infosantésuisse Nr.4/2005 deutsch

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infosantésuisse Magazin der Schweizer Krankenversicherer Nr. 4, April 2005

Wie Prämienzahlende und Patienten von der Arbeit des SVK profitieren Seite 12

Im Gespräch: Monika Dusong, Gesundheitsdirektorin von Neuenburg Seite 18

IM VISIER:

Gesundheitsförderung und Prävention


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INHALT infosantésuisse 4 / 05

SCHWERPUNKT 4

Aufsehen erregende Forschungsresultate an der Tagung für betriebliche Gesundheitsförderung in Bern 6 Im Gespräch: Patricia Berger, Projektleiterin Betriebliche Gesundheitsförderung Helsana 8 Nationale Präventionskampagne der Krebsliga: Mit gesundem Lebensstil gegen Darmkrebs 10 Im Gespräch: Barbara Etienne, Leiterin der Fachstelle für Gesundheitsförderung und Prävention von Ob- und Nidwalden

KRANKENVERSICHERER

seco-Tagung: Das Individuum in den Mittelpunkt stellen Seite 4

12 Prämienzahlende und Patienten profitieren von der Arbeit des SVK 14 Offenes Verhandeln nach dem Harvard-Konzept: Intensiv-Seminar für santésuisse-Mitarbeiter

GESUNDHEITSWESEN 16 KVG-Reform: Nach den dringlichen Fragen warten die heissen Eisen 18 Im Gespräch: Monika Dusong, Gesundheitsdirektorin des Kantons Neuenburg 20 Luzerner Trendtage Gesundheit: Im Spannungsfeld zwischen Machbarkeit und Ethik 22 Mammografie-Screening: Wer bezahlt? 23 Nationales Krebsprogramm: Prävention ist entscheidend

INFO Service 24 24 24 25 25

Im Gespräch: Barbara Etienne, Leiterin Gesundheitsförderung Ob- und Nidwalden Seite 10

Studien auf www.santesuisse.ch Nationale Kampagne zur Allergie-Prävention Erfreuliche Jahresabschlüsse bei den zwei grössten Krankenversicherern Veranstaltungskalender Neu in infosantésuisse: Mr Raouls Schlusspunkt Klipp und Klar

26 Neue Regelung im Inkontinenzhilfenbereich 26 Dauerrezepte im MiGeL-Bereich

KVG-Reform: Nach den dringenden Fragen kommen die heissen Eisen Seite 16

Nr. 4, April 2005 Erscheint zehnmal jährlich

Layout: Henriette Lux

Abonnementspreis: Fr. 69.− pro Jahr, Einzelnummer Fr. 10.−

Anzeigenverwaltung: Alle Inserate − auch Stelleninserate − sind zu richten an: «infosantésuisse», Römerstrasse 20, Postfach, 4502 Solothurn

Herausgeber und Administration: santésuisse, Die Schweizer Krankenversicherer, Römerstrasse 20, Postfach, 4502 Solothurn Verantwortliche Redaktion: Peter Kraft, Abteilung Politik und Kommunikation, Postfach, 4502 Solothurn, Tel. 032 625 42 83, Fax 032 625 42 70

E-Mail: shop@santesuisse.ch Abonnementsverwaltung: Tel. 032 625 42 74, Fax 032 625 42 70

E-Mail: redaktion@santesuisse.ch

Homepage: www.santesuisse.ch

Herstellung: Vogt-Schild/Habegger Medien AG, Zuchwilerstrasse 21, 4502 Solothurn

Titelbild: Heiner Grieder, Langenbruck ISSN 1660-7228


EDITORIAL

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Ja zur Gesundheitsförderung, aber koordiniert

R Manfred Manser Vizepräsident santésuisse

egelmässig körperlich in Bewegung zu sein, ist eine ausgezeichnete Quelle für Wohlbefinden und Gesundheit. Es bestehen aber auch weiter reichende Zusammenhänge zwischen körperlicher Aktivität, allgemeinem Gesundheitsbewusstsein und Gesundheitsverhalten: Personen, die kaum auf eine gesunde Ernährung achten, bewegen sich weniger als solche, die Grundsätze aus der Ernährungslehre beherzigen. Personen mit aktivem Lebensstil sind im Schnitt gesünder. Gründe genug, dass das Thema Bewegung zentrale Bedeutung für Prävention und Gesundheitsförderung hat. Gründe genug auch, dass Helsana «gesunde Ideen» ganz konkret fördert. Wir unterstützen alle, die regelmässig aktiv sind, und geben jenen, die noch nicht von einem aktiven Lebensstil profitieren, Gelegenheit, gesunde Bewegung kennen zu lernen und ihre Inaktivität aufzugeben. Beispielsweise auf einem der Helsana swiss running walking trails. Bereits gibt es dreissig solche in der ganzen Schweiz. Und Monat für Monat kommen weitere dazu. Wir sagen also nicht nur klar Ja zur Gesundheitsförderung, sondern vermitteln auch entsprechende Möglichkeiten. Wir wollen auch inskünftig direkt den Versicherten wie auch weiteren Interessierten die Möglichkeit geben, Gesundheitsförderung eigenverantwortlich zu betreiben.

Gerade auch deshalb plädieren die Krankenversicherer dafür, dass an die Stelle des heutigen Wildwuchses in der Präventionslandschaft ein koordiniertes Vorgehen tritt. Die Kompetenzen sollen endlich klar zwischen Bund, Kantonen, Gesundheitsförderung Schweiz und Versicherern definiert werden. Dabei sind nicht mehr Mittel einzusetzen, sondern die vorhandenen effizienter. Im Rahmen dieser Neuausrichtung der Gesundheitsförderung werden wir uns dafür engagieren, dass die Stellung der Versicherer nicht nur gewahrt, sondern gegenüber heute gestärkt wird. Erstens weil die Versicherer – zusammen mit der an Gesundheitsförderung interessierten Öffentlichkeit – ein unmittelbares Interesse an attraktiven Angeboten haben, zweitens weil die Versicherer direkt mit den «Benutzern» der Programme in Kontakt stehen und drittens weil sie den grössten Teil der Mittel für die Gesundheitsförderung bei den Versicherten einziehen und deshalb ihren Kunden für die Verwendung der Mittel eigentlich verantwortlich sein sollten.


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SCHWERPUNKT infosantésuisse 4 / 05

Nationale Tagung für Betriebliche Gesundheitsförderung an der Universität Bern

Der Einzelne muss im Zentrum stehen Der Lehrstuhl für Arbeits- und Organisationspsychologie der Universität Bern und das Staatssekretariat für Wirtschaft seco luden am 16. März zur Nationalen Tagung für Betriebliche Gesundheitsförderung in die Universität Bern. Der Titel der Tagung lautete «40 plus – Gesundheit und Erfahrung als betriebliches Potenzial. Hochkarätige Referenten aus Wissenschaft und Wirtschaft betonten dabei fast unisono die grosse Bedeutung der betrieblichen Gesundheitsförderung – allen voran für ältere Mitarbeiter. Sie liessen es dabei nicht bei Lippenbekenntnissen bewenden, sondern präsentierten Aufsehen erregende Resultate ihrer Forschungen und Untersuchungen.

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er Andrang für den Anlass war dermassen gross, dass nicht alle Teilnehmer in der Aula der Universität untergebracht werden konnten. Ein guter Teil von ihnen verfolgte die Tagung per Video-Übertragung in einem anderen Auditorium. Norbert Semmer, Professor für Arbeitsund Organisationspsychologie an der Universität Bern, präsentierte in seiner Eröffnungsrede eine Erkenntnis aus den USA, die aufhorchen lässt: Bis zu 15 Jahre beträgt die Spannweite der Zellalterung, die nicht biologisch, sondern durch die Lebensumstände des Menschen bestimmt ist. Verhalten und Verhältnisse des einzelnen können also dazu führen, dass sich das biologische Lebensalter massiv vom chronologischen unterscheidet – im positiven wie im negativen Sinn. Auch die beiden anderen Einführungsredner, Michael Kohlbacher von Gesundheitsförderung Schweiz und Joseph A. Weiss vom seco betonten die Wichtigkeit der individuellen Lebensumstände für die Gesundheit – und die bedeutende Rolle der Arbeit dabei.

körperlicher Beanspruchung und bei Menschen mit tieferem Bildungsniveau massiv höher. Gesamthaft leiden 27 Prozent der Männer und 14 Prozent der Frauen, die sich frühzeitig pensionieren lassen, an Invalidität, wobei nicht selten psychische Leiden die Ursache sind. Maggie Graf konnte sich in ihrem Fazit einen Seitenhieb auf «gewisse Bundesräte» nicht verkneifen. Statt das Rentenalter zu erhöhen, müsse gezielt Gesundheitsförderung am Arbeitsplatz betrieben werden, vor allem bei älteren Mitarbeitern und in Branchen mit hoher Invaliditätsrate. So müssten etwa Bauarbeiter die Möglichkeit erhalten, ab einem gewissen Alter Umschulungen auf andere, weniger kräftezehrende Tätigkeiten zu absolvieren.

Gesundheitsförderung bei älteren Mitarbeitenden Dr. Martina Morschhäuser, wissenschaftliche Mitarbeiterin am Institut für Sozialforschung und Sozialwirtschaft in Saarbrücken, stellte die Resultate ihrer Vorrednerin in einen europäischen Zusammenhang. Die Zahlen der Schweiz liegen insgesamt im Rahmen der EU – mit der Ausnahme, dass die Schweiz die über 60Jährigen besser im Arbeitsprozess zu halten vermag. Eine interessante Zusatzinformation war, dass die älteren Mitarbeiter sich nicht häufiger krank melden als die jüngeren, sondern pro Fall deutlich länger abwesend sind. Ähnliche Zahlen, ähnliches Fazit: Auch Martina Morschhäuser forderte eine gezielte betriebliche Gesundheitsförderung für ältere Mitarbeiter. Negative Faktoren – wie Schichtarbeit, körperliche Fehlbeanspruchung, Stress oder Umweltbelastungen – müssten minimiert, positive Faktoren – wie die Stärkung von Gesundheitsressourcen oder eine begrenzte Verweildauer an körperlich oder psychisch anstrengenden Stellen - hingegen gefördert werden.

Demografie, Arbeit und Gesundheit Maggie Graf, Ressortleiterin Grundlagen Arbeit und Gesundheit beim seco, legte die statistischen Zusammenhänge zwischen diesen drei Begriffen eindrücklich dar. Zum einen prognostiziert sie einen Anstieg der älteren Bevölkerung – wenn auch nicht so dramatisch wie zuweilen dargestellt. Zum anderen zeigte sie auf, dass die Rate der Erwerbstätigkeit bereits ab 60 Jahren rapide zurückgeht. Maggie Graf präsentierte auch frappante Unterschiede zwischen einzelnen Branchen. Der Anteil der IV-Bezüger ist nicht nur im Alter, sondern auch in Branchen mit hoher

Arbeit als Ressource für die Gesundheit

Die Tagungsteilnehmer versammeln sich vor dem Hauptgebäude der Uni Bern.

Dr. Hans Kernen, der ein eigenes Beratungsunternehmen für Unternehmensentwicklung und betriebliche Gesundheitsförderung innehat, stellte einen Gesundheitsbegriff vor, der sich nicht nur an der Unterscheidung «gesund–krank» orientiert, sondern Gesundheit als wachsendes Potenzial versteht, das stetig erweiterbar ist. Die Arbeit ist so nicht nur ein Risikofaktor, der möglichst nicht krank machen soll, sondern auch möglicher Quell einer verbesserten Gesundheit. Diese Res-


SCHWERPUNKT

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Fotos: Peter Kraft

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Wegen des grossen Andrangs verfolgten viele die Tagung per Videoübertragung.

sourcen sind in unzähligen Bereichen zu finden, von einem flexiblen Arbeitszeitmodell über die Wertschätzung der Vorgesetzten bis hin zu den Verpflegungsmöglichkeiten. Hans Kernen stellte ein Instrument vor, mit dem Unternehmen aus der unüberschaubaren Vielfalt die für sie geeignetsten Ressourcen zur Förderung von Gesundheit und Leistungserbringung auswählen und ihre Wirkung und Umsetzung messen können. Im kommenden Mai wird er seine Erkenntnisse in Buchform veröffentlichen.

50+santé: Westschweizer Kantone spannen zusammen Prof. Dr. med. Jaques A. Bury, Leiter des kantonsübergreifenden Gesundheitsförderungsprogramms der Westschweizer Sanitätsdirektoren für Menschen über 50, präsentierte die ersten Erfahrungen mit 50+santé. Nachdem in intensiven Expertengesprächen die Schwerpunkte des Programms bestimmt und die Bedürfnisse der Zielgruppe evaluiert wurden, startete die Aktion Anfang Juli 2004. Bereits sind diverse Projekte am Laufen, etwa zum Abbau von Schwierigkeiten bei der Arbeit, bei dem vier kantonale Verwaltungen mitmachen. Ausserdem werden Untersuchungen und Handlungsempfehlungen für die Bereiche Arbeitslosigkeit, Vorbereitung auf das Rentenalter, gesundheitsförderndes Arbeitsumfeld sowie Möglichkeiten auf der Ebene der Gesetzgebung erarbeitet.

Eine der Herausforderungen für die Zukunft ist laut Jaques A. Bury, die Pilotprojekte auch tatsächlich in der Arbeitswelt breit einzuführen.

Arbeitsfähigkeitsindex: Eine Zahl mit prophetischen Eigenschaften? Professor Juhani Ilmarinen vom finnischen Institut für Arbeitsmedizin präsentierte mit dem von seinem Team entwickelten Arbeitsfähigkeitsindex eine Zahl von enormer Tragweite und Aussagefähigkeit. Er ist definiert durch die Fähigkeit einer Person, ihre berufliche Tätigkeit zum eigenen Erfolg und zu jenem des Unternehmens auszuführen. Er setzt sich aus sieben Faktoren zusammen, von denen Ilmarinen die Beeinträchtigung durch körperliche und psychische Leiden sowie die eigene Einschätzung der Arbeitsfähigkeit als die wichtigsten bezeichnet. Seine These: Der Arbeitnehmer weiss in der Regel selber am besten über seine Arbeitsfähigkeit Bescheid. Ilmarinen teilt die Arbeitsfähigkeit in vier Stufen von schlecht bis ausgezeichnet ein und fordert für jeden Grad spezifische Massnahmen: Die Arbeitsfähigkeit auf hohem Niveau zu erhalten oder eine völlig verloren gegangene Arbeitsfähigkeit wieder herzustellen, sind verschiedene paar Schuhe. Ilmarinen postulierte, dass mit gezielter Steuerung die Abnahme der Arbeitsfähigkeit mit dem Alter, die im Durchschnitt zu beobachten ist, abgeschwächt werden könne. Warum die Verbesserung der Ar-

beitsfähigkeit durch Unternehmen unbedingt anzustreben ist, illustrierte der Finne durch zwei eindrückliche Beispiele: • Allein durch die Hebung des Arbeitsfähigkeitsindex auf die zweitniedrigste Stufe sinken die absenzbedingten Kosten um das Dreifache, bei der Steigerung auf die höchste Ebene beträgt der Faktor 15. Ilmarinens Erfahrungen mit Firmen, die entsprechende Massnahmen durchführten: Den investierten Kosten standen Einsparungen in dreibis zwanzigfacher Höhe gegenüber. • Eine Untersuchung Ilamrinens zeigt: Von jenen Personen, die 1981 auf der höchsten Stufe der Arbeitsfähigkeit standen, waren 1992 um die zwei Prozent tot. Von den Menschen auf der niedrigsten Stufe der Arbeitsfähigkeit verstarben in der gleichen Zeit weit über zehn Prozent. Diese Zahlen bedürfen keines Kommentars mehr. Juani Ilmarinen empfiehlt den Unternehmen, den Arbeitsfähigkeitsindex mit erhöhtem Alter der Mitarbeiter häufiger zu messen. Bei Mitarbeitern über 50 Jahren sollte dies alle zwei Jahre der Fall sein.

Fazit: Betriebliche Gesundheitsförderung als Teil der Organisationsentwicklung Prof. Dr. Eberhard Ulrich, Leiter des Instituts für Arbeitsforschung und Organisationsberatung, betonte in seinem Schlusswort, dass 70 Prozent der Wertschöpfung auf die menschliche Arbeitskraft zurückgehe. Er fasste die zentralen Ergebnisse der Tagung in zehn Punkten zusammen. Eine Auswahl: • Die Wertschätzung des Mitarbeiters durch die Vorgesetzten ist zentrales Element der betrieblichen Gesundheitsförderung. • Nicht der statistische Mittelwert muss im Mittelpunkt stehen, sondern die Probleme und Besonderheiten des Einzelnen (Case Management). • Betriebliche Gesundheitsförderung ist dermassen vielfältig, dass man sie als Gesundheitsmanagement und Teil der Organisationsentwicklung betrachten muss. Ulrich schloss mit der Forderung, die betriebliche Gesundheitsförderung müsse wegen ihrer zentralen Rolle in die Bewertungen von Unternehmen – etwa durch Kreditinstitute – mit einbezogen werden. Peter Kraft


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SCHWERPUNKT infosantésuisse 4 / 05

Im Gespräch: Patricia Berger, Projektleitung Betriebliche Gesundheitsförderung (BGF) Helsana

Die richtigen Partner zusammenbringen

Foto: Peter Kraft

Sinnvolle, modular aufgebaute Präventionsangebote stehen seit vergangenem Herbst im Zentrum der Betrieblichen Gesundheitsförderung von Helsana. Mit der Vermittlung der entsprechend qualifizierten Anbieter verhilft Helsana ihren Firmenkunden zu massgeschneiderten Lösungen und fördert gleichzeitig die Hilfe zur Selbsthilfe

Patricia Berger, Projektleiterin Betriebliche Gesundheitsförderung der Helsana.

infosantésuisse: Patricia Berger, Sie sind für die «Betriebliche Gesundheitsförderung» bei Helsana verantwortlich. Nehmen wir an, ein Firmenkunde mit grossen Taggeldbezügen klopft bei Ihnen an und klagt über zu viele Absenzen. Wie stehen Sie ihm bei? Patricia Berger: Zuerst finden wir heraus, ob das Absenzverhalten der Mitarbeitenden mit Daten belegt ist oder nicht. Verfügt der Kunde also bereits über ein Absenzenmanagement-System? Wenn nicht, bieten wir ein solches an. Auch das Rückkehrgespräch für Mitarbeiter ist Teil davon. Das Absenzenmanagement-System stellen wir gratis zur Verfügung, so dass der Kunde ein Mittel hat, um rückblickend die Situation zu analysieren. Quasi als Fernrohr in die bessere Zukunft bieten wir dann unsere Betriebliche Gesundheitsförderung an. Dabei handelt es sich um eine Liste mit ausgewählten qualifizierten Kooperationspartnern aus dem Präventions-

bereich, die wir unseren Firmenkunden je nach Bedürfnis vermitteln. Oft sind die Kunden ja sehr klar orientiert und wissen, wir haben ein ergonomisches Problem, schlechte Lichteinflüsse oder Ähnliches. Wir versuchen, den Anspruch des Kunden zu befriedigen, indem wir ihm einen Partner aus dem entsprechenden Bereich vermitteln.

Liste. Auf Grund der Themenvielfalt ergab es sich von selbst, das Angebot modular zu gestalten.

Sie vermitteln also Kontakte, nicht fertige Lösungen: Welche Überlegung steckt dahinter? Das ursprüngliche Konzept war, ein internes Beratungsinstitut aufzubauen. Nach detaillierten Marktabklärungen kam man jedoch zum Schluss, dass die Kunden im Moment nicht bereit sind, die hohen Initialkosten, welche dieser Ansatz automatisch ausgelöst hätte, zu tragen. Das Thema ist zwar aktuell und häufig diskutiert, aber niemand ist wirklich bereit, in etwas zu investieren, was quasi aufdiktiert wird. Auf Grund dieser Tatsache haben wir die Bedürfnisse unserer Firmenkunden genau abgeklärt und überlegt, was wir anbieten sollen. Da es im Bereich Prävention und Gesundheitsförderung genügend Fachkräfte gibt, haben wir uns für die Vermittlerrolle entschieden. Wir bringen den qualifizierten Anbieter zum Nachfrager und umgekehrt. Wenn sich unser Kunde für eine Massnahme im Rahmen der betrieblichen Gesundheitsförderung entscheidet, dann werden die Kosten dafür von ihm getragen.

Wie kommen Sie zu Ihren externen Beratern? Wir haben zusammen mit unseren Gesundheitsmanagement-Spezialisten einen Fragebogen erarbeitet und diesen an verschiedene Anbieter verschickt. Die ausgefüllten Bogen haben wir beurteilt und die einzelnen Fachleute, die in Frage gekommen sind, zu einem Gespräch eingeladen. Der persönliche Kontakt mit unseren Partnern ist uns wichtig; einerseits, um ihre Methodik kennen zu lernen, anderseits, damit sie weitere Erläuterungen abgeben können. Pro Themenmodul haben wir dann drei Anbieter ausgewählt.

Steckt hinter den Kontakten, die Sie vermitteln, ein bestimmtes Programm? Unser Fokus liegt auf den Modulen Ernährung – Stress / Ressourcenmanagement – Wirbelsäulenprävention /Ergonomie, da dies nach wie vor die Themen sind, bei welchen die grösste Nachfrage herrscht. Auf Anfrage haben wir auch Anbieter für die Bereiche Suchtprävention und Bewegung/Herz-Kreislauf auf unserer

«Da es im Bereich Prävention und Gesundheitsförderung genügend Fachkräfte gibt, haben wir uns für die Vermittlerrolle entschieden.»

Werden diese Berater auch regelmässig überprüft? Oder wie sichern Sie die Qualität?

Zur Person Die gebürtige Solothurnerin Patricia Berger (32) absolvierte ursprünglich eine Grundausbildung im medizinischen Bereich, bildete sich in kaufmännischer und betriebswirtschaftlicher Hinsicht weiter und ist seit 2003 Betriebswirtschafterin HF. Nachdem sie bereits 1995 bis 2000 im Privatkundenbereich bei Helsana tätig war, kehrte sie nach verschiedenen Tätigkeiten in der Privatwirtschaft im Oktober 2003 zu Helsana zurück. Im Bereich Firmenkunden zeichnet sie heute für das Projekt «Betriebliche Gesundheitsförderung» verantwortlich.


SCHWERPUNKT

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Foto: Caesar Perrig

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Helsana vermittelt ihren Firmenkunden Fachkräfte für die betriebliche Gesundheitsförderung.

Wir haben die Module erst im vergangenen Oktober eingeführt und vereinbart, dass wir im kommenden Sommer eine erste Bilanz ziehen. Einerseits werden die Anbieter zu Verlauf und Resonanz befragt. Anderseits fragen wir auch bei unseren Kunden nach, wie sie das Vorgehen des Kooperationspartners und das von Helsana empfunden haben. Ziel ist es, Verbesserungspotenzial auszuloten und das Angebot entsprechend zu optimieren. Wie ist die Resonanz bisher? Nach der ersten Publikation des Angebots in unserem Business-Magazin helsana.com war vor allem im Tessin und in der Romandie ein sehr grosses Interesse zu spüren. In der deutschen Schweiz scheint der Zugang zu den Firmen eher schwierig. Hier muss der Versicherer aktiv werden, während in den anderen Regionen die Firmen auf uns zukommen. Es wurden einige erste Kontakte hergestellt. Genauere Informationen haben wir zurzeit noch nicht.

Sie haben zu Beginn physikalische Einflüsse genannt, die auf das Wohlbefinden der Mitarbeitenden wirken können. Wie steht es, wenn einfach das Betriebsklima schlecht ist?

«Es dürfen bei den Mitarbeitenden keine Erwartungen geweckt werden, die dann nicht erfüllt werden können.» In diesem Fall empfehlen wir, dass die Firma durch einen unserer Partner ganz grundsätzlich, zum Beispiel mit einer Mitarbeitendenbefragung, unter die Lupe genommen wird. Wichtig ist bei einer solchen Massnahme immer der Top-downProzess. Das Commitment des Managements muss vorhanden sein. Es dürfen bei den Mitarbeitenden keine Erwartungen geweckt werden, die dann nicht erfüllt werden können. Den Versicherern wird oft unterstellt, alles was sie im Bereich Gesundheitsförderung und Prävention machen, sei reines Marketing. Wie stellt sich Helsana dazu?

Was heisst denn Marketing? Marketing ist das Ausrichten des Unternehmens auf die Bedürfnisse seiner Kunden. Somit ist klar: Alles was wir machen ist Marketing. Wir gehen auf die Bedürfnisse unserer Kunden ein und versuchen, diese möglichst gut zufrieden zu stellen. Haben Sie Angst, mit einem bestimmten Angebot die «falsche Kundschaft» anzuziehen? Nein. Denn darauf haben wir bereits bei der Konzeptionierung geschaut. Bewusst haben wir unser Angebot von Prämienvergünstigungen oder anderen finanziellen Anreizen abgekoppelt. Appelliert wird an das langfristige Denken unserer Firmenkunden. Wir bieten Hand zu Lösungswegen; dadurch, dass der Kunde die Kosten selber trägt, befassen sie sich automatisch intensiver mit dem Thema. Sicher gab es die Erwartung, man müsse die Beratung gratis anbieten. Wir Projektverantwortlichen sind aber überzeugt, dass das die falsche Ausrichtung gewesen wäre. Kurzfristiges Denken ist beim Thema betriebliche Gesundheitsförderung nicht angebracht. Interview: Ursula Vogt


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Nationale Präventionskampagne: «Darmkrebs nie?»

Gesunder Lebensstil: Die beste Waffe gegen Darmkrebs Die Krebsliga Schweiz (KLS) hat am 1. März eine nationale Kampagne zur Prävention von Darmkrebs lanciert. «Darmkrebs nie?» wird in der ganzen Schweiz durchgeführt und von zahlreichen Partnern – unter anderen durch santésuisse – unterstützt. Schwerpunktthema der diesjährigen Kampagne ist die Verminderung des Risikos durch einen gesunden Lebensstil.

J

ährlich werden in der Schweiz rund 3700 Menschen mit dem Befund Darmkrebs konfrontiert. Mehr als die Hälfte weist bei der Diagnose bereits ein fortgeschrittenes Tumorstadium auf, Ableger befinden sich bereits in den Lymphdrüsen oder in anderen Organen. Darmkrebs steht bei den Todesursachen durch Krebs an dritter Stelle, wobei Männer häufiger betroffen sind als Frauen.

Was will «Darmkrebs nie?»? Einerseits gibt die Kampagne «Darmkrebs nie?» Tipps zur Vorbeugung und einen Überblick über mögliche Entstehungsgründe von Darmkrebs. Andererseits zeigt sie die Risikofaktoren und die verschiedenen Untersuchungsmethoden auf. Kurzfristiges Ziel der Kampagne ist es, die Bevölke-

rung zu sensibilisieren – längerfristig wird die Senkung der Anzahl Neuerkrankungen und durch frühes Erkennen der Symptome auch die der Mortalität angestrebt. Im Zentrum der diesjährigen Kampagne steht ein gesunder Lebensstil. Es ist wissenschaftlich erwiesen, dass mit einer ausgewogenen Ernährung und mit genügend Bewegung das Darmkrebsrisiko verringert werden kann. Mit dieser Botschaft wird die ganze Bevölkerung angesprochen, denn eine gute Darmkrebsprävention beginnt bereits früh im Leben. Das Darmkrebsrisiko ist nicht für alle gleich gross. Ein Info-Faltblatt mit Fragebogen hilft, die individuelle Gefährdung abzuschätzen und zeigt auf, bei welchen Symptomen der Arzt oder Apotheker aufgesucht werden soll. Die Broschüre «Darm-

krebs nie?» liefert weiterführende, umfassende Informationen zu allen Aspekten des Themas. Zusätzlich stehen interessierten Personen, Firmen, Krankenhäusern, Arztpraxen und Apotheken dreisprachig bedrucktes Toilettenpapier sowie Plakate, Displays und Schaufensterdekorationen zur Verfügung.1 Die kantonalen Krebsligen organisieren Vorträge und führen verschiedene Veranstaltungen zum Thema durch. Viele Apotheken und Ärzte in der ganzen Schweiz unterstützen die Kampagne. Sie können konkrete Tipps und Informationen zu Risikosituationen, Schutzfunktionen und Symptomen geben. Zudem beteiligen sich Firmen und bieten ihren Mitarbeitern verschiedene Aktivitäten und die wichtigsten Informationen an.

Drei Fragen an Dr. med. Reto Guetg, Vertrauensarzt von santésuisse Was ist Darmkrebs und wie entsteht er? Darmkrebs ist eine Entartung von Zellen in der Schleimhaut vor allem des Dickdarms. Wenn sich die Zellen auf der Darmschleimhaut zu schnell vermehren, werden es zu viele, um auf der Fläche Platz zu finden. Deshalb wuchern sie aus der Schleimhaut heraus und bilden pilzartige Gebilde, so genannte Polypen. Ein Teil dieser Polypen entartet und bildet dann bösartige Geschwüre. Deren Zellen folgen nicht mehr einem übergeordneten Regelsystem. Sie werden zu Krebszellen. Wenn sie die Darmwand durchbrechen, können diese Krebszellen beispielsweise über das Lymphsystem im Körper verbreitet werden und Ableger (so genannte Metastasen) bilden. Darmkrebs tritt vor allem in der zweiten Lebenshälfte auf. Männer sind etwas häufiger betroffen als Frauen. Der Verlauf der Krankheit ist langsam, und heimtückischerweise treten lange keine Symptome auf. Allerdings ist Darmkrebs zu einem hohen Prozentsatz heilbar, wenn er die Darmwand noch nicht durchbrochen und keine Ableger gebildet hat. Bei welchen Symptomen sollte man den Arzt aufsuchen? Alarmierend sind Veränderungen des Verdauungs- und Stuhlverhaltens, die sich über zwei bis drei Wochen hinziehen, wie etwa Durchfall oder Verstopfung. Auch bei anhaltenden Bauchschmerzen sowie blutigem oder schwarzem Stuhl ist der Gang zum Arzt angezeigt. Für welche Patientengruppen machen Vorsorge-Untersuchungen Sinn? Ab dem 50. Lebensjahr ist das Risiko für Darmkrebs generell erhöht. Ob sich eine vorsorgliche Abklärung in Form einer Enddarmund Dickdarmspiegelung oder der Suche nach Blut im Stuhl für alle beschwerdefreien Menschen lohnt, wird wissenschaftlich noch rege diskutiert. Eine eindeutige Meinung hat sich bis jetzt nicht durchgesetzt. Allerdings werden diese Untersuchungen für Hochrisikogruppen, bei denen Fälle von Polypen oder Darmkrebs in der nächsten Verwandtschaft aufgetaucht sind, bereits heute von der Grundversicherung erstattet und zwar schon vor dem 50. Lebensjahr. Details sind in der KLV Art. 12 festgehalten.


SCHWERPUNKT

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Foto: ZVG

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Partner der Kampagne «Darmkrebs nie?» sind santésuisse, das Bundesamt für Gesundheit, die GastroMedSuisse, der Schweizerischer Apothekerverband, die Schweizerische Gesellschaft für Allgemeinmedizin, die Schweizerische Gesellschaft für Gastroenterologie und die Schweizerische Gesellschaft für Innere Medizin.

Gesunder Lebensstil verringert Risiko Durch einen gesunden Lebensstil kann jeder Einzelne erwiesenermassen dazu beitragen, sein persönliches Darmkrebsrisiko so gering wie möglich zu halten. Diese gesundheitsfördernden Verhaltensweisen sollten möglichst früh in den Alltag integriert werden, damit die Schutzfaktoren ihre ganze Wirkung entfalten können: • kein Übergewicht • hoher Gemüse- und Früchtekonsum • wenig rotes Fleisch • wenig Alkohol • genügend Bewegung. Bei Menschen mit Übergewicht steigt das Krebsrisiko. Für die Krebsprävention ist es daher wichtig, das Körpergewicht möglichst konstant zu halten und Übergewicht abzubauen. Empfehlenswert ist ein Body Mass Index2 (BMI) von 18,5 bis 25. Bei einem BMI von 25 bis 30 spricht man von Übergewicht, ab einem BMI von 30 von massivem Übergewicht. Gemüse und Früchte bilden den Kern einer gesunden Ernährung. Sie bringen die Verdauung in Schwung und enthalten zahlreiche wertvolle Stoffe. Ideal sind täglich fünf Portionen. Eine Portion entspricht einer Handvoll oder 120 g. Die Schutzwirkung von Gemüse und Früchten geht auf verschiedene Inhaltstoffe zurück: auf Vitamine, Mineralstoffe, so genannte sekundäre Pflanzenstoffe und Nahrungsfasern. Nicht die einzelnen Bestandteile, sondern erst das komplizierte Zusammenspiel der Stoffe, wie sie in der Natur vorkommen, fördert die Gesundheit nachhaltig. Wer an Stelle von Schweine-, Rind-, Kalb- oder Lammfleisch, Fisch oder Geflügel wählt und pro Woche zwei oder drei fleischlose Tage einschaltet, kann sein Krebsrisiko senken. Der Genuss von rotem Fleisch hingegen kann das Darmkrebsrisiko erhöhen. Alkohol kann, übermässig genossen, nicht nur Hirn und Leber schaden, sondern stellt auch ein Krebsrisiko dar. Wer nicht ganz

verzichten will, sollte seinen Konsum zumindest einschränken. Ein Glas Wein pro Tag verringert zwar die Gefahr einer HerzKreislauf-Erkrankung, nicht aber das Krebsrisiko. Wer täglich mindestens eine halbe Stunde zügig zu Fuss geht oder Velo fährt, tut etwas für sein Wohlbefinden und leistet einen wertvollen Beitrag an seine Gesundheit. Frauen und Männern jeden Alters wird täglich eine halbe Stunde Bewegung in Form von Alltagsaktivitäten oder Bewegung mit mittlerer Intensität empfohlen. Die empfohlene halbe Stunde muss nicht an einem Stück absolviert werden. Jede körperliche

Aktivität, die mindestens zehn Minuten dauert, kann über den Tag zusammengezählt werden. Bei Bewegung mittlerer Intensität sollte man etwas ausser Atem kommen. Schwitzen ist eigentlich nicht nötig. Ursula Zybach, Kampagnenleiterin Barbara Iseli, Kommunikationsbeauftragte

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Das Faltblatt, die Broschüre und weiteres Informationsmaterial kann angefordert werden unter: www.swisscancer.ch/darmkrebs-nie Formel zum Berechnen des BMI: Körpergewicht (kg) dividiert durch Grösse (m) im Quadrat


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SCHWERPUNKT infosantésuisse 4 / 05

Im Gespräch: Barbara Etienne, Leiterin der Fachstelle für Gesundheitsförderung und Prävention von Ob- und Nidwalden

«Gesundheitsförderung braucht Änderung der Verhältnisse und Strukturen» Schweizweit einzigartig: Dieses Prädikat verdient die Fachstelle für Gesundheitsförderung und Prävention von Ob- und Nidwalden. Die kleinen Innerschweizer Kantone sind die einzigen, die ihre Bemühungen im Präventionsbereich vollumfänglich zusammenlegen. Deshalb wird die Fachstelle von der Stiftung Gesundheitsförderung Schweiz unterstützt – als Modell für Kantone mit geringer Bevölkerungszahl. Barbara Etienne, die Leiterin der Fachstelle, sprach mit infosantésuisse über ihre Ziele und Aktivitäten und über die Schwierigkeiten einer weiter gehenden Koordination der Gesundheitsförderung.

infosantésuisse: Frau Etienne, ist die Unterwaldner Bevölkerung gesünder als jene der übrigen Schweiz? Barbara Etienne: Trotz der Berge und der guten Luft: Eher nicht. Man kann die nationalen Zahlen getrost auf die Kantone Ob- und Nidwalden übertragen. Die gesellschaftlichen Verhältnis sind mittlerweile in der ganzen Schweiz relativ ähnlich, die Faktoren, die zu Krankheiten führen, überall dieselben. Natürlich haben Bergbauern kaum Probleme mit Berufsstress und Übergewicht, doch ist ihr Anteil auch in Unterwalden verschwindend klein geworden. Es mag sein, dass in der Bevölkerung das Gefühl vorherrscht, Massnahmen gegen Übergewicht, Bewegungsmangel und Suchtproblematik seien hier unnötig. Die Fakten sprechen jedoch eine andere Sprache. Die kantonsübergreifende Fachstelle für Gesundheitsförderung und Prävention von Ob- und Nidwalden ist schweizweit einzigartig. Wie kam der Entschluss der beiden Kantone, ihre Anstrengungen auf diesem Gebiet zu koordinieren, zustande?

«Unsere Projekte folgen stets dem Prinzip, dass wirklich nachhaltige Gesundheitsförderung sowohl Verhaltens- wie auch Verhältnisänderung sein muss.» 2001 legte man die Suchtpräventionsstellen der beiden Kantone zusammen. Dadurch wurden Synergien und gleichzeitig Raum für eine kantonsübergreifende

«Unser wichtigster Partner ist die Bevölkerung»: Barbara Etienne, Leiterin der Fachstelle für Gesundheitsförderung und Prävention von Ob- und Nidwalden.

Fachstelle für Gesundheitsförderung und Prävention geschaffen. Im Konzept wären eigentlich 360 Stellenprozente vorgesehen, doch müssen wir zurzeit aus Budgetgründen mit 200 Prozenten Vorlieb nehmen. Das bedeutet natürlich eine gewisse Einschränkung in unseren eigentlichen Aufgaben. Was sind Ihre wichtigsten Ziele? Priorität hat die Gesundheitsförderung in den drei Lebenswelten Gemeinden, Schulen und Vereine. Hier entwickeln und begleiten wir Projekte in vielfältigen Themenbereichen. Wichtig ist neben der eigentlichen Projektarbeit auch die Sensibi-

lisierung der Bevölkerung für Fragen der Gesundheitsförderung. Ist Gesundheit am Arbeitsplatz auch ein Thema? Aufgrund unserer begrenzten Ressourcen können wir hier nur eine Drehscheibenfunktion wahrnehmen. Das eigenständige Entwickeln von Projekten liegt nicht drin. Ich möchte aber betonen: Auch die Drehscheiben-, Koordinations- und Vermittlungsfunktion ist nicht zu unterschätzen. Sie ermöglicht oftmals erst die Durchführung von «fremden» Projekten. Welches sind Ihre wichtigsten Projekte?


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sundheitsförderung Schweiz zusammen. Die Vernetzung mit den übrigen Gesundheitsförderungs- und Präventionsstellen der Zentralschweiz ist Bestandteil der Arbeit. Punktuell, wie in der Tabakprävention, gibt es auch gemeinsame Projekte. Innerhalb des Kantons kooperieren wir eng mit anderen Fachstellen wie den Jugend- und Elternberatungsstellen oder den Suchtberatungsstellen. Können Sie konkrete Wirkungen und Ergebnisse Ihrer Arbeit feststellen? Innerhalb der einzelnen Projekte schon. Hier lassen sich durchaus Verbesserungen und Verhaltensänderungen feststellen. Wir führen auch Evaluationen und Fotos: Peter Kraft

Zurzeit läuft das Projekt «Netzwerk gesunde Gemeinden», das vor allem den Aufbau von Gesundheitsförderungs-Kommissionen auf Gemeindeebene, den gegenseitigen Erfahrungsaustausch und die vertiefte Zusammenarbeit mit unserer Fachstelle zum Ziel hat. Weiter bieten wir Kurse und Projektbegleitungen zur Suchtund Gewaltprävention in den Schulen an. Im Bereich Alkohol entwickeln wir ein Projekt, das zugleich Aktivitäten in Gemeinden, Vereinen und Schulen umfasst. Hier bieten wir Unterstützung bei der Planung und Durchführung von Massnahmen. Wir führen auch Projekte mit Migrantinnen und Migranten durch, organisieren Frauentische und initiieren zusammen mit

Ich würde dies sehr begrüssen. Allerdings gibt es dabei einige Probleme. Die Strukturen sind zu verschieden. In einigen Kantonen ist die Gesundheitsförderung im Gesundheitsdepartement angesiedelt, in anderen ist ein Verein die Trägerschaft. Gewisse Kantone haben nur wenig Mittel für diese Aufgabe zur Verfügung: In Uri beispielsweise gibt es ganze zehn Stellenprozente für die Suchtprävention. Schliesslich sind die Interessen und Schwerpunkte nicht bei allen Kantonen gleich. Wenn man diese Schwierigkeiten meistern kann, macht eine Koordination in kleinräumigen Gebieten Sinn: Eine Gesundheitsförderungsstelle Zentralschweiz etwa wäre machbar. Allerdings bezweifle ich, ob das Gleiche für grosse Kantone gilt. Wenn beispielsweise die ganze Ostschweiz eine zentrale Stelle für Gesundheitsförderung hätte, wäre diese wohl zu weit weg von den einzelnen Gemeinden. Und dort wird letztlich die entscheidende Arbeit geleistet.

«Wenn die ganze Ostschweiz eine zentrale Stelle für Gesundheitsförderung hätte, wäre diese wohl zu weit weg von den einzelnen Gemeinden.»

Die gesundheitlichen Probleme sind in der gebirgigen Region Unterwaldens nicht anders als in städtischen Gebieten.

der Stanser Bevölkerung Massnahmen zur Verbesserung der dortigen Lebensqualität. Schliesslich vermieten wir – als Teil der Alkoholprävention – eine trendige Saftbar für alle möglichen Feierlichkeiten. Unsere Projekte folgen dabei stets dem Prinzip, dass wirklich nachhaltige Gesundheitsförderung sowohl Verhaltens- wie auch Verhältnisänderung sein muss. Führen Sie all diese Projekte im Alleingang durch – oder arbeiten Sie mit Partnern zusammen? Unser wichtigster Partner ist die Bevölkerung. Daneben arbeiten wir auf nationaler Ebene mit der Radix und der Ge-

erhalten entsprechende Resultate. Es lässt sich aber nicht feststellen, ob unsere Arbeit den Gesundheitszustand der Gesamtbevölkerung positiv beeinflusst. Die Effekte der Gesundheitsförderung sind langfristiger Natur und schlagen sich nicht sofort nieder. Zudem braucht es für eine wirklich nachhaltige Gesundheitsförderung auch eine Veränderung der Verhältnisse und Strukturen – wie ein Werbeverbot für Alkohol etwa. Ist ihre Stelle allenfalls ein Vorbild für andere Kantone, ihre Zusammenarbeit im Bereich Gesundheitsförderung zu intensivieren?

Wie weit soll die nationale Koordination der Gesundheitsförderung – etwa durch das Bundesamt für Gesundheit – gehen? Der Bund hat sicher eine Steuerungsfunktion, indem er Gesundheitsziele und Strategien vorgibt. Allerdings sollte er nicht selbst operativ tätig werden. Zum ersten kennen die lokalen Stellen die entsprechenden Gegebenheiten besser, und zum zweiten käme bei zusätzlichen Projekten vom Bund soviel an Gemeinden und Schulen heran, dass sie das gar nicht mehr alles verarbeiten könnten. Was sind – in Ihrem Kanton oder landesweit – die grössten Probleme, die die Gesundheitsförderung in Zukunft angehen muss? Im Bereich Sucht sind dies vor allem die Bereiche Alkohol und Tabak, im Bereich Gesundheitsförderung die Themen Ernährung, Übergewicht und Bewegung. Hinzu kommen im Bereich Lebensqualität die psychische Gesundheit, Stressbewältigung und die Lebensqualität der Familien. Hier steht ein verbessertes Angebot für Kinder und Mütter im Vordergrund. Interview: Peter Kraft


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Anwendung von seltenen und teuren Heilmitteln: Zentrale Koordination und Optimierung

Prämienzahlende und Patienten profitieren von der Arbeit des SVK Transplantationen, Dialysen, mechanische Atemhilfen, künstliche Ernährung zu Hause sowie teure und selten angewendete Medikamente würden die einzelnen Krankenversicherer oft vor schwere fachliche und administrative Probleme stellen. Deshalb übernimmt der Schweizerische Verband für Gemeinschaftsaufgaben der Krankenversicherer SVK in diesen Bereichen für die angeschlossenen Kassen Beurteilungen und Abklärungen, die Beobachtung des Therapieverlaufs sowie die Rechnungskontrolle. Dass dies nicht nur für die Krankenversicherer, sondern für alle Betroffenen von Nutzen ist, zeigt das Beispiel der hoch spezialisierten, selten angewandten und deshalb teuren Medikamente.

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enn ein Medikament schweizweit bei weniger als 600 neuen Patienten pro Jahr angewandt wird, wenn die Jahres-Therapiekosten 20 000 Franken übersteigen, wenn die Therapie hoch komplex ist und wenn das Heilmittel vor der Endphase der Krankheit eingesetzt wird, so ist es ein Fall für den SVK: Er überwacht für seine Mitgliedkassen die Therapieverläufe und übernimmt die Überprüfung der Rechnung sowie andere administrative Aufgaben. Nicht zuletzt schliesst der SVK aber auch Verträge mit der Pharmaindustrie ab, die für alle Beteiligten – vor allem auch für Patienten und Prämienzahlende – entsprechende Vorteile aufweisen. Zurzeit bestehen solche Verträge unter anderem bei Medikamenten gegen die schwere Psoriasis, gegen Multiple Sklerose, Lateralskle-

rose, schweren Lungen-Überdruck sowie gegen schwere Bluterkrankungen.

Pharma-Industrie: Geregelte Abnahme und Informationen für Weiterentwicklung Für die Pharma-Industrie liegen die Vorteile von Verträgen mit einem Abnehmer, der die grosse Mehrheit der Krankenversicherer mit total sechs Millionen Versicherten repräsentiert, auf der Hand: Der Abnahme-Ablauf für die Medikamente ist geregelt. Durch die zentrale Abwicklung beim SVK werden die Zahlungen beschleunigt. Schliesslich erfasst der SVK die Marktdaten der Medikamente – selbstverständlich in anonymisierter Form – und gibt diese bei allseitigem Einverständnis an die Produzenten weiter. Diese können den Wirkungsverlauf ihrer Präparate so

Der SVK im Kurzporträt Der SVK nimmt für die ihm angeschlossenen Krankenversicherer in den Bereichen spezielle Medikamente, Dialyse, künstliche Ernährung zu Hause und mechanische Heimventilation vielfältige Aufgaben. Unter anderem erteilt er Kostengutsprachen, begleitet und überwacht den Therapieverlauf im Einzelfall und kontrolliert die jährlich rund 61 000 Rechnungen aus den erwähnten Bereichen. Der SVK schliesst für seine Mitglieder auch die entsprechenden Tarifverträge mit den Leistungserbringern und Produzenten ab. Der SVK wurde 1954 zur effizienteren Bekämpfung der Kinderlähmung gegründet. Seither hat er seine Dienstleistungen kontinuierlich auf die oben erwähnten Bereiche ausgedehnt. Die Mitgliedschaft beim SVK ist für die Krankenversicherer nicht zwingend. Trotzdem sind ihm 76 Kassen mit etwa sechs Millionen Versicherten angeschlossen. Der SVK erbringt seine Dienstleistungen also für die grosse Mehrheit der Schweizer Bevölkerung. santésuisse und SVK sind rechtlich unabhängige Organisationen, die aber demselben Verwaltungsrat unterstehen. Die Abteilung Services von santésuisse bildet dabei die Verbindungs- und Koordinationsstelle zwischen den beiden Betrieben.

besser analysieren und das Produkt entsprechend weiter entwickeln – letzten Endes zum Wohle des Patienten. Wichtig ist dabei: Es handelt sich hier keineswegs um eine kartellähnliche Struktur. Die Ärzte müssen die Medikamente, falls sie auf der Spezialitätenliste stehen, keineswegs via SVK verschreiben.

Leistungserbringer: Bessere Betreuung und Kostengutsprachen Dass die Ärzte trotzdem meist den Weg über den SVK wählen, hat einen einfachen Grund: Auch für sie birgt dieses Vorgehen einige Vorteile. Die Überwachung des Therapieverlaufs durch den SVK bringt ihnen eine grössere Sicherheit bei der Betreuung der Patienten. Weiter erhält der Arzt über den SVK eine Kostengutsprache: Sind alle Bedingungen für den Einsatz des Medikaments erfüllt, sind ihm die entsprechenden Kosten erstens garantiert und werden zweitens bei den Wirtschaftlichkeitsbeurteilungen als ausserordentlich berücksichtigt.

Versicherer: Einsparungen und Qualitätsverbesserung Die Vorteile für die Versicherer sind einerseits finanzieller Natur: Weil der SVK die Abnahme des grössten Teils der speziellen Medikamente administriert, kann er mit der Pharma-Industrie Tarifermässigungen aushandeln, die im Bereich der Grundversicherung bei drei bis neun Prozent des Listenpreises liegen. Das Gesamtvolumen der so erzielten Ersparnisse liegt bei über vier Millionen Franken. Allerdings ist dies kein Rabatt im landläufi-


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Foto: Heiner Grieder

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Die Dialyse – eines der vielen Tätigkeitsfelder des SVK.

gen Sinn: Der SVK erbringt enorme Gegenleistungen für diese Preisreduktionen. Bereits erwähnt wurden das vereinfachte Abnahmeverfahren, die effizientere Zahlungsabwicklung sowie die Erfassung der Marktdaten. Andererseits profitieren die Versicherer auch von der Effizienz- und Qualitätskontrolle, die aus der Tätigkeit des SVK entsteht: Das Kostengutsprache- und Abgabeverfahren garantiert, dass die Medikamente an die richtigen Patienten gelangen, die Überprüfung des Therapieverlaufs im Einzelfall ermöglicht einen optimalen Behandlungserfolg. Der SVK erledigt für die Versicherer hier eine Aufgabe, die ansonsten durch eigene FallManager erfüllt werden müsste. Der SVK erkennt durch die dauerhafte Beobachtung der Therapie auch, wenn ein Medikament bei einem Patienten keine oder sogar unerwünschte Wirkungen zeigt. Dies ist besonders wichtig: Einerseits sind bei den schweren Krankheiten, die via SVK behandelt werden, Fehlwirkungen besonders tragisch, andererseits verursacht

eine unnötige Verabreichung dieser teuren Präparate hohe Kosten, die mehr schaden als nützen.

Patienten und Prämienzahlende: Kumulierte Vorteile Die Vorteile, die Pharma-Industrie, Leistungserbringer und Versicherer aus der Tätigkeit des SVK ziehen, übertragen sich auch auf die Patienten und Prämienzahlenden: Wenn die Pharma-Industrie über die Marktdaten von Medikamenten etwa gegen Multiple Sklerose verfügt, profitieren die Patienten von den Weiterentwicklungen, die dadurch ermöglicht werden. Wenn die Ärzte durch die Begleitung der Therapie mehr Sicherheit erhalten, wenn die Krankenversicherer durch die Aufsicht des SVK schlecht verlaufende Therapien beenden können, wenn die Medikamente nur dorthin gelangen, wo sie etwas bewirken, wird die Behandlungsqualität für die schwer Kranken optimiert. Wenn die Versicherer aufgrund der Leistungen des SVK Preisermässigungen erhalten, entlastet dies die Prämienzahlenden.

Das Beispiel der 3200 MS-Patienten in der Schweiz illustriert den Einfluss des SVK auf die Behandlungsqualität: Die Schweiz weist bei den Medikamenten gegen Multiple Sklerose europaweit die beste Wirkungsstatistik auf.

Fazit: Alle Beteiligten profitieren Die Tätigkeit des SVK ist für alle Betroffenen von Vorteil. Deshalb sind die Dienstleistungen des SVK bei der Pharma-Industrie, bei den Leistungserbringern, bei den Versicherern sowie bei den Patienten und Prämienzahlenden gleichermassen willkommen und anerkannt. Besonders erfreulich sind dabei folgende zwei Tatsachen: • Die Vorteile, die durch den SVK für die Akteure im Gesundheitswesen entstehen, werden an die Patienten und Prämienzahlenden weitergegeben. • Die Arbeit des SVK hilft mit, zwei zentrale gesundheitspolitische Anliegen zu verwirklichen: Die Senkung der Medikamentenkosten sowie die Förderung der Qualität. Peter Kraft


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«Das offene Verhandeln nach dem Harvard-Konzept»: Intensiv-Seminar für santésuisse

Die Grösse des Kuchens ist nicht von Beginn an fix Die Anforderungen an den Verhandlungstischen werden immer höher, und gerade im Gesundheitswesen ist es wichtig, dass die Verhandlungsergebnisse für alle Beteiligten nutzbringend sind. Deshalb hat sich santésuisse dazu entschlossen, ihren Mitarbeitenden an der «Verhandlungsfront» eine Weiterbildung der besonderen Art zu bieten: In einem zweitägigen Intensiv-Seminar in Olten wurden sie durch die Verhandlungsberater von Egger, Philips und Partner in den Prinzipien des Harvard-Konzepts geschult. Dieses Verhandlungsmodell hat bestmögliche Resultate für alle Beteiligten und den Aufbau einer tragfähigen Arbeitsbeziehung zum Ziel.

bination. Für jeden fiktiven Monat wurde die Prozedur unter zuweilen wechselnden Rahmenbedingungen – wie etwa grössere Profitmöglichkeiten durch erhöhten Bedarf des Abnehmers oder plötzliche Verhandlungsmöglichkeiten zwischen den Staaten – wiederholt. Ziel war ein möglichst hoher Ertrag aus dem Erdölgeschäft für das eigene Land.

Misstrauen ist ein schlechter Ratgeber

Thierry Barth, einer von drei Seminarleitern.

A

ls Einstieg wurden die Teilnehmenden in Gruppen aufgeteilt, die jeweils das Erdölministerium eines fiktiven Landes bildeten. Aufgabe war es, den Erdölpreis zum Verkauf an ein Nachbarland festzusetzen, während eine Konkurrenzgruppe, die einen anderen Erdölstaat darstellte, dasselbe tat. Es standen dabei jeweils drei verschiedene Preise zur Auswahl. Die beiden Gruppen erfuhren von der Entscheidung der jeweils anderen erst, als diese bereits gefallen war. Wohl wussten sie jedoch um die Höhe des Profits für jede mögliche Preiskom-

Dieser spielerische Auftakt förderte bereits einige interessante Mechanismen zutage: So schien die Maxime in erster Linie Risikominimierung zu lauten, indem jeweils der tiefstmögliche Preis festgesetzt wurde. Sehr hohe Profite waren so nicht möglich, es drohte aber auch kein Absturz. Gemeinsame Vereinbarungen, den Preis beidseits auf der Maximalhöhe anzusetzen, scheiterten oft an der Befürchtung, die Konkurrenz könnte sich doch nicht an die Abmachung halten und den vereinbarten Preis unterbieten. Schliesslich war es praktisch unmöglich, einen einmal begangenen Vertrauensbruch wieder gut zu machen: Hielt sich eine Delegation nicht an eine Abmachung, wurde sie von der Gegenseite für den Rest des Spiels mit dem Entzug der Kooperation bestraft. Schliesslich fiel auf, dass vielerorts die Ambition gehegt wurde, besser abzuschneiden als der Konkurrenzstaat – obwohl nur der eigene Profit unabhängig von jenem des Gegenübers als Zielgrösse gegeben war.

Verhandeln nach Harvard-Konzept Das Rollenspiel zu Beginn illustrierte den Seminarteilnehmern die destruk-

tiven Mechanismen, die beim Verhandeln zuweilen mitspielen. Zudem werden die Probleme komplexer, das Umfeld schnelllebiger, die Vernetzung nimmt zu, die gegenseitige Abhängigkeit wird grösser: Damit verändern sich auch die Anforderungen an die Verhandelnden. Strategien, die auf die sofortige Maximierung des eigenen Vorteils zielen, haben ausgedient. Gefragt sind Lösungen, die für alle Beteiligten Vorteile bringen und Basis für ein langfristiges gutes Einvernehmen sind: Gewinn-Gewinn-Situationen also. Das Harvard-Konzept (siehe Kasten) zeigt die Möglichkeiten auf, um zu solchen Ergebnissen zu kommen. Es folgt dabei scheinbar einfachen Grundprinzipen, die im Verhandlungsprozess jedoch alles andere als leicht einzuhalten sind: • Zwischen dem Gegenstand der Verhandlung und der Beziehung mit dem Verhandlungspartner muss strikte unterschieden werden. • Die verschiedenen Sichtweisen und Interessen der Verhandlungspartner müssen berücksichtigt werden. Die Position des anderen kann nicht aus der eigenen Perspektive bewertet werden. • Die Partner müssen die eigenen Interessen offen darlegen. Dabei ist es wichtig, diese Interessen nicht hinter einer absolut formulierten Position zu verstecken. • Beim Verhandeln müssen verschiedene Optionen entwickelt werden. Der Entscheid fällt erst, nachdem die Möglichkeiten bewertet wurden. Keinesfalls dürfen sich die Partner von Beginn weg auf eine Lösung versteifen.


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• Die Verhandlungspartner müssen versuchen, ihre Interessenkonflikte auf Grund legitimer, nachvollziehbarer Entscheidungskriterien zu lösen. • Eine Verhandlungslösung ist dann gutzuheissen, wenn sie für beide Seiten besser als ihre jeweilige bestmögliche Alternative ist. Diese Prinzipien führen, wenn sie konsequent umgesetzt werden, nicht nur zu einem für alle Beteiligten vorteilhaften Ergebnis, sondern eliminieren auch die grössten Risiken für das Scheitern einer Verhandlung. Wenn Verhandlungen mit grundsätzlich verschiedenen Positionen geführt werden und dazu versucht wird, diese dem Gegenüber aufzupfropfen, ist oft ein Abbruch oder ein ungünstiger Kompromiss die Folge. Wenn Beziehungsprobleme und Emotionen die Gespräche dominieren, ist ein für beide Seiten befriedigendes Ergebnis höchst unwahrscheinlich. Wenn die Annahme vorherrscht, dass es in einer Verhandlung bloss um das Verteilen eines Kuchens von vorgegebener Grösse geht, werden mögliche zusätzliche Vorteile für alle Beteiligten nicht wahrgenommen. Wenn versucht wird, der eigenen Position mit Druck zum Durchbruch zu verhelfen, erzeugt das unweigerlich einen Gegendruck auf der anderen Seite. Verhandlungen laufen dann nach dem Sieger-Verlierer-Prinzip, es kann keine Gewinn-Gewinn-Situation entstehen. Das Harvard-Konzept setzt demgegenüber auf die Befriedigung der Interessen al-

Fotos: Peter Kraft

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Ulrich Egger und seine Partner stiessen auf eine interessierte Zuhörerschaft.

ler Betroffenen statt auf die unbedingte Durchsetzung der eigenen.

Warum dieses Seminar? Jene Mitarbeiter von santésuisse, die tagtäglich mit Verhandlungen mit verschiedenen Partnern beschäftigt sind, erhielten im zweitägigen Seminar mit Ulrich Egger und seinen Partnern Thierry Barth

Das Harvard-Konzept Jahrelange Studien zur Konfliktforschung an der Harvard University in den USA haben eine Reihe von Mechanismen entlarvt, die Verhandlungen immer wieder zum Scheitern bringen. Roger Fisher, William Ury und Bruce Patton entwickelten darauf eine Verhandlungsstrategie, die diese Mechanismen umgeht: Ein sachund menschengerechtes Verhandeln, das so weit als möglich auf einen maximalen gegenseitigen Nutzen hinarbeitet, statt unter allen Umständen die eigenen Forderungen durchzudrücken. Die Ergebnisse spiegeln nicht die Machtverhältnisse der Verhandlungspartner, sondern das bestmögliche Ergebnis gemäss Kriterien, die für alle Beteiligten gleichermassen bedeutsam sind. Die Wissenschaftler haben ihre Erkenntnisse im Buch «Das

Harvard-Konzept» (Originaltitel: «Getting to Yes») niedergeschrieben. Das Werk erschien erstmals 1984 und weist mittlerweile stolze 22 Auflagen auf. Die Egger, Philips + Partner AG in Zürich ist zusammen mit Frits Philips jr. & Partners BV. aus Eindhoven die einzige europäische Beratergruppe, die durch die Harvard University autorisiert und lizenziert wurde, den Namen «Harvard-Konzept» für ihre Dienstleistung offiziell zu verwenden. Die Egger, Philips + Partner AG lässt seit vielen Jahren nicht nur den Buchinhalt zum Harvard-Konzept ins Seminar einfliessen, sondern erstellt in Absprache mit dem Harvard Negotiation Project eigene, insbesondere auf die europäische Verhandlungskultur bezogene Weiterentwicklungen.

und Jérôme Racine Denkanstösse, um deren Ansichten zum Thema Verhandlungsführung im Sinne des Harvard-Konzepts zu überprüfen. Zweck dieser Weiterbildung war keineswegs, die bisherige Arbeit der Verhandlungsdelegationen in Frage zu stellen, sondern bei den Teilnehmern das Bewusstsein für die offenen und verdeckten Abläufe und Mechanismen in Verhandlungen zu schärfen, ihnen den einen oder anderen Tipp mit auf den Weg zu geben. Die Mitarbeiter an der Front erhalten so einerseits noch mehr Sicherheit und Souveränität, andererseits sollen die von ihnen und ihren Verhandlungspartnern erzielten Ergebnisse die gemeinsamen Interessen aller Akteure im Gesundheitswesen in optimaler Weise abbilden. In den zwei intensiven Ausbildungstagen erhielten die «Verhandler» von santésuisse das theoretische Rüstzeug dafür. Vor allem aber übten sie in praxisnahen, zum Teil videobegleiteten Fallbeispielen das konstruktive Verhandeln nach dem Harvard-Konzept. Das Echo unter den Seminarteilnehmern war nach den zwei Tagen in Olten durchwegs positiv, so dass der eine oder andere Grundsatz nach Harvard sicher seinen Weg in die Verhandlungsstrategie von santésuisse finden wird Peter Kraft


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KVG-Reform vor wichtigen Entscheiden

Nach den dringlichen Fragen warten die heissen Eisen Die KVG-Revision kommt nur langsam voran. Bis jetzt wurden – mit Ausnahme der Prämienverbilligung – vor allem dringende Fragen notdürftig gelöst. Wichtige Entscheide, sei es bei der Spitalfinanzierung, bei der Pflegefinanzierung oder der Lockerung des Vertragszwangs stehen noch aus. Auch mit dem Konzept der kleinen Schritte kommt das Parlament aber nicht um wegweisende Beschlüsse herum.

S

eit rund fünf Jahren befassen sich Bundesrat und Parlament mit der zweiten KVG-Revision. Nach dem Scheitern des ersten Anlaufs im Dezember 2003 hat der Bundesrat rasch gehandelt und ein Konzept mit Teilvorlagen ausgearbeitet, das im Parlament grundsätzlich auf Zustimmung gestossen ist. Die beiden Räte haben aber die Pakete anders geschnürt und den Zeitplan geändert. Bis jetzt sind vor allem dringende Fragen und wenig umstrittene Probleme angepackt worden. So ist der Risikoausgleich um fünf und die Zulassungsbeschränkung für Leistungserbringer um drei Jahre verlängert worden. Das dringliche Gesetz betreffend die Beiträge der Kantone an innerkantonale stationäre Behandlungen von Zusatzversicherten ist weitere zwei Jahre in Kraft, und ebenfalls für weitere zwei Jahre gelten Rahmentarife für Pflegeleistungen der Spitex und der Pflegeheime. Kaum auf Opposition gestossen sind die Beschlüsse zur Einführung einer Versichertenkarte und die gesetzliche Verankerung der Sanktionsmittel gegen Leistungserbringer, die sich nicht an gesetzliche und vertragliche Vorgaben halten. Der Erhöhung der Kostenbeteiligung hat der Ständerat zwar schon in der Herbstsession 2004 zugestimmt, aber der Nationalrat hat die Beratungen dazu verschoben.

Einigung bei der Prämienverbilligung Immerhin haben sich National- und Ständerat in der vergangenen Märzsession bei der Prämienverbilligung einigen können: Es wurde auf die Festlegung eines verbindlichen gesamtschweizerischen Sozialziels verzichtet. Stattdessen werden die Kantone verpflichtet, bei Familien mit tiefen und mittleren Einkommen die Prä-

mien von Kindern bis 18 Jahren und von Jugendlichen in Ausbildung bis 25 Jahren um mindestens 50 Prozent zu verbilligen. Die Kantone können dabei frei entscheiden, wo sie die Einkommensgrenze festlegen wollen. Abgelehnt hat das Parlament einen vollständigen Prämienerlass für Kinder und einen hälftigen Erlass für Jugendliche in Ausbildung zu Lasten der erwachsenen Versicherten, wie es die Konferenz der Gesundheitsdirektoren (GDK) vorgeschlagen hatte. Mit der Zustimmung zur Vorlage haben die Räte auch folgende Präzisierungen gut geheissen, die in einer Absprache zwischen Verwaltung, SGK und vorberatenden Kommissionen vorgenommen wurden: • Die Referenzprämie für die Verbilligung ist die heutige kantonale Referenzprämie. • Die Definition für die Ausbildung stützt sich auf die heutige Steuergesetzgebung der Kantone. • Junge Erwachsene in Ausbildung haben nicht automatisch einen selbstständigen Anspruch auf Prämienverbilligung. Dieser wird vielmehr im Kontext der Familie berechnet. Neu werden die Bundesbeiträge an die Prämienermässigung – zusätzlich zum jährlichen Aufschlag um 1,5 Prozent – 2006 und 2007 um je 100 Millionen Franken erhöht.

Vorgehen bei Prämienausständen Wichtig ist für die Krankenversicherer, dass sich das Parlament dem Konzept des Bundesrates für das Vorgehen bei ausstehenden Prämien und Kostenbeteiligungen angeschlossen hat. Dieses Konzept enthält folgende Punkte:

• Werden Prämien und Kostenbeteiligungen nicht bezahlt, so haben die Versicherer die säumigen Versicherten zu mahnen und ihnen eine Nachfrist von dreissig Tagen zu gewähren. • Werden die Ausstände trotzdem nicht beglichen, wird das Betreibungsverfahren eingeleitet. Sobald im Rahmen dieses Verfahrens ein Fortsetzungsbegehren gestellt ist, schiebt der Versicherer die Übernahme der Kosten für die Leistungen auf, bis die ausstehenden Prämien, Kostenbeteiligungen, Verzugszinsen und Betreibungskosten vollständig bezahlt sind. • Der Versicherer benachrichtigt gleichzeitig die zuständige kantonale Stelle über den Leistungsaufschub. • Sind die Ausstände vollständig beglichen, so übernimmt der Versicherer die Kosten für Leistungen während der Zeit des Aufschubs. • Eine versicherte Person kann den Versicherer nicht wechseln, so lange sie die ausstehenden Prämien, Kostenbeteiligungen, Verzugszinsen und Betreibungskosten nicht vollständig bezahlt hat. Die Vorlage über die Prämienverbilligung wird, falls kein Referendum dagegen ergriffen wird, auf anfangs 2006 in Kraft treten.

Spitalfinanzierung: Direkt zum Monismus? Inzwischen hat die Kommission für soziale Sicherheit und Gesundheit (SGK) des Ständerates mit den Beratungen zur Reform der Spitalfinanzierung begonnen. Die Vorlage des Bundesrates enthält die wichtigsten Elemente der abgebrochenen 2. KVG-Revision, nämlich:


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die SGK des Ständerates auf die Beratung des dual-fixen Finanzierungsmodells verzichtet und stattdessen eine Subkommission damit beauftragt, Vorschläge für den direkten Übergang zur monistischen Finanzierung zu prüfen. santésuisse befürwortet diesen Übergang, wenn die öffentliche Hand die Krankenversicherung im bisherigen Umfang mitfinanziert, damit also keine Prämienerhöhungen verbunden sind. Die umfangreichen Vorarbeiten der Kommission führen dazu, dass der Ständerat seine Beratungen zur Spitalfinanzierung frühestens in der kommenden Herbstsession aufnehmen kann.

Pflegefinanzierung Mit der Verabschiedung der Botschaft zur Pflegefinanzierung im vergangenen Foto: Prisma

• Den Wechsel von der Objekt- zur Leistungsfinanzierung. • Die paritätische Finanzierung der Leistungen durch Kantone und Versicherer unter Einberechnung der Investitionskosten. • Die Gleichstellung aller Listenspitäler (öffentlicher und privater) bezüglich Finanzierung und Planung. • Die Gleichbehandlung aller Versicherten, ob mit oder ohne Zusatzversicherung. Kantone und Krankenversicherer bringen an der Vorlage des Bundesrates jedoch Vorbehalte an. Den Kantonen missfällt, dass damit Beiträge der öffentlichen Hand an Behandlungen in Privatspitälern verbunden sind. santésuisse ist mit der paritätischen Finanzierung, die zu Mehrkosten für die Grundversicherung von mehr

dig zunimmt. Schon heute ist ein wesentlicher Teil des Prämienanstiegs in der Krankenversicherung auf das starke Wachstum der Pflegekosten zurückzuführen. Ohne Revision würde die Belastung noch erheblich zunehmen. In seinem Revisionsentwurf geht der Bundesrat davon aus, dass die Krankenversicherung nur Leistungen für «krankheitsbedingte» Pflege (insbesondere medizinisch bedingte Leistungen) finanzieren soll. Weil in der Praxis die Pflege als Ganzes wahrgenommen wird und eine Trennung von alters- und krankheitsbedingter Pflege nicht praktikabel ist, soll die obligatorische Krankenversicherung nur einen Beitrag an die Leistungen der Grundpflege ausrichten, die Leistungen der «medizinnahen» Behandlungspflege hingegen voll decken. Der Reformvorschlag des Bundesrates führt in der Grundpflege, wo die Krankenversicherer künftig einen in Franken festgelegten Beitrag ausrichten sollen, zu einer Plafonierung der Leistungen. Der Bundesrat sieht jedoch sozialpolitische Kompensationsmassnahmen vor, um eine Mehrbelastung der einkommensschwächeren pflegebedürftigen Personen zu vermeiden. So soll für Personen, die zu Hause leben, eine Hilflosenentschädigung auch bei leichter Hilflosigkeit eingeführt und die Obergrenze für Ergänzungsleistungen bei einem Heimaufenthalt gestrichen werden. Die Frage der Pflegefinanzierung wird das Parlament voraussichtlich erst im kommenden Jahr beschäftigen.

Massnahmen auch auf der Kostenseite

Kinder sollen – sofern sie aus Familien unterhalb eines bestimmten Einkommens kommen – automatisch Prämienverbilligungen erhalten.

als einer Milliarde Franken führen würde, nicht einverstanden: Eine Verteilung der Kosten auf Kantone und Krankenversicherer im Verhältnis von 60 zu 40 würde einen deutlichen Prämienanstieg vermeiden. Nicht zuletzt aufgrund der Vorbehalte der Kantone und der Krankenversicherer hat

Februar hat der Bundesrat sein Revisionsprogramm zur Krankenversicherung abgeschlossen. Diese Vorlage war nötig geworden, da die Krankenversicherung aufgrund des geltenden Rechts die vollen Kosten der Pflege vergüten müsste und der Bedarf auch demografiebedingt stän-

Ein Grossteil der Vorschläge des Bundesrates betrifft die Finanzierung der Krankenversicherung. Um die Probleme in Gesundheitswesen und Krankenversicherung längerfristig zu lösen, sind aber auch Massnahmen auf der Kostenseite nötig. Wichtig sind dazu mehr wirtschaftliche Anreize im Gesundheitswesen, damit Leistungen möglichst effizient erbracht werden. Der Bundesrat hat dem Parlament im vergangenen Mai eine entsprechende Vorlage zugeleitet. Die beiden Räte haben aber beschlossen, dieses heisse Eisen erst am Schluss des ganzen Revisionsprogramms anzupacken und zusammen mit der Vorlage über die Förderung von Managed Care zu behandeln. Walter Frei


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Im Gespräch: Regierungsrätin Monika Dusong, Vorsteherin des Departements für Justiz, Gesundheit und Sicherheit, Neuenburg

«In der Gesundheitspolitik muss schrittweise vorgegangen werden» Wie viele andere Kantone ist auch Neuenburg dabei, seine Spitallandschaft zu reformieren. Gesundheitsdirektorin Monika Dusong konnte dabei mit behutsamem und schrittweisem Vorgehen die Proteste aus der Bevölkerung in Grenzen halten. Mit infosantésuisse sprach sie über ihre Erfahrungen in der Spitalplanung ebenso wie über das weite Feld der Gesundheitspolitik.

infosantésuisse: Die Spitalplanung gilt in den meisten Kantonen als Vorzeigeaufgabe. Wie sieht es damit in Neuenburg aus? Monika Dusong: «Im Kanton Neuenburg machen wir kein grosses Aufheben um die Spitalplanung – aber wir kommen voran. Wir hatten sieben Einrichtungen für Chirurgie und angegliederte Spitäler. Jeder machte alles. Seit 1999 sind wir daran, wie andere Kantone auch, die Aufgabenbereiche zu entflechten und die Strukturen der Akutspitäler schlanker zu gestalten. So hat man bei einigen Spitälern die Geburten- oder Chirurgieabteilungen gestrichen und ihnen dafür andere Aufgaben zugeteilt. Damit konnten die beiden wichtigsten Spitäler, in Neuenburg und La Chaux-de-Fonds, schneller entlastet werden. Ende Mai werden wir je eine dritte Geburten- sowie Chirurgieabteilung schliessen, damit die festgelegten Zielsetzungen erreicht werden können: Qualitativ hoch stehende und bedarfsgerechte Leistungen zu wettbewerbsfähigen Kosten zu bieten. Im nächsten Schritt ist die Schaffung des Spitalverbunds vorgesehen (Etablissement hospitalier multisite EHM). Im Wallis ist ein Projekt für einen Spitalverbund lanciert worden, scheint aber nun nach einem guten Start ins Stocken geraten zu sein. Bestehen diese Befürchtungen auch in Neuenburg? Nein, ich glaube nicht, denn für die Bevölkerung haben die grössten Veränderungen mit der Planung des Gesundheitswesens stattgefunden. Es ist uns bewusst, dass wer immer an der Spitze des Gesundheitsdepartements steht, politisch kein leichtes Leben hat, weil es schwierig ist, die Bevölkerung von einer Reduzie-

rung der Anzahl Spitäler zu überzeugen. Was den Spitalverbund angeht, so haben wir dies zusammen mit den betroffenen Spitälern ausgearbeitet und nicht gegen sie. Die Schaffung von Kompetenzzentren wird so möglich.

«Im Kanton Neuenburg machen wir kein grosses Aufheben um die Spitalplanung – aber wir kommen voran.» Bietet das Projekt wirklich reelle Sparmöglichkeiten? Gemäss soeben erhaltenen Zahlen für das Jahr 2004 hat die Gesundheitsplanung bisher strukturelle Einsparungen in der Höhe von elf Millionen Franken pro Jahr generiert. Durch die Schliessung der Chirurgie im Hôpital de la Béroche hatten wir 400 Fälle weniger. Geht man nach der Aussage, dass das Angebot erst die Nachfrage schafft, so ist dies ein eindrückliches Beispiel dafür. In der nächsten Phase soll der Spitalverbund realisiert und damit vor allem auch eine Zusammenlegung der Administration erfolgen. Mit einer vereinheitlichten Struktur kann die Verwaltung und Leitung der Spitäler verbessert werden. Damit sind natürlich Einsparungen möglich. Die Leitung müsste bei einer Geschäftsführerin oder einem Geschäftsführer liegen. Hier ergeben sich die einzigen Mehrkosten. Damit würde auch die Verantwortung der Ärzteschaft für administrative Aufgaben verstärkt, womit die Kosten pro Krankheitsgruppe mit den anderen Kantonen vergleichbar werden. Ab 2006 wird das Spitalbudget nach den APDRG-Grundlagen erstellt.

Im Januar 2004 hat der Regierungsrat gegen die Empfehlung von santésuisse den Kauf zweier Magnetresonanzgeräte gutgeheissen. santésuisse war der Ansicht, dass die zwei bereits in Privateinrichtungen vorhandenen Geräte für den Kanton vollauf genügten. Was unternehmen Sie, um den Kauf von medizinischen Grossausrüstungen auf ein vernünftiges Mass zu begrenzen? Neuenburg ist der erste Kanton, der eine Bedürfnisklausel eingeführt hat. Einer Genehmigung geht also eine genaue Prüfung voraus. Der Gesundheitsrat hat dieser Anschaffung zugestimmt, weil die zwei MRI sich in privaten ambulanten Einrichtungen befinden. Hinzu kommt, dass qualifizierte Radiologen, die mit speziellen Akutfällen und anderen schwierigen und anforderungsreichen Aufgaben in diesem Bereich umgehen können, sich kaum in Spitälern bewerben, die über keine modernen Untersuchungseinrichtungen verfügen. Folglich galt es, die Qualität der öffentlichen Spitäler zu sichern, dort nämlich, wo die Akutfälle ja anfallen. Die Anschaffung der MRI war aber an Vorgaben geknüpft. So hat der Regierungsrat die Schaffung einer kantonalen Tomographieabteilung gefordert, um so zu vermeiden, dass sich die Spitäler gegenseitig überbieten. Die Spitäler mussten ausserdem als Ausgleich teilweise auf andere Anschaffungen verzichten. So haben wir die Radiotherapie für die Onkologie dem Spital La Chaux-de-Fonds als einzige Einrichtung zugeteilt. Wie müssten die Entscheidungskompetenzen zwischen Bund und Kantonen verteilt sein, damit die Reformen im Gesundheitssystem beschleunigt werden können?


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zwischen Akut- und Grundpflege machen zu wollen. Ein einfaches System liegt viel eher im Interesse der Akteure. Also wird wieder der Verursacher zur Kasse gebeten? Ich sehe nicht, warum das nicht so sein soll. Pflegeheimbewohner bezahlen ihren Aufenthalt nach ihren verfügbaren Mitteln, über einen Pensionstarif. Kann jemand die Kosten nicht tragen, springt der Staat ein, wie dies heute auch der Fall ist. Niemand wird aus einem Pflegeheim ausgeschlossen. Alle tragen nach ihren Möglichkeiten bei. Hingegen kann ich nicht gutheis-

«In der Gesundheitspolitik muss zuerst eine Vertrauensbasis zwischen allen Akteuren geschaffen werden, bevor der nächste Schritt in Angriff genommen werden kann» Welche Pflegefinanzierung schlagen Sie für die ständig anwachsende ältere Bevölkerungsgruppe vor? Monika Dusong, Gesundheitsdirektorin Die GDK sieht keine massive Lasvon Neuenburg. tenverlagerung auf die Versicherungen oder die Kantone. Gemäss GDK «beteiligen» sich die Pflege- sen, dass der Staat Millionäre mit Steuerversicherer über die Pflegeheime an den geldern subventioniert. Kosten. Mit dieser Ansicht sind nicht alle einverstanden, aber es bildet eine Grund- Wenn Sie an der Stelle von Bundesrat Coulage, so dass noch über die Höhe die- chepin wären, welche Sofortmassnahmen ser Beteiligung verhandelt werden muss, würden Sie ergreifen, um die Kosten im damit sich für Versicherer und Kantone Gesundheitswesen einzudämmen? ein neutrales Ergebnis ergibt. Im Übri- Erstens würde ich schauen, wie es in der gen denke ich, dass es unrealistisch und Praxis konkret aussieht. Dann ein Hausnicht durchführbar ist, einen Unterschied arztsystem einsetzen. Zurzeit ist der Zu-

gang zu Spezialisten viel zu einfach. Die Rolle der Allgemeinmediziner muss gestärkt werden. Drittens wäre allgemein, aber besonders bei schwierigen medizinischen Fällen eine zweite Meinung zu fordern. Viertens sind die Arzneimittel zu teuer. Wenn die Forschungsarbeit bezahlt werden muss, muss dies anderweitig geschehen. Ich bin auch für Parallelimporte und dafür, dass Generika praktisch obligatorisch werden. Fünftens glaube ich, dass eine Einheitskasse zur Reduzierung der Kosten beiträgt, weil damit die im aktuellen System herrschende Konkurrenz zwischen den gleichen Produkten ausgeschaltet wird. Die Grundversicherung müsste zudem von den Zusatzversicherungen getrennt werden. Foto: Nicole Bulliard

Gemäss Verfassung obliegt die öffentliche Gesundheit den Kantonen, auch wenn der Bund das Gesundheitssystem am liebsten selber verwalten möchte. Die Gesundheitsplanung bewegt die Leute und ist für die Bevölkerung allgemein ein äusserst emotionales Thema. Was uns von Bern vorgeschlagen wird, hilft in keiner Weise. In der Gesundheitspolitik muss schrittweise vorgegangen werden, damit die getroffenen Entscheide in der Bevölkerung Anklang finden und nicht abgelehnt werden. Damit Entscheide letztlich von der Gesellschaft getragen werden, muss man respektvoll vorgehen und die Projekte begleiten. Dies erfordert aber allerdings etwas Zeit. Wir haben uns 1999 für eine Gesundheitsplanung entschieden. Sie wird in diesem Jahr vollständig umgesetzt sein. Das stufenweise Vorgehen bei der Umsetzung hat dabei sicher geholfen, die Wogen zu glätten. In der Gesundheitspolitik muss zuerst eine Vertrauensbasis zwischen allen Akteuren geschaffen werden, bevor der nächste Schritt in Angriff genommen werden kann. Auf nationaler Ebene müsste der GDK die Organisation der Spitzenmedizin übertragen werden.

Sie werden die Neuenburger Regierung bald verlassen. Welches sind Ihre grössten Erfolge im Gesundheitsbereich? Da sind zwei zu erwähnen. Ich habe erreicht, dass ein Gesamtarbeitsvertrag, der alle Berufe im Gesundheitsbereich miteinschliesst, abgeschlossen wurde. Dies erachte ich als meinen bedeutendsten Erfolg. Er hat enorm zur Beruhigung der Lage beigetragen. Dann betrachte ich den Spitalverbund als weiteren Erfolg. Der Vorschlag ist vom Kantonsrat mit grosser Mehrheit angenommen worden. Bleibt noch die Volksabstimmung über das Referendum zu gewinnen. Aber ich habe Vertrauen und glaube daran. Die Bevölkerung hat eingesehen, dass ein Überleben der Spitäler und die Sicherung der Pflegequalität in unserem Kanton nur so möglich ist. Welche schwierigen Aufgaben muss Ihr Nachfolger überneh-

men? Es gibt einige pendente Aufgaben, vor allem die Neuorganisation des Psychiatriebereichs, die weitere Umsetzung eines Diseasemanagementkonzepts, Einführung und Umsetzung des Spitalverbunds sowie die Restrukturierung des Spitexsystems. Insgesamt interessante und herausfordernde Aufgaben. Interview: Nicole Bulliard


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1. Luzerner Trendtage Gesundheit

Im Spannungsfeld zwischen Machbarkeit, Finanzierbarkeit und Ethik

Fotos: Caesar Perrig

Am 22./23. März 2005 haben im Kultur- und Kongresszentrum Luzern (KKL) die ersten Luzerner Trendtage Gesundheit mit rund 300 Teilnehmern stattgefunden. Die Veranstaltung hatte zum Ziel, den interdisziplinären Dialog zwischen allen Beteiligten in der Gesundheitsbranche zu fördern – namentlich zwischen Politik, Wirtschaft, Patienten, Leistungserbringern, Versicherern und Wissenschaft. Sie stand unter dem Titel «Machbarkeit – Finanzierbarkeit – Ethik» – Themenbereiche, die zwar direkt voneinander abhängig sind, in der Praxis aber noch allzu isoliert behandelt werden.

Prof. Dr. Gilberto Bestetti, VR-Präsident Novo Business Consultants.

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undesrat Couchepin betonte in seiner Rede, ein Gesundheitswesen mit Zukunft müsse vor allem auf Wettbewerb und auf Eigenverantwortung setzen, zwei wichtige Elemente in den Revisions-Vorschlägen des neuen Krankenversicherungsgesetzes (KVG). Er habe an BAG-Vizedirektor Hans-Heinrich Brunner den Auftrag erteilt, den Grundleistungskatalog zu überprüfen. Insgesamt brauche es aber auch eine verstärkte Koordination der Interessen und des Wissens zwischen allen Beteiligten, so Couchepin weiter. Hierbei seien die Kantone zentrale Partner als die

Christoffel Brändli, Ständerat, VR-Präsident santésuisse.

«ersten Akteure» der Schweizer Gesundheitspolitik.

Was können wir uns leisten? Der Präsident der Konferenz der Gesundheitsdirektorinnen und -direktoren, der Luzerner Regierungsrat Markus Dürr, betonte, dass die Finanzierung nicht mehr mit der Leistungs- und Kostenentwicklung Schritt halten könne. Angesichts des Wünschbaren oder Machbaren gelte es sich zu entscheiden, wo die zur Verfügung stehenden Mittel eingesetzt werden sollten, damit sie am meisten Nutzen erzielen. Als Alterna-

Prof. Dr. Stephan Krähenbühl, Chefarzt Klinik für Pharmakologie & Toxikologie, Universitätsspital Basel.

tive müsse sonst die Gesundheitsversorgung, die wir uns leisten wollen, definiert und dann die notwendigen Mittel dafür zur Verfügung gestellt werden.

Medizinischer Fortschritt: Nicht nur Fortschritt der Medizin Gesundheitsökonom Gerhard Kocher wies darauf hin, dass «Medizinischer Fortschritt» nicht nur wissenschaftlich und technisch verstanden werden dürfe, sondern auch Innovationen in der Struktur, Organisation und Finanzierung des Gesundheitswesens umfassen müsse.


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Prof. Paul Herrling, Forschungsleiter Novartis, hob mit Blick auf die ethischen Herausforderungen beispielsweise hervor, dass es an sich bereits unethisch sein könne, Forschungserfolge nicht in die Praxis umzusetzen. Die Frage, ob die Gesundheit unser höchstes Gut sei, wurde vom Sozial-Ethiker Markus Zimmermann mit Bezug auf Aristoteles dahingehend beantwortet, dass diese weder das absolut höchste Gut sei, noch sei sie eine notwendige Bedingung um ein gutes Leben zu führen. Wie dem auch sei: Die Schlussdiskussion des ersten Tages hat gezeigt, dass es keine Patentrezepte gibt, es braucht eine grundlegende Wertediskussion.

Ruf nach Rationierung Insgesamt waren sich die Diskussionsund Tagungsteilnehmer einig, dass eine gesamtheitliche Betrachtungsweise unumgänglich sei. Man komme nicht um die Rationierungsdiskussion herum. Diese müsse demokratisch, rational und transparent geführt werden: Es brauche einen gesellschaftlichen Konsens, die Erfahrungen anderer Länder seien zu berücksichtigen. Auch Franz Knieps, der Vertreter des Deutschen Bundesministeriums für Gesundheit, wies darauf hin, dass der grenzüberschreitende Erfahrungs- und Wissensaustausch, insbesondere zwischen Nachbarländern, künftig unerlässlich sei.

«neu» und «innovativ» – zwei paar Schuhe Der zweite Kongresstag war vor allem Präsentationen von neuen Möglichkeiten auf dem Gebiet der Medizin, Medizinaltechnik (Prof Dr. Gilberto Bestetti) , Osteosynthese (Röbi Frigg), Pharma (Prof. Dr. Klaus Lindpaintner), Biotechnologie (Dr. John DeLamarter) und Pharmakotherapie (Prof. Dr. Stephan Krähenbühl) gewidmet. Es wurde von den hochkarätigen Fachleuten aus diesen Gebieten dargestellt, dass aus dem Blickwinkel der Forscher erstaunlich viel machbar ist, diese Fortschritte für das Schweizer Gesundheitswesen und seine Kostenprobleme aber nur dann von Nutzen sein können, wenn man die neuen Errungenschaften – egal auf welchem Gebiet – auch bezahlen kann. Gilberto Bestetti definierte klar den Unterschied zwischen «neu» und «innovativ», was auf die gesamte Forschung angewendet werden kann: «neu» sei nur ein Mode-

wort und würde höhere Preise nicht rechtfertigen, «innovativ» könne durchaus Mehrwert bedeuten und damit auch einen höheren Preis rechtfertigen. Der Focus auf Kosten-Nutzen entfachte im Plenum immer wieder die Diskussion um eine Rationierung. Um diese ging es im letzten Teil des Kongresses, wo unter anderem Christoffel Brändli, Verwaltungsratspräsident santésuisse, einmal mehr die Alternativen der Versicherer vorbrachte: Aufhebung des Vertragszwangs, Straffung des Leistungsangebots in der OKP, Forderung nach mehr Eigenverantwortung der Versicherten usw.

Fazit In den Tagungsdiskussionen konnten keine fertigen Lösungen erarbeitet werden. Es hat sich aber bestätigt, dass der Anlass einen wertvollen Beitrag zur Versachlichung der brisanten und oft auch emotional geführten Diskussionen vor allem auch um die Rationierung und die Kostenfrage geleistet hat. Es zeigte sich, dass ein grosses Bedürfnis nach einem breit angelegten und fachübergreifenden Dialog um dieses Spannungsfeld besteht. Die Veranstalter waren zufrieden und haben gleichzeitig beschlossen, dass in einem Jahr die Tagung eine Fortsetzung findet. Caesar Perrig

Stellungnahme von Thomas Cueni, Geschäftsführer der Interpharma Arzneimittel: Im Zentrum steht der Nutzen Die Diskussion über Medikamentenpreise und -kosten greift zu kurz, wenn nicht auch der Nutzen neuer Arzneimittel berücksichtigt wird. Innert zehn Jahren wurden beispielsweise vier neue Generationen von HIV/AIDS Therapien entwickelt und enorme Fortschritte in der Behandlung von Krebs, Bluthochdruck und vielen anderen Krankheiten erzielt. Dank Fortschritten in der Arzneimitteltherapie werden wir heute nicht nur älter, sondern auch gesünder älter. Ausgaben für moderne Medikam e n t e sind eine Investition in weniger Pflegekosten. Innovative Therapien tragen dazu bei, Arztkosten oder Ausgaben im Spital oder Pflegeheim einzusparen. Die Therapie von Krebspatienten kann heute oft ambulant durchgeführt werden. Dass die Pharmaindustrie schuld sein soll, wenn Medikamente in der teilstationären oder ambulanten Behandlung zu Kostensteigerungen führen, während sie früher ohne Auswirkung auf die Prämie über die Spitalpauschale ab-

gerechnet wurden, ist allerdings eine der schwer zu erklärenden Merkwürdigkeiten in der Finanzierung unseres Gesundheitswesens. Der Preis neuer, kassenpflichtiger Medikamente wird vom Bundesamt für Gesundheit nach Anhörung der Eidgenössischen Arzneimittelkommission genehmigt. Berücksichtigt werden dabei der therapeutische Mehrnutzen, also die relative Wirksamkeit eines Medikaments im Vergleich zu anderen Medikamenten, aber auch die Preissituation im Ausland. Mit anderen Worten: eine Firma muss den Preis mit dem (Mehr-)Nutzen rechtfertigen, was auch aus Sicht der Patienten sicher sinnvoller ist, als wenn sie einfach höhere Kosten geltend macht. Tatsache ist aber auch, dass die Entwicklung eines neuen Medikaments heute rund eine Milliarde Franken kostet. Eine Milchbüchleinrechnung zeigt die Plausibilität dieser Zahl: Globale Pharmafirmen haben ein Forschungsbudget von mindestens vier Milliarden Franken und gelten als erfolgreich, wenn sie pro Jahr zwei bis drei neue Medikamente einführen. Nur die wenigsten Medikamente, die klinisch geprüft werden, bringen es bis zur Marktzulassung. Dass die Pharmaforschung risikoreich ist, zeigen die jüngsten Beispiele eindrücklich. Diese Risiken können Firmen nur auf sich nehmen, wenn Innovation weiterhin honoriert und geschützt wird.


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Finanzierungs-Problematik noch offen

Wer bezahlt das Mammografie-Screening? Jedes Jahr sterben in der Schweiz 1500 Frauen an Brustkrebs. Zwar lassen die Ergebnisse verschiedener wissenschaftlicher Studien noch keine definitiven Schlüsse über die Vorteile einer systematischen Früherkennung von Brustkrebs zu, aber die Kostenübernahme für solche Leistungen über zehn Jahre würde eine gute Beurteilungsgrundlage für die gesamte Schweiz bieten. Die Kosten für diese Gesundheitsleistung müssten aber nicht nur von den Krankenversicherern, sondern auch von der öffentlichen Hand getragen werden.

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währ für eine hoch stehende Qualität bei den Untersuchungen. In der Pauschale ist die Radiografie, Erstkonsultation sowie Zweit- und Drittkonsultation enthalten. Eine Drittkonsultation wird nur angeordnet, wenn die zwei vorgängigen zu unterschiedlichen Ergebnissen geführt haben. Dieses Vorgehen ermöglicht einerseits eine verlässliche Diagnose und trägt andererseits zur maximalen Reduzierung von Zusatzuntersuchungen bei.

Diagnostische Mammografie Für Frauen mit erhöhtem, genetisch bedingtem Krebsrisiko sieht das Gesetz eine Kostenrückerstattung für eine diagnostische Mammografie pro Jahr vor. Dies gilt bei Karzinomen bei Mutter, Tochter oder Schwester der Patientin. Die Rückerstattung erfolgt unabhängig vom Alter der Untersuchten. Im Gegensatz zur systematischen Screening-Mammografie un-

Foto: Prisma

ie systematische Screening-Mammografie ist per 1. Juli 1997 für Frauen ab 50 Jahren in den Pflichtleistungskatalog der Grundversicherung aufgenommen worden. Es handelt sich dabei um eine 10-jährige Versuchsphase bis zum 31. Dezember 2007 und mit der Bedingung, dass die Kantone ein systematisches Früherkennungsprogramm ausarbeiten und einsetzen. Bis heute haben dies nur fünf Kantone (GE, VD, VS, FR, JU) umgesetzt. Diese Leistung ist im Gegensatz zur diagnostischen Mammografie franchisefrei. Die Kantone Genf und Wallis haben sogar die Übernahme des Selbstbehalts vorgesehen, so dass die am Programm teilnehmenden Frauen sich finanziell in keiner Weise zu beteiligen haben. Mit der Übernahme aller Kosten soll eine möglichst hohe Beteiligung erreicht werden. Durch das Programm besteht auch Ge-

Die diagnostische Mammografie ist für Risiko-Patientinnen eine Pflichtleistung nach KVG.

terliegt die diagnostische Mammografie der Franchise.

Wer zahlt was? Die Frage, ob die Untersuchungskosten für die systematische Früherkennung vollumfänglich durch die Grundversicherung gedeckt werden, ist damit aber noch nicht beantwortet. Vorsorgemassnahmen zur Früherkennung von Brustkrebs wie die Mammografie oder Impfungen bei Kindern und Jugendlichen sind allgemeine Leistungen, die sich an die gesamte Bevölkerung richten, und zwar unabhängig vom gesundheitlichen Zustand der teilnehmenden Personen. Die daraus entstehenden Kosten ergeben sich dementsprechend nicht aus einem vom Patienten initiierten Schritt, sondern der Patient folgt in diesen Fällen einer Empfehlung, der übrigens naturgemäss nicht Folge geleistet werden muss. In solchen Fällen geht es in erster Linie um die öffentliche Gesundheit und somit um die gesamte Bevölkerung. Deshalb erscheint es als durchaus einleuchtend, dass die Kosten für solche im Rahmen der systematischen Früherkennung durchgeführten Programme und in diesem Zusammenhang erbrachten diagnostischen Leistungen durch die öffentliche Hand zu tragen sind. Aktuell liegt die Kompetenz zur Durchführung von Früherkennungsprogrammen bei den Kantonen. Das Eidgenössische Departement des Innern wird die Finanzierungsproblematik und die Kostenübernahme dieser Leistung für alle Frauen im Alter von 50 bis 70 Jahren neu prüfen müssen. Dies soll im Rahmen der Auswertung der bestehenden Programme im Laufe des Jahres 2007 geschehen. Didier Juillard, santésuisse Neuchâtel/Jura


GESUNDHEITSWESEN

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Studie: Nationales Krebsprogramm für die Schweiz 2005–2010

Krebs: Entscheidend sind Prävention und Früherkennung 15 000 Menschen sterben in der Schweiz jährlich an Krebs: Dies entspricht einem Viertel aller Todesfälle und macht die Krankheit zur zweithäufigsten Todesursache. Rund 40 Prozent aller Schweizer ereilt irgendwann in ihrem Leben die Diagnose Krebs. Das sind Fakten, die dem Nationalen Krebsprogramm 2005–2010 zugrunde liegen.

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ie breit angelegte Studie, die von Oncosuisse im Auftrag des Bundesamtes für Gesundheit (BAG) und der Konferenz der Gesundheitsdirektoren (GDK) verfasst wurde, behandelt von der Prävention bis zur Palliativpflege alle Aspekte der Krebsbekämpfung. Sie zeigt zudem auf, dass die Bedeutung der Krankheit in den kommenden Jahren noch zunehmen wird, wenn keine Gegenmassnahmen ergriffen werden. Die Wahrscheinlichkeit, an Krebs zu erkranken, ist je nach Region, Kanton und sozialer Schicht verschieden. Dafür sind einerseits Unterschiede im Lebensstil verantwortlich, sicher spielen aber auch unterschiedliche Ansätze in der Gesundheitspolitik eine Rolle, zum Beispiel in Prävention und Früherkennung. Zahlreiche Studien zeigen zudem, dass bestimmte Berufe ein erhöhtes Krebsrisiko mit sich bringen.

Entstehung wirksamer verhindern Die weitaus grösste Rolle bei der Krebsentstehung wird äusseren, beeinflussbaren Risikofaktoren zugeschrieben, wobei Tabakkonsum, ungesunde Ernährung, Bewegungsmangel, Alkoholmissbrauch sowie Belastungen durch Schadstoffe am Arbeitsplatz und aus der Umwelt besonders stark ins Gewicht fallen. Diese Ursachen können bekämpft werden. Gleichzeitig würden so auch andere – nicht übertragbare Krankheiten – seltener. Deshalb sollte das Krebspräventionsprogramm Teil eines integrierten Vorgehens sein, das in ein um-

fassendes Programm zur Gesundheitsförderung und Prävention mündet.

Zugang zur Früherkennung vereinheitlichen Je früher Krebs diagnostiziert wird, desto besser sind die Heilungschancen. Nachgewiesenermassen wirksam sind Früherkennungstests für Brust-, Muttermundund Darmkrebs und für Hautkrebs. Noch bestehen aber wesentliche Unterschiede im Zugang zur Früherkennung; bestimmte Bevölkerungsschichten sind über- und andere unterversorgt. Zudem mangelt es teilweise an Qualitätsrichtlinien. Angestrebt wird eine Institution auf nationaler Ebene, welche die auf kantonaler Ebene gewonnenen Daten zusammenführt und wissenschaftlich fundierte Empfehlungen formuliert. Wichtig für den Erfolg ist eine Gesetzgebung auf Bundesebene. Diese würde eine gemeinsame Grundlage für alle Kantone schaffen und es ermöglichen, die heutigen Ungleichheiten im Zugang zu Früherkennungsmassnahmen zu reduzieren. Zudem müsste eine umfassende und gut verständliche Information über Früherkennungstests vorangetrieben werden, zum Beispiel im Rahmen der genetischen Beratung.

Alle sollen Zugang zu Palliative Care haben Es ist ein Ziel des Nationalen Krebsprogramms, dass alle Krebspatienten in der Schweiz nach Bedarf und ohne finanzielle Zusatzleistungen Zugang zu «Palliative

Nationales Krebsprogramm für die Schweiz 2005–2010. Autoren Doris Schopper, Reto Obrist. Gesamtkoordiantion: Reto Obrist. 120 Seiten. Herausgeber: Oncosuisse, Effingerstrasse 40, 3008 Bern, E-Mail: info@oncosuisse.ch

Care» haben. Nicht zu verkennen ist, dass die psychosoziale Versorgung von Krebspatienten starken finanziellen Druck bedeutet. Vermutlich wird es ab 2010 keine Subventionen mehr nach dem IVG geben, und es ist unklar, wer künftig dieses notwendige Unterstützungsangebot finanzieren wird. Gemäss Programm sollen die grössten Defizite durch eine Bündelung der Ressourcen behoben werden. Dem Bund ist im Übrigen die Aufgabe zugedacht, krebsbezogene Forschung in allen Bereichen auch weiterhin finanziell und strukturell zu unterstützen.

Wie weiter ? Wie Professor Giorgo Noseda, der Präsident von Oncosuisse als nationaler Dachorganisation der «Krebsliga Schweiz», des «Schweizerischen Instituts für klinische Krebsforschung» und des «Institut Suisse de Recherche Experimentale sur le Cancer» feststellt, sind sich die Organisationen sowie die Kantone über die Zielsetzungen des Programms einig: Die Krebshäufigkeit, Krebssterblichkeit und das mit dieser Krankheit verbundene Leiden wirksam zu vermindern. Für die Umsetzung des Programms sind jedoch der politische Wille und eine Anstossfinanzierung erforderlich. Josef Ziegler


service Für einen besseren Einblick: Studien auf santesuisse.ch Informationen über das Gesundheitssystem gibt es viele, und bei weitem nicht alle sind fundiert. santésuisse versucht, auf die dringenden Fragen im Gesundheitswesen objektive Antworten zu geben. Deshalb verfassen ihre Ökonomen Studien zu brennenden Themen oder erteilen anderen Wissenschaftlern Aufträge, dies zu tun. Diese Forschungsergebnisse sind unter www.santesuisse.ch in der Rubrik «Zahlen und Fakten» zugänglich. Unter anderem finden Sie dort Arbeiten über die Verwaltungskosten der Krankenversicherer, einen Vergleich der Gesundheitssysteme der Schweiz und der Niederlande, eine Analyse des Systems der Krankenpflegeversicherung der ETH-Konjunkturforschungsstelle sowie eine Auseinandersetzung mit der Plaut-Studie zum Nutzen unseres Gesundheitssystems.

Vor allem für Kinder und Jugendliche wichtig

Nationale Kampagne zur Allergie-Prävention Das schweizerische Zentrum für Allergie, Haut und Asthma aha! führt 2005 eine Informationsund Präventionskampagne zum Thema «Allergiekarriere» durch. Weil allergisch veranlagte Kinder häufig eine allergisch bedingte Krankheit nach der anderen, also eine regelrechte Allergikerkarriere, durchmachen, liegt der besondere Schwerpunkt bei der Allergieprävention bei Säuglingen, Kleinkindern und Jugendlichen. Dazu gibt es kostenlose Broschüren zu den gängigen Allergien (Bestellung siehe unten). aha! wird auch Standaktionen durchführen: Am 20 und 21. Mai ist es am GP Bern zu Gast, am 28. Mai am Tag der offenen Tür der Dermatologischen Klinik des Unispitals Zürich, am 21. August am autofreien Erlebnistag slowUp am Sempachersee sowie am 28. August am slowUp am Bodensee. Wie schützt man Risikokinder, deren Eltern und Geschwister Allergien haben? Neben Selbstverständlichkeiten wie dem Verzicht auf das Rauchen während

Foto: Peter Kraft

Suchen Sie eine vertiefte Auseinandersetzung mit dem Gesundheitssystem?

der Schwangerschaft und in der Gegenwart der Kinder sind vor allem allergiegeprüfte Milchpräparate für Mütter, die nicht stillen können, wichtig. Beikost sollte das Kind erst nach dem 6. Lebensmonat, allergene Lebensmittel wie Kuhmilch oder Nüsse erst nach dem ersten Lebensjahr erhalten. Sehr wichtig ist eine hausstaubarme Einrichtung – Parkettboden etwa ist dem Teppich vorzuziehen. Dazu

gehört auch das regelmässige Lüften, weil dies die Bedingungen für Staubmilben verschlechtert. Pragmatisches Vorgehen ist bei Haustieren angesagt: Lebt schon ein gefiederter oder behaarter Freund in der Wohnung, muss er nicht zwingend weggegeben werden. Jedoch sollten betroffene Familien keine neuen Haustiere anschaffen. Bestellen der Broschüren: 031 359 90 00 oder info@ahaswiss.ch

Helsana und CSS blicken auf ein erfolgreiches 2004 zurück

Erfreuliche Jahresabschlüsse bei den zwei grössten Krankenversicherern Die beiden grössten Krankenversicherer der Schweiz, die Helsana und die CSS, haben für das Jahr 2004 jeweils erfreuliche Jahresabschlüsse vorgelegt. Die CSS konnte einen Gewinn von 65 Millionen Franken ausweisen, der vollumfänglich den Reserven zugewiesen wird. Die CSS wird somit keinen Prämiennachholbedarf haben, um die Reserven aufzustocken. Die Zahl der KVG-Versicherten stieg bei der CSS um 13 500 auf 986 000. Die Helsana steigerte ih-

ren Überschuss auf 116 Millionen Franken, im Vergleich zu 107 Millionen Franken im Vorjahr. Auch sie konnte ihre Reserven weiter stärken. Finanzchef Philippe Signer führte das positive Ergebnis unter anderem auf die weitere Intensivierung der Rechnungskontrolle, die mittlerweile zu Einsparungen von 250 Millionen Franken führe, zurück. Konzernchef Manfred Manser forderte in seiner Ansprache mehr Wettbewerb im Medikamentenbereich

– unter anderem durch die Zulassung von Parallelimporten. Zudem beklagte er den fehlenden Reformwillen in der schweizerischen Gesundheitspolitik, der davon herrühre, das sich Leistungserbringer, Pharmaindustrie und Kantone mit dem bestehenden System arrangiert hätten und jeder mit seinem Anteil vom Kuchen zufrieden sei. Eine breite Übersicht über das Geschäftsjahr der Krankenversicherer folgt in der infosantésuisse-Ausgabe vom Juli.


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Veranstaltungen Veranstalter

Besonderes

Datum/Ort

Weitere Informationen

21. April 2005 Hotel Schweizerhof Luzern

www.unilu.ch

22. April 2005 Zürich-Altstetten

www.sbgrl.ch

28. April 2005 Swissotel Zürich-Oerlikon

www.swissict.ch

12. Mai 2005 Kongresshaus Zürich

www.rvk.ch

25. Mai 2005 World Trade Center, Zürich

www.fmc.ch

2. Zentrumstag Luzern: Spitalfinanzierung Rechtswissenschaftliche Fakultät, Zentrum für Sozialversicherungsrecht Luzern

Es referieren u.a. BAG-Vizedirektor Dr. Hans-Heinrich Brunner, der Luzerner Gesundheitsdirektor Dr. Markus Dürr und der Gesundheitsökonom Dr. Willy Oggier.

Alles Pflege oder was? Fachkongress für Pflegende Schweizer Berufs- und Fachverband der Richtet sich ans Pflege-Fachpersonal Geriatrie-, Rehabilitations- und Langzeitpflege Anwenderforum ehealth 05: Elektronische Patientenkarte und Gesundheitskarte SwissICT

Richtet sich an Fachspezialisten und Interessierte, die sich einen Überblick über den Stand der Dinge medizinischer Informationssysteme verschaffen wollen.

7. Schweizerisches Forum der sozialen Krankenversicherung RVK Rück

Exponenten aus Politik und Wissenschaft diskutieren das Modell der Volkspflegeversicherung

Hot Spots und Konfliktfelder in der Gesundheitssteuerung Fachreferate am Morgen, Workshops am Nachmittag

Zeichnung: Marc Roulin

Forum Managed Care

Wie schafft der SVK die klassische win-win-Situation zwischen den Akteuren im Gesundheitswesen? Lesen Sie mehr dazu auf den Seiten 12 bis 13.


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SANTÉSUISSE – SERVICE infosantésuisse 4 / 05

Neue Regelung im Inkontinenzhilfenbereich Den nachfolgenden Text haben wir zur Information auch den Dachverbänden H+, FMH, Forum für stationäre Altersarbeit, dem Spitexverband Schweiz sowie dem SBK (Schweizer Berufsverband der Pflegefachfrauen und Pflegefachmänner) zugestellt mit der Bitte um Orientierung ihrer Mitglieder. Der Bereich der aufsaugenden Inkontinenzprodukte jeder Art, inkl. Netzhosen und Krankenunterlagen einweg und mehrweg, ist in der MiGeL seit dem 1. Januar 2005 neu strukturiert. Neu ist, dass anstelle der früheren Einzelprodukte-Regelung drei Inkontinenzstufen eingeführt wurden mit entsprechenden Höchstvergütungsbeträgen (s. Tabelle). Wichtig: die Grösse der Produkte, bzw. ihre technischen Werte (z.B. ISO-Saugleistung, Rücknässungswert, Sauggeschwindigkeit) haben nichts mit der Einstufung der Patienten in die Inkontinenzgrade zu tun. Die Einteilung der Patienten in die Inkontinenzstufen erfolgt aus rein medizinischer Sicht. Die «leichte Inkontinenz» bzw. die so genannte Stressinkontinenz (Urinverlust < 100 ml/4h, bei bestimmten Belastungssituationen wie Niesen, Husten, Lachen oder Sport) stellt keine Krankheit im Sinne des KVG dar. Kleine Inkontinenz-Einlagen sind deshalb nicht in der MiGeL aufgeführt. Die Kostenübernahme der Inkontinenzhilfen erfolgt daher erst ab mittlerer Inkontinenz unter Berücksichtigung der Limitation (wie bisher). Die einzelnen Inkontinenzstufen sind im Vorspann zur MiGeL (auf Seite 18) aufgeführt

(http://www.bag.admin.ch/kv/gesetze/d/ migel_010105.pdf) Die bisher unter den MiGeL-Positionsnummern 15.01 eingesetzten Netzhosen sowie die unter 15.03 und 15.07 figurierenden Rechteckvorlagen/Krankenunterlagen, einweg bzw. mehrweg sind in den Höchstvergütungsbeträgen (HVB) pro rata inbegriffen. Der Grund wieso die Einzel-Höchstvergütungsbeträge für die Rechteckvorlagen/ Krankenunterlagen trotzdem beibehalten worden sind, liegt an der vielseitigen Verwendungsmöglichkeit dieser Unterlagen, die nicht nur im Falle von Inkontinenz, sondern auch bei verschiedenen Krankheiten und zur Wundbehandlung benötigt werden. Es wird davon ausgegangen, dass ein Patient, der neu dranginkontinent geworden ist, in aller Regel der ersten Stufe für mittlere Inkontinenz zugewiesen wird (max. Fr. 1000.– 15.01.01.00.1 *

pro Jahr und Patient). Diese Pauschale genügt durchaus bei richtiger Anwendung der passenden Inkontinenzprodukte von guter Qualität und geeigneter Grösse. Ein Patient kann in selteneren Fällen auch von Anfang an schwer oder gar total inkontinent sein und aus medizinischer Sicht vom Arzt entsprechend eingeteilt werden. Der Sinn der neuen Regelung besteht jedoch nicht darin, dass nach geldmässiger Ausschöpfung der mittleren Pauschalen (beispielsweise durch Bezug von zu teuren oder ungeeigneten Inkontinenzhilfen) einfach ein Upgrade in die nächsthöhere Pauschalstufe erfolgen/verordnet werden kann. Die Krankenversicherer verfügen über Verträge, die den Bezug von Inkontinenzhilfen in hoch stehender Qualität zu günstigen Preisen garantieren. Sie informieren gerne über geeignete Bezugsquellen. (TS/JPB)

Material für mittlere Inkontinez (Urinverlust 100 – 200 ml/4h) Dranginkontinenz, gemischte Inkontinenz. Abgang von mittleren bis grösseren Mengen in unregelmässigen Abständen bei Belastungen und starkem Harndrang mit nicht mehr beherrschbarem Urinabgang.

15.01.02.00.1 *

Material für schwere Inkontinenz (Urinverlust > 200 ml/4h) Dranginkontinenz, Reflexinkontinenz (neurogen, pathologischer spinaler Reflex, ohne Gefühl für Harndrang). Plötzliche, vollständige Blasenentleerung mit grossen Mengen.

15.01.03.00.1 *

Material für totale Inkontinenz Unkontrollierbarer Abgang von Harn und Stuhl.

pro Jahr (bzw. pro rata zu berechnen) und Patienten: max. Fr. 1000.–

pro Jahr (bzw. pro rata zu berechnen) und Patient: max. Fr. 1500.–

pro Jahr (bzw. pro rata zu berechnen) und Patient: max. Fr. 3000.–

* Limitation: siehe MiGeL 15.1 – Die bisherige Limitation hat auch mit der neuen Regelung nach wie vor ihre volle Gültigkeit.

Dauerrezepte im MiGeL-Bereich Gemäss Artikel 32 KVG müssen alle Leistungen, die von den Krankenversicherern zu vergüten sind, wirksam, zweckmässig und wirtschaftlich sein. Die Einhaltung dieser Kriterien sowie die Aufrechterhaltung der Qualität der Leistungen sind nur dann gewährleistet, wenn die Erfüllung dieser Voraussetzungen periodisch überprüft werden kann. Bei einem Dauerrezept ist dies à priori nicht möglich. Grundsätzlich wird davon ausgegangen, dass jede einzelne Leistung im MiGeL-Bereich einer ärztlichen Anordnung bedarf und die erwähnten Kriterien später (wiederholt) zu überprüfen sind. In Fällen stabiler chronischer Erkrankungen (wo keine Verbesserungen erwartet werden können, wie z.B. bei Gliederverkürzungen) sind Dauerrezepte, durchaus sinnvoll und wirtschaftlicher. Diese Fälle müssen indessen laut BAG klar definiert und begrenzt sein. Und selbst da ist eine vom Arzt definierte, sporadische Überprüfung der Therapie angezeigt (TS/JPB)


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