infosantésuisse Nr.05/2010 deutsch

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info santĂŠsuisse

Welche Prävention brauchen wir?

Das Magazin der Schweizer Krankenversicherer


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Das Präventionsgesetz kommt vermutlich noch in diesem Jahr in die Räte – eine Bilanz

Finanzierung der Prävention: die verschiedenen Geldquellen im Überblick

Prävention zahlt sich aus: Mit drei Pionierstudien zum Return of Investment von Präventionsmassnahmen wird methodisch Neuland betreten

Inhalt Im Fokus 4 Seilziehen um das Präventionsgesetz 5 Interview mit Stefan Kaufmann, Direktor von santésuisse: «Die Gesundheitspolitik braucht einen Paradigmawechsel» 6 Im Gespräch mit Thomas Mattig, Direktor der Stiftung Gesundheitsförderung Schweiz: «22 Kantone setzen das Gleiche um – eine Premiere» 8 Wie wird die Prävention in der Schweiz finanziert? 9 Ausgaben für die Prävention: die Schweiz unter dem OECD-Durchschnitt 10 Prävention wirkt nicht nur, sie zahlt sich auch aus 11 Interview mit dem Präventivmediziner David Fäh: «Mehr Bewegung ist sinnvoller als weniger essen» 12 Zug macht die Depression salonfähig 13 3x3 Fragen an Joachim Eder, Gesundheitsdirektor des Kantons Zug 14 Pedibus – der Schulbus auf Füssen 16 Im Gespräch mit dem Allgemeinmediziner Felix Huber: «Die Zukunft von Managed Care liegt in der Betreuung von chronisch kranken Menschen» 18 Die Mammografie ist auf dem Prüfstand 20 Buchtipp: Die Spritze zuviel? von Catherine Riva und Jean-Pierre Spinosa Gesundheitswesen 22 SwissDRG 2012: Das KVG ist kein Spitalfinanzierungsgesetz 24 Leistungskatalog: Opfer der Vollkasko-Mentalität? Service 26 Bild des Monats: Wie Sie die WM gesund überleben 27 Aus aller Welt 27 Gute Familien-Beziehungen, weniger Alkoholkonsum 27 EU investiert 500 Millionen in neue Technologien

Nr. 5, juni 2010. Erscheint zehnmal jährlich Abonnementspreis Fr. 69.− pro Jahr, Einzelnummer Fr. 10.− Herausgeber und Administration santésuisse, Die Schweizer Krankenversicherer, Römerstrasse 20, Postfach, 4502 Solothurn Verantwortliche Redaktion Silvia Schütz, Abteilung Politik und Kommunikation, Postfach, 4502 Solothurn, Tel. 032 625 42 25, Fax 032 625 41 51, E-Mail: redaktion@santesuisse.ch Herstellung: Rub Graf-Lehmann, Murtenstrasse 40, 3001 Bern Gestaltungskonzept: Pomcany’s Layout: Henriette Lux Anzeigenverwaltung: Alle Inserate − auch Stelleninserate − sind zu richten an: «infosantésuisse», Römerstrasse 20, Postfach, 4502 Solothurn E-Mail: redaktion@santesuisse.ch Abonnementsverwaltung Tel. 032 625 42 74, Fax 032 625 41 51 Homepage: www.santesuisse.ch Titelbild: Schütz den Lux, Solothurn ISSN 1660-7228


Brauchen wir ein Präventionsgesetz?

Ein moderner Staat soll Bedingungen schaffen, welche allen Bewohnern ein gesundes Leben ermöglichen. Dazu gehören die aktive Gesundheitsförderung und das Vermeiden und Früherkennen von Krankheiten, dort, wo es zweckmässig ist. Viele Krankheiten treten auf, ohne dass wir sie steuern oder gar vermeiden können. Dafür brauchen wir eine gute medizinische Versorgung. Gesundheitsförderung geht darüber hinaus: «Gesundheit wird als ein Zustand des vollständigen körperlichen, geistigen und sozialen Wohlbefindens und nicht nur als Abwesenheit von Krankheiten und Gebrechen definiert», so die WHO. Diese Definition zeigt auf, in welche Richtung sich die Gesundheitspolitik bewegen könnte: Weg vom rein kurativen Denken hin zum aktiven Fördern der Gesundheit. Der Zeitpunkt für eine derartige Gewichtung von Gesundheitsförderung und Prävention ist günstig: Die Überalterung, die Zunahme von chronisch Kranken, der Anstieg von psychischen Störungen und das Neuauftreten von Infektionskrankheiten fordern unser Gesundheitssystem heraus und tragen zur grassierenden Kostensteigerung bei. Kosten werden gedämpft, indem man Krankheiten früh genug erkennt oder die Gesundheit gar nicht erst gefährdet. Gesundheitsförderung- und Primärprävention helfen dem Individuum, sein Verhalten hin zu einer gesünderen Lebensweise zu verändern, schafft eine gesündere Umgebung, baut Gesundheitsressourcen auf und verringert so die Anfälligkeit des Einzelnen für Krankheiten. Neue Studien belegen am Beispiel von Alkohol, Tabak und Verkehr, dass sich Prävention rentiert. Und mit der Reduktion von Stress am Arbeitsplatz oder mit der Förderung der psychischen Gesundheit generell können massiv Taggelder und IV-Renten gespart werden. Das Präventionsgesetz hat im Vorfeld durch einen umfassenden Einbezug von Gesundheitsförderung und Primärprävention Erwartungen geweckt, die es nun nicht erfüllt. Im jetzt vorliegenden Gesetzestext sind Gegenstand und Zweckartikel auf die direkte Verhütung und Erkennung von übertragbaren, stark verbreiteten oder besonders schweren Krankheiten ausgerichtet. Diese starke Gewichtung der Sekundärprävention, d.h. der Früherkennung von Krankheiten, konzentriert sich auf einen Bereich, der bereits durch bestehende Spezialgesetze geregelt ist (KVG, Art. 26; UVG; Arbeitsgesetz, Epidemiengesetz und in den Gesundheitsgesetzen). Ein weiterer Negativpunkt ist die Finanzierung: Die Beschränkung auf die Bereiche KVG-Prämienzuschlag und Tabakpräventionsabgabe steht im Widerspruch zur Anforderung an das Gesetz, dass die vorhandenen Ressourcen effizienter eingesetzt werden müssen. Dem Präventionsgesetz sollten möglichst alle heute für Präventionszwecke eingesetzten Mittel unterstellt werden, also unter anderem die Präventions-«Töpfe» von BAG, BfU und Suva. Auf der Titelseite steht die Frage: «Welche Prävention brauchen wir?» Die Antwort lautet: Alle, also Gesundheitsförderung, Primär-, Sekundär und Tertiärprävention. Warum das so ist, werden Sie nach dem Lesen dieses Heftes wissen. Ebenso werden Sie wissen, warum wir die Frage «Brauchen wir ein Präventionsgesetz?» trotz allem mit Ja beantworten.

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Dr. Reto Guetg Vertrauensarzt santésuisse


Die Vorlage kommt vermutlich noch in diesem Jahr in die Räte

Seilziehen um das Präventionsgesetz Was genau ist Prävention, was Gesundheitsförderung? Gesundheitsförderung ist mehr als das Heilen von Krankheit. Im weitesten Sinne umfasst sie strukturelle Eingriffe, welche die Volksgesundheit verbessern, angefangen bei der allgemeinen Schulpflicht bis hin zu den garantierten Grundrechten des Einzelnen.1 Die zentrale Frage lautet: Was hält den Menschen gesund? Durch die Veränderung der Arbeits-, Umwelt- und Lebensbedingungen sowie des individuellen Verhaltens sollen bessere Bedingungen für gesundes Leben geschaffen werden. Essentiell ist dabei, dass sich jeder Einzelne aktiv beteiligt, um selbstbestimmtes Handeln und Vertrauen in sich zu verankern. Dieses Vertrauen ermöglicht es ihm, den physischen und psychosozialen Herausforderungen in seinem Leben Stirn zu bieten (Salutogenese). Grundlage ist die Definition von Gesundheit, wie sie die Weltgesundheitsorganisation formuliert hat: «Gesundheit wird als ein Zustand des vollständigen körperlichen, geistigen und sozialen Wohlbefindens und nicht nur als Abwesenheit von Krankheiten und Gebrechen definiert.» Die Primärprävention deckt einen Teil der Gesundheitsförderung ab, indem sie darauf abzielt, Krankheiten vorzubeugen; etwa durch Impfungen oder die Förderung sportlicher Betätigung. Die Sekundärprävention fokussiert auf die frühzeitige Erkennung der Krankheiten durch Screening. Auch das frühzeitige Erkennen von Risikofaktoren – etwa hoher Blutdruck für Herz-Kreislauf-Erkrankungen – gehören dazu. Die Tertiärprävention strebt die genauere Diagnose einer bereits akuten Krankheit und eine Verringerung des Rückfallrisikos an, zum Beispiel durch Rehabilitation nach einem Hirnschlag.(sis) Der Text beruht auf einem zusammengefassten Auszug aus dem Kapitel Prävention, Gesundheitsförderung und Public Health aus: Gesundheitswesen Schweiz 2010 – 2012, Eine aktuelle Übersicht, (hg.) Kocher, Gerhard, Oggier, Willy, S. 309 ff. Das Buch ist ab Ende Juni 2010 im Buchhandel erhältlich.

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Das Ziel des neuen Bundesgesetzes über Gesundheitsförderung und Prävention ist es, die Aktivitäten der verschiedenen Akteure zu koordinieren und effizienter zu gestalten. Auf breiter Ebene gibt das vorgesehene, neu zu schaffende nationale Institut Anlass zu Diskussionen. Wo stehen wir?

Die ursprüngliche Stossrichtung des Präventionsgesetzes1, über die interessierte Verbände und Kreise in Arbeitssitzungen diskutierten, war eine breit gefasste. Das Gesetz sollte demnach • Gesundheitsförderung und Prävention stärken • Gesundheitskompetenz und -ressourcen der Bevölkerung fördern • Gesundheitsbelastungen reduzieren • Zuständigkeiten und Kompetenzen zwischen Bund, Kantonen und anderen Akteuren klar regeln. Das neue Präventionsgesetz, auf das die Nationalratskommission SGK-NR Ende März eingetreten ist, wird noch in diesem Jahr in der Gesundheitskommission des Ständerats beraten. Es sieht Folgendes vor: Der Bund formuliert unter Mitwirkung der Kantone für eine Dauer von jeweils acht Jahren Gesundheitsziele. Daraus wird die für vier Jahre geltende Strategie zur Gesundheitsförderung und Prävention entwickelt. Mit Kosten-Nutzen-Analysen wird überwacht, ob die Ziele erreicht worden sind. Ein neues, nationales Institut erarbeitet Massnahmen und setzt diese um. Finanziert werden die Massnahmen zum Teil durch die Abgaben auf Tabak und den KVG-Prämienzuschlag. Die nun vorliegende Version gewichtet die Sekundärprävention stark und schmälert die ursprüngliche Breite des Gesetzes. Grosses Fragezeichen hinter das nationale Institut

Bei den Befürwortern des Gesetzes herrscht Einigkeit, dass Prävention koordiniert und effizienter gestaltet werden muss.

I. Aufwand Bund (Daten gemäss Angaben der jeweiligen Institution)

II. Unabhängige anstalten bzw. stiftungen mit gesetzlichem auftrag (Zweckgebundene Kausalabgaben auf Versicherungsprämien)

Kernverwaltung 1

38,2

total aufwand

III. weitere akteure (Daten 2004 gemäss finanzstatistik der öffentlichen haushalte des bfs)

152,2

(ordentliche Bundesmittel)

Aufgeteilt in

Aids (BAG) 10,0 alkohol (bag) 4,7 Bewegung (baspo) 1,5 Drogenprävention jugendliche (bag) 5,5 drogenprävention allgemein (BAG) 6,7 ernährung (bag) 0,3 tabak (bag) 1,8 anderes (bag) 7,7 dezentrale verwaltungseinheiten 19,5 Aufgeteilt in tabakpräventionsfonds eidg. alkoholverwaltung

davon

suva und fachorganisationen 92,6 seco und kant. arbeitsinspektorate 7,9 beratungsstelle für unfallverhütung 15,4 fonds für verkehrssicherheit 18,8 gesundheitsförderung schweiz 17,5

sozialversicherungen 2 (wohl hauptsächlich Ausgaben der AHV und der IV für Sozialwesen und wiedereingliederung )

149,8

kantone 2 (durchschnittlich CHF 34/einwohner) gemeinden 2 (wahrscheinlich primär

252,3

zahnprophylaxe in der schule und suchtprävention/-therapie) private organisationen 2 private haushalte 2 kostenbeteiligung zahnbehandlung der kinder spenden gesundheitsligen

18,0 1,5

total 2004 3

125,1 222,6 180,8 55,2 55,6 1125,5

Es werden nur die effektiven Aufwendungen für Präventionsmassnahmen aufgeführt. Die Daten der Finanzstatistik der öffentlichen Haushalte des BFS enthalten auch die Verwaltungskosten. 2 Genauer Verwendungszweck unklar: Die Daten der Finanzstatistik der öfffentlichen Haushalte des BFS werden auf der Grundlage veralteter Konzepte erfasst und ventiliert. 3 inkl. Bund: Daten 2004 gemäss Finanzstatistik der öffentlichen Haushalte. 1

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Quelle: BAG

wer macht was? die Aufwendungen («Töpfe») für Prävention in Millionen CHF aus dem Jahr 2004


Praktisch einig ist man sich auch, dass das neue, nationale Institut überflüssig ist. 30 Wirtschaftsverbände, die meisten Parteien, kantonale Gesundheitsdirektoren und private Stiftungen argumentieren ähnlich: Institutionen, die eine national koordinierende Funktion übernehmen könnten, bestehen bereits. Auch dem Schweizerischen Gewerbeverband ist das neue nationale Institut ein Dorn im Auge. Zusätzlich bemängelt er, dass durch die Zentralisierung ein Effizienzverlust entstehen würde, die einzelnen Risikogruppen weniger spezifisch angesprochen würden und den KMUs mehr administrativer Aufwand

entstünde. Er ist gegen die Vorlage. Auch economiesuisse ist dagegen: Der Verband erachtet ein neues Gesetz als den falschen Weg für eine bessere Präventionspolitik. silvia schütz

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Die ausführliche Botschaft zum Bundesgesetz über Prävention und Gesundheitsförderung kann eingesehen werden unter http://www.admin.ch/ch/d/ff/2009/7071.pdf

Das Präventionsgesetz sorgt für mehr Effizienz und bessere Koordination, doch hat es auch Schwächen

Foto: Dominik Labhardt

«Die Gesundheitspolitik braucht einen Paradigmawechsel» Der Schwerpunkt der Schweizer Gesundheitspolitik liegt zurzeit auf der kurativen Medizin. Wichtiger Bestandteil eines Gesundheitssystems sollte indes auch die Förderung und Erhaltung der Gesundheit sein. Diese kommt im vorgesehenen Präventionsgesetz zu kurz, sagt Stefan Kaufmann, Direktor von santésuisse, im Interview.

Was muss das künftige Präventionsgesetz aus Sicht der Krankenversicherer erfüllen?

Ziele der Prävention und Zuständigkeiten der Akteure müssen klar definiert sein. Darauf baut die breit getragene Strategie auf, welche die Gesundheitsförderung und Krankheitsverhinderung (Primärprävention) ermöglicht. Es geht nicht darum, mehr Geld zu verlangen, sondern die Mittel gezielter und unter Kosten-Nutzen-Überlegungen sinnvoll einzusetzen. Deshalb sollte evidenzbasiert vorgegangen werden. Erfüllt das Präventionsgesetz zum jetzigen Zeitpunkt Ihre Erwartung?

Die Forderung nach einer nationalen, strategischen Steuerung hat sich im Gesetz niedergeschlagen. Enttäuschend ist hingegen, dass nur ein kleiner Teil der «Töpfe» unter das Präventionsgesetz gestellt werden sollen. Das schränkt eine umfassende Gesamtkoordination der Prävention ein. Ein weiterer Negativpunkt: Das Bundesamt für Gesundheit (BAG) hat zulasten der Gesundheitsförderung und der Krankheitsverhütung nun der Sekundärprävention (Früherkennung) deutlich mehr Gewicht gegeben. Die ist nach Ansicht der Versicherer im Krankenversicherungsgesetz (KVG) und den weiteren Spezialerlässen bereits geregelt. Ausserdem wer-

den dadurch neuen Kosten zulasten der Krankenversicherung Tür und Tor geöffnet. Was halten Sie von einem neuen nationalen Institut, das künftig die Prävention koordinieren soll?

Unnötig. Wir haben bereits die nötigen Strukturen. Gefehlt hat bislang die nationale Strategie. Wofür sollten die 18 Millionen aus dem KVG-Prämienzuschlag verwendet werden?

Für die Gesundheitsförderung, denn sie muss gestärkt werden. Unser Gesundheitssystem versteht sich nicht als solches, sondern funktioniert als Krankheitssystem. Die Leistungserbringer werden nicht fürs Gesunderhalten bezahlt, sondern für das Kurieren und das frühe Erkennen von Krankheiten. Hier braucht es in der Gesundheitspolitik einen Paradigmawechsel. Die Gesundheit und die Förderung und Erhaltung der Gesundheit müssen in den Fokus gerückt werden. Sinnvolle Prävention sollte über die heute angebotenen Leistungen wie Vorsorge- oder Früherkennungsuntersuchungen hinausgehen. Sie sollte dort beginnen, wo gesundheitsschädigende Faktoren vermieden werden können. Sei dies im Berufsleben, im Alltag oder im privaten Bereich. Bevormundet das Gesetz die Bürger unnötig?

Gesundheitsförderung bevormundet nicht, sondern zeigt auf, wie man Gesundheitskompetenzen erwerben kann. Ein Beispiel für Erfolg ist die Förderung der Zahnhygiene in den Schulzimmern. Gesundheitsförderung kommt ohne Verbote und Zwang aus. Wer davon profitieren möchte, kann dies tun. Freiwillig. interview: silvia schütz

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Die Aktivitäten der verschiedenen Akteure sind momentan in der Regel nicht aufeinander abgestimmt

«22 Kantone setzen das Gleiche um – eine Premiere» Bisher gibt es auf nationaler Ebene nur wenig gesetzliche Grundlagen für Gesundheitsförderung und Prävention, sagt Thomas Mattig, Direktor der Stiftung Gesundheitsförderung Schweiz. Deshalb ist das neue Gesetz wichtig.

Lange wurde diskutiert, nun steht das Präventionsgesetz vor der Tür. Denken Sie «endlich» oder «leider»?

Ich begrüsse das Präventionsgesetz auf jeden Fall. Einerseits, weil dank des Gesetzes alle Akteure zielgerichteter vorgehen können, andererseits, weil Gesundheitsförderung und Prävention dadurch einen höheren Stellenwert erhalten. Bisher existierten auf Bundesebene nur marginale gesetzliche Grundlagen für Gesundheitsförderung und Prävention. In welchen Bereichen ist die Ausrichtung aufs Ziel besonders wichtig?

Generell fehlen in der Prävention übergeordnete Ziele. Das gilt zum Beispiel für den Bereich der psychischen Gesundheit, wo neben uns der Bund und die Kantone mit verschiedenen Programmen tätig sind. Gemeinsame Ziele und Strategien würden allen Akteuren erlauben, ihre Aktivitäten besser aufeinander abzustimmen. Als Lösung und Zentrum der Koordination wurde ein neues, nationales Institut vorgeschlagen. Was halten Sie davon?

Wir stehen heute nicht auf der grünen Wiese; es sind in der Vergangenheit Strukturen aufgebaut worden, die sich bewährt haben und an denen man anknüpfen kann. Jetzt mit etwas völlig Neuem beginnen, würde viel Aufbauarbeit zunichte machen. Das sieht eine Mehrzahl der Akteure so.

Gesundheitsförderung Schweiz Die Gesundheitsförderung Schweiz (GS) finanziert sich aus einem Zuschlag auf die Krankenkassenprämien von Fr. 2.40 und im kleinen Umfang über eigene Dienstleistungen wie das Label «Friendly Work Space®». Dem Stiftungsrat gehören Vertreterinnen und Vertreter von Versicherer, der Kantone, der Suva, des Bundes, der Ärzteschaft, der Apothekerschaft, der Wissenschaft, der Gesundheitsligen, der Berufsorganisationen im Gesundheitswesen und der Konsumentinnen und Konsumenten an.

vor, dass sie ein Paket «Prävention aller nicht übertragbaren Krankheiten» übernimmt. Die Planung und Umsetzung der Massnahmen erfolgt wie bisher in enger Zusammenarbeit mit den Kantonen und den weiteren Umsetzungspartnern. Das Bundesamt für Gesundheit bleibt zuständig für die übertragbaren Krankheiten. Ferner ist es zuständig für die Prozessführung im Rahmen der Erarbeitung der nationalen Ziele und der bundesrätlichen Strategie sowie für die Vor- bereitung und Durchsetzung der Bundespolitik. Das bedeutet, dass das BAG einige Bereiche abtreten müsste. Neben Ernährung und Bewegung auch die Prävention im Bereich Alkohol, Tabak, Drogen. Wären da Widerstände zu erwarten?

Eine Entflechtung käme sicherlich auch dem BAG entgegen, das sich dann auf seine Kernaufgaben konzentrieren könnte.

Wie ist aus Ihrer Sicht die Prävention künftig organisiert?

Gesundheitsförderung Schweiz wird von den Krankenversicherten finanziert. Würde mit den neuen Aufgaben auch der Ertrag aus der Tabaksteuer und das für die Alkoholprävention verwendete Steuergeld künftig an die Gesundheitsförderung Schweiz gehen?

Bund, Kantone und Dritte erarbeiten gemeinsam nationale Ziele für Gesundheitsförderung und Prävention. Der Bundesrat formuliert auf Basis dieser Ziele eine Strategie für die eigenen Aufgaben und weist den bisherigen Akteuren klare Aufgabenbereiche zu, für die sie Leistungsaufträge erhalten.

Eine Aufgabenerweiterung ohne die dafür nötigen Mittel kann nicht das Ziel eines neuen Gesetzes sein. Wir sind aber überzeugt, dass wir durch einen Effizienzgewinn, die Wirkung der Prävention verbessern können. Ziel muss es also sein, mit den vorhandenen Mitteln mehr zu erreichen.

Wie werden die Aufgabenbereiche aus Ihrer Sicht am besten aufgeteilt?

Besteht denn tatsächlich die Gefahr, dass zu wenig Mittel für die Prävention vorhanden sind?

In der Umsetzung dieser Aufträge sollte Gesundheitsförderung Schweiz eine wichtige Rolle einnehmen: Wir schlagen

Der Anteil an den Gesundheitskosten, der in die gesamte Prävention geht, beträgt 2,3 Prozent. Auf Bundesebene sind es heute rund 55 Millionen. Das Präventionsgesetz sieht die kostenneutrale Umsetzung vor – doch sind parallel dazu Sparmassnahmen im Finanzdepartement im Gange, die auch die Ausgaben für die Prävention betreffen. Da erstaunt es nicht, dass in Fachkreisen die Alarmglocken läuten.

Die Kosten des Stresses Gemäss einer Studie des SECO aus dem Jahr 2003 betragen die Kosten des Stresses bestehend aus medizinischen Kosten, Selbstmedikation, Fehlzeiten und Produktionsausfall in der Schweiz jährlich 4,2 Milliarden Franken oder 1,2 Prozent des BIP. (SECO-Studie, Die Kosten des Stresses in der Schweiz, 2003). 42 Prozent davon entfallen auf medizinische Kosten und Selbstmedikation gegen Stress.

Auch in der Prävention existiert der «Kantönligeist», allerdings bezahlen die Kantone einen Grossteil ihrer Prävention aus der eigenen Tasche. Erschwert das die Zusammenarbeit?

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Foto: ZVG

Thomas Mattig, Direktor der Stiftung Gesundheitsförderung Schweiz: «Ziel muss es sein, mit den vorhandenen Mitteln mehr zu erreichen.»

Für die Kantone bestehen im Rahmen unserer kantonalen Programme klare Anreize: Je mehr standardisierte Projekte die Kantone innerhalb ihres kantonalen Programms umsetzen, desto mehr Geld erhalten sie von Gesundheitsförderung Schweiz. Das klappt hervorragend und ist für beide Seiten eine befriedigende Lösung. Gibt es bereits heute Beispiele erfolgreicher Zusammenarbeit?

Das kantonale Aktionsprogramm zum gesunden Körpergewicht: 22 Kantone setzen das gleiche Programm um. Das ist wohl eine Premiere im Gesundheitswesen. Zum Erfolg beigetragen hat, dass alles modular aufgebaut ist, die Kantone können daraus wählen, was für ihre Verhältnisse nötig ist. Die ersten Kantone haben die ersten vier Jahre hinter sich. Die Zwischenergebnisse sind erfreulich. Wie schätzen Sie den Support durch die Kantone für das Präventionsgesetz ein?

Für die Kantone ist es wichtig, dass sie bei der Zielsetzung mitbestimmen können und dass sie einen Teil der Bundesmittel erhalten. Die Strukturfrage steht für die GDK nicht im Vordergrund. Sie hat explizit erwähnt, dass sie sich auch eine Umsetzung des Gesetzes mit Gesundheitsförderung Schweiz anstelle des Institutes vorstellen kann. Wieviel Geld kann durch die Prävention gespart werden?

Der Nachweis des ökonomischen Nutzens ist bei der Prävention in der Regel schwierig. Es gibt aber unzählige Studien, welche die Wirkung von Prävention nachweisen. So belegt eine Studie vom Kantonsspital Chur den Rückgang der Herzinfarkte im Kanton Graubünden um 22 Prozent nach Einführung des Rauchverbots im März 2008. Dies ist konsistent mit anderen Studien aus Europa, die den Einfluss des Rauchstopps in öffentlichen Räumen untersuchten. Wenn es aber darum geht, eine effektive Kostenersparnis zu berechnen, wird es schwieriger, weil hier sehr viele Faktoren zusammenspielen.

Noch schwieriger dürfte die Bezifferung des Nutzens für die Prävention ohne gesetzliche Verbote werden.

Aussagen lassen sich am ehesten bei der betrieblichen Gesundheitsförderung machen. Im Rahmen des Projekts SWiNG messen wir die ökonomischen Wirkungen von Stressinterventionen in Betrieben. Auch hier sind die ersten Zwischenresultate ermutigend. Gibt es noch Felder in der Prävention, die man dringend an die Hand nehmen muss?

Psychische Störungen sind in der Schweiz weit verbreitet. Schätzungsweise leiden jährlich 20 bis 25 Prozent der Bevölkerung an einer diagnostizierbaren psychischen Krankheit und die Depression gilt als grösste einzelne Krankheitsbelastung. Einen weiteren Bedarf sehen wir bei der Gesundheit im Alter. Hier könnten gute Programme dazu beitragen, dass betagte Menschen länger autonom sind und zu Hause leben können. Interview: Silvia Schütz

Stressprävention Das Label «Friendly Work Space®» wird an Unternehmen verliehen, die Massnahmen zur Optimierung der betrieblichen Rahmenbedingungen erfolgreich umsetzen und betriebliches Gesundheitsmanagement als Bestandteil des Unternehmensmanagements betrachten. 56 000 Arbeitnehmende in 25 Betrieben sind zurzeit involviert. Mit dem Projekt SWiNG (Stressmanagement, Wirkung und Nutzen betrieblicher Gesundheitsförderung) stellen Gesundheitsförderung Schweiz und der Schweizerische Versicherungsverband (SVV) den Unternehmen gezielte Handlungsanleitungen zur Verfügung, um die Ursachen von Stress am Arbeitsplatz zu finden und zu beseitigen. Erste Zwischenresultate von neun Betrieben aus der Deutschschweiz und der Romandie mit 5500 Mitarbeitern zeigen: Der Gesundheitszustand der Mitarbeitenden hängt mit wertschätzendem, unterstützendem und fairem Vorgesetztenverhalten zusammen sowie mit den Einflussmöglichkeiten der Mitarbeitenden am Arbeitsplatz. Je besser der Gesundheitszustand, desto geringer sind Absentismus und Präsentismus.

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Finanzierung der Prävention: die verschiedenen Geldquellen

Wie wird die Prävention in der Schweiz finanziert? Wie werden die Gesundheitsförderung und Prävention finanziert? Wer zahlt? Wie hoch sind die Ausgaben in diesem Bereich?

2007 investierte die Schweiz total 55,34 Milliarden Franken in ihr Gesundheitssystem und somit 10,8 Prozent des Bruttoinlandprodukts (BIP). Von diesen 55,34 Milliarden Franken wurden 93 Prozent (51 Milliarden Franken) für die medizinische Versorgung der Bevölkerung ausgegeben. Die Ausgaben in der Prävention betrugen 2007 2,3 Prozent (1,28 Milliarden Franken). Mit dieser Zahl liegt die Schweiz unter dem Durchschnitt der Organisation für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung (OECD) von drei Prozent. Aufteilung zwischen Bund und Kantonen

2007 beliefen sich die Gesamtausgaben der Akteure mit bundesgesetzlichem Auftrag auf 234,8 Millionen Franken. Ein grosser Teil dieser Ausgaben wird nicht aus Bundesmitteln finanziert. Daher unterscheidet sich diese Zahl von derjenigen in der Tabelle mit Angaben über die Bundesausgaben. Laut den verfügbaren Zahlen steckten die Kantone total 257,5 Millionen Franken in Prävention, Gesundheitsförderung und Früherkennung. Diese Mittel flossen vor allem in die Schulgesundheit, in Präventions- und Gesundheitsförderungsprojekte und -institutionen (speziell für Projekte im Suchtbereich) sowie in die kantonalen Gesundheitsligen. Finanzierungsquellen von Präventions- und Gesundheitsförderungsmassnahmen

Prävention und Gesundheitsförderung werden aus unterschiedlichen Quellen finanziert: • Den allgemeinen Bundesmitteln und Steuern bzw. durch die Mittel des BAG für Prävention. • Den Zwecksteuern, deren Ertrag für in der Verfassung oder im Gesetz vorgesehene Aufgaben bestimmt ist. Dazu ge-

hören die Tabaksteuer (bei einem Päckchen, das sieben Franken kostet, macht die Tabaksteuer 56,26 Prozent des Verkaufspreises aus, also Fr. 3,94. Die MwSt 7,06 Prozent, also 49 Rappen). Mit dem Gesamtertrag der Tabaksteuer – 2,19 Mrd. Franken im Jahr 2008 – wird die AHV/IV finanziert. Diese Summe entspricht rund fünf Prozent der Totaleinnahmen dieser Versicherungen. Hinzu kommt noch die Alkoholsteuer zur Bekämpfung von Alkoholismus, Suchtmittel-, Betäubungsmittel- und Medikamentenmissbrauch. • Den Lenkungsabgaben, die auf die Steuerung des Verhaltens mittels finanzieller Anreize abzielen, ohne fiskalische Ziele, insbesondere ohne Einnahmen für die allgemeine Bundeskasse. So werden 2,6 Rappen pro verkauftes Zigarettenpäcken zugunsten des Tabakpräventionsfonds abgezogen. Dieser verfügt über ein Jahresbudget von rund 17 Millionen Franken. • Den Prämienzuschlägen, die gesetzlich vorgeschrieben sind. Zum Beispiel leistet jede gemäss KVG obligatorisch versicherte Person einen Beitrag von 2,40 Franken an die Stiftung Gesundheitsförderung Schweiz (KVG, Art. 20). Es gibt aber auch einen Prämienzuschlag von 6,5 Prozent der Nettoprämie zugunsten der Unfallversicherung zur Verhütung von Berufsunfällen und Berufskrankheiten (UVG, Art. 87), einen Prämienzuschlag von 0,75 Prozent der Nettoprämie für die Verhütung von Nichtberufsunfällen (UVG, Art. 88) und einen Prämienzuschlag von 0,75 Prozent der Nettoprämie der Motorfahrzeug-Haftpflichtversicherung für die Unfallverhütung im Strassenverkehr (Unfallverhütungs- beitragsgesetz, Art. 1). Das ursprüngliche Ziel war es, die vorhandenen Geldmittel langfristig gezielter und mit Rücksicht auf das Kosten-Nutzen-Verhältnis einzusetzen. Dem neuen Präventionsgesetz sind nur die Mittel aus dem Tabakpräventionsfonds und die Prämienzuschläge unterstellt. maud hilaire schenker

AUSGABEN IN DER PRÄVENTION NACH DEN VERSCHIEDENEN DIREKTZAHLENDEN Direktzahlende bund kantone gemeinden sozialversicherung, davon KVG uvg ahv/iv

2006 (mio. chf)

2007 (mio chf)

2006 2007 (Prozent-Anteil) (Prozent-Anteil)

53,3

1601

4,7

12,5

250,5

257,5

21,9

20,1

129

129

11,3

10,1

298 17,5 122,2 158,3

307 18,7 123,4 164,8

26,1 1,5 10,7 13,9

23,9 1,5 9,6 12,7

private haushalte

175,3

184,1

15,4

14,4

andere private finanzierungen

235,2

244,9

20,6

19,0

1141,4

1282,5

100

100

Total

¹ Die verglichen mit 2006 registrierte Erhöhung ergibt sich einerseits durch den Kauf von Impfstoff zur Bekämpfung einer Grippepandemie (70 Millionen Franken), andererseits durch eine Änderung der Kodifizierung der Bundesausgaben. Quelle: Bundesamt für Statistik: Statistik der Kosten und der Finanzierung des Gesundheitswesens 2006 und 2007

Die Präventionskosten werden hauptsächlich von den Kantonen, den Sozialversicherungen und von Privaten getragen.

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Die Grafik des Monats

Ausgaben für die Prävention: die Schweiz unter dem OECD-Durchschnitt Die Grafik des Monats vergleicht die Ausgaben, die 2007 in den verschiedenen OECD-Ländern für organisierte öffentliche Gesundheitsprogramme und Prävention bewilligt worden sind. Im Durchschnitt steckten die OECD-Länder drei Prozent ihrer Gesundheitsausgaben in Präventionsaktivitäten. Mit 2,3 Prozent hinkt die Schweiz weit hinterher. Weshalb? Stellt die Schweiz zu wenig Geld für die Prävention zur Verfügung?

In Bezug auf die im Jahr 2007 zugunsten der Prävention verwendeten Gesundheitsausgaben ist Kanada mit 7,3 Prozent die Nummer 1, gefolgt von Finnland (5,8 Prozent) und Holland (5,1 Prozent). Dänemark (1,4 Prozent), Luxemburg (1,1 Prozent im Jahr 2006) und Italien (0,6 Prozent) bilden die Schlusslichter. Dazwischen steht die Schweiz mit 2,3 Prozent. Wie lassen sich derartige Unterschiede erklären?

tion ist in die kurative Medizin integriert. Dagegen können Länder, die öffentliche Gesundheitskampagnen und Prävention zentralisieren, in der Regel besser definieren, was in den Bereich Prävention gehört. In der Schweiz ist Prävention vor allem Sache der Kantone; sie sind es, die Programme ausarbeiten. Doch die Heterogenität der Strukturen der für Prävention beanspruchten Budgets macht es unmöglich, die Ausgaben der verschiedenen Kantone für Prävention und Gesundheitsförderung miteinander zu vergleichen. Dies erschwert eine genaue Bestandsaufnahme der Gesundheitsausgaben, die für Prävention verwendet werden. Man darf deshalb nicht schlussfolgern, die Schweiz würde der Prävention keine Aufmerksamkeit schenken. Die Zahl lässt sich zum Teil durch nationale Koordinations- und Konsensprobleme erklären, die es in unserem Land gibt. maud hilaire schenker

Ein Definitionsproblem

Diese Unterschiede widerspiegeln in erster Linie den Nebel, der das Konzept «Prävention» umgibt. Allein in der Schweiz gibt es weder auf kantonaler noch auf Bundesebene eine einheitliche Definition der öffentlichen Ausgaben, die der Rubrik «Prävention und Gesundheitsförderung» zuzuordnen sind. Das kann die statistischen Daten verzerren. Für die verschiedenen Länder ist es somit schwierig, sich auf eine gemeinsame Definition zu verständigen. Wo hört Gesundheitsförderung auf und wo beginnt Prävention? Schliesst Prävention nur die Primärprävention ein (Prophylaxeimpfung) oder beinhaltet sie auch die Sekundärprävention (Früherkennung) und die Tertiärprävention (Nachbetreuung chronisch Kranker)? Die Grafik beschränkt sich an dieser Stelle auf die Primärprävention, also auf Impfprogramme und Gesundheitskampagnen zu Alkohol- und Tabakmissbrauch. Unter dem Einfluss der umfangreichen nationalen Impfkampagnen gegen das HPV (Humanpathogenes Papillomavirus) und das H1N1-Virus werden die Zahlen von 2008 und 2009 diese Ausgaben sicher zum Explodieren bringen. Eine Frage der Zielsetzung

Es gibt aber noch ein anderes Problem: Legen alle Länder den Schwerpunkt auf dieselben Programme? Die Schweiz etwa verwendet auch beträchtliche Mittel für andere Projekte wie zum Beispiel ein gesundes Körpergewicht oder Stress am Arbeitsplatz. Manche Kantone entwickeln zudem Programme für psychische Gesundheit (Zug) oder Prävention im Schulbereich (Waadt). All diese Projekte werden hier anscheinend nicht berücksichtigt.

AUSGABEN FÜR GESUNDHEITSFÖRDERUNG UND PRÄVENTION, 2007 KANADA

7,3

FINNLAND

5,8 5,1

NIEDERLANDE

5,0

SLOWAKEI NEUSEELAND

4,9 4,1

BELGIEN UNGARN

4,1

DEUTSCHLAND

3,7

SCHWEDEN

3,6

USA

3,3 3,0

OECD MEXIKO

2,8

JAPAN (2006)

2,4

POLEN

2,4

SPANIEN

2,4 2,3

TSCHECHIEN SCHWEIZ

2,3

FRANKREICH

2,0

KOREA

2,0 2,0

NORWEGEN ÖSTERREICH

1,9

PORTUGAL (2006)

1,9 1,7

AUSTRALIEN (2006/07) ISLAND

1,6

DÄNEMARK

1,4

LUXEMBURG (2006)

1,1 0

Eine Frage der Organisation

Die grossen Abweichungen lassen sich auch durch die Art der Organisation von Präventionskampagnen erklären. In Spanien zum Beispiel werden solche Initiativen auf der Ebene der Ärzte (Primärversorgungsebene) organisiert. Die Präven-

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IN PROZENT DER GESAMTEN GESUNDHEITSAUSGABEN

Für Prävention verwendete Gesundheitsausgaben: Die Schweiz liegt unter dem OECD-Durchschnitt. Könnten nationale Koordinationsund Definitionsprobleme der Grund dafür sein?

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Mit drei Pionierstudien zum Return on Investment von Präventionsmassnahmen wird methodisches Neuland betreten

Prävention wirkt nicht nur, sie zahlt sich auch aus Wirkt Prävention? Und falls ja – lohnt sie sich finanziell? Ja, sagen drei Pionierstudien und nennen konkrete Zahlen: Für jeden ausgegebenen Franken erhält die Gesellschaft bei der Tabakprävention den Gegenwert (Nettonutzen) von 41 Franken zurück, bei Alkohol 23 Franken und bei Verkehrsunfällen Fr. 9.40. Die Studien sind ein erster Schritt, um Kosten und Nutzen schätzend zu beziffern.

Erstellt wurden die Studien im Auftrag des Bundesamtes für Gesundheit (BAG) durch das Winterthurer Institut für Gesundheitsökonomie (WIG) und das Institut für Wirtschaftsforschung der Universität Neuenburg (IRENE) für den Zeitraum 1997 bis 2007.1 Während international gut belegt ist, dass ausgewählte Präventionsmassnahmen wirken, bestehen noch Lücken rund um die Frage, ob sich Prävention rentiert. Diese Lücken konnten die Studien inhaltlich und methodisch verkleinern. Sie sind ein erster Schritt auf dem neuen Terrain der Bezifferung des Kosten-Nutzen-Verhältnisses von Präventions­ massnahmen. Weitere Studien sollen folgen. Die Resultate der Pionierstudien sind erfreulich und bestätigen den Nutzen der bisher geleisteten Präventionsarbeit der Kantone in den Bereichen Tabak, Alkohol und Verkehr.

Gruppe geschieht zufällig. Der Vergleich der Resultate der Versuchsgruppe mit der Kontrollgruppe lässt klare Aussagen für ein im Vorfeld der Studie definiertes Setting zu. Das ist beim Blick auf die gesamtgesellschaftliche Ebene nicht möglich. Deshalb können die Pionierstudien keinen direkten Zusammenhang zwischen Investitionen in die Prävention und dem daraus folgenden Nettonutzen herstellen. Um eine Wirkung beziffern zu können, mussten die Forscher auf Annahmen zurückgreifen. Geschätzt wurde etwa, wie viele Krankheitsfälle, Verletzungen und Todesfälle durch die Präventionsmassnahmen von 1997 bis 2007 vermieden werden konnten. Diese Schätzung floss in die Berechnung des Nutzens ein. Der Nutzen setzt sich zusammen aus den durch die Prävention vermiedenen, direkten Kosten (medizinische Behandlungskosten), den vermiedenen Produktionsverlusten (Einkommens- einbussen) und den vermiedenen intangiblen Kosten (Verlust von Lebensqualität auf Grund von Krankheit, Behinderung und frühzeitigem Tod). Aus der Formel Gesamtnutzen der Prävention minus Kosten der Prävention geteilt durch die Kosten der Prävention ergibt sich der Return on Investment (ROI) bzw. der Gegenwert in Franken, den die Gesellschaft aufgrund der Prävention nicht ausgeben muss. Bewegung macht fit und weniger fett

Grundschwierigkeiten der Evaluation

Foto: Keystone

Die drei Pionierstudien zeigen aber auch eine Grundschwierigkeit der Evaluation von Präventions- und Gesundheitsförderungsprogrammen. Diese besteht darin, dass in der Regel keine randomisierten Studien gemacht werden können, wie dies in der klinischen Forschung der Standard ist. Randomisiert setzt voraus, dass Versuchs- und Kontrollgruppen bestehen. Die Zuordnung der Versuchsteilnehmer zur jeweiligen

Ganz anders gehen Verfasser von randomisierten Studien an ihr Studienobjekt heran. Zum Beispiel die Wissenschaftler, die unter der Führung der Universität Basel Folgendes untersuchten: Wie wirken sich Bewegungsprogramme auf die Fitness und auf das Übergewicht von 504 Schweizer Primarschülerinnen- und -schüler aus?2 Die Schüler stammten aus 28 zufällig ausgewählten Schulklassen an 15 Schweizer Primarschulen. Sie wurden jeweils im Verhältnis von 4:3 der Versuchsgruppe oder der Kontrollgruppe zugeteilt. Das eindeutige Resultat: Verschiedenste physische Aktivitäten, die im Rahmen des Unterrichts von den Schülern der Versuchgruppe absolviert werden mussten, verbesserten ihre physische Aktivität und ihre Fitness. Auch die Fettleibigkeit dieser Kinder verringerte sich – die Kinder der Kontrollgruppe zeigten keine Verbesserungen. Beide Studien erhellen Wirkungsbereiche der Prävention. Sie haben verschiedene Fragestellungen, verschiedene Untersuchungsobjekte und sind deshalb methodisch nicht vergleichbar. Das sorgt für Diskussionsstoff. Im Zentrum steht die Frage: Wie wissenschaftlich sind Wirkungs- und Wirtschaftlichkeitsanalysen für gesamtgesellschaftliche Präventionsmassnahmen? Eine ebenso wichtige Frage dürfte sein: Wie müssen Ämter und andere Akteure künftig Daten zur Prävention erfassen, damit wissenschaftliches Arbeiten erleichtert wird? Silvia Schütz Spectra, Nr. 80, «Prävention rentiert», Mai 2010; www.spectra.bag.admin.ch Ökonomische Evaluation von Präventionsmassnahmen in der Schweiz, Pionierstudie Institut für Gesundheitsökonomie WIG, Zürcher Hochschule für Angewandte Wissenschaften (ZHAW), Institut für Wirtschaftsforschung IRENE,Universität Neuenburg. Bericht im Auftrag des Bundesamts für Gesundheit (BAG), Februar 2010, einsehbar auf der Website des BAG. 2 BMJ 2010;340:c785. Die Studie steht online zur Verfügung unter: http://www.bmj.com/cgi/content/full/340/feb23_1/c785?view=long&pmid=20179126 1

Durch die Tabakprävention spart die Gesellschaft pro eingesetzten Franken 41 Franken.

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Präventivmediziner David Fäh erklärt, wo überall der Hebel angesetzt werden muss, um die Gesundheit zu fördern

«Mehr Bewegung ist sinnvoller als weniger essen» Foto: Silvia Schütz

Also haben die Präventionsmassnahmen gegriffen?

Vielleicht. Es gibt viele Gründe, die dafür verantwortlich sein könnten. Etwa der steigende soziale Druck normalgewichtig zu sein. Dieser könnte ja vor allem bei Frauen greifen. Wieso gibt es im Kanton Zürich weniger Übergewichtige als im Rest der Deutschschweiz?

David Fäh ist Präventivmediziner am Institut für Präventivmedizin in Zürich. Seine Schwerpunktgebiete sind Herz-Kreislauf-Erkrankungen und deren Risikofaktoren.

Prävention wirkt, doch wie, ist nicht immer eindeutig. Gesundheitsförderung ist gut, doch genügt es nicht, nur bei den Betroffenen anzusetzen. Stark gefordert sind die Lebensmittelindustrie und Politiker.

Da kann ich nur spekulieren. Die hauptsächlich städtischen Einwohner sind wahrscheinlich besser gebildet. Menschen mit niedrigem Bildungsniveau sind häufiger von Übergewicht betroffen. Andererseits lässt sich sagen, dass Zürich etwa durch das verkehrsfreie Limmatquai einen guten Anreiz schafft, sich mehr zu bewegen. Das ist der richtige Weg. Andere Anreize wären mehr Velowege, mehr Grünflächen oder eine autofreie Innenstadt, also generell Strukturen, die einem im Alltag Lust auf Bewegung machen. Diese schaffen Präventionskampagnen nicht.

Ich sehe den Weg über politische Sensibilisierung. Denn es sind die Politiker, die Strukturen und Gesetze beeinflussen. Erreichen Präventionskampagnen ihr Zielpublikum?

Wirken Präventionsmassnahmen?

Es ist fast unmöglich herauszukristallisieren, welche Präventionsmassnahme genau welchen Effekt hervorruft. Zusammenhänge zwischen Ursache und Wirkung herzustellen, ist zumindest teilweise spekulativ. Dass Prävention «etwas» bewirkt, ist allerdings unbestritten. In welchen Bereichen kann man die Wirkung belegen?

Erwiesen ist beispielsweise, dass Bewegung gesund ist, unabhängig vom Körpergewicht. Mehr Bewegung ist sogar sinnvoller als abnehmen, selbst für Menschen mit Übergewicht. Wieviel sparen wir durch Prävention?

Ich kann Aussagen über die Kosten machen, die Adipositas schätzungsweise verursacht: Von insgesamt 5,8 Milliarden Franken sind zwei Drittel direkte Kosten. Sie entstehen zu 99 Prozent durch Behandlung und Prävention von mit Übergewicht und Adipositas zusammenhängenden Krankheiten wie Bluthochdruck, Diabetes und weiteren. Ein Prozent wird für die Behandlung sowie für die Prävention von Übergewicht und Adipositas gebraucht. Und das andere Drittel?

Diese indirekten Kosten entstehen wegen Arbeitsausfall, Invalidität, vorzeitigem Tod.

Hier gilt der Grundsatz: Bildung öffnet alle Türen. Gut Gebildete sind durchs Band weniger übergewichtig, selbst wenn sie nicht so viel verdienen oder einen mittelklassigen Beruf haben. Dass grossangelegte Plakatkampagnen gerade die Gefährdetsten, zum Beispiel Migranten und sozial Benachteiligte, zu beeinflussen vermögen, bezweifle ich. Welche Faktoren können eine Verhaltensänderung beim Menschen beeinflussen?

Ausser von der Bildung ist sie abhängig von anderen Umweltfaktoren und den finanziellen und zeitlichen Ressourcen. Das sind äussere Faktoren. Man muss sich aber bewusst sein, dass Verhaltensänderungen schwer zu erreichen sind. Bei einem erwachsenen Menschen sind die wesentlichen Aspekte der Persönlichkeit wahrscheinlich unveränderbar. Was halten Sie davon, dass Hersteller den Kaloriengehalt ihrer Lebensmittel kontinuierlich senken?

Viel. Vor allem in vielen Getränken aber zum Beispiel auch in Joghurts ist unnötig viel Fett und vor allem Zucker drin. Wahrscheinlich würden sich die Konsumenten an weniger süsse und fette Lebensmittel gewöhnen, ohne dass es die meisten merken würden. Idealerweise würde dies auf freiwilliger Basis passieren. Ansonsten hätte der Bund die Option diesem Prozess mit Gesetzen nachzuhelfen. Wann muss Prävention einsetzen?

Die Schweiz wird seit Neuem nicht mehr dicker.

Das bestätigen Studien des Instituts für Präventivmedizin. Die Zunahme flacht ab. Nicht nur in der Schweiz, auch in anderen europäischen Ländern. Wir haben sogar Hinweise darauf, dass Übergewicht bei Frauen im Kanton Zürich rückläufig ist. Es ist aber noch zu früh, um von einer grundsätzlichen Trendumkehr zu sprechen.

Bei der Bewegung sehr früh. Fördert man dort gewisse Bewegungsformen nicht bereits in Kleinkindalter, lernt man sie das ganze Leben nicht mehr. interview: silvia schütz

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Dank guter Vernetzung und Zusammenarbeit wurden die Zielgruppen erreicht

Zug macht die Depression salonfähig Die Zahlen lassen aufhorchen: Jeder zweite Mensch erkrankt im Laufe seines Lebens an einer psychischen Krankheit. Pro Tag nehmen sich in der Schweiz vier Menschen das Leben. Damit weist die Schweiz im internationalen Vergleich eine überdurchschnittlich hohe Suizidrate auf.

Alarmiert durch die schweizweiten Zahlen zu psychischen Störungen und Depression, beschloss die Gesundheitsdirektion im Kanton Zug zu handeln. Als Pionierkanton engagierte sich Zug im Projekt «Zuger Bündnis gegen Depression». Während des zweijährigen Pilotversuchs von 2003 bis 2005 fokussierte man auf die Entstigmatisierung von Depressionskranken durch breite Aufklärung der Öffentlichkeit, auf die Früherkennung von Depressionen und optimierte Behandlung, auf Gesundheitsförderung und Prävention (Krankheitsverhinderung) sowie auf den Aufbau eines Netzwerkes. Ausserdem sollten von Zug Impulse für andere Regionen der Schweiz ausgehen. Als Träger des Bündnisses fungierten die Gesundheitsdirektion des Kantons Zug, das Bundesamt für Gesundheit (BAG) und Equilibrium, die von John Kummer gegründete Zuger Selbsthilfeorganisation für Depressionskranke. Die Finanzierung übernahmen der Kanton Zug (51,5 Prozent), die Stadt Zug (1,5 Prozent), Stiftungen (18,5 Prozent), die Wirtschaft (10 Prozent), Pri-

Wieviel geben wir für psychische Störungen aus? Jährlich über 15 Milliarden Franken betragen laut einer Studie der Universität Zürich die Kosten von psychiatrisch-neurologischen Erkrankungen, wenn man die indirekten Aufwände einbezieht. Dazu zählen unter anderem Arbeitsausfälle und Frühpensionierungen. Auf Depressionen entfallen 30 Prozent, also rund 4,8 Milliarden Franken.1 Ein ähnliches Bild zeigt sich bei den IV-Renten: Die Anzahl Bezüger hat sich zwischen 1986 und 2008 mehr als verdoppelt. Wegen psychischer Beschwerden erhalten momentan rund 40 Prozent eine IV-Rente (1986: 20 Prozent).2 Um die Psyche drehen sich auch zunehmend die Aktivitäten in Arztpraxen: Waren 2007 rund 8,4 Millionen Arztbesuche zu verzeichnen, lautet die Zahl fürs Jahr 2008 laut dem Schweizer Gesundheitsobservatorium Obsan bereits 9,3 Millionen. Diese Steigerung widerspiegelt sich in den Kosten der Krankenkassen, wie santésuisse berechnet hat: 1,35 Milliarden Franken vergüteten die Versicherer im letzten Jahr für Behandlungen und Medikamente von psychischen Beschwerden. Im Vorjahr waren es 70 Millionen weniger. Diese Zunahme beruht auf einem Mehr an Behandlungen, nicht auf einem Anstieg der Kosten. Universität Zürich, Studie aus dem Jahr 2008. http://www.mediadesk.uzh.ch/articles/2008/psychiatrische-undneurologische-erkrankungen-verursachen-einen-sechstel-dergesundheitskosten.html 2 Gesundheitswesen Schweiz 2010 – 2012, Eine aktuelle Übersicht, (hg.) Kocher, Gerhard, Oggier, Willy, s. 322 ff. Das Buch ist ab Ende Juni 2010 im Buchhandel erhältlich. 1

Buch: Depression! Was tun? Der Zuger John Kummer litt mehrere Male an Depressionen. Über seine Erfahrungen im Umgang mit der Krankheit hat er ein Buch geschrieben, in dem sich auch praktische Tipps und hilfreiche Checklisten befinden. Kummer zeigt, wie man Anzeichen einer Depression erkennt und ernst nimmt. Die zwei wichtigsten Botschaften: Je früher man eine Depression erkennt, desto besser lässt sie sich heilen. Und: Es ist keine Schande, in eine Depression abzustürzen – sie kann jeden treffen. Kummer, John/Kamer, Fritz. Depression! Was tun? Espera-Verlag, Unterägeri.

vate (7,5 Prozent), die Pharmaindustrie (fünf Prozent) und die Kirchen (sechs Prozent). Mit dem Bündnis gegen Depression betrat Zug Neuland

Mit Sensibilisierungskampagnen, zahlreichen Veranstaltungen und Vorträgen in Schulen, Altersheimen, Kirchen und Ratsstuben wurde die Depression in breiten Kreisen zielgruppengerecht thematisiert. Die Kernbotschaften lauteten: Depression kann jeden treffen; Depression hat viele Gesichter, Depression ist erfolgreich behandelbar. Das Fazit der Pioniere: Dank guter Vernetzung und Zusammenarbeit verschiedener Akteure wurden die jeweiligen Zielgruppen gut erreicht. Der Erfolg hing stark mit dem Engagement der Verantwortlichen zusammen. Das Thema stiess auf grosses Interesse bei der Bevölkerung. Als Knackpunkt stellte sich die Finanzierung heraus: Für die Wirtschaft ist das Tabuthema weniger attraktiv als Sport- oder Kulturveranstaltungen. Das hat die Mittelbeschaffung erschwert. Profitiert von den Zuger Erfahrungen haben Bern und Luzern: Sie haben ebenfalls Bündnisse ins Leben gerufen. Die Förderung der psychischen Gesundheit geht weiter

Mit den Konzepten «Psychische Gesundheit im Kanton Zug 2007 bis 2012» und «Früherkennung und Suizidprävention im Kanton Zug 2010 bis 2015» führt der Kanton Zug die Arbeit weiter, die er initiiert hat. Evaluiert wird das erste Konzept in zwei Jahren. In Bezug auf die Präventionswirkung lässt sich zurzeit bilanzieren, dass die Suizide bei den beiden Lorzentobelbrücken dank der Montage von Schutzwänden abgenommen haben. Silvia Schütz

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3x3 Fragen an Joachim Eder, Gesundheitsdirektor des Kantons Zug

«Wir müssen diese Alarmzeichen wahrnehmen» Der Kanton Zug leistet Pionierarbeit in der Förderung der psychischen Gesundheit. Dafür braucht es vor allem «politischen Willen», so Gesundheitsdirektor Joachim Eder.

Was braucht es, um ein nachhaltiges Präventionsprogramm auf die Beine zu stellen?

Es ist primär eine Frage des politischen Willens. Den haben wir im Kanton Zug. Dazu kommt die Kleinheit des Kantons, in dem jeder jeden kennt. Die Vernetzung mit Vereinen wie Equilibrium, dem «Zuger Bündnis für Depression», den Kirchgemeinden, dem Gewerbeverein, der Wirtschaft und auch mit Privaten ist deshalb einfacher als anderswo. Gegen 200 000 Franken pro Jahr setzen wir nun bewusst für die Förderung der psychischen Gesundheit ein. Das hat aber wenig damit zu tun, dass Zug ein reicher Kanton ist. Entscheidend ist und bleibt die Überzeugung aller politischen Instanzen, in diesem Bereich Akzente zu setzen.

Gäbe es ein Guinness Book of Records für die Prävention, wäre Zug darin vertreten. 2008 wurden im Aktionsmonat Psychische Gesundheit 47 Veranstaltungen angeboten. Wie ist es dazu gekommen?

Eine Untersuchung von Philippe Lehman aus dem Jahr 2004 zeigt, dass die meisten Folgekosten durch Unfälle entstehen, gefolgt von Kosten durch die Beeinträchtigung der psychischen Gesundheit. Mit 1400 Toten pro Jahr übertreffen die Suizide in der Schweiz die Toten im Verkehr um den Faktor 4. Deshalb haben wir reagiert. Es wäre politisch verantwortungslos, dieses Alarmzeichen nicht wahrzunehmen.

Zahlt sich die Prävention im psychischen Bereich aus?

Im Bereich Suizidprävention und psychische Gesundheit gibt es noch keine Studie, welche Kosten und Nettonutzen ausweist. Die Evaluation für Zug wird 2012 erfolgen. Bereits jetzt lässt sich aber sagen, dass bauliche Massnahmen – bei uns an den beiden Lorzentobelbrücken – einen Rückgang der Suizide bewirkt haben. Strukturelle Massnahmen bringen viel, allein genügen sie indes nicht. Sie müssen in eine breite und ganzheitliche Suizidprävention eingebettet sein.

Was haben Sie unternommen?

Wir haben mit internen und externen Fachleuten sowie mit Betroffenen zusammen das Konzept «Psychische Gesundheit im Kanton Zug 2007 bis 2012» erstellt und in eine breite Vernehmlassung geschickt. Die Umsetzung startete mit einer grossen Sensibilisierungskampagne. Teil davon war auch besagter Aktionsmonat.

Wann und wo setzen Gesundheitsförderung und Prävention am besten an?

Was hat der Aktionsmonat gebracht?

Im psychischen Bereich gilt: je früher desto besser. Ideal wäre, wenn man in der Mütter- und Väterberatung, in Kindergarten und Schule, in der Arztpraxis und an anderen Anlaufstellen tätig werden könnte. Gesundheitsförderung und Prävention sind hier sehr wirksam und äusserst kostengünstig.

Ein Höhepunkt war die Filmmatinée, an der «Die Bipolaren» gezeigt wurde. Der Regisseur und einige Schauspieler nahmen daran teil, der Saal war brechend voll. Nachhaltig zahlen sich Aktionen wie diese aus, beispielsweise, indem im Kanton Zug schweizweit wohl am meisten Selbsthilfegruppen im Bereich Depression und psychische Probleme bestehen. Der Aktionsmonat hat dazu beigetragen, dass die hohe Hemmschwelle, über psychische Krankheiten zu reden, gesenkt wurde. Eine Umfrage hat gezeigt, dass 50 Prozent der Zuger zu Verhaltensänderungen bereit sind, sobald sie es als nötig erachten.

Dass man Prävention und Gesundheitsförderung auf nationaler Ebene koordinieren muss, ist für mich unbestritten. Dafür braucht es gesamtschweizerische Ziele. Vorgesehen und richtig ist, dass Kantone, Ärzte, die Stiftung Gesundheitsförderung Schweiz und andere Player wie Versicherer und Gesundheitsligen bei der Zielsetzung mitreden. Wir unterstützen das Gesetz, aber es muss noch verbessert werden. Foto: ZVG

Joachim Eder, Gesundheitsdirektor Kanton Zug: «Das Gesetz darf nicht bervormunden, sonst hat es keine Chance».

Braucht es überhaupt ein Präventionsgesetz?

Was muss verbessert werden?

Das Gesetz darf nicht bevormunden, sonst hat es keine Chance. Und das vorgesehene nationale Institut muss fallengelassen werden. Was passiert in Zug, wenn das Gesetz scheitert?

Falls das Gesetz die Hürden nicht schafft, machen wir in Zug mit der Gesundheitsförderung und Prävention weiter wie bis anhin – in den Bereichen Tabak, Alkohol, Übergewicht und psychische Gesundheit. Für uns ist dies ein Prinzip und nicht abhängig davon, ob der Bund etwas tut. Interview: Silvia Schütz

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Eine einfache Idee geht um den Erdball und fördert weltweit die Gesundheit

Pedibus – der Schulbus auf Füssen Er ist gesund, billig, gesellig und ökologisch: der Pedibus, ein Schulbus besonderer Art, der Kinder unter der Aufsicht von Eltern zu Fuss zur Schule bringt. Der Erfolg in der Westschweiz beweist, dass Gesundheitsförderung wirksam und spielerisch sein kann, ohne kompliziert und teuer sein zu müssen.

Die Idee entstand 1991 in Australien. David Engwitch rief einen «walking bus» ins Leben, um die Eigenständigkeit und Sicherheit der Kinder auf dem Schulweg und im Verkehr generell zu gewährleisten. Seinen ersten Halt in der Schweiz machte der «walking bus» 1998 in Lausanne unter dem Namen Pedibus (siehe Kasten). Lausanne verfügt heute über ein 18 km langes Netz für die Gruppenbeförderung «zu Fuss», d.h. rund 37 Pedibus-Linien mit einer durchschnittlichen Länge von 575 Metern (die kürzeste ist ungefähr 160 Meter, die längste 1300 Meter lang), ausgestattet mit Fahrplänen für sämtliche Start-/Endstationen und Haltestellen. Die Lebensdauer einer Linie schwankt jedoch stark (ein Jahr, zwei Jahre), je nach Motivation der Eltern. Zurzeit profitieren 350 Kinder von den Vorteilen des Pedibusses, obschon nicht alle Schulen angebunden sind. Bis anhin wurde in den Schulen keine Werbung gemacht, und die Stadt wurde nicht aktiv, sondern reagierte auf die Anliegen der Eltern. Das Projekt wurde indes an Veranstaltungen wie der «Mobilitätswoche» vorgestellt. Das soll sich ändern: Ab diesem Jahr werden die «Ansprech-Eltern» – Personen, die für eine bestimmte Schule dazu ernannt wurden, anderen Interessierten über das Projekt Auskunft zu geben – eine Promotionskampagne in den Schulen lancieren. Der Erfolg des Pedibusses strahlt über die Stadtgrenzen von Lausanne hinaus. In der ganzen Schweiz und überall in Eu-

Foto: Keystone

Der Pedibus sorgt dafür, dass das Auto in der Garage bleibt und sich die Kinder stattdessen bewegen. Er setzt sich zusammen aus einer zunehmenden Schar an Kindern, die sich in Begleitung eines Erwachsenen zu Fuss zur Schule begeben – getreu dem Motto: «Wir sind auch ein Pedibus». Route, Haltestellen und Fahrplan werden von den Eltern der Pedibus-Linie bestimmt. Ein Pedibus kann nach Belieben eingesetzt werden: Täglich auf vier Strecken, an einem oder vier Tagen oder vielleicht wird er auch nur morgens betrieben, um die Kinder zur Schule zu bringen. Es handelt sich um eine Privatinitiative von Eltern, Elternvereinigungen und Schulen. Zu Fuss gehen, um gesund zu bleiben, eigenständig zu werden und die Umwelt weniger zu belasten – das sind die Ziele der cleveren Initiative.

Eine originelle Idee vom anderen Ende der Welt

Der Pedibus kurz nach dem Start mit sechs Kindern. Je länger der Marsch, desto mehr Kinder werden dazukommen.

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ropa mehren sich die Initiativen. In der Westschweiz durchziehen nicht weniger als 259 Pedibus-Linien die Schulwege, wobei die Kantone Genf und Waadt am stärksten ins Gewicht fallen. In der Deutschschweiz sind es 250 Linien.

Interview mit Catherine Zaccaria, PedibusKoordinatorin, Amt für Volksschule der Stadt Lausanne Catherine Zaccaria ist Koordinatorin des Pedibusses für die Stadt Lausanne und seit dem Start des Projekts 1998 mit von der Partie. Sie stellt uns die Lausanner Erfolgsgeschichte näher vor.

Zu Fuss zur Schule – der Gesundheit zuliebe

Unaufhörlich machen alarmierende Zahlen auf das wachsende Übergewicht bei Kindern aufmerksam. Verantwortlich dafür sind eine unausgewogene Ernährung und mangelnde körperliche Betätigung. Der Pedibus ist sicherlich ein Sicherheitsfaktor und fördert das ökologische Bewusstsein, er ist aber vor allem auch ein Mittel zur Bekämpfung der Fettsucht bei Kindern. Eine Pedibus-Strecke legt man in 10 bis 15 Minuten zurück. Die Kinder gehen also durchschnittlich 40 bis 60 Minuten pro Tag zu Fuss... Eine einfache, billige und gesellige Art, sich zu bewegen. Die WHO empfiehlt für Kinder mindestens 60 Minuten körperliche Betätigung pro Tag. Die Gesundheitsförderung Schweiz hat eine nationale Kampagne lanciert, um gegen das Übergewicht bei Kindern zu kämpfen. Ein Ziel, das auch die Kantone übernommen haben. Zu den vorgeschlagenen Massnahmen gehört auch, den Schulweg mit Muskelschmalz zurückzulegen. Die Förderung des Pedibusses ist häufig ein Bestandteil der kantonalen Aktionsprogramme, die dafür eingesetzt werden, um Projekte zur Bekanntmachung des Pedibusses umzusetzen (beispielsweise in Genf). Man hofft, dass sich die im Kindesalter angeeigneten guten Gewohnheiten über das Schulalter hinaus auch nachhaltig aufs Erwachsenenleben auswirken. Die Kampagnen «zu Fuss zur Schule», die in den letzten Jahren in den Westschweizer Kantonen lanciert wurden, scheinen Früchte zu tragen. Laut einer Studie von 20081 ist die Zahl der Westschweizer Schüler, die zu Fuss zur Schule gehen, stark gestiegen, und zwar von 42 auf 52 Prozent. Sieben von zehn Primarschülern gehen zu Fuss zur Schule. Ausserdem werden in der Westschweiz seit 2005 deutlich weniger Kinder mit dem Auto zur Schule gefahren.

Wie ist konkret die Pedibus-Idee in Lausanne entstanden? 1998 wurde die erste Kinderbeauftragte der Stadt Lausanne von Eltern kontaktiert, die im Quartier unterhalb des Bahnhofs wohnten und über die Verkehrssicherheit im Umkreis der Schulen und Kindergärten beunruhigt waren. Die Stadt kurbelte daraufhin ihre Bemühungen an: Sie schuf unter anderem Fussgängerüberführungen und grosse Verkehrsschilder und stellte Personal bereit, das beim Überqueren der Strassen behilflich war. Die Eltern blieben jedoch skeptisch und nahmen die Sache selbst an die Hand. Sie gründeten eine Arbeitsgruppe, die zur Entstehung des Pedibusses führte. Der Name geht auf die Kindheitserinnerung eines Vaters zurück, zu dem seine Grossmutter jeweils zu sagen pflegte, er solle «pedibus» – zu Fuss – gehen.

Nun kommt auch der Velobus

Was für ein Bild haben Kinder und Eltern vom Pedibus? Wer ist am schwersten zu überzeugen? Die Kinder freuen sich sehr darüber, diese Erfahrung mit ihren Eltern zu teilen zu dürfen, und die Eltern macht es glücklich, zur Sicherheit in ihrem Quartier beizutragen und einer Gemeinschaft anzugehören. Häufig entdecken sie ihre Mitmenschen neu. Die Verpflichtung, die Kinder zur Schule zu begleiten, wird oft zum Vorwand genommen, um sich zu begegnen und näher kennenzulernen. Eltern wie Kinder beteiligen sich mit Stolz an diesem Projekt. Am schwersten zu überzeugen sind oft gestresste Eltern, die schlecht nachvollziehen können, wie sie durch ein solches Unterfangen Zeit sparen sollen.

In der Westschweiz gibt es für Kinder (ab 10 bis 11 Jahren) auch einen «Velobus», der analog zum Pedibus funktioniert: Die Kinder fahren in der Gruppe, betreut von entsprechend geschulten Erwachsenen, mit dem Velo zur Schule und wieder zurück. Strecke, Fahrplan und Haltestellen werden vorab festgelegt. Wie beim Pedibus besteht der Nutzen des Velobusses darin, dass die Kinder sicher zur Schule gelangen, Sport treiben, sich mit den Verkehrsregeln vertraut machen und Eigenständigkeit entwickeln. Ein Kind, das täglich zu Fuss oder mit dem Velo zur Schule geht, ist auf natürliche Weise körperlich aktiv – eine kluge Strategie, um den Energieverbrauch zu steigern und Übergewicht entgegenzuwirken. maud hilaire schenker

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Daniel Sauter, «Mobilität von Kindern und Jugendlichen», ASTRA 2008, www.astra.admin.ch

Wie wird der Pedibus subventioniert? Die Stadt als Projekt-Koordinatorin stellt die Betreuung und die Rahmenbedingungen sicher. Zu Beginn des Schuljahres organisiert sie namentlich einen Informationstag, um Pedibus-Linien zu reaktivieren oder neue zu schaffen. Die Beratungsstelle für Unfallverhütung (bfu) bietet allen Pedibus-Begleitpersonen eine kostenlose Haftpflichtversicherung für die ganze Schweiz an. Ansonsten bewahrt das Projekt seinen Ursprung: Die Haltestellenschilder, Ausweise und weitere Utensilien werden von den Eltern und den Kindern angefertigt. Gibt es bereits Studien, die den Einfluss des Pedibusses auf die Gesundheit der Kinder untersucht haben? Eine Studie zum Thema gibt es nicht wirklich. Der Pedibus gehört jedoch in den Kontext der Gesundheitsvorsorge durch das Laufen. Eltern und Kinder lernen, sich regelmässig zu bewegen. Der Nutzen liegt also auf der Hand. Zudem erkennen die Eltern auch die Gefahren der «Elterntaxis», die der häufigste Grund für Unfälle in der Nähe von Schulen sind.

Die Initiative, die insbesondere dank der Zeichnung des Karikaturisten Burki von einem riesigen Sympathiebonus profitierte, verschafft Catherine Zaccaria eine grosse Befriedigung. Ihr Ziel ist es, immer mehr Eltern von der Zweckmässigkeit des Pedibusses zu überzeugen. Die nächste Etappe zur Verbesserung des Konzepts besteht darin, die Rolle der Ansprech-Eltern innerhalb der Schulen weiterzuentwickeln. Einen Pedibus auf die Beine zu stellen ist nicht besonders kompliziert – man braucht bloss den ersten Schritt zu tun!

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19 Ärzte bieten alle drei Präventionen unter einem Dach an: mediX in Zürich ist ein Beispiel für Managed Care bzw. für ein integriertes Vorsorge-Netzwerk.

Allgemein Mediziner Felix Huber beurteilt gewisse Präventionsmasnahmen kritisch

«Die Zukunft von Managed Care liegt in der Betreuung von chronisch kranken Menschen» Welche Wichtigkeit hat welche Art der Prävention für einen Praktiker in Managed Care? Was erhoffen sich die Ärzte vom Präventionsgesetz? Und wie soll die zeitaufwändige Nachbetreuung (Tertiärprävention) von chronisch Kranken finanziert werden? Gerade in diesem Bereich liegen Einsparungen in Millionenhöhe drin.

Die Atmosphäre in der mediX-Gruppenpraxis an der Rotbuchstrasse 46 in Zürich erinnert an einen Bienenstock im Hochsommer. Aus den Zimmern im 4. Stock treten stets irgendwo Füsse auf den Parkettboden im langen Gang und verschwinden wieder in einem Behandlungszimmer. Hier wird Medizin gelebt. Und hier wird in die Zukunft investiert. Felix Huber ist Verwaltungsratspräsident, Leiter des Netzmanagement und als Allgemein Mediziner FMH einer von 83 Ärzten aus verschiedenen Fachrichtungen, die sich bei mediX Zürich zusammengeschlossen haben. 19 davon teilen sich die Infrastruktur an der Rotbuchstrasse. Die Ärzte in der Praxis decken von Gesundheitsförderung (Primärprävention) über Früherkennung (Sekundärprävention) bis hin zur Nachbetreuung von chronisch Kranken (Tertiärprävention) das ganze Spektrum der Prävention ab.

«Impfen ist eine der wirksamsten Methoden» Als Gesundheitsförderer wirken Ärzte etwa, wenn sie impfen, über eine gesunde Lebensweise aufklären oder bei der Reiseberatung. «Impfungen sind eine der wirksamsten Methoden der Prävention und evidenzbasiert», sagt Felix Huber. Evidenz, der bewiesene Nutzen, ist ein Grundpfeiler von mediX. Aber nicht bei allen Impfungen ist die Datenlage klar. So wurde laut Huber die Impfung gegen den Papillomavirus (Gardasil®) überstürzt eingeführt (vgl. Seite 20). Deshalb hofft Huber, dass ein künftiges Präventionsgesetz auch bewirken werde, dass eine nationale Behörde den Nutzen von Impfungen genau kontrollieren und sich nicht dem Druck der Pharmaindustrie beugen werde.

Auch bei der Sekundärprävention, den Screeningmethoden, ist die Datenlage oft alles andere als klar. Allen voran werden die Früherkennung von Prostatakrebs und auch der Nutzen der Mammografie von mediX angezweifelt. «Die Mammografiedebatte kann leider kaum noch sachlich diskutiert werden. Sie ist längst zu einer Pressuregroup-Angelegenheit von organisierten und betroffenen Frauen und von Mammografieanbietern geworden», so Huber (vgl. Seite 18).

«Es besteht die Gefahr, dass national auf Screeningmethoden gesetzt wird, deren Evidenz nicht erwiesen ist» Andere Screenings können aber sinnvoll sein. «Durch die Darmspiegelung etwa werden die gutartigen Adenome erkannt, bevor sie sich zu bösartigen Krebszellen verändern.» Die Koloskopie als Vorsorgeuntersuchung indes werde von den Krankenkassen nicht bezahlt. Für Huber ein bedauerlicher Zustand, den er gerne mit der Formel «einmal mehr (Darmkrebs-Vorsorge), zweimal weniger (PSA-Blutwert für die Prostata-Früherkennung und Mammografie)» beheben würde. «Der Tarif für die Vorsorge-Koloskopie – eine Primärprävention ab 50, bei der oft Vorstufen des Krebses entdeckt werden – müsste halbiert werden im Vergleich zur diagnostischen Koloskopie.« Das Präventionsgesetz räumt der Früherkennung einen grossen Stellenwert ein. Huber ortet die Chance, dass man es gut macht und die Gefahr, dass man übereifrig wird. «Bei den Screening-Programmen gibt es kantonale Unterschiede, die ich begrüsse. Die Kantone überlegen sich etwas – wenn nur noch national für alle entschieden wird, besteht die Gefahr, dass Screens, deren Evidenz (Nutzen) nicht erwiesen ist, für alle zur Pflicht werden», befürchtet Huber. Nicht nur die Tests, sondern vor allem die Folgekosten gehen ins Geld und müssten von den Kassen bezahlt werden – ohne Nutzennachweis.

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Der Kosten/Nutzen-Sprech wärmt kein Herz: Was man als Betreuung von chronisch kranken Menschen bezeichnen könnte, heisst im Fachjargon «Vermeidung von Folgeschäden» oder «Verringerung des Rückfallrisikos» und ist Teil der Tertiärprävention.

«Die Zukunft von Managed Care liegt in der Begleitung von chronisch Kranken»

Fotos: Silvia Schütz

Gemeint ist: Diabetiker, Asthmatiker, Herz­insuffizienzPatienten und andere chronisch Kranken müssen «gut eingestellt sein» auf ihre Krankheit, damit sie keinen Rückfall erleiden. «Je weiter eine Krankheit fortgeschritten ist, desto wichtiger ist Betreuung in Managed Care», sagt Huber. Patienten müssen lernen, korrekt zu messen, korrekt zu dokumentieren und wenn nötig richtig zu reagieren. Für einen Herzinsuffizienz-Patienten etwa besteht das Messen aus dem Wägen und der entsprechenden, korrekten Reaktion anhand eines Stufenprogramms, falls er eine Gewichtszu-

nahme feststellt. «Damit kann man die Notfall-Hospitalisierungen halbieren», weiss Huber. Je nach Patientengruppe können laut mediX 10 bis 40 Prozent der Kosten eingespart werden. Ein beachtliches Potenzial, machen doch die chronisch multimorbiden Erkrankungen an die 80 Prozent der Gesund­heitskosten aus. Eine Zahl wird seit Jahren in der Gesundheitsbranche herumgereicht: Demnach verpuffen rund 500 Millionen Franken pro Jahr, weil Medikamente falsch eingenommen werden, Therapien nicht richtig befolgt werden und deshalb nicht die erwünschte Wirkung zeigen. Diese Zahlen betreffen nicht nur chronisch Kranke, illustrieren aber, wie wichtig die Schulung von Patienten ist. Menschen mit geringer Gesundheitskompetenz kosten das Schweizer Gesundheitswesen jährlich 1,5 Milliarden Franken, hat das Büro für Arbeitsund Sozialpolitische Studien (BASS) festgestellt. Diese Zahl basiert auf Schätzungen aus den USA, die auf das Schweizer Gesundheitssystem übertragen wurden. Geringe Gesundheitskompetenz wirkt sich allerdings nicht nur auf die korrekte Einnahme von Medikamenten aus, sondern auch auf das Gesundheitswissen generell.

Patienten mit geringer Gesundheitskompetenz kosten das Schweizer Gesundheitswesen jährlich 1,5 Milliarden Franken. (BASS-Studie) Felix Huber hat klare Vorstellungen von der Zukunft der Betreuung von chronisch Kranken: Gesundheitskompetenz soll den Patienten mit chronischen Krankheiten in Zukunft in spezifischen Chronic Care Management-Programmen vermittelt werden. Bei diesen Schulungsprogrammen in Arztpraxen werden die medizinischen Praxisassistentinnen (MPA) eine neue und bedeutende Rolle einnehmen. «Noch fehlt eine TARMED-Position als Vergütung für diese neuartigen Leistungen. Aber die notwendigen Eingaben zur Schaffung einer TARMED-Position für MPAs werden vorbereitet», so Huber. Dies ist nötig, weil bei mediX jeder Arzt im Einzelleistungssystem abrechnet und der Betrag im Falle von Managed Care-Versicherten dem Netzwerk belastet wird. Chronic Care Management wird auch eine Performancemessung mit sich bringen, also eine laufende Analyse der erreichten Resultate. «Dies wird die Behandlungsqualität noch verbessern», sagt Huber und möchte in Zukunft für diese nachgewiesene Ergebnisqualität auch eine bessere Abgeltung der Leistungen. Silvia Schütz

Felix Huber ist Allgemein-Praktiker und Verwaltungsratspräsident von mediX. Im Alltag der Praxis dominieren die Behandlung und Früherkennung (Sekundärprävention).

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Mammografie-Kampagnen: Vor- und Nachteile im Überblick

Die Mammografie ist auf dem Prüfstand Brustkrebs ist die am meisten verbreitete Krebsart und die häufigste krebsbedingte Todesursache von Frauen. Da sich Brustkrebs häufig sehr langsam entwickelt, kann eine Früherkennung sein Wachstum verhindern. Dennoch sind die Meinungen bezüglich der Wirksamkeit breiter Präventionskampagnen geteilt.

Es gibt verschiedene Methoden zur Früherkennung von Brustkrebs: Mammografie, Ultraschall und Selbstuntersuchung der Brüste. Bei der Mammografie werden zwei Röntgenaufnahmen von jeder Brust gemacht (senkrecht von oben und schräg seitlich), ergänzt durch eine allfällige klinische Untersuchung und ein Befragungsgespräch durch den Radiologen. Die Mammografie wird häufig Frauen zwischen 50 und 74 Jahren verordnet sowie solchen, die Krebsfälle in ihrer Familie haben. In 90 Prozent der Fälle sind die Mammografien normal. Im Falle einer Anomalie nimmt der Radiologe eine zusätzliche Analyse vor (Ultraschall, Blutuntersuchung, Biopsie) und informiert den behandelnden Arzt, der die Patientin bei ihren Entscheidungen leitet. Liegt keine Anomalie vor, wird (im Rahmen der organisierten Programme) eine Zweitmeinung eingeholt, um die Erstbeurteilung zu bestätigen. Sind Mammografien zuverlässig?

Zurzeit ist keine bessere Methode bekannt. Es gibt aber sogenannte okkulte Karzinome, die von den Röntgenstrahlen nicht erfasst werden und auf einer Mammografie unsichtbar sind (fünf Prozent aller Krebserkrankungen). Die Sensitivität der Mammografie liegt bei 81 Prozent. Anders gesagt: Von allen Personen, die Brustkrebs haben, werden 81 Prozent der Krebserkrankungen bei der Röntgenuntersuchung erkannt. Umgekehrt bleiben 19 bis 20 Prozent unentdeckt, und die Frauen werden zu Unrecht beruhigt. Es gibt also falschnegative Befunde, d.h. der Krebs wurde entweder nicht entdeckt oder er tauchte erst nach der Mammografie auf. Es können aber auch falschpositive Befunde auftreten, die Zusatzuntersuchungen (Ultraschall, Blutuntersuchung, chirurgische Biopsie) nach sich ziehen. Zum Schluss stellt sich heraus, dass die Anomalie gutartig war und die Patientin unnötig beunruhigt wurde. Bei gewissen Frauen erfolgt auch die Vorwegnahme einer Krebsdiagnose, die ohne jeglichen Nutzen für sie ist. Denn auch wenn ein besonders aggressiver Brustkrebs frühzeitig diagnostiziert wird, ist sein Verlauf tödlich. In einem solchen Fall schadet die Mammographie der Frau, der man ein, zwei, drei oder vier Jahre vorher ihre Krebserkrankung eröffnet hat. Welches sind die Vorteile?

Die Früherkennungsprogramme für Frauen zwischen 50 und 74 Jahren weisen verschiedene Vorteile auf: • bessere Abdeckung der Bevölkerung; • bessere Gleichstellung für alle Frauen (zwischen 50 und 74 Jahren) bezüglich des Leistungszugangs, unabhängig von ihrer geografischen, beruflichen, sozio-ökonomischen und kulturellen Situation;

• Absicherung bezüglich Qualität und Evaluation des gesamten Verfahrens; • Zweitbeurteilung durch einen anderen spezialisierten Radiologen; • Anwendung von weniger invasiven Behandlungen und vor allem von brusterhaltenden Operationsverfahren; • bessere Heilungschancen. Die Überlebenschancen sind in der Tat höher, wenn der Tumor weniger als zwei Zentimeter misst. Sie liegen nach fünf Jahren bei 80 Prozent, während sie bei einem Tumor mit Metastasen nach fünf Jahren nur bei 20 Prozent liegen. • Frauen mit einem negativen Ergebnis, die Angst vor einer Brusterkrankung hatten, werden beruhigt; • Randomisierte Studien haben gezeigt, dass die Krebssterblichkeit um 30 Prozent zurückging, wenn eine genügend hohe Anzahl Frauen regelmässig an den Früherkennungskampagnen teilnahm. Vorteile nur unter Beachtung strenger Richtlinien

Die erwähnten Vorteile greifen jedoch nur, wenn gewisse Voraussetzungen erfüllt sind: • geeignete Ausbildung von Radiologen und Abtastern; • regelmässige Qualitätskontrolle des Mammografie-Verfahrens; • klare und objektive Information der Bevölkerung über die Vor- und Nachteile der Früherkennung; • konsequente Programmorganisation; • Evaluation aller Ergebnisse, damit bei unzweckmässigen oder unzulänglichen Ergebnissen Korrekturmassnahmen ergriffen werden können. Was spricht gegen die Mammografie?

• Den meisten Studien zugunsten der Mammografie wurde vorgeworfen, dass sie nicht den Kriterien der evidenzbasierten Medizin entsprechen. Im Oktober 2001 geriet eine dänische, sehr umstrittene Studie von Gøtsche und Olsen in die Schlagzeilen, die zum Schluss kam, dass die Brustkrebs-Früherkennung keinen Rückgang der Sterblichkeit zur Folge hat. Die Analyse zeigte nämlich auf, dass alle Studien, aus denen ein Rückgang der Sterblichkeit hervorging, in methodischer Hinsicht unbefriedigend waren. Dabei ist jedoch zu präzisieren, dass die Studie nicht die krebsbedingte, sondern die allgemeine Sterblichkeit betrachtet. Das bedeutet, dass in den Bevölkerungsgruppen, bei denen eine Brustkrebs-Früherkennung durchgeführt wird, kein Rückgang der allgemeinen Sterblichkeit festzustellen ist. • Ohne Mammografie werden ca. 80 Prozent der Brustkrebserkrankungen von den Frauen selber entdeckt. Die durchschnittliche Grösse beträgt zwei Zentimeter, wobei rund 50 Prozent bereits Metastasen gebildet haben. Die ärztliche Untersuchung verbessert diese Resultate nicht wesentlich. • Der Rückgang der Sterblichkeit um 30 Prozent scheint beeindruckend. In absoluten Zahlen ausgedrückt bedeutet dies, dass in Europa zehn von 1000 Frauen im Alter zwischen 50 und 70 Jahren innerhalb von zehn Jahren an Brustkrebs sterben. Mit einer Mammografie sind es sieben von

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1000, also 30 Prozent weniger. In einem Zeitraum von zehn Jahren profitierten also nur drei von 1000 Frauen von ihrer Teilnahme an einem Früherkennungsprogramm. Situation in der Schweiz

Die KLV (Art. 12e) sieht eine Rückerstattung der Kosten durch die OPK für Mammografie-Screenings vor: «Ab dem 50. Altersjahr alle zwei Jahre. Im Rahmen eines Programms zur Früherkennung des Brustkrebses gemäss der Verordnung vom 23. Juni 1999 über die Qualitätssicherung bei Programmen zur Früherkennung von Brustkrebs durch Mammografie. Auf dieser Leistung wird keine Franchise erhoben.» Durchführung und Verantwortung liegen bei den Kantonen. Die Voraussetzungen für ein nationales Programm sind also gegeben. Bis jetzt wurde dieses jedoch aufgrund massiver Einwände nur in den Kantonen Freiburg, Neuenburg, Jura, Genf, Waadt, Wallis und Bern (französischsprachiger Teil) eingeführt. Die Kantone St. Gallen, Bern, Graubünden und Thurgau wollen ab 2010 ein Brustkrebs-Früherkennungsprogramm anbieten. In den anderen Kantonen kommt die von Fall zu Fall veranlasste «opportunistische Mammografie» zum Einsatz, bei der jedoch die wichtigen Qualitätskontrollen fehlen. Es wurden aber drei parlamentarische Initiativen eingereicht – von Yves Guisan, Thérèse Meyer-Kaelin und Bea Heim –, die von beiden Gesundheitskommissionen (2006 und 2008) gutgeheissen wurden und welche die Ausweitung der BrustkrebsFrüherkennungsprogramme auf die ganze Schweiz fordern.

Situation in Europa

Seit 1987 haben fast alle europäischen Länder BrustkrebsFrüherkennungsprogramme eingeführt. Schweden, die Niederlande und England waren die Pioniere auf diesem Gebiet. In Deutschland und in Frankreich handelt es sich um landesweite Kampagnen, die von der Krankenversicherung übernommen werden. Alle Frauen zwischen 50 und 74 Jahren werden systematisch eingeladen, alle zwei Jahre eine kostenlose Mammografie machen zu lassen. Die Mammografie kann auch ohne diese Einladung vom Allgemeinmediziner oder vom Gynäkologen angeordnet werden. Der Einladung ist eine Liste der Radiologen beigefügt, die für das Mammografie-Screening zugelassen sind (Ausbildung und Qualitätskontrolle). Angesichts solcher Divergenzen zeichnen sich zwei Prioritäten ab: Die Frauen müssen über alle massgeblichen Aspekte der Mammografie informiert werden und es ist darauf zu achten, dass die Mammografien unter optimalen Qualitätsvoraussetzungen durchgeführt werden. maud hilaire schenker Quellen: Europa Donna Forum France, Coalition européenne pour le cancer du sein [vgl. Europa Donna, Schweizer Brustkrebs-Forum]; Forum Louis Jeantet, «Le Cancer du sein: Le dépistage en question?», 21.11.02 [www.jeantet.ch: auf Französisch und Englisch verfügbar]; Schweizerischer Verband der BrustkrebsFrüherkennungsprogramme; Siegfried Heinzl, «Mammographie-Screening», in Schweiz Med Forum 2006;6:849–854

Un t e r s c hi e d l ic h e Vorgehenswe i sen für d ie D urchführung von Mammografie- Screen ings in der Schw ei z

Im Rahmen eines kantonalen systematischen Früherkennungsprogramms

Ausserhalb eines kantonalen Früherkennungsprogramms

Häufigkeit

Alle zwei Jahre

Gemäss ärztlicher Empfehlung

Rückerstattung der Kosten für die Mammografie

Ja

Keine Rückerstattung

Zulassung der Radiologen und der MTRA1

Erforderlich

Nicht erforderlich

Zulassung und regelmässige technische Kontrollen der Geräte

Erforderlich

Nicht erforderlich

Klinische Untersuchung

Nein

Gemäss der Praxis des Radiologen des Instituts

Grunduntersuchung

2 Aufnahmen pro Brust

2 Aufnahmen pro Brust

Zweitbeurteilung der Röntgenaufnahmen

Systematisch

In der Regel nicht

Weiterbearbeitung der ergänzenden Ergebnisse und deren Resultate

Durch den behandelnden Arzt oder den Gynäkologen der Patientin und durch das Früherkennungsprogramm

Durch den behandelnden Arzt oder den Gynäkologen der Patientin

Betreuung allfälliger Behandlungen

Durch den behandelnden Arzt oder den Gynäkologen der Patientin

Durch den behandelnden Arzt oder den Gynäkologen der Patientin

Auswertung der Ergebnisse des gesamten Verfahrens zur Früherkennung

Ja

Nein

Wartefrist, bis die Ergebnisse der Mammografie vorliegen

Maximal 10 Tage (notwendige Zeit, um die Mammografie zu erstellen sowie eine Zweit- oder gar eine Drittbeurteilung vorzunehmen)

Gleichentags, gewöhnlich nach der Beurteilung durch einen einzigen Radiologen

Allfällige ergänzende Ergebnisse

Nachträglich, auf Anraten von 2 Radiologen

Gleichentags, gewöhnlich auf Anraten eines einzigen Radiologen

Quelle: Schweizerischer Verband der Brustkrebs-Früherkennungsprogramme MTRA = medizinisch-technische Röntgenassistenten

1

Die Qualitätskriterien zwischen den beiden Vorgehensweisen bei der Durchführung von Mammographien in der Schweiz unterscheiden sich stark.

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Buchtipp: Die Spritze zuviel? von Catherine Riva und Jean-Pierre Spinosa

Die Kunst der Kommunikation oder wie aus dem Nichts ein Bedürfnis geschaffen wird Das Buch von Catherine Riva und Jean-Pierre Spinosa ist ein Enthüllungswerk, das die Hintergründe der breiten Impfkampagne gegen das humane Papillomavirus (HPV) offenlegt. Es beschreibt, wie sich die Diskussion um diese Impfung innerhalb weniger Monate in ein dringliches öffentliches Gesundheitsproblem und in eine Goldader für die Impfstoffhersteller verwandelt hat, die Millionen von Dollar abschöpfen.

Die Journalistin beschreibt das Arsenal der Medienmassnahmen, die von der Pharmaindustrie ergriffen wurden, um aus dem Nichts einen Markt zu schaffen, und prangert die Interessen an, welche die Vermarktung beeinflussten. Zwei wichtige Mängel treten dabei zutage: Die schwache wissenschaftliche Grundlage, die den Impfstoffen Wirksamkeit, Zweckmässigkeit und Wirtschaftlichkeit bescheinigt, sowie die unvollständigen und einseitigen Informationen, welche die Frauen dazu bewegen sollen, sich impfen zu lassen. Die Pharmaindustrie – allgegenwärtig – erscheint in einem finsteren Licht, sie zeigt sich berechnend, manipulativ und nur darauf bedacht, Millionen abzukassieren. Das humane Papillomavirus (HPV): Was genau ist das?

Das HP-Virus gehört zu den DNA-Viren. Es zählt rund 100 Stämme. Man unterscheidet sogenannte Low-Risk-Virenstämme, wie die Typen 6 und 11, die in Genitalwarzen vorkommen, und High-Risk-Stämme, wie die HP-Virentypen 16 und 18, die an der Entwicklung von Gebärmutterhalskrebs beteiligt sind. Im weltweiten Mittel sind die HP-Virentypen 16 und 18 schätzungsweise für 73,9 Prozent der Gebärmutterhalskrebse verantwortlich. Aber auch wenn die HPV-Infektion eine Voraussetzung für die Entwicklung von Krebs

ist, reicht sie allein als Auslöser nicht aus. Weitere Faktoren spielen eine Rolle dabei: die Anzahl der Sexualpartner, Nikotinsucht, die Einnahme eines oralen hormonellen Verhütungsmittels über einen längeren Zeitraum, Ko-Infektion mit anderen sexuell übertragbaren Krankheiten usw. In der Regel wird das Virus durch Sexualkontakt übertragen. 70 bis 80 Prozent der sexuell aktiven Personen sind einmal in ihrem Leben Träger einer HPV-Infektion. Diese verschwindet aber in 90 Prozent der Fälle spontan wieder und bleibt nur bei den restlichen zehn Prozent bestehen. Nur eine bleibende Infektion kann aber zu einer Entwicklung von Krebsvorstufen führen. Der Gebärmutterhalskrebs ist weltweit die zweithäufigste krebsbedingte Todesursache bei den Frauen. Am stärksten davon betroffen sind die Entwicklungsländer, in denen 80 Prozent der neuen Krebsfälle auftreten. Unvollständige oder einseitige Studien

Das Buch zeigt auf, dass es keine unabhängige klinische Studie gibt, welche die Wirksamkeit und die Unschädlichkeit der HPV-Impfstoffe evaluiert. Nur die von Merck und GlaxoSmithKline (GSK) durchgeführten Studien sind verfügbar, die zudem unvollständig sind. Das Gleiche gilt laut den Autoren für pharmazeutisch-ökonomische Studien, die das Verhältnis zwischen Kosten und Wirksamkeit des Impfstoffs, den erwarteten Rückgang der Anzahl von Gebärmutterhalskrebsen, die mit der Krankheit verbundene Sterblichkeit, die gewonnenen Lebensjahre pro Patientin usw. untersuchen und in gewissen Ländern von den Herstellern selber erstellt wurden. In der Schweiz beispielsweise soll eine solche Modellanalyse von Sanofi Pasteur MSD finanziert worden sein. Anschliessend habe die Pharmaindustrie Zahlen und Statistiken angeführt, um einer gesunden Bevölkerung ein neues Produkt zu verkaufen, während es bereits eine

Stellungnahme von santésuisse: Wirksamkeit, Zweckmässigkeit und Wirtschaftlichkeit von Gardasil®? Wirtschaftlichkeit: Diese ist für uns problematisch, da der Impfstoff gegen HPV, in Analogie zu neuen und teuren Krebsmedikamenten, in einem Hochpreissegment im Markt verkauft wird. Der Preisaufschlag gegenüber gängigen kassenpflichtigen Impfungen ist erheblich: Grippe ca. 10 Franken, bzw. Frühsommer-Meningo-Encephalitis (FSME) 140 Franken. Zumindest Wirksamkeit: konnte in den Preisverhandlungen der GDK mit dem ImpfstoffherstelDiese wurde nicht für die Senkung der Rate von Gebärmutterhalsler, wo santésuisse beratend teilnahm, ein im europäischen Massstab‚ krebs nachgewiesen, sondern für Ersatzparameter, so genannte Surrogünstiger Preis von 275 Franken erzielt werden, der aber damit eben gate. Die Wirksamkeit bezüglich Verhinderung des Gebärmutterhalsmassiv höher liegt, als andere Impfstoffpreise. Ein Quervergleich kann krebs ist somit ungesichert und kann noch Jahrzehnte dauern. Unsinicht gemacht werden, weil ein ähnlicher Impfstoff nicht vorliegt. cher und unbekannt zurzeit ist die Dauer des Impfschutzes. Eine NachIn die Wirtschaftlichkeit muss die heutige OKP-pflichtige gynäkologiimpfung nach über vier Jahren ist nicht ausgeschlossen. sche Kontrolle mit Krebsscreening einbezogen werden. Diese ist nachgewiesenermassen wirksam und hat zu einer drastischen Senkung der Zweckmässigkeit: Diese kann nicht abschliessend beurteilt werden, weil die Wirksamkeit Gebärmutterhals-Krebs-Morbidität und -Mortalität geführt. auf die Krebserkrankung nicht gesichert ist. Das Prinzip der «Impfung santésuisse und die Versicherungen waren gegen die OKP-Pflicht von Gardasil® zum beantragten Preis. gegen Krebs» wäre attraktiv. santésuisse hat auf die Marktzulassung eines Medikamentes keinen Einfluss. Der Verband verpflichtet sich jedoch dazu, dass alle Medikamente und Impfstoffe, die im Leistungskatalog aufgeführt sind, den WZW-Kriterien (Wirksamkeit, Zweckmässigkeit und Wirtschaftlichkeit) entsprechen. Nachstehend die Beurteilung in Bezug auf das HP-Virus.

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Stellungnahme von Interpharma: Ein nützlicher und wichtiger Impfstoff

wirksame und anerkannte Methode der Prävention gab: den Vaginalabstrich mit PAP-Test. Eine Marketing-Lektion: der erste Impfstoff gegen Krebs

Die Recherchen decken sodann auf, wie Merck bewusst die Medien benutzte, um seinen Impfstoff Gardasil® zum «Blockbuster» zu machen: Die Analysten schätzen, dass er dem Merck-Unternehmen jährlich mehr als anderthalb Millionen Dollar einbringt. Merck hatte sich vier Ziele gesetzt: den HPV-Impfstoff von Anfang an als einen Impfstoff gegen Krebs zu präsentieren; sich die Unterstützung möglichst vieler Ärztegesellschaften zu sichern; zu vermeiden, dass der Impfstoff nur für gewisse Risikogruppen empfohlen würde und vor allem sicherzustellen, dass dieser als Pflichtleistung deklariert und von so vielen Staaten wie möglich vergütet würde. Um dies zu erreichen, sensibilisierte Merck zuerst die Ärztegesellschaften mithilfe von Seminaren, an denen lückenhafte Informationen vermittelt wurden. Danach wurde die Öffentlichkeit informiert. Zu diesem Zweck lancierte das Unternehmen eine breite Medienkampagne, verschiedene Websites sowie «pädagogische» Werbespots. Zusammen mit den Interessenskonflikten soll dieser Werbezug sogar dazu geführt haben, dass der Impfstoff schneller auf den amerikanischen Markt kam. In Europa lief das Ganze ähnlich ab. Um das Werbeverbot für Medikamente zu umgehen (insbesondere in der Schweiz), griff die Pharmaindustrie zu einer anderen List: dem politischen Lobbying. Letztendlich wird Gardasil® in zahlreichen Ländern von den Gesundheitsbehörden empfohlen und von den Krankenkassen bezahlt.

Jedes Jahr wird in der Schweiz bei 250 Frauen Gebärmutterhalskrebs diagnostiziert, 90 Frauen sterben an der Krankheit und 5000 lassen sich wegen Krebsvorstufen behandeln. Diese Zahlen verdienen unsere Aufmerksamkeit. Trotz der Vorsorgeuntersuchungen bleibt der Gebärmutterhalskrebs bei jungen Frauen in der Schweiz die zweithäufigste krebsbedingte Todesursache (nach dem Brustkrebs). Aus diesem Grunde empfehlen die Gesundheitsbehörden praktisch aller europäischer Länder sowie die USA, Kanada und Australien die HPV-Impfung, um Gebärmutterhalskrebs und den anderen durch HP-Viren verursachten Geschlechtskrankheiten vorzubeugen. Obwohl der Organismus bei 90 Prozent der infizierten Frauen die Infektion von selber besiegt, ist es dennoch eine Tatsache, dass die HP-Viren sehr häufig vorkommen. 70 Prozent der sexuell aktiven Personen machen im Laufe ihres Lebens mit ihnen Bekanntschaft. Die Ärzte können nicht voraussagen, welche Infektion spontan verschwinden und welche pathologisch werden und sich schliesslich zu einem Krebs entwickeln wird. Wirksamkeit, Qualität und sichere Anwendung bewiesen Gardasil® wird in Zukunft nahezu 70 Prozent der Gebärmutterhalskrebse abwehren, vorausgesetzt dass die Impfung insgesamt drei Mal bei jungen Mädchen und Frauen, die noch nicht mit den HP-Virentypen 16 und 18 in Berührung gekommen sind, verabreicht wird. In klinischen Studien verhinderte Gardasil® 98 bis 100 Prozent aller Krebsvorstufen bei jungen Mädchen und Frauen, die diesen Virentypen noch nicht ausgesetzt waren und alle drei Impfdosen gemäss dem festgelegten Impfkalender erhalten hatten. Die HP-Virentypen 16 und 18 sind für 70 Prozent aller Gebärmutterhalskrebse in Europa verantwortlich. Gardasil® ist ein präventiver Impfstoff, der keine vorbestehende Infektionen oder Krankheiten heilen kann und direkt auf die HP-Virentypen 16 und 18 abzielt. Es ist also überhaupt nicht erstaunlich, dass die Wirksamkeit gegen andere HP-Virentypen und gegen vorbestehende Infektionen und Schädigungen unter 90 bis 100 Prozent liegt (zwischen ~50 Prozent und 17 Prozent). Dr. med. Andrée Montigny, Country Manager Sanofi Pasteur MSD Thomas Cueni, Generalsekretär Interpharma

Ideologische Auseinandersetzungen, recherchierfaule Presse und Interessenskonflikte

Die vorgebrachten Argumente scheinen stets auf Überzeugungen und Emotionen und selten auf wissenschaftlichen Fakten zu beruhen. So nahmen im Frühjahr 2007 gewisse religiöse und konservative Kreise eine ablehnende Haltung gegenüber dem Impfstoff ein, da sie darin einen Anreiz für junge Mädchen sahen, früher eine sexuelle Beziehung einzugehen. Seither ist der Impfstoff für Frauen, die in der Entwicklungsforschung lange ein stiefmütterliches Dasein gefristet hatten, zu einem Symbol des Fortschritts geworden. Die Pharmaindustrie ihrerseits spekulierte auf die Schuldgefühle der Mütter, indem sie alarmierende, aus ihrem Kontext gerissene Zahlen heranzog, die von der Presse und den Experten aufgegriffen wurden, ohne vorab überprüft zu wer-

den. So führt die Journalistin verschiedene, in der Presse erschienene Fehlinformationen an, wie zum Beispiel die Ankündigung, dass eine breit angelegte Impfung den Gebärmutterhalskrebs zum Verschwinden bringen würde. Sie zitiert auch die befragten Experten und kritisiert deren Kontakte zur Pharmaindustrie. Der erste Impfstoff gegen Krebs erscheint so als ein riesiger Marketing-Coup. maud hilaire schenker

Catherine Riva und Jean-Pierre Spinosa, La Piqûre de trop? Pourquoi vaccine-t-on les jeunes filles contre le cancer du col de l’utérus? Editions Xenia, Vevey, 2010, 245 Seiten

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Einführung des neuen Abgeltungssystems für stationäre Spitalbehandlungen und geänderte Rahmenbedingungen

SwissDRG 2012: Das KVG ist kein Spitalfinanzierungsgesetz Seit 2002 rechnen etliche Spitäler ihre Leistungen über APDRG ab – quasi über ein Vorgängermodell der ab 2012 geltenden SwissDRG. Einziger Unterschied: das neue System bildet die Leistungen exakter ab und trägt dem unterschiedlichen Erkrankungsbild und -grad der Patienten viel besser Rechnung. Alles in Butter – müsste man meinen.

Derzeit dominiert die Kritik am künftigen Fallpauschalensystem. Dabei werden häufig die Grenzen zwischen dem «Vergütungsmodell Fallpauschale» und den teilweise recht einschneidenden Anpassungen in der Spitalfinanzierung – welche wiederum nichts mit der Fallpauschale zu tun haben – miteinander vermischt. Vorab erwähnenswert ist hierbei die Thematik der Investitionsvergütung. Ab 2012 müssen die Tarife der Krankenversicherung auch die Vergütung der Kosten der für die Leistungserbringung notwendigen Anlagen umfassen. Darunter fallen zum Beispiel die Kosten für Hotellerie und die Benützung von Operationsräumen und medizinischen Geräten. Doch wie hoch dürfen diese Kosten sein? Werden sie einfach vom Spital «bestimmt», auch wenn es schlecht ausgelastet ist und an den Bedürfnissen vorbei produziert? Wie soll etwa verhindert werden, dass aufgrund der Mitfinanzierung von teuren MRI-Geräten die Gerätedichte noch mehr zunimmt? Das Krankenversicherungsgesetz ist kein Spitalfinanzierungsgesetz

Es ist hilfreich, wenn man sich bei dieser Fragestellung vergegenwärtigt, welchen Zweck das KVG hat: Es regelt die Vergütung von Leistungen aus der obligatorischen Krankenpflegeversicherung (OKP). Die Leistungen müssen nicht nur wirksam und zweckmässig, sondern auch wirtschaftlich und in der entsprechenden Qualität erbracht werden, damit der Leistungserbringer deren Vergütung geltend machen kann. Hingegen ist es nicht Inhalt und Ziel des KVG, den Spitälern zur Deckung jener (Betriebs- und) Investitionskosten zu verhelfen, welche etwa durch eine schlechte Auslastung oder falsch getätigte Investitionen anfallen. Dieses Risiko muss stets das Spitalunternehmen oder die Spitalträgerschaft übernehmen. Wäre dem nicht so, würde jeder Ansatz einer leistungsorientierten Finanzierung im Keime erstickt. Die Folge wäre eine weiterhin strukturorientierte Finanzierung – genau davon wollte der Gesetzgeber jedoch abrücken. Mit den entsprechenden Verordnungsbestimmungen (insbesondere VKL*

Art. 10a) hat der Bundesrat die folgerichtigen Umsetzungsvorgaben geschaffen, auch wenn diese dem betriebswirtschaftlich geschulten Auge missfallen können. Doch auch dieses Auge muss wahrnehmen, dass in einem System mit Vertragszwang die Preise rasch zu hoch ausfallen, wenn statt belegbarer Anschaffungswerte «nebulöse» Wiederbeschaffungswerte und statt einer fixen Verzinsung die beeinflussbare Kapitalstruktur des Spitals das Mass der Dinge sind. Der Haltung des Spitalverbands H+, wonach die entsprechenden Verordnungsbestimmungen der VKL geändert werden müssen, ist deshalb klar zu widersprechen. Keine Differenzierung der Basispreise nach Spitalkategorien

Eine vergleichbare Thematik betrifft die Forderung der Universitätsspitäler, für die gleiche Leistung einen höheren Basispreis in Rechnung stellen zu dürfen als andere Spitäler. Keine der vorgebrachten Argumentationslinien verfängt dabei: • Schweregrad der Behandlungen: Spitäler, welche kränkere Patienten behandeln und schwierigere Behandlungen durchführen, erhalten durch SwissDRG bereits eine höhere Pauschale zugesprochen, weil das Kostengewicht der Behandlung (welches mit dem Basispreis multipliziert den Rechnungsbetrag ergibt) entsprechend grösser ist als bei einfacheren Behandlungen. Eine nochmalige Berücksichtigung dieser Fallschwere über den Basispreis ist schlicht systemfremd. • Ungenügende Abbildung komplexer Leistungen: Kaum plausibel ist zudem das Argument, dass die Leistungen der Universitätsspitäler in SwissDRG ungenügend abgebildet seien. Das Gegenteil ist der Fall: während alle UniSpitäler ihre Daten als Kalkulationsbasis für die Tarifstruktur zur Verfügung stellen, ist dies bei den übrigen Spitälern bei weitem nicht der Fall. • Höhere Gestehungskosten: Zudem werden die höheren Leistungserstellungskosten der Uni-Spitäler ins Feld geführt. Insbesondere seien diese

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Wie hoch dürfen die Kosten sein, wenn am Bedürfnis vorbei produziert wird?

Kosten durch den hohen Anteil an Forschung und universitärer Lehre sowie grösserer Vorhalteleistungen verursacht. Doch genau diese Kosten darf die Krankenversicherung nicht vergüten, da sie gemeinwirtschaftlichen Charakter haben und vom Spitalträger bzw. der öffentlichen Hand zu finanzieren sind. Die einzige Argumentation, welche unter Umständen zu höheren Tarifen führen dürfte, wäre der Nachweis einer durchwegs höheren Leistungsqualität bei Behandlung in einem Universitätsspital. Doch solange keine schweizweit einheitlichen und verlässlichen Qualitätsmessungen durchgeführt und transparent zugänglich gemacht werden, welche eine solche Aussage bestätigen könnten, bleiben solche Diskussionen Spekulation. Von Innovation und neuen Leistungen

Mit dem Stichwort «Innovation» wird unter DRG-Bedingungen als erstes eine zusätzliche Abgeltungsform assoziiert, nämlich jene des «Innovationsentgelts». Dabei wird suggeriert, dass leistungsbezogene Fallpauschalen generell eine innovationshemmende Wirkung haben. Diese These ist nicht haltbar: • Die DRG-Tarifstruktur gibt lediglich vor, in welchem Verhältnis die finanziellen Mittel verteilt werden, nicht jedoch, wie viele Mittel verteilt werden.

• Innovation muss nicht kostensteigernd sein, sondern kann auch kostensenkend oder qualitätssteigernd wirken. • «Neu» ist nicht einfach mit «gut» gleich zu setzen. Nur wenn die Wirksamkeit, Zweckmässigkeit und Wirtschaftlichkeit einer Leistung gegeben ist, darf die Finanzierung über die OKP erfolgen. Eine saubere Abgrenzung von Innovation und Forschung ist dabei zwingend. • Mit Fallpauschalen wird ein Bündel von einzelnen Leistungen (Diagnostik, Eingriff, Pflege usw.) finanziert. Eine Innovation in einem Teilbereich des Leistungsbündels darf nicht losgelöst von dessen Auswirkungen auf die anderen Bereiche beurteilt werden. • Betroffen ist letztlich ein Kostenvolumen von wenigen Prozenten (ein bis zwei Prozent). Aus diesen Überlegungen lassen sich folgende Schlüsse ableiten: • Der Begriff «Innovation» ist nicht präzise, wenn es um die Tarifierung von Leistungen geht. Es ist deshalb angezeigt, den Begriff «Neue Leistungen» zu verwenden. • Auch neue Leistungen müssen den WZW-Kriterien entsprechen. • Alleine die Feststellung, dass bspw. eine neue Behandlungsmethode existiert, sagt noch nichts aus, ob diese unzureichend vergütet wird.

• Das KVG verlangt eine pauschale Vergütung bei stationären Behandlungen. Es wäre unangemessen, diesen Grundsatz für neue Leistungen generell zu durchbrechen. Zusammenfassend kann festgehalten werden, dass sich das Thema der «Neuen Leistungen» nicht adäquat über die Tarifstruktur wird lösen lassen. Erfahrungen aus Deutschland zeigen, dass das Verfahren der sogenannten «NUB-Entgelte» extrem aufwändig ist. Es sollte deshalb davon abgesehen werden, ähnlich komplizierte Prozesse zu etablieren, welche zudem nicht mit den hiesigen Gegebenheiten (keine Budgetverhandlungen, kein Positivkatalog der Leistungen) kompatibel sind. Seit Einführung des KVG per 1996 erfolgt die Vergütung von stationären Leistungen über Pauschalen, ohne dass bislang eine hemmende Wirkung auf die Innovationstätigkeit bemängelt worden wäre. Es ist nicht einzusehen, weshalb ein neues Pauschalsystem, welches gegenüber bisherigen Systemen eine massiv verbesserte Mittelverteilung gewährleistet, ausgerechnet in dieser Hinsicht zu nachhaltigen Verschlechterungen führen sollte. Beat Knuchel

* Verordnung über die Kostenermittlung und die Leistungserfassung durch Spitäler, Geburtshäuser und Pflegeheime in der Krankenversicherung (VKL)

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Das 12. Schweizerische Forum der sozialen Krankenversicherung beschäftigte sich mit einem brisanten Thema

Leistungskatalog: Opfer der Vollkasko-Mentalität? Die Kosten im Gesundheitswesen steigen unaufhörlich, die Prämien steigen mit. In den Diskussionen um die Kostentreiber wird auch der Leistungskatalog an den Pranger gestellt. Ist er ein Selbstbedienungsladen? Wer bedient sich? Wie handhaben andere Länder das Problem?

Um in den Leistungskatalog aufgenommen zu werden, muss eine Leistung oder ein Medikament die WZW- Kriterien erfüllen. Nachgewiesen sein müssen die Wirksamkeit, Zweckmässig- keit und Wirtschaftlichkeit. Mit dem Satz «Alles, was ein Arzt macht, muss bezahlt werden», umschreibt Tilman Slembeck, Zürcher Hochschule für Angewandte Wissenschaften, die Tatsache, dass die WZW-Kriterien in 90 Prozent automatisch als nachgewiesen gelten, ausser sie werden angefochten. Das wäre an sich noch kein Problem, wenn umstrittene Leistungen systematisch evaluiert würden. Das sei in der Schweiz nicht der Fall. Unklar sei auch, nach welchen Kriterien Leistungen evaluiert würden und die Kriterien selbst seien nicht hinreichend operationalisiert. Dazu kommen grundsätzlich Probleme der medizinischen Leistungsevaluation: Die Versicherer und andere Antragsteller haben keinen Anreiz, die Wachhundfunktion zu übernehmen und sich in die politischen und medialen Nesseln zu setzen (z.B. mit Kritik an der Häufigkeit von Ultraschalluntersuchungen). Im Entscheidungsgremium sitzen zur Hälfte Ärzte und Apotheker

Die wissenschaftliche Evaluation der Leistung und der Entscheid, ob die Leistung finanziert werden soll, sind in der Schweiz nicht wirklich getrennt. Der Leistungskatalog sei ein politischer Katalog, weil im EntscheidungsGremium 50 Prozent Ärzte und Apo-

Niklaus Brantschen am Philosophieren: «Gesundheit ist nicht alles. Das Kranksein bringt eine nötige und oft willkommene Auszeit mit sich.»

theker sässen, ergänzt Werner Widmer, Direktor Stiftung Diakoniewerk Neumünster. Dazu kommen noch Vertreter der Pharmaindustrie, Versicherer, Kantonsvertreter und weitere. Und Erika Ziltener, Präsidentin Schweizer Patientenstelle, sieht nicht den Leistungkatalog als Problem, sondern die Leistungserbringer und Patienten. 30 Prozent der Eingriffe seien überflüssig oder würden zum falschen Zeitpunkt getätigt. Und die Patienten tragen durch ihre Anspruchshaltung zur Kostensteigerung bei. Motto: «Wenn ich hohe Prämien zahle, will ich es auch nutzen». Als Lösungen schlägt Slembeck unter anderem nationale und kantonale Gesundheitsbudgets, unabhängiges Assessement mit Rekursmöglichkeiten für die Leistungen und Transparenz des Prozesses vor. BAG: «Gefordert sind die Akteure»

Auf die Vorwürfe reagiert Sandra Schneider, Leiterin der Abteilung Leistungen beim Bundesamt für Gesundheit (BAG), das für die Ausgestaltung des Leistungskatalogs die politische

und wirtschaftliche Verantwortung trägt: Die Kritik richte sich gegen die Zweckmässigkeit von Leistungen in Einzelfällen, also gegen die Angemessenheit des Einsatzes von Leistungen im Einzelfall. Diesem Problem könne mit keiner Ausgestaltung von Katalogen/Listen wirksam begegnet werden. Gefordert seien vielmehr systemische Rahmenbedingen und die Akteure. Mit mehr Eigenverantwortung des Patienten zum Erfolg

Patient und Markt sind für Werner Widmer die Lösung. Denn die Art der Finanzierung sei der Kos- tentreiber. «Auf der grünen Wiese» hat er ein Reformmodell entwickelt, bei dem die Patienten ihren Leistungskatalog und ihre Risikoklasse aus bestehenden Varianten wählen und dann die der Wahl entsprechende Prämie zahlen. Dadurch entsteht laut Widmer der Leistungskatalog nach Marktmechanismen. Fazit: Mit mehr Eigenverantwortung bis zu einem bestimmten Prozentsatz des Einkommens würde man auf Bagatellausgaben verzichten, die heute nachgefragt würden, weil

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sie versichert sind. Die Grundversicherung (OPK) soll nur in Ergänzung zu persönlicher Verantwortung und privater Initiative wirken. Nicht im Modell berücksichtig ist allerdings der Umgang mit Kassenwechseln. Holland: Kassen zahlen nur ein Medikament pro Wirkstoffgruppe

Nach der Nabelschau der Ausblick: Wie macht es Holland? Ein Hauptunterschied zur Schweiz besteht darin, dass die Kassen nur ein Medikament einer Wirkstoffgruppe bezahlen müssen. Sie sind frei, dieses zu wählen und mit dem Hersteller zu verhandeln. Seit diese Regelung in Kraft ist, sind die Preise der Generika um 60 Prozent gesunken. Ein anderer, wichtiger Unterschied: Im Gremium, das über die Aufnahme in den Leistungskatalog entscheidet, sitzen keine Interessensvertreter. «It’s a shame, dieser Bundesrat»

Lösungen findet man im Ausland

Urs. P. Gasche, Gesundheitsökonom, warnt vor dem Tunnelblick «aufs Hüttli Schweiz». Der Blick über die Grenzen in den Norden sei wichtig: «Schweden und Norweger sind gleich gesund wie wir, doch es kostet weniger. Ein

anderes Beispiel: Ein Romand kostet 25 Prozent mehr als ein Ostschweizer. Diese Phänomene muss man untersuchen und dann handeln.» Als kostentreibend beurteilt er zusätzlich die Tatsache, dass Patienten direkt zum Spezialisten gehen könnten. Den Ruhepool im eifrigen Schlagabtausch bildet Niklaus Brantschen, Gründer und Projektleiter des LasalleInstituts: «Macht das Kranksein nicht kaputt!» forderte er die Runde auf. Eine Krankheit soll ausheilen können. «Dass es uns nicht mehr erlaubt ist, aus dem Arbeitsprozess auszusteigen, ist ein gesellschaftliches Problem.» silvia schütz

Die Medienmitteilung, die Präsentationen der Referenten sowie Bilder der Tagung des Verbandes der kleinen und mittleren Krankenversicherer (RVK) befinden sich im Internet unter www.rvk.ch.

Fotos: Silvia Schütz

Beat Kappeler, Kommentator NZZ am Sonntag, hat klare Erwartungen an Bern und demonstriert, dass in der

Expertenrunde Klartext geredet wird «Ich erwarte von Beamten ‹Militanz› und klare Schritte zur Kostendämpfung.» Ausgerechnet die Behörde, die durch Verordnungen den Grundkatalog bestimmen und Kostenreduktionen durchsetzen könnte, habe keinen Mut. «It’s a shame, dieser Bundesrat», so Kappeler. Auch die Leistungserbringer kriegen ihr Fett ab: «Wolkige Apelle an die Gemeinschaft bringen nichts. Es zählen immer die Interessen der Leistungserbringer. Die Bevölkerung hat den Leistungskatalog gar nicht gelesen. Wenn die wüssten, was da drinsteht...» Trotzdem erachtet Kappeler professionelles Wissen und das moralische Verhalten der Ärzte als wichtiger als ziselierte Gesetze.

Beat Kappeler in Fahrt: «Ich erwarte von Beamten Militanz und klare Schritte zur Kostendämpfung.»

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Wie Sie die WM gesund überleben Fussballspielen verbrennt mehr Fett und baut mehr Muskeln auf als Joggen. So lautet das Ergebnis einer dänischen Untersuchung aus dem Jahr 2007. Ganz anders sieht es für Fans aus, die jetzt bei der WM vor dem Bildschirm mit ihrem Team mitfiebern: Sie stehen enorm unter Stress. Ausserdem schlagen sich die tägliche Flasche Bier, die Tüte Chips und der Cervelat direkt mit drei bis vier Kilo auf Bauch und Waage nieder. Zur Überernährung gesellt sich dann auch noch Bewegungsmangel, denn Fussball-Couchpotatoes kommen lediglich dann in den aufrechten Gang, wenn Sie während einer Spielpause Nachschub aus dem Kühlschrank holen. Ernährungsmedizinisch ist die Fussball-WM für sitzende Fastfood- und Bierliebhaber eine Katastrophe. Dem kann abgeholfen werden: Um einer Gewichtszunahme vorzubeugen und den Stoffwechsel nicht zu belasten, sind Gemüse oder Obst als Fingerfood und Salate ideal. Nach einer Untersuchung britischer Ärzte erhöht das Zuschauen bei einem Elfmeterschiessen in einer Fussball-TV-Übertragung das Risiko für einen Herzinfarkt. Auch hier helfen einfache Gegenmassnahmen: • Reden Sie sich gut zu, denn positive Selbstgespräche wirken aufbauend und entstressen. • Lassen Sie Dampf ab. Beispielsweise, indem Sie mit der Faust auf den Tisch schlagen. (Bitte zuerst Biergläser wegräumen) • Lenken Sie sich gezielt mit anderen Aktivitäten ab, auf die sie sich kurzfristig konzentrieren – vielleicht hilft auch der definitive Kanalwechsel, falls die Schweizer Nati zum Penaltyschiessen antraben muss.

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EU forciert die Erforschung von Alzheimer & Co. Führende Forscher aus allen Ländern Europas haben sich in Stockholm getroffen, um eine europaweite Forschungsstrategie für neurodegenerative Erkrankungen wie Alzheimer und Parkinson zu entwickeln. Neurodegenerative Erkrankungen sind stark altersbedingt und Europas Bevölkerung altert schnell. 2006 kostete die Behandlung dieser Erkrankungen die europäischen Gesundheitseinrichtungen Schätzungen zufolge etwa 72 Mrd. Euro. (aim) Mehr dazu: http://www.neurodegenerationresearch.eu/news/

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Aus aller Welt Neue Programme für die Krebsforschung in der EU Die Europäische Kommission hat Finanzmittel in Höhe von 21 Millionen Euro für zwei neue Projekte im Bereich der Krebsforschung gebunden. Erforscht werden sollen die bei zahlreichen Krebsformen erfolgenden Veränderungen des menschlichen Genoms – die Gesamtheit der Erbinformationen und Gene unseres Organismus. Der Krebs hat 2007 weltweit 7,5 Millionen Opfer gefordert. (aim)

Gute Familien-Beziehungen, weniger Alkoholkonsum Über 200 Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler aus nahezu 30 Ländern haben sich kürzlich in Lausanne ausgetauscht. Die Tagung der Kettil Bruun Society (KBS) ist eine der weltweit grössten, die sich der Erforschung alkoholbezogener Probleme widmet. Im Fokus stehen dabei die Entstehung, die Verbreitung, die sozialen Folgen sowie die Prävention und Behandlung von Alkoholismus. Ein Forschungsbeitrag aus der Schweiz beleuchtete den Alkoholkonsum Jugendlicher. Béat Windlin hat untersucht, wie gemeinsame Familienaktivitäten mit dem Konsumverhalten 13bis 16-Jähriger in Zusammenhang stehen. Die Analyse der repräsentativen Schülerinnen- und Schülerstudie von 2006 zeigt: Weniger die Häufigkeit, sondern vielmehr die Qualität der Aktivitäten mit der Familie steht mit einem geringen Ausmass an Problemverhalten in Zusammenhang. Jugendliche, die solche Aktivitäten kaum erleben, neigen dazu, häufiger zu rauchen, Alkohol zu trinken oder zu kiffen. Dies gilt für beide Geschlechter und alle Altersgruppen. Eine weitere Präsentation hatte neue Technologien in der Alkoholforschung zum Thema. Vielversprechend ist der Einsatz des Handys, über das junge Erwachsene online einen Fragebogen zu ihrem Alkoholkonsum möglichst schnell nach dem Trinken ausfüllen können. Emmanuel Kuntsche von Sucht Info Schweiz beschäftigte sich mit der Frage, wie der Mobilfunkstandard UMTS, Universal Mobile Telecommunications System, zu Forschungszwecken eingesetzt werden kann. (red)

EU investiert 500 Millionen in neue Technologien Die Technologien sollen es etwa ermöglichen, intelligente künstliche Hände für Handamputierte zu entwickeln. Sie geben Forschern auch Instrumente in die Hand, damit diese erkennen können, wie unser Gehirn beim Lernprozess reagiert. Das sind nur zwei von mehreren Beispielen für die europäische Forschungsarbeit auf dem Gebiet der neuen und aufkommenden Informations- und Kommunikationstechnologien (IKT). Europa nimmt eine führende Stellung ein, indem es 500 Millionen Euro in die Forschung zur Untersuchung von risikoreichen zukünftigen Informations- und Kommunikationstechnologien investiert. (aim) Foto: Prisma

Altersheim-Bewohner: 25 Prozent sind auf Psychopharmaka Diese Zahl wurde laut British Medical Journal (BMJ) in einem Bericht über Suchtverhalten der Deutschen Hauptstelle für Suchtfragen e.V. (DHS) veröffentlicht. Die DHS empfiehlt Altenpflegern, «nichtmedikamentöse Interventionskonzepte» zu entwickeln, um der Versuchung zu widerstehen, Probleme älterer Menschen nur mit Hilfe von Medikamenten zu lösen. (aim)

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Der Schweizerische Versicherungsverband SVV ist die Dachorganisation der privaten Versicherungswirtschaft, der ßber 70 grosse und kleine, national und international tätige Erst- und Rßckversicherer angeschlossen sind. Im Zuge einer Nachfolgeregelung sucht die Geschäftsstelle in Zßrich eine/n

Fachspezialistin/en Kranken- und Unfallversicherung – teamorientiert, kompetent, eigenständig – Aufgabe und Verantwortung Als Interessensvertreter beobachten und analysieren Sie die Entwicklung im Bereich der Kranken- und Unfallversicherung und erarbeiten zusammen mit den relevanten Projekt- und Arbeitsgruppen Stellungnahmen in Vernehmlassungsverfahren, Grundlagen- und Positionspapiere. Sie pflegen regelmässige Kontakte zu Dach-, Partnerverbänden und AufsichtsbehĂśrden und nehmen im Sinne einer zukunftsorientierten Weiterentwicklung der Kranken- und Unfallversicherung Einfluss auf die politische Diskussion. Im Weiteren stellen Sie die Umsetzung der erarbeiteten Schwerpunkte sicher und sind fĂźr die Informationen und Dokumentationen an die Mitgliedgesellschaften zuständig. Anforderungen • Hochschulabschluss (Uni/FH) oder gleichwertige Aus- und Weiterbildung • Fundierte Kenntnisse im Bereich der Kranken- und Unfallversicherung und mehrjährige Tätigkeit bei einem Krankenversicherer. • Souveräne VerhandlungsfĂźhrung und hohe Kommunikationskompetenz • Unternehmerisch denkende und handelnde PersĂśnlichkeit • Analytische und konzeptionelle Fähigkeiten • Hervorragendes mĂźndliches und schriftliches AusdrucksvermĂśgen Wir bieten eine interessante und vielfältige Aufgabe, sehr gute Anstellungsbedingungen in einem teamorientierten und modernen Umfeld. Haben wir Ihr Interesse geweckt? Dann freuen wir uns auf Ihre Bewerbungsunterlagen an folgende Adresse: [m.a.g.] management consulting Micheline Aebersold-Golay Gotthardstrasse 21 8002 ZĂźrich

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