infosantésuisse Nr. 06/2010 deutsch

Page 1

6/10

info santĂŠsuisse

eHealth kommt!

Das Magazin der Schweizer Krankenversicherer


Seite 6

Seite 8

Seite 14

Der Kardiologe Tobias Wettstein spart mit dem Ausstellen von eRezepten sich und seinen Patienten Zeit

Die Zukunft gehört dem mündigen Patienten, sagt die Trendforscherin vom GDI-Institut

Die hohen Prämien und die schwarzen Schafe unter den Vermittlern beschäftigten die Ombudsstelle

Inhalt Im Fokus

4 eHealth hat eine grosse Zukunft 6 Das Heilmittel gegen die unleserliche Ärztehandschrift 7 Datenstau beim Gott in Weiss – das ePatientendossier kommt nicht vom Fleck 8 Trendforscherin Karin Frick wirft einen Blick in unseren künftigen eAlltag 10 Telemedizinische Konsultation schont Ressourcen 11 Nicht nur Cyberchonder stossen beim Surfen oft auf die Diagnose Krebs Gesundheitswesen

1 4 Der Ombudsman fühlt den Puls der Prämierzahler und zeigt, wo der Schuh drückt 16 Oft hapert es bei den Versicherern am Medizinwissen – ein Kurs schafft Abhilfe 17 GV 2010 santésuisse: Lieber Einheit unter den Kassen als die Einheitskasse 18 Fallpauschale und Qualität gehen Hand in Hand 19 Jubiläums-Forum «20 Jahre Managed Care – Integration jetzt erst recht»

Nr. 6, august 2010. Erscheint zehnmal jährlich Abonnementspreis Fr. 69.− pro Jahr, Einzelnummer Fr. 10.− Herausgeber und Administration santésuisse, Die Schweizer Krankenversicherer, Römerstrasse 20, Postfach, 4502 Solothurn Verantwortliche Redaktion Silvia Schütz, Abteilung Politik und Kommunikation, Postfach, 4502 Solothurn, Tel. 032 625 42 25, Fax 032 625 41 51, E-Mail: redaktion@santesuisse.ch Herstellung: Rub Graf-Lehmann, Murtenstrasse 40, 3001 Bern

Rubriken

Gestaltungskonzept: Pomcany’s

1 2 Grafik des Monats: Wer ist die eHealth-Wüste in Europa? 13 Drei Fragen an: Was ist zertifizierter Datenschutz wert? 20 Bild des Monats: Warum der Chef auf Yoga setzt 21 Klipp&klar: Kassen zahlen neu auch, wenn die Prämien ausstehen

Layout: Henriette Lux

Service

Abonnementsverwaltung Tel. 032 625 42 74, Fax 032 625 41 51 Homepage: www.santesuisse.ch Titelbild: Marc Roulin, Lausanne ISSN 1660-7228

2 2 Kein «Drehtür»-Effekt in der Psychiatrie 23 Veranstaltungshinweise: Swiss eHealth Summit/Neue Spital- und Pflegefinanzierung 23 Aus aller Welt 23 Medikamente gegen Fettleibigkeit werden geprüft

Anzeigenverwaltung: Alle Inserate − auch Stelleninserate − sind zu richten an: «infosantésuisse», Römerstrasse 20, Postfach, 4502 Solothurn E-Mail: redaktion@santesuisse.ch


eHealth – Euphorie oder Depression? Vor 124 Jahren präsentierte Carl Benz der Welt den ersten Motorwagen – ein dreirädriges, klapprig wirkendenes Gefährt. Das moderne Automobil war geboren! Weder Benz noch Daimler fantasierten damals wohl von sechsspurigen Highways, auf denen sich Krethi und Plethi selbstständig fortbewegen. Anders bei eHealth: das Potenzial ist erkannt – und scheidet die Geister. Die einen lassen keine Gelegenheit aus, die möglichen, revolutionären Auswirkungen für unser Gesundheitswesen zu loben und verdrängen dabei die systemimmanente Realität. Die anderen, man könnte sie Bewahrer nennen, sehen ihre Existenz bedroht, wenn plötzlich die Option entstehen soll, Transparenz, Qualität, Effizienz und Kundenorientierung durch Prozess- und Produktinnovationen zu verbessern. Umso wichtiger ist daher eine breite Information und Auseinandersetzung mit dem Thema. Denn der Nutzen von eHealth – und der existiert, wie auch Skeptiker einräumen – lässt sich für die Versicherten in der Schweiz nur dann erschliessen, wenn die Menschen über die Möglichkeiten und Grenzen der Informations- und Kommunikationstechnologien im Gesundheitswesen informiert sind. In diesem Heft werden deshalb wichtige Aspekte von eHealth in der Schweiz beleuchtet: Von der Strategie des Bundes mit dem Ziel des elektronischen Patientendossiers als Prozessinnovation über den Nutzen von eHealth bis hin zum Zugang zu verlässlichen Gesundheitsinformationen. Dabei soll die Realität der Vision nicht den Garaus machen. Ein Blick in die Zukunft von eHealth durch eine Trendforscherin und der fiktive Alltag von Susanna im Jahre 2020 zeigen, wohin der Weg gehen kann und bestätigen, was wir alle aus unserem Alltag wissen: Das beste Auto ist nur so gut wie sein Fahrer.

PS: infosantésuisse hat übrigens eine neue Steuerfrau. Ich wünsche Ihnen weiterhin gute Lektüre.

3 | Editorial 6/10

Silvia Schütz Chefredaktorin infosantésuisse


Die Nationale Strategie strebt Verbesserung der Koordination und Kompatibilität der Projekte an

eHealth hat eine grosse Zukunft vor sich

Im Gesundheitsbereich werden Milliarden von Daten ausgetauscht und aufbewahrt – auf Papier oder in elektronischer Form –, die häufig schwer zugänglich oder nicht miteinander kompatibel sind. Die eHealth-Strategie zielt darauf ab, die Weitergabe der Informationen zügiger zu gestalten und generell alle Prozesse und Partner, die ins Gesundheitswesen involviert sind, zu organisieren und zu vernetzen. Um dies zu erreichen, bedient sie sich der modernen Informations- und Kommunikationstechnologien (IKT) und führt so das Gesundheitswesen ins digitale Zeitalter. eHealth ist also nicht ein neuer Ausdruck für eine avantgardistische Vision, bei der die Patienten in einer entmenschlichten und apokalyptischen Welt von Menschenrobotern gepflegt werden. eHealth ist eine voll im Aufwärtstrend liegende Realität mit dem Ziel, Sicherheit, Qualität und Effizienz der medizinischen Betreuung zu verbessern. Was eHealth ist und kann

Nachstehend die wichtigsten Einsatzmöglichkeiten von eHealth: • Das elektronische Patientendossier (siehe S. 7) beinhaltet die Krankengeschichte des Patienten (Krankenberichte, Spitalaufenthalte, Laboranalysen, Röntgenbilder etc.), aber auch allfällige Allergien, verschriebene Medikamente etc. • Das elektronische pharmazeutische Dossier gibt Aufschluss über die Medikamentenhistorie eines Patienten wie auch über allfällige Wechselwirkungen oder Kontraindikationen bezüglich eines Medikaments sowie über die Dosierungsanpassungen, wie z.B. bei einem Kind oder im Falle einer Niereninsuffizienz (siehe S. 6). • Das elektronische Rezept ist, wie der Name sagt, eine computerisierte ärztliche Verschreibung, die Medikationsfehler aufgrund einer schlecht leserlichen Handschrift verhindert (siehe S. 6). • Die Versicherten- oder Gesundheitskarte enthält administrative Identifizierungsdaten des Patienten (Name, Adresse, Versicherungsdeckung etc.). Auf Wunsch des Versicherten wird es künftig auch möglich sein, dessen elektronisches Dossier darauf zu speichern. • Die Telemedizin (siehe S. 10) ermöglicht, auf Distanz eine Diagnose zu stellen oder eine Betreuung zu gewährleisten (via Internet oder telefonisch) sowie auch, im Rahmen von Gesundheitsprogrammen für chronisch Kranke, Daten per SMS oder E-Mail zu versenden (z. B. Blutdruckoder Blutzuckermessungen). • Die Online-Dienste umfassen Gesundheitsportale sowie Dienstleistungsangebote im Internet.

• Die administrative Verarbeitung betrifft elektronische Rechungen und Gesuche um Kostengutsprache, die von den Spitälern via E-Mail gestellt werden.1 Aktuelle Situation in der Schweiz

In der Schweiz steckt eHealth noch in den Anfängen und wird insbesondere durch die föderalistische Organisation der Gesundheitsversorgung gebremst. Zuständigkeiten und Verantwortlichkeiten auf nationaler und kantonaler Ebene bleiben verschwommen. Die grosse Fragmentierung im medizinischen Bereich bewirkt, dass es mehrere Standards und Projekte gibt, die häufig nicht miteinander kompatibel sind. Da weder ein Standard noch eine Schnittstelle definiert wurden, zögert die Industrie auch zu investieren. Auch Leistungserbringer, Versicherer und Versicherte zeigen sich zurückhaltend. Dennoch wurden in den letzten zehn Jahren zahlreiche Projekte realisiert. So führten mehrere Spitäler das elektronische Patientendossier ein. Der Kanton St. Gallen richtete mit MeDIswiss eine Plattform ein, die den elekt- ronischen Datenaustausch und die Erstellung eines elek­tronischen Patientendossiers namentlich im Bereich der Kardiologie ermöglicht. Es gibt viele weitere private Initiativen, die das Anlegen von elektronischen Patientendossiers anstreben. Ziel ist es nun, die Kompatibilität zwischen all diesen Projekten auf nationaler Ebene zu fördern. Um den Erfolg von eHealth zu gewährleisten, gilt es, verschiedene Fragen zu klären: Finanzierung sowie Kosten-Nutzen-Verhältnis für die verschiedenen Akteure, aber auch Achtung des Patientenrechts, Datenschutz, Zuverlässigkeit, Vollständigkeit, Ak-

Foto: Keystone

Vor einigen Jahren noch war eHealth reine ScienceFiction. Heute ist dieses Konzept eine Realität, die zwar noch in den Kinderschuhen steckt, jedoch zweifellos einen grossen Aufschwung erleben wird. Was steckt hinter diesem futuristisch anmutenden Begriff? Wo stehen wir gegenwärtig?

eHealth liefert keinen Stoff für die Apokalypse, sondern wird die Realität von morgen sein.

4 | Im Fokus 6/10


Punktlandung

tualisierung und intelligente Verwendung der Daten sowie eine adäquate Ausbildung. Die «Strategie eHealth Schweiz»

Am 27. Juni 2007 verabschiedete der Bundesrat offiziell die von Bund und Kantonen erarbeitete «Strategie eHealth Schweiz». Diese soll die Schaffung von nationalen Standards für die regionalen eHealth-Projekte auf der Basis einer schweizweiten Zusammenarbeit ermög­lichen. Sie konzentriert sich auf folgende Ziele: Erstellung eines elektronischen Patienten­ dossiers und Schaffung eines Gesundheitsportals mit Informationen in geschützten Bereichen. Bis Ende September 2010 wird eine «Expertengruppe eHealth» dem EDI einen Bericht unter­breiten, in dem der Gegenstand der Regelung, die juristischen Instrumente sowie die ver­schiedenen technischen Varianten und Grundlagen vorgestellt werden. Danach wird das EDI die notwendigen gesetzlichen Grundlagen erarbeiten, damit der Bundesrat noch vor Ende Jahr über das weitere Gesetzgebungsverfahren entscheiden kann.2 Kosten und Nutzen

Es ist äusserst schwierig, die Kosten einzuschätzen, welche die Umsetzung der eHealth-Strategie nach sich ziehen wird, umso mehr, als Auswirkungen erst mittel- und längerfristig erwartet werden. Laut den Fachleuten werden sich die Kosten, die im Zusammenhang mit der Einführung des elektronischen Patientendossiers anfallen, für die Versicherer auf mehrere hundert Millionen Franken belaufen. Die Kosten der Umstellung auf das elektronische Patientendossier werden pro Arztpraxis auf 100 000 Franken auf fünf Jahre geschätzt. Der Staat/die Versicherer sollen je die Hälfte der Kosten ausserhalb von TARMED übernehmen. Das entspricht 750 Millionen bzw. 375 Millionen Franken für die Versicherer, d.h. über 1,5 Prozent des Prämienvolumens zu Lasten der Versicherten.3 Um die Rentabilität solcher Investitionen evaluieren zu können, muss man wohl die Kosten einschätzen, diese aber auch mit den potenziellen klinischen und wirtschaftlichen Vorteilen vergleichen. Eine 2009 vom schwedischen Gesundheitsministerium in Auftrag gegebene Studie4 beziffert die Anzahl der Fehler bei der Rezeptverschreibung, die in Europa vermutlich jährlich dank eHealth vermieden werden könnten, auf fünf Millionen. Die Studie lässt den Schluss zu, dass eine optimale Einführung von eHealth tiefgreifende Reformen des Gesundheitssystems zur Folge haben und die Gesundheitskosten langfristig stabilisieren könnte.

Felix Schneuwly Leiter Abteilung Politik und Kommunikation

Position von santésuisse eBanking hat sich ohne eBanking-Gesetz durchgesetzt. eHealth soll sich diesem Beispiel folgend anreizorientiert dort durchsetzen, wo die Technologie die Produktivität, die Patientensicherheit, die Informations- und Servicequalität, also den Nutzen für die Patienten steigert. Ein eHealth-Gesetz als Basis für eine kollektive Finanzierung von eHealth durch Zwangsabgaben, Steuern und Grundversicherungsprämien birgt das Risiko von Pseudoinnovationen, Fehlinvestitionen und teurer Infrastruktur, welche nicht oder nicht optimal genutzt wird, sondern nur angeschafft wird, weil sie angeschafft werden muss. eHealth birgt auch das Risiko einer weiteren Mengenausweitung durch medizinische Untersuchungen, welche weder notwendig, zweckmässig noch wirtschaftlich sind, sondern bloss dazu dienen, Patientendossiers zu vervollständigen.

Offene Punkte in der nationalen eHealth-Strategie • eHealth-Lösungen sind nur so gut wie ihr Nutzen. Und der hängt vom Know-how der Patienten und der Gesundheitsfachleute ab. Der Wissenstransfer erfordert also eine enge Kooperation des Gesundheits- mit dem Bildungswesen. • Medizinische und administrative Prozesse müssen gemeinsam optimiert und aufeinander abgestimmt werden. Nur so kann sichergestellt werden, dass die für die jeweiligen Akteure erforderlichen Daten bei jedem Prozessschritt effektiv, effizient, datenschutz- und rollenkonform zur Verfügung gestellt werden. • Innovationshemmend wirkt eher die Angst der Leistungserbringer, selber zu gläsern zu werden, als die Angst vor dem gläsernen Patienten. • Der Datenschutz sollte Rahmenbedingungen fordern, welche die missbräuchliche Verwendung von medizinischen Daten ahnden, statt den Datenaustausch aus Angst vor Missbrauch zu stark zu erschweren.

maud hilaire schenker

Positive Aspekte von eHealth

SCHMID, Adrian, «eHealth», in Gesundheitswesen Schweiz 2010-2012 – Eine Aktuelle Übersicht, Huber, 2010, S. 49-57 2 www.parlament.ch 3 Referat von Dr. med. Heinz Bhend, «eHealth als Mehrwert für den praktizierenden Arzt» anlässlich der info society days vom 5. März 2009 in Bern 4 «eHealth for a Healthier Europe! – opportunities for a better use of healthcare resources», im Auftrag von Gartner durchgeführte Studie des schwedischen Ministeriums für Gesundheit und Soziales, 2009, 82 Seiten, verfügbar auf http ://www.se2009.eu/

Die neue Spitalfinanzierung und auch eine anreizorientierte Managed Care-Vorlage sind wichtige Rahmenbedingungen für eine integrierte medizinische Versorgung entlang der gesamten Behandlungskette mit allen involvierten Gesundheitsfachleuten. Ohne eHealth ist eine innovative integrierte Versorgung, welche transparente Qualität und Kosteneffizienz zum Konkurrenzvorteil für Leistungserbringer und Versicherer macht, nicht denkbar.

1

5 | Im Fokus 6/10


eRezept und ePatientendossier helfen tödliche Fehler zu verhindern

Das unleserliche Arzt Die sprichwörtlich «unleserliche Klaue» von Ärzten ist keine Erfindung von Lästerern, sondern eine wissenschaftlich belegte Tatsache: 42 Prozent der Verordnungen, die 2006 im Rahmen einer Studie an der orthopädischen Universitätsklinik des Inselspitals Bern untersucht wurden, waren schlecht leserlich, 15 Prozent davon gar unleserlich. Seit die Klinik mit einem eSystem arbeitet, bleiben Telefonate mit Bitte um Klärung aus.

Der Kardiologe Tobias Wettstein verschreibt bereits seit seiner Praxiseröffnung 2006 elektronische Rezepte. Weil er auch das Patientendossier digital führt, arbeitet er mit zwei Programmen. Das eMedikamentendossier enthält die administrativen Daten des Patienten und dokumentiert alle Verschreibungen. Für ein Rezept gibt Wettstein den Namen eines Originalmedikamentes ein und erhält automatisch eine Liste der dafür zugelassenen Generika mit Preisangabe. Auch eine mögliche Unverträglichkeit der Medikamente wird angezeigt. Das fertige eRezept leitet der Kardiologe online an die Apotheke zur Rose weiter, die ein Paket mit der Ware direkt an den Patienten schickt. Eine Kopie jeder Auslieferung wird Tobias Wettstein übermittelt. Im Falle von Dauerrezepten erinnert die Apotheke den Patienten elektronisch daran, wann eine neue Bestellung fällig ist. Durch sein Storno kann der Patient den Versand verhindern. Dokumentierte Verschreibung

Gute Leserlichkeit, automatischer Verträglichkeitscheck und die Anzeige von Generika sind praktische Vorteile des eRezeptes. Ein weiterer Punkt: «Es ist sauber dokumentiert, welche Medikamente wer wann verschrieben hat und wie der Patient sie einnehmen soll», sagt Wettstein. Wird ein Patient wegen UAW ins Spital eingeliefert, ist schnell geprüft, ob der Grund dafür die Verschreibung ist. Oft genug betreiben Patienten ohne Wissen der Ärzte Selbstmedikation und lassen sich von verschiedenen Ärzten Medikamente verschreiben – ohne Verträglichkeitscheck. Deshalb sind für Tobias Wettstein in Zukunft eRezept-Dossiers unabdingbar, auf die alle Ärzte Zugriff haben. silvia schütz *Fattinger et al. Schweiz. Aerztezeitung 1998; 79:2615-8.

Foto: Silvia Schütz

Auch wenn es nur einen kleinen Teil der elektronischen Betreuung von Patientendaten ausmacht, kann ein eRezept tödliche Fehler vermeiden helfen. Dabei geht es nicht nur um die Ärzte-Handschrift, sondern grundsätzlich um falsche Medikation. Je nach zugrunde gelegter Studie sterben schweizweit bis zu 1700 Menschen pro Jahr aufgrund von unerwünschten Arzneimittelwirkungen (UAW).* Die Schätzungen gehen zwar weit auseinander, unterstreichen jedoch zumindest, dass das Problem existiert. Durch eSysteme lassen sich, so internationale Studien, schwere Fehler um bis zu 55 Prozent reduzieren. Vollständig verschwindet die Unleserlichkeit. Ein wichtiger Punkt, denn liest sich die geschriebene 1 wie eine 4, erhält der Patient unter Umständen die vierfache Dosis eines Medikamentes. «Am Inselspital hat sich gezeigt, dass die Hälfte der falschen Angaben zustande kam, während die Informationen vom ärztlichen Verordnungs- auf das Pflegedokumentationsblatt übertragen wurden», sagt Maximillian Hartel, Assistenzarzt Orthopädische Chirurgie am Inselspital Bern. Seit 2008 verfügt die Abteilung mit 70 Betten über ein selbst entwickeltes eSystem, u.a. mit automatischem Dosis- und Interaktionscheck. Das erhöht die Patientensicherheit signifikant und steigert die Effizienz. Seither, so Hartel, blieben auch die Rückfragen von Apothekern und Ärzten zu unleserlichen Rezepten aus.

Das eRezept geht direkt an die Apotheke

Tobias Wettstein, FMH Kardiologie und Innere Medizin, hat seine Praxis «Herzkreislauf» 2006 eröffnet. Davor arbeitete er als Kardiologe am Universitätsspital Triemli in Zürich. Er nutzt eRezepte und ePatientendossiers.

6 | Im Fokus 6/10


Das elektronische Patientendossier stellt die Information ins Zentrum der Gesundheitsversorgung

Der blockierte Fluss in die Praxis

Das elektronische Patientendossier enthält an einem Ort alle klinischen Daten, aber auch Hilfen zur Entscheidungsfindung oder Warnungen über medikamentöse Wechselwirkungen beim Ausstellen von Rezepten. Es ermöglicht den diversen, zugangsberechtigten Fachleuten einen raschen und vollständigen Zugriff auf die klinischen Patientendaten und erleichtert deren Lesbarkeit. Viele Spitäler machen bereits von ihm Gebrauch, so etwa die Universitätsspitäler Genf. Rund 2400 Krankenschwestern und -pfleger, Hebammen und Abteilungsleiter/innen wurden von September bis Dezember 2009 in einer Schulung mit den Neuheiten des Programmes vertraut gemacht. Den Kursen folgte eine praxisbezogene Begleitung¹. Eine technische und rechtliche Herausforderung

In technischer, organisatorischer und rechtlicher Hinsicht stellt die digitale Datenablage jedoch eine echte Herausforderung dar, denn sie setzt technische Standards voraus, die eine landesweite Kompatibilität des Systems gewährleisten, Lösungen hinsichtlich der Vertraulichkeit anbieten, sichere Online-Dienste garantieren usw. Das elektronische Dossier wirft aber auch unzählige Fragen auf: Wer haftet für die darin enthaltenen Informationen? Wer bescheinigt deren Aktualität, Vollständigkeit und Richtigkeit? Da die Zuverlässigkeit der Daten entscheidend ist, sind die Ärzte der Meinung, die Betreuung des medizinischen Inhalts falle in den Aufgabenbereich des (Haus-)Arztes. Der Patient soll auf seine Daten zugreifen, sie aber nicht verändern können². Das neue Werkzeug erfordert auch einen Paradigmenwechsel bei den Gesundheitsleistungen: Es geht nun nicht mehr nur um das Dossier einer Spitalabteilung oder einer Arztpraxis, sondern um das umfassende Dossier, in dem sich chronologisch aufgeführt alle Patientendaten befinden, die diesen sein Leben lang begleiten. Die verschiedenen Akteure müssen daher bereit sein, diese Informationen miteinander zu teilen. Die Ärzteschaft äussert Vorbehalte

Die Ärzte melden allerdings gewisse Bedenken an. Für viele beschränkt sich die Informatik immer noch auf den Austausch von E-Mails und die Suche medizinischer Informationen. Nur zwei Prozent legen ihre Patientendaten bisher digital ab³. Diese Abneigung wird mit verschiedenen Argumenten begründet: Der zeitliche Aufwand sei zu gross, um diesen Prozess in Gang zu setzen. Ausserdem wird befürchtet, dass das Patient-Arzt-Verhältnis darunter leide. Weiter werden Datensicherheit und -schutz, möglicher Verlust der Daten

Foto: Silvia Schütz

Das heutige Gesundheitswesen ist breit gefächert. Leistungen werden an verschiedensten Orten von verschiedenen Fachleuten erbracht. Die Folge ist eine Zersplitterung der Krankengeschichte, was zu Schwierigkeiten führt – sei es bei der medizinischen Versorgung oder bei den administrativen Abläufen. Der Patientengeschichte eine integrierte Dimension zu verleihen: Das ist das Ziel des ePatientendossiers.

Was in den Strom entlassen wird, kann jederzeit von allen Berechtigten abgefangen, ergänzt und wieder in den Fluss gesetzt werden.

und ungünstiges Kosten-Nutzen-Verhältnis angeführt. Auch die Finanzierung bereitet Sorgen: Wie soll der Hausarzt für seinen Mehraufwand durch das Betreuen des Patientendossiers entschädigt werden? Auch die Krankenversicherer haben hinsichtlich der Finanzierung ihre Bedenken: Die Investitionen in die Infrastruktur sind kostspielig und werden die Gesundheitskosten noch mehr in die Höhe treiben, solange Anreize zur Produktivitätsverbesserung fehlen. Auch möchten sie verhindern, dass die Kosten unilateral auf die Krankenkassen und damit den Prämienzahler abgewälzt werden. Wer trägt die Kosten?

Die Akteure, die direkt Nutzen aus diesem System ziehen durch verbesserte administrative Abläufe, sollten auch die Kosten tragen. Dass das elektronische Dossier den Informationsfluss massiv vereinfacht, ist wohl unbestritten. Noch fehlen indes Studien und Daten, die seinen medizinischen und wirtschaftlichen Vorteil lückenlos belegen.4 maud hilaire schenker

¹ COSTA, Giuseppe, «Dossier patient amélioré», in Pulsations, kostenlose Zeitschrift, Universitätsspitäler Genf (HUG), Mai 2010, S. 4 ² BHEND, Heinz, «Cybersanté: combien et à quel prix?» in Primary Care, Nummer 5, 2010, S. 96-97 ³ Status quo der IT-Infrastruktur und IT-Kompetenz in Schweizer Arztpraxen 2007, Verbindung der Schweizer Ärztinnen und Ärzte FMH/Schweizerische Gesellschaft für Allgemeinmedizin SGAM 4 FITTERER, R et al. «Was ist der Nutzen von eHealth?» Eine Studie zur Nutzenevaluation von eHealth in der Schweiz. Health Network Engineering, Institut für Wirtschaftsinformatik, Hochschule St. Gallen.

7 | Im Fokus 6/10


Die Entwicklung im Gesundheitswesen führt zu einem zunehmend selbstständigen Patienten

«Der Mensch wird am Netz hängen» Foto: ZVG

Autos eine Million nicht überschreitet, wegen des Mangels an Chauffeuren – dass der Grossteil der Bevölkerung selber fährt, konnte er sich nicht vorstellen. Der Arzt hat momentan noch eine hohe Autorität, doch wird sich der Patient via Blogs, Apps und Interessengruppen weltweit noch besser informieren, bevor er zum Arzt geht. Und die Überforderten müssen sich einen Chauffeur leisten?

Ich denke, dass man sich am durchschnittlich Mündigen ausrichten soll. Die anderen erhalten weiterhin Hilfe. Das Argument «die können das nicht», wird meiner Meinung nach zu oft und zu schnell verwendet. Auch «Bildungsferne» buchen ihre Ferienreisen bestens online.

Karin Frick Karin Frick ist Leiterin Think Tank und Mitglied der Geschäftsleitung des GDI Gottlieb Duttweiler Instituts. Die Ökonomin erforscht Trends und Gegentrends in Wirtschaft, Gesellschaft und Konsum.

Die Kosten im Gesundheitswesen steigen. Ein Teil der Dienstleistungen in der Grundversicherung muss deshalb automatisiert werden und im Selbst-Service bezogen werden, sagt Karin Frick, die am Gottlieb Duttweiler Institut (GDI) Zukunftstrends erforscht.

Sie wollen Dienstleistungen im Gesundheitswesen an den Patienten delegieren.

Bestimmte Routinen kann der Patient selbst durchführen. Dafür braucht man eHealth und einen mündigen Patienten, der die Verantwortung für seine Gesundheit übernimmt. Er meldet sich selbst beim Arzt, wenn nötig, und managed sein Dossier selbst. Wo kann Automatisation zum Zuge kommen?

Beispiele sind Diabetiker, das Monitoring von anderen oder die Selbstbeobachtung, wie der fiktive Fall von Susanna zeigt. Gewisse chronisch Kranke würden enorm von eHealth profitieren. Die Selbsthilfe wird technisch unterstützt. Die Logik dahinter: Ich stärke den Patienten, seine Familie und Freunde durch die Technik.

Müssen wir künftig stets mit einem Satelliten verbunden sein, der uns die nötigen Information rund um die Uhr garantiert?

Der Mensch hängt am Netz, egal ob Mobiltelefon, WLAN oder eben Satellit. Interfaces werden Teil des eigenen Körpers. Übergewichtige lassen sich via automatisierte Meldung daran erinnern, im Bus eine Station früher auszusteigen. Auch künstliche Augenlinsen, Hörgeräte, Herzschrittmacher – alles hängt dereinst am Netz. Und die beste Schnittstelle sind SmartPhones?

Eine spannende Entwicklung sind Geräte mit Applikationen für Profis und Laien. Laien können sich damit im Prinzip bereits selbst diagnostizieren. Apps verbreiten sich durch den Austausch verschiedenster Menschen in Blogs schnell, und es entstehen laufend neue gute Applikationen. Es gibt bereits über 1000 Apps für Profis. Welches ist der nächste Schritt auf dem Weg zum Selbstmanagement?

Die entscheidende Frage ist, wie die Informationen fliessen. Der Fluss Patient-Arzt-Versicherer wird kein linearer mehr sein. In den Social Media findet bereits heute ein Austausch unter verschiedensten Akteuren statt. Eine Form von extremer Öffentlichkeit ist der Blogger, der seine Krebsdiagnose publik macht. Bald erhält er Rückmeldungen von anderen Krebsopfern. Aufgrund dieser Informationen entscheidet er sich für eine Therapie. Wie sieht die eZukunft der Krankenkassen aus?

Heisst der Arzt künftig Dr. E?

Nein, für schwierige Fälle und auch gewisse Formen der Prävention sind Ärzte nach wie vor gefragt. Die Entwicklung im Gesundheitswesen gleicht dem Autofahren. Gottlieb Daimler ging 1901 davon aus, dass die weltweite Nachfrage nach

Krankenkassen und Ärzte werden Diagnose, Werte, Behandlung und Erfolg elektronisch dokumentieren und diese evidenzbasierte Information öffentlich zur Verfügung stellen. Es wäre spannend zu beobachten, was z.B. Softwareentwickler mit schwerwiegenden, komplexen Erkrankungen daraus machen und welche Lösungsalternativen sich entwickeln werden – Selbstversuche in silico/an ihrem virtuellen Alter Ego? Interview: Silvia Schütz

8 | Im Fokus 6/10


Fiktion: Susannas schöner neuer Tag im Jahr 2020

@@@@ Weil Susanna den Toxikologie-Chip nicht auf «off» gestellt hat, piepst das iPhone beim ersten Schluck wie eine Vogelkolonie beim Auftauchen der Katze. Der Chip in der Mundhöhle reagiert auf verschiedene toxikologische Substanzen. Sofort macht Susanna einen Speichelabstrich, den sie später vor dem Einkaufen zusammen mit der selbst entnommenen Blutprobe im MedproKasten vor dem Supermarkt deponieren wird. Der morgendliche Blick aufs iPhone gehört bei Susanna zur Routine wie der Kontrollblick in den Spiegel. Ihr iPhone ist ihr Coach durch den Tag, dient als Warner, Berater und Motivator. @@@@ Während sie sich vorsichtshalber den Mund ausspült und ein Pflaster über die implantierte Kanüle für die Blutentnahme spannt, trifft die Meldung für Wetterfühlige ein. Die Tagesaussicht bestätigt ihr Gefühl, dass dies ein guter Tag sein wird, ohne Nervosität oder Kopfweh. Sitzungen verschieben ist also unnötig. Die Online-Verbindung mit ihrer Glücks-Kurve, die sie durch stündliche Eingabe ihrer Stimmungslagen in eine Datenbank über Monate erstellt hat, spuckt ihr kurze Zeit später den richtigen Termin fürs abendliche Rendez-vous aus: 20:35. Sorgen macht ihr einzig der Menstruationskalender: Er warnt vor einer «Fressattacke» gegen Abend. Susanna schreibt in den Kalender: 19:00 – Biofeedback gegen Esslust. @@@@ «Aufstehen, gehen, bewegen!» befiehlt das Display blinkend. Diese Meldung erscheint, wenn ihre Pulsfrequenz zu niedrig wird. Während sie vom Tisch aufsteht und zum Kleiderschrank

schlurft, aktiviert sie via Icon das Fernmonitoring. Wie geht es Grossmutter? Susanna kontrolliert wie jeden Morgen die Bewegungsmelder und den Pillenspender in deren Wohnung. Hat sie alle Medikamente in der korrekten Reihenfolge eingenommen? Das Monitoring zeigt: alles in Ordnung. Die Nachbarn müssen nicht alarmiert werden. @@@@ Während der Arbeitszeit informiert sich Susanna in regelmässigen Abständen über Ausbruchsherde ansteckender Krankheiten in ihrer Nähe (HealthMap App). Sie vergewissert sich mit dem Arzneimittelwechselwirkungs-Check (Medscape App), dass die online bestellten Pillen gegen Magenbeschwerden verträglich sind mit ihren Aufputschmitteln und sie vergleicht immer wieder ihre Körper-Temperatur mit derjenigen von Japanerinnen im gleichen Alter. Daneben teilt sie in einem einschlägigen Blog ihre Erfahrungen mit Magengeschwüren mit dem Rest der Welt. @@@@ Susannas Arbeitstag endet am späten Nachmittag mit der Nachricht, dass sie von ihrer Krankenkasse eine Bonuszahlung erhält für ihre guten Blutfett- und Blutzuckerwerte, für den ausgezeichneten Mineralienhaushalt sowie für genügend Schlaf und viel Bewegung (Resultat des E-Monitorings durch die Versicherer). Beschwingt bereitet sie sich auf den Abend vor. Als sie nochmals den Verlauf ihrer Glückskurve abfragen will, wird’s plötzlich dunkel – der Akku hat den Geist aufgegeben. @@@@ Das abendliche Rendez-vous wird ein Desaster. Statt der guten ersten Fragen und Antworten aus einer Datenbank muss sich Susanna auf ihr Gedächtnis verlassen. Nach dem Satz «Ich will einen Mann fürs Leben, schnell heiraten und Kinder haben», sucht ihr Partner in spe das Weite. Macht nichts, denn das Warnpiepen aus seiner Hosentasche beim Schnellstart verrät ihr, dass er einen Herzschrittmacher hat.

Silvia Schütz

Zeichnung: Marc Roulin

Die Schlaf-App Sleep Cycle hat wieder ganze Arbeit geleistet. Zum Klang ihres persönlichen, synthetischen Sitar-Songs wacht Susanna zur Idealzeit auf – 06:14. Ein Blick auf das iPhone zeigt, dass auch der im Arm implantierte Chip seinen Dienst erfüllt hat und während der Nacht durch die automatisierte Zufuhr von Insulin oder Glucose den Blutzuckerspiegel ideal eingestellt hat. Perfekter könnte der Wert auf dem Display nicht sein. Zeit für den ersten Kaffee!

* Die Informationen über die Apps und die Szenarien stammen aus dem Gespräch mit Karin Frick vom GDI.

9 | Im Fokus 6/10


Fotos: ZVG

Die Schweiz gehört europaweit zu den Vorreitern

Telemedizinische Konsultation schont Ressourcen Ziel der heute in der Schweiz weit verbreiteten telemedizinischen Konsultation ist es, dem Patienten die richtige Behandlung zum richtigen Zeitpunkt am richtigen Ort zukommen zu lassen. Das schont Ressourcen aller Akteure.

Die Beschwerden, wegen denen Menschen bei Medi24 anrufen, erfordern in der Regel keinen sofortigen Arztbesuch.

Rund drei Viertel der Schweizer Bevölkerung hat über das einfache Kommunikationsmittel «Telefon» rund um die Uhr Zugang zu medizinischer Beratung bei Telemedizin-Zentren. Nur wenige Länder in Westeuropa verfügen über ein ähnliches Angebot. Das Ausland schaut über die Grenzen und möchte von unseren Erfahrungen profitieren.

das Vorgehen vereinbart. Es wird keine Diagnose gestellt. In zwei Dritteln der Fälle kann Medi24 dem Anrufenden zur Selbstbehandlung raten. Das übergeordnete Ziel ist es, den Menschen Gesundheitskompetenz zurückzugeben – beispielsweise im Umgang und in der Wirkung von «Hausmitteln». Das stärkt auch die Eigenverantwortung.

70 Prozent schätzen Dringlichkeit falsch ein

Vertrauen und Akzeptanz bedingen Sicherheit

Studien zeigen, dass 70 Prozent der Bürger die Dringlichkeit ihres medizinischen Problems falsch einschätzen. Viele Menschen suchen einen Arzt auf, obwohl dies aus medizinischer Sicht nicht notwendig wäre. Fieber, Fragen zu Medikamenten, Husten, Halsweh oder Bauchschmerzen gehören zu den häufigsten Gründen, weshalb Patienten bei Medi24 anrufen. Gründe, die in der Regel nicht sofort einen Arztbesuch erfordern. Ein grosses Sparpotenzial, wenn man bedenkt, dass ein Arztbesuch 150 Franken und ein Besuch auf der Notfallstation 500 Franken kostet.

Qualitätsstandards sind Voraussetzung für die Sicherheit. Die Standesordnung der FMH sieht für Telemedizinische Konsultationszentren Unabhängigkeit der Beratung, lückenlose Dokumentation und Datenschutz (Arztgeheimnis) sowie qualifiziertes Fachpersonal und standardisierte Prozesse vor. Standards, die heute in der Schweiz bei den grossen Telemedizinischen Konsultationszentren wie Medi24 längst etabliert sind.

Dringlichkeit festlegen – keine Diagnose

Die medizinische Beratung am Telefon ersetzt einen angezeigten Arztbesuch nicht. Mit einer computerunterstützten, strukturierten Befragung und dem Wissen der medizinischen Fachperson wird der Gesundheitszustand des Anrufenden erfasst, die Dringlichkeit eines Arztbesuches festgelegt und

24-Stunden Gesellschaft

Wir entwickeln uns hin zu einer rund-um-die-Uhr-Gesellschaft. Der Anspruch an die Verfügbarkeit medizinischer Leistung ist davon nicht ausgenommen. Ein Kleinkind mit Fieber respektiert keine Praxiszeiten des Hausarztes und seine (damit überforderte) Mutter ebenso nicht. Ein Anruf an ein Telemedizinisches Konsultationszentrum, das rund um die Uhr besetzt ist, spart den Gang auf die Notfallstation mitten in der Nacht. Nutzen bei IVN unbestritten

Medi24 hat den Status einer Arztpraxis und ist mit mehr als zehn Jahren Erfahrung und über 1,5 Millionen telemedizinischen Konsultationen Schweizer Pionier in der Telemedizin. Über Krankenversicherer und Ärztenetze haben mehr als zwei Millionen Personen Zugang zu Medi24. Das Unternehmen führt an Spitzentagen über 3000 Konsultationen durch, 2009 waren es 400 000 Beratungen. Ein interdisziplinäres Fachärzte-Team sowie diplomierte medizinische Fachberater erbringen die Dienstleistungen rund um die Uhr nach medizinisch-ethischen Kriterien in D/F/I/E. Medi24 ist von der Dr. med. Andrea Vincenzo Braga, FMH anerkannt als Ausbildungsklinik. Chefarzt und Mitglied Das Unternehmen hat seinen Sitz in Bern der Geschäftsleitung und beschäftigt 100 Mitarbeitende. von Medi24.

Der Nationalrat hat für die Einführung von Integrierten Versorgungsnetzen (IVN) entschieden. Über zwei Drittel von 350 Fachpersonen aus dem Schweizer Gesundheitswesen sind der Ansicht, dass die Telemedizin im Rahmen von IVN ausserordentlich nützlich ist. Dieses deutliche Votum wurde an einer Veranstaltung zum Thema Managed Care kurz nach der Nationalratsdebatte abgegeben. Umdenken Richtung Gatekeeping

Es gibt eine Vielzahl von Initiativen seitens Behörden, Spitälern oder Ärztenetzen, um ein Gatekeeping aufzubauen. Alle haben das Ziel, Patienten möglichst früh zu lenken, damit sie zum richtigen Zeitpunkt am richtigen Ort behandelt werden können. Mit solch niederschwelligen Angeboten tragen wir den Bedürfnissen von gesellschaftlichen und demografischen Veränderungen Rechnung. Telemedizin ist deshalb Realität und Nutzen zugleich. dr. med. andrea vincenzo braga

10 | Im Fokus 6/10


Das Finden der korrekten Gesundheitsinformation ist einfacher als deren Interpretation

Der surfende Patient scheitert nicht am Wellenbrecher Egal, welche Symptome man eingibt, irgendwann erscheint die Diagnose Krebs. Der Patient kann die Spreu nicht vom Weizen unterscheiden, er ist von der Informationsflut im Internet überfordert. Findet der Patient seriöse Inhalte, versteht er sie nicht und kann nichts damit anfangen. Stimmt das? Eine Grossmutter surft für infosantésuisse.

Sie ist 76 und hat seit acht Jahren einen Internetanschluss, um mit ihrem Enkel in Australien e-mailen zu können. Margrit Keller sucht im Auftrag von infosantésuisse eine ihrer Meinung nach «gute Seite» zum Thema Bauchschmerzen. Sie kennt kein Gesundheits-Portal, sie googelt («das weiss ich von meinem Enkel») mit «Bauchschmerzen, Diagnose». Auf den ersten drei Rängen erscheinen eesom.com, internistenim-netz.de, onmeda.de. Weil sie weiss, dass sie real bei einem Internisten an der richtigen Adresse wäre, klickt sie die entsprechende Seite an. Zertifikate unterstützen den gesunden Menschenverstand

Da die Seite vom Berufsverband Deutscher Internisten herausgegeben wird, vertraut sie ihr. Absender sowie Gehalt und Darstellung der Information überzeugen Margrit Keller. Der Name onmeda löst bei ihr keine Assoziationen aus. Sie würde diese Seite ohne entsprechenden Auftrag nicht öffnen, äussert sich dann aber positiv über die inhaltliche Qualität, den Fragebogen und die Darstellung. Onmeda.de und auch eesom.com sind HON-zertifiziert. Zertifikate wie HON (www.hon.ch), das führende Qualitätslabel im Bereich Gesundheits-Webseiten, sollen Usern helfen, im Angebotsdschungel die Spreu vom Weizen zu trennen. Obwohl hilfreich, kann ein Zertifikat den gesunden Menschenverstand nicht ersetzen. Zum einen herrscht auch unter den Siegeln

Unübersichtlichkeit (42 Gütesiegel gibt es allein im deutschen Gesundheitswesen), zum anderen werden sie periodisch verliehen. Wie sich eine Website nach der Zertifizierung entwickelt, bleibt offen. Positiv ist: Die Informationen über Finanzierung, medizinische Richtigkeit der Inhalte und weitere Punkte, die für ein HON-Zertifikat erfüllt und publiziert werden müssen, findet der Surfer auf zertifizierten Webseiten. Aufgrund der Informationen und des Fragebogens aus dem Internet würde Margrit Keller beobachten, wann, wo, wie oft und wie stark die Bauchschmerzen auftreten und die Farbe ihres Stuhls genauer analysieren. «Bei länger anhaltenden Schmerzen würde ich meine Ärztin konsultieren», hält sie zum Schluss fest. Wo sich Schweizer über Gesundheit informieren

Laut Daten des Instituts für Sozial- und Präventivmedizin der Universität Zürich beschaffen sich rund 25 Prozent ihre Gesundheitsinformationen hauptsächlich aus Zeitungen und Zeitschriften, rund 20 Prozent beim Hausarzt und an dritter Stelle folgen das Internet und das soziale Umfeld mit je rund 15 Prozent. Dicht dahinter rangieren TV und Radio. Besonders gut akzeptiert sind im Internet Health Wiki, das Lexikon von Wikipedia speziell für Gesundheit, und Seiten, auf denen die Leistungserbringer bewertet werden. Über 70 Prozent der Internetnutzer und ebenso viele Medienkonsumenten verstehen die gefundenen Gesund­heits­informa­tionen gemäss eigenen Angaben einfach oder relativ einfach. Das Internet ist kein Arztersatz

Inwiefern ihnen die gefundenen Informationen bei der Lösung eines Problems helfen, steht allerdings auf einem anderen Blatt. «Der Patient weiss oft nicht, wie er mit den gefundenen Informationen umgehen soll», sagt Grazia Siliberti von Medi24, dem Schweizer Pionier in der Telemedizin. Die Gefahr, dass nach der Eingabe von an sich harmlosen Symptomen auch eine Krankheit mit tödlichem Verlauf aufscheint, sei gross. Das kann unnötige Ängste und Ver­un­sicherungen auslösen. «Ein surfender Patient ist kein Arzt und kann die gefundenen Resultate nicht korrekt mit seinem Zustand in Verbindung bringen», so Siliberti. Sie beflügeln aber die Phantasie. Wann immer eine Gesundheitssendung ausgestrahlt wird, verzeichnet man bei Medi24 jeweils spürbar mehr Anrufe zu den in der Sendung behandelten Themen. Für die Surfer ist gut zu wissen: Tödliche Wellenbrecher brauchen sie im Internet nicht zu fürchten. Eine Diagnose kann nur der Arzt aufgrund von Laborbefunden und seiner eigenen Untersuchung stellen. silvia schütz

Man muss kein Cyberchonder sein, um beim Surfen auf die Diagnose Krebs zu stossen.

11 | Im Fokus 6/10


Grafik des Monats

Die Schweiz ist die eHealth-Wüste in Europa Schweizer Hausärzte verwalten administrative Personaldaten häufiger elektronisch als der europäische Durchschnitt. Ebenfalls über dem EU-Schnitt liegen sie bei der Übermittlung dieser administrativen Daten an Kostenträger und andere Leistungsträger. Bei allem, was darüber hinaus geht, schneiden sie nicht gut ab, wie die Grafik eindrücklich zeigt.1

Auffallend ist der Vorsprung Dänemarks (dunkelrot) auf die EU und die Schweiz. Das Verschreiben von eRezepten, die Übermittlung von Labordaten an die Arztpraxis, die Speicherung medizinischer Patientendaten und der Gebrauch des Computers während Konsultationen gehört flächendeckend zum Alltag in dänischen Praxen. Dass Dänemark das Vorzeigeland par excellence ist, hat zwei Hauptgründe. Bereits ab 1996 setzten die Dänen ihre ePatientendossier-Strategie effektiv und effizient um. Dies war möglich, weil das Gesundheitswesen grösstenteils staatlich organisiert ist und damit – bei allen Nachteilen eines solchen Systems – einheitlichere Voraussetzungen bietet als die föderalistische Schweiz mit der Teilung von Aufgaben zwischen Bund und Kantonen. Ein weiterer Grund für den Rückstand der Schweiz ist, dass die «Strategie eHealth Schweiz» vor allem in der Ärzteschaft relativ unbekannt ist. Laut den Resultaten des Swiss eHealth Barometers2 genügen die gesetzlichen Grundlagen nicht und die Koordination vermag ebenfalls nicht zu überzeugen. Einzelne Anwendungen von eHealth sind indes in der Schweiz längst täglich im Einsatz, doch dominieren individuelle Kosten/Nutzen-Überlegungen.

Wenig Austausch «über den Gartenzaun»

Weiter zeigt die Grafik: Während im skandinavischen eHealth-Eldorado medizinische Patientendaten ziemlich oft an andere Leistungserbringer übermittelt werden, fallen die EU und die Schweiz in diesem Bereich im gleichen Umfang ab. Offenbar herrscht Unbehagen vor, sobald Daten die eigene Organisation verlassen. Laut eHealth-Barometer haben Ärzte wenig Vertrauen in die anderen Akteure des Gesundheitswesens. Ausnahme bildet hier die eigene Standesorganisation FMH. Vor diesem Hintergrund verwundert es auch nicht, dass auch die Vernetzung der Ärzteschaft mit Krankenversicherungen und Gesundheitsbehörden nur in wenigen Fällen vorhanden ist. Silvia schütz

Das zeigt die Untersuchung zu eHealth in Europa von der Europäischen Kommission, ergänzt durch Daten der Schweizerischen Gesellschaft für Allgemeinmedizin (SGAM). zit: Gesundheitswesen Schweiz 2010–2012, S. 49 f. 2 Der erste Swiss eHealth Barometer wurde im Auftrag der InfoSocietyDays vom gfs. Bern erarbeitet und im März 2010 der Öffentlichkeit präsentiert. 1

COMPUTEREINSATZ IN DER ARZTPRAXIS SPEICHERUNG ADMINISTRATIVER PATIENTENDATEN SPEICHERUNG MEDIZINISCHER PATIENTENDATEN

EREZEPT (EPRESCRIBING)

ÜBERMITTLUNG MEDIZINISCHER PATIENTENDATEN AN ANDERE LEISTUNGSERBRINGER

GEBRAUCH DES COMPUTERS WÄHREND DER KONSULTATION

ÜBERMITTLUNG LABORDATEN VON LABOR AN PRAXIS

In der Schweiz setzt Unbehagen ein, sobald Daten die eigene Organisation verlassen sollen.

GEBRAUCH EINES EXPERTENSYSTEMS (DECISION SUPPORT SYSTEM)

ÜBERMITTLUNG ADMINISTRATIVER PATIENTENDATEN (AN KOSTENTRÄGER UND ANDERE LEISTUNGSTRÄGER) DÄNEMARK DURCHSCHNITT 27 EU-LÄNDER SCHWEIZ (GEMÄSS UMFRAGE FMH/SGAM)

QUELLE: EUROPEAN COMMISSION / SGAM. ENTNOMMEN AUS: GESUNDHEITSWESEN SCHWEIZ 2010−2012, S.55.

12 | Gesundheitswesen 6/10


Drei Fragen an Aida Müller, Datenschutzbeauftragte der SASIS AG

«Ein Vertrauensbeweis gegenüber dem Kunden»

Inwieweit können solche Qualitätszeichen dem Kunden Datenschutz garantieren?

Das Datenschutzgesetz sieht die Möglichkeit vor, Unternehmen oder einzelne Produkte zu zertifizieren. Um diese Zertifizierung zu erreichen, muss die Datenschutzpolitik des Unternehmens verbindlich formuliert und dokumentiert werden. Dies beinhaltet ebenfalls die schriftliche und nachprüfbare Dokumentation der Ziele, Richtlinien und der organisatorischen und technischen Massnahmen zur Sicherstellung der Datensicherheit. Es handelt sich also um ein komplexes Managementsystem mit klaren Regeln und Pflichten, welches datenschutzkonform sein muss und über die gesetzlichen Mindestanforderungen hinaus geht. Das Unternehmen verpflichtet sich verbindlich, sämtliche Vorgaben einzuhalten und

lässt diese auch regelmässig von unabhängigen Stellen überprüfen und bestätigen.

Foto: ZVG

Auf den 1. Januar 2008 trat das revidierte Datenschutzgesetz in Kraft. Kürzlich hat die SASIS AG als erste Organisation in der Schweiz die amtliche Datenschutzzertifizierung nach VDSG erhalten. Aida Müller ist Informationssicherheits- und Datenschutzbeauftragte der SASIS AG. Sie erklärt, welchen Wert dieses oder ein anderes, gleichwertiges Datenschutz-Zertifikat für Kunde und Unternehmung hat.

Welchen Wert hat ein solches Zertifikat?

Die Datenschutzzertifizierung dient primär der Sicherstellung des Kundenvertrauens und der transparenten Organisation des Datenmanagements. Dieses Kundenvertrauen wird umso wichtiger, je sensibler die verarbeiteten Daten sind, und je einfacher Daten elektronisch weitergegeben werden können. Der Geltungsbereich der Zertifizierung umfasst die Erstellung und Verteilung der Daten der santésuisse-Versichertenkarte (VeKa). Zwar sind die verarbeiteten und auf der Schweizerischen Krankenversicherungskarte KVG aufgedruckten Daten, wie die Personalien, AHV- und Karten-Nummer, nicht als besonders schützenswert einzustufen. Doch falls die Versichertenkarte als Schlüssel zu Patientendossiers eingesetzt werden sollte, ist eine solche Zertifizierung unerlässlich. Eine Zertifizierung bedeutet, dass das Unternehmen sämtliche Sicherheitsmassnahmen berücksichtigt und dabei sicherstellt, dass Prozesse der Datensicherheit zuverlässig arbeiten, gut dokumentiert sind und auch tagtäglich gelebt werden. Das Datenschutz-Managementsystem (DSMS) hat hierbei eine entscheidende Bedeutung, denn nur wenn interne und externe Prozesse transparent sind, ist es möglich, Nichtkonformitäten rechtzeitig zu entdecken und zu beseitigen. Mit welchen Herausforderungen werden betriebliche Datenschutz­ beauftragte konfrontiert?

Aida Müller: «Datenschutz wird zunehmend wichtiger, denn persönliche Daten können dank elektronischer Hilfsmittel immer einfacher weitergegeben werden».

rungskräfte der eigenen Firma durch Beratung in Fragen der Datensicherheit und Datenverarbeitung zu unterstützen. Ausserdem muss er kontrollieren, ob die Datenschutzbestimmungen eingehalten werden. Er nimmt also eine Aufsichtsfunktion wahr, und muss sich dafür jederzeit einen Überblick über sämtliche bestehenden Datensammlungen und Datenbearbeitungen verschaffen können. Der Datenschutzverantwortliche hat jedoch keine Eingriffsbefugnisse und kann datenschutzrechtliche Vorgaben im Alleingang nicht selbst durchsetzen. Vielmehr teilt er die erforderlichen Korrekturmassnahmen der Geschäftsleitung mit, welche dann geeignete Umsetzungsmassnahmen beschliesst. Interview: Silvia Schütz

Der betriebliche Datenschutzbeauftragte sollte eine weitgehend unabhängige Stellung im Unternehmen haben und ist in der Regel dem Geschäftsführer direkt unterstellt. Zu den wichtigsten Aufgaben gehört es, die Füh-

13 | Gesundheitswesen 6/10


Der Tätigkeitsbericht 2009 der Ombudsstelle Krankenversicherung zeigt, wo der Schuh drückt

Die hohen Prämien bereiten Sorgen

Die 5523 bei der Ombudsstelle eingegangenen Fälle betreffen vor allem die Bereiche Versicherungswechsel (Abschluss, Kündigung) und Prämien. Anfragen hingegen zu den Leistungen haben nur leicht zugenommen. Das Zusammentreffen der Wirtschaftskrise mit steigenden Gesundheitskosten hat im Berichtsjahr Versicherten und Versicherern erhebliche Probleme bereitet. Die Kassen reagierten auf steigende Gesundheitskosten mit zum Teil rigoroser Leistungskontrolle. Auf Anliegen der Versicherten antworteten sie oft auch dann abweisend, wenn Konzilianz angebracht gewesen wäre, so der Ombudsman. Dass sie besonders mit der deutlichen Prämienerhöhung Versicherte oftmals vor den Kopf stiessen, ist naheliegend. Verständlich ist auch, dass die Versicherten ihrem Unmut mit heftiger und oft auch unsachlicher Kritik Ausdruck gaben. Es kam sogar vor, so der Bericht, dass die Ombudsstelle bereits beim ersten Kontakt massiv angegriffen und gar bedroht wurde. So zitierte eine Versicherte bereits in ihrer ersten Mailanfrage Art. 11 des Strafgesetzbuches*, bevor sie überhaupt ihren Fall dargelegt hatte. Der Ombudsman versteht solches Verhalten vor allem vor dem Hintergrund der allgemeinen Unsicherheit der Bevölkerung unter dem Eindruck der Finanz- und Wirtschaftskrise. Auch in anderen Fällen wurde dem Ombudsman vorgehalten, es sei

ja genügend Geld für die Rettung von Banken eingesetzt worden, weshalb denn jetzt nicht dem kleinen Prämienzahler geholfen werde. Problem mit unterjähriger Prämienerhöhung

Zur Verunsicherung hätten aber auch Krankenversicherer beigetragen, schreibt der Ombudsman, indem sie eine unterjährige Prämienerhöhung zeitlich knapp angekündigt und den Hinweis auf das Kündigungsrecht unterlassen hätten. Die Ombudsstelle verzeichnete denn auch eine Reihe entsprechender Anfragen, die sich über eine unterjährige Prämienerhöhung beschwerten. Es bleibe jedoch festzuhalten, dass bewilligte unterjährige Prämienerhöhungen in der Krankenversicherungsbranche durchaus möglich seien. Entgegen einem bei vielen Versicherten verbreiteten Missverständnis dürften die Prämien nicht nur auf Jahresende erhöht werden. Unseriöse Vermittler

Vor allem im vierten Quartal 2009 häuften sich die Anfragen wegen schlechter Erfahrungen beim Kassenwechsel. Meistens waren Versicherungsvermittler beteiligt, deren Verhalten von den Versicherten massiv kritisiert wurde. Da sah sich der Ombudsman mit besonderen

Problemen konfrontiert: Gemäss Versicherungsvertragsgesetz haftet der Versicherer für das Fehlverhalten seiner Vermittler. Doch wer sind «seine» Vermittler? Klar ist die Situation bei den vom Versicherer selber angestellten Verkäufern. Anders verhält es sich bei den ungebundenen Vermittlern, die für verschiedene Gesellschaften arbeiten und je nach Situation und Anreiz Abschlüsse vermitteln. Hier besteht auch nach einer Besprechung mit der bei der Finanzmarktaufsicht Finma zuständigen Vermittleraufsicht «keine völlige Klarheit». So ist es der Ombudsstelle nicht möglich, in jedem Einzelfall die Haftung des Versicherers abzuklären. Leider, so der Ombudsman, gibt es Vermittlerfirmen, die Vermittler kaum ausbilden und wohl auch nicht auf ihre Eignung prüfen. Jedenfalls liessen Schilderungen über Beratungsgespräche von Versicherten gegenüber der Ombudsstelle diesen Schluss zu. Zusammenarbeit mit schwarzen Schafen

Diese habe reihenweise Falschberatungen festgestellt bis hin zur Behauptung, unterzeichnete Verträge seien nicht verbindlich und könnten jederzeit widerrufen werden, was nicht stimmt. Es ist dem Ombudsman wichtig zu betonen,

Foto: Prisma

Im vergangenen Jahr haben sich 5523 Ratsuchende an die Ombudsstelle gewandt, 15 Prozent mehr als 2008. Ombudsman Rudolf Luginbühl führt die enorme Zunahme hauptsächlich auf die überdurchschnittlichen Prämienerhöhungen Ende des Berichtsjahres zurück sowie auf die stärkere Präsenz der Krankenversicherung in der öffentlichen Diskussion.

Ein paar schwarze Schafen genügen, um eine ganze Herde in Verruf zu bringen, wie das Beispiel der unseriösen Vermittler zeigt.

14 | Gesundheitswesen 6/10


8000 7000 6140 6000

5574

5231

6071

5481

5431

5145

5000

4775

5087

5523 4815

4000 3000 2000

QUELLE: OMBUDSSTELLE DER SOZIALEN KRANKENVERSICHERUNG

ENTWICKLUNG EINGÄNGE 1999 − 2009

Zahlreiche Anrufer monierten, dass zu viel staatliches Geld für die Banken, aber zu wenig für den «kleinen Prämierzahler» aufgewendet werde.

1000 0

1999

2000

2001

2002

2003

2004

2005

dass der negative Eindruck keineswegs die gesamte Makler- oder Brokerbranche diskreditieren soll. Zu denken gebe jedoch eine Minderheit unseriöser Vermittler und die Tatsache, dass es immer wieder Krankenversicherer gebe, die trotz stetiger Kritik in der Öffentlichkeit mit schwarzen Schafen zusammenarbeiten. Für die Ombudsstelle habe sich die Vermittlerproblematik auch als Prüfstein ihres Verhältnisses zu den Krankenversicherern erwiesen. Fristen beachten!

Wer den Krankenversicherer wechseln will, muss fristgerecht kündigen. Dazu bleibt nach Mitteilung der neuen Prämie (stets zum Jahresende) ein Monat Zeit. Viele Versicherte verstehen nicht, dass zur Fristeinhaltung nicht der Poststempel, sondern der Eingang der Kündigung beim Krankenversicherer massgebend ist. Sie meinen, ein Absenden am letzten Tag der Frist reiche aus. Nicht selten können eingeschriebene Sendungen mit Hausnummern ohne Postfachzusatz nicht auf den ersten Anhieb zugestellt werden. Eine Kündigung sollte nie erst zum letztmöglichen Termin übermittelt werden. Kleines Team für grossen Ansturm

Insgesamt trafen 4453 Anfragen auf Deutsch ein (2008 : 3891), 909 auf Französisch (2008 : 794) und 139 in italienischer Sprache (2008 : 130). Etwas höher als üblich ist die Zahl der am Ende des Berichtsjahres noch pendenten Dossi-

2006

2007

2008

2009

ers. Sie beträgt 278, wobei durch Zusatzeinsatz über die Festtage nur wenige Dossiers ungesichtet blieben. Die von Rudolf Luginbühl geleitete Geschäftsstelle verfügt über zwei juristische Mitarbeiterinnen, einen Krankenkassenexperten und einen Sekretär. Die Personaldotation mit 4,5 Stellen, aber auch die personelle Besetzung der Ombudsstelle sind seit längerer Zeit konstant. Somit hatte ein relativ kleines Team die Flut von Anfragen zu bewältigen. Auch 2010 ist nicht mit rückläufigen Fallzahlen zu rechnen. Im Jahresbericht finden sich auch zwei spezielle Abhandlungen: Im Kapitel «Krankenpflegeleistungen» ist zu erfahren, dass Transport- und Rettungskosten zu den Dauerbrennern bei der Ombudsstelle gehören. Das Kapitel «Taggeldleistungen» schildert die schwierigen Probleme, die der Übertritt von der Kollektivtaggeld- in die Einzelversicherung mit sich bringen kann. Beide Kapitel dürften für Versicherte wie auch für Kassenfunktionäre von grossem Interesse sein. Der Ombudsman ist kein Gratis-Anwalt

Der Ombudsman ruft im Jahresbericht die Grundsätze in Erinnerung, nach denen er sich gemäss Stiftungsurkunde und dem dazu gehörenden Reglement zu richten hat. Es komme immer wieder vor, dass ihn Versicherte fälschlicherweise für einen Gratis-Anwalt oder eine Gerichtsinstanz halten. Der Ombuds-

man sei auch keine Aufsichtsbehörde für die Krankenversicherer. Seine Aufgabe sei die Vermittlung, die das grundsätzliche Vertrauen des Kunden wie des Krankenversicherers voraussetzt. Deshalb gebe er keine Werturteile über Institutionen der Krankenversicherung ab. Um in konkreten Streitfällen vermitteln zu können, sei es unerlässlich, ihm Kopien des ganzen Dossiers zu unterbreiten, damit der Sachverhalt auf Anhieb erkennbar ist. Joseph Ziegler

* Begehen eines Vergehens oder Verbrechens durch pflichtwidrige Untätigkeiten, wenn jemand aufgrund seiner Rechtsstellung zum Handeln verpflichtet wäre.

Die Ombudsstelle Die von santésuisse gegründete Stiftung Ombudsstelle Krankenversicherung ist seit 1993 tätig. Aktueller Präsident der Stiftung ist der ehemalige Direktor der Concordia, Rudolf Gilli. Die Geschäftsstelle wird vom Ombudsman Rudolf Luginbühl geleitet. 2008 hat die bisherige «Ombudsstelle der sozialen Krankenversicherung» ihren Namen geändert und heisst neu «Ombudsstelle der Krankenversicherung». Damit wird bekräftigt, dass sich die Ombudsstelle auch mit Problemen der Zusatzversicherung befasst. Adresse: Ombudsman der Krankenversicherung Morgartenstrasse 9, 6003 Luzern Tel. deutsch: 041 226 10 10 Tel. französisch: 041 226 10 11 Tel. italienisch: 041 226 10 12 Auskunftszeit: Montag bis Freitag: 09.00 bis 11.30 Uhr Fax: 041 226 10 13 info@om-kv.ch www. ombudsman-kv.ch

15 | Gesundheitswesen 6/10


Im Oktober startet der Kurs «Medizinischer Fachspezialist Leistungen MLF» – Fredi Bacchetto im Interview

Wer weiss, wie eine Wirksamkeitsanalyse gemacht wird? Foto: ZVG

Zustände zu verbessern ist eine Grundtätigkeit von Krankenversicherern. Das gilt auch vor der eigenen Haustüre. Um das medizinische Fachwissen zu verbessern, bietet santésuisse seit drei Jahren den Kurs «Medizinischer Fachspezialist Leistungen MFL» an. Er baut auf dem medizinischen Grundlagenkurs auf und wurde von der Schweizerischen Gesellschaft der Vertrauensund Versicherungsärzte SGV und santésuisse realisiert.

Zur Person: Fredi Bacchetto ist 1957 geboren und absolvierte sein Medizinstudium an den Universitäten Freiburg und Zürich mit Staatsexamen 1982. Bis 1994 arbeitete er in Spitälern und Praxen. Anschliessend bildete er sich zum Facharzt für Sozial- und Präventivmedizin weiter. 1996 erwarb er den Master of Public Health der Universitäten Zürich, Basel und Bern. Ab 1998 war Fredi Bacchetto mehrere Jahre als Vertrauensarzt tätig. Heute führt er als Direktor der Krankenversicherung Assura schwerpunktmässig die Leistungsabteilungen des Konzerns in der Deutschschweiz. Als Vorstandsmitglied der Vertrauensärztegesellschaft ist er für die Aus-, Weiter- und Fortbildung der Vertrauensärzte in der Schweiz verantwortlich.

Was hat Sie motiviert, diesen Kurs aufzubauen?

Ich habe zwischen 1998 und 2001 als Vertrauensarzt beim SVK gearbeitet und habe seither gute Kontakte zur Schulungsstelle von santésuisse. Damals haben wir ein Defizit an medizinischem Fachwissen zur korrekten Beurteilung von Leistungsfragen bei vielen Angestellten der Krankenversicherer ausgemacht. Die Ärzteschaft beklagt sich gerne und schnell über medizinisch unqualifizierte Beurteilungen. Manchmal sind diese Reklamationen berechtigt.

der anfallenden Fragen ist. Der Hauptteil des Kurses ist dann der Behandlung von spezifischen Leistungsfragen nach Organsystemen des menschlichen Körpers gewidmet wie etwa Kardiologie, Onkologie, Geriatrie. Wer vermittelt das nötige Wissen?

Der Kurs wird ausschliesslich von langjährigen Profis mit ausgewiesener Erfahrung in der Krankenversicherungsbranche erteilt. Die Mehrheit der Referierenden sind Vertrauensärzte, alle bei grossen Krankenversicherern unter Vertrag. Viele sind zudem Vorstandsmitglieder der Vertrauensärztegesellschaft. Diese Zusammensetzung garantiert, dass brennende Fragen aus dem medizinischen Versicherungsalltag professionell behandelt werden. Bei entsprechendem Engagement der Kursteilnehmenden bietet der Kurs Gewähr dafür, dass die angemeldeten Personen eine fundierte Weiterbildung zur kompetenten Bearbeitung anspruchsvoller Fragestellungen aus dem Leistungsbereich der obligatorischen Krankenpflegeversicherung erhalten. Interview: Hans Wohler

Wie können Versicherer solchen Reklamationen vorbeugen?

Durch profundes Wissen. Deshalb richtet sich der Kurs an alle Angestellten der Krankenversicherungen, welche die täglichen Probleme und Fragestellungen aus der Leistungsverarbeitung kennen und ihr Wissen zur Leistungspflicht in der obligatorischen Krankenpflegeversicherung OKP vertiefen und professionalisieren wollen. Zum Zielpublikum gehören insbesondere auch Personen, die komplizierte Leistungsfragen zu bearbeiten haben oder als Vorgesetzte solche beantworten müssen. Was müssen Krankenversicherer wissen, damit sie professionell arbeiten können?

Sie müssen komplexe Fragestellungen aus der KLV kennen. Diese werden in der Weiterbildung vertieft erörtert. So erhalten die Teilnehmenden etwa Einblick in die Wirksamkeitsanalyse einer medizinischen Leistung und lernen, wie komplex die korrekte Beantwortung

Medizinischer Fachspezialist in Kürze An zwei Seminartagen werden die spezifischen gesetzlichen Rahmenbedingungen und an neun Tagen medizinische Bereiche und Fälle aus der Praxis der Vertrauensärzte erarbeitet. Ein Abschlusstest rundet die Ausbildung ab. Die 11 Tagesseminare finden in Zürich in den Räumlichkeiten von santésuisse statt. Beginn ist am 14. Oktober 2010, der letzte Seminartag ist am 1. Dezember 2011. Die Kurskosten betragen für Mitglieder 3900 Franken, Anmeldeschluss ist der 18. August 2010. Die detaillierten Angaben finden Sie unter: https://www.santesuisse.ch – Ausbildung – Bildungsangebot – Kursübersicht

16 | Gesundheitswesen 6/10


Fotos: Gregor Patorski

Sowohl die Delegierten während der Versammlung als auch die Journalisten am anschliessenden Point-de-Presse verfolgen die Ausführungen von Präsident Claude Ruey.

Generalversammlung 2010 von santésuisse in Bern

Klare Worte vom Präsidenten Markige Worte prägten die diesjährige Generalversammlung von santésuisse. Worte, die allesamt die verheerenden Folgen einer Einheitskasse aufzeigen sollten. Präsident Claude Ruey geisselte im offiziellen Teil die «verblendeten Demagogen, welche die Debatte auf die falschen Probleme lenken würden». Im zweiten, öffentlichen Teil der Generalversammlung referierten Peter Rowohlt und Joanne Marcotte über zwei unterschiedliche Gesundheitssysteme: diejenigen von Deutschland und Quebec.

Präsident Claude Ruey zeigte sich in seinem Eröffnungsreferat an der GV vom 11. Juni 2010 sehr angriffig und bezeichnete die da und dort aufkeimenden Forderungen nach einer Einheitskasse, welche höchstens acht Promille im Gesundheitswesen einsparen könnte, nicht nur als Demagogie, sondern als Verblendung einer etatistischen Ideologie, in welcher diese Kreise gefangen seien. Damit würde die Debatte bloss auf falsche Probleme fokussiert: «Wenn man ihm den Mond zeigt, schaut der Dumme auf den Finger!» Besonders bei der Managed Care-Reform kommt es dem Präsidenten manchmal vor, dass es in unserem Land nur noch Mehrheiten dazu gebe, um etwas zu stoppen: «Ärzte, die noch nie etwas von Managed Care gehört haben, erklären mir, weshalb Managed Care nicht kommen darf.» Solche verblendeten Ideologien gelte es abzule-

gen, die Positionen aufzuweichen, Querelen beizulegen und Vertrauen aufzubauen. Um aus der Gefangenschaft der Ideologie auszubrechen, müsse man endlich den Realitäten ins Auge sehen und sich ihnen stellen. Genau das wollen die Versicherer von santésuisse. «Einheit statt Einheitskasse»

Der neue Direktor des Bundesamts für Gesundheit, Pascal Strupler, nahm den ihm zugespielten Ball in seiner Grussadresse auf und richtete ebenso klare Worte an die versammelten Versicherer: Tochterkassen würden dem Versicherungssystem nachhaltig schaden. Aber auch ihm sei «die Einheit unter den Kassen lieber als die Einheitskasse». Ein lange anhaltender Applaus hallte durch den Versammlungssaal im Bellevue Palace. Anschliessend informierte Stefan Kaufmann, der Direktor von santésuisse, über die Geschäftstätigkeit des Verbandes im Jahr 2009. Wie im Jahr zuvor war die Reorganisation ein zentrales Thema. Der offizielle Teil der Generalversammlung wurde mit der einstimmigen Genehmigung von Geschäftsbericht und Jahresrechnung fortgesetzt. Ebenfalls unisono wurde Präsident Claude Ruey für die Amtsperiode 2010 bis 2012 gewählt. Neu in den Verwaltungsrat berufen wurden Pius Gyger für die Helsana und MarcOlivier Buffat für die Supra. Sie ersetzen Manfred Manser respektive Charles Barbey, deren ausserordentliche Dienste herzlich verdankt wurden.

Der zweite, öffentliche Teil der Generalversammlung legte den Fokus auf den grössten Kostenblock bei den Gesundheitsausgaben: Die Spitalkosten machen 40 Prozent der Kosten zu Lasten der Grundversicherung aus. Daher wagte santésuisse einen Blick über den Tellerrand und lud zwei Referenten aus zwei verschiedenen Ländern ein, um über die Erfahrungen in ihren Gesundheitssystemen zu berichten. Vergleich zweier Systeme

Peter Rowohlt von der Krankenversicherung DAK Hamburg legte in einem mit rhetorischen Finessen gespickten Referat die Vorteile des marktwirtschaftlich organisierten Spitalbereichs in Deutschland dar. Danach zeichnete Joanne Marcotte, Vizepräsidentin der Arbeitsgruppe zur Finanzierung des Gesundheitswesens in Quebec, das düstere Bild eines staatlichen Gesundheitssystems, in dem Rationierung und Wartelisten zum Alltag gehören und so Gesundheit und Leben der Patienten gefährden. Präsident Claude Ruey resümierte die beiden Vorträge und zog Schlussfolgerungen für die Schweiz: Die konkrete Analyse der Realitäten muss zum Schluss kommen, dass ein Mischsystem mit staatlichen und privatwirtschaftlichen Elementen flexibler ist als ein rein staatliches Gesundheitswesen. Die Versicherer sind bereit, im vom Eidg. Departement des Inneren initiierten Dialog nach realistischen Lösungen zu suchen. Gregor Patorski

17 | Gesundheitswesen 6/10


Um Bedenken zu zerstreuen, wird die Qualität vor und nach der Einführung von SwissDRG gemessen

Foto: Keystone

Fallpauschale und Qualität gehen Hand in Hand

Bereits heute werden in der Schweiz über 50 Prozent der stationären Spitalleistungen über DRG abgerechnet. Auch die Unfallversicherer verwenden seit längerem national DRG.

Die bevorstehende Einführung diagnosebezogener Fallpauschalen weckt Befürchtungen. Oft gehörte Stichworte in diesem Zusammenhang sind «Fehlversorgung», «blutige Entlassungen» und «Qualitätseinbussen». Entwarnung kommt aus Deutschland – und auch aus Teilen der Schweiz: Hier haben sich die Bedenken nicht bewahrheitet.

In Deutschland konnte nach der Einführung von G-DRG in keiner einzigen Studie eine schlechtere Qualität belegt werden. Im Gegenteil: Durch die stärkere Vergleichbarkeit und zunehmende Transparenz von Qualitätsmessungen wird mittelfristig wohl der Qualitätswettbewerb angekurbelt. Die gleichzeitige wirtschaftlich zwingende Fokussierung auf weniger Fachbereiche führt zudem zur Spezialisierung mit entsprechenden höheren Fallzahlen. Gleiches kann man auch in der Schweiz anführen: Bereits heute werden über 50 Prozent der stationären Spitalleistungen nach dem System APDRG abgerechnet, vor allem in der West- und Zentralschweiz. Bern und andere Kantone wenden DRG flächendeckend an. Dabei handelt es sich um eine leistungsorientierte Fallpauschale, welche einem strengen Tarifvergleich unterworfen wird und damit starkem wirtschaftlichem Druck ausgesetzt ist. Die betroffenen Spitäler würden den Vorwurf, sie würden den qualitativen

Anforderungen nicht länger entsprechen, mit Recht von sich weisen. Die Qualität der Spitäler wird gemessen

Um die befürchteten Auswirkungen zu vermeiden, müssen die Tarifpartner – also H+ und santésuisse – mit dem Genehmigungsgesuch an den Bundesrat einen gemeinsamen Vorschlag vorlegen. Dieser soll Instrumente und Mechanismen benennen, die dafür sorgen, dass im Rahmen der Tarifanwendung die Qualität gewährleistet bleibt. Die Tarifpartner haben den Nationalen Verein für Qualitätssicherung in den Kliniken und Spitälern (ANQ) beauftragt, ein entsprechendes Konzept vorzulegen, welches die Leistungsqualität in den Spitälern vor und nach der Einführung von SwissDRG messen soll. Der ANQ ist aus der Fusion der Nationalen Koordinationsstelle für Qualität (KIQ) und dem interkantonalen Verein für Qualitätssicherung in den Spitälern hervorgegangen. Mitglieder sind H+, santésuisse, MTK und sämtliche Kantone. Der ANQ soll die nationale Plattform der Schweiz für Qualitätsmessungen werden. Zu diesem Zweck haben die Experten des ANQ mehrere Messungen bestimmt, mit welchen die Qualität der stationären Leistungserbringung gemessen werden kann. Als Indikatoren werden bereits heute die nosokomialen Infektionen (Krankenhausinfektionen) nach dem System SwissNoso und

die Rehospitalisationen und Reoperationen mit SQLape gemessen. Weitere Messungen ergänzen dieses Indikatorenset. Die Experten sind kontinuierlich am Erarbeiten neuer geeigneter Messungen. Um die Leistungsqualität vor und nach Einführung von SwissDRG tatsächlich messen zu können ist es wichtig, dass sämtliche Schweizer Spitäler an den Messungen teilnehmen und ihre Resultate transparent machen. So kann gewährleistet werden, dass die neue leistungsorientierte Pauschale zu keiner Qualitätseinbusse führen wird. Messlatte für Tarife sind existierende Spitäler

Gemäss revidiertem Art. 49 KVG werden sich die Spitaltarife am Tarif jenes Spitals orientieren, welches die Leistung in der notwendigen Qualität effizient und günstig erbringt. Dies gilt nicht nur für nach SwissDRG abrechnende Spitäler, sondern auch für alle anderen Bereiche, also auch Psychiatrie, Rehabilitation und weitere. Diese Vorgabe macht klar, dass die Qualität künftig bei der Preisbildung wesentlich mitspielen wird. santésuisse begrüsst die Aktivitäten des ANQ und fordert von dessen Experten klare Definitionen zur «notwendigen Qualität». Diese ist sowohl für die Verhandler des Branchenverbandes als auch für die Kantone wichtig. Michael Rolaz

18 | Gesundheitswesen 6/10


Zur Zeit ist Managed Care in aller Munde – das Forum existiert bereits seit 20 Jahren

Grosse Erwartungen an die integrierte Versorgung Welche Verbesserungen es braucht, damit Managed Care zu einer schweizerischen Qualitätsnorm wird, diskutierten kürzlich Didier Burkhalter und weitere Exponenten am Jubiläums-Forum «20 Jahre Managed Care – Integration jetzt erst recht».

1990 wurde in Zürich die erste HMO der Schweiz gegründet und von viel Kritik begleitet! 20 Jahre danach hat sich Managed Care in der Schweiz etabliert: 2009 waren 900 000 Personen in einem der 88 auf die ganze Schweiz verteilten Ärztenetzwerke versichert, also einer von acht bis neun Versicherten. Beinahe 50 Prozent der Anbieter von medizinischen Leistungen gehören einem Netzwerk an, drei Viertel davon verwalten ihr Budget selbstverantwortlich. Welches sind die Erwartungen an die künftige integrierte Versorgung? Zentrale Rolle für den modernen Hausarzt

Gemeinschaftsaktion für mehr Effizienz und Qualität

Nikolai Dittli, CEO der Concordia, ruft alle Akteure dazu auf, sich für mehr Effizienz und Qualität einzusetzen. Die Prioritätenliste der Leistungserbringer sollte nach Dittli folgende fünf Punkte enthalten: Qualität und Transparenz entlang der ganzen Behandlungskette, ergebnisorientierte Gesundheitsleistungen, weniger unnötige Behandlungen, klare finanzielle Verantwortung und Teamwork. Die Versicherer wiederum müssen sich von der Konkurrenz abheben, indem sie vielfältige, qualitativ hochstehende Managed Care-Leistungen anbieten, die sich vor allem an chronisch kranke Personen richten. Die Patienten sollen sich von der Auffassung verabschieden, die Anzahl der Leistungen sei eine Garantie für Qualität. Zusätzlich müssen sie mehr Eigenverantwortung übernehmen und nicht direkt einen Spezialisten oder das Spital aufsuchen (ausser im Notfall). Dittli zufolge beruht der Erfolg von Mana-

ged Care jedoch vor allem auf der Vertragsfreiheit. Niemand dürfe gezwungen werden, sich für ein Managed CareModell zu entscheiden bzw. eines anzubieten: Im Vordergrund steht allein die Motivation und der gute Willen des Einzelnen. Förderung und vertikale Koordination

«Die Förderung von Managed Care und die Entwicklung der vertikalen Koordination der Leistungserbringer sind die Schlüssel zum Erfolg im Gesundheitswesen», sagt Didier Burkhalter. Trotz der zahlreichen noch ungeklärten Fragen zeigt sich der Bundesrat zuversichtlich. Vor allem spricht er sich zugunsten der laufenden KVG-Teilrevision aus, die, so Burkhalter, klare Regeln aufstelle, gleichzeitig aber den diversen Akteuren Spielraum lasse. Er macht jedoch darauf aufmerksam, dass Managed Care kein Allheilmittel sei, welches alle Probleme des Gesundheitswesens aus dem Weg räume. Dieses Modell ermögliche es aber, die Qualität und die Wirtschaftlichkeit der Gesundheitsleistungen im ambulanten Bereich zu verbessern. Alle Akteure seien daher aufgerufen dafür zu sorgen, dass sich bis 2015 60 Prozent der Versicherten für ein Netzwerk mit integrierter Versorgung entschliessen würden. Und mit einem Titelvorschlag für ein nächstes Symposium schliesst der Bundesrat optimistisch sein Referat: «30 Jahre Managed Care – geglückte und erfolgreiche Integration!» Matthias Schenker

Fotos: ZVG

Eröffnet wurde die Veranstaltung mit einem Referat von Kurt Kaspar, Verwaltungsratspräsident argomed Ärzte AG, Baden, der die Probleme im Zusammenhang mit der «Steuerung» der Managed Care-Angebote erörterte, welche auf allen Ebenen eine Intervention des Bundes vorsieht. Nach Kaspar ist es Sache des Bundes, Rahmenbedingungen festzulegen, und Sache der Versicherer und der Managed Care-Netzwerke, sich zusammenzuschliessen, um den Patienten und den Leistungserbringern beratend zur Seite zu stehen. Somit spielt der moderne Hausarzt bzw. Care Manager

künftig eine zentrale Rolle: Er hilft dem Patienten, einen auf dessen Bedürfnisse zugeschnittenen, neuen Krankenkassenvertrag zu wählen, sich im Dschungel des Leistungsangebots zurechtzufinden, und vor allem ist er die Anlaufstelle für dabei auftretende Probleme. Der moderne Hausarzt sei der Zement, der die losen Kettenglieder der Behandlung zusammenschweisse. Zum Schluss unterstreicht Kurt Kaspar die Vorteile des Ärztenetzes: attraktivere Arbeit, bessere Arbeitszeitaufteilung, bessere Entschädigung und höhere Qualität.

Kurt Kaspar (argomed), Bundesrat Didier Burkhalter und Nikolai Dittli (Concordia) sind sich einig: Managed Care verbessert Qualität und Wirtschaftlichkeit im ambulanten Bereich.

19 | Gesundheitswesen 6/10


Foto: Keystone

Monats Bild

Warum der Chef auf Yoga setzt Die US-Privatindustrie lässt sich die Gesundheit ihrer Mitarbeiter etwas kosten. Denn ungesunde und dicke Mitarbeiter kosten amerikanische Firmen jährlich 45 Milliarden Dollar, hat die NZZ kürzlich berichtet. Laut dem Artikel ködern viele Unternehmen ihre Angestellten mit Geld oder Gutschriften, um sie zu Sport und Schlankheitskuren zu animieren. Heute offeriert jede dritte Firma in den USA ihren Mitarbeitern Anreize, damit sich diese um ihre Gesundheit sorgen. Den Angestellten werden Cash, medizinische Abklärungen, Fitness- oder Abmagerungskurse sowie vergünstigte Krankenkassenprämien angeboten. Die Spitalkette Ohio Health initierte im letzten Jahr ein Walking-Programm mit der kostenlosen Abgabe von Schrittzählern (Pedometer) an ihre Mitarbeiter. Je mehr der Pedometer anzeigt, desto grösser der ausbezahlte Betrag – bis maximal 500 Dollar. Die Hälfte der 9000 Angestellten stieg auf das Angebot ein. Auch IBM fördert die Gesundheit aktiv und spart pro investierten Dollar drei Dollar. Die Faustregel ist einfach: je fitter die Mitarbeiter, desto niedriger die Arzt- und Spitalrechnungen. Was die Praxis zu bestätigen scheint, ist wissenschaftlich noch nicht belegt. Ebenfalls nicht untersucht wurde die Frage, welche Belohnung die Angestellten tatsächlich zum Sport treibt. Vielleicht ist es nicht das Geld, das lockt, sondern die Aussicht auf Schadenfreude, wenn dem Chef beim Sport die Luft ausgeht? Dass Schadenfreude das Belohnungszentrum unseres Gehirns aktiviert – das ist durch Studien belegt.

20 | Service 6/10


• Der Versicherer muss die Kosten für Leistungen auch bei Prämienausständen übernehmen.

Bisher sah das Gesetz vor, dass der Versicherer ab dem Zeitpunkt des Fortsetzungsbegehrens (im Betreibungsverfahren) die Übernahme der Kosten für Leistungen sistiert. Diese Leistungssistierung wurde aufgehoben. Der Versicherer hat die Prämien und Kostenbeteiligung wie bisher auf dem SchKG-Weg einzutreiben. Falls aus dem Betreibungsverfahren Verlustscheine oder vergleichbare Rechtstitel hervorgehen, so hat der zuständige Kanton dem Krankenversicherer 85 Prozent des im Verlustschein ausgewiesenen Betrags zu überweisen. • Ausnahme: Leistungssistierung auf Anordnung des Kantons

Gänzlich aufgehoben ist die Leistungssistierung jedoch nicht. Art. 64a Abs. 7 KVG sieht vor, dass der Kanton Personen, die ihrer Prämienpflicht nicht nachkommen, auf eine Liste setzt und die entsprechenden Personen dem zuständigen Krankenversicherer melden kann. Der Krankenversicherer ist in diesen Fällen verpflichtet, bei diesen Personen die Übernahme der Kosten für Leistungen zu sistieren, es sei denn, es handle sich um Notfallbehandlungen. • Prämienverbilligung geht direkt an den Versicherer

Art. 65 sieht neu vor, dass die Kantone die Prämienverbilligung direkt an den Krankenversicherer überweisen müssen. Die Meldungen der Kantone an die Versicherer müssen so frühzeitig erfolgen, dass der Versicherer die Prämienverbilligung bei der Prämienfakturierung berücksichtigen und somit die Nettoprämie in Rechnung stellen kann.

• Ausführungsverordnung notwendig

Damit diese Gesetzesbestimmungen umgesetzt werden können, müssen viele Fragen auf Verordnungsebene geklärt werden. In der Verordnung muss beispielsweise umschrieben werden, wie die Informationen vom Versicherer an den Kanton und vom Kanton an den Versicherer weitergegeben werden, welche Dokumente dem Verlustschein gleichgestellt werden und wie die Zahlungen der Kantone an die Versicherer zu erfolgen haben. Auch für die Abwicklung der Prämienverbilligung sind ausführliche Umsetzungsvorschriften erforderlich. santésuisse hat konkrete Umsetzungsvorschläge erarbeitet und hat diese dem BAG zur Kenntnis gebracht. • Übergangsbestimmung regelt Kostenübernahmen

In der Übergangsbestimmung ist geregelt, für welche Leistungen nach Inkrafttreten der Gesetzesänderung weiterhin die Kostenübernahme sistiert ist. Grundsätzlich bleiben bereits verhängte Leistungssistierungen bestehen, bis die ausstehenden Beträge zu 100 Prozent bezahlt sind. Bereits verhängte Leistungssistierungen beziehen sich jedoch nicht mehr auf Leistungen, die nach dem Inkrafttreten der Gesetzesrevision erbracht werden; diese müssen vom Versicherer immer übernommen werden. • Zwei Jahre Zeit für neues System der Prämienverbilligung

Der Bundesrat wird noch festlegen, wann die Gesetzesänderung in Kraft treten wird. santésuisse vermutet, dass dies per 1.1.2012 sein wird. Die Kantone haben nach Inkrafttreten der Gesetzesänderung zwei Jahre Zeit, das neue System der Prämienverbilligung einzuführen. Solange sie die Prämienverbilligung direkt an die versicherten Personen ausrichten, müssen sie anstatt 85 Prozent 87 Prozent der Verlustscheine übernehmen. Der revidierte Gesetzestext und ausführliche Erläuterungen finden Verbandsmitglieder unter www.santesuisse.ch – Service – Rundschreiben (18/2010) oder AS 2010 S. 2009

Foto: Prisma

Das Gesetz, das sich mit säumigen Prämierzahlern beschäftigt, wurde revidiert. Wann es in Kraft tritt, muss der Bundesrat noch festlegen. Welches sind die wichtigsten Neuerungen in der Revision Art. 64a und Art. 65 KVG?

Klipp klar

Kassen zahlen auch dann, wenn die Prämien ausstehen

21 | Service 6/10


Neun von zehn Erkrankten können die stationäre Psychiatrie nach einer einmaligen Krise wieder dauerhaft verlassen. Eine von zehn Personen befindet sich überdurchschnittlich lange oder oft in einer akutpsychiatrischen Klinik. Dies die Resultate von zwei Studien des Schweizerischen Gesundheitsobservatoriums. Ausgangspunkt der Studien war die grundsätzliche Frage, ob die Ressourcen in der Schweizer Psychiatrie adäquat verteilt werden. Gefahndet wurde dazu nach zwei Phänomenen: In der stationären Psychiatrie nach den sogenannten «Heavy User», d.h. Personen, die über die Zeit überdurchschnittlich viele Ressourcen beanspruchen. Andererseits nach dem «Drehtür-Effekt»: Hat die moderne Psychiatrie dazu geführt, dass Personen in instabilem psychischen Zustand aus der Klinik entlassen und nach kurzer Zeit wieder aufgenommen werden müssen? Fünf Prozent sind «Heavy User»

Bei 154 000 aktuell oder früher psychisch Erkrankten zeigte sich, dass fast 90 Prozent eine niedrige Ressourcennutzung – und damit keine Merkmale von «Heavy Use» – aufweisen. Neun von zehn Personen benötigten nach einer Krankheitsperiode mit einem oder zwei stationären Aufenthalten in der Psychiatrie über mehrere Jahre hinweg keine stationäre Behandlung mehr. Rund acht Prozent der jemals psychiatrisch Erkrankten hingegen hatten eine deutlich überdurchschnittliche Ressourcennutzung. Medizinische Aspekte, Alter und Geschlecht erklären dies fast in allen Fällen. Es

handelte sich bei fünf Prozent um Personen, die sehr oft oder gar dauerhaft psychiatrisch hospitalisiert waren. Weitere drei Prozent der untersuchten Patientinnen und Patienten mussten nach dem Aufenthalt in der Psychiatrie wegen einer chronischen körperlichen Erkrankung häufig ins somatische Akutspital eintreten. Ressourcen sind richtig verteilt

Um das «Drehtür-Phänomen» zu untersuchen, wurden die Daten von 185 000 Personen analysiert. Die Studie konnte einen positiven Trend über die Zeit nachweisen: Im Verlauf der vier untersuchten Jahre wurden die Abstände zwischen zwei Spitaleintritten merklich länger. Die Gründe dafür dürften beim Ausbau des ambulanten psychiatrischen Angebots, bei der verbesserten Wirksamkeit von Therapien und bei Veränderungen in der Zusammensetzung der Erkrankten liegen. Die zunehmenden Abstände zwischen Spitaleintritten und die Tatsache, dass die meisten Patientinnen und Patienten nach einer einmaligen Krise die Spitäler dauerhaft wieder verlassen, lassen den Schluss zu, dass die «Drehtüre» kein relevantes Phänomen in der stationären Psychiatrie der Schweiz ist. In beiden Untersuchungen konnten somit keine Anhaltspunkte gefunden werden, wonach das statio­näre akutpsychiatrische Angebot in der Schweiz bezüglich Häufigkeit und Dauer der Aufenthalte ina­däquat genutzt würde. Quelle: www.obsan.admin.ch

Foto: Prisma

Ser ice

Kein «Drehtür»-Effekt in der Psychiatrie

22 | Service 6/10


Die deutsche Regierung hat Reformpläne verabschiedet, die Anfang 2011 in Kraft treten sollen. Kernpunkt: Pharmaunternehmen müssen den Zusatznutzen eines neuen Medikaments künftig detailliert nachweisen, wenn sie staatlichen Preisvorschriften entgehen wollen. Zudem müssen sie den Preis solcher Medikamente neu mit den Krankenkassen aushandeln. Die Regierung legt die Axt dort ans System, wo es der Pharmaindustrie erlaubt ist, Preise für ihre neuen innovativen Arzneimittel selbst festzulegen. Man erhofft sich Einsparungen von zwei Milliarden im Jahr. Auch Frankreich und Italien wollen die Ausgaben im Gesundheitswesen senken. Frankreich will die Arzneimittelpreise um 100 Millionen Euro verringern, Italien hat Einsparungen von 1,35 Milliarden bei den Arzneimittelausgaben angekündigt. Dafür sollen die Preise von Generika bis Ende 2010 um 12,5 Prozent sinken und ab nächstem Jahr wird nur noch das günstigste Arzneimitteln bezahlt. (aim)

Auf den Hund gekommen… Eine Firma in der Steiermark (A) bringt laut eigener Meldung Krebsspürhunde auf den Markt. Die ausgebildeten Hunde hätten, so die Firma, beim Atemlufttest von Krebskranken über 93 Prozent richtig erschnüffelt. Nun sei eine günstige Methode zur KrebsFrüherkennung vorhanden. Ob im künftigen Preis wohl Hundefutter und Kotsäckchen mitgerechnet sind? (sis)

Der Europäische Ombudsman hat die ­Europäische Arzneimittel-Agentur (EMA) in London aufgerufen, Wissenschaftlern Zugang zu klinischen Berichten und Testprotokollen über zwei Medikamente gegen Fettleibigkeit zu gewähren. Zuvor hatten sich dänische Wissenschaftler aus dem Gesundheitsbereich beschwert. Sie wollten eine unabhängige Analyse durchführen, weil unausgewogene Berichte über Medikamenten-Tests verbreitet seien. EMA lehnte ihren Antrag auf Zugang zu den Dokumenten mit der Begründung ab, die Veröffentlichung würde die kommerziellen Interessen der Pharmaproduzenten beeinträchtigen. Die Wissenschaftler verteidigten ihre Ansicht mit dem Argument, dass das Wohl von Patienten über den Schutz kommerzieller Interessen der Pharmaindustrie gestellt werden müsse.

Die Europäische Arzneimittel-Agentur bewertet und überwacht Medikamente, die auf dem EU-Markt eingeführt werden, mit Blick auf den Schutz der öffentlichen Gesundheit. In dieser Funktion erhält sie von Pharmaproduzenten, die die Marktzulassung für bestimmte Medikamente beantragen, klinische Studien und Testprotokolle. Eine allfällige Weitergabe darf die kommerziellen Interessen der Industrie nicht verletzen. (aim) Foto: Prisma

Aus aller Welt Arzneimittel-Preise unter Druck

Medikamente gegen Fettleibigkeit dürfen nochmals geprüft werden

EMA muss kommerzielle Interessen schützen

Während seiner Untersuchung überprüfte der Ombudsman die betreffenden Berichte und Protokolle. Er kam zu dem Schluss, dass ihre Veröffentlichung keine kommerziellen Interessen beeinträchtigen würde. Der Ombudsman empfahl EMA, die Dokumente freizugeben oder überzeugende Argumente gegen eine Veröffentlichung darzulegen. EMA hat bis zum 31. August Zeit, eine begründete Stellungnahme einzureichen.

Veranstaltungen

Swiss eHealth Summit in der BEA Bern

Neue Spital- und Pflegefinanzierung

Am 24. und 25. August findet in der BEA Bern der Swiss eHealth Summit, die Schweizer Veranstaltung für ICT in Medizin und Gesundheitsversorgung, statt. Sie widmet sich umfassend dem Thema eHealth in den Kernprozessen des Gesundheitswesens. Die Konferenz des Summit richtet sich an Entscheidungsträger und Fachkräfte aus Medizin, Pflege, Spital, Versicherung und Behörden. In der Ausstellung mit rund 50 Ausstellern treffen sich die führenden Lösungsanbieter mit ihren Kunden. Den Teilnehmern bietet der Anlass Information und Networking in der Branche. www.ehealthsummit.ch

Am 26. August veranstaltet das Institut für Rechtswissenschaft und Rechtspraxis der Universität St. Gallen im Grand Casino Luzern eine Fachtagung zum Thema: Neue Spital- und Pflegefinanzierung ante portas: Praktische Herausforderungen bei der Umsetzung des revidierten Krankenversicherungsgesetzes (KVG). An der Tagung sollen vor allem Praktiker bei den Leistungserbringern, den Finanzierern und bei Amtsstellen zum Zuge kommen. Programm und Anmeldung unter www.irp.unisg.ch

23 | Service 6/10


sanitas compact one

Die günstige Krankenversicherung ohne Extras.

Sanitas Compact One ist unser neues, innovatives Krankenversicherungs-Produkt für clevere Leute. Für unser Compact Center in Bern suchen wir ab sofort oder nach Vereinbarung eine/n kompetente/n

Leistungscontroller/in (100%) Du übernimmst selbstständig die Leistungskontrolle und stellst die Triage von Rechnungen sicher. Dabei überprüfst du die Leistungspflicht nach medizinischen, gesetzlichen und tariflichen Kriterien. Ausserdem beurteilst du komplexe Geschäftsfälle und bist Ansprechperson für unsere Versicherten. Mit den Leistungserbringern arbeitest du aktiv zusammen. Künftig wirst du für die fachliche und personelle Führung eines Teams zuständig sein. Dabei stellst du sicher, dass die definierten Qualitätsstandards eingehalten werden und optimierst teaminterne Abläufe. Du zeichnest dich durch Selbstständigkeit, Verantwortungsbewusstsein sowie eine speditive und genaue Arbeitsweise aus. Du hast mehrere Jahre bei einer Kranken- oder Sozialversicherung gearbeitet und konntest dir ein sehr gutes Fachwissen im Leistungsbereich aneignen. Idealerweise bringst du bereits Führungserfahrung mit. Eine medizinische Ausbildung sowie sehr gute Sprachkenntnisse in Deutsch und Französisch setzen wir voraus.

Wir, eine gesamtschweizerisch tätige Krankenund Unfallversicherung, suchen per sofort oder nach Vereinbarung in Zürich eine/n

Leiter/in Leistungen 100% Ihre Aufgaben: • Führung der Abteilung Leistungen • Planung, Organisation und laufende Optimierung der Abläufe • Medizinische Fallbeurteilungen • Leistungsentscheide • Bearbeitung von Spezialfällen • Zuständig für die Verhandlung von Verträgen im Leistungsbereich der GALENOS Kranken- und Unfallversicherung • EDV-Koordination für Leistungsarten und Zahlstellen der Leistungserbringer • Entwicklung und Aufbau der elektronischen Rechnungsverarbeitung Sie denken unternehmerisch, sind kommunikativ und teamfähig. Sie bringen eine fundierte kaufmännische Ausbildung mit und haben eine Weiterbildung im Bereich Sozialversicherung abgeschlossen. Sie verfügen über sehr gute EDV-Kenntnisse und medizinisches Know-how sowie über mehrjährige praktische Erfahrung im Leistungs- oder Tarifbereich der Krankenversicherung. Sie zeichnen sich aus durch Verhandlungsgeschick und die Fähigkeit, Ihre Mitarbeitenden zu motivieren. Entsprechende Führungserfahrung und sehr gute Deutschkenntnisse sind unabdingbar, gute Französischkenntnisse runden Ihr Profil ab.

Wir bieten dir eine interessante, vielseitige Tätigkeit, einen modernen Arbeitsplatz in der Stadt Bern und ein junges, motiviertes Team.

Wir bieten Ihnen einen attraktiven Arbeitsplatz im Herzen von Zürich mit fortschrittlichen Anstellungsbedingungen.

Interessiert? Dann schicke bitte deinen Motivationsbrief, CV und Zeugniskopien an beatrice.knopf@sanitas.com

Haben wir Ihr Interesse geweckt? Dann freuen wir uns auf Ihre vollständigen Bewerbungsunterlagen. Senden Sie diese bitte an:

Fragen? Dann melde dich bei Frau Stephanie Wyler unter Tel.-Nr. 031 387 58 02 Wir freuen uns, von dir zu hören!

GALENOS Kranken- und Unfallversicherung Herr Emmanuel Champredonde Militärstrasse 36 / PF 8021 Zürich Tel. 044 245 88 31 echampredonde@galenos.ch


Turn static files into dynamic content formats.

Create a flipbook
Issuu converts static files into: digital portfolios, online yearbooks, online catalogs, digital photo albums and more. Sign up and create your flipbook.