Brennpunkt Nr. 03/2012

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MiseauPoint Brennpunkt gesundheitspolitik

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santésuisse unterstützt besseren risikoausgleich der Wettbewerb in der sozialen krankenversicherung ist die notwendige Voraussetzung, damit die leistungen kostengünstig und effizient erfolgen. dies dient den Versicherten und dem steuerzahler. politisch nicht erwünscht ist hingegen die risikoselektion. santésuisse unterstützt deshalb Massnahmen, damit sich der Wettbewerb noch stärker auf die krankheitsbehandlung fokussiert.

dr. Christoph Q. Meier direktor santésuisse

Der Wettbewerb um die Kunden zwingt die Krankenversicherer, die Kosten möglichst tief zu halten. Das ist gut für die Prämienzahler und das Gesundheitswesen. Denn für die Leistungserbringer gilt zu oft umgekehrt: Grössere Menge und höhere Preise bedeuten bessere Verdienste. Der ökonomisch erwünschte Wettbewerb um tiefe Prämien und gute Versorgungsmodelle muss vom politisch unerwünschten Wettbewerb um gesunde Versicherte unterschieden werden. santésuisse unterstützt deshalb die Stossrichtung der parlamentarischen Vorstösse für einen verfeinerten Risikoausgleich.

Insgesamt hat sich das heutige System der sozialen Krankenversicherung bewährt: Der Souverän ist mit der Qualität der Versorgung sehr zufrieden und lehnt alle weitergehenden Änderungen seit Jahren ab. Gezielte Verbesserungen, die das bisherige System nicht in Frage stellen, sind dennoch möglich. Dazu gehört die Verminderung der Risikoselektion. Sie kann durch eine sinnvolle Ergänzung der Ausgleichskriterien im ambulanten Bereich erreicht werden. Dies zum einen deshalb, weil schwere und chronische Erkrankungen heute zunehmend ambulant behandelt werden. Zum anderen wurde der Risikoausgleich per Anfang 2012 mit dem Kriterium von drei aufeinanderfolgenden Heim- oder Spitaltagen ergänzt, welches den ambulanten Bereich nicht berücksichtigt. Neue Kriterien

inHalT editorial santésuisse für besseren risikoausgleich

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aufsichtsgesetz: prämienzahler muss gewinner sein

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Weniger Werbeanrufe dank santésuisse

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in kürze

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Als neue Kriterien stehen pharmazeutische Kostengruppen zur Diskussion. Mit dieser Massnahme soll die ausgleichende Wirkung des 2012 auf Spital- und Heimaufenthalte erweiterten Risikoausgleichs nochmals gesteigert werden können. Mit pharmazeutischen Kostengruppen sind zugleich zwei Erwartungen verbunden: Nach dem stationären soll auch im ambulanten Bereich der Risikoausgleich

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verstärkt werden, zudem würde ein direkter Krankheitsindikator eingeführt. Die bisherigen Indikatoren Alter und Geschlecht bilden zwar die erhöhten Krankheitsrisiken von Gruppen ab, werden aber Einzelpersonen nicht gerecht. Die Krankenversicherer stehen dafür ein, dass die Bestrebungen des Bundesrates, den Risikoausgleich weiter zu verbessern, konstruktiv und in enger Zusammenarbeit mit der Branche erfolgen. Die Interessen der Versicherten müssen gewahrt bleiben. Die Verbesserung des Risikoausgleichs muss zudem sachlich korrekt umsetzbar sein. Kostenkontrolle weiterhin nötig

Die Aufmerksamkeit der Patienten und Leistungserbringer gilt in der Regel nicht dem konsequenten Kostenmanagement. Gerade anders ist die Situation der Krankenversicherer in der sozialen Grundversicherung: Sie sind dann erfolgreich, wenn ihre Kosten – und damit ihre Prämientarife – möglichst tief sind. Dies lässt sich durch erfolgreiches Kostenmanagement, aber auch durch Risikoselektion erreichen. Während der sorgfältige Umgang mit finanziellen Ressourcen der Volkswirtschaft dient, ist die «Jagd auf gute Risiken» in einer Sozialversicherung politisch unerwünscht. (DHB)


T r a nsparenZ u n d W e T T be W erb s TÄrken santésuisse begrüsst einen verbesserten Vollzug der geltenden bestimmungen in der sozialen krankenversicherung. einheitliche governance-kriterien und Transparenz sollen schweizweit und für alle Marktteilnehmer gelten. die verbesserte aufsicht soll gleichzeitig den regulierten Wettbewerb stärken.

Eine verbesserte Aufsicht heisst Sicherung des Vollzugs der bestehenden gesetzlichen Bestimmungen. Einheitliche Governance-Kriterien für alle Krankenversicherer und eine verbesserte Transparenz versprechen Verbesserungen. Versicherte müssen profitieren

Entscheidend ist der Nutzen für die Versicherten: Die Neuerungen müssen sinnvoll, praktikabel und verhältnismässig sein. Der regulierte Wettbewerb soll gestärkt, anstatt durch Bürokratie verteuert werden. Am Ende muss der Prämienzahler der Gewinner sein.

Im Fokus einer zeitgemässen Aufsicht in der sozialen Krankenversicherung stehen vier Bereiche. Vier zentrale Aufsichtsbereiche

Erstens: die Überwachung der finanziellen Sicherheit der Versicherer; zweitens: im Bedarfsfall rechtzeitige Massnahmen zu deren Wiederherstellung; drittens: die Gewährleistung einer gesetzmässigen und schweizweit einheitlichen Durchführung; sowie viertens: die Verhinderung von Missbräuchen zu Lasten der Versicherten einerseits und des Wettbewerbs unter den Krankenversicherern andererseits.

Eine zentrale Aufgabe der Aufsicht ist auch künftig die Genehmigung der Prämientarife der einzelnen Krankenversicherer. Es geht dabei um die Sicherstellung von kostendeckenden Prämien pro Kanton bzw. Prämienregion sowie die Verhinderung von unerwünschten Quersubventionierungen von Prämien zwischen den Kantonen. Der bestehende unternehmerische Spielraum des einzelnen Krankenversicherers soll hingegen respektiert werden: Die unterschiedlichen Kompetenzen und Aufgaben zwischen der Aufsicht und den beaufsichtigten Krankenversicherern müssen klar getrennt bleiben. Konkret soll die Aufsicht keine unternehmerischen Entscheide treffen. Die Bestimmung der Prämienhöhe oder die Rückerstattung von Prämien via Aufsichtsentscheide ist deshalb abzulehnen. Im KVG regeln

Mehr Durchblick: Die verbesserte Aufsicht soll direkt im KVG verankert werden.

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Ein zentrales Charakteristikum der sozialen Krankenversicherung ist der freiheitliche Wettbewerb der Krankenversicherer. Mit der verbesserten Aufsicht soll auch der Markt gestärkt werden. Die bereits sehr begrenzte Autonomie der Versicherer darf nur soweit als nötig eingeschränkt werden. Die Aufsicht kann weder vorgesetzte Behörde der Krankenversicherer sein, noch eine eigentliche Dienstaufsicht sein. Die Thematik der Aufsicht über die Krankenversicherungen ist klar begrenzt. Eine Regelung in einem separaten Gesetz würde zu Koordinationsproblemen führen und die Übersicht erschweren. In den anderen Sozialversicherungszweigen, in denen sich letztlich analoge Aufsichtsfragen stellen, befindet sich die Aufsicht zurecht immer im jeweiligen Haupterlass. santésuisse empfiehlt, die verbesserte Aufsicht direkt im KVG vorzunehmen. (DHB)


foto: keystone

Die Massnahmen von santésuisse zeigen Wirkung: Laut Ombudsman kam es im letzten Prämienherbst zu weniger Reklamationen wegen Telefonwerbung.

W en iger T elefo n W erbu ng da nk sa n T ésu isse- Mel deforM u l ar Jetzt ist es amtlich: laut des Tätigkeitsberichts des ombudsmans der krankenversicherung kam es im Herbst 2011 zu weniger Äusserungen von Versicherten, die sich über belästigungen von Telefonmaklern geärgert haben. der ombudsman erwähnt in diesem Zusammenhang das Meldeformular von santésuisse.

Vor gut einem Jahr haben sich alle santésuisse angeschlossenen Versicherer freiwillig verpflichtet, die Telefonwerbung einzuschränken. Seit dem 1. Juni 2011 ist dieser Branchenkodex in Kraft und wird mittels eines Online-Meldeformulars überwacht. Bis zum 31. Mai 2012, dem ersten Jahr des Bestehens der freiwilligen Einschränkung der Telefonwerbung, sind 356 Beschwerden eingegangen. Als Verstösse identifiziert wurden 125 Meldungen. Zwei Drittel der Verstösse gehen auf unqualifizierte «wilde Makler» zurück, die Kunden von sich aus kontaktierten, ohne einen Krankenversicherer zu nennen. Nur neun der Verstösse stammen von insgesamt sechs Krankenversicherern. Ombudsstelle: Weniger Beschwerden

Was die santésuisse-Bilanz des Monitorings zeigt, wird jetzt auch von Aussen durch den Ombudsman der Krankenversicherung bestätigt: Im Vergleich mit den Vorjahren gibt es deutlich weniger Reklamationen von verärgerten Versicherten im Zusammenhang mit dem Telefonterror

durch «wilde» Versicherungsvermittler. Der Ombudsman Krankenversicherung schreibt in seinem Tätigkeitsbericht 2011: «Bezüglich Kassenwechsel gibt es [...] Erfreuliches zu berichten. Die Ombudsstelle hat im Herbst 2011 deutlich weniger Äusserungen von Versicherten zur Kenntnis erhalten, die sich über telefonische Belästigung von Versicherungsvermittlern im Sinne der Kaltakquisition geärgert haben. Betroffene Versicherte wurden auf das von santésuisse im Internet aufgeschaltete Reklamationsformular aufmerksam gemacht, [...]»

Grundversicherung tätigen Krankenversicherer, haben sich freiwillig verpflichtet, gegen fehlbare Makler vorzugehen. Das Bundesamt für Gesundheit (BAG) hat als Aufsichtsbehörde bei Bedarf jederzeit Zugriff auf das santésuisse-Monitoring.

Hintergrund des Branchenkodex

UWG muss durchgesetzt werden

Seit dem 1. Juni 2011 ist bei santésuisse unter www.santesuisse.ch/de/ meldeformular ein Online-Meldeformular aufgeschaltet, mit welchem allen Versicherten die Möglichkeit offensteht, mögliche Verstösse gegen den Branchenkodex zu melden. santésuisse wertet die hier und per Mail eintreffenden Meldungen laufend aus und führt ein wöchentlich aktualisiertes Monitoring durch. Sämtliche santésuisse angeschlossenen, in der obligatorischen

Um die Versicherten vor unerwünschter Telefonwerbung aus allen Branchen zu schützen, setzt sich santésuisse dafür ein, dass im Rahmen des Gesetzes gegen den unlauteren Wettbewerb (UWG) einheitlich für alle Branchen der Schutz der Konsumenten durchgesetzt wird. Das revidierte UWG wurde auf den 1. April 2012 in Kraft gesetzt. Verboten sind nun unter anderem Werbeanrufe trotz Sterneintrag. (GPA)

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Meldeformular wirkt: • Zwei Drittel der Verstösse (d.h. 80) durch wilde Makler • Nur neun Verstösse durch Krankenversicherer • Gemäss Ombudsman deutlich weniger beschwerden


in kÜr Ze Vertragsfreiheit als Chancengleichheit Während der Sommersession hat der Zürcher Ständerat Felix Gutzwiller eine Motion eingereicht, welche nach dem Managed Care-Nein dazu dienen könnte, die erstarrten gesundheitspolitischen Fronten aufzuweichen. Er bringt eine neue Variante der Vertragsfreiheit ins Spiel, welche in einem Teilbereich zum Zuge kommen soll: Der Bundesrat wird aufgefordert, die Vertragsfreiheit zwischen spezialisierten Ärzten und Krankenkassen im ambulanten Bereich einzuführen. Mindestvorschriften sollen die Dichte der Spezialärzte in allen Regionen der Schweiz regeln und die Qualität der Leistungen im Sinne einer qualitativ hochstehenden und effizienten Gesundheitsversorgung im ambulanten Bereich sicherstellen. Der Vorstoss sieht vor, dass Ärzte im ambulanten Bereich privat und ohne Vertrag mit einem Krankenversicherer praktizieren können. santésuisse begrüsst grundsätzlich alle Formen, welche die Vertragsfreiheit und -autonomie der Vertragspartner bzw. den Wettbewerb stärken. Dies ist die zwingende Voraussetzung, damit sich kostengünstige medizinische Leistungen auf dem Markt gegenüber ineffizienten und unnötigen durchsetzen können. Die Vertragsfreiheit ist zudem das richtige Mittel, damit ein grosser Ansturm auf Praxisbewilligungen nicht mehr automatisch zu einer Kostenexplosion bei den Prämien führt. Ausserdem könnte damit auf einen Zulassungsstopp verzichtet werden, der zwar positive Wirkung bei den Kosten erzielen kann, hingegen junge gegenüber bereits etablierten Ärzten benachteiligt.

eine drohende Prämienexplosion infolge vieler neuer Praxisbewilligungen zu vermeiden. Grundsätzlich ist die Vertragsfreiheit das angemessene Mittel, um die Kostenexplosion einzugrenzen und den Wettbewerb zu fördern: Im Wettbewerb hätten die jungen und etablierten Ärzte dieselben Chancen, gleichzeitig müssten die Prämienzahler nicht automatisch für alle ineffizienten, unnötigen oder schlechten Leistungen bezahlen.

basler pharma-daig Das Herz der Basler SP-Nationalrätin Silvia Schenker schlägt auch für die Pharmaindustrie. In ihrem Postulat bezeichnet sie die derzeitige Methode der Preisfestsetzung als intransparent und fordert ein besseres Gleichgewicht «zwischen therapeutischem Wert und Wechselkursen». Dies ist Standortpolitik. santésuisse anerkennt zwar die grosse Bedeutung der Pharmaindustrie für die Schweiz. Da die Patienten hierzulande aber bereits heute überdurchschnittlich hohe Medikamentenpreise bezahlen, sieht santésuisse keinen Grund für die Änderung der Berech-

nungsgrundlagen, soweit diese die Prämienzahlenden noch stärker belasten würden. Es muss betont werden, dass das Sparpotential bei den Medikamenten noch nicht ausgeschöpft ist.

Wir sind Monsieur santé Seit Mitte Mai bloggen auf www.monsieur-sante.ch Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter des Krankenkassenverbands santésuisse und seiner Tochtergesellschaften tarifsuisse ag und SASIS AG. Der Blog richtet sich an alle Versicherten in der Schweiz. Er gibt Einblick in die vielfältigen Facetten der Verbandsarbeit; zeigt auf, wo diese überall zu guter Letzt auch den Versicherten zu Gute kommt. Monsieur und Madame Santé vermitteln nützliche Ratschläge zur Krankenversicherung, erklären die Zusammenhänge unseres Schweizer Gesundheitssystems, zeigen, wo sich der Verband überall im Interesse der Versicherten einsetzt, damit die Prämien nicht stärker ansteigen und kommentieren aktuelle politische Entwicklungen und Entscheide. Auf Twitter findet man Monsieur Santé unter @monsieur_sante. (GPA)

Zulassungsstopp als notrecht Nach der Ablehnung der Managed Care-Vorlage am 17. Juni fordert CVPNationalrätin Ruth Humbel, den Zulassungsstopp für Spezialärzte in freier Praxis und in Spitalambulatorien wieder einzuführen. Da santésuisse sich für ein liberales Gesundheitswesen einsetzt, kann ein Zulassungsstopp nur eine Notrechtsmassnahme sein, um

iMpressuM HERAUSGEBER santésuisse – die schweizer krankenversicherer, römerstrasse 20, postfach, 4502 solothurn REDAKTION gregor patorski, daniel Habegger, frédérique scherrer, abt. politik und kommunikation, postfach, 4502 solothurn, Tel. 032 625 41 54, fax: 032 625 41 51, e-Mail: redaktion@santesuisse.ch, Homepage: www.santesuisse.ch, blog: www.monsieur-sante.ch PRODUKTION City-offset, solothurnstrasse 84, 2540 grenchen TITELBILD keystone

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