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info santĂŠsuisse Die Versicherten
Das Magazin der Schweizer Krankenversicherer
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Gewinnen die Interessen der Versicherten durch die Krise an Boden?
Sie wissen, wo der Schuh drückt: Die Ombudsstelle fühlt direkt den Puls der Versicherten
Parallelimporte: Das sind die Erfahrungen aus der EU
Inhalt Schwerpunkt 4 Gewinnen die Interessen der Versicherten durch die Krise an Boden? 6 Sie wissen, wo der Schuh drückt: Die Ombudsstelle fühlt direkt den Puls der Versicherten 8 Dr. Charles Giroud, Präsident des RVK: «Die kleinen Versicherer stabilisieren das System» 10 Parallelimporte: Das sind die Erfahrungen aus der EU 12 Prämienverbilligungen: Fluch oder Segen für das System? 14 Für zehn Minuten Behandlung 29 Minuten bezahlen? Krankenversicherung 16 Haben Sie sich schon für infosantésuisse online registriert? 17 Fünf Fragen an: Hans-Ueli Regius, Generaldirektor der SWICA Gesundheitsorganisation 18 11. Forum der sozialen Krankenversicherung in Zürich 20 Grafik des Monats Juni: Kantone mit hoher Facharztdichte haben meist hohe Prämien 21 Nationaler Gesundheitsbericht fordert: Ungleichheiten abbauen 22 Bild des Monats: Unbeugsame Kämpfernatur von königlichem Gebahren Klipp&klar 23 Leistungen der Grundversicherung Service 24 Starker Rückgang der Kindersterblichkeit seit 1990 24 EU-Gesundheitsminister: Gesundheitsversorgung darf nicht unter Wirtschaftskrise leiden 25 Neue Methode vermeidet offene Operation am Herzen 25 Frankreich: Kein Gesetz zur Heimarbeit 26 Schweizerische Umfrage zum Tabakkonsum 26 News aus aller Welt 27 Veranstaltungen 27 Mr. Raoul
Nr. 5, juni 2009. Erscheint zehnmal jährlich Abonnementspreis Fr. 69.− pro Jahr, Einzelnummer Fr. 10.− Herausgeber und Administration santésuisse, Die Schweizer Krankenversicherer, Römerstrasse 20, Postfach, 4502 Solothurn Verantwortliche Redaktion Peter Kraft, Abteilung Politik und Kommunikation, Postfach, 4502 Solothurn, Tel. 032 625 42 71, Fax 032 625 41 51, E-Mail: redaktion@santesuisse.ch Herstellung: Rub Graf-Lehmann, Murtenstrasse 40, 3001 Bern Gestaltungskonzept: Pomcany’s Layout: Henriette Lux Anzeigenverwaltung: Alle Inserate − auch Stelleninserate − sind zu richten an: «infosantésuisse», Römerstrasse 20, Postfach, 4502 Solothurn E-Mail: redaktion@santesuisse.ch Abonnementsverwaltung Tel. 032 625 42 74, Fax 032 625 41 51 Homepage: www.santesuisse.ch Titelbild: Heiner Grieder, Langenbruck (BL) ISSN 1660-7228
Aus Kosten werden Prämien
Fünf Monate und fast ebenso viele runde Tische sind vergangen, seit santésuisse Anfang Jahr vor einer happigen Prämienrunde gewarnt hat. Anfänglich als unseriös verschrien, zeigt sich nun, dass die Berechnungen der Taskforce «Kostenentwicklung» alles andere als an den Haaren herbei gezogen waren. Das Bundesamt für Gesundheit (BAG) geht in der Zwischenzeit für 2010 von einer durchschnittlichen Prämienerhöhung von 15 Prozent aus. In einzelnen Kantonen rechnet das BAG sogar mit 20-prozentigen Erhöhungen. Während jetzt wenigstens Klarheit darüber herrscht, wie es um die allgemeine finanzielle Lage unseres Krankenversicherungssystems steht und dass kein Weg daran vorbei führt, den Prämienzahlenden die aktuelle Lage klipp und klar zu erklären, ist in der Politik eine gewisse Ratlosigkeit spürbar. Das zeigt sich an hilflosen Erklärungsversuchen, wie es überhaupt so weit kommen konnte. Schuld am Schlamassel hätten Kapitalanlageverluste der Versicherer, wird etwa moniert. Oder die Mehr-Markenstrategie vereinzelter Versicherer. Oder (zu) hohe Provisionen für Versicherungsmakler. Nur ganz vereinzelt dringt der wahre Grund für die aktuelle Lage durch: die stetig steigenden Gesundheitskosten und die Vollkaskomentalität in der obligatorischen Grundversicherung. Natürlich trifft es zu, dass die globale Finanzkrise 2008 Spuren in unseren Jahresrechnungen hinterlassen hat. Und der Wettbewerb unter den Krankenversicherern setzt die Prämien für den Schutz gegen die finanziellen Risiken von Krankheit, Unfall, Mutterschaft und Alter tatsächlich stark unter Druck. Das ist zunächst einmal eine gute Sache für die Prämienzahlenden und obendrein eine logische und gewollte Folge der von Politik und Behörden definierten Spielregeln. Das gilt im Übrigen auch für die Maklergebühren. Man kann nicht Wettbewerb wollen und die Marktteilnehmer dafür kritisieren, dass sie den Wettstreit und die damit verbundenen Spielregeln ernst nehmen. Man kann aber das Grundproblem unseres Gesundheitswesen bei den Wurzeln packen und auf die Mengen- und Preisausweitung einwirken, anstatt vor ihr zu kapitulieren. Nur wenn wir die Kostenentwicklung in den Griff bekommen, lassen sich die Prämien nachhaltig eindämmen. Alles andere ist Augenwischerei. Es wäre daher an der Zeit, dass alle Beteiligten die wahren Herausforderungen annehmen und Massnahmen auf der Kostenseite ernsthaft angehen. santésuisse hat dem Bundesrat dazu ein ganzes Bündel von konstruktiven Vorschlägen gemacht. Damit lässt sich zwar kaum mehr die Prämienrunde 2009/2010 dämpfen, wohl aber jene in den Folgejahren.
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Manfred Manser Vizepräsident santésuisse
Die aktuelle, schwierige Situation bietet durchaus die Chance, dass sich die Akteure einander annähern
Gewinnen die Interessen der Versicherten durch die Krise an Boden?
Hoffnungsschimmer gibt es: Vor kurzem sind Parlamentarier aus allen vier grossen Bundeshausfraktionen gemeinsam vor die Medien getreten und haben Massnahmen für tiefere Medikamentenpreise vorgestellt. Verena Diener (GLP), Simonetta Sommaruga (SP), Claude Ruey (FDP) und Christoffel Brändli (SVP) fordern einen genaueren Auslandsvergleich bei der Preisfestsetzung, regelmässige Überprüfungen und gegebenenfalls Senkung der Preise sowie einen wirksameren differenzierten Selbstbehalt bei Generika. Neben den Politikern haben sich diverse Verbände aus Detailhandel, Konsumentenschutz und Krankenversicherung – darunter auch santésuisse – zum «Forum für Parallelimporte und höhere Kaufkraft» zusammengetan. Dieses Forum verfolgt ebenfalls das Ziel tieferer Medikamentenpreise. Es hat bereits die Lancierung einer Volksinitiative angekündigt, wenn per Januar 2010 keine substanziellen Preissenkungen in Kraft treten. Kraft der Allianzen versus Einzelinteressen
Ein weiteres Beispiel: Die Kantone (GDK) und die Krankenversicherer (santésuisse) haben sich zusammengetan, um die unangenehme Situation zu klären, welche durch die so genannte «Leistungssistierung» entstanden ist. Eine neue Bestimmung im KVG erlaubt es den Krankenversicherern nämlich, säumigen Prämienzahlenden mit Ausnahme von Notfällen alle Rückvergütungen zu verweigern. Ziel dieser Massnahme sind Versicherte, welche die Prämien nicht bezahlen wollen – doch es leiden gelegentlich auch Menschen darunter, welche die Prämien tatsächlich nicht bezahlen können. Versicherer und Kantone hatten sich beinahe auf eine Lösung geeinigt, als die Kantone den Verhandlungstisch verliessen – weil santésuisse auf ihrer Forderung beharrte, dass die Prämienverbilligungen in Zukunft direkt an die Kassen ausbezahlt werden. Das zeigt einerseits die Möglichkeiten auf, welche Allianzen unter den Akteuren bieten: Die Verhandlungen zwischen Kantonen und Kassen sind so weit gediehen, dass der Bundesrat das Ergebnis als Basis für seine Botschaft ans Parlament verwenden kann. Andererseits zeigt das Beispiel auch die Macht der Eigeninteressen: Kurz vor Verhandlungsabschluss haben sie die Oberhand gewonnen und ein endgültiges Ergebnis verhindert.
Foto: Prisma
Die Krankenkassen nehmen für sich in Anspruch, die Versicherten – und damit die Bevölkerung – zu vertreten. Nur: Denselben Anspruch haben andere Interessensgruppen im Gesundheitswesen auch. Wenn also alle die Versicherten vertreten, müssten sich die Akteure doch gerade in der jetzigen Krisensituation zusammenraufen und gemeinsam nach Lösungen suchen. Doch die Sache mit den Partikulärinteressen und dem Gemeinwohl ist nicht ganz so einfach.
Es gibt keine «Übermächtigen»
Allianzen brauchen Zeit, um Lösungen zu finden. Und sie sind brüchig. Darum sind sie in der akuten Krise, die wir im Augenblick erleben, nicht das einzige probate Mittel. Die Akteure überbieten sich gegenseitig mit mehr oder weniger ausgegorenen Ideen und versuchen, auch im Alleingang Lösungen durchzusetzen. santésuisse beispielsweise hat das mit der Ankündigung getan, auf 2010 hin bestehe kein Verhandlungsspielraum für Tariferhöhungen. Gerade wegen solchen Schritten stehen die Krankenversicherer in der Kritik. Zu gross sei ihre «Macht», und sie würden sich, wie in diesem Beispiel, geradezu behördliche Kompetenzen anmassen. Dabei nutzen die Versicherer lediglich den engen Spielraum, der ihnen das System lässt. Denn mit der Handlungsfreiheit der Krankenversicherer ist es nicht weit her – geschweige denn mit ihrer angeblichen Machtstellung. Der Spielraum ist eng
Die Medikamentenpreise sind das beste Beispiel dafür. santé suisse setzt sich seit Jahren für tiefere Preise ein. Dank den Auslandpreisvergleichen konnte der Krankenkassenverband auch einiges an Druck aufbauen. Doch die Preise legt der Staat fest, genauso wie Schritte zur Preissenkung. Zwar haben die Versicherer die Möglichkeit, mit den Herstellern tiefere Preise als die vom Staat beschlossenen auszuhandeln, und sie machen von dieser Möglichkeit auch Gebrauch. Diese Verhandlungen flächendeckend zu führen und damit
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Die Versicherten: Raufen sich die Akteure nun in deren Interesse zusammen?
substanzielle Kosteneinsparungen zu erzielen, ist bei etwa 3000 Medikamenten auf der Spezialitätenliste ein Ding der Unmöglichkeit. Weiter: Die hohen Überkapazitäten bei den Spitälern können die Versicherer zwar anprangern – der Ball liegt aber bei den Kantonen. Die Versicherer können ihren Kunden Managed Care-Modelle anbieten – aber sie haben wenig Möglichkeiten, ihre Versicherten an diese Modelle zu binden, sei es durch positive Anreize oder durch Mehrjahresverträge. Die Versicherer können noch so laut nach Qualitätssicherung und Transparenz rufen – solange die Leistungserbringer nicht zum gemeinsamen Erarbeiten von Kriterien und zur Weitergabe der nötigen Angaben bereit sind, passiert nichts. Die Versicherer können lange für die Förderung der Hausarztmedizin einstehen. Solange aber jeder Spezialist in der Schweiz über die Krankenkassen abrechnen kann und die Hausärzte selber sich weigern, die Interessen ihrer hochdotierten Kollegen anzukratzen, wird sich die Situation kaum verbessern. Diese wenigen Beispiele zeigen klar auf: Die Krankenversicherer können wohl Lösungen präsentieren oder ihre Verhandlungsposition markieren. Um wirklich etwas zu bewegen sind sie aber – wie alle anderen – auf Partner angewiesen.
und Vorschläge möglichst schnell (und möglichst laut) kund tut. Längerfristig kann das aber nicht der Weg sein. Die Prämienkrise, in der wir uns jetzt befinden, zeigt klarer denn je: Unser Gesundheitssystem ist trotz all seiner Vorteile revisionsbedürftig. Alle Akteure, auch die Versicherten und Patienten, leben letztlich gut davon und haben ein Interesse daran, es in seinen heutigen Grundzügen zu erhalten. Das wird nur dann möglich sein, wenn wir die Spirale der massiv steigenden Kosten durchbrechen. Gut möglich, dass die Krise den Akteuren einen Ruck gibt und sie zusammenschweisst. Eigentlich bleibt ihnen gar keine andere Wahl – sowohl im Interesse der Versicherten als auch im eigenen Interesse. Denn ohne Alliierte, das hat die Vergangenheit klar gezeigt, ist es kaum möglich, ein Reformanliegen durchzubringen. Und das ist auch gut so, denn: Wenn mehrere Partner einer Lösung zum Durchbruch verhelfen, ist sichergestellt, dass sie nicht ausschliesslich Einzelinteressen dient. peter kraft
Gemeinsame Interessen, gemeinsame Lösungen
Es ist klar, dass in der jetzigen Krise rascher Handlungsbedarf herrscht. So ist auch verständlich, dass im Moment kaum Zeit für Grundsatzdebatten ist und jeder Akteur seine Ideen
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Zu Besuch bei der Ombudsstelle Krankenversicherung in Luzern
Sie wissen, wo der Schuh drückt: Die Ombudsstelle fühlt direkt den Puls der Versicherten «Wir sind eine Art Fiebermesser für die Versicherten», sagt Rudolf Luginbühl, der Ombudsman der Krankenversicherung. Zusammen mit seinem Team beantwortet er Anfragen von Versicherten und klärt Streitigkeiten zwischen Krankenkassen und Patienten. Er stellt fest, dass die Fehlentscheide bei den Krankenkassen abnehmen. Die Sensibilität bei den Versicherten hingegen wird immer grösser.
«Die Wirtschaftskrise und die mediale Berichterstattung darüber haben sich sofort in den Anfragen gespiegelt, die wir erhalten haben.» Die Sensibilität und die Ängste der Versicherten seien grösser geworden, stellt Rudolf Luginbühl fest. Insbesondere pointierte Aussagen über bestimmte Krankheitsbilder oder Versichertengruppen – zum Beispiel Übergewichtige oder ältere Menschen – vertrage es im Moment kaum. «Das wird in der gegenwärtigen Situation schnell einmal als Schritt in Richtung Entsolidarisierung empfunden.» Rudolf Luginbühl und sein Team spüren das in den Reak tionen der Versicherer, die zuweilen ziemlich geladen seien. «Gerade in der jetzigen Situation, wo noch die happigen Prämienerhöhungen hinzu kommen, müssen die Krankenversicherer aufpassen, dass sie nicht wie die Banken zu einem Feindbild werden.» Versicherer können noch besser informieren
Dabei zieht Rudolf Luginbühl aus seiner Tätigkeit eine positive Bilanz: «Anfragen, die auf Fehler der Krankenversicherer beruhen, sind in den letzten Jahren eher zurückgegangen.» Seltener seien auch grundsätzliche Rechtsfragen geworden: «Dank der Rechtssprechung und eines ausführlichen juristischen Kommentars passieren immer weniger rechtliche Fehler». Diese gibt es vor allem dort, wo kürzlich neue Vorschriften in Kraft getreten sind – etwa bei den Prämienausständen und der Leistungssistierung. «Es ist zum Beispiel noch nicht geklärt, ob ein Privatkonkurs einen Leistungsaufschub verhindert.» Ein grosser Teil der Anfragen gründet laut Luginbühl auf Informationsdefiziten bei den Versicherten. In solchen Fällen müsse die Ombudsstelle keine Lösungen finden, sondern die Zusammenhänge erklären. Was können
Ombudsstelle Krankenversicherung
Der Stiftungsrat der Ombudsstelle hat entschieden, den Namen von «Ombudsstelle der sozialen Krankenversicherung» in «Ombudsstelle Krankenversicherung» zu ändern. Er will damit zum Ausdruck bringen, dass die Ombudsstelle auch für die Belange der Zusatzversicherung zuständig ist. Das war zwar immer schon so, seit der Einführung des KVG gehören die Zusatzversicherungen jedoch nicht mehr zur Sozialversicherung.
die Krankenkassen tun, damit ihre Versicherten besser informiert sind? Rudolf Luginbühl schlägt vor, beim direkten Kundenkontakt anzusetzen: «Wenn Versicherer Erklärungen abgeben, sollten sie das adressatengerecht tun. Das bedeutet zum Beispiel, dass es auch von der Standardkorrespondenz mehrere Varianten geben sollte oder dass Standardbriefe je nach Fall oder Empfänger zusätzlich ergänzt werden. Wenn das nicht geschieht, landen die Versicherten häufig bei uns, weil sie aus den Informationen der Krankenkasse deren Beweggründe nicht nachvollziehen können.» Viele Anfragen drehen sich um Zahnbehandlungen, die Franchise bei Mutterschaft, Behandlungen im Ausland, Arbeitsunfähigkeit oder ums Inkasso. Ein schnell aufgeklärter Irrtum
Urs Eigensatz, Leistungsspezialist der Ombudsstelle, berät gerade eine aufgeregte, ältere Versicherte. Sie war bei ihrem Gynäkologen in Behandlung. Der Arzt berechnete neben dem normalen gynäkologischen Untersuch auch einen Ultraschall. Die Versicherung hat die Rechnung über die obligatorische Krankenversicherung bezahlt und dabei die Leistungen an die Franchise angerechnet. Die Versicherte möchte, dass der Ultraschall über ihre Zusatzversicherung abgerechnet wird, weil sie dort keine Franchise bezahlen muss. Vor drei Jahren habe das auch funktioniert, wieso solle das nun plötzlich nicht mehr möglich sein? Diese scheinbar berechtigte Beschwerde kann Urs Eigensatz entkräften: Die Versicherung mache nicht jetzt einen Fehler, sondern habe ihn vor drei Jahren begangen. Der Ultraschall hätte auch vor drei Jahren nicht über die Zusatzversicherung abgerechnet werden dürfen, weil er im konkreten Fall eindeutig eine unter die Kostenbeteiligung fallende Leistung der Grundversicherung ist. Die zu Beginn ziemlich aufgebrachte Patientin beruhigt sich schnell wieder. Sie erkennt, dass sie vor drei Jahren Glück hatte – und nicht etwa jetzt ungerecht behandelt wird. Menschliche und fachliche Qualitäten sind gleichermassen wichtig
Neben dem fundierten Fachwissen fallen bei den Mitarbeitenden der Ombudsstelle die verständnisvolle und ruhige Art auf, in der sie mit den Ratsuchenden umgehen. Urs Eigensatz bestätigt, dass für seine Arbeit fachliche und menschliche Qualität gleichermassen wichtig sind. Dies – und eine gesunde Portion Vorsicht. «Direkte Auskünfte am Telefon gebe ich nur, wenn die Sachlage glasklar ist, so wie im vorigen Fall.» Ansonsten sei es besser, von den Versicherten die schriftlichen Unterlagen einzufordern und nötigenfalls auch die Kasse zu kontaktieren. Rudolf Luginbühl bestätigt das: «Wenn die Leute wollen, dass wir ihr Problem lösen, müssen sie uns die Dossiers anvertrauen. Das Problem dabei ist, dass komplexe Fälle häufig bei Versicherten entstehen, die im Umgang mit Amtsstellen und Behörden nicht so versiert sind und ihre Dossiers und Korrespondenz ver-
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Querulanten gibt es auch hier
Allerdings: Auch die Ombudsstelle der Krankenversicherung bleibt von hartnäckigen Querulanten nicht verschont. «Wir hatten auch schon jemanden hier, der bei seiner Krankenkasse als äusserst gewaltbereit bekannt war», sagt Rudolf Luginbühl. Die zuständige Juristin konnte in einem längeren Gespräch die Wogen glätten. Solche brenzligen Situationen seien aber die Ausnahme. «Häufiger sind Menschen, die sich generell ungerecht behandelt fühlen oder für ihre tragische Lebensgeschichte einen Schuldigen suchen.» Mit ihnen geht die Ombudsstelle pragmatisch um: «Wir prüfen ihr Anliegen und teilen ihnen freundlich, aber bestimmt mit, wenn es sich als unbegründet erweist.» Rudolf Luginbühl zeigt ein buchdickes Papierbündel und erklärt: «Das hier ist eine einzige Anfrage. Solche Vielschreiber haben oft sehr komplexe Anliegen, die manchmal hochinteressante Fälle ergeben. Andere hingegen sind, was ihren Fall angeht, sehr fanatisch.» Es gebe einige notorische Querulanten, auf deren Schreiben nicht mehr eingegangen werde. Keine Beratung parallel zu Anwälten und Medien
Es gibt noch andere Gründe, warum die Ombudsstelle auf Anfragen nicht eintritt – etwa wenn ein Versicherter sich einen Anwalt genommen hat. «Dann ist es dessen Aufgabe, seinen Mandanten zu vertreten», stellt Rudolf Luginbühl klar. Wenn bereits eine Verfügung im Spiel ist, mache eine Vermittlung ebenfalls wenig Sinn: «Dann laufen die Mühlen der Justiz». Die Ombudsstelle lehnt ein Engagement meist auch ab, wenn ein Versicherter parallel ein Konsumenten-Medium eingesetzt hat. Rudolf Luginbühl erklärt: «Diese Medien haben ihre Berechtigung, aber unser Vorgehen ist anders. Wir setzen auf eine fachliche Prüfung des Falls, die Konsumentenmedien nutzen auch den öffentlichen Druck. Der Versicherte muss sich entscheiden, welcher Weg für ihn der richtige ist.» Die Sorgen der Versicherten: Niemand kennt sie besser als die Ombudsstelle der Krankenversicherung.
lieren oder verlegen. Dann ist Kleinarbeit gefragt: Wir müssen den Fall rekonstruieren und versuchen, die Unterlagen über den Versicherer zu erhalten.» Aus diesen Gründen sind auch die Telefonzeiten der Ombudsstelle relativ kurz. «Am Nachmittag sind unsere Leitungen für die Öffentlichkeit geschlossen. Würden wir den ganzen Tag Anrufe entgegennehmen, würden wir kaum mehr dazu kommen, seriöse Abklärungen durchzuführen. Wir könnten die Qualität unserer Auskünfte nicht mehr garantieren.» Eine Standardmethode, wie die Ombudsstelle ihre Fälle löst, gibt es nicht. «Jede Anfrage ist einzigartig, und wir behandeln sie auch so», betont Rudolf Luginbühl.
Branchenerfahrung ist der grösste Trumpf
In anderen Situationen zeigt sich die Ombudsstelle hingegen grosszügig. «Wenn uns Sozialämter oder Patientenorganisationen anfragen, die bei der Vertretung ihrer Klienten auf Krankenkassenprobleme stossen, helfen wir gerne weiter.» Stellt sich die Frage, warum die Ombudsstelle den Durchblick hat, wo selbst kompetente Fachstellen nicht immer weiter wissen. Für Rudolf Luginbühl ist klar: «Unser Trumpf ist neben der rechtlichen Ausbildung die Branchen- und Lebenserfahrung. Einzelne Mitarbeitende stammen aus der Krankenversicherung, andere arbeiten schon sehr lange bei der Ombudsstelle. Wir kennen die Leute, die Mentalität und die Mechanismen der Branche.» peter kraft
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Im Gespräch: Dr. Charles Giroud, Präsident des RVK (Verband der kleinen und mittleren Krankenversicherer)
«Die kleineren Versicherer stabilisieren das System»
Foto: YVG
Die angespannte Situation an der Kosten- und Prämienfront scheint die kleineren Versicherer besonders hart zu treffen. Fusionen und Übernahmen sind in letzter Zeit häufiger geworden. Müssen wir uns nun Sorgen um die kleinen Versicherer machen? Charles Giroud, der als Präsident des RVK die kleinen und mittleren Versicherer vertritt, verneint dies. Das Modell der Kleinkassen sei genau so zeitgemäss wie jenes der Grossen. Es biete den Versicherten persönlichen Service und ein gewisses Mitspracherecht – Eigenschaften, die in der aktuellen Situation aktueller denn je seien.
In den letzten Monaten sind einige kleinere Krankenversicherer verschwunden oder von grösseren übernommen worden. Das müsste Sie als Präsident des RVK eigentlich stark beunruhigen.
Ja und nein. Ja, weil in der Tat die Zahl unserer Mitglieder abnimmt. Nein, weil die Entwicklung nicht neu ist, früher aber meist ausserhalb des RVK stattgefunden hat. Heute findet der Konzentrationsprozess erfreulicherweise hauptsächlich innerhalb des Verbandes statt – wie bei der Fusion von sieben Krankenversicherern im Wallis. Die Entwicklung führt auch dazu, dass unsere Mitgliedskassen homogener und damit auch ihre Bedürfnisse an den Verband ähnlicher werden. Das ist für die Mitglieder wie auch für den RVK sehr positiv.
Gibt es aus Ihrer Sicht eine Mindestgrösse, die ein Versicherer haben muss, um wettbewerbsfähig zu bleiben?
Die kleinen Kassen mit ihren unkomplizierten Abläufen und der persönlichen Betreuung sind ein wichtiger Grund dafür, die Versicherervielfalt zu verteidigen. Droht nun dieses Element der Wahlfreiheit zu verschwinden?
Verschärft die aktuelle «Prämienkrise» die Situation zusätzlich?
Aufgrund der Entwicklung, von der ich gesprochen habe, gehe ich nicht davon aus. Allerdings ist es möglich, dass die Wahlfreiheit künftig etwas eingeschränkter sein wird. Welche Wettbewerbsnachteile machen den kleinen Versicherern das Leben schwer?
Sie haben Nachteile auf der Ebene der Reserven. Für Kassen unter 50 000 Mitgliedern gelten strengere Reserve-Vorschriften – trotz Rückversicherungspflicht. Hinzu kommen die ständig steigenden administrativen Auflagen der Aufsichtsbehörden BAG und FINMA sowie das Marktverhalten der grossen Krankenversicherer mit ihren Billigkassen-Angeboten.
Grundsätzlich gibt es keine solche Mindestgrösse. Das beweisen gerade unsere kleinsten Versicherer, die bis dato nicht aus der Not Fusionen angestrebt haben, sondern weil sie ihre Zukunft auch nachhaltig sichern wollen. Es zeigt sich allerdings, dass immer mehr Kleinkassen unter 5000 Mitgliedern zunehmend Schwierigkeiten haben, die ständig steigenden, vorwiegend administrativen Auflagen der Aufsichtsbehörden zu erfüllen.
Die aktuelle Situation ist kein Sonderproblem der kleinen Krankenversicherer. Sie sind genau so sicher und leistungsfähig wie die Grossen der Branche. Problematisch sind für uns die Billigkassen und die damit verbundene Risikoselektion Das entzieht dem System Geld – auch über Vermittlerprovisionen. Dies beweisen übrigens auch die neuesten Zahlen.
«Das Vereinsmodell der kleineren Versicherten ist nicht weniger zeitgemäss als die von ‹normalen› Geschäftsleitungen gesteuerten Grosskassen.» Was unternehmen Sie als Verband der kleineren und mittleren Versicherer dafür, ihre Mitglieder zu stärken?
Zunächst haben wir zwei Rückversicherungsangebote für unsere Mitglieder: Jede unserer Mitgliedskassen kann eine Grossrisiko-Rückversicherung bei uns abschliessen. Diese Rückversicherung deckt Kosten über der selbst gewählten Eigenrisikostufe bis zum Maximalbetrag von einer Million Franken pro Fall und Jahr. Darüber hinaus haben wir seit diesem
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«Kassen mit weniger als 5000 Mitgliedern haben zunehmend Schwierigkeiten mit den administrativen Auflagen.»
Jahr eine für alle Mitglieder obligatorische Verbands-Rückversicherung, die Kosten pro Fall und Jahr zwischen einer und zwei Millionen Franken abdeckt. Dies ist nötig geworden, weil wegen teurer Medikamente und des Transplantationsgesetzes die Fallkosten tendenziell ansteigen. Abgesehen von den Rückversicherungsangeboten bietet der RVK seinen Mitgliedern eine breite Palette von Dienstleistungen an: Wir haben einen vertrauensärztlichen Dienst mit zehn Spezialisten, einen Rechtsdienst, Kollektivverträge für UVG und VVGProdukte, ein Case-Management, eine Internetplattform, die Kundenzeitschrift «SICHER», ein Hausarztsystem und einen Leistungseinkauf, um nur die wichtigsten zu nennen.
und Selbstverantwortung gestärkt werden. Das ist heutzutage wesentlich. Insofern ist dieses Modell nicht weniger zeitgemäss als die oft als «die» Lösung gepriesene Grosskasse.
Welche handfesten Vorteile haben die Versicherten bei kleineren Kassen?
Zunächst müsste im Leistungskatalog das Wichtige vom Wünschbaren getrennt werden. Danach müsste die Frage an alle Player gestellt werden, welches ihr Beitrag zur Kostenstabilisierung ist: Wollen die Krankenversicherer auf Billigkassen und Vermittlungsprovisionen verzichten? Sind die Ärzte bereit, den verfügbaren Kuchen zu Gunsten der Hausärzte und zu Lasten gewisser Spezialärztegruppen umzuverteilen? Was sagen die Spitäler zur Konzentration und damit zur Reduktion der Spitalinfrastruktur? Bietet die Pharmaindustrie Hand, die Medikamentenpreise auf das Niveau unserer Nachbarländer zu senken? Sind die Kantone bereit, diese Bemühungen zu unterstützen – insbesondere bei der Reduktion der Spitalinfrastruktur? Und schliesslich: Trägt die Bevölkerung eine Erhöhung der Franchise und des Selbstbehaltes mit?
Die Versicherten haben zunächst die Sicherheit, gegen Krankheit und gegebenenfalls Unfall gut versichert zu sein. Darüber hinaus haben sie einen Anbieter, der sehr flexibel agiert, innovative Produkte im Sortiment hat, kundenfreundlich, unbürokratisch und schnell aktionsfähig ist und Geschäftsstellen in unmittelbarer Nähe der Kunden betreibt. Darüber hinaus bieten die kleinen Kassen qualitativ hochstehende Arbeitsplätze – auch in Randregionen. Sie erfüllen damit eine regionalpolitisch wichtige Funktion. Wie in der Finanzmarktkrise zu beobachten ist, weisen kleinere Unternehmungen auch eine höhere Stabilität auf als die Grossen – Stichwort «too big to fail». Für das gesamte System der Krankenversicherung wirken sich die kleinen Krankenversicherer somit stabilisierend aus und reduzieren die Systemrisiken.
«Alle Player im Gesundheitswesen müssen sich die Frage stellen, welches ihr Beitrag zur Kostenstabilisierung ist.» Sagen Sie den Versicherten: Mit welchen Reformen kämen sie möglichst «unbeschadet» aus der Prämienkrise heraus?
interview: peter kraft
Einige kleine Versicherer sind als Verein organisiert, mit bedeutendem Mitspracherecht der Mitglieder. Ist eine solche Struktur erstens vorteilhaft und zweitens noch zeitgemäss?
Hier kann ich nur mit einem doppelten Ja antworten: Der Vorteil der Mitsprache ist, dass dadurch auch Identifikation
9 | Im Fokus 5/09
In Europa sind Parallelimporte von Arzneimitteln schon seit 1974 zugelassen
Parallelimporte: Das sind die Erfahrungen aus der EU Am 19. Dezember 2008 hat das Parlament Parallelimporte von Medikamenten aus Europa abgelehnt. Die Debatten zwischen den Vertretern der Patienteninteressen und den Lobbyisten der Pharmaindustrie gehen weiter. Die Parallelimporte von Medikamenten sind indes nichts Neues: In Europa sind sie schon seit 1974 zulässig.
teil haben Dänemark mit 15,2 Prozent des Binnenmarktes, Schweden mit 13,9 Prozent, das Vereinigte Königreich mit 12,4 Prozent, die Niederlande mit 10,9 Prozent und Deutschland mit 8,9 Prozent.1 Die Quellenstaaten des Parallelhandels sind Länder mit tiefen Preisen wie Spanien, Griechenland, Italien, Portugal und Frankreich. Über 30 Jahre Rechtsprechung
Zu den Kernaufgaben der Europäischen Gemeinschaft gehört die Schaffung eines einheitlichen Binnenmarktes, der den freien Verkehr von Personen, Waren, Dienstleistungen und Kapital ermöglicht. Der Vertrag zur Gründung der Europäischen Gemeinschaft hebt hinsichtlich des Warenhandels im Binnenmarkt sämtliche Hindernisse auf (Art. 28 des Vertrages). Es gibt zwar einschränkende Massnahmen (Art. 30), aber nur, wenn der Schutz der Gesundheit oder des gewerblichen Eigentums das verlangen. Seit Beginn der Neugestaltung Europas wurden Parallelimporte als ein Faktor der Inte gration angesehen, als ein Zeichen der Konkurrenz auf einem internationalen freien Markt. Wie funktionieren Parallelimporte?
Wenn sich die Preise von einem Land zum anderen stark unterscheiden, werden Waren parallel importiert: In einem Niedrigpreisland günstig eingekauft, werden sie in ein Hochpreisland teurer weiterverkauft. Parallelimporte sind eine erlaubte Handelsform zwischen den Mitgliedstaaten der EU. Sie finden ausserhalb des Verteilnetzes statt, das die ursprünglichen Hersteller oder Lieferanten in einem Mitgliedsstaat geschaffen haben -- und in den meisten Fällen parallel dazu. Parallel importierte Produkte sind gleichartig wie jene, welche die Verteilnetze vermarkten. «Gleichartig» heisst nicht vollkommen identisch. Das Medikament muss aber nach derselben Formel und unter Verwendung des gleichen Wirkstoffs hergestellt worden sein sowie die gleiche therapeutische Wirkung haben. Importeure produzieren keine Medikamente, sie können aber die Etikettierung und manchmal die äussere Verpackung ändern, um den Ansprüchen des Bestimmungslandes zu entsprechen. Importunternehmen stehen nicht im direkten Kontakt mit der Bevölkerung – alles wird über zugelassene Verteilkanäle abgewickelt. Im Jahre 2007 wurden in Europa für 4,7 Milliarden Euro Medikamente parallel importiert. Das sind rund fünf Prozent des europäischen Warenverkehrs. Parallelimporte treten vor allem in nordeuropäischen Ländern auf, deren Preise über dem europäischen Durchschnitt liegen. Aus dem Ausland eingeführte Produkte sind daher für den Importeur und den Konsumenten bedeutend interessanter. Den höchsten An-
Der Europäische Gerichtshof hat seit 1974 mehrmals bestätigt, dass Medikamente von den Regeln des Binnenmarktes nicht ausgenommen sind. Er hat Massnahmen von Staaten verurteilt, die Parallelimporte von Medikamenten aus ungerechtfertigten Gründen eingeschränkt haben. Von der Pharmaindustrie vorgebrachte Argumente hat er entschieden zurückgewiesen: Diese bezogen sich auf die fehlende Harmonisierung der Preisreglementierung, welche Preisunterschiede hervorrufen würden, denen man nicht Herr sei. Der Europäische Gerichtshof hat seine Rechtsprechung in diesem Bereich stark weiterentwickelt. Sie verdeutlicht Anforderungen und Vorgehen für die Genehmigungen für den Parallelimport, die Anwendung des einzelstaatlichen Patentrechts, die Wiederaufbereitung oder die Etikettierung. So kann ein Medikament parallel eingeführt werden, wenn es von der zuständigen Behörde des Bestimmungslandes eine Genehmigung erhalten hat. Wurde ein Medikament aber auf Gemeinschaftsebene zugelassen, ist die Genehmigung zur Vermarktung auf gesamtem EU-Gebiet gültig. Weshalb die Preisunterschiede in Europa?
Parallelimporte entstehen durch die Preisunterschiede der Medikamente zwischen den verschiedenen Mitgliedstaaten. Woher kommen diese Differenzen? Den ersten Teil der Antwort liefert die Preisfestsetzung. Die Länder legen die Preise ihrer Medikamente nach unterschiedlichen Regeln fest. Im Jahr 2003 haben beispielsweise einzig Deutschland und das Vereinigte Königreich den Preis der Grosshändler in keiner Weise eingeschränkt. Die anderen Länder haben auf verschiedene Weise Preise vorgeschrieben. Portugal beispielsweise bestimmte den Mindestpreis eines Medikaments in Abhängigkeit des Preises identischer Produkte in Frankreich, Italien und Spanien. Zweiter Faktor sind die unterschiedlichen Rückerstattungssysteme. Den Versicherern liegt daran, die Medikamentenpreise zu verringern, um die Gesundheitskosten und die Rückerstattungen in Grenzen zu halten. Nun variieren die Rückerstattungssysteme aber von einem Staat zum anderen. In Deutschland beispielsweise muss der Patient für die Differenz zur vom Staat festgelegten maximalen Rückerstattungssumme selbst aufkommen. Die Versicherten beteiligen sich an den Kosten, indem sie trotz Preisliste einen fixen Betrag pro Medikament bezahlen müssen. Das letzte Element ist das Verhandlungssystem. Die Sozialversicherungen oder die nationalen Gesundheitsorgane werden häufig durch den Staat kontrolliert. Den Regierungen liegt demzufolge daran, die Preise mit den Patentinhabern strikte zu verhandeln.
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Zwischen der Autonomie der Mitgliedstaaten zur Festlegung der Medikamentenpreise und der Schaffung eines einheitlichen europäischen Marktes gibt es also Spannungen. Hauptsächlich deshalb existieren überhaupt Parallelimporte.2 Welche Einsparungen sind durch Parallelimporte möglich?
Die Ergebnisse der Studien zum Spareffekt von Parallelimporten sind widersprüchlich. In Anbetracht der jeweiligen Auftraggeber ist das nicht sonderlich überraschend. Das York Health Economics Consortium kam 2003 im Auftrag der European Assocation of Euro-Pharmaceutical Companies (Importeure) zum Ergebnis, dass die direkten, von den Patienten und den Krankenversicherungssystemen erzielten Einsparungen im Jahr 2002 in fünf untersuchten Ländern 630 Millionen Euro betrugen. Die Studie der London School of Economics (LSE)3, die im Auftrag des Pharmaunternehmens Johnson&Johnson durchgeführt wurde, untersuchte die Auswirkungen von Parallelimporten auf die hierfür wichtigsten Bestimmungsländer. Ergebnis: Die Importeure sind die Hauptbegünstigten, die Apotheker profitieren kaum. Die direkten Einsparungen für die Patienten hängen auch von der Struktur der Kostenbeteiligung ab. In Systemen, in denen die Kostenbeteiligung proportionell zum Preis erfolgt, profitieren die Konsumenten von den günstigeren Medikamenten. Patienten hingegen, die eine fixe, vom Preis unabhängige Kostenbeteiligung erbringen wie in Deutschland, ziehen keinen direkten Gewinn aus den Parallelimporten. Sie profitieren davon aber indirekt durch die allgemeine Senkung der Gesundheitskosten. Deshalb kann man Parallelimporte nicht als Ganzes ablehnen, indem man vorbringt, dass die Preisspannen der Importeure zu gross seien. Die Einsparungen bleiben substanziell, und die Verluste für die Schweizer Pharmaindustrie würden weniger als 100 Millionen Franken betragen. Das sind weniger als 0,2 Prozent ihres Weltumsatzes. Es ist an der Zeit, die Karten neu zu mischen und die Interessen der Patienten in den Mittelpunkt zu rücken. maud hilaire schenker
EFPIA (European Federation of Pharmaceutical Industries and Associations), The Pharmaceuticals Industry in Figures, 2008, S. 3 2 OXERA (unabhängiges europäisches Wirtschaftsberatungsunternehmen), «Shade of grey: arguments for and against parallel trade in pharmaceuticals», Agenda, Oktober 2008 3 London School of Economics, The Economic Impact of Pharmaceutical Parallel Trade in European Union Member States : A Stakeholder Analysis, 2004 1
Parallelimporte von Medikamenten: Profitieren die Patienten in der EU?
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Mit steigenden Prämien wird der Ruf nach zusätzlichen Prämienverbilligungen lauter
Prämienverbilligungen – Fluch oder Segen für das System? Für das nächste Jahr ist mit einer zweistelligen Prämienerhöhung zu rechnen. Grund: Die Kosten sind in den letzen Jahren schneller gewachsen als die Prämienerträge der Krankenversicherer. In wirtschaftlich schwierigen Zeiten trifft eine solche Prämienexplosion den Mittelstand und Personen in wirtschaftlich bescheidenen Verhältnissen besonders stark. Verständlich, möchte man sagen, dass der Ruf nach zusätzlichen Mitteln für die Prämienverbilligung lauter wird. Prämienverbilligungen bringen sicherlich Entlastung im Einzelfall. Wo liegt aber der Nutzen für das System?
Der Bundesrat plant eine ausserordentliche Aufstockung des Bundesbeitrags an die Prämienverbilligung um 200 Millionen für die Jahre 2010 und 2011. Dies kündigte er am Rande der Diskussionen rund um seine dringlichen Massnahmen zur Kostensenkung an. Auch gewisse Exponenten in den eidgenössischen Räten fordern eine Erhöhung der Bundesmittel für die Prämienverbilligung, so zum Beispiel im Rahmen eines dritten Massnahmenpakets zur Stützung der Konjunktur. Wie in der Motion Steiert (09.3454) vom 30. April 2009, werden zum Teil Beträge von über einer Milliarde Franken gefordert. In zehn Jahren 70 Prozent mehr Prämienverbilligung
Prämienverbilligungen existieren seit Einführung des KVG. In der Öffentlichkeit herrscht oft der Eindruck, dass immer weniger Prämienverbilligungen im Verhältnis zum gesamten Prämienvolumen zur Verfügung stehen. Dieser Eindruck trügt. Bund und Kantone richteten im Jahr 1997 rund zwei Mrd. Franken an Prämienverbilligungen aus, im Jahr 2007 waren es bereits 3,4 Mrd. Franken. Dies entspricht einer Zunahme von rund 70 Prozent in zehn Jahren. Die Prämieneinnahmen stiegen in der gleichen Zeitspanne von 12 Mrd. auf 19,7 Mrd. Franken an, was einem Wachstum von rund 64 Prozent entspricht. Die Verbilligungen machen also im Jahr 2007 rund 17,3 Prozent des gesamten Prämienvolumens aus. 1997 waren es noch rund 16,7 Prozent. Es fliessen heute aber nicht nur mehr Mittel in die Prämienverbilligung, sondern es müssen auch mehr Haushalte davon Gebrauch machen. Die Anzahl der subventionierten Haushalte stieg zwischen 1997 und 2007 um 24 Prozent von rund 989 000 auf rund 1,225 Mio. Die Subventionen pro Haushalt wuchsen um 38 Prozent und betrugen 2007 rund 2800 Franken gegenüber 2000 Franken zehn Jahre zuvor. Während sich die Prämien also um 64 Prozent erhöhten, stiegen die Subventionen pro Haushalt nur um 38 Prozent. Die Belastung in den subventionierten Haushalten hat damit zwar zugenommen, dafür erhalten 2007 rund 236 000 zusätzliche Haushalte eine Verbilligung.
Kopfprämien als Spiegel der Kosten
Die Krankenversicherer erheben bei ihren Kunden Kopfprämien, welche die medizinischen Leistungen sowie die eigenen Verwaltungskosten decken sollen. Alle versicherten Personen, auch die Kinder, sind grundsätzlich verpflichtet, diese Kopfprämie zu entrichten. Die Kopfprämie stellt das zentrale Element der Solidarität zwischen Gesunden und Kranken dar. Gleichzeitig spiegelt sie die Kosten unseres Gesundheitssystems. Steigen die Kosten, so steigen die Prämien. Im Gegensatz zu einem einkommensabhängigen System werden damit alle Versicherten mit dem Problem des Kostenwachstums im Gesundheitswesen konfrontiert, was zu einer Sensibilisierung gegenüber dieser Thematik führt und das eigenverantwortliche Handeln fördert. Bei einkommensabhängigen Prämien fällt dieser Aspekt weg. Wer kennt schon die Höhe des eigenen monatlichen Beitrags an die AHV? Praktisch niemand. Fast jeder kennt aber die Höhe seiner Krankenkassenprämie. Steigende Prämien sind nichts anderes als steigende Kosten, welche nicht zuletzt auch die Prämienzahlenden durch ihr eigenes Verhalten im Alltag und an der Urne beeinflussen können. Prämienverbilligung als Entlastung…
Die Belastung durch das KVG ist nicht, wie oft gehört, für jeden Bürger gleich hoch, sondern teilweise vom Einkommen abhängig. Die Prämienverbilligung entlastet Personen in bescheidenen wirtschaftlichen Verhältnissen und stellt eine gewisse Solidarität zwischen reich und arm her. Der Steuerzahler finanziert die Prämienverbilligungen, wodurch sich Wohlhabende stärker an den Gesundheitskosten beteiligen als Personen in bescheidenen Verhältnissen. Damit fügt sich die Finanzierung der obligatorischen Grundversicherung aus sozialen und eigenverantwortlichen Elementen zusammen. Die Kopfprämie enthält im Verbund mit der Kostenbeteiligung Anreize für ein kostenbewusstes Verhalten. Die steuerfinanzierte Prämienverbilligung als soziales Element federt die Prämienlast für Personen in wirtschaftlich bescheidenen Verhältnissen ab. Neben der Prämienverbilligung finanzieren aber auch die Steuerzahler einen Teil der KVG-Leistungen. So wird rund die Hälfte der stationären Spitalkosten nicht über Kopfprämien, sondern über einkommensabhängige Steuerbeiträge gedeckt. Insgesamt repräsentiert der Steueranteil rund 40 Prozent der heutigen Grundversicherungskosten. … oder als Valium für die Versicherten?
Für das nächste Jahr ist mit einer zweistelligen Prämienerhöhung zu rechnen. Grund: Die Kosten sind in den letzen Jahren schneller gewachsen als die Prämienerträge der Krankenversicherer. Sofort ertönen Rufe nach zusätzlichen Mit-
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teln für die Prämienverbilligung. Diese Forderungen gehen, wie eingangs erwähnt, von 200 Millionen bis über eine Milliarde Franken. Macht eine solche Aufstockung überhaupt Sinn? Um Härtefällen vorzubeugen, ist eine gewisse Anpassung der Prämienverbilligung sicherlich zu prüfen. Allerdings lösen zusätzliche Prämienverbilligungen das Kostenproblem keineswegs. Im Gegenteil: Je mehr Prämienverbilligungen verteilt werden, desto weniger prekär erscheint für den Versicherten das Kostenproblem. Es entsteht kein zusätzlicher Druck auf die Politik, das Übel – die sich ständig drehende Kostenspirale – mit griffigen Massnahmen an der Wurzel zu packen. Mit den Prämienverbilligungen wiegt die Politik den Versicherten in der trügerischen Sicherheit, dass alles gar nicht so schlimm sei. Wird der kommende Prämienschock allzu sehr mit neuen Prämienvergünstigungen abgefedert, so legt sich die aktuelle Aufregung schnell wieder. Tilman Slembeck, Professor für Volkswirtschaftslehre an der ZHAW und der Universität St.Gallen, bezeichnete denn auch gemäss bazonline.ch vom 27. Mai 2009 die Prämienvergünstigungen als Valium. Die Versicherten brauchen aber kein Valium, sondern Massnahmen, welche das Kostenwachstum nachhaltig bremsen können. Einsparpotenzial besteht insbesondere bei den Medikamentenpreisen, der Mittel- und Gegenständeliste und dem Bereich Spital ambulant. Setzt der Bundesrat die von santésuisse geforderten Massnahmen* in diesen Bereichen um, kann rund eine Milliarde Franken eingespart werden – genau diese Milliarde, welche die Motion Steiert vom Steuerzahler zur Umverteilung fordert. Noch bleibt die Wahl: Man kann die Prämienverbilligung im geforderten Ausmass aufstocken, dann werden die Massnahmen zu Kostensenkung zweifellos versanden. Oder man setzt die erwähnten Massnahmen zügig um, dann wird die Aufstockung der Prämienverbilligung in beschriebenem Ausmass überflüssig und der Steuerzahler wird geschont. Matthias schenker
* Massnahmen sind auf www.santesuisse.ch beschrieben.
Kein Geld mehr für die KrankenkassenPrämien: Immer mehr Menschen können die Grundversicherung nicht mehr selber bezahlen. Es herrscht Handlungsbedarf.
Spielraum von TARMED-Rechnungen lässt sich offenbar gezielt ausnutzen
Für zehn Minuten Behandlung 29 Minuten bezahlen? Einer der Hoffnungen, die in das ambulante Tarifsystem TARMED gesetzt wurden, war eine höhere Transparenz der ärztlichen Rechnungsstellung. Für das System als Ganzes gilt dieses Ziel – auch dank des Tarifpools von santésuisse – als erreicht. Im Einzelfall aber hapert es mit der Transparenz noch gelegentlich, wie das folgende Beispiel einer Patientin zeigt.
Frau B. staunte nicht schlecht, als sie von ihrer Dermatologin nach einer zehnminütigen Konsultation eine Rechnung erhielt, die beim Zusammenzählen der drei Tarifpositionen 29 Minuten ergab. Nicht nur das machte Frau B. stutzig: Die Umschreibung der Tarifpositionen besteht aus Fachausdrücken – so dass die Patientin nicht ausfindig machen konnte, was sich dahinter verbirgt. Eine Nachfrage bei der Ärztin brachte ihr die unwirsche Antwort ein, ob sie denn nichts von der Unterscheidung in Zeit- und Einzelleistungspositionen wisse. Verständlicherweise noch verwirrter, wandte sich die Patientin an die Tarifabteilung der FMH. Ermessensspielraum mehr als ausgereizt
Dort beschied man ihr, dass die Kombination der drei Tarifpositionen zwar zulässig sei. Allerdings bilde eine Position die ersten fünf Minuten Konsultation ab. Die beiden anderen Positionen sind Behandlungsschritte, denen das TARMEDSystem durchschnittlich je 12 Minuten zuordnet. Im Klartext: In den zweiten fünf Minuten der Konsultation will die Ärztin Behandlungen durchgeführt haben, für die das Tarifsystem durchschnittlich 24 Minuten vorsieht. Das findet auch der FMH-Tarifspezialist stossend: «In dieser Zeit ist kein anständiger dermatologischer Status inklusive Dermatoskopie zu machen, behaupte ich mal.» Er fügt hinzu, dass Frau B. in einem Gerichtsfall wahrscheinlich gute Chancen hätte. Wegen des «geringen» Rechnungsbetrags von gut 100 Franken empfiehlt er ihr aber eine Beschwerde bei der dermatologischen Gesellschaft.
zeugt, weiss ich erst, wenn ich schon einmal bei ihm gewesen bin.» Das zeigt ein weiteres Problem auf: Bis heute haben Patientinnen und Patienten keinerlei Möglichkeit, ihren Arzt nach vernünftigen Kriterien auszuwählen. Sie müssen sich auf Mund-zu-Mund-Propaganda oder auf das Telefonbuch verlassen. Die so genannte freie Arztwahl verkommt dadurch zur Farce. Wenn Ärztegesellschaften die Patienten schon aufrufen, bei Unzufriedenheit den Arzt zu wechseln, müsste sie eigentlich auch Hand bieten zu obligatorischen und öffentlich zugänglichen Qualitätsmessungen. Aus dem Transparenz- wird ein Qualitätsproblem
Der Fall von Frau B. wirft nicht nur in dieser Hinsicht die Qualitätsfrage auf. Die fragliche Untersuchung diente dazu, Veränderungen bei Muttermalen auf ihre Bösartigkeit zu prüfen. Wenn in einem solchen Fall nur fünf statt der durchschnittlich vorgesehenen 24 Minuten eingesetzt werden, scheint eine seriöse Abklärung unwahrscheinlich. Es gibt zwei Möglichkeiten: Entweder hat die Ärztin Tarifpositionen in unseriöser Weise kumuliert, oder aber sie hat die verrechneten Behandlungen tatsächlich durchgeführt – allerdings nicht besonders sorgfältig. Das ist besonders in diesem Fall, in dem eine Fehldiagnose für die Patienten fatale Folgen haben kann, bedenklich.
Ist es möglich, eine Behandlung qualitativ einwandfrei in zehn Minuten durchzuführen, wenn eigentlich eine halbe Stunde dafür vorgesehen wäre?
Arztwechsel als einzige Alternative?
Foto: Prisma
Die Antwort, die Frau B. dort erhielt, brachte nichts wesentlich Neues. Die Kombination der drei Tarifpositionen sei möglich und mache im Prinzip auch Sinn, sei im konkreten Einzelfall jedoch unverständlich. Die Ärztin habe ihren Ermessensspielraum ausgereizt und alle Kumulationsmöglichkeiten ausgeschöpft. Die dermatologische Gesellschaft rät der Patientin, sich in Zukunft einen Arzt zu suchen, «der Sie mit einer vernünftigen Rechnungsstellung überzeugt.» Diese Antwort befriedigte die Patientin nicht. Zu Recht moniert sie: «Ob ein Arzt mich mit seiner Rechnungsstellung über-
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Und die Reaktion der Kasse?
In einer solchen Situation ist eine Nachfrage beim Krankenversicherer naheliegend. Frau B. hat das auch getan – und war von der Antwort enttäuscht. Die Krankenkasse teilte ihr nämlich mit, nichts unternehmen zu können, weil nur die Patientin selber wisse, was die Ärztin genau gemacht habe. Diese Antwort ist zu einem gewissen Teil nachvollziehbar, denn auf den TARMED-Rechnungen steht – wenn überhaupt – nur ein relativ allgemeiner Diagnose-Code, der keine Rückschlüsse darauf zulässt, warum die Patientin ihre Ärztin genau aufgesucht hat. Die TARMED-Rechnung zeigt auch nicht an, wie lange die Patientin wirklich im Untersuchungszimmer war. Ersichtlich ist nur, welche Zeittarife die Ärztin verrechnet hat. Das bedeutet, dass der Krankenkasse diese überhöhte Rechnung gar nicht aufgefallen wäre. Die Versicherer können lediglich Positionen erkennen, die nicht miteinander kombiniert werden dürften, oder solche, die nicht zum Diagnosecode passen. Deshalb haben Versicherer und Patienten ein gemeinsames Interesse daran, für transparentere TARMED-Rechnungen zu kämpfen – und deshalb ist die Antwort der Krankenkasse an Frau B. auch nicht ideal. Initiative und eigenverantwortliche Versicherte brauchen die Unterstützung ihrer Kassen. Eine Nachfrage bei verschiedenen Krankenversicherern hat denn auch ergeben, dass die
Der Einsatz von santésuisse gegen intransparente Rechnungen
santésuisse setzt sich seit Jahren für transparentere TARMEDRechnungen ein. Am Beginn stand die Forderung nach präziseren Diagnose-Codes. Diese musste allerdings aufgegeben werden, weil die Codierung von den Ärzten einiges an Zeit in Anspruch nimmt, welche wiederum verrechnet würde – gerade bei kleinen Rechnungen zu Lasten der Patientinnen und Patienten. Die Krankenversicherer werden aber weiterhin für patientenfreundlichere Rechnungen kämpfen – insbesondere bei kommenden Revisionen des Tarifs. Aus Sicht von santésuisse müssen bei Neuverhandlungen auch die offenbar übertriebenen Kumulationsmöglichkeiten von Tarifpositionen zum Thema werden. Die Versicherer bieten auch konkrete Hilfestellungen. Unter www.santesuisse.ch – Service – Publikationen – 1x1 der Krankenversicherung ist eine Interpretationshilfe für TARMED-Rechnungen zu finden. Ausserdem bieten die Versicherer den Patientinnen und Patienten im Einzelfall Unterstützung, wenn offensichtlich überhöhte Rechnungen ins Haus flattern. Dies auch dann, wenn die Franchise noch nicht abbezahlt ist.
Antwort, die Frau B. bekommen hat, keineswegs Branchenstandard ist – ganz im Gegenteil. Die Krankenversicherer bieten Hilfe
Der CSS-Sprecher Stephan Michel räumt zwar ebenfalls ein, dass tatsächlich nur der Patient wisse, welche Behandlung er beim Arzt genau erhalten habe. Ausserdem sei der Patient im Regelfall Schuldner des Arztes, so dass es eigentlich am meisten Sinn mache, wenn der Patient selber beim Arzt interveniert. Allerdings ist es für Stephan Michel nachvollziehbar, dass sich Patienten oft nicht getrauen, beim Arzt zu reklamieren, weil sie das Vertrauensverhältnis nicht gefährden wollen. In solchen Fällen könnten sich die Versicherten beim Kundendienst der CSS melden, welcher im Rahmen seiner Möglichkeiten zu helfen versuche. Ähnlich äussern sich auch die anderen angefragten Krankenversicherer. Die Helsana zum Beispiel erklärt, sie würde im geschilderten Fall mit Einverständnis der Patientin bei der Ärztin rückfragen. Sollte ein Fehler vorliegen, liesse die Helsana die Rechnung korrigieren. Die Krankenversicherer und ihr Branchenverband santésuisse stehen hinter den Patienten und Versicherten und werden weiterhin für transparentere TARMED-Rechnungen kämpfen – so wie sie das schon seit Jahren tun (siehe Box). peter kraft
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infosantésuisse online
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Fünf Fragen an: Hans-Ueli Regius, Generaldirektor der SWICA Gesundheitsorganisation
«Gesundheitsförderung ist eine Frage der Unternehmenskultur» Das Label «Friendly Workspace» zeichnet Unternehmen aus, die sich besonders um die Gesundheit ihrer Mitarbeiter bemühen. Viele der grössten Schweizer Unternehmen – darunter Migros, Post und ABB – haben es gemeinsam mit Gesundheitsförderung Schweiz entwickelt und auch erhalten. Mit dabei ist auch der Krankenversicherer SWICA. Wir haben mit Generaldirektor Hans-Ueli Regius über seine Beweggründe und Erfahrungen gesprochen.
Foto: ZVG
«Die Führung profitiert selber am meisten von einer guten Unternehmenskultur.»
SWICA hat das Label «Friendly Workspace» von Anfang an unterstützt. Warum?
Was für Massnahmen sind das konkret – zum Beispiel in Ihrem eigenen Unternehmen?
Klare Standards und eine Label-Zertifizierung führen zu einer besseren Akzeptanz und zu einem höheren Stellenwert der Gesundheitsförderung. Für uns ist wichtig, dass betriebliches Gesundheitsmanagement mess- und bewertbar ist und nicht im persönlichen Wahrnehmungsbereich verbleibt. Ausserdem: Nur wenn die betriebliche Gesundheitsförderung periodisch von aussen überprüft wird, ist eine kontinuierliche Qualitätssicherung möglich.
Das Thema Gesundheit ist bei uns ein Bestandteil der Führungstätigkeit – wie beispielsweise das Einhalten der Budgets. Konkrete Massnahmen fürs Wohlbefinden sind regelmässige CoachingGespräche und attraktive Arbeitsplätze. Das fängt bei Einrichtung und Ergonomie an. Wir führen aber auch jedes Jahr Gesundheitsaktivitäten durch, wo sich die Mitarbeitenden mit ihrer Ernährungs-, Bewegungs- und Entspannungssituation konfrontieren und sich bei Bedarf Hilfe holen können. Daneben gibt es diverse Bewegungs- und Sportangebote. In der Hochsaison der Krankenversicherung – also im Herbst – bieten wir unseren Leuten wöchentlich Entspannungsmassagen an. Sie erhalten dann auch Tipps, wie sie sich richtig setzen oder besser entspannen können. Es geht also nicht um reines Konsumieren, sondern um die Förderung der Eigenverantwortung.
Friendly Workspace» sei weit mehr als ein Lauftreff oder ein Früchtekorb, sagt der Direktor von Gesundheitsförderung Schweiz. Wie weit reicht betriebliches Gesundheits management?
Sie reicht bis in die Leitbilder der Unternehmen. Letztlich ist es eine Kulturfrage: Welchen Stellenwert hat die Gesundheit und die Förderung der Mitarbeitenden? Betrachtet das Management die Gesundheitsförderung als wichtig? Erst wenn diese Voraussetzungen erfüllt sind, können konkrete Massnahmen greifen. Wichtig ist der Miteinbezug der Mitarbeitenden. Sie beeinflusst die Motivation und die Sinnfindung in der Arbeit sehr positiv.
Was empfehlen Sie Unternehmen, die ein betriebliches Gesundheitsmanagement aufbauen wollen?
Sie können sich an unsere Fachstelle für betriebliches Gesundheitsmanagement wenden. Unsere Experten werden das Unternehmen besuchen, eine Analyse des Ist-Zustandes machen und daraus den Handlungsbedarf ableiten. Wir arbeiten mit einem Fragebogen für die Mitarbeitenden, damit tatsächlich de-
ren Interessen berücksichtigt werden und nicht primär die Ideen des Managements. Häufig kommen solche Evaluationen zum Schluss, dass die gesundheitlichen Defizite von Mitarbeitenden etwas mit der Unternehmenskultur und weniger mit fehlenden Sportangeboten zu tun haben. Viel hängt mit dem Führungsstil zusammen und damit, wie man im Unternehmen miteinander umgeht. Eine neue Unternehmenskultur kann man aber nicht von heute auf morgen implementieren…
Entscheidend ist es, die Führung davon zu überzeugen, dass sie selber am meisten von einer guten Unternehmenskultur profitiert – denn letztlich ist sie ja auf die Mitarbeitenden angewiesen. Ein erfolgreiches Beispiel sind so genannte Wiederkehr-Gespräche. Wenn jemand krank war und zurück an den Arbeitsplatz kommt, geht er nicht einfach zurück ans Pult, sondern analysiert gemeinsam mit seinem Vorgesetzten seine berufliche und gesundheitliche Situation. Das zwingt Führungskräfte, sich mit dem Gesundheitszustand und damit mit den Leistungsmöglichkeiten der Angestellten zu befassen und die zwischenmenschliche Ebene mitzuberücksichtigen. interview: peter kraft
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11. Forum der sozialen Krankenversicherer in Zürich
Welche Bedeutung hat die Prävention – und braucht es ein Gesetz dazu? Der Verband der kleinen und mittleren Krankenversicherer (RVK) widmete sein 11. Forum der sozialen Krankenversicherung einem Thema, welches er eigentlich am liebsten von den Kassen fernhielte: der Gesundheitsförderung und Prävention. Es zeigte sich, dass es kaum einen gemeinsamen Nenner darüber gibt, was darunter genau zu verstehen ist – geschweige denn, wer dafür zuständig ist. Umso einiger sind sich die Teilnehmer aber in einem zentralen Punkt: Der bisherige, unkoordinierte Aktionismus muss ein Ende haben.
Salome von Greyerz, beim Bundesamt für Gesundheit (BAG) zuständig für Prävention und Gesundheitsförderung, zeigte deren Bedeutung mit einigen Trends und Fakten auf. Der Anteil der chronisch Kranken wachse ständig – ebenso wie die Nachfrage nach Gesundheits-Leistungen. Das Angebot und die finanziellen Mittel könnten damit längerfristig nicht Schritt halten. Die heranwachsende Generation laufe Gefahr, erstmals seit langer Zeit eine geringere gesunde Lebenserwartung als ihre Eltern zu haben. Dieses Szenario lasse sich nur verhindern, wenn sich der Gesundheitszustand der Bevölkerung wei-
ter verbessere. Staatliches Handeln sei deshalb dringend angezeigt. Klare Ziele nötig…
Wenn sich der Staat Gesundheitsförderung und Prävention zur Hauptaufgabe mache, müsse dies koordiniert geschehen, betonte Salome von Greyerz. Deshalb unterstütze sie das geplante Präventionsgesetz, das kein Massnahmen-, sondern ein reines Rahmen- und Organisationsgesetz sei. Es gebe dem Bund die Möglichkeit, verbindliche nationale Gesundheitsziele zu definieren und ein Institut zu schaffen, welches die Umsetzung dieser Gesundheitsziele koordiniert. Die konkrete Durchführung der Gesundheitsförderung und Prävention bleibe bei den Kantonen – allerdings würde der Bund mit dem neuen Präventionsgesetz die Richtlinien vorgeben. Salome von Greyerz liess durchblicken, welche Bereiche der Prävention für das BAG zentral sind: eine gesunde frühkindliche Entwicklung, eine hohe Gesundheitskompetenz der Bevölkerung, ein gesundes Altern sowie die Früherkennung von psychischen Krankheiten und Krebs. …aber kein neues Institut
Skeptisch gegenüber den Plänen des Bundes zeigte sich der Zuger Gesundheitsdirektor Joachim Eder, und das aus
Während Ständerätin Christine Egerszegi Obrist das Präventionsgesetz befürwortet...
mehreren Gründen. Grundsätzlich sei er der Meinung, dass die Sorge zur Gesundheit Sache eines jeden Einzelnen sei und nicht vom Staat verordnet werden solle. Der Staat solle seine Bürger unterstützen und nicht bevormunden. Er habe zwar nichts gegen Präventionsaktionen – sein Departement habe selber eben einen «Aktionsmonat psychische Gesundheit» durchgeführt. Allerdings müssten solche Projekte im Rahmen von verbindlichen Zielsetzungen und klaren Strategien laufen. Eder nennt dies eine «gesundheitsförderliche Gesamtpolitik». Der Zuger Gesundheitsdirektor attestiert dem geplanten Präventionsgesetz denn auch, dass es Doppelspurigkeiten beseitige und den Fokus richtig setzte – nämlich auf psychische und chronische Krankheiten. Er kritisiert allerdings den mangelnden Einbezug der Kantone. Er befürchtet, dass die Gesundheitsziele des Bundes an den Bedürfnissen der Bevölkerung vorbeizielen könnten. Ausserdem findet Eder die Schaffung eines neuen Instituts für Prävention unnötig, weil mit «Gesundheitsförderung Schweiz» bereits eine geeignete Organisation existiere. Regulierungswut oder soziale Verantwortung?
Als klaren Gegner des Präventionsgesetzes präsentierte sich Hans-Ulrich Bigler, Direktor des schweizerischen Gewerbeverbandes. Er stieg ein mit der Feststellung, dass «jedes neue Gesetz uns ein Stück von dem raubt, was uns von der Freiheit noch bleibt». Darauf gestützt, begründete er seine Ablehnung des Präventionsgesetzes. Er warf den «Gesundheitsaposteln» des BAG «Regulierungswut» vor. Bigler plädierte für eine massvolle Präventionspolitik, «die auf den Prinzipien von Eigenverantwortung und Aufklärung» beruht. Besonders dezidiert äusserte er sich dagegen, der Wirtschaft Regelungen zum Gesundheitsschutz der Beschäftigten aufzuzwingen: Die Unternehmen unternähmen bereits heute viel, und zwar aus Eigeninitiative. Die FDP-Ständerätin Christine Egerszegi-Obrist sieht das ein wenig anders. Als Liberale unter-
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Fotos: RVK
... ist der Zuger Regierungsrat Joachim Eder skeptisch.
stützt auch sie das Primat der Eigenverantwortung. Doch gebe es gewisse Bevölkerungskreise, die so durch die Maschen fielen – und an diese Menschen müssten sich staatliche Präventionsprogramme richten. Egerszegi befürwortet das Präventionsgesetz, «weil dank koordiniertem Einsatz der vorhandenen Mittel viel mehr erreicht werden kann.» Als Beispiel führte sie den Kampf gegen Karies an: Hier hätten Zahnärzte, Schulen und Behörden eng und mit klarem Ziel zusammengearbeitet mit dem Ergebnis, dass Karies heute praktisch kein Thema mehr sei. Prävention nicht den Kassen anlasten
In die anschliessende Podiumsdiskussion schaltete sich auch RVK-Präsident Charles Giroud ein. Er zeigte sich zwar kritisch gegenüber dem Präventionsgesetz in der vorgeschlagenen Form. Dennoch ist für ihn die Prävention ein Stück weit eine staatliche Aufgabe: «Der Staat muss die richtigen Rahmenbedingungen schaffen, damit die Bevölkerung ihre Eigenverantwortung wahr nehmen kann.» Gerade angesichts der stark steigenden Pflegekosten und der demografischen Entwicklung berge ein gesundes Alter hohes Sparpotenzial. «Wenn wir den Eintrittszeitpunkt ins Pflegeheim um durchschnittlich ein Jahr verschieben könnten, wäre einiges gewonnen.» Giroud warnte aber davor, die Prävention den Krankenversicherern anzulasten. Erstens würde dies das System zusätzlich verteuern – und es bestünde die Gefahr, dass damit Marketing betrieben würde.
«Management auswechseln»
Damit waren die Fronten im Kampf um das Präventionsgesetz geklärt. Im zweiten Teil der Tagung kamen die Praktiker zu Wort. Dieter Kissling, Gründer und Geschäftsführer des Instituts für Arbeitsmedizin, zeigte den Einfluss der Gesundheit auf die Produktivität am Arbeitsplatz auf. Das Hauptproblem dabei seien nicht die Absenzen. Fast zwei Drittel aller krankheitsbedingten Arbeitskosten gehen auf den so genannten «Presentism» zurück – wenn Mitarbeitende zwar anwesend, aber nur beschränkt leistungsfähig sind. Die häufigste Diagnose, die zu einer verminderten Arbeitsfähigkeit führt, sind Erkrankungen des Bewegungsapparats. Sie machen rund einen Viertel aller Fälle aus. Die psychischen Erkrankungen sind aber rasant auf dem Vormarsch. Laut einer Studie der deutschen Bundesanstalt für Arbeitsschutz und Arbeitsmedizin stieg deren Anteil zwischen 2001 und 2002 von 6,6 auf 10,5 Prozent. Bei den krankheitsbedingten IV-Renten liegen die psychischen Beschwerden bereits an der Spitze. Hinzu kommt, dass die Arbeitnehmer wegen der demografischen Entwicklung immer älter werden. Dieter Kissling schliesst daraus: Betriebliche Gesundheitsförderung wird für die Unternehmen je länger je mehr zu einem Wettbewerbsvorteil. Der Arbeitsmediziner zitierte Studien, wonach sich jeder in die betriebliche Gesundheitsförderung investierte Franken dreifach auszahlt. Allerdings stellte auch Kissling klar, dass solche Erfolge nur im Rahmen von langfristigen, zielgerichteten und messbaren Massnahmen möglich sind. Als Beispiel nannte er das Label «Friendly Workspace», das Unter-
nehmen und ihre betriebliche Gesundheitsförderung nach strengen Kriterien bewertet. Für Dieter Kissling ist klar: «Wer hier nicht aufspringt – bei einer Rentabilität von 3:1 – für den müsste es eigentlich heissen: Management auswechseln». Vom Labor ins Wohnzimmer
Der Trendforscher Stephan Sigrist prophezeite zum Abschluss eine viel grössere Bedeutung der Prävention in Zukunft. Dies habe auch Schattenseiten, weil der soziale Druck auf Kranke steigen könnte – vor allem wenn deren Leiden als selbstverschuldet gilt. Andererseits werde der PräventionsBoom zusammen mit dem medizinischen Fortschritt auch zu praktischen und kostengünstigen Lösungen führen. Sigrist rechnet damit, dass Patienten in Zukunft einfache Untersuchungen dank einfachen Tests selber machen können und weder Arzt noch Labor mehr benötigen. Wichtig sei dann, dass die Anleitungen zu solchen Test einfach und verständlich seien. Die Prävention dürfe auch nicht mehr einer sturen Doktrin oder anderweitigen Interessen folgen, sondern müsse sich an den Bedürfnissen der Bevölkerung orientieren. Gleichwohl befürwortet Stephan Sigrist das Präventionsgesetz, weil es endlich eine nationale Gesundheitsstrategie bringen werde. Diese hält der Zukunftsforscher für dringend nötig. peter kraft
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Grafik des Monats
Kantone mit hoher Facharztdichte haben meist hohe Prämien In den Kantonen mit einer hohen Dichte an privat praktizierenden Fachärzten sind die Prämien hoch. Hingegen scheint sich die Dichte an Allgemeinpraktikern nicht auf die Prämien auszuwirken. Ist daraus zu folgern, dass sich die Facharztdichte entscheidend auf die Prämien auswirkt?
Die Grafik des Monats Juni schneidet gleichzeitig mehrere brisante Fragen an: Der starke Prämienanstieg, die Ärztedichte und die Unterschiede zwischen Allgemeinpraktikern und Fachärzten. Es stellt sich natürlich die Frage, ob ein Zusammenhang zwischen der Prämienhöhe in den Kantonen und der Ärztedichte besteht. Aus der Grafik geht hervor, dass sich die Dichte der Allgemeinpraktiker nicht auf die kantonalen Durchschnittsprämien auswirkt. Hingegen nimmt in den meisten Kantonen die Facharztdichte in ziemlich direkter Korrelation mit der Prämienhöhe zu. So verzeichnen die Kantone VD, BS und GE
sowohl die höchste Facharztdichte als auch die höchsten Prämien. Umgekehrt bezahlt man in den Kantonen AI, NW, OW mit einer geringen Ärztedichte die tiefsten Prämien. Allerdings bilden die Kantone JU, SO und TG Ausnahmen und folgen der allgemeinen Tendenz nicht. Trotz geringer Facharztdichte sind die Prämien nämlich relativ hoch. Natürlich sind viele Faktoren für die kantonalen Unterschiede verantwortlich. Sie müssen aber gerade jetzt, wo sich die Kostenfrage dringend stellt, alle miteinbezogen werden. maud hilaire schenker
GE
TI
BS
VD
JU
NE
BL
BE
ZH
FR
SH
SO
AG
VS
TG
GR
DICHTE DER ÄRZTE (ALLGEMEINPRAKTIKER) 1) DICHTE DER ÄRZTE (SPEZIALÄRZTE) 1) KANTONALE JÄHRLICHE DURCHSCHNITTSPRÄMIEN FÜR ALLE VERSICHERTEN 1)
ANZAHL ÄRZTE MIT PRAXISTÄTIGKEIT PRO 1000 EINWOHNER
QUELLE: T 9.09 & T 3.08 STAT KV O7
Kantone mit vielen Spezialisten haben tendenziell höhere Prämien. Die Hausarztdichte scheint hingegen keinen Einfluss auf die Prämienhöhe zu haben.
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PRÄMIEN IN FR.
1000 LU
0 GL
1750
SZ
1
ZG
2500
SG
2
UR
3250
AR
3
OW
4000
AI
4
NW
ÄRZTEDICHTE
DICHTE DER ÄRZTE MIT PRAXISTÄTIGKEIT UND PRÄMIEN NACH KANTONEN IM JAHR 2007
Foto: Prisma
Nationaler Gesundheitsbericht 2008
Obsan fordert: Gesundheitliche Ungleichheiten abbauen Der neueste Bericht «Gesundheit in der Schweiz» beschreibt erstmals die Gesundheit der Bevölkerung im Licht der gesellschaftlichen Einflüsse. Noch immer sei der Gesundheitszustand nicht in allen Gesellschaftsschichten gleich gut. Diese Ungleichheiten gelte es weiter abzubauen – unter anderem mit einer nationalen Gesundheitsstrategie.
Der Bericht stellt fest, dass Bildung und Einkommen den nachhaltigsten Einfluss auf die Gesundheit ausüben. So ist erwiesen, dass Menschen mit einer geringen Schulbildung im Allgemeinen weniger lange leben und mehr Jahre ihres Lebens in Krankheit verbringen als jene, die höher gebildet sind. So ist es auch zu erklären, dass die Schweiz als eines der reichsten Länder mit einem gut ausgebauten Bildungssystem weltweit eine der höchsten Lebenserwartungen aufweist. Arbeit und Umwelt
Nicht zu unterschätzen ist sodann der Faktor Erwerbstätigkeit. Die Qualität der Arbeitsstelle, die Position im Beruf sowie die damit verbundene Stellung in der Gesellschaft haben bei Menschen aller Einkommensgruppen einen bedeutenden Einfluss auf ihre gesundheitlichen Risiken. Bei jeder längeren Erwerbslosigkeit nimmt die Wahrscheinlichkeit zu, dass der Mensch krank wird. Mit der zunehmenden Verstädterung sind auch Einflussfaktoren wie Luftverschmutzung, Strassenverkehr, unsauberes Wasser und verunreinigte Lebensmittel wichtiger geworden. Bezeichnend ist, dass insbesondere Menschen mit niedrigerem Einkommen zum Beispiel in Stadtteilen oder Regionen mit höherer Umweltbelastung leben. Intaktes soziales Umfeld in der Kindheit
Besonderes Gewicht legt der Bericht auf Faktoren, die positiv auf die frühkindliche Entwicklung einwirken, wobei der
Arbeiter haben immer noch eine deutlich tiefere Lebenserwartung als Akademiker. Das muss sich ändern.
fördernde und schützende Einfluss stabiler Eltern-, Kind- und Geschwisterbeziehungen von grösster Bedeutung ist. Obwohl sich der Bedarf an externer Kinderbetreuung in der Schweiz seit 1991 vervierfacht hat, besteht nach wie vor ein Mangel an Angeboten, die auch für Eltern mit geringem Einkommen bezahlbar sind. Auch hier zeigt sich, dass familiäre Armut ein frühkindliches Risiko von grosser Tragweite ist. Der Bericht zeigt auch auf, dass es alleinerziehenden Müttern gesundheitlich tendenziell schlechter geht als Frauen, die mit dem Vater ihrer Kinder in einer Partnerschaft leben. Bei alleinerziehenden Müttern ist festzustellen, dass sie häufiger rauchen, seltener Sport treiben und das Gesundheitssystem in der Regel weniger in Anspruch nehmen als andere Frauen. Migration und Gesundheit
Ein besonderes Augenmerk richtet der Bericht auch auf das Problem «Migration und Gesundheit». Die Migranten, welche in den letzten zwanzig Jahren auf der Suche nach Arbeit und Asyl in die Schweiz gekommen sind, haben einen eher tiefen sozioökonomischen Status. Sie sind wenig gebildet, arbeiten in Branchen, die stark von der Kon-
junktur abhängig sind und verdienen am wenigsten. Die Zuwanderer finden oft nur schwer Zugang zur Gesundheitsversorgung und zur Prävention, sei es wegen sprachlicher oder kultureller Barrieren oder weil sie sich schämen, entsprechende Dienste in Anspruch zu nehmen. Nicht allein Aufgabe des Staates...
Die Erhaltung der Gesundheit und die optimale Versorgung Kranker sei nicht allein Aufgabe des Staates, heisst es in der Schlussbetrachtung des Berichts. Auch Arbeitgeber, Sportvereine, Altersheime, Ärzte, Versicherungen und Lebensmittelhersteller seien gefordert, sich daran zu beteiligen. Auf der Ebene des Bundes fehle jedoch weiterhin eine nationale, kohärente Gesundheitspolitik, welche die Gesundheit in allen Politikbereichen verankere und es damit erlaube, auch die Gesundheitsdeterminanten systematischer als bisher in Betracht zu ziehen und Handlungsprioritäten zu setzen. Joseph Ziegler Gesundheit in der Schweiz – Nationaler Gesundheits bericht 2008, Herausgeber: Gesundheitsobservatorium, Espace de l’Europe 10, 2010 Neuchâtel
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Monats
Foto: Keystone
Der Protagonist auf diesem Bild ist äusserst robust. Er ringt mit seinen Kontrahenten so lange, bis die Hierarchie geklärt ist und er an der Spitze steht. Bei Auseinandersetzungen geht er mit dem Kopf durch die Wand und nimmt, wenn es sein muss, gerne auch einmal die Hörner zur Hilfe. Sein Kampfstil ist hart, doch verletzt er sein Gegenüber nicht – in der Regel. Er ist eine stattliche Erscheinung, ausgestattet mit einem ebenso stattlichen Selbstbewusstsein. Es gibt Leute, die werfen ihm vor, er habe nach nichts Geringerem als der Königswürde gestrebt. Diese Eigenschaften sind durch seine Herkunft mitgeprägt, stammt er doch aus einer Bergregion, wo man früh lernt, was anpacken heisst. Die Unbeugsamkeit und Beharrlichkeit, die ihn auszeichnen, sind in seiner Heimat weit verbreitet. Wann immer es sein dicht gefülltes Arbeitsprogramm zulässt, zieht er sich in die Stille der Gebirgswelt zurück, um neue Energie zu tanken. Der Protagonist, den wir meinen, ist natürlich die Eringerkuh. Sie hat sich im traditionellen Ringkuhkampf in Aproz (VS) dank hartem Training soeben gegen alle anderen Eringerkühe durchgesetzt. Damit ist sie die neue «Reine» – die Königin. Sogar der abtretende Bundesrat Pascal Couchepin ist gekommen, um ihr zu gratulieren.
22 | Bild des Monats 5/09
Bild
Unbeugsame Kämpfernatur von königlichem Gebahren
Ist die Übernahme der Spitexkosten durch die Grundversicherung auf eine maximale Stundenzahl beschränkt? Wie viele Stunden werden monatlich maximal vergütet? Ist die ärztlich verordnete Haushaltshilfe (Putzen, Kochen, etc.) über die Grundversicherung abgedeckt? Gibt es auch da eine Beschränkung?
Art. 8, Abs. 6 KLV verlangt für Akutkranke eine ärztliche Verordnung für maximal drei Monate, für Langzeitpatienten eine für maximal sechs Monate. Art. 8a Abs. 3 KLV verlangt: «Die ärztlichen Aufträge oder Anordnungen sind zu überprüfen, wenn voraussichtlich mehr als 60 Stunden pro Quartal benötigt werden. Werden voraussichtlich weniger als 60 Stunden pro Quartal benötigt, sind systematische Stichproben durchzuführen.» Haushaltshilfe wird in keinem Fall – auch nicht wenn sie ärztlich verordnet ist – von der obligatorischen Krankenversicherung übernommen.
Foto: Prisma
Eine Spitex-Organisation nimmt für eine Patientin an einem runden Tisch mit der Psychiaterin, der Patientin und den Spitex-Mitarbeiterinnen teil. Kann sie diesen Aufwand verrechnen? Ziel des Gespräches sind die Ziele und die Umsetzung der psychiatrischen Pflege der Patientin mit der Diagnose Depression. Von SpitexSeite nehmen zwei Mitarbeiterinnen teil. Die Sitzung dauert eine Stunde.
Die Spitex-Organisation kann im beschriebenen Fall eine Stunde Massnahmen der Abklärung und Beratung verrechnen (Artikel 7 Abs. 2 lit. a KLV). Die Teilnahme einer Pflegeperson an diesem Gespräch wird wohl niemand in Frage stellen. Nimmt die Spitex jedoch mit zwei Personen teil, kann ihr das niemand verwehren – aber die Versicherung muss die Stunde der zweiten Pflegeperson nicht übernehmen. Die rechtliche Grundlage dazu liefert Artikel 56 des KVG (Wirtschaftlichkeit der Leistungen). Wie differenziert santésuisse zwischen den Begriffen «Kur» und «Rehabilitation»?
Die medizinische Rehabilitation ist eine kassenpflichtige Leistung (Art. 25 Abs. 2 lit. d KVG). Sie kann ambulant, in einer Kuranstalt, in einem Pflegeheim oder in einer spezialisierten Rehabilitationsklinik erfolgen. Letzteres verlangt allerdings eine ausgewiesene Spitalbedürftigkeit. Die medizinische Rehabilitation bezweckt die Wiedererlangung verlorener Fähigkeiten oder die Verbesserung beeinträchtigter Funktionsfähigkeiten mit medizinischen Mitteln. Erholungskuren dienen – wie es der Name sagt – zur Erholung durch Schonung und Milieu- oder Klimawechsel nach Erkrankungen. Eine besondere Pflegeoder Behandlungsbedürftigkeit liegt nicht vor. Erholungskuren sind nicht kassenpflichtig. Badekuren werden zur Heilung oder Linderung von Krankheits- oder Operationsfolgen bei mobilen Patienten ohne Pflege- oder Abklärungsbedürftigkeit verordnet. Wenn der Versicherte die ärztlich verordneten Therapien in einer ärztlich geleiteten Badekuranstalt absolvieren muss und dafür ausserhalb seiner Wohnung Unterkunft bezieht, spricht man von einer Badekur. Im Rahmen der obligatorischen Krankenpflegeversicherung leisten die Krankenversicherer einen täglichen Badekurbeitrag von 10 Franken während höchstens 21 Tagen pro Kalenderjahr (Art. 25 Abs. 2 lit. c KVG; Art. 25 KLV). Daneben werden die notwendigen diagnostischen, therapeutischen und sonstigen medizinischen Aufwendungen vergütet. Patienten mit schweren Störungen im Bereich der Logopädie benötigen oft eine intensive Therapie. Bei einer Behandlung, die drei Mal wöchentlich stattfindet, braucht es alle drei Wochen eine neue Verordnung. Gibt es in bestimmten Fällen die Möglichkeit einer «Langzeitverordnung» durch den Arzt?
Artikel 11 KLV beschreibt die Voraussetzungen für Logopädie. Er schreibt fest, dass nach zwölf Sitzungen eine weitere ärztliche Verordnung erforderlich ist. Der Gesetzgeber hat im Bereich Logopädie keine Langzeitverordnungen vorgesehen. Entsprechend gibt es keine Möglichkeit, Langzeitverordnungen einzureichen.
23 | Klipp & klar 5/09
Klipp klar
Leistungen der Grundversicherung: Fragen aus der Praxis
Starker Rückgang der Kindersterblichkeit seit 1990
Foto: ZGG
Die Weltgesundheitsorganisation (WHO) stellt in ihrem am 21. Mai 2009 erschienenen Jahresbericht der Gesundheitsstatistiken der Welt (World Health Statistics 2009) fest, dass sich die Kindersterblichkeit seit 1990 um 27 Prozent verringert hat. Laut Schätzungen der WHO starben im Jahr 2007 neun Millionen Kinder im Alter von unter fünf Jahren. Dies ist deutlich weniger als 1990 (geschätzte 12,5 Millionen). Allerdings ist die Verbesserung noch unzureichend, vor al-
lem in den Entwicklungsländern. Die Zahl liegt weit über den von der UNO für das neue Jahrtausend festgelegten Zielsetzungen. Die Kindersterblichkeit bei unter Fünfjährigen sollte im Zeitraum von 1990 bis 2015 um zwei Drittel zurückgehen. Das Sterberisiko ist im ersten Lebensmonat am höchsten, wobei vor allem eine zu frühe Geburt, Ersticken und Infektionen die Ursachen für einen frühen Tod sind. Mit folgenden Mitteln lassen sich laut WHO die Gesundheitsrisiken von Neugeborenen verringern: Qualitativ hoch stehende Betreuung während der Schwangerschaft, Geburt unter zureichend sicheren Bedingungen mit qualifiziertem Personal, kompetente nachgeburtliche Betreuung, insbesondere sofortige Kontrolle der Atmung und Warmhaltung des Neugeborenen, Nachpflege der Nabelschnur unter hygienischen Bedingungen und Stillen der Säuglinge als einzige Nahrungsquelle. Die häufigsten Todesursachen bei den einmonatigen bis fünfjährigen Kindern sind Lungenentzündung, Durchfall, Malaria, Masern und HIV-Infektion. Unterernährung macht über einen Drittel der Kindersterblichkeit aus. Viele Kinder könnten überleben, wenn sie Zugang zu einfachen und kostengünstigen Massnahmen hätten, zum Beispiel Ernährung durch Muttermilch, mit Insektizid behandelte Moskitonetze gegen die Malaria, Rehydratationssalz gegen Durchfallerkrankungen und vermehrte Impfungen. Die Kindbettsterblichkeit, ein weiteres Thema des Milleniumprogramms, ist seit 1990 praktisch unverändert geblieben. Es sterben etwa 400 Mütter auf 100 000 Geburten im Jahr. Südlich der Sahara sind es doppelt so viele.
Bekämpfung der Armut ist die beste Prävention
EU-Gesundheitsminister: Gesundheitsversorgung darf nicht unter Wirtschaftskrise leiden Beim Treffen der EU-Gesundheitsminister und ihrer Experten am 2. April 2009 in Oslo war man sich einig, dass Lösungen für die Wirtschaftskrise gefunden werden müssen, ohne die gesundheitspolitischen Ziele zu gefährden. Die Folgen der Krise sind auf zwei verschiedenen Ebenen spürbar. So verzeichnen praktisch alle europäischen Länder tiefere Steuereinnahmen als angenommen. Zudem liess der sinkende Wert zahlreicher Währungen in Europa die Preise von gesundheitsbezogenen Produkten in die Höhe klettern, insbesondere von Medikamenten und medizinischen Apparaten. Preissteigerungen, Arbeitslosigkeit und Unsicherheit könnten bei der Bevölkerung zu einer gesundheitsgefährdenden Lebenshaltung füh-
ren. Weniger bemittelte Bevölkerungsschichten greifen möglicherweise zu billigeren Lebensmitteln mit hohem Fett- und Zuckergehalt und tiefem Nährstoffanteil. Diese Ernährungsweise ist besonders für Kinder, Jugendliche, schwangere Frauen und stillende Mütter problematisch. Betrachtet man alle Fakten aus früheren Krisen, so ist davon auszugehen, dass auch der Alkohol- und Drogenkonsum sowie psychische Probleme stark zunehmen werden. Das Hauptaugenmerk muss laut den Gesundheitsministern bei der aktuellen Wirtschaftskrise auf der Gesundheitsförderung liegen. Es gelte, sich auf die Bekämpfung der Armut und Verbesserung des Zugangs zu den primären Gesundheitsdienstleistungen zu konzentrieren.
24 | Service 5/09
Service
WHO fordert weitere Massnahmen
Neue Methode vermeidet offene Operationen am Herzen Der Schweizer Herzchirurg Christoph Huber hat eine Methode entwickelt, dank der sich Herzklappen mit einer so genannten minimal invasiven Operation einsetzen lassen. Mit einem Katheder stossen die Chirurgen durch einen winzigen Schnitt direkt zum Herzen vor. Die Ersatzklappe ist auf Katheterdurchmesser zusammengefaltet und wird an der richtigen Stelle wieder entfaltet. Bisher war es bei einer sol-
chen Operation nötig, den Brustkorb zu öffnen, das Herz stillzulegen und eine Herzlungenmaschine einzusetzen. All dies soll dank der neuen Methode entfallen. Ausserdem wird ein Ersetzen der Herzklappe nun auch bei Patienten möglich, bei denen dieser Eingriff bisher zu risikoreich war. Christoph Huber hat für seine Arbeit den Forschungspreis der Schweizer Herzstiftung erhalten.
Kranke sollen sich erholen statt zu arbeiten
Frankreich: Kein Gesetz zur Heimarbeit während Krankheit rückgewiesen. Der Sprecher der UMP, Frédéric Lefebvre, sieht es so, dass man ja krankheitshalber beurlaubt und ans Haus gebunden sein könne und dennoch über seine intellektuellen Fähigkeiten und Energie verfüge. Abgesehen davon, dass nach der Rückkehr an den Arbeitsplatz plötzlich alles anders aussehen könne. Der Gesetzesentwurf hat scharfen Protest aus der Opposition, aber auch von einigen Abgeordneten der Mehrheit hervorgerufen. Die wichtigsten Gewerkschaften nannten das Ganze einen Affront, eine unnötige Provokation und sehen darin ein Ablenkungsmanöver. Um Familie und Beruf noch besser vereinen zu können, schlägt der französische Bund christlicher Arbeiter (CFTC) zynisch vor, die Kinder nun direkt am Arbeitsplatz zu gebären und sie gleich ab dem ersten Tag in den Kinderhort zu geben. Zu überlegen seien zudem Öffnungszeiten der Betriebshorte von 24 Stunden am Tag, sieben Tage die Woche.
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Sollen Angestellte, die krank gemeldet sind, von zu Hause aus weiter arbeiten können? Der umstrittene Vorschlag des Parteisprechers der UMP (Union pour un Mouvement Populaire, Partei von Präsident Sarkozy) erhält keine Unterstützung durch die Regierung. Gemäss Vorschlag sollen Angestellte während ihres krankheitsbedingten Fernbleibens oder während des Mutterschaftsurlaubs die Möglichkeit haben, von zu Hause aus ihrer Arbeit nachzugehen. Grundsätzlich bedeute die bei Krankheit oder Mutterschaft eingeräumte Zeit, ein Recht darauf, in dieser Zeit nicht arbeiten zu müssen, sagte Nathalie Kosciusko-Morizet (Staatssekretärin für digitale Wirtschaft) vor der Nationalversammlung anlässlich der Fragestunde an die Regierung. Die Klarstellung kommt einer Schelte an die Adresse der UMP gleich. Der Text wurde von der Kommission für soziale Angelegenheiten der Nationalversammlung an die Abgeordneten zur Debatte zu-
25 | Service 5/09
Service
Herzklappen lassen sich nun per Katheter einsetzen
Die Schweizerische Umfrage zum Tabakkonsum führt seit 2001 Erhebungen zum Rauchverhalten bei der 14- bis 65-jährigen Wohnbevölkerung der Schweiz durch. Sie wird durch den Fonds für nachhaltige Tabakprävention finanziert. Im gleichen Zusammenhang werden auch weitere Themenbereiche untersucht. Die Anzahl der Raucher in der Schweiz hat abgenommen. Betrug der Anteil rauchender Personen im Jahr 2001 noch 33 Prozent, so waren es 2008 27 Prozent. Ein Rückgang lässt sich sowohl bei den Männern als auch bei den Frauen feststellen (Frauen: von 30 Prozent im Jahr 2001 auf 24 Prozent im Jahr 2008; Männer: von 37 auf 30 Prozent im gleichen Zeitraum). Der Anteil der Rauchenden ist bei allen Altersgruppen zurückgegangen. Bei den 14- bis 19-Jährigen von 31 Prozent im Jahr 2001 auf 23 Prozent im Jahr 2008. Den stärksten Rückgang verzeichnen die 35- bis 44-Jährigen, nämlich von 35 Prozent (2001) auf 26 Prozent (2008). Nach einem leichten Anstieg bis 2006 befindet sich der Anteil von rauchenden Personen bei den 20bis 24-Jährigen nun im Abstieg. Dennoch verzeichnet diese Altersgruppe immer noch die meisten Rauchenden (2008: 40 Prozent der Männer und 36 Prozent der Frauen). Verglichen mit 2007 hat die Aufhörbereitschaft ebenfalls abgenommen. Wollten im Jahr 2007 noch 54 Prozent aufhören zu rauchen, waren es 2008 nur noch 50 Prozent. Die täglich Rauchenden rauchen am häufigsten zu Hause, während die Gelegenheitsraucher dies eher in Restaurants oder Bars tun. Der Arbeitsplatz ist nicht mehr der Ort, wo am häufigsten geraucht wird. Zweifelsohne hat die Aktion «arbeitsplatz. rauchfrei» wesentlich dazu beigetragen.
Aus aller Welt
Schweizerische Umfrage zum Tabakkonsum
Service
Anteil der Raucher sinkt weiter
Anti-Rauch-Gesetz ignoriert Die Österreicher tun sich schwer mit dem Rauchverbot in Gaststätten, das in der Alpenrepublik seit Anfang Jahr gilt. Die Krebshilfe hat 459 Lokale in Wien kontrolliert. 81 Prozent davon setzen das neue Gesetz nicht um.
Leichen verkauft In Kalifornien hat ein Mann während 15 Jahren gespendete Leichen an die Pharmaindustrie verkauft, statt sie wie vorgesehen an die Universitätsklinik Los Angeles weiterzugeben. Er hat damit rund 1,5 Millionen Dollar verdient. Nun drohen ihm bis zu zwölf Jahre Haft
Quellenangaben: Keller, R., Radtke, T., Krebs, H. & Hornung, R. Der Tabakkonsum der Schweizer Wohnbevölkerung in den Jahren 2001 bis 2008. Tabakmonitoring – Schweizerische Umfrage zum Tabakkonsum. 2009.
Schmutzige Kliniken
Der gesamte Bericht sowie die Zusammenfassung lassen sich hier herunterladen: http://www.tabakmonitoring.ch
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Das irische Gesundheitsministerium hat die irischen Kliniken bezüglich ihrer Hygiene untersuchen lassen. Nur sieben der 51 Krankenhäuser erhielten eine genügende Bewertung. Neun Kliniken waren sogar derart dreckig, dass «Patientenleben in akuter Gefahr» seien.
Zu dick für Neuseeland Einer britischen Krankenschwester, die ein Jobangebot eines Pflegeheims hatte, ist die Einreise nach Neuseeland verweigert worden. Die Begründung: Mit ihren 134 Kilo sei sie krankhaft fettsüchtig und werde in den nächsten Jahren vermutlich hohe Gesundheitskosten verursachen.
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Veranstaltungen Veranstalter
Besonderes
Datum/Ort
Weitere Informationen
Kongress eHealthCare.ch 2009 eHealthCare.ch
Fachausstellung mit vielen Referaten und Workshops
23. bis 24. September www.ehealthcare.ch Paraplegikerzentrum Nottwil LU
Generalversammlung von santésuisse santésuisse
Anschliessend Tagung «Gesundheitspolitik im Fokus»: Sparvorschläge der verschiedenen Akteure
26. Juni www.santesuisse.ch Bern, Hotel Bellevue Palace
Das KVG zwischen kantonalen Spitalplanungen und Pay for Performance-Konzepten irp Universität St. Gallen
Themen: Umsetzung und Auswirkungen der neuen Spitalfinanzierung
www.irp.unisg.ch 27. August Grand Casino Luzern
Zeichnung: Marc Roulin
Melden Sie uns Ihre Veranstaltungen an: redaktion@santesuisse.ch! Weitere Veranstaltungen unter www.santesuisse.ch
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Handbuch der Schweizer Krankenversicherung 2009 Die KPT gehört zu den grössten Krankenversicherern der Schweiz und bietet die modernste Online-Plattform dieser Branche an. Da wir unsere Dienstleistungen stetig ausbauen, suchen wir zur Ergänzung unserer Fachstelle in Bern per sofort oder nach Vereinbarung eine/n
Spezialist/in Fachstelle Schaden (100 %)
Das Handbuch ist in deutscher und französischer Sprache erhältlich und kostet je Fr. 39.50 inkl. MwSt, zusätzlich Porto- und Verpackungskosten.
Ihre Hauptaufgaben: • Koordinieren von Leistungsfragen an interne sowie externe Stellen • Fachliche Förderung der Gruppenleitung • Ausarbeiten und zusammenstellen von Grundsatz entscheiden • Durchführen von Aus und Weiterbildungen für Mitarbeitende im Bereich Schaden • Durchführen von Fallbesprechungen mit der Gruppenleitung • Erstellen von komplexer Korrespondenz • Prüfen oder erstellen von Verfügungen und Einspracheentscheiden • Erstellen von Prozessen, Handbüchern, Schulungs unterlagen, Weisungen etc. • Sonderaufgaben auf Anweisung des Abteilungsleiters Wir erwarten: • Eine kaufmännische Grundausbildung • Mehrjährige Berufserfahrung im Schadenbereich KVG • Eine abgeschlossene Weiterbildung als Kranken versicherungsexperte/-expertin und/oder Sozialversicherungsfachmann/-frau mit eidg. Fachausweis • Lösungsorientiertes Denken und Handeln • Eine stilsichere Schreibweise und ausgeprägte Kommunikationsfähigkeit • Eine teamfähige, flexible und belastbare Persönlichkeit • Gute PCAnwenderkenntnisse der Microsoft Office Programme • Deutsche Muttersprache sowie mündliche Französischkenntnisse Wir bieten: • Eine abwechslungsreiche und motivierende Heraus forderung in einem dynamischen Umfeld mit moderner Infrastruktur • Fortschrittliche Anstellungsbedingungen, vorbildliche Sozialleistungen sowie attraktive Weiter bildungsmöglichkeiten • Einen Arbeitsort in der Nähe des Stadtzentrums von Bern
Bestellung _____
Exemplar(e) Handbuch der Schweizer Krankenversicherung 2009, deutsche Ausgabe
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exemplaire(s) de l’Annuaire de l’assurance-maladie suisse 2009, édition française
Bestellungen an: santésuisse, Verlag, Postfach, 4502 Solothurn Fax 032 625 41 51, E-mail: shop@santésuisse.ch
Andreas Jordi, Leiter Schaden, steht Ihnen für Auskünfte gerne zur Verfügung. Sie erreichen ihn unter 058 310 92 85 oder jordi.andreas@kpt.ch. Haben wir Ihr Interesse geweckt? Dann freuen wir uns auf Ihre vollständigen Bewerbungsunterlagen inkl. Foto an unten stehende Adresse zuhanden Nicole Stuker, Abteilung Personal oder an stuker.nicole@kpt.ch. KPT/CPT, Tellstrasse 18, Postfach, 3000 Bern 22 Telefon 058 310 91 11, Fax 058 310 86 35, www.kpt.ch
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