergleich bei der Preisfestsetzung, regelmässige Überprüfungen und gegebenenfalls Senkung der Preise sowie einen wirksameren differenzierten Selbstbehalt bei Generika. Neben den Politikern haben sich diverse Verbände aus Detailhandel, Konsumentenschutz und Krankenversicherung – darunter auch santésuisse – zum «Forum für Parallelimporte und höhere Kaufkraft» zusammengetan. Dieses Forum verfolgt ebenfalls das Ziel tieferer Medikamentenpreise. Es hat bereits die Lancierung einer Volksinitiative angekündigt, wenn per Januar 2010 keine substanziellen Preissenkungen in Kraft treten. Kraft der Allianzen versus Einzelinteressen

Ein weiteres Beispiel: Die Kantone (GDK) und die Krankenversicherer (santésuisse) haben sich zusammengetan, um die unangenehme Situation zu klären, welche durch die so genannte «Leistungssistierung» entstanden ist. Eine neue Bestimmung im KVG erlaubt es den Krankenversicherern nämlich, säumigen Prämienzahlenden mit Ausnahme von Notfällen alle Rückvergütungen zu verweigern. Ziel dieser Massnahme sind Versicherte, welche die Prämien nicht bezahlen wollen – doch es leiden gelegentlich auch Menschen darunter, welche die Prämien tatsächlich nicht bezahlen können. Versicherer und Kantone hatten sich beinahe auf eine Lösung geeinigt, als die Kantone den Verhandlungstisch verliessen – weil santésuisse auf ihrer Forderung beharrte, dass die Prämienverbilligungen in Zukunft direkt an die Kassen ausbezahlt werden. Das zeigt einerseits die Möglichkeiten auf, welche Allianzen unter den Akteuren bieten: Die Verhandlungen zwischen Kantonen und Kassen sind so weit gediehen, dass der Bundesrat das Ergebnis als Basis für seine Botschaft ans Parlament verwenden kann. Andererseits zeigt das Beispiel auch die Macht der Eigeninteressen: Kurz vor Verhandlungsabschluss haben sie die Oberhand gewonnen und ein endgültiges Ergebnis verhindert.

Foto: Prisma

Die Krankenkassen nehmen für sich in Anspruch, die Versicherten – und damit die Bevölkerung – zu vertreten. Nur: Denselben Anspruch haben andere Interessensgruppen im Gesundheitswesen auch. Wenn also alle die Versicherten vertreten, müssten sich die Akteure doch gerade in der jetzigen Krisensituation zusammenraufen und gemeinsam nach Lösungen suchen. Doch die Sache mit den Partikulärinteressen und dem Gemeinwohl ist nicht ganz so einfach.

Es gibt keine «Übermächtigen»

Allianzen brauchen Zeit, um Lösungen zu finden. Und sie sind brüchig. Darum sind sie in der akuten Krise, die wir im Augenblick erleben, nicht das einzige probate Mittel. Die Akteure überbieten sich gegenseitig mit mehr oder weniger ausgegorenen Ideen und versuchen, auch im Alleingang Lösungen durchzusetzen. santésuisse beispielsweise hat das mit der Ankündigung getan, auf 2010 hin bestehe kein Verhandlungsspielraum für Tariferhöhungen. Gerade wegen solchen Schritten stehen die Krankenversicherer in der Kritik. Zu gross sei ihre «Macht», und sie würden sich, wie in diesem Beispiel, geradezu behördliche Kompetenzen anmassen. Dabei nutzen die Versicherer lediglich den engen Spielraum, der ihnen das System lässt. Denn mit der Handlungsfreiheit der Krankenversicherer ist es nicht weit her – geschweige denn mit ihrer angeblichen Machtstellung. Der Spielraum ist eng

Die Medikamentenpreise sind das beste Beispiel dafür. santé­ suisse setzt sich seit Jahren für tiefere Preise ein. Dank den Auslandpreisvergleichen konnte der Krankenkassenverband auch einiges an Druck aufbauen. Doch die Preise legt der Staat fest, genauso wie Schritte zur Preissenkung. Zwar haben die Versicherer die Möglichkeit, mit den Herstellern tiefere Preise als die vom Staat beschlossenen auszuhandeln, und sie machen von dieser Möglichkeit auch Gebrauch. Diese Verhandlungen flächendeckend zu führen und damit

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Die Versicherten: Raufen sich die Akteure nun in deren Interesse zusammen?

substanzielle Kosteneinsparungen zu erzielen, ist bei etwa 3000 Medikamenten auf der Spezialitätenliste ein Ding der Unmöglichkeit. Weiter: Die hohen Überkapazitäten bei den Spitälern können die Versicherer zwar anprangern – der Ball liegt aber bei den Kantonen. Die Versicherer können ihren Kunden Managed Care-Modelle anbieten – aber sie haben wenig Möglichkeiten, ihre Versicherten an diese Modelle zu binden, sei es durch positive Anreize oder durch Mehrjahresverträge. Die Versicherer können noch so laut nach Qualitätssicherung und Transparenz rufen – solange die Leistungserbringer nicht zum gemeinsamen Erarbeiten von Kriterien und zur Weitergabe der nötigen Angaben bereit sind, passiert nichts. Die Versicherer können lange für die Förderung der Hausarztmedizin einstehen. Solange aber jeder Spezialist in der Schweiz über die Krankenkassen abrechnen kann und die Hausärzte selber sich weigern, die Interessen ihrer hochdotierten Kollegen anzukratzen, wird sich die Situation kaum verbessern. Diese wenigen Beispiele zeigen klar auf: Die Krankenversicherer können wohl Lösungen präsentieren oder ihre Verhandlungsposition markieren. Um wirklich etwas zu bewegen sind sie aber – wie alle anderen – auf Partner angewiesen.

und Vorschläge möglichst schnell (und möglichst laut) kund­ tut. Längerfristig kann das aber nicht der Weg sein. Die Prämienkrise, in der wir uns jetzt befinden, zeigt klarer denn je: Unser Gesundheitssystem ist trotz all seiner Vorteile revisionsbedürftig. Alle Akteure, auch die Versicherten und Patienten, leben letztlich gut davon und haben ein Interesse daran, es in seinen heutigen Grundzügen zu erhalten. Das wird nur dann möglich sein, wenn wir die Spirale der massiv steigenden Kosten durchbrechen. Gut möglich, dass die Krise den Akteuren einen Ruck gibt und sie zusammenschweisst. Eigentlich bleibt ihnen gar keine andere Wahl – sowohl im Interesse der Versicherten als auch im eigenen Interesse. Denn ohne Alliierte, das hat die Vergangenheit klar gezeigt, ist es kaum möglich, ein Reformanliegen durchzubringen. Und das ist auch gut so, denn: Wenn mehrere Partner einer Lösung zum Durchbruch verhelfen, ist sichergestellt, dass sie nicht ausschliesslich Einzelinteressen dient. peter kraft

Gemeinsame Interessen, gemeinsame Lösungen

Es ist klar, dass in der jetzigen Krise rascher Handlungsbedarf herrscht. So ist auch verständlich, dass im Moment kaum Zeit für Grundsatzdebatten ist und jeder Akteur seine Ideen

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infosantésuisse : dossier Der Patient 3/2011 169 Zu Besuch bei der Ombudsstelle Krankenversicherung in Luzern

Sie wissen, wo der Schuh drückt: Die Ombudsstelle fühlt direkt den Puls der Versicherten «Wir sind eine Art Fiebermesser für die Versicherten», sagt Rudolf Luginbühl, der Ombudsman der Krankenversicherung. Zusammen mit seinem Team beantwortet er Anfragen von Versicherten und klärt Streitigkeiten zwischen Krankenkassen und Patienten. Er stellt fest, dass die Fehlentscheide bei den Krankenkassen abnehmen. Die Sensibilität bei den Versicherten hingegen wird immer grösser.

«Die Wirtschaftskrise und die mediale Berichterstattung darüber haben sich sofort in den Anfragen gespiegelt, die wir erhalten haben.» Die Sensibilität und die Ängste der Versicherten seien grösser geworden, stellt Rudolf Luginbühl fest. Insbesondere pointierte Aussagen über bestimmte Krankheitsbilder oder Versichertengruppen – zum Beispiel Übergewichtige oder ältere Menschen – vertrage es im Moment kaum. «Das wird in der gegenwärtigen Situation schnell einmal als Schritt in Richtung Entsolidarisierung empfunden.» Rudolf Luginbühl und sein Team spüren das in den Reak­ tionen der Versicherer, die zuweilen ziemlich geladen seien. «Gerade in der jetzigen Situation, wo noch die happigen Prämienerhöhungen hinzu kommen, müssen die Krankenversicherer aufpassen, dass sie nicht wie die Banken zu einem Feindbild werden.» Versicherer können noch besser informieren

Dabei zieht Rudolf Luginbühl aus seiner Tätigkeit eine positive Bilanz: «Anfragen, die auf Fehler der Krankenversicherer beruhen, sind in den letzten Jahren eher zurückgegangen.» Seltener seien auch grundsätzliche Rechtsfragen geworden: «Dank der Rechtssprechung und eines ausführlichen juristischen Kommentars passieren immer weniger rechtliche Fehler». Diese gibt es vor allem dort, wo kürzlich neue Vorschriften in Kraft getreten sind – etwa bei den Prämienausständen und der Leistungssistierung. «Es ist zum Beispiel noch nicht geklärt, ob ein Privatkonkurs einen Leistungsaufschub verhindert.» Ein grosser Teil der Anfragen gründet laut Luginbühl auf Informationsdefiziten bei den Versicherten. In solchen Fällen müsse die Ombudsstelle keine Lösungen finden, sondern die Zusammenhänge erklären. Was können

Ombudsstelle Krankenversicherung

Der Stiftungsrat der Ombudsstelle hat entschieden, den Namen von «Ombudsstelle der sozialen Krankenversicherung» in «Ombudsstelle Krankenversicherung» zu ändern. Er will damit zum Ausdruck bringen, dass die Ombudsstelle auch für die Belange der Zusatzversicherung zuständig ist. Das war zwar immer schon so, seit der Einführung des KVG gehören die Zusatzversicherungen jedoch nicht mehr zur Sozialversicherung.

die Krankenkassen tun, damit ihre Versicherten besser informiert sind? Rudolf Luginbühl schlägt vor, beim direkten Kundenkontakt anzusetzen: «Wenn Versicherer Erklärungen abgeben, sollten sie das adressatengerecht tun. Das bedeutet zum Beispiel, dass es auch von der Standardkorrespondenz mehrere Varianten geben sollte oder dass Standardbriefe je nach Fall oder Empfänger zusätzlich ergänzt werden. Wenn das nicht geschieht, landen die Versicherten häufig bei uns, weil sie aus den Informationen der Krankenkasse deren Beweggründe nicht nachvollziehen können.» Viele Anfragen drehen sich um Zahnbehandlungen, die Franchise bei Mutterschaft, Behandlungen im Ausland, Arbeitsunfähigkeit oder ums Inkasso. Ein schnell aufgeklärter Irrtum

Urs Eigensatz, Leistungsspezialist der Ombudsstelle, berät gerade eine aufgeregte, ältere Versicherte. Sie war bei ihrem Gynäkologen in Behandlung. Der Arzt berechnete neben dem normalen gynäkologischen Untersuch auch einen Ultra­schall. Die Versicherung hat die Rechnung über die obligatorische Krankenversicherung bezahlt und dabei die Leistungen an die Franchise angerechnet. Die Versicherte möchte, dass der Ultraschall über ihre Zusatzversicherung abgerechnet wird, weil sie dort keine Franchise bezahlen muss. Vor drei Jahren habe das auch funktioniert, wieso solle das nun plötzlich nicht mehr möglich sein? Diese scheinbar berechtigte Beschwerde kann Urs Eigensatz entkräften: Die Versicherung mache nicht jetzt einen Fehler, sondern habe ihn vor drei Jahren begangen. Der Ultraschall hätte auch vor drei Jahren nicht über die Zusatzversicherung abgerechnet werden dürfen, weil er im konkreten Fall eindeutig eine unter die Kostenbeteiligung fallende Leistung der Grundversicherung ist. Die zu Beginn ziemlich aufgebrachte Patientin beruhigt sich schnell wieder. Sie erkennt, dass sie vor drei Jahren Glück hatte – und nicht etwa jetzt ungerecht behandelt wird. Menschliche und fachliche Qualitäten sind gleichermassen wichtig

Neben dem fundierten Fachwissen fallen bei den Mitarbeitenden der Ombudsstelle die verständnisvolle und ruhige Art auf, in der sie mit den Ratsuchenden umgehen. Urs Eigensatz bestätigt, dass für seine Arbeit fachliche und menschliche Qualität gleichermassen wichtig sind. Dies – und eine gesunde Portion Vorsicht. «Direkte Auskünfte am Telefon gebe ich nur, wenn die Sachlage glasklar ist, so wie im vorigen Fall.» Ansonsten sei es besser, von den Versicherten die schriftlichen Unterlagen einzufordern und nötigenfalls auch die Kasse zu kontaktieren. Rudolf Luginbühl bestätigt das: «Wenn die Leute wollen, dass wir ihr Problem lösen, müssen sie uns die Dossiers anvertrauen. Das Problem dabei ist, dass komplexe Fälle häufig bei Versicherten entstehen, die im Umgang mit Amtsstellen und Behörden nicht so versiert sind und ihre Dossiers und Korrespondenz ver-

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Querulanten gibt es auch hier

Allerdings: Auch die Ombudsstelle der Krankenversicherung bleibt von hartnäckigen Querulanten nicht verschont. «Wir hatten auch schon jemanden hier, der bei seiner Krankenkasse als äusserst gewaltbereit bekannt war», sagt Rudolf Luginbühl. Die zuständige Juristin konnte in einem längeren Gespräch die Wogen glätten. Solche brenzligen Situationen seien aber die Ausnahme. «Häufiger sind Menschen, die sich generell ungerecht behandelt fühlen oder für ihre tragische Lebensgeschichte einen Schuldigen suchen.» Mit ihnen geht die Ombudsstelle pragmatisch um: «Wir prüfen ihr Anliegen und teilen ihnen freundlich, aber bestimmt mit, wenn es sich als unbegründet erweist.» Rudolf Luginbühl zeigt ein buchdickes Papierbündel und erklärt: «Das hier ist eine einzige Anfrage. Solche Vielschreiber haben oft sehr komplexe Anliegen, die manchmal hochinteressante Fälle ergeben. Andere hingegen sind, was ihren Fall angeht, sehr fanatisch.» Es gebe einige notorische Querulanten, auf deren Schreiben nicht mehr eingegangen werde. Keine Beratung parallel zu Anwälten und Medien

Es gibt noch andere Gründe, warum die Ombudsstelle auf Anfragen nicht eintritt – etwa wenn ein Versicherter sich einen Anwalt genommen hat. «Dann ist es dessen Aufgabe, seinen Mandanten zu vertreten», stellt Rudolf Luginbühl klar. Wenn bereits eine Verfügung im Spiel ist, mache eine Vermittlung ebenfalls wenig Sinn: «Dann laufen die Mühlen der Justiz». Die Ombudsstelle lehnt ein Engagement meist auch ab, wenn ein Versicherter parallel ein Konsumenten-Medium eingesetzt hat. Rudolf Luginbühl erklärt: «Diese Medien haben ihre Berechtigung, aber unser Vorgehen ist anders. Wir setzen auf eine fachliche Prüfung des Falls, die Konsumentenmedien nutzen auch den öffentlichen Druck. Der Versicherte muss sich entscheiden, welcher Weg für ihn der richtige ist.» Die Sorgen der Versicherten: Niemand kennt sie besser als die Ombudsstelle der Krankenversicherung.

lieren oder verlegen. Dann ist Kleinarbeit gefragt: Wir müssen den Fall rekonstruieren und versuchen, die Unterlagen über den Versicherer zu erhalten.» Aus diesen Gründen sind auch die Telefonzeiten der Ombudsstelle relativ kurz. «Am Nachmittag sind unsere Leitungen für die Öffentlichkeit geschlossen. Würden wir den ganzen Tag Anrufe entgegennehmen, würden wir kaum mehr dazu kommen, seriöse Abklärungen durchzuführen. Wir könnten die Qualität unserer Auskünfte nicht mehr garantieren.» Eine Standardmethode, wie die Ombudsstelle ihre Fälle löst, gibt es nicht. «Jede Anfrage ist einzigartig, und wir behandeln sie auch so», betont Rudolf Luginbühl.

Branchenerfahrung ist der grösste Trumpf

In anderen Situationen zeigt sich die Ombudsstelle hingegen grosszügig. «Wenn uns Sozialämter oder Patientenorganisationen anfragen, die bei der Vertretung ihrer Klienten auf Krankenkassenprobleme stossen, helfen wir gerne weiter.» Stellt sich die Frage, warum die Ombudsstelle den Durchblick hat, wo selbst kompetente Fachstellen nicht immer weiter wissen. Für Rudolf Luginbühl ist klar: «Unser Trumpf ist neben der rechtlichen Ausbildung die Branchen- und Lebenserfahrung. Einzelne Mitarbeitende stammen aus der Krankenversicherung, andere arbeiten schon sehr lange bei der Ombudsstelle. Wir kennen die Leute, die Mentalität und die Mechanismen der Branche.» peter kraft

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infosantésuisse : dossier Der Patient 3/2011 171 Im Gespräch: Dr. Charles Giroud, Präsident des RVK (Verband der kleinen und mittleren Krankenversicherer)

«Die kleineren Versicherer stabilisieren das System»

Foto: YVG

Die angespannte Situation an der Kosten- und Prämienfront scheint die kleineren Versicherer besonders hart zu treffen. Fusionen und Übernahmen sind in letzter Zeit häufiger geworden. Müssen wir uns nun Sorgen um die kleinen Versicherer machen? Charles Giroud, der als Präsident des RVK die kleinen und mittleren Versicherer vertritt, verneint dies. Das Modell der Kleinkassen sei genau so zeitgemäss wie jenes der Grossen. Es biete den Versicherten persönlichen Service und ein gewisses Mitspracherecht – Eigenschaften, die in der aktuellen Situation aktueller denn je seien.

In den letzten Monaten sind einige kleinere Krankenversicherer verschwunden oder von grösseren übernommen worden. Das müsste Sie als Präsident des RVK eigentlich stark beunruhigen.

Ja und nein. Ja, weil in der Tat die Zahl unserer Mitglieder abnimmt. Nein, weil die Entwicklung nicht neu ist, früher aber meist ausserhalb des RVK stattgefunden hat. Heute findet der Konzentrationsprozess erfreulicherweise hauptsächlich innerhalb des Verbandes statt – wie bei der Fusion von sieben Krankenversicherern im Wallis. Die Entwicklung führt auch dazu, dass unsere Mitgliedskassen homogener und damit auch ihre Bedürfnisse an den Verband ähnlicher werden. Das ist für die Mitglieder wie auch für den RVK sehr positiv.

Gibt es aus Ihrer Sicht eine Mindestgrösse, die ein Versicherer haben muss, um wettbewerbsfähig zu bleiben?

Die kleinen Kassen mit ihren unkomplizierten Abläufen und der persönlichen Betreuung sind ein wichtiger Grund dafür, die Versicherervielfalt zu verteidigen. Droht nun dieses Element der Wahlfreiheit zu verschwinden?

Verschärft die aktuelle «Prämienkrise» die Situation zusätzlich?

Aufgrund der Entwicklung, von der ich gesprochen habe, gehe ich nicht davon aus. Allerdings ist es möglich, dass die Wahlfreiheit künftig etwas eingeschränkter sein wird. Welche Wettbewerbsnachteile machen den kleinen Versicherern das Leben schwer?

Sie haben Nachteile auf der Ebene der Reserven. Für Kassen unter 50 000 Mitgliedern gelten strengere Reserve-Vorschriften – trotz Rückversicherungspflicht. Hinzu kommen die ständig steigenden administrativen Auflagen der Aufsichtsbehörden BAG und FINMA sowie das Marktverhalten der grossen Krankenversicherer mit ihren Billigkassen-Angeboten.

Grundsätzlich gibt es keine solche Mindestgrösse. Das beweisen gerade unsere kleinsten Versicherer, die bis dato nicht aus der Not Fusionen angestrebt haben, sondern weil sie ihre Zukunft auch nachhaltig sichern wollen. Es zeigt sich allerdings, dass immer mehr Kleinkassen unter 5000 Mitgliedern zunehmend Schwierigkeiten haben, die ständig steigenden, vorwiegend administrativen Auflagen der Aufsichtsbehörden zu erfüllen.

Die aktuelle Situation ist kein Sonderproblem der kleinen Krankenversicherer. Sie sind genau so sicher und leistungsfähig wie die Grossen der Branche. Problematisch sind für uns die Billigkassen und die damit verbundene Risikoselektion Das entzieht dem System Geld – auch über Vermittlerprovisionen. Dies beweisen übrigens auch die neuesten Zahlen.

«Das Vereinsmodell der kleineren Versicherten ist nicht weniger zeitgemäss als die von ‹normalen› Geschäftsleitungen gesteuerten Grosskassen.» Was unternehmen Sie als Verband der kleineren und mittleren Versicherer dafür, ihre Mitglieder zu stärken?

Zunächst haben wir zwei Rückversicherungsangebote für unsere Mitglieder: Jede unserer Mitgliedskassen kann eine Grossrisiko-Rückversicherung bei uns abschliessen. Diese Rückversicherung deckt Kosten über der selbst gewählten Eigenrisikostufe bis zum Maximalbetrag von einer Million Franken pro Fall und Jahr. Darüber hinaus haben wir seit diesem

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«Kassen mit weniger als 5000 Mitgliedern haben zunehmend Schwierigkeiten mit den administrativen Auflagen.»

Jahr eine für alle Mitglieder obligatorische Verbands-Rückversicherung, die Kosten pro Fall und Jahr zwischen einer und zwei Millionen Franken abdeckt. Dies ist nötig geworden, weil wegen teurer Medikamente und des Transplantationsgesetzes die Fallkosten tendenziell ansteigen. Abgesehen von den Rückversicherungsangeboten bietet der RVK seinen Mitgliedern eine breite Palette von Dienstleistungen an: Wir haben einen vertrauensärztlichen Dienst mit zehn Spezialisten, einen Rechtsdienst, Kollektivverträge für UVG und VVGProdukte, ein Case-Management, eine Internetplattform, die Kundenzeitschrift «SICHER», ein Hausarztsystem und einen Leistungseinkauf, um nur die wichtigsten zu nennen.

und Selbstverantwortung gestärkt werden. Das ist heutzutage wesentlich. Insofern ist dieses Modell nicht weniger zeitgemäss als die oft als «die» Lösung gepriesene Grosskasse.

Welche handfesten Vorteile haben die Versicherten bei kleineren Kassen?

Zunächst müsste im Leistungskatalog das Wichtige vom Wünschbaren getrennt werden. Danach müsste die Frage an alle Player gestellt werden, welches ihr Beitrag zur Kostenstabilisierung ist: Wollen die Krankenversicherer auf Billigkassen und Vermittlungsprovisionen verzichten? Sind die Ärzte bereit, den verfügbaren Kuchen zu Gunsten der Hausärzte und zu Lasten gewisser Spezialärztegruppen umzuverteilen? Was sagen die Spitäler zur Konzentration und damit zur Reduktion der Spitalinfrastruktur? Bietet die Pharmaindustrie Hand, die Medikamentenpreise auf das Niveau unserer Nachbarländer zu senken? Sind die Kantone bereit, diese Bemühungen zu unterstützen – insbesondere bei der Reduktion der Spitalinfrastruktur? Und schliesslich: Trägt die Bevölkerung eine Erhöhung der Franchise und des Selbstbehaltes mit?

Die Versicherten haben zunächst die Sicherheit, gegen Krankheit und gegebenenfalls Unfall gut versichert zu sein. Darüber hinaus haben sie einen Anbieter, der sehr flexibel agiert, innovative Produkte im Sortiment hat, kundenfreundlich, unbürokratisch und schnell aktionsfähig ist und Geschäftsstellen in unmittelbarer Nähe der Kunden betreibt. Darüber hinaus bieten die kleinen Kassen qualitativ hochstehende Arbeitsplätze – auch in Randregionen. Sie erfüllen damit eine regionalpolitisch wichtige Funktion. Wie in der Finanzmarktkrise zu beobachten ist, weisen kleinere Unternehmungen auch eine höhere Stabilität auf als die Grossen – Stichwort «too big to fail». Für das gesamte System der Krankenversicherung wirken sich die kleinen Krankenversicherer somit stabilisierend aus und reduzieren die Systemrisiken.

«Alle Player im Gesundheitswesen müssen sich die Frage stellen, welches ihr Beitrag zur Kostenstabilisierung ist.» Sagen Sie den Versicherten: Mit welchen Reformen kämen sie möglichst «unbeschadet» aus der Prämienkrise heraus?

interview: peter kraft

Einige kleine Versicherer sind als Verein organisiert, mit bedeutendem Mitspracherecht der Mitglieder. Ist eine solche Struktur erstens vorteilhaft und zweitens noch zeitgemäss?

Hier kann ich nur mit einem doppelten Ja antworten: Der Vorteil der Mitsprache ist, dass dadurch auch Identifikation

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infosantésuisse : dossier Der Patient 3/2011 173 In Europa sind Parallelimporte von Arzneimitteln schon seit 1974 zugelassen

Parallelimporte: Das sind die Erfahrungen aus der EU Am 19. Dezember 2008 hat das Parlament Parallelimporte von Medikamenten aus Europa abgelehnt. Die Debatten zwischen den Vertretern der Patienteninteressen und den Lobbyisten der Pharmaindustrie gehen weiter. Die Parallelimporte von Medikamenten sind indes nichts Neues: In Europa sind sie schon seit 1974 zulässig.

teil haben Dänemark mit 15,2 Prozent des Binnenmarktes, Schweden mit 13,9 Prozent, das Vereinigte Königreich mit 12,4 Prozent, die Niederlande mit 10,9 Prozent und Deutschland mit 8,9 Prozent.1 Die Quellenstaaten des Parallelhandels sind Länder mit tiefen Preisen wie Spanien, Griechenland, Italien, Portugal und Frankreich. Über 30 Jahre Rechtsprechung

Zu den Kernaufgaben der Europäischen Gemeinschaft gehört die Schaffung eines einheitlichen Binnenmarktes, der den freien Verkehr von Personen, Waren, Dienstleistungen und Kapital ermöglicht. Der Vertrag zur Gründung der Europäischen Gemeinschaft hebt hinsichtlich des Warenhandels im Binnenmarkt sämtliche Hindernisse auf (Art. 28 des Vertrages). Es gibt zwar einschränkende Massnahmen (Art. 30), aber nur, wenn der Schutz der Gesundheit oder des gewerblichen Eigentums das verlangen. Seit Beginn der Neugestaltung Europas wurden Parallelimporte als ein Faktor der Inte­ gration angesehen, als ein Zeichen der Konkurrenz auf einem internationalen freien Markt. Wie funktionieren Parallelimporte?

Wenn sich die Preise von einem Land zum anderen stark unterscheiden, werden Waren parallel importiert: In einem Niedrigpreisland günstig eingekauft, werden sie in ein Hochpreisland teurer weiterverkauft. Parallelimporte sind eine erlaubte Handelsform zwischen den Mitgliedstaaten der EU. Sie finden ausserhalb des Verteilnetzes statt, das die ursprünglichen Hersteller oder Lieferanten in einem Mitgliedsstaat geschaffen haben -- und in den meisten Fällen parallel dazu. Parallel importierte Produkte sind gleichartig wie jene, welche die Verteilnetze vermarkten. «Gleichartig» heisst nicht vollkommen identisch. Das Medikament muss aber nach derselben Formel und unter Verwendung des gleichen Wirkstoffs hergestellt worden sein sowie die gleiche therapeutische Wirkung haben. Importeure produzieren keine Medikamente, sie können aber die Etikettierung und manchmal die äussere Verpackung ändern, um den Ansprüchen des Bestimmungslandes zu entsprechen. Importunternehmen stehen nicht im direkten Kontakt mit der Bevölkerung – alles wird über zugelassene Verteilkanäle abgewickelt. Im Jahre 2007 wurden in Europa für 4,7 Milliarden Euro Medikamente parallel importiert. Das sind rund fünf Prozent des europäischen Warenverkehrs. Parallelimporte treten vor allem in nordeuropäischen Ländern auf, deren Preise über dem europäischen Durchschnitt liegen. Aus dem Ausland eingeführte Produkte sind daher für den Importeur und den Konsumenten bedeutend interessanter. Den höchsten An-

Der Europäische Gerichtshof hat seit 1974 mehrmals bestätigt, dass Medikamente von den Regeln des Binnenmarktes nicht ausgenommen sind. Er hat Massnahmen von Staaten verurteilt, die Parallelimporte von Medikamenten aus ungerechtfertigten Gründen eingeschränkt haben. Von der Pharmaindustrie vorgebrachte Argumente hat er entschieden zurückgewiesen: Diese bezogen sich auf die fehlende Harmonisierung der Preisreglementierung, welche Preisunterschiede hervorrufen würden, denen man nicht Herr sei. Der Europäische Gerichtshof hat seine Rechtsprechung in diesem Bereich stark weiterentwickelt. Sie verdeutlicht Anforderungen und Vorgehen für die Genehmigungen für den Parallelimport, die Anwendung des einzelstaatlichen Patentrechts, die Wiederaufbereitung oder die Etikettierung. So kann ein Medikament parallel eingeführt werden, wenn es von der zuständigen Behörde des Bestimmungslandes eine Genehmigung erhalten hat. Wurde ein Medikament aber auf Gemeinschaftsebene zugelassen, ist die Genehmigung zur Vermarktung auf gesamtem EU-Gebiet gültig. Weshalb die Preisunterschiede in Europa?

Parallelimporte entstehen durch die Preisunterschiede der Medikamente zwischen den verschiedenen Mitgliedstaaten. Woher kommen diese Differenzen? Den ersten Teil der Antwort liefert die Preisfestsetzung. Die Länder legen die Preise ihrer Medikamente nach unterschiedlichen Regeln fest. Im Jahr 2003 haben beispielsweise einzig Deutschland und das Vereinigte Königreich den Preis der Grosshändler in keiner Weise eingeschränkt. Die anderen Länder haben auf verschiedene Weise Preise vorgeschrieben. Portugal beispielsweise bestimmte den Mindestpreis eines Medikaments in Abhängigkeit des Preises identischer Produkte in Frankreich, Italien und Spanien. Zweiter Faktor sind die unterschiedlichen Rückerstattungssysteme. Den Versicherern liegt daran, die Medikamentenpreise zu verringern, um die Gesundheitskosten und die Rückerstattungen in Grenzen zu halten. Nun variieren die Rückerstattungssysteme aber von einem Staat zum anderen. In Deutschland beispielsweise muss der Patient für die Differenz zur vom Staat festgelegten maximalen Rückerstattungssumme selbst aufkommen. Die Versicherten beteiligen sich an den Kosten, indem sie trotz Preisliste einen fixen Betrag pro Medikament bezahlen müssen. Das letzte Element ist das Verhandlungssystem. Die Sozialversicherungen oder die nationalen Gesundheitsorgane werden häufig durch den Staat kontrolliert. Den Regierungen liegt demzufolge daran, die Preise mit den Patentinhabern strikte zu verhandeln.

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Zwischen der Autonomie der Mitgliedstaaten zur Festlegung der Medikamentenpreise und der Schaffung eines einheitlichen europäischen Marktes gibt es also Spannungen. Hauptsächlich deshalb existieren überhaupt Parallelimporte.2 Welche Einsparungen sind durch Parallelimporte möglich?

Die Ergebnisse der Studien zum Spareffekt von Parallelimporten sind widersprüchlich. In Anbetracht der jeweiligen Auftraggeber ist das nicht sonderlich überraschend. Das York Health Economics Consortium kam 2003 im Auftrag der European Assocation of Euro-Pharmaceutical Companies (Importeure) zum Ergebnis, dass die direkten, von den Patienten und den Krankenversicherungssystemen erzielten Einsparungen im Jahr 2002 in fünf untersuchten Ländern 630 Millionen Euro betrugen. Die Studie der London School of Economics (LSE)3, die im Auftrag des Pharmaunternehmens Johnson&Johnson durchgeführt wurde, untersuchte die Auswirkungen von Parallelimporten auf die hierfür wichtigsten Bestimmungsländer. Ergebnis: Die Importeure sind die Hauptbegünstigten, die Apotheker profitieren kaum. Die direkten Einsparungen für die Patienten hängen auch von der Struktur der Kostenbeteiligung ab. In Systemen, in denen die Kostenbeteiligung proportionell zum Preis erfolgt, profitieren die Konsumenten von den günstigeren Medikamenten. Patienten hingegen, die eine fixe, vom Preis unabhängige Kostenbeteiligung erbringen wie in Deutschland, ziehen keinen direkten Gewinn aus den Parallelimporten. Sie profitieren davon aber indirekt durch die allgemeine Senkung der Gesundheitskosten. Deshalb kann man Parallelimporte nicht als Ganzes ablehnen, indem man vorbringt, dass die Preisspannen der Importeure zu gross seien. Die Einsparungen bleiben substanziell, und die Verluste für die Schweizer Pharmaindustrie würden weniger als 100 Millionen Franken betragen. Das sind weniger als 0,2 Prozent ihres Weltumsatzes. Es ist an der Zeit, die Karten neu zu mischen und die Interessen der Patienten in den Mittelpunkt zu rücken. maud hilaire schenker

EFPIA (European Federation of Pharmaceutical Industries and Associations), The Pharmaceuticals Industry in Figures, 2008, S. 3 2 OXERA (unabhängiges europäisches Wirtschaftsberatungsunternehmen), «Shade of grey: arguments for and against parallel trade in pharmaceuticals», Agenda, Oktober 2008 3 London School of Economics, The Economic Impact of Pharmaceutical Parallel Trade in European Union Member States : A Stakeholder Analysis, 2004 1

Parallelimporte von Medikamenten: Profitieren die Patienten in der EU?

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infosantésuisse : dossier Der Patient 3/2011 175 Mit steigenden Prämien wird der Ruf nach zusätzlichen Prämienverbilligungen lauter

Prämienverbilligungen – Fluch oder Segen für das System? Für das nächste Jahr ist mit einer zweistelligen Prämienerhöhung zu rechnen. Grund: Die Kosten sind in den letzen Jahren schneller gewachsen als die Prämienerträge der Krankenversicherer. In wirtschaftlich schwierigen Zeiten trifft eine solche Prämienexplosion den Mittelstand und Personen in wirtschaftlich bescheidenen Verhältnissen besonders stark. Verständlich, möchte man sagen, dass der Ruf nach zusätzlichen Mitteln für die Prämienverbilligung lauter wird. Prämienverbilligungen bringen sicherlich Entlastung im Einzelfall. Wo liegt aber der Nutzen für das System?

Der Bundesrat plant eine ausserordentliche Aufstockung des Bundesbeitrags an die Prämienverbilligung um 200 Millionen für die Jahre 2010 und 2011. Dies kündigte er am Rande der Diskussionen rund um seine dringlichen Massnahmen zur Kostensenkung an. Auch gewisse Exponenten in den eidgenössischen Räten fordern eine Erhöhung der Bundesmittel für die Prämienverbilligung, so zum Beispiel im Rahmen eines dritten Massnahmenpakets zur Stützung der Konjunktur. Wie in der Motion Steiert (09.3454) vom 30. April 2009, werden zum Teil Beträge von über einer Milliarde Franken gefordert. In zehn Jahren 70 Prozent mehr Prämienverbilligung

Prämienverbilligungen existieren seit Einführung des KVG. In der Öffentlichkeit herrscht oft der Eindruck, dass immer weniger Prämienverbilligungen im Verhältnis zum gesamten Prämienvolumen zur Verfügung stehen. Dieser Eindruck trügt. Bund und Kantone richteten im Jahr 1997 rund zwei Mrd. Franken an Prämienverbilligungen aus, im Jahr 2007 waren es bereits 3,4 Mrd. Franken. Dies entspricht einer Zunahme von rund 70 Prozent in zehn Jahren. Die Prämieneinnahmen stiegen in der gleichen Zeitspanne von 12 Mrd. auf 19,7 Mrd. Franken an, was einem Wachstum von rund 64 Prozent entspricht. Die Verbilligungen machen also im Jahr 2007 rund 17,3 Prozent des gesamten Prämienvolumens aus. 1997 waren es noch rund 16,7 Prozent. Es fliessen heute aber nicht nur mehr Mittel in die Prämienverbilligung, sondern es müssen auch mehr Haushalte davon Gebrauch machen. Die Anzahl der subventionierten Haushalte stieg zwischen 1997 und 2007 um 24 Prozent von rund 989 000 auf rund 1,225 Mio. Die Subventionen pro Haushalt wuchsen um 38 Prozent und betrugen 2007 rund 2800 Franken gegenüber 2000 Franken zehn Jahre zuvor. Während sich die Prämien also um 64 Prozent erhöhten, stiegen die Subventionen pro Haushalt nur um 38 Prozent. Die Belastung in den subventionierten Haushalten hat damit zwar zugenommen, dafür erhalten 2007 rund 236 000 zusätzliche Haushalte eine Verbilligung.

Kopfprämien als Spiegel der Kosten

Die Krankenversicherer erheben bei ihren Kunden Kopfprämien, welche die medizinischen Leistungen sowie die eigenen Verwaltungskosten decken sollen. Alle versicherten Personen, auch die Kinder, sind grundsätzlich verpflichtet, diese Kopfprämie zu entrichten. Die Kopfprämie stellt das zentrale Element der Solidarität zwischen Gesunden und Kranken dar. Gleichzeitig spiegelt sie die Kosten unseres Gesundheitssystems. Steigen die Kosten, so steigen die Prämien. Im Gegensatz zu einem einkommensabhängigen System werden damit alle Versicherten mit dem Problem des Kostenwachstums im Gesundheitswesen konfrontiert, was zu einer Sensibilisierung gegenüber dieser Thematik führt und das eigenverantwortliche Handeln fördert. Bei einkommensabhängigen Prämien fällt dieser Aspekt weg. Wer kennt schon die Höhe des eigenen monatlichen Beitrags an die AHV? Praktisch niemand. Fast jeder kennt aber die Höhe seiner Krankenkassenprämie. Steigende Prämien sind nichts anderes als steigende Kosten, welche nicht zuletzt auch die Prämienzahlenden durch ihr eigenes Verhalten im Alltag und an der Urne beeinflussen können. Prämienverbilligung als Entlastung…

Die Belastung durch das KVG ist nicht, wie oft gehört, für jeden Bürger gleich hoch, sondern teilweise vom Einkommen abhängig. Die Prämienverbilligung entlastet Personen in bescheidenen wirtschaftlichen Verhältnissen und stellt eine gewisse Solidarität zwischen reich und arm her. Der Steuerzahler finanziert die Prämienverbilligungen, wodurch sich Wohlhabende stärker an den Gesundheitskosten beteiligen als Personen in bescheidenen Verhältnissen. Damit fügt sich die Finanzierung der obligatorischen Grundversicherung aus sozialen und eigenverantwortlichen Elementen zusammen. Die Kopfprämie enthält im Verbund mit der Kostenbeteiligung Anreize für ein kostenbewusstes Verhalten. Die steuerfinanzierte Prämienverbilligung als soziales Element federt die Prämienlast für Personen in wirtschaftlich bescheidenen Verhältnissen ab. Neben der Prämienverbilligung finanzieren aber auch die Steuerzahler einen Teil der KVG-Leistungen. So wird rund die Hälfte der stationären Spitalkosten nicht über Kopfprämien, sondern über einkommensabhängige Steuerbeiträge gedeckt. Insgesamt repräsentiert der Steueranteil rund 40 Prozent der heutigen Grundversicherungskosten. … oder als Valium für die Versicherten?

Für das nächste Jahr ist mit einer zweistelligen Prämienerhöhung zu rechnen. Grund: Die Kosten sind in den letzen Jahren schneller gewachsen als die Prämienerträge der Krankenversicherer. Sofort ertönen Rufe nach zusätzlichen Mit-

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teln für die Prämienverbilligung. Diese Forderungen gehen, wie eingangs erwähnt, von 200 Millionen bis über eine Milliarde Franken. Macht eine solche Aufstockung überhaupt Sinn? Um Härtefällen vorzubeugen, ist eine gewisse Anpassung der Prämienverbilligung sicherlich zu prüfen. Allerdings lösen zusätzliche Prämienverbilligungen das Kostenproblem keineswegs. Im Gegenteil: Je mehr Prämienverbilligungen verteilt werden, desto weniger prekär erscheint für den Versicherten das Kostenproblem. Es entsteht kein zusätzlicher Druck auf die Politik, das Übel – die sich ständig drehende Kostenspirale – mit griffigen Massnahmen an der Wurzel zu packen. Mit den Prämienverbilligungen wiegt die Politik den Versicherten in der trügerischen Sicherheit, dass alles gar nicht so schlimm sei. Wird der kommende Prämienschock allzu sehr mit neuen Prämienvergünstigungen abgefedert, so legt sich die aktuelle Aufregung schnell wieder. Tilman Slembeck, Professor für Volkswirtschaftslehre an der ZHAW und der Universität St.Gallen, bezeichnete denn auch gemäss bazonline.ch vom 27. Mai 2009 die Prämienvergünstigungen als Valium. Die Versicherten brauchen aber kein Valium, sondern Massnahmen, welche das Kostenwachstum nachhaltig bremsen können. Einsparpotenzial besteht insbesondere bei den Medikamentenpreisen, der Mittel- und Gegenständeliste und dem Bereich Spital ambulant. Setzt der Bundesrat die von santésuisse geforderten Massnahmen* in diesen Bereichen um, kann rund eine Milliarde Franken eingespart werden – genau diese Milliarde, welche die Motion Steiert vom Steuerzahler zur Umverteilung fordert. Noch bleibt die Wahl: Man kann die Prämienverbilligung im geforderten Ausmass aufstocken, dann werden die Massnahmen zu Kostensenkung zweifellos versanden. Oder man setzt die erwähnten Massnahmen zügig um, dann wird die Aufstockung der Prämienverbilligung in beschriebenem Ausmass überflüssig und der Steuerzahler wird geschont. Matthias schenker

* Massnahmen sind auf www.santesuisse.ch beschrieben.

Kein Geld mehr für die KrankenkassenPrämien: Immer mehr Menschen können die Grundversicherung nicht mehr selber bezahlen. Es herrscht Handlungsbedarf.


infosantésuisse : dossier Der Patient 3/2011 177 Spielraum von TARMED-Rechnungen lässt sich offenbar gezielt ausnutzen

Für zehn Minuten Behandlung 29 Minuten bezahlen? Einer der Hoffnungen, die in das ambulante Tarifsystem TARMED gesetzt wurden, war eine höhere Transparenz der ärztlichen Rechnungsstellung. Für das System als Ganzes gilt dieses Ziel – auch dank des Tarifpools von santésuisse – als erreicht. Im Einzelfall aber hapert es mit der Transparenz noch gelegentlich, wie das folgende Beispiel einer Patientin zeigt.

Frau B. staunte nicht schlecht, als sie von ihrer Dermatologin nach einer zehnminütigen Konsultation eine Rechnung erhielt, die beim Zusammenzählen der drei Tarifpositionen 29 Minuten ergab. Nicht nur das machte Frau B. stutzig: Die Umschreibung der Tarifpositionen besteht aus Fachausdrücken – so dass die Patientin nicht ausfindig machen konnte, was sich dahinter verbirgt. Eine Nachfrage bei der Ärztin brachte ihr die unwirsche Antwort ein, ob sie denn nichts von der Unterscheidung in Zeit- und Einzelleistungspositionen wisse. Verständlicherweise noch verwirrter, wandte sich die Patientin an die Tarifabteilung der FMH. Ermessensspielraum mehr als ausgereizt

Dort beschied man ihr, dass die Kombination der drei Tarifpositionen zwar zulässig sei. Allerdings bilde eine Position die ersten fünf Minuten Konsultation ab. Die beiden anderen Positionen sind Behandlungsschritte, denen das TARMEDSystem durchschnittlich je 12 Minuten zuordnet. Im Klartext: In den zweiten fünf Minuten der Konsultation will die Ärztin Behandlungen durchgeführt haben, für die das Tarifsystem durchschnittlich 24 Minuten vorsieht. Das findet auch der FMH-Tarifspezialist stossend: «In dieser Zeit ist kein anständiger dermatologischer Status inklusive Dermatoskopie zu machen, behaupte ich mal.» Er fügt hinzu, dass Frau B. in einem Gerichtsfall wahrscheinlich gute Chancen hätte. Wegen des «geringen» Rechnungsbetrags von gut 100 Franken empfiehlt er ihr aber eine Beschwerde bei der dermatologischen Gesellschaft.

zeugt, weiss ich erst, wenn ich schon einmal bei ihm gewesen bin.» Das zeigt ein weiteres Problem auf: Bis heute haben Patientinnen und Patienten keinerlei Möglichkeit, ihren Arzt nach vernünftigen Kriterien auszuwählen. Sie müssen sich auf Mund-zu-Mund-Propaganda oder auf das Telefonbuch verlassen. Die so genannte freie Arztwahl verkommt dadurch zur Farce. Wenn Ärztegesellschaften die Patienten schon aufrufen, bei Unzufriedenheit den Arzt zu wechseln, müsste sie eigentlich auch Hand bieten zu obligatorischen und öffentlich zugänglichen Qualitätsmessungen. Aus dem Transparenz- wird ein Qualitätsproblem

Der Fall von Frau B. wirft nicht nur in dieser Hinsicht die Qualitätsfrage auf. Die fragliche Untersuchung diente dazu, Veränderungen bei Muttermalen auf ihre Bösartigkeit zu prüfen. Wenn in einem solchen Fall nur fünf statt der durchschnittlich vorgesehenen 24 Minuten eingesetzt werden, scheint eine seriöse Abklärung unwahrscheinlich. Es gibt zwei Möglichkeiten: Entweder hat die Ärztin Tarifpositionen in unseriöser Weise kumuliert, oder aber sie hat die verrechneten Behandlungen tatsächlich durchgeführt – allerdings nicht besonders sorgfältig. Das ist besonders in diesem Fall, in dem eine Fehldiagnose für die Patienten fatale Folgen haben kann, bedenklich.

Ist es möglich, eine Behandlung qualitativ einwandfrei in zehn Minuten durchzuführen, wenn eigentlich eine halbe Stunde dafür vorgesehen wäre?

Arztwechsel als einzige Alternative?

Foto: Prisma

Die Antwort, die Frau B. dort erhielt, brachte nichts wesentlich Neues. Die Kombination der drei Tarifpositionen sei möglich und mache im Prinzip auch Sinn, sei im konkreten Einzelfall jedoch unverständlich. Die Ärztin habe ihren Ermessensspielraum ausgereizt und alle Kumulationsmöglichkeiten ausgeschöpft. Die dermatologische Gesellschaft rät der Patientin, sich in Zukunft einen Arzt zu suchen, «der Sie mit einer vernünftigen Rechnungsstellung überzeugt.» Diese Antwort befriedigte die Patientin nicht. Zu Recht moniert sie: «Ob ein Arzt mich mit seiner Rechnungsstellung über-

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Und die Reaktion der Kasse?

In einer solchen Situation ist eine Nachfrage beim Krankenversicherer naheliegend. Frau B. hat das auch getan – und war von der Antwort enttäuscht. Die Krankenkasse teilte ihr nämlich mit, nichts unternehmen zu können, weil nur die Patientin selber wisse, was die Ärztin genau gemacht habe. Diese Antwort ist zu einem gewissen Teil nachvollziehbar, denn auf den TARMED-Rechnungen steht – wenn überhaupt – nur ein relativ allgemeiner Diagnose-Code, der keine Rückschlüsse darauf zulässt, warum die Patientin ihre Ärztin genau aufgesucht hat. Die TARMED-Rechnung zeigt auch nicht an, wie lange die Patientin wirklich im Untersuchungszimmer war. Ersichtlich ist nur, welche Zeittarife die Ärztin verrechnet hat. Das bedeutet, dass der Krankenkasse diese überhöhte Rechnung gar nicht aufgefallen wäre. Die Versicherer können lediglich Positionen erkennen, die nicht miteinander kombiniert werden dürften, oder solche, die nicht zum Diagnosecode passen. Deshalb haben Versicherer und Patienten ein gemeinsames Interesse daran, für transparentere TARMED-Rechnungen zu kämpfen – und deshalb ist die Antwort der Krankenkasse an Frau B. auch nicht ideal. Initiative und eigenverantwortliche Versicherte brauchen die Unterstützung ihrer Kassen. Eine Nachfrage bei verschiedenen Krankenversicherern hat denn auch ergeben, dass die

Der Einsatz von santésuisse gegen intransparente Rechnungen

santésuisse setzt sich seit Jahren für transparentere TARMEDRechnungen ein. Am Beginn stand die Forderung nach präziseren Diagnose-Codes. Diese musste allerdings aufgegeben werden, weil die Codierung von den Ärzten einiges an Zeit in Anspruch nimmt, welche wiederum verrechnet würde – gerade bei kleinen Rechnungen zu Lasten der Patientinnen und Patienten. Die Krankenversicherer werden aber weiterhin für patientenfreundlichere Rechnungen kämpfen – insbesondere bei kommenden Revisionen des Tarifs. Aus Sicht von santésuisse müssen bei Neuverhandlungen auch die offenbar übertriebenen Kumulationsmöglichkeiten von Tarifpositionen zum Thema werden. Die Versicherer bieten auch konkrete Hilfestellungen. Unter www.santesuisse.ch – Service – Publikationen – 1x1 der Krankenversicherung ist eine Interpretationshilfe für TARMED-Rechnungen zu finden. Ausserdem bieten die Versicherer den Patientinnen und Patienten im Einzelfall Unterstützung, wenn offensichtlich überhöhte Rechnungen ins Haus flattern. Dies auch dann, wenn die Franchise noch nicht abbezahlt ist.

Antwort, die Frau B. bekommen hat, keineswegs Branchenstandard ist – ganz im Gegenteil. Die Krankenversicherer bieten Hilfe

Der CSS-Sprecher Stephan Michel räumt zwar ebenfalls ein, dass tatsächlich nur der Patient wisse, welche Behandlung er beim Arzt genau erhalten habe. Ausserdem sei der Patient im Regelfall Schuldner des Arztes, so dass es eigentlich am meisten Sinn mache, wenn der Patient selber beim Arzt interveniert. Allerdings ist es für Stephan Michel nachvollziehbar, dass sich Patienten oft nicht getrauen, beim Arzt zu reklamieren, weil sie das Vertrauensverhältnis nicht gefährden wollen. In solchen Fällen könnten sich die Versicherten beim Kundendienst der CSS melden, welcher im Rahmen seiner Möglichkeiten zu helfen versuche. Ähnlich äussern sich auch die anderen angefragten Krankenversicherer. Die Helsana zum Beispiel erklärt, sie würde im geschilderten Fall mit Einverständnis der Patientin bei der Ärztin rückfragen. Sollte ein Fehler vorliegen, liesse die Helsana die Rechnung korrigieren. Die Krankenversicherer und ihr Branchenverband santésuisse stehen hinter den Patienten und Versicherten und werden weiterhin für transparentere TARMED-Rechnungen kämpfen – so wie sie das schon seit Jahren tun (siehe Box). peter kraft

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infosantésuisse online

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infosantésuisse : dossier Der Patient 3/2011 180 Fünf Fragen an: Hans-Ueli Regius, Generaldirektor der SWICA Gesundheitsorganisation

«Gesundheitsförderung ist eine Frage der Unternehmenskultur» Das Label «Friendly Workspace» zeichnet Unternehmen aus, die sich besonders um die Gesundheit ihrer Mitarbeiter bemühen. Viele der grössten Schweizer Unternehmen – darunter Migros, Post und ABB – haben es gemeinsam mit Gesundheitsförderung Schweiz entwickelt und auch erhalten. Mit dabei ist auch der Krankenversicherer SWICA. Wir haben mit Generaldirektor Hans-Ueli Regius über seine Beweggründe und Erfahrungen gesprochen.

Foto: ZVG

«Die Führung profitiert selber am meisten von einer guten Unternehmenskultur.»

SWICA hat das Label «Friendly Workspace» von Anfang an unterstützt. Warum?

Was für Massnahmen sind das konkret – zum Beispiel in Ihrem eigenen Unternehmen?

Klare Standards und eine Label-Zertifizierung führen zu einer besseren Akzeptanz und zu einem höheren Stellenwert der Gesundheitsförderung. Für uns ist wichtig, dass betriebliches Gesundheitsmanagement mess- und bewertbar ist und nicht im persönlichen Wahrnehmungsbereich verbleibt. Ausserdem: Nur wenn die betriebliche Gesundheitsförderung periodisch von aussen überprüft wird, ist eine kontinuierliche Qualitätssicherung möglich.

Das Thema Gesundheit ist bei uns ein Bestandteil der Führungstätigkeit – wie beispielsweise das Einhalten der Budgets. Konkrete Massnahmen fürs Wohlbefinden sind regelmässige CoachingGespräche und attraktive Arbeitsplätze. Das fängt bei Einrichtung und Ergonomie an. Wir führen aber auch jedes Jahr Gesundheitsaktivitäten durch, wo sich die Mitarbeitenden mit ihrer Ernährungs-, Bewegungs- und Entspannungssituation konfrontieren und sich bei Bedarf Hilfe holen können. Daneben gibt es diverse Bewegungs- und Sportangebote. In der Hochsaison der Krankenversicherung – also im Herbst – bieten wir unseren Leuten wöchentlich Entspannungsmassagen an. Sie erhalten dann auch Tipps, wie sie sich richtig setzen oder besser entspannen können. Es geht also nicht um reines Konsumieren, sondern um die Förderung der Eigenverantwortung.

Friendly Workspace» sei weit mehr als ein Lauftreff oder ein Früchtekorb, sagt der Direktor von Gesundheitsförderung Schweiz. Wie weit reicht betriebliches Gesundheits­ management?

Sie reicht bis in die Leitbilder der Unternehmen. Letztlich ist es eine Kulturfrage: Welchen Stellenwert hat die Gesundheit und die Förderung der Mitarbeitenden? Betrachtet das Management die Gesundheitsförderung als wichtig? Erst wenn diese Voraussetzungen erfüllt sind, können konkrete Massnahmen greifen. Wichtig ist der Miteinbezug der Mitarbeitenden. Sie beeinflusst die Motivation und die Sinnfindung in der Arbeit sehr positiv.

Was empfehlen Sie Unternehmen, die ein betriebliches Gesundheitsmanagement aufbauen wollen?

Sie können sich an unsere Fachstelle für betriebliches Gesundheitsmanagement wenden. Unsere Experten werden das Unternehmen besuchen, eine Analyse des Ist-Zustandes machen und daraus den Handlungsbedarf ableiten. Wir arbeiten mit einem Fragebogen für die Mitarbeitenden, damit tatsächlich de-

ren Interessen berücksichtigt werden und nicht primär die Ideen des Managements. Häufig kommen solche Evaluationen zum Schluss, dass die gesundheitlichen Defizite von Mitarbeitenden etwas mit der Unternehmenskultur und weniger mit fehlenden Sportangeboten zu tun haben. Viel hängt mit dem Führungsstil zusammen und damit, wie man im Unternehmen miteinander umgeht. Eine neue Unternehmenskultur kann man aber nicht von heute auf morgen implementieren…

Entscheidend ist es, die Führung davon zu überzeugen, dass sie selber am meisten von einer guten Unternehmenskultur profitiert – denn letztlich ist sie ja auf die Mitarbeitenden angewiesen. Ein erfolgreiches Beispiel sind so genannte Wiederkehr-Gespräche. Wenn jemand krank war und zurück an den Arbeitsplatz kommt, geht er nicht einfach zurück ans Pult, sondern analysiert gemeinsam mit seinem Vorgesetzten seine berufliche und gesundheitliche Situation. Das zwingt Führungskräfte, sich mit dem Gesundheitszustand und damit mit den Leistungsmöglichkeiten der Angestellten zu befassen und die zwischenmenschliche Ebene mitzuberücksichtigen. interview: peter kraft

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infosantésuisse : dossier Der Patient 3/2011 181 11. Forum der sozialen Krankenversicherer in Zürich

Welche Bedeutung hat die Prävention – und braucht es ein Gesetz dazu? Der Verband der kleinen und mittleren Krankenversicherer (RVK) widmete sein 11. Forum der sozialen Krankenversicherung einem Thema, welches er eigentlich am liebsten von den Kassen fernhielte: der Gesundheitsförderung und Prävention. Es zeigte sich, dass es kaum einen gemeinsamen Nenner darüber gibt, was darunter genau zu verstehen ist – geschweige denn, wer dafür zuständig ist. Umso einiger sind sich die Teilnehmer aber in einem zentralen Punkt: Der bisherige, unkoordinierte Aktionismus muss ein Ende haben.

Salome von Greyerz, beim Bundesamt für Gesundheit (BAG) zuständig für Prävention und Gesundheitsförderung, zeigte deren Bedeutung mit einigen Trends und Fakten auf. Der Anteil der chronisch Kranken wachse ständig – ebenso wie die Nachfrage nach Gesundheits-Leistungen. Das Angebot und die finanziellen Mittel könnten damit längerfristig nicht Schritt halten. Die heranwachsende Generation laufe Gefahr, erstmals seit langer Zeit eine geringere gesunde Lebenserwartung als ihre Eltern zu haben. Dieses Szenario lasse sich nur verhindern, wenn sich der Gesundheitszustand der Bevölkerung wei-

ter verbessere. Staatliches Handeln sei deshalb dringend angezeigt. Klare Ziele nötig…

Wenn sich der Staat Gesundheitsförderung und Prävention zur Hauptaufgabe mache, müsse dies koordiniert geschehen, betonte Salome von Greyerz. Deshalb unterstütze sie das geplante Präventionsgesetz, das kein Massnahmen-, sondern ein reines Rahmen- und Organisationsgesetz sei. Es gebe dem Bund die Möglichkeit, verbindliche nationale Gesundheitsziele zu definieren und ein Institut zu schaffen, welches die Umsetzung dieser Gesundheitsziele koordiniert. Die konkrete Durchführung der Gesundheitsförderung und Prävention bleibe bei den Kantonen – allerdings würde der Bund mit dem neuen Präventionsgesetz die Richtlinien vorgeben. Salome von Greyerz liess durchblicken, welche Bereiche der Prävention für das BAG zentral sind: eine gesunde frühkindliche Entwicklung, eine hohe Gesundheitskompetenz der Bevölkerung, ein gesundes Altern sowie die Früherkennung von psychischen Krankheiten und Krebs. …aber kein neues Institut

Skeptisch gegenüber den Plänen des Bundes zeigte sich der Zuger Gesundheitsdirektor Joachim Eder, und das aus

Während Ständerätin Christine Egerszegi Obrist das Präventionsgesetz befürwortet...

mehreren Gründen. Grundsätzlich sei er der Meinung, dass die Sorge zur Gesundheit Sache eines jeden Einzelnen sei und nicht vom Staat verordnet werden solle. Der Staat solle seine Bürger unterstützen und nicht bevormunden. Er habe zwar nichts gegen Präventionsaktionen – sein Departement habe selber eben einen «Aktionsmonat psychische Gesundheit» durchgeführt. Allerdings müssten solche Projekte im Rahmen von verbindlichen Zielsetzungen und klaren Strategien laufen. Eder nennt dies eine «gesundheitsförderliche Gesamtpolitik». Der Zuger Gesundheitsdirektor attestiert dem geplanten Präventionsgesetz denn auch, dass es Doppelspurigkeiten beseitige und den Fokus richtig setzte – nämlich auf psychische und chronische Krankheiten. Er kritisiert allerdings den mangelnden Einbezug der Kantone. Er befürchtet, dass die Gesundheitsziele des Bundes an den Bedürfnissen der Bevölkerung vorbeizielen könnten. Ausserdem findet Eder die Schaffung eines neuen Instituts für Prävention unnötig, weil mit «Gesundheitsförderung Schweiz» bereits eine geeignete Organisation existiere. Regulierungswut oder soziale Verantwortung?

Als klaren Gegner des Präventionsgesetzes präsentierte sich Hans-Ulrich Bigler, Direktor des schweizerischen Gewerbeverbandes. Er stieg ein mit der Feststellung, dass «jedes neue Gesetz uns ein Stück von dem raubt, was uns von der Freiheit noch bleibt». Darauf gestützt, begründete er seine Ablehnung des Präventionsgesetzes. Er warf den «Gesundheitsaposteln» des BAG «Regulierungswut» vor. Bigler plädierte für eine massvolle Präventionspolitik, «die auf den Prinzipien von Eigenverantwortung und Aufklärung» beruht. Besonders dezidiert äusserte er sich dagegen, der Wirtschaft Regelungen zum Gesundheitsschutz der Beschäftigten aufzuzwingen: Die Unternehmen unternähmen bereits heute viel, und zwar aus Eigeninitiative. Die FDP-Ständerätin Christine Egerszegi-Obrist sieht das ein wenig anders. Als Liberale unter-

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Fotos: RVK

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... ist der Zuger Regierungsrat Joachim Eder skeptisch.

stützt auch sie das Primat der Eigenverantwortung. Doch gebe es gewisse Bevölkerungskreise, die so durch die Maschen fielen – und an diese Menschen müssten sich staatliche Präventionsprogramme richten. Egerszegi befürwortet das Präventionsgesetz, «weil dank koordiniertem Einsatz der vorhandenen Mittel viel mehr erreicht werden kann.» Als Beispiel führte sie den Kampf gegen Karies an: Hier hätten Zahnärzte, Schulen und Behörden eng und mit klarem Ziel zusammengearbeitet mit dem Ergebnis, dass Karies heute praktisch kein Thema mehr sei. Prävention nicht den Kassen anlasten

In die anschliessende Podiumsdiskussion schaltete sich auch RVK-Präsident Charles Giroud ein. Er zeigte sich zwar kritisch gegenüber dem Präventionsgesetz in der vorgeschlagenen Form. Dennoch ist für ihn die Prävention ein Stück weit eine staatliche Aufgabe: «Der Staat muss die richtigen Rahmenbedingungen schaffen, damit die Bevölkerung ihre Eigenverantwortung wahr nehmen kann.» Gerade angesichts der stark steigenden Pflegekosten und der demografischen Entwicklung berge ein gesundes Alter hohes Sparpotenzial. «Wenn wir den Eintrittszeitpunkt ins Pflegeheim um durchschnittlich ein Jahr verschieben könnten, wäre einiges gewonnen.» Giroud warnte aber davor, die Prävention den Krankenversicherern anzulasten. Erstens würde dies das System zusätzlich verteuern – und es bestünde die Gefahr, dass damit Marketing betrieben würde.

«Management auswechseln»

Damit waren die Fronten im Kampf um das Präventionsgesetz geklärt. Im zweiten Teil der Tagung kamen die Praktiker zu Wort. Dieter Kissling, Gründer und Geschäftsführer des Instituts für Arbeitsmedizin, zeigte den Einfluss der Gesundheit auf die Produktivität am Arbeitsplatz auf. Das Hauptproblem dabei seien nicht die Absenzen. Fast zwei Drittel aller krankheitsbedingten Arbeitskosten gehen auf den so genannten «Presentism» zurück – wenn Mitarbeitende zwar anwesend, aber nur beschränkt leistungsfähig sind. Die häufigste Diagnose, die zu einer verminderten Arbeitsfähigkeit führt, sind Erkrankungen des Bewegungsapparats. Sie machen rund einen Viertel aller Fälle aus. Die psychischen Erkrankungen sind aber rasant auf dem Vormarsch. Laut einer Studie der deutschen Bundesanstalt für Arbeitsschutz und Arbeitsmedizin stieg deren Anteil zwischen 2001 und 2002 von 6,6 auf 10,5 Prozent. Bei den krankheitsbedingten IV-Renten liegen die psychischen Beschwerden bereits an der Spitze. Hinzu kommt, dass die Arbeitnehmer wegen der demografischen Entwicklung immer älter werden. Dieter Kissling schliesst daraus: Betriebliche Gesundheitsförderung wird für die Unternehmen je länger je mehr zu einem Wettbewerbsvorteil. Der Arbeitsmediziner zitierte Studien, wonach sich jeder in die betriebliche Gesundheitsförderung investierte Franken dreifach auszahlt. Allerdings stellte auch Kissling klar, dass solche Erfolge nur im Rahmen von langfristigen, zielgerichteten und messbaren Massnahmen möglich sind. Als Beispiel nannte er das Label «Friendly Workspace», das Unter-

nehmen und ihre betriebliche Gesundheitsförderung nach strengen Kriterien bewertet. Für Dieter Kissling ist klar: «Wer hier nicht aufspringt – bei einer Rentabilität von 3:1 – für den müsste es eigentlich heissen: Management auswechseln». Vom Labor ins Wohnzimmer

Der Trendforscher Stephan Sigrist prophezeite zum Abschluss eine viel grössere Bedeutung der Prävention in Zukunft. Dies habe auch Schattenseiten, weil der soziale Druck auf Kranke steigen könnte – vor allem wenn deren Leiden als selbstverschuldet gilt. Andererseits werde der PräventionsBoom zusammen mit dem medizinischen Fortschritt auch zu praktischen und kostengünstigen Lösungen führen. Sigrist rechnet damit, dass Patienten in Zukunft einfache Untersuchungen dank einfachen Tests selber machen können und weder Arzt noch Labor mehr benötigen. Wichtig sei dann, dass die Anleitungen zu solchen Test einfach und verständlich seien. Die Prävention dürfe auch nicht mehr einer sturen Doktrin oder anderweitigen Interessen folgen, sondern müsse sich an den Bedürfnissen der Bevölkerung orientieren. Gleichwohl befürwortet Stephan Sigrist das Präventionsgesetz, weil es endlich eine nationale Gesundheitsstrategie bringen werde. Diese hält der Zukunftsforscher für dringend nötig. peter kraft

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infosantésuisse : dossier Der Patient 3/2011 183 Grafik des Monats

Kantone mit hoher Facharztdichte haben meist hohe Prämien In den Kantonen mit einer hohen Dichte an privat praktizierenden Fachärzten sind die Prämien hoch. Hingegen scheint sich die Dichte an Allgemeinpraktikern nicht auf die Prämien auszuwirken. Ist daraus zu folgern, dass sich die Facharztdichte entscheidend auf die Prämien auswirkt?

Die Grafik des Monats Juni schneidet gleichzeitig mehrere brisante Fragen an: Der starke Prämienanstieg, die Ärztedichte und die Unterschiede zwischen Allgemeinpraktikern und Fachärzten. Es stellt sich natürlich die Frage, ob ein Zusammenhang zwischen der Prämienhöhe in den Kantonen und der Ärztedichte besteht. Aus der Grafik geht hervor, dass sich die Dichte der Allgemeinpraktiker nicht auf die kantonalen Durchschnittsprämien auswirkt. Hingegen nimmt in den meisten Kantonen die Facharztdichte in ziemlich direkter Korrelation mit der Prämienhöhe zu. So verzeichnen die Kantone VD, BS und GE

sowohl die höchste Facharztdichte als auch die höchsten Prämien. Umgekehrt bezahlt man in den Kantonen AI, NW, OW mit einer geringen Ärztedichte die tiefsten Prämien. Allerdings bilden die Kantone JU, SO und TG Ausnahmen und folgen der allgemeinen Tendenz nicht. Trotz geringer Facharztdichte sind die Prämien nämlich relativ hoch. Natürlich sind viele Faktoren für die kantonalen Unterschiede verantwortlich. Sie müssen aber gerade jetzt, wo sich die Kostenfrage dringend stellt, alle miteinbezogen werden. maud hilaire schenker

GE

TI

BS

VD

JU

NE

BL

BE

ZH

FR

SH

SO

AG

VS

TG

GR

DICHTE DER ÄRZTE (ALLGEMEINPRAKTIKER) 1) DICHTE DER ÄRZTE (SPEZIALÄRZTE) 1) KANTONALE JÄHRLICHE DURCHSCHNITTSPRÄMIEN FÜR ALLE VERSICHERTEN 1)

ANZAHL ÄRZTE MIT PRAXISTÄTIGKEIT PRO 1000 EINWOHNER

QUELLE: T 9.09 & T 3.08 STAT KV O7

Kantone mit vielen Spezialisten haben tendenziell höhere Prämien. Die Hausarztdichte scheint hingegen keinen Einfluss auf die Prämienhöhe zu haben.

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PRÄMIEN IN FR.

1000 LU

0 GL

1750

SZ

1

ZG

2500

SG

2

UR

3250

AR

3

OW

4000

AI

4

NW

ÄRZTEDICHTE

DICHTE DER ÄRZTE MIT PRAXISTÄTIGKEIT UND PRÄMIEN NACH KANTONEN IM JAHR 2007


infosantésuisse : dossier Der Patient 3/2011 184 Foto: Prisma

Nationaler Gesundheitsbericht 2008

Obsan fordert: Gesundheitliche Ungleichheiten abbauen Der neueste Bericht «Gesundheit in der Schweiz» beschreibt erstmals die Gesundheit der Bevölkerung im Licht der gesellschaftlichen Einflüsse. Noch immer sei der Gesundheitszustand nicht in allen Gesellschaftsschichten gleich gut. Diese Ungleichheiten gelte es weiter abzubauen – unter anderem mit einer nationalen Gesundheitsstrategie.

Der Bericht stellt fest, dass Bildung und Einkommen den nachhaltigsten Einfluss auf die Gesundheit ausüben. So ist erwiesen, dass Menschen mit einer geringen Schulbildung im Allgemeinen weniger lange leben und mehr Jahre ihres Lebens in Krankheit verbringen als jene, die höher gebildet sind. So ist es auch zu erklären, dass die Schweiz als eines der reichsten Länder mit einem gut ausgebauten Bildungssystem weltweit eine der höchsten Lebenserwartungen aufweist. Arbeit und Umwelt

Nicht zu unterschätzen ist sodann der Faktor Erwerbstätigkeit. Die Qualität der Arbeitsstelle, die Position im Beruf sowie die damit verbundene Stellung in der Gesellschaft haben bei Menschen aller Einkommensgruppen einen bedeutenden Einfluss auf ihre gesundheitlichen Risiken. Bei jeder längeren Erwerbslosigkeit nimmt die Wahrscheinlichkeit zu, dass der Mensch krank wird. Mit der zunehmenden Verstädterung sind auch Einflussfaktoren wie Luftverschmutzung, Strassenverkehr, unsauberes Wasser und verunreinigte Lebensmittel wichtiger geworden. Bezeichnend ist, dass insbesondere Menschen mit niedrigerem Einkommen zum Beispiel in Stadtteilen oder Regionen mit höherer Umweltbelastung leben. Intaktes soziales Umfeld in der Kindheit

Besonderes Gewicht legt der Bericht auf Faktoren, die positiv auf die frühkindliche Entwicklung einwirken, wobei der

Arbeiter haben immer noch eine deutlich tiefere Lebenserwartung als Akademiker. Das muss sich ändern.

fördernde und schützende Einfluss stabiler Eltern-, Kind- und Geschwisterbeziehungen von grösster Bedeutung ist. Obwohl sich der Bedarf an externer Kinderbetreuung in der Schweiz seit 1991 vervierfacht hat, besteht nach wie vor ein Mangel an Angeboten, die auch für Eltern mit geringem Einkommen bezahlbar sind. Auch hier zeigt sich, dass familiäre Armut ein frühkindliches Risiko von grosser Tragweite ist. Der Bericht zeigt auch auf, dass es alleinerziehenden Müttern gesundheitlich tendenziell schlechter geht als Frauen, die mit dem Vater ihrer Kinder in einer Partnerschaft leben. Bei alleinerziehenden Müttern ist festzustellen, dass sie häufiger rauchen, seltener Sport treiben und das Gesundheitssystem in der Regel weniger in Anspruch nehmen als andere Frauen. Migration und Gesundheit

Ein besonderes Augenmerk richtet der Bericht auch auf das Problem «Migration und Gesundheit». Die Migranten, welche in den letzten zwanzig Jahren auf der Suche nach Arbeit und Asyl in die Schweiz gekommen sind, haben einen eher tiefen sozioökonomischen Status. Sie sind wenig gebildet, arbeiten in Branchen, die stark von der Kon-

junktur abhängig sind und verdienen am wenigsten. Die Zuwanderer finden oft nur schwer Zugang zur Gesundheitsversorgung und zur Prävention, sei es wegen sprachlicher oder kultureller Barrieren oder weil sie sich schämen, entsprechende Dienste in Anspruch zu nehmen. Nicht allein Aufgabe des Staates...

Die Erhaltung der Gesundheit und die optimale Versorgung Kranker sei nicht allein Aufgabe des Staates, heisst es in der Schlussbetrachtung des Berichts. Auch Arbeitgeber, Sportvereine, Altersheime, Ärzte, Versicherungen und Lebensmittelhersteller seien gefordert, sich daran zu beteiligen. Auf der Ebene des Bundes fehle jedoch weiterhin eine nationale, kohärente Gesundheitspolitik, welche die Gesundheit in allen Politikbereichen verankere und es damit erlaube, auch die Gesundheitsdeterminanten systematischer als bisher in Betracht zu ziehen und Handlungsprioritäten zu setzen. Joseph Ziegler Gesundheit in der Schweiz – Nationaler Gesund­heits­ bericht 2008, Herausgeber: Gesundheitsobservatorium, Espace de l’Europe 10, 2010 Neuchâtel

21 | Krankenversicherung 5/09


Monats

Foto: Keystone

infosantésuisse : dossier Der Patient 3/2011 185

Der Protagonist auf diesem Bild ist äusserst robust. Er ringt mit seinen Kontrahenten so lange, bis die Hierarchie geklärt ist und er an der Spitze steht. Bei Auseinandersetzungen geht er mit dem Kopf durch die Wand und nimmt, wenn es sein muss, gerne auch einmal die Hörner zur Hilfe. Sein Kampfstil ist hart, doch verletzt er sein Gegenüber nicht – in der Regel. Er ist eine stattliche Erscheinung, ausgestattet mit einem ebenso stattlichen Selbstbewusstsein. Es gibt Leute, die werfen ihm vor, er habe nach nichts Geringerem als der Königswürde gestrebt. Diese Eigenschaften sind durch seine Herkunft mitgeprägt, stammt er doch aus einer Bergregion, wo man früh lernt, was anpacken heisst. Die Unbeugsamkeit und Beharrlichkeit, die ihn auszeichnen, sind in seiner Heimat weit verbreitet. Wann immer es sein dicht gefülltes Arbeitsprogramm zulässt, zieht er sich in die Stille der Gebirgswelt zurück, um neue Energie zu tanken. Der Protagonist, den wir meinen, ist natürlich die Eringerkuh. Sie hat sich im traditionellen Ringkuhkampf in Aproz (VS) dank hartem Training soeben gegen alle anderen Eringerkühe durchgesetzt. Damit ist sie die neue «Reine» – die Königin. Sogar der abtretende Bundesrat Pascal Couchepin ist gekommen, um ihr zu gratulieren.

22 | Bild des Monats 5/09

Bild

Unbeugsame Kämpfernatur von königlichem Gebahren


Leistungen der Grundversicherung: Fragen aus der Praxis Ist die Übernahme der Spitexkosten durch die Grundversicherung auf eine maximale Stundenzahl beschränkt? Wie viele Stunden werden monatlich maximal vergütet? Ist die ärztlich verordnete Haushaltshilfe (Putzen, Kochen, etc.) über die Grundversicherung abgedeckt? Gibt es auch da eine Beschränkung?

Art. 8, Abs. 6 KLV verlangt für Akutkranke eine ärztliche Verordnung für maximal drei Monate, für Langzeitpatienten eine für maximal sechs Monate. Art. 8a Abs. 3 KLV verlangt: «Die ärztlichen Aufträge oder Anordnungen sind zu überprüfen, wenn voraussichtlich mehr als 60 Stunden pro Quartal benötigt werden. Werden voraussichtlich weniger als 60 Stunden pro Quartal benötigt, sind systematische Stichproben durchzuführen.» Haushaltshilfe wird in keinem Fall – auch nicht wenn sie ärztlich verordnet ist – von der obligatorischen Krankenversicherung übernommen.

Foto: Prisma

Eine Spitex-Organisation nimmt für eine Patientin an einem runden Tisch mit der Psychiaterin, der Patientin und den Spitex-Mitarbeiterinnen teil. Kann sie diesen Aufwand verrechnen? Ziel des Gespräches sind die Ziele und die Umsetzung der psychiatrischen Pflege der Patientin mit der Diagnose Depression. Von SpitexSeite nehmen zwei Mitarbeiterinnen teil. Die Sitzung dauert eine Stunde.

Die Spitex-Organisation kann im beschriebenen Fall eine Stunde Massnahmen der Abklärung und Beratung verrechnen (Artikel 7 Abs. 2 lit. a KLV). Die Teilnahme einer Pflegeperson an diesem Gespräch wird wohl niemand in Frage stellen. Nimmt die Spitex jedoch mit zwei Personen teil, kann ihr das niemand verwehren – aber die Versicherung muss die Stunde der zweiten Pflegeperson nicht übernehmen. Die rechtliche Grundlage dazu liefert Artikel 56 des KVG (Wirtschaftlichkeit der Leistungen). Wie differenziert santésuisse zwischen den Begriffen «Kur» und «Rehabilitation»?

Die medizinische Rehabilitation ist eine kassenpflichtige Leistung (Art. 25 Abs. 2 lit. d KVG). Sie kann ambulant, in einer Kuranstalt, in einem Pflegeheim oder in einer spezialisierten Rehabilitationsklinik erfolgen. Letzteres verlangt allerdings eine ausgewiesene Spitalbedürftigkeit. Die medizinische Rehabilitation bezweckt die Wiedererlangung verlorener Fähigkeiten oder die Verbesserung beeinträchtigter Funktionsfähigkeiten mit medizinischen Mitteln. Erholungskuren dienen – wie es der Name sagt – zur Erholung durch Schonung und Milieu- oder Klimawechsel nach Erkrankungen. Eine besondere Pflegeoder Behandlungsbedürftigkeit liegt nicht vor. Erholungskuren sind nicht kassenpflichtig. Badekuren werden zur Heilung oder Linderung von Krankheits- oder Operationsfolgen bei mobilen Patienten ohne Pflege- oder Abklärungsbedürftigkeit verordnet. Wenn der Versicherte die ärztlich verordneten Therapien in einer ärztlich geleiteten Badekuranstalt absolvieren muss und dafür ausserhalb seiner Wohnung Unterkunft bezieht, spricht man von einer Badekur. Im Rahmen der obligatorischen Krankenpflegeversicherung leisten die Krankenversicherer einen täglichen Badekurbeitrag von 10 Franken während höchstens 21 Tagen pro Kalenderjahr (Art. 25 Abs. 2 lit. c KVG; Art. 25 KLV). Daneben werden die notwendigen diagnostischen, therapeutischen und sonstigen medizinischen Aufwendungen vergütet. Patienten mit schweren Störungen im Bereich der Logopädie benötigen oft eine intensive Therapie. Bei einer Behandlung, die drei Mal wöchentlich stattfindet, braucht es alle drei Wochen eine neue Verordnung. Gibt es in bestimmten Fällen die Möglichkeit einer «Langzeitverordnung» durch den Arzt?

Artikel 11 KLV beschreibt die Voraussetzungen für Logopädie. Er schreibt fest, dass nach zwölf Sitzungen eine weitere ärztliche Verordnung erforderlich ist. Der Gesetzgeber hat im Bereich Logopädie keine Langzeitverordnungen vorgesehen. Entsprechend gibt es keine Möglichkeit, Langzeitverordnungen einzureichen.

23 | Klipp & klar 5/09

Klipp klar

infosantésuisse : dossier Der Patient 3/2011 186


WHO fordert weitere Massnahmen

Starker Rückgang der Kindersterblichkeit seit 1990

Foto: ZGG

Die Weltgesundheitsorganisation (WHO) stellt in ihrem am 21. Mai 2009 erschienenen Jahresbericht der Gesundheitsstatistiken der Welt (World Health Statistics 2009) fest, dass sich die Kindersterblichkeit seit 1990 um 27 Prozent verringert hat. Laut Schätzungen der WHO starben im Jahr 2007 neun Millionen Kinder im Alter von unter fünf Jahren. Dies ist deutlich weniger als 1990 (geschätzte 12,5 Millionen). Allerdings ist die Verbesserung noch unzureichend, vor al-

lem in den Entwicklungsländern. Die Zahl liegt weit über den von der UNO für das neue Jahrtausend festgelegten Zielsetzungen. Die Kindersterblichkeit bei unter Fünfjährigen sollte im Zeitraum von 1990 bis 2015 um zwei Drittel zurückgehen. Das Sterberisiko ist im ersten Lebensmonat am höchsten, wobei vor allem eine zu frühe Geburt, Ersticken und Infektionen die Ursachen für einen frühen Tod sind. Mit folgenden Mitteln lassen sich laut WHO die Gesundheitsrisiken von Neugeborenen verringern: Qualitativ hoch stehende Betreuung während der Schwangerschaft, Geburt unter zureichend sicheren Bedingungen mit qualifiziertem Personal, kompetente nachgeburtliche Betreuung, insbesondere sofortige Kontrolle der Atmung und Warmhaltung des Neugeborenen, Nachpflege der Nabelschnur unter hygienischen Bedingungen und Stillen der Säuglinge als einzige Nahrungsquelle. Die häufigsten Todesursachen bei den einmonatigen bis fünfjährigen Kindern sind Lungenentzündung, Durchfall, Malaria, Masern und HIV-Infektion. Unterernährung macht über einen Drittel der Kindersterblichkeit aus. Viele Kinder könnten überleben, wenn sie Zugang zu einfachen und kostengünstigen Massnahmen hätten, zum Beispiel Ernährung durch Muttermilch, mit Insektizid behandelte Moskitonetze gegen die Malaria, Rehydratationssalz gegen Durchfallerkrankungen und vermehrte Impfungen. Die Kindbettsterblichkeit, ein weiteres Thema des Milleniumprogramms, ist seit 1990 praktisch unverändert geblieben. Es sterben etwa 400 Mütter auf 100 000 Geburten im Jahr. Südlich der Sahara sind es doppelt so viele.

Bekämpfung der Armut ist die beste Prävention

EU-Gesundheitsminister: Gesundheitsversorgung darf nicht unter Wirtschaftskrise leiden Beim Treffen der EU-Gesundheitsminister und ihrer Experten am 2. April 2009 in Oslo war man sich einig, dass Lösungen für die Wirtschaftskrise gefunden werden müssen, ohne die gesundheitspolitischen Ziele zu gefährden. Die Folgen der Krise sind auf zwei verschiedenen Ebenen spürbar. So verzeichnen praktisch alle europäischen Länder tiefere Steuereinnahmen als angenommen. Zudem liess der sinkende Wert zahlreicher Währungen in Europa die Preise von gesundheitsbezogenen Produkten in die Höhe klettern, insbesondere von Medikamenten und medizinischen Apparaten. Preissteigerungen, Arbeitslosigkeit und Unsicherheit könnten bei der Bevölkerung zu einer gesundheitsgefährdenden Lebenshaltung füh-

ren. Weniger bemittelte Bevölkerungsschichten greifen möglicherweise zu billigeren Lebensmitteln mit hohem Fett- und Zuckergehalt und tiefem Nährstoffanteil. Diese Ernährungsweise ist besonders für Kinder, Jugendliche, schwangere Frauen und stillende Mütter problematisch. Betrachtet man alle Fakten aus früheren Krisen, so ist davon auszugehen, dass auch der Alkohol- und Drogenkonsum sowie psychische Probleme stark zunehmen werden. Das Hauptaugenmerk muss laut den Gesundheitsministern bei der aktuellen Wirtschaftskrise auf der Gesundheitsförderung liegen. Es gelte, sich auf die Bekämpfung der Armut und Verbesserung des Zugangs zu den primären Gesundheitsdienstleistungen zu konzentrieren.

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Neue Methode vermeidet offene Operationen am Herzen Der Schweizer Herzchirurg Christoph Huber hat eine Methode entwickelt, dank der sich Herzklappen mit einer so genannten minimal invasiven Operation einsetzen lassen. Mit einem Katheder stossen die Chirurgen durch einen winzigen Schnitt direkt zum Herzen vor. Die Ersatzklappe ist auf Katheterdurchmesser zusammengefaltet und wird an der richtigen Stelle wieder entfaltet. Bisher war es bei einer sol-

chen Operation nötig, den Brustkorb zu öffnen, das Herz stillzulegen und eine Herzlungenmaschine einzusetzen. All dies soll dank der neuen Methode entfallen. Ausserdem wird ein Ersetzen der Herzklappe nun auch bei Patienten möglich, bei denen dieser Eingriff bisher zu risikoreich war. Christoph Huber hat für seine Arbeit den Forschungspreis der Schweizer Herzstiftung erhalten.

Kranke sollen sich erholen statt zu arbeiten

Frankreich: Kein Gesetz zur Heimarbeit während Krankheit rückgewiesen. Der Sprecher der UMP, Frédéric Lefebvre, sieht es so, dass man ja krankheitshalber beurlaubt und ans Haus gebunden sein könne und dennoch über seine intellektuellen Fähigkeiten und Energie verfüge. Abgesehen davon, dass nach der Rückkehr an den Arbeitsplatz plötzlich alles anders aussehen könne. Der Gesetzesentwurf hat scharfen Protest aus der Opposition, aber auch von einigen Abgeordneten der Mehrheit hervorgerufen. Die wichtigsten Gewerkschaften nannten das Ganze einen Affront, eine unnötige Provokation und sehen darin ein Ablenkungsmanöver. Um Familie und Beruf noch besser vereinen zu können, schlägt der französische Bund christlicher Arbeiter (CFTC) zynisch vor, die Kinder nun direkt am Arbeitsplatz zu gebären und sie gleich ab dem ersten Tag in den Kinderhort zu geben. Zu überlegen seien zudem Öffnungszeiten der Betriebshorte von 24 Stunden am Tag, sieben Tage die Woche.

Foto: Prisma

Sollen Angestellte, die krank gemeldet sind, von zu Hause aus weiter arbeiten können? Der umstrittene Vorschlag des Parteisprechers der UMP (Union pour un Mouvement Populaire, Partei von Präsident Sarkozy) erhält keine Unterstützung durch die Regierung. Gemäss Vorschlag sollen Angestellte während ihres krankheitsbedingten Fernbleibens oder während des Mutterschaftsurlaubs die Möglichkeit haben, von zu Hause aus ihrer Arbeit nachzugehen. Grundsätzlich bedeute die bei Krankheit oder Mutterschaft eingeräumte Zeit, ein Recht darauf, in dieser Zeit nicht arbeiten zu müssen, sagte Nathalie Kosciusko-Morizet (Staatssekretärin für digitale Wirtschaft) vor der Nationalversammlung anlässlich der Fragestunde an die Regierung. Die Klarstellung kommt einer Schelte an die Adresse der UMP gleich. Der Text wurde von der Kommission für soziale Angelegenheiten der Nationalversammlung an die Abgeordneten zur Debatte zu-

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Herzklappen lassen sich nun per Katheter einsetzen


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Die Schweizerische Umfrage zum Tabakkonsum führt seit 2001 Erhebungen zum Rauchverhalten bei der 14- bis 65-jährigen Wohnbevölkerung der Schweiz durch. Sie wird durch den Fonds für nachhaltige Tabakprävention finanziert. Im gleichen Zusammenhang werden auch weitere Themenbereiche untersucht. Die Anzahl der Raucher in der Schweiz hat abgenommen. Betrug der Anteil rauchender Personen im Jahr 2001 noch 33 Prozent, so waren es 2008 27 Prozent. Ein Rückgang lässt sich sowohl bei den Männern als auch bei den Frauen feststellen (Frauen: von 30 Prozent im Jahr 2001 auf 24 Prozent im Jahr 2008; Männer: von 37 auf 30 Prozent im gleichen Zeitraum). Der Anteil der Rauchenden ist bei allen Altersgruppen zurückgegangen. Bei den 14- bis 19-Jährigen von 31 Prozent im Jahr 2001 auf 23 Prozent im Jahr 2008. Den stärksten Rückgang verzeichnen die 35- bis 44-Jährigen, nämlich von 35 Prozent (2001) auf 26 Prozent (2008). Nach einem leichten Anstieg bis 2006 befindet sich der Anteil von rauchenden Personen bei den 20bis 24-Jährigen nun im Abstieg. Dennoch verzeichnet diese Altersgruppe immer noch die meisten Rauchenden (2008: 40 Prozent der Männer und 36 Prozent der Frauen). Verglichen mit 2007 hat die Aufhörbereitschaft ebenfalls abgenommen. Wollten im Jahr 2007 noch 54 Prozent aufhören zu rauchen, waren es 2008 nur noch 50 Prozent. Die täglich Rauchenden rauchen am häufigsten zu Hause, während die Gelegenheitsraucher dies eher in Restaurants oder Bars tun. Der Arbeitsplatz ist nicht mehr der Ort, wo am häufigsten geraucht wird. Zweifelsohne hat die Aktion «arbeitsplatz. rauchfrei» wesentlich dazu beigetragen.

Aus aller Welt

Schweizerische Umfrage zum Tabakkonsum

Service

Anteil der Raucher sinkt weiter

Anti-Rauch-Gesetz ignoriert Die Österreicher tun sich schwer mit dem Rauchverbot in Gaststätten, das in der Alpenrepublik seit Anfang Jahr gilt. Die Krebshilfe hat 459 Lokale in Wien kontrolliert. 81 Prozent davon setzen das neue Gesetz nicht um.

Leichen verkauft In Kalifornien hat ein Mann während 15 Jahren gespendete Leichen an die Pharmaindustrie verkauft, statt sie wie vorgesehen an die Universitätsklinik Los Angeles weiterzugeben. Er hat damit rund 1,5 Millionen Dollar verdient. Nun drohen ihm bis zu zwölf Jahre Haft

Quellenangaben: Keller, R., Radtke, T., Krebs, H. & Hornung, R. Der Tabakkonsum der Schweizer Wohnbevölkerung in den Jahren 2001 bis 2008. Tabakmonitoring – Schweizerische Umfrage zum Tabakkonsum. 2009.

Schmutzige Kliniken

Der gesamte Bericht sowie die Zusammenfassung lassen sich hier herunterladen: http://www.tabakmonitoring.ch

Foto: Prisma

Das irische Gesundheitsministerium hat die irischen Kliniken bezüglich ihrer Hygiene untersuchen lassen. Nur sieben der 51 Krankenhäuser erhielten eine genügende Bewertung. Neun Kliniken waren sogar derart dreckig, dass «Patientenleben in akuter Gefahr» seien.

Zu dick für Neuseeland Einer britischen Krankenschwester, die ein Jobangebot eines Pflegeheims hatte, ist die Einreise nach Neuseeland verweigert worden. Die Begründung: Mit ihren 134 Kilo sei sie krankhaft fettsüchtig und werde in den nächsten Jahren vermutlich hohe Gesundheitskosten verursachen.

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Veranstaltungen Veranstalter

Besonderes

Datum/Ort

Weitere Informationen

Kongress eHealthCare.ch 2009 eHealthCare.ch

Fachausstellung mit vielen Referaten und Workshops

23. bis 24. September www.ehealthcare.ch Paraplegikerzentrum Nottwil LU

Generalversammlung von santésuisse santésuisse

Anschliessend Tagung «Gesundheitspolitik im Fokus»: Sparvorschläge der verschiedenen Akteure

26. Juni www.santesuisse.ch Bern, Hotel Bellevue Palace

Das KVG zwischen kantonalen Spitalplanungen und Pay for Performance-Konzepten irp Universität St. Gallen

Themen: Umsetzung und Auswirkungen der neuen Spitalfinanzierung

www.irp.unisg.ch 27. August Grand Casino Luzern

Zeichnung: Marc Roulin

Melden Sie uns Ihre Veranstaltungen an: redaktion@santesuisse.ch! Weitere Veranstaltungen unter www.santesuisse.ch

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Handbuch der Schweizer Krankenversicherung 2009 Die KPT gehört zu den grössten Krankenversicherern der Schweiz und bietet die modernste Online-Plattform dieser Branche an. Da wir unsere Dienstleistungen stetig ausbauen, suchen wir zur Ergänzung unserer Fachstelle in Bern per sofort oder nach Vereinbarung eine/n

Spezialist/in Fachstelle Schaden (100 %)

Das Handbuch ist in deutscher und französischer Sprache erhältlich und kostet je Fr. 39.50 inkl. MwSt, zusätzlich Porto- und Verpackungskosten.

Ihre Hauptaufgaben: • Koordinieren von Leistungsfragen an interne sowie externe Stellen • Fachliche Förderung der Gruppenleitung • Ausarbeiten und zusammenstellen von Grundsatz­ entscheiden • Durchführen von Aus­ und Weiterbildungen für Mitarbeitende im Bereich Schaden • Durchführen von Fallbesprechungen mit der Gruppenleitung • Erstellen von komplexer Korrespondenz • Prüfen oder erstellen von Verfügungen und Einspracheentscheiden • Erstellen von Prozessen, Handbüchern, Schulungs­ unterlagen, Weisungen etc. • Sonderaufgaben auf Anweisung des Abteilungsleiters Wir erwarten: • Eine kaufmännische Grundausbildung • Mehrjährige Berufserfahrung im Schadenbereich KVG • Eine abgeschlossene Weiterbildung als Kranken­ versicherungsexperte/-expertin und/oder Sozialversicherungsfachmann/-frau mit eidg. Fachausweis • Lösungsorientiertes Denken und Handeln • Eine stilsichere Schreibweise und ausgeprägte Kommunikationsfähigkeit • Eine teamfähige, flexible und belastbare Persönlichkeit • Gute PC­Anwenderkenntnisse der Microsoft Office Programme • Deutsche Muttersprache sowie mündliche Französischkenntnisse Wir bieten: • Eine abwechslungsreiche und motivierende Heraus­ forderung in einem dynamischen Umfeld mit moderner Infrastruktur • Fortschrittliche Anstellungsbedingungen, vorbildliche Sozialleistungen sowie attraktive Weiter­ bildungsmöglichkeiten • Einen Arbeitsort in der Nähe des Stadtzentrums von Bern

Bestellung _____

Exemplar(e) Handbuch der Schweizer Krankenversicherung 2009, deutsche Ausgabe

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exemplaire(s) de l’Annuaire de l’assurance-maladie suisse 2009, édition française

Bestellungen an: santésuisse, Verlag, Postfach, 4502 Solothurn Fax 032 625 41 51, E-mail: shop@santésuisse.ch

Andreas Jordi, Leiter Schaden, steht Ihnen für Auskünfte gerne zur Verfügung. Sie erreichen ihn unter 058 310 92 85 oder jordi.andreas@kpt.ch. Haben wir Ihr Interesse geweckt? Dann freuen wir uns auf Ihre vollständigen Bewerbungsunterlagen inkl. Foto an unten stehende Adresse zuhanden Nicole Stuker, Abteilung Personal oder an stuker.nicole@kpt.ch. KPT/CPT, Tellstrasse 18, Postfach, 3000 Bern 22 Telefon 058 310 91 11, Fax 058 310 86 35, www.kpt.ch

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