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Comeback der vergessenen Reformen

Das Magazin der Schweizer Krankenversicherer


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Wirkstoffverschreibung feiert ihr politisches Comeback

Risiko- und altersabhängige Prämien: Untergrabung des Solidaritätsprinzips?

Die monistische Spitalfinanzierung ist noch nicht vom Tisch

Inhalt Im Fokus 4 Wirkstoffverschreibung feiert ihr politisches Comeback 6 Überarbeitung des Leistungskatalogs: Zu Recht ein Tabu? 8 Risiko- und altersabhängige Prämien: Untergrabung des Solidaritätsprinzips? 10 Gesundheitsökonom Gerhard Kocher: «Das Grundübel im Gesundheitswesen ist das kurzfristige Denken» 12 Die monistische Spitalfinanzierung ist noch nicht vom Tisch 13 Vier Fragen an: Urs Meister, Projektleiter bei Avenir Suisse Krankenversicherung 14 Informationsoffensive: Warum die Prämien steigen 15 Grafik des Monats September: So setzt sich der Apotheker-Tarif LOA kostenmässig zusammen 16 Im Gespräch: Margareta Streiff, Geschäftsführerin der Krankenkasse Elm 18 Neue Pflegefinanzierung kommt 2010 – doch den Kantonen ist das zu früh Gesundheitswesen 20 Buchtipp: Licht und Schatten des medizinischen Fortschritts 22 Buchtipp: Ethik und Verantwortung im politischen Diskurs 23 Neue kaufmännische Grundausbildung: 93 Prozent aller Lernenden erfolgreich 24 Bild des Monats: Suche nach Antworten im Permafrost 25 Ihre Meinung 26 Klipp&klar: Änderungen der Krankenpflege-Leistungsverordnung (KLV) per 1. Juli 2009 Service 28 Das BAG informiert über die Folgen der Hitze 28 News aus aller Welt 29 Veranstaltungen 29 Mr Raoul 30 Medizinische Telefonberatung: Kein gesundheitliches Risiko 30 Impfstatus überprüfen in 480 Schweizer Apotheken

Nr. 7, september 2009. Erscheint zehnmal jährlich Abonnementspreis Fr. 69.− pro Jahr, Einzelnummer Fr. 10.− Herausgeber und Administration santésuisse, Die Schweizer Krankenversicherer, Römerstrasse 20, Postfach, 4502 Solothurn Verantwortliche Redaktion Peter Kraft, Abteilung Politik und Kommunikation, Postfach, 4502 Solothurn, Tel. 032 625 42 71, Fax 032 625 41 51, E-Mail: redaktion@santesuisse.ch Herstellung: Rub Graf-Lehmann, Murtenstrasse 40, 3001 Bern Gestaltungskonzept: Pomcany’s Layout: Henriette Lux Anzeigenverwaltung: Alle Inserate − auch Stelleninserate − sind zu richten an: «infosantésuisse», Römerstrasse 20, Postfach, 4502 Solothurn E-Mail: redaktion@santesuisse.ch Abonnementsverwaltung Tel. 032 625 42 74, Fax 032 625 41 51 Homepage: www.santesuisse.ch Titelbild: Heiner Grieder, Langenbruck (BL) ISSN 1660-7228


Kantone müssen Hausaufgaben erledigen Mit der Teilrevision des KVG im Bereich Spitalfinanzierung wurden leistungsbezogene Fallpauschalen und die finanzielle Gleichbehandlung aller Listenspitäler im Gesetz verankert. Die Vertragsfreiheit zwischen den Spitälern und den Krankenversicherungen steht politisch leider immer noch nicht zur Diskussion. Zumindest müssen die Kantone nun ihre Spitallisten bereinigen. Ein harter Brocken für die Gesundheitsdirektoren, die im politischen Gegenwind stehen, da nicht alle Spitäler diese Bereinigung überleben werden. Die Spitallandschaft in der Schweiz wird sich grundlegend verändern. Wir verlangen, dass die Kantone die ab 2012 gültigen Spitallisten nach objektiven Kriterien erstellen und die öffentlichen nicht gegenüber den privaten Leistungserbringern bevorzugen. Es darf nicht dem Zufall überlassen werden, wie die Spitallandschaft aussehen wird. Zur Planung des künftigen Angebots sollen die Kantone mit den Krankenversicherungen zusammenarbeiten. Beide haben die gleichen Interessen. Zu berücksichtigen ist dabei nicht nur der stationäre Bereich, sondern die regionale bedarfsgerechte Versorgung der Bevölkerung als Ganzes – also auch die ambulante Grund- und Notfallversorgung, Alters- und Pflegeheime oder medizinisch-technische Geräte. Die Versorgung der Bevölkerung in sämtlichen Gebieten der Schweiz ist eine grosse Herausforderung. Strikt zu vermeiden ist eine zusätzliche Belastung der Prämienzahlenden zugunsten der Steuerzahler. Die Kantone könnten versucht sein, auf ihren Spitallisten weniger Institutionen als benötigt zu führen und so ihre Budgets zu entlasten. Faktisch werden damit die Krankenversicherungen gezwungen, mit den anderen Spitälern Verträge über die Vergütung von Leistungen aus der Grundversicherung abzuschliessen und diese zusätzlich zu belasten. Sollten einzelne Kantone mit der neuen Spitalfinanzierung weniger Mittel aufwenden müssen als bisher, so müssen die Einsparungen zumindest via individuelle Prämienverbilligungen im System bleiben, um damit die Solidarität zwischen Arm und Reich zu stärken. Damit die Einführung der leistungsabhängigen Fallpauschalen, der sogenannten DRGs, ab 2012 nicht zu einem Kostenschub führt, werden die Krankenversicherungen ihre gesetzliche Kernaufgabe, die Leistungskontrolle, wahrnehmen. Auch in diesem Bereich sitzen die Krankenkassen und die Kantone im gleichen Boot, da Letztere mehr als die Hälfte der Kosten zu tragen haben.

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Peter Fischer Verwaltungsrat santésuisse


Nur das jeweils preisgünstigste Medikament kassenpflichtig

Wirkstoffverschreibung feiert ihr politisches Comeback

Die Diskussion um die Wirkstoffverschreibung ist nicht neu. Es war Bundesrat Pascal Couchepin selber, der die Idee 2004 bei der Neulancierung der KVG-Revision erstmals ernsthaft ins Spiel brachte. Wenn mehrere Produkte gleich geeignet seien, müssten die Ärzte den Patienten ein «preisgünstiges Medikament» verschreiben. Sie sollten darüber hinaus die Möglichkeit erhalten, Rezepte für Wirkstoffe statt für bestimmte Medikamente auszustellen. Die Apotheker wären in diesem Fall verpflichtet gewesen, ein «geeignetes preisgünstiges Arzneimittel» abzugeben. Der Vorschlag Couchepins hatte einen schweren Stand: Pharma-Industrie und Leistungserbringer wehrten sich vehement, obwohl diese Regelung nichts als die logische Umsetzung der KVG-Philosophie «wirksam, zweckmässig und wirtschaftlich» ist. Den Krankenversicherern ging die Vorlage zu wenig weit. Sie störten sich an den Kann-Formulierungen des Gesetzesentwurfes. Trotz der guten Idee dahinter biete er nicht genügend Anreize, dass wirklich die günstigsten Medikamente verschrieben würden. Die Idee Couchepins scheiterte bereits in den Kommissionen – was angesichts des breiten Widerstands nicht sehr erstaunt.

bei Ärzten und Pflegepersonal zu Verwechslungen führen», heisst es im Bayerischen Ärzteblatt. Solche Verwechslungen könnten dazu führen, dass nicht nur die falsche Marke, sondern auch ein gänzlich falsches Medikament mit einer anderen Wirkung verabreicht werde. «Einige Krankenhäuser sind deshalb bereits zur Wirkstoffverschreibung übergegangen, um die Fehlerrate durch Verwechslungen zu senken.» Die Kassenärztliche Bundesvereinigung geht inzwischen sogar noch weiter: Die Ärzte sollen in Zukunft nur noch Wirkstoffe verschreiben. Fritz Becker, der Vorsitzende des Deutschen Apothekerverbandes, unterstützt dies: «Wirtschaftliche Verordnung und erfolgreiche Therapie müssen keine Gegensätze sein, sondern können kombiniert werden. Auf diesen Weg müssen wir uns gemeinsam mit Ärzten und Kassen begeben.» Sein Amtskollege Heinrich Burggasser vom Österreichischen Apothekerverband fordert von seiner Regierung ebenfalls die Wirkstoffverschreibung. Schweizer Apothekerverband: Ja, aber

Wie stellen sich die Leistungserbringer in der Schweiz zu der Frage? Der Schweizerische Apothekerverband befürwortet die Wirkstoffverschreibung aus Sicht der Patientensicherheit. Allerdings ist er skeptisch gegenüber der strikten Vergütung des günstigsten Produktes: «Der Preisdruck führt zu einem Verdrängungswettbewerb, den nur internationale Konzerne überstehen», meint Generalsekretär Marcel Mesnil. «Die verbleibenden Hersteller diktieren dann künftig die Preise.» Aus-

Foto: Keystone

Die Wirkstoffverschreibung ist eine jener Reformen, die zu Beginn Teil der KVG-Revision war, dann aber vergessen ging. Nun gewinnt sie wieder an Boden und feiert ihr Comeback in der politischen Diskussion. Sie ist ein klassisches Beispiel dafür, dass Kosteneinsparungen ohne Qualitätsverlust möglich sind. Voraussetzung ist jedoch, dass die dazugehörige Verordnung gut durchdacht ist.

Im Ausland längst Realität

Seither ist es in der Schweiz relativ ruhig um das Thema geworden. Anders ist das – unter anderem – in Deutschland. Seit April 2007 zahlen die Krankenkassen dort nicht mehr jedes Medikament. Sie können mit den Arzneimittelfirmen ­Rabatte aushandeln und so die Preise senken. Die Ärzte sind angehalten, bei Medikamenten mit Generika-Konkurrenz nur noch eines der drei günstigsten Produkte zu verschreiben – oder eines, für das die Kasse des Patienten einen RabattVertrag ausgehandelt hat. Tut er das nicht, riskiert er Rückforderungen der Krankenkasse. Deshalb setzen die meisten Ärzte in Deutschland auf die Wirkstoffverschreibung: Sie stellen den Patienten ein Rezept mit dem Wirkstoff aus, den sie benötigen. Der Apotheker ist dann verpflichtet, eines der drei günstigsten Produkte abzugeben. Wenn der Patient auf einem anderen Präparat besteht, muss er die Differenz selber bezahlen. Die deutschen Leistungserbringer nehmen die Wirkstoffverschreibung sehr viel positiver auf als ihre Schweizer Kollegen. Leistungserbringer machen gute Erfahrungen

Die Kassenärztliche Vereinigung Bayern zum Beispiel empfiehlt ihren Mitgliedern die Wirkstoffverschreibung – und das nicht nur aus praktischen oder ökonomischen Überlegungen: «Die Vielzahl von Präparaten für denselben Wirkstoff kann

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serdem sei in der ersten Phase damit zu rechnen, dass immer wieder ein anderes Generikum gerade das preisgünstigste sei. «Der Dauerwechsel der Medikamente ist für die Patienten unzumutbar und gefährlich». Ausserdem fürchtet Mesnil für die Apotheken ein «unzumutbares Lagerrisiko». Trotzdem betont der Apothekerverband, dass eine «gut durchdachte Wirkstoffverschreibung ein Schritt in die richtige Richtung» sei. Falsche Anreize ausschalten

Artikel 34 KVG schreibt fest: «Ein Arzneimittel gilt als wirtschaftlich, wenn es die indizierte Heilwirkung mit möglichst geringem finanziellem Aufwand gewährleistet.» Und: «Für die Beurteilung der Wirtschaftlichkeit eines Arzneimittels werden [unter anderem] dessen Wirksamkeit im Verhältnis zu anderen Arzneimitteln gleicher Indikation oder ähnlicher Wirkungsweise [sowie] dessen Kosten pro Tag oder Kur im Verhältnis zu den Kosten von Arzneimitteln gleicher Indikation oder ähnlicher Wirkungsweise berücksichtigt.» Damit hat die Wirkstoffverschreibung eine klare gesetzliche Grundlage. Indes ist auch für santésuisse klar, dass eine Wirkstoffverschreibung keine unerwünschten, falschen Anreize setzen darf. Dass chronisch kranke Patienten ständig neue Medikamente erhalten, weil ein anderes gerade das günstigste ist, ist jedoch eine unbegründete Befürchtung. Das lässt sich recht einfach verhindern – etwa, indem die vom Bundesamt für Gesundheit BAG verfügten Preise für eine bestimmte Dauer gelten. Eine andere oder ergänzende Möglichkeit ist, wenn

Die Kassen­beiträge für patentabgelaufene Medikamente sollen sich in Zukunft nach den günstigsten Generika richten.

die Krankenversicherer nicht einfach das günstigste Präparat, sondern Generika in einer gewissen Preisbandbreite vergüten würden. Vor allem aber haben die Ärzte auch im Rahmen eines Festbetragssystems die Möglichkeit, ihren Patienten in begründeten Fällen ein ganz bestimmtes Produkt ungeachtet des entsprechenden Festbetrags zu verschreiben, das die Krankenversicherung auch übernimmt. Ein Vorschlag der Parlamentarier-Gruppe um Otto Ineichen geht in diese Richtung. Sie möchte, dass die Grundversicherung für ein Medikament höchstens zehn Prozent mehr bezahlt als für das günstigste Arzneimittel mit demselben Wirkstoff. Damit wäre die nötige Flexibilität gewährleistet. Denkbar ist auch, dass die Versicherer mit den Medikamenten-Herstellern Rabattverträge mit einer gewissen Mindestlaufzeit abschliessen. Diese Variante hätte einen zusätzlichen Vorteil: Die relativ starre staatliche Preisfestsetzung bekommt ein zusätzliches Wettbewerbselement für eine faire Preisbildung. Tiefere Preise – und die Wahlfreiheit bleibt

Eine weitere denkbare Alternative wäre ein Höchstbetragsystem, kombiniert mit einem differenzierten Selbstbehalt. Und so würde es funktionieren: Das Bundesamt für Gesundheit setzt für jeden Wirkstoff einen Höchstbetrag fest, und zwar auf Basis eines Auslandpreisvergleichs. Normalerweise gilt ein Selbstbehalt von 20 Prozent. Doch haben Pharmafirmen die Möglichkeit, die Preise ihrer Produkte wesentlich unter den Höchstbetrag zu senken und damit einen tieferen Selbstbehalt von zehn Prozent zu erreichen. Dieser gilt für ein Jahr – danach wird die Situation neu überprüft. Zu klären bliebe, wie stark die Preise unter dem Höchstbetrag liegen müssen, damit ein Medikament einen tieferen Selbstbehalt bekommt – oder ob allenfalls nur das günstigste Arzneimittel davon profitiert. Parallel dazu sind Verhandlungen mit einzelnen Krankenversicherern möglich, damit auch Anbieter, welche dem BAG zu hoch offeriert haben, tiefere Selbstbehalte erreichen können. Das hat den Vorteil, dass mehrere Anbieter mit tiefen Selbstbehalten miteinander konkurrieren. Es wird also kein Monopol eines einzigen Präparats geben. Die Patientinnen und Patienten profitieren von der weiterhin gegebenen Wahlfreiheit – und gleichzeitig von tieferen Medikamentenpreisen. Das Parlament hat nun die Möglichkeit, im Herbst der lange vergessenen Wirkstoffverschreibung zum Durchbruch zu verhelfen – einem Konzept, das sich im Ausland längst bewährt hat. Wenn es die Reform in einer durchdachten Variante beschliesst, winkt ein Sparpotenzial von 160 Millionen Franken – ohne jeden Qualitätsverlust. Damit sich das Parlament nicht in einem Variantenstreit verliert und am Schluss alle Anträge ablehnt, ist es wichtig, dass im KVG nur der Grundsatz verankert wird: Das BAG verfügt nach der WZW-Logik Höchstpreise für Wirkstoffe. Die Details können auf Verordnungsstufe geregelt werden. peter kraft


Unpopulär – aber wohl eine Notwendigekit

Überarbeitung des Leistungskatalogs: Zu Recht ein Tabu? Alle Umfragen bestätigen es: Die Bevölkerung will den Leistungskatalog der Grundversicherung nicht kürzen. Trotzdem schlagen Politiker und Experten genau das gelegentlich vor – um so die Gesundheitskosen zu senken und die Eigenverantwortung zu fördern. Ist eine Leistung nicht wirtschaftlich, zweckmässig, wirksam, soll sie aus dem Leistungskatalog fallen. So sähe es auch das Gesetz vor. Weil die Forderung aber unpopulär ist, führt sie weiterhin ein politisches Schattendasein.

nur moralisch verwerflich, sondern verfassungswidrig wäre. Auch die Krankenversicherer sind gegen jede Art von Rationierung. Sie kämpfen aber für eine echte Rationalisierung, die Doppelspurigkeiten beseitigt und mit der Verbreitung der Managed Care eine bessere Versorgung gewährleistet. Dazu braucht es die strikte Anwendung der WZW-Kriterien und einen gesunden Wettbewerb zwischen den Leistungserbringern, bei dem Qualität vor Quantität steht. Unbegründete Befürchtungen

Als Vizedirektor des Bundesamts für Gesundheit (BAG) im Bereich Kranken- und Unfallversicherung machte sich Hans Heinrich Brunner in den Jahren 2004 und 2005 daran, die Leistungen der Grundversicherung zu beschränken. Seiner Ansicht nach war das nötig, um die Kostenexplosion einzudämmen und die Bevölkerung zum Nachdenken anzuregen. Die möglichen Einsparungen hätten sich auf mehrere hundert Millionen Franken belaufen. Brunner wollte jene Leistungen streichen, die im Vergleich zu ihrem Nutzen zu viel kosteten und die der Patient selber hätte bezahlen können. Als ehemaliger FMH-Präsident ist er der Meinung, dass man es den Leuten nicht nachsehen kann, wenn sie wegen jeder Kleinigkeit zum Arzt rennen. Sie seien ja schliesslich von den Ärzten so erzogen worden. Damit schneidet Hans Heinrich Brunner die Auswirkung des Leistungsvolumens auf die Kostensteigerung an. Um die Kosten in den Griff zu bekommen, müssen seiner Meinung nach die folgenden drei Faktoren berücksichtigt werden: Menge, Preis und Anzahl der zu übernehmenden Leistungen. Rationalisieren statt radikal durchgreifen

Avenir Suisse äusserte 2005 einen ähnlichen, aber weiter gehenden Vorschlag, der lautstarke Kritik hervorrief. Sie regten an, den Leistungskatalog nach Alter* der Versicherten zu differenzieren. Die Krankenversicherung, so die Autoren, sollte bestimmte Leistungen für Hochbetagte nicht mehr übernehmen. Ähnliches geschieht beispielsweise in England, wo die Kosten für Dialysen bei über 65-Jährigen nicht mehr in allen Fällen gedeckt sind. Dies kommt laut Avenir Suisse einer altersabhängigen Pflegerationalisierung gleich. Die Gegner sehen in dieser Massnahme aber eine Pflegerationierung und damit die Grundsätze von Gleichheit und Solidarität des KVG in Gefahr. Die Schweizerische Akademie der Medizinischen Wissenschaften betont, dass «eine Rationierung, die sich auf ein Kriterium wie Herkunft, Rasse, Geschlecht, Alter, Sprache, soziale Stellung, Lebensform, religiöse, weltanschauliche oder politische Überzeugung oder körperliche, geistige oder psychische Behinderung stützen würde», nicht

Der Leistungskatalog gilt als sozialer Fortschritt und soll die KVG-Grundsätze von Gleichheit, sozialer Gerechtigkeit und Solidarität festigen. Deshalb rufen Vorschläge zur Beschränkung des Leistungskatalogs immer heftige Kritik hervor. Man befürchtet eine Zweiklassenmedizin, die «Privatisierung» der Gesundheit und eine Erweiterung des Tätigkeitsbereichs der Zusatzversicherungen. Diese unterstehen dem Versicherungsvertragsgesetz (VVG) und sind damit anders als die Grundversicherung reglementiert. So können Versicherer beispielsweise Personen ablehnen, und die Verträge der einzelnen Versicherer unterscheiden sich voneinander. Andere wiederum erachten die Beschränkung des Leistungskatalogs als unnütz und finden, eher solle die Mengen gesenkt werden. Doch wenn Reformen zur Kostensenkung wirken sollen, dann muss nach der Ansicht von Experten auch der Preis und die Anzahl der übernommenen Leistungen mit einbezogen werden (siehe infosantésuisse 6/09, S. 6/7). Die Gegner einer Überarbeitung des Leistungskatalogs gehen einfach davon aus, dass dieser nach Gutdünken zu Gunsten der Versicherer gestutzt werde. Sie vergessen, dass die meisten Reformer nur Leistungen streichen möchten, deren Wirksamkeit nicht erwiesen ist oder die ein fragwürdiges Kosten-Nutzenverhältnis aufweisen. Es bleibt zu betonen, dass nicht die Versicherer über den Katalog entscheiden, sondern allein das Eidgenössische Departement des Innern (EDI) via BAG auf der Basis der drei WZW-Kriterien. Politik will bessere Bestimmung und Kontrolle der medizinischen Leistungen

Der Leistungskatalog wird vom EDI zwar regelmässig auf die Übereinstimmung mit den WZW-Kriterien geprüft (siehe infosantésuisse 6/09, S. 8/9). Das Verfahren könnte allerdings effizienter sein. In diesem Zusammenhang hat die Geschäftsprüfungskommission des Nationalrats (GPK-NR) dem Bundesrat Empfehlungen unterbreitet, wie er die Bestimmung und Kontrollen der medizinischen Leistungen in der OKP verbessern könnte. Die Empfehlungen betreffen vor allem die Früherkennung von Leistungen mit «Beobachtungspotenzial», eine bessere Abklärung und mehr Transparenz bei den Verfahren. Dazu sollen vermehrt externe Fachpersonen beigezogen werden. Schliesslich geht es darum, ein qualitativ hoch stehendes, nachhaltiges, finanzierbares und für alle zugängliches Gesundheitssystem zu erhalten. Doch dazu braucht es rasch Lösungen.

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Foto: Prisma

Der Leistungs­ katalog unter der Lupe: Was nicht wirksam, zweckmässig und wirtschaftlich ist, soll wegfallen. So will es die Geschäftsprüfungskommission des Nationalrates.

Was soll die Krankenversicherung übernehmen?

Die Versicherten werden die Kosten für einen erweiterten oder auch nur gleich bleibenden Leistungskatalog zu tragen haben. Vor allem unumgängliche Faktoren, wie die Überalterung der Bevölkerung und der medizinische Fortschritt, werden das Leistungsvolumen und damit die Kosten weiter ansteigen lassen. Früher oder später sind Konzessionen zur Stabilisierung der Kosten unabwendbar, um die Bevölkerung nicht zu stark zu belasten. Im Zusammenhang mit der Beschränkung des Leistungskatalogs sind vertiefte Überlegungen dazu nötig, was im Rahmen der OKP abgedeckt

werden soll und was lediglich wünschenswert ist. Selbstverständlich sollen durch Krankheit, Mutterschaft oder Unfälle keine finanziellen Engpässe entstehen. Ob die Grundversicherung auch die Kosten für harmlose Leiden übernehmen soll, wird in Zukunft eine entscheidende Frage sein. maud hilaire schenker

* Steinmann, Lukas und Telser, Harry, Gesundheitskosten in der alternden Gesellschaft, Avenir-Suisse, 2005

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Die Solidarität zwischen den Generationen muss erhalten bleiben. Die Umverteilung der Mittel wäre aber effizienter als bisher möglich.

Politisch heikel – doch mit dem Potenzial, gewichtige Fehlanreize zu korrigieren

Risiko- und altersabhängige Prämien: Untergrabung des Solidaritätsprinzips? Die moderne Medizin lässt uns gesünder und länger leben, aber sie kostet auch immer mehr. Mit der längeren Lebenserwartung ergeben sich neue Familienstrukturen: Eine Familie erstreckt sich über vier Generationen, wovon sich jeweils zwei in Rente befinden. Dies könnte sich negativ auf die Solidarität zwischen den Generationen auswirken. Es braucht darum rasch innovative Lösungen, ohne dabei den in der Schweiz hoch gehaltenen Solidaritätsgrundsatz zu verletzen. Sind risiko- und altersabhängige Krankenversicherungsprämien ein geeigneter Lösungsansatz?

Aktuell fallen die Krankenversicherungsprämien pro Kopf an. Sie sind für alle über 26-Jährigen gleich, und zwar unabhängig vom Gesundheitszustand. Im Schnitt verursachen ältere Personen aber höhere Gesundheitskosten als jüngere. So kosten 26- bis 40-Jährige durchschnittlich zwischen 126 und 153 Franken pro Monat (Bruttobetrag inklusive Kostenbeteiligung). 66- bis 80-Jährige schlagen mit 436 bis 658 Franken zu Buche1. Die Kopfprämien beruhen auf der Solidarität zwischen Jung und Alt, aber auch zwischen Gesunden und Kranken. Parallel dazu besteht durch die Mitfinanzierung des Gesundheitssystems durch Steuern auch eine Solidarität zwischen Arm und Reich. Im Durchschnitt ist die ältere Generation finanziell besser gestellt als die jüngere Generation, welche hauptsächlich von der Prämienverbilligung profitiert. Damit die Solidarität und der Wettbewerb zwischen den Versicherern funktioniert, gibt es für die Umverteilung zwischen den Generationen zwei ausgleichende Instrumente: Eben die Prämienverbilligung und den Risikoausgleich. 4,7 Milliarden wandern zwischen den Generationen

Der Risikoausgleich definiert sich folgendermassen (Art. 105 KVG): «Versicherer, die unter ihren Versicherten weniger Frauen und ältere Personen haben als der Durchschnitt aller Versicherer, müssen der Gemeinsamen Einrichtung (Art. 18)

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zugunsten von Versicherern mit überdurchschnittlich vielen Frauen und älteren Personen Abgaben entrichten, welche die durchschnittlichen Kostenunterschiede zwischen den massgebenden Risikogruppen in vollem Umfang ausgleichen.» Der Risikoausgleich ist also ein Umverteilungsinstrument, das sich wesentlich auf das Alter der Versicherten stützt. 2007 betrug der Risikoausgleich netto 5,32 Milliarden Franken – wovon ein Teil auf die Verteilung der Geschlechter bei den einzelnen Versicherern zurückzuführen ist2. Gleichzeitig gewähren die Kantone «den Versicherten in bescheidenen wirtschaftlichen Verhältnissen Prämienverbilligungen. […] Für untere und mittlere Einkommen verbilligen die Kantone die Prämien von Kindern und jungen Erwachsenen in Ausbildung um mindestens 50 Prozent.» (Art. 65 KVG). Gemäss Statistik der obligatorischen Krankenversicherung 2007 kommen diese Beiträge vor allem Kindern und jungen Erwachsenen zugute. So macht die Gruppe der 0- bis 25-Jährigen 41,8 Prozent der Begünstigten aus, während ihr Anteil an der Bevölkerung bei lediglich 28,7 Prozent3 liegt. Die über 65-Jährigen machen 12,9 Prozent der Begünstigten und 16,4 Prozent der Gesamtbevölkerung aus. Der im Jahr 2007 vom Bund und Kantonen ausbezahlte Betrag an Prämienverbilligungen gemäss KVG belief sich auf 3,4 Milliarden Franken pro Jahr4. Das bedeutet, dass 2007 4,7 Milliarden Franken zwischen den Generationen geflossen sind. Das wirft die Frage nach einfacheren, nicht weniger gerechten Lösungen auf. Lösungsansätze: Prämie nach Alter und Prämie nach Risiken

Im September 2005 schlug Avenir Suisse vor, dass sich die älteren Personen an den Kosten stärker beteiligen sollen. Beispielsweise könnten die Krankenkassenprämien oder die individuellen Kostenbeteiligungen wie Franchise und Selbstbehalt je nach Alter unterschiedlich ausfallen. Versicherte in bescheidenen wirtschaftlichen Verhältnissen würden weiterhin unterstützt, um zu vermeiden, dass durch die zusätzlichen Abgaben Härtefälle entstehen. Werden die Prämien nach Alter festgelegt, würden die jungen «risikoarmen» Versicherten tiefere Prämien als im Augenblick bezahlen und erhielten deshalb auch weniger durch Steuern finanzierte Prämienverbilligungen. Natürlich würden in diesem Fall Personen im dritten und vierten Lebensabschnitt höhere Prämien bezahlen – dafür würde ihre Steuerbelastungen durch die reduzierten Prämienverbilligungen an Junge sinken. Anstatt die durch die Älteren verursachten Kosten immer mehr den Jungen aufzubürden und diese dann wieder mit Beiträgen zu entlasten, weil sie ihre Prämie nicht bezahlen können, könnte die Prämienverbilligung gezielter ausgerichtet werden – vor allem auf ältere Personen und Härtefälle. Laut Peter Zweifel werden durch das heutige System der Kopfprämie wohlhabende Versicherte, die ein erhebliches Risiko aufweisen, subventioniert. Würden die Krankenkassen aber für «ältere Personen» oder «schlechte Risiken» höhere

Prämien verlangen, würde der Anreiz für die Kassen zur Risikoselektion sinken – und damit auch die Beiträge für den Risikoausgleich. Für die konkrete Umsetzung sind verschiedene Varianten denkbar – beispielsweise nach Altersgruppe abgestufte Prämien oder höhere Prämien beim Erreichen von bestimmten Altersgrenzen. Wo bleibt die Solidarität?

Der Vorschlag von Avenir Suisse wurde sogleich als «altersfeindlich» betitelt: Er gefährde die Solidarität zwischen den Generationen. Dem lässt sich gegenüberstellen, dass die älteren Versicherten zwar mehr bezahlen müssten, aber immer noch nicht so viel, wie sie eigentlich verursachen. Es geht nicht darum, die Prämien der Ältesten zu verdoppeln. Da die Prämienverbilligung aufrecht erhalten bliebe, wäre auch die Solidarität zwischen Reich und Arm gewährleistet. In erster Linie würde der Risikoausgleich abgeschwächt, und die Prämienverbilligung käme vermehrt den Bedürftigsten zugute. Damit könnte der Mittelfluss zwischen den Generationen beträchtlich reduziert und das immer fragilere Gleichgewicht zwischen Generationen erhalten werden. Aktuell leistet sich das Gesundheitssystem eine Lasten-Umverteilung von der jungen zur älteren Generationen von etwa vier Milliarden Franken. Diese wird sich bis 2030 aufgrund der demografischen Alterung auf sechs Millionen Franken erhöhen. Die Anreize unseres Systems – etwa der für Pharma- und Medizinaltechnik-Industrie hochinteressante Altersmarkt oder die geringe Attraktivität von Managed Care für ältere Menschen – führen zu einer weiteren zusätzlichen Umverteilung von vier Milliarden Franken. Damit stiege der Betrag, den die Jungen für die ältere Generation zu berappen hätten, in 30 Jahren um 150 Prozent. Hinzu kommt: In einigen Jahren werden die über 55-Jährigen die politische Mehrheit bilden – und sie werden möglicherweise wenig Interesse an einer Reform des Gesundheitswesens haben. Als Mehrheit wären sie in der Lage, sich gegen Massnahmen zur Änderung des aktuellen Systems zu stellen. Reformen sind also jetzt nötig5. Eine spätere Korrektur dürfte mit grösseren Schwierigkeiten zu kämpfen haben, als es heute schon der Fall ist. maud hilaire schenker

Statistik der obligatorischen Krankenversicherung 2007 www.kvg.org 3 Berechnung auf Basis der Zahlen des BFS 4 Statistik der obligatorischen Krankenversicherung 2007 5 Avenir-Suisse, Gesundheitskosten in der alternden Gesellschaft, September 2005 1 2

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Im Gespräch: Dr. Gerhard Kocher, Gesundheitsökonom

«Das Grundübel im Gesundheitswesen ist das kurzfristige Denken» Der Gesundheitsökonom Gerhard Kocher nimmt kein Blatt vor den Mund: Er wirft Politik und Verbänden Konzeptlosigkeit vor. Ein Spitalumbau werde besser geplant als die Reform des Gesundheitswesens. Kocher fordert einen Ausbruch aus der Tagespolitik, um grundsätzliche Entscheide zu fällen. Auch vor heiklen Themen wie der Rationierung will er nicht Halt machen.

Wie stellen Sie sich ein solches Projektmanagement vor?

Der anstehende Prämiensprung hat die Gesundheitspolitik aus ihrer bisherigen Lethargie gerissen. Bundesrat und Parlamentarier überbieten sich nun mit Spar- und Reformvorschlägen. Gehen diese aus Ihrer Sicht in die richtige Richtung?

Es fällt auf, dass die nun diskutierten Sofortmassnahmen vor allem auf die Preise zielen und kaum auf die Menge. Ist so eine dauerhafte Kostendämpfung realistisch?

Zunächst: Die Grundversicherung macht nur einen Drittel der nationalen Gesundheitsausgaben aus. Die anderen Ausgaben – zum Beispiel die Zahnmedizin – sind kaum je ein Thema. Bei den Sparvorschlägen zu den Kassenprämien sind wir heute in der Je-Ka-Mi-Phase, Typus Hyperventilation, auch Willhelm-Busch-Reformstrategie genannt: Jeder legt noch schnell ein Ei. Aber mit blossen Sparvorschlägen können wir das Wachstum der Gesundheitskosten bestenfalls leicht dämpfen. Wo sind Vorschläge zu Zielen, Strukturen, Prozessen, Qualität, Finanzanreizen? Das sind die wesentlichen Faktoren im Gesundheitswesen und auch der Kostenentwicklung. Ich habe vor zwei Jahren alle herumgeisternden Sparvorschläge aufgelistet. Nach 160 musste ich aus Zeitgründen aufgeben. Aber um Ihre Frage zu beantworten: Immerhin ein Fünftel davon ging in die richtige Richtung. Wie durchdacht können die dringlichen Massnahmen in einem komplexen Feld wie der Gesundheitspolitik, in dem parallel viel tiefgreifendere Reformen wie etwa die Spitalfinanzierung umgesetzt werden, überhaupt sein?

Seit 25 Jahren klagen wir über die Kostenexplosion, und immer noch dominieren Hüft- und Schnellschüsse. Nur wenige der Reformvorschläge beruhen auf seriösen Abklärungen. Das Grundübel im Gesundheitswesen ist das kurzfristige Denken. Es gibt kaum mittel- und langfristige Konzepte, von expliziten Zielen ganz zu schweigen. Ausgeprägt ist dies bei der FMH, ungenügend aber auch bei GDK, H+ und santésuisse. Überall dominiert die Tagespolitik. Kaum jemand nimmt sich Zeit für Wichtigeres – vielleicht mit Ausnahme des BAG. Die Systemreform überfordert die Kommissionen für soziale Sicherheit und Gesundheit des National- und des Ständerats fachlich und zeitlich. Für diese Arbeit sind sie zudem falsch zusammengesetzt. Für wesentliche Reformen im Gesundheitssystem ist ein erstklassiges Projektmanagement notwendig, wie es für einen Alpentunnel oder einen Spitalumbau selbstverständlich ist.

Es gibt verschiedene Modelle. Wichtig ist, dass das Grossprojekt Systemreform und die Tagespolitik getrennt laufen. Zudem braucht es einen Schweizerischen Gesundheitsrat, der die grundsätzlichen, übergeordneten und mittel- und langfristigen Fragen behandelt. Für Bundesrätin Ruth Dreifuss habe ich seinerzeit ein Modell erarbeitet. Unter Pascal Couchepin blieb der Bericht dann in der Schublade.

Tatsächlich können Leistungserbringer gedrückte Preise oft über Mengenausweitung kompensieren oder sogar überkompensieren. Globalbudgets sind praktisch die einzigen Instrumente, um dies zu verhindern. Sie sind aber nur in wenigen Bereichen sinnvoll und möglich. Wenn der Staat in seinem Bereich – zum Beispiel bei öffentlichen Spitälern – Mengen begrenzt, nützt dies oft wenig, weil dann kommerzielle Anbieter dankend einspringen. Gegen Mengenausweitungen gibt es aber wirksame Methoden wie Richtlinien, Qualitätsmanagement, Statistikvergleiche oder die Überprüfung der Rechnungen durch die Versicherer. Ausserdem determinieren nicht nur Menge und Preis die Kosten, sondern auch die Qualität. Gute Qualität steigert die Ausgaben nicht, sondern senkt sie. Das eröffnet Sparperspektiven jenseits des tradi­ tionellen Gerangels um Preise und Mengen.

«Das wahre Ziel des Gesundheitswesens ist nicht die Gesundheit, sondern der weitere Ausbau des Gesundheitswesens.» Die Dichte der Leistungserbringer – vor allem Spitäler und Spezialärzte – scheint kaum ein Thema zu sein. Warum das?

Die Zahl der Spitäler und vor allem der Betten ist schon ein Thema. Von 1997 bis 2007 nahm die Zahl der Spitäler um 21 Prozent ab, die Zahl der Betten durchschnittlich um 1000 pro Jahr. Trotzdem zeigt sich immer noch: Das wahre Ziel des Gesundheitswesens ist nicht die Gesundheit, sondern der weitere Ausbau des Gesundheitswesens. Noch immer lesen wir in Jahresberichten öffentlicher Krankenhäuser Sätze wie «Erfreulicherweise gelang es uns, im Berichtsjahr die Zahl der Spitaleintritte zu steigern». Dabei ist das Ziel eines öffentlichen Spitals nicht, den Umsatz zu maximieren, sondern Patienten möglichst gut und ökonomisch zu behandeln. Marktwirtschaft und Wettbewerb machen im Gesundheitswesen dort Sinn, wo sie Nutzen bringen – nicht dort, wo sie die Kostenentwicklung anheizen.

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Der Bundesrat will auf Druck der GPK nun den Leistungskatalog der Grundversicherung auf Überflüssiges und ineffiziente Leistungen durchforsten. Wie beurteilen Sie diese Erklärung?

Das ist eine gigantische zeitraubende Arbeit, die wenig bringen wird – leider. Der Umfang des Katalogs ist weit weniger das Problem als der zu häufige Einsatz der kassenpflichtigen Leistungen. Es gibt hunderte von Studien, welche für vergleichbare Regionen eklatante Unterschiede in der Häufigkeit medizinischer Leistungen zeigen. Die Regionen, Kantone, Spitäler und Ärzte mit solchen Unterschieden zu konfrontieren und Begründungen zu verlangen, ist einfacher und hat eine grössere Breitenwirkung als das Streichen einzelner Leistungen. Bei Medikamenten dagegen ist die Durchforstung der Listen wichtig: Noch müssen die Kassen für zahllose kaum wirksame, überholte oder zu teure Medikamente zahlen. Was bedeutet «wirtschaftlich» bei der Verlängerung des Lebens? Wie viel soll sich die Gesellschaft ein zusätzliches Lebensjahr kosten lassen?

Foto: ZVG

Die Frage «Lebensverlängerung oder nicht?» dürfen nicht über Kostenlimiten beantwortet werden, sondern über Richtlinien, Fortbildung, Patientenverfügungen, Gespräche mit Angehörigen und in schwierigen Fällen im Spital durch ein interberufliches Gremium. Aus ethischen, aber auch realpolitischen Gründen bin ich der Meinung, dass Rationierung dort nicht in Frage kommt. Rationiert werden soll bei den zahllosen Be-

handlungen, die nicht direkt mit Leben und Tod zu tun haben. Das Sparpotenzial ist dort viel grösser. Als Hans Heinrich Brunner und ich vor zehn Jahren die verdeckte, undemokratische und willkürliche Rationierung thematisierten und eine offene, demokratisch akzeptierte Rationierung auf seriösen Grundlagen forderten, stiessen wir teilweise auf heftigsten Widerspruch. Heute wird immer mehr Beteiligten klar, dass dies die bessere Lösung wäre, als bei einzelnen Leistungen und Fällen Mikromanagement zu betreiben. Finden Sie eine Rationierung tatsächlich angebracht, solange es noch Potenzial für eine Rationalisierung gibt?

«Rationalisieren statt rationieren!» ist eine Illusion. Es ist unmöglich, das Rationalisierungspotenzial genügend auszuschöpfen – die Lobbies der Interessenvertreter verhindern dies. Wir dürfen die Augen nicht davor verschliessen, dass es bereits eine verdeckte Rationierung gibt – Tendenz steigend. Das ist unhaltbar.

«Wir dürfen die Augen nicht davor verschliessen, dass es bereits eine verdeckte Rationierung gibt.» Wo erkennen Sie heute eine verdeckte Rationierung?

Beispiele sind der Zeitmangel in der Pflege, zuwenig Psychiater in verschiedenen Regionen, zweitbeste Lösungen für Grundversicherte und die Unterversorgung von Bevölkerungsgruppen. Wo sehen Sie unser Gesundheitswesen in zehn Jahren?

Der Prämiendruck wird Politiker und Verbände zum Handeln zwingen. Sie werden sonst völlig diskreditiert. In den nächsten fünf Jahren wird und muss sich das Gesundheitssystem stärker verändern als in den letzten dreissig Jahren. Reduziert werden alte Zöpfe wie Föderalismus, Einzelpraxen, falsche Finanzanreize, die Selbstdispensation, der Überfluss an Spitälern und Kassen, Koordinationsmängel und das Meinen statt Wissen. Das Undenkbare wird denkbar, neue Allianzen entstehen – zum Beispiel zwischen der Pflege und der Ärzteschaft oder zwischen Patienten und Medien. Andere lockern sich – zum Beispiel zwischen Ärzteschaft und Pharmaindustrie. Die neue Gesundheitsministerin oder der neue Gesundheitsminister wird eine hervorragende Ausgangslage vorfinden. Die Systemreform hängt wesentlich von ihr oder ihm ab. Vielleicht braucht es in zwei oder drei Jahren noch einen Systemkollaps, aber für 2020 bin ich optimistisch. interview: peter kraft

«Gute Qualität steigert die Ausgaben nicht, sondern senkt sie.»


Foto: Keystone

Experten und nahmhafte Politiker verfolgen das Konzept unbeirrt

Monistische Spitalfinanzierung ist noch nicht vom Tisch Die monistische Spitalfinanzierung hat bereits einige politische Niederlagen hinter sich. Doch die Experten bleiben dabei: Sie würde viele Probleme lösen und falsche Anreize beseitigen. Deshalb gibt es Bemühungen, den Monismus wieder aufs politische Parkett zu bringen. Auch die kommende Bundesratswahl könnte einiges dazu beitragen.

Nur noch ein Zufluss: Die monistische Spitalfinanzierung will die Finanzströme vereinfachen und transparenter machen.

Als die 2. KVG-Revision im Dezember 2003 scheiterte, war auch die Idee einer unmittelbar folgenden dritten Überarbeitung begraben. Letztere hätte nach dem Willen des Bundesrats eine monistische Spitalfinanzierung* vorgesehen. Als die Regierung die gescheiterte Revision in Teilstücke aufsplitterte, sah sie im Paket «Spitalfinanzierung» den Übergang zu einer leistungsabhängigen Spitalfinanzierung mit festem Kostenteiler zwischen Kantonen und Krankenversicherern (dual-fixes Modell) vor. Vom Monismus war keine Rede mehr.

sung. Das Gesundheitsobservatorium schreibt in einer Studie von vergangenem Juni, die monistische Spitalfinanzierung sei ein Kernelement eines funktionierenden Wettbewerbs im Gesundheitswesen. Auch der Gesundheitsökonom Willy Oggier schreibt wiederholt: Der Monismus sorgt für die gleiche Finanzierung von ambulanten und stationären Spitalleistungen. Falsche Anreize würden so eliminiert. Ausserdem entlaste er die Kantone von ihrer schwierigen Mehrfachrolle als Spitalfinanzierer und Schiedsrichter in Tariffragen. Laut Oggier ist die morbiditätsorientirte Anpassung des Risikoausgleichs eine Bedingung für die Einführung des Monismus. Diese Anpassung wäre inzwischen vom Parlament beschlossen. Exakt dieselbe Argumentation führt der Berner Volkswirtschaftsprofessor Robert E. Leu. Die Zeit wäre nun also reif, die politische Diskussion um die monistische Spitalfinanzierung wieder aufzunehmen. Monismus politisch nicht tot

Monismus scheiterte schon mehrmals

Anfangs 2005 versuchte die Gesundheitskommission des Ständerats, das Reformtempo zu verschärfen. Sie wollte dem Parlament einen Gesetzesentwurf vorlegen, der die monistische Spitalfinanzierung einführen würde. Doch der Widerstand der Kantone war enorm: Sie fürchteten einen stärkeren Einfluss der Krankenversicherer und den Verlust von eigenen Kompetenzen. Nach einem massiven Sturmlauf gab der Ständerat schliesslich klein bei und kehrte zum dual-fixen Modell des Bundesrats zurück. Erneut aufs politische Parkett schaffte es der Monismus bei der Abstimmung zum «Gesundheitsartikel» im Juni 2008. Unter anderem hätte er den Monismus als Zielvorgabe in der Verfassung verankert. Der Gesundheitsartikel wurde jedoch klar abgelehnt. Experten weiterhin dafür

Die monistische Spitalfinanzierung hat also bereits einige ­politische Niederlagen hinter sich. Trotzdem bleiben die meisten Experten dabei: Eigentlich wäre sie die ideale Lö-

Die CVP-Nationalrätin Ruth Humbel hat denn auch im vergangenen März eine Motion eingereicht, die den Bundesrat beauftragt, die Arbeiten an der Einführung des Monismus wieder aufzunehmen. Der Bundesrat lehnt die Motion mit der Begründung ab, alle möglichen Varianten zur Weiterentwicklung des Systems «einer Evaluation zu unterziehen». Die monistische Spitalfinanzierung stehe dabei nicht im Vordergrund. Nach den Bundesratswahlen vom 15. September könnte sich das allerdings ändern: Urs Schwaller, einer der aussichtsreichsten Kandidaten für die Couchepin-Nachfolge, reichte bereits 2004 einen Antrag zur Einführung des Monismus in die ständerätliche Gesundheitskommission ein. peter kraft

* Monistische Spitalfinanzierung: Die Spitäler werden für ihre stationären Leistungen nur noch von einem Kostenträger entschädigt statt wie bisher von zwei (Kantone und Versicherer). Der verbleibende Kostenträger würde seinen Anteil direkt an den Monisten bezahlen.

12 | Im Fokus 7/09


Vier Fragen an: Urs Meister, Projektleiter bei Avenir Suisse

«Das Gesundheitssystem braucht grundlegende Reformen» Foto: ZVG

schliesslich wachsen die absoluten Gesundheitskosten wegen der Alterung und dem immer grösser werdenden Leistungskatalog weiter. Themen wie die sinnvolle Ausgestaltung des Leistungskatalogs und die Effizienzsteigerung durch Wettbewerb werden zwangsläufig wieder aktuell.

«Der Leistungskatalog und die Effizienzsteigerung durch Wettbewerb werden zwangsläufig wieder aktuell.»

Laut Urs Meister, Projektleiter bei Avenir Suisse, braucht unser Gesundheitswesen jetzt grundlegende und nachhaltige Reformen. Er denkt dabei an die Förderung von Wettbewerb und Qualität, an bessere Anreize für alle Akteure und an das Zurückbinden der mächtigen Einzelinteressen.

Avenir Suisse hatte in einer Publikation vorgeschlagen, den Leistungskatalog zu kürzen und höhere Prämien für Ältere zu verlangen, damit die jungen Familien entlastet werden. Vertreten Sie diese Ideen noch immer?

Die Publikation aus dem Jahr 2005 stellte fest, dass die ProKopf-Versicherungsleistungen wegen des demografischen Alterungseffekts in den nächsten 30 Jahren «nur» um etwa 0,5 Prozent jährlich zunehmen. Viel grösser ist ein systembedingter Alterungseffekt: Neue Produkte oder Verhaltensänderungen bei Patienten, Ärzten oder Spitälern implizieren ein jährliches Wachstum von etwa 1,7 Prozent. So dürfte grade bei Rentnern die angebotsinduzierte Nachfrage bei der ambulanten Versorgung besonders hoch sein. Die Publikation diskutierte Ansätze, um den systembedingten Effekt in Grenzen zu halten. Dazu gehören auch Prämienrabatte für Rentner, etwa zur Förderung von Managed Care-Modellen, oder mit dem Alter zunehmende Kostenbeteiligungen.

Was trauen Sie den dringlichen Massnahmen zu, welche die Politik momentan diskutiert?

Welche Reformen braucht es konkret, um das Gesundheitswesen aus der Sackgasse zu führen?

Massnahmen wie die Praxisgebühr können kurzfristig die Kosten beeinflussen. Die Erfahrung aus Deutschland zeigt, dass mit der 2004 eingeführten Gebühr die Arztbesuche tatsächlich sanken. Der Effekt ist inzwischen aber erodiert, die Besuche sind wieder auf altem Niveau. Das Schweizer Gesundheitssystem braucht tiefer greifende Reformen, um das Kostenwachstum in den Griff zu bekommen.

Die Kosten steigen auch deshalb, weil das System nicht nur Gesundheitsziele, sondern auch andere Interessen wie Regional- und Arbeitsmarktpolitik verfolgt. Das hat damit zu tun, dass die Kantone Planer, Regulierer, Finanzierer und ­Eigner von Leistungserbringern sind. Spitalschliessungen, Betriebszusammenlegungen oder Reduktionen des Leistungsspektrums sind häufig politisch nicht opportun. Ein wichtiger Schritt stellt daher eine Entflechtung von Interessen und Kompetenzen dar. Parallel dazu braucht es Wettbewerb, damit ein Zwang für Strukturveränderungen entsteht. Der Wegfall des Kontrahierungszwangs ist dazu ein wichtiges Instrument. Mit der neuen Spitalfinanzierung und der geplanten Qualitätstransparenz werden immerhin wichtige Schritte eingeleitet.

Mit der Krise sind einige Reformideen – monistische Spitalfinanzierung, Vertragsfreiheit oder die Überarbeitung des Leistungskatalogs – etwas in Vergessenheit geraten. Haben sie eine Chance, wieder ins Gespräch zu kommen?

Dass die Themen in den Hintergrund gerieten, dürfte auch mit der Ablehnung des Gesundheitsartikels 2008 zusammenhängen. Doch das Problem der Gesundheitskosten löst sich nicht von alleine. Im Gegenteil: Gerade wegen der Krise verschärft es sich. 2007 wendete die Schweiz etwa 11 Prozent ihres BIP für das Gesundheitssystem auf – damit hat das Land neben Frankreich und den USA die höchsten Gesundheitsausgaben in der OECD. Dieser Anteil dürfte aufgrund der wirtschaftlichen Schwäche zunehmen, zumal die Gesundheitskosten kaum auf die Konjunktur reagieren. Damit nimmt die Belastung für die Prämienzahler weiter zu –

interview: maud hilaire schenker

13 | Im Fokus 7/09


Information der Krankenversicherer

Kosten sparen = Prämien sparen Mehr Infos unter www.santesuisse.ch

santésuisse informiert über die Funktionsweise des Krankenversicherungssystems – objektiv und verständlich.

Krankenkassenprämien 2010

Informationsoffensive – warum die Prämien steigen Schweizerinnen und Schweizern steht nächsten Herbst ein happiger Prämienanstieg bevor. Laut Bundesamt für Gesundheit (BAG) steigen die Krankenkassenprämien im nächsten Jahr um durchschnittlich 15 Prozent. Eine Informationsoffensive von santésuisse soll nun der Bevölkerung erklären, wie die soziale Krankenversicherung funktioniert und warum die Prämien steigen.

Der Schweiz steht ein heisser Prämienherbst bevor. Im Durchschnitt werden die Prämien 2010 deutlich stärker steigen als in den vergangenen Jahren. Der Anstieg wird auch deutlich über der diesjährigen Kostenentwicklung liegen. Der Grund dafür: Die Prämien sind in den letzten Jahren aufgrund politischen Drucks künstlich tief gehalten worden. Jetzt besteht ein Nachholbedarf. Im Hinblick auf die angekündigte Prämienerhöhung diesen Herbst hat santésuisse anfangs August eine Informationsoffensive lanciert, die erklärt, wie die soziale Krankenversicherung funktioniert und warum die Prämien steigen. Ein Kurzfilm veranschaulicht, warum die Kosten steigen und wohin die Prämien fliessen. Mit 95 Prozent der Prämien bezahlen

die Krankenversicherer medizinische Leistungen, fünf Prozent brauchen sie für die eigene Arbeit. Steigen die Kosten, dann steigen auch die Prämien. Im letzten und laufenden Jahr konnten die Kosten nicht mit den langsamer steigenden Prämien gedeckt werden. Zudem ist in den letzten Jahren das Dienstleistungsangebot im Gesundheitswesen stetig gewachsen. Den Patientinnen und Patienten stehen immer mehr und komplexere Dienstleistungen zur Verfügung. Deshalb sind alle Kostenbereiche der obligatorischen Krankenpflegeversicherung in letzter Zeit stärker als die Prämien gewachsen. Bescheidene Massnahmen

Die vom Bundesrat Couchepin beschlossenen Sparmassnahmen sind weit bescheidener ausgefallen, als santésuisse nach den Gesprächen im März angenommen und das BAG Anfang Juli den Krankenversicherern angekündigt hatte. Die dringlichen KVG-Sparmassnahmen behandelt das Parlament in der kommenden Herbstsession. Weil die Krankenversicherer ihre Prämien aber bereits Ende Juli dem BAG zur Genehmigung einreichen mussten, werden die Sparmassnahmen keinen Einfluss mehr auf die nächstjährigen Prämien haben. Es ist noch offen, welche Massnahmen tatsächlich kommen, wie rasch das BAG die entsprechenden Verordnungsbestimmungen anpasst, wann diese in Kraft gesetzt werden und wie hoch die Kostenreduktion wirklich sein wird.

Wissen vermitteln

Zwei Broschüren für Versicherte stehen den Versicherten auf der Internetseite von santésuisse zum Downloaden zur Verfügung: Das «1x1 der Krankenversicherung» – Ein Ratgeber für alle Prämienzahlenden zu allen Krankenversicherungsfragen, und das «Plus 2» – Zahlen plus Fakten zur Grundversicherung für alle, die es ein bisschen genauer wissen wollen. Für Lehrerinnen und Lehrer der Ober- und Sekundarstufe I steht auf der Onlineplattform von www.kiknet.ch ein Lektionenangebot mit kostenlosen Materialien zur Verfügung (vorerst in deutscher Sprache, französisch in Vorbereitung). Ganz gezielt auf die bevorstehende Debatte in der Herbstsession über die dringlichen KVG-Sparmassnahmen finden mehrere regionale Medienworkshops in der ganzen Schweiz statt. Ziel der Informationsoffensive von santésuisse ist es, der Bevölkerung mehr Wissen über die Grundversicherung zu vermitteln und auch eine Kostensensibilisierung zu bewirken. Umfragen bestätigen, dass das Basiswissen über das Krankenversicherungssystem selbst in politischen Kreisen oft ungenügend ist. Der neue Kurzfilm über Kosten, Prämien und Reserven der Krankenversicherer befindet sich auf www.santesuisse.ch. Auch die beiden Ratgeber sind dort zu finden. Interessierte brauchen nur auf das rote Inserat mit dem Pflästerli zu klicken. doris haenni

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Grafik des Monats September

So setzt sich der Apotheker-Tarif LOA kostenmässig zusammen Der Tarifpool von santésuisse offenbart Interessantes über die Anwendung des Apotheker-Tarifs LOA. Er hat einen Anteil an den Medikamentenkosten von 6,7 Prozent und besteht zum grössten Teil aus Pflichtleistungen der Patienten.

Der Apothekertarif LOA schlägt 2008 im Tarifpool von santésuisse mit rund 100 Millionen Franken zu Buche. Die Ausgaben für Medikamente liegen bei 1,3 Milliarden. Hochgerechnet auf alle Versicherten (der Tarifpool ist keine Voll­erhebung) bedeutet dies: Auf Medikamentenausgaben von 3,01 Milliarden Franken kommen Ausgaben für LOA von 201 Millionen Franken. Das ist ein Anteil von 6,7 Prozent. Löwenanteil bei Pflichtleistungen

Die Ausgaben für LOA bestehen zu 90 Prozent aus den «Pflichtleistungen» Medikamenten-Check und BezugsCheck.* Mit dem Medikamenten-Check wird die Überprüfung des Arztrezeptes durch den Apotheker abgegolten – unter anderem auf mögliche Wechselwirkungen mit anderen Arzneimitteln. Der Bezugscheck deckt das Führen des Pa-

tientendossiers ab. Den Patienten können diese Pauschalen bei jedem Bezug von kassenpflichtigen Medikamenten in einer Apotheke in Rechnung gestellt werden. Der Bezugs-Check fällt dabei pro Apothekenbesuch an, der Medikamenten-Check pro bezogenes Arzneimittel. Erstaunliche sechs Prozent des Apothekertarifs machen die Pauschalen für die Methadon-Abgabe aus. Die verbleibenden vier Prozent fallen auf diverse Pauschalen wie die Notfall- oder die Compliance-Pauschale. marco d'angelo

* 2008 war der LOA-Vertrag in der Version III in Kraft. Inzwischen steht die Version IV vor der Genehmigung durch den Bundesrat. Sie sieht zusätzlich einen Polymedikationscheck bei Patienten vor, die mehr als vier Arzneimittel gleichzeitig brauchen.

APOTHEKER-TARIF IM TARIFPOOL: ANTEIL DER EINZELNEN POSITIONEN IN 1000 FRANKEN UND PROZENT 6239; 6%

3852; 4% MEDIKAMENTEN-CHECK BEZUGS-CHECK

28067; 28%

METHADON-PAUSCHALE DIVERSE 61916; 62%

90 Prozent der Ausgaben für den Apotheker-Tarif LOA bestehen aus Pflichtleistungen beim Medikamentenbezug.

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Im Gespräch: Margaretha Streiff, Geschäftsführerin der Krankenkasse Elm

«Das BAG hat nie Druck auf uns ausgeübt, die Reserven zu senken» Die Krankenkasse Elm aus dem Glarner Hinterland zählt zu den Grossen unter den Dorfkranken­kassen: Im 38 000-Seelen-Kanton Glarus ver­ sichert sie mehr als 4000 Personen. Warum die Krankenkasse Elm nicht wie andere in Schwierigkeiten geraten ist und wie sie mit der aktuellen Prämienkrise umgeht, erklärt Geschäftsführerin Margaretha Streiff im Interview.

In manchen Regionen der Schweiz, vor allem im Wallis, werden die Dorfkassen eine nach der anderen von der Konkurrenz geschluckt. Wie geht es Ihnen diesbezüglich: Ist die Selbstständigkeit der KK Elm gesichert?

Unsere Zukunft ist genauso gut gesichert wie die einer grossen Krankenkasse. Wir haben mit dem RVK ein Rückgrat bezüglich Rückversicherung, Schulung und andere Dienstleistungen. Wir haben also nicht grössere Probleme als alle anderen Krankenkassen. Die Kostenentwicklung trifft uns schliesslich alle. Trotzdem verfügen wir über die nötige finanzielle Sicherheit. Wir sind in einer Nische und haben einen ansehnlichen Marktanteil im Kanton Glarus. Daneben sind wir in den angrenzenden Kantonen – St. Gallen, Uri, Schwyz und Graubünden – tätig. Insgesamt haben wir 4300 Mitglieder. Davon sind 93 Prozent Glarner. Mit wie vielen Mitarbeiterinnen betreuen Sie diese Versicherten?

Wir haben 2,4 Arbeitsstellen, die sich drei Personen teilen. Zusätzlich haben wir jeweils eine bis zwei Lernende in Ausbildung. Das ist eine kleine Verwaltung für 4300 Mitglieder.

Ja, wir haben eine sehr effiziente Verwaltung. Das hat sicher auch etwas mit Kontinuität und Erfahrung zu tun – ich selber bin nun seit 22 Jahren dabei. Das hilft mir zum Beispiel, neue Anforderungen an die Verwaltung und ihre Bedeutung für uns einzuschätzen. Es

ist nicht immer nötig, alles davon umzusetzen. Bieten Sie auch Zusatzversicherungen an – oder lassen Sie diese von grösseren Versicherungen abwickeln?

Nein, wir bieten einen grossen Teil der Zusatzversicherungen selber an. Das hebt uns ab von anderen kleinen Versicherern, weil sich unsere Mitglieder für Zusatzwünsche nicht an eine grosse Kasse wenden müssen. Eine Ausnahme sind die risikoreichen Privat- und Halbprivat-Versicherungen. Da arbeiten wir mit einer grossen Kasse zusammen. Ihre eigene Zukunft ist also gesichert. Wie erklären Sie sich aber die zunehmenden Schwierigkeiten der kleinen Krankenversicherer im Allgemeinen?

Die Konkurrenz hat sich verändert. Vor zehn Jahren waren die grossen Versicherer deutlich teurer als wir. Heute haben die grossen Kassen oft Tochtergesellschaften, so genannte BilligKassen. Sie haben den Vorteil, dass sie eine günstige Grundversicherung anbieten und für die Zusatzversicherungen auf die Muttergesellschaft zurückgreifen können. Wir stellen aber fest, dass Versicherte, die von uns zu einer dieser Tochtergesellschaften abgewandert sind, oft später wieder zurückkommen.

aufwand der Billigkassen um höchstens 20 Prozent von der Muttergesellschaft abweicht. Andererseits: Braucht es überhaupt Gegensteuer? Was bieten die kleinen Versicherer dem Gesundheitssystem, das die Grossen nicht ebenso bieten können?

Man könnte dann auch fragen: Braucht es Dorfläden, braucht es Sportgeschäfte – oder reichen die Grossverteiler? Das Persönliche und Individuelle hat für manche Menschen immer noch einen hohen Stellenwert. Unsere Mitglieder schätzen es, wenn sie ohne lange Warteschlaufen jemanden am Telefon haben, der Bescheid weiss. Sie kennen also ihre Versicherten?

Sicher nicht alle – dazu sind wir schon zu gross. Das ist aber auch nicht nötig. Wichtig ist, dass sie bei Bedarf sofort eine persönliche Ansprechperson erreichen.

Wirbt Ihre Kasse aktiv um Mitglieder? Es gibt ja kleine Krankenversicherer, die gar keine Wachstumsziele verfolgen.

Wir haben schon Wachstumsziele, die Kapazität in der Verwaltung hätten wir. Aber die Konkurrenz ist gross, so dass ein bedeutendes Wachstum für eine kleinere Kasse nicht sehr realistisch ist. Ich habe auch keine Angst, dass wir im kommenden Herbst mit Versicherungsanträgen überflutet werden. Das war eher früher der Fall, als wir mit unseren tiefen Prämien mehr oder weniger einzigartig waren. Wobei sich auch das wieder ändern könnte: Das BAG will ja durchsetzen, dass der Verwaltungs-

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Gibt es häufig persönliche Kundenkontakte – oder läuft auch bei Ihnen viel übers Telefon?

Viel läuft über Telefon und email. Aber natürlich sind auch persönliche Besuche möglich. Wir bieten neuen Mitgliedern bei ihrem Eintritt ein Versicherungsgespräch an – obligatorisch ist das allerdings nicht. Wenn es verlangt wird, gehen wir auch zu den Leuten nach Hause.

des RVK zurückblicken. Das gleiche gilt für die Rechtsberatung. Wir stellen fest, dass die Ärzte heute viel besser über die Leistungen der obligatorischen Krankenversicherung Bescheid wissen. Deswegen kommt es heute seltener zu Streitigkeiten wegen nicht gedeckten Behandlungen.

schon günstige Prämien haben. Hätten wir überdurchschnittliche Prämien gehabt, hätte das BAG vielleicht anders reagiert.

Arbeiten Sie mit anderen kleinen Kassen zusammen?

Ich glaube, dass diese Massnahmen nur Tropfen auf den heissen Stein sind. Wirklich etwas nützen würden sie dann, wenn die Kosten dadurch nicht schneller steigen würden als der allgemeine Lebenskosten-Index. Das ist aber schwer zu erreichen, solange die Hightech-Medizin sich bis in jedes Kantonsspital ausdehnt. Ich bin der Meinung, dass die Kantone zusammenarbeiten und die teuren Leistungen konzentrieren sollten, damit sie effizienter erbracht werden. Hinzu kommen die neuen, teuren Medikamente: Massnahmen bei den Generika bringen wenig, wenn dafür die neuen Medikamente massiv teurer sind als die alten. Hinzu kommt unsere eigene Erwartungshaltung: Wir wollen ja auch, dass die Medizin immer bessere Möglichkeiten zur Krankheitsbehandlung bietet. Vor zehn Jahren kamen MRIs für den Bereich Kopf und Nacken zum Einsatz – heute auch bei Beinbrüchen.

Die Krankenkasse Luchsingen-Hätzingen mit etwa 1000 Mitgliedern ist gleich im Tal gegenüber. Es gibt ein konkretes Projekt für einen Zusammenschluss. Damit hätten wir in beiden Talschaften eine starke Position, woraus sich in Zukunft eine starke Glarner Krankenkasse entwickeln könnte.

Wie stark ist Ihre Verankerung im Dorf Elm?

Die ist sehr gross. Etwa 90 Prozent der Elmer sind bei uns versichert. Wie ist Ihre Arbeitsweise – wie wickeln Sie zum Beispiel einen problematischen Leistungsfall ab?

Wie stark spüren sie die aktuellen Prämien- und Reservenkrise?

Foto: ZVG

Eigentlich ganz normal. Wir haben die Ausbildung, das Wissen und die Möglichkeiten wie Mitarbeitende bei einer grossen Kasse auch. Wenn medizinische Abklärungen nötig sind, können wir auf den vertrauensärztlichen Dienst

Nicht so sehr. Das BAG hat nie Druck ausgeübt auf uns, die Prämien tiefer als die Kosten anzusetzen und damit die Reserven zu senken. Deshalb stehen wir heute mit genügend Reserven da. Die Anlagenverluste haben sich bei uns in Grenzen gehalten. Wir haben dieses Geschäft an einen Vermögensverwalter abgegeben, der offenbar vorsichtig genug war. Trotzdem: Die Kostensteigerung ist auch bei uns da, und deshalb müssen auch wir die Prämien erhöhen. Wie erklären Sie sich, dass das BAG Ihnen keine Senkung der Reserven verordnet hat?

Die Verantwortlichen haben wohl eingesehen, dass eine kleine Kasse ein grosses Risiko eingeht, wenn sie knappe Reserven hat. Der vorgeschriebene Minimal-Reservensatz für kleinere Versicherte ist höher als der für die grossen. Hinzu kommt, dass wir sowieso

Elisabeth Gamper (l.) und Margaretha Streiff: «Wenn es verlangt wird, gehen wir auch zu den Leuten nach Hause.»

Wie beurteilen Sie die aktuelle gesundheitspolitischen Diskussionen rund um dringliche Gesetzes- und Verordnungsänderungen?

Was sind die auffälligsten Veränderungen, die Sie in ihren 22 Jahren bei der Krankenkasse Elm erlebt haben?

Die Behandlungsmethoden sind intensiver und teurer geworden. Nicht nur was Hightech-Medizin und Medikamente angeht: Physiotherapien nach einem Beinbruch zum Beispiel waren damals kein Thema. Wir sind auch nicht mehr die Dorfkrankenkasse, zu der die Mitglieder allesamt Sorge tragen. Die Anspruchshaltung hat auch bei uns zugenommen. Allerdings haben wir weiterhin relativ wenig Abgänge. Unsere Versicherten springen nicht wegen jedem Prämienfranken zu einem günstigeren Konkurrenten. interview: peter kraft

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Erst zwei Jahre nach dem Parlamentsbeschluss wird die Reform Tatsache

Neue Pflegefinanzierung kommt 2010 – doch den Kantonen ist das zu früh Der Bundesrat hat im vergangenen Juni die Ausführungsbestimmungen zur neuen Pflegefinanzierung erlassen. Gleichzeitig hat er das Inkrafttreten der Revision auf den 1. Juli 2010 beschlossen. Doch für die Kantone ist dieser Zeitpunkt – zwei Jahre nach der Verabschiedung des Gesetzes durch das Parlament – noch immer zu früh.

In der Junisession 2008 haben National- und Ständerat das Bundesgesetz über die Neuordnung der Pflegefinanzierung verabschiedet und dabei Änderungen im KVG, beim AHV-Gesetz und beim Gesetz über die Ergänzungsleistungen vorgenommen. Eine wichtige Vorgabe für die Revision war die Verhinderung einer Mehrbelastung für die Krankenversicherung. Die neue gesetzliche Grundlage

Das Parlament hat als Grundlage für die neue Pflegefinanzierung die folgenden Beschlüsse gefasst: • Die obligatorische Krankenversicherung (OKP) leistet einen Beitrag an die Pflegeleistungen, die ambulant, in Tages- oder Nachtstrukturen oder im Pflegeheim erbracht werden. Voraussetzung dafür ist die ärztliche Anordnung und ein ausgewiesener Pflegebedarf. (Art. 25a Abs. 1) • Beim Aufenthalt in einem Pflegeheim vergütet der Versicherer die gleichen Leistungen wie bei ambulanter Krankenpflege. (Art. 50 Abs. 9)

• Neu sind auch die Leistungen der Akut- und der Übergangspflege, die sich im Anschluss an einen Spitalaufenthalt als notwendig erweisen und im Spital ärztlich angeordnet werden, Teil der Grundversicherung. Allerdings gilt dies nur während längstens zwei Wochen, und zwar nach den Regeln der Spitalfinanzierung. (Art. 25a Abs. 2) • Der Bundesrat bezeichnet die Pflegeleistungen und regelt das Verfahren der Bedarfsermittlung. (Art. 25 a Abs. 3) • Der Bundesrat setzt die Beiträge je nach dem Pflegebedarf in Franken fest. Massgebend ist der Aufwand für Pflegeleistungen, die in der notwendigen Qualität, effizient und kostengünstig erbracht werden. Die Pflegeleistungen unterstehen einer vom Bundesrat verordneten Qualitätskontrolle (Art. 25a Abs. 4). • Die Beiträge an die Pflegeleistungen (ohne Akut- und Übergangspflege) sind so festzulegen, dass sie in der Summe den Pflegeleistungen (ambulant und im Pflegeheim) im Jahr vor dem Inkrafttreten des Gesetzes entsprechen. In der Folge werden die Beiträge nicht automatisch der Kostenentwicklung angepasst. Allfällige Anpassungen nimmt der Bundesrat vor. (Übergangsbestimmung) • Die Beiträge der pflegebedürftigen Versicherten an die von der Grundversicherung nicht gedeckten Kosten werden auf 20 Prozent des höchsten vom Bundesrat festgesetzten Pflegebeitrages begrenzt. (2010 sind das Fr. 21.60 pro Tag oder 7884 Franken pro Jahr). Die Kantone regeln die Restfinanzierung. (Art. 25a Abs. 5) • Die Ansprüche auf Hilflosenentschädigungen und Ergänzungsleistungen werden erweitert. Neu haben Bezüger von Altersrenten oder Ergänzungsleistungen bei spitalexterner Pflege schon bei einer Hilflosigkeit leichten Grades Anspruch auf eine Entschädigung. Bei Ergänzungsleistungen im Pflegefall wird die Freigrenze für anrechenbare Vermögen erhöht, und zwar von 25 000 auf

37 500 Franken für Alleinstehende und von 40 000 auf 60 000 Franken für Verheiratete. Das Vermögen aus einer Liegenschaft wird erst ab 300 000 Franken berücksichtigt, wenn der Ehepartner stationär betreut wird oder eine Person Hilflosenentschädigung bezieht. (ELG Art. 11 Abs. 1). Anpassung der Verordnungen

Rund ein Jahr nach der Verabschiedung des Gesetzes durch das Parlament hat der der Bundesrat die notwendigen Ausführungsbestimmungen erlassen und das Inkrafttreten der neuen schweizweit einheitlichen Pflegefinanzierung auf den 1. Juli 2010 bestimmt. Er beauftragt das Departement des Innern (in Art. 33 Bst. h und i der Verordnung über die Krankenversicherung), das Verfahren der Bedarfsermittlung zu bestimmen und die Beiträge an die Pflegeleistungen in Franken festzulegen. Diesem Auftrag kommt das Departement in der revidierten Krankenpflege-Leistungsverordnung (KLV) nach. Diese übernimmt grundsätzlich die geltende Umschreibung des Leistungsbereichs (Artikel 7). In Anpassung an den neuen Gesetzestext hält sie jedoch fest, dass Leistungen «auch ausschliesslich während des Tages oder der Nacht» erbracht werden können. Sie bestimmt weiter, dass die Leistungen der Akutund Übergangspflege den übrigen Pflegeleistungen entsprechen und auch von den gleichen Kategorien von Leistungserbringern erbracht werden. Sie müssen medizinisch notwendig und durch einen Spitalarzt verschrieben sein und dürfen keineswegs einfach Wartezeiten bis zum Heimeintritt oder zur Rehabilitation überbrücken. Der Begriff «ambulante Pflegeleistungen» ersetzt schliesslich die Bezeichnung «Pflegeleistungen zu Hause». Die neuen Beiträge

Auch an der heutigen Vergütungsform wird grundsätzlich nichts geändert. Die OKP soll die ambulanten Pflegeleistungen weiterhin mittels eines Zeitansat-

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Foto: Keystone

Die neue Pflegefinanzierung wird nicht reibungslos eingeführt. Die Kantone brauchen mehr Zeit.

zes und die Pflegeleistungen im Heim mittels eines Tagesansatzes vergüten. In der Verordnung (Artikel 7a) werden die Beiträge, wie es das Gesetz vorschreibt, auf der Basis der Kostenneutralität konkretisiert. Für die ambulante Pflege (Spitex) haben die Berechnungen je nach Leistungsart (Grundpflege, Untersuchung und Behandlung, Abklärung und Beratung) Beiträge zwischen 55 und 80 Franken pro Stunde ergeben. Vergütet werden die Beiträge in Zeiteinheiten von fünf Minuten (mindestens jedoch 10 Minuten). Der Vergütung der Leistungen der Pflegeheime liegt eine 20-MinutenSkala mit 12 Pflegestufen zugrunde. Pro 20 Minuten werden neun Franken, maximal (Pflegebedarf mehr als 220 Minuten) 108 Franken vergütet. Damit sind die bisher unterschiedlichen Pflegebedarfssysteme nun harmonisiert. Zur Finanzierung der Akut- und Übergangspflege verhandeln Versicherer und Leistungserbringer Pauschalen. Der Kanton setzt jeweils neun Monate vor Beginn des Abrechnungsjahres den kantonalen Anteil an diesen Pauschalen fest. Er beträgt mindestens 55 Prozent und wird, wenn Versiche-

rer und Kanton nichts anderes vereinbaren, direkt dem Leistungserbringer überwiesen. Einheitliche Bedarfsabklärung

Die Bedarfsabklärung bei der Akut- und Übergangspflege (für maximal zwei Wochen) erfolgt schweizweit nach einheitlichen Kriterien und wird auf einem einheitlichen Formular festgehalten. In Pflegeheimen ermittelt ein Arzt den Pflegebedarf. Das gilt als ärztliche Anordnung oder Auftrag. Widerstand der Kantone

Die neue Pflegefinanzierung begrenzt die Kostenübernahme sowohl der Krankenversicherung wie der Versicherten und überträgt den Kantonen die Regelung der Restfinanzierung. Die Krankenversicherung trägt weiterhin rund 60 Prozent der Pflegekosten (ca. 2,2 Mrd. Franken). Die Pflegebedürftigen dürften gemäss Schätzungen der Konferenz der kantonalen Gesundheitsdirektoren (GDK) um rund 350 Mio. Franken entlastet, die Kantone entsprechend stärker belastet werden. Begreiflich, dass diese kein Interesse an einer raschen Inkraftsetzung der Revision haben. Sie drohen denn auch die Umset-

zung auf Mitte 2010 zu boykottieren und die neue Pflegefinanzierung erst 2011 einzuführen. Die GDK begründet diese Haltung damit, dass die notwendige Anpassung von kantonalen Gesetzen und die Regelung zahlreicher weiterer Modalitäten innerhalb von 12 Monaten nicht möglich sei. Allerdings hätten die Kantone schon im Juni 2008 nach der Verabschiedung des Gesetzes im Parlament mit der Vorbereitung des Vollzugs beginnen können. Die Krankenversicherer, die von der neuen Pflegefinanzierung eine Stabilisierung der Pflegekosten erwarten, haben jedenfalls kein Verständnis für den angedrohten Vollzugsboykott. walter frei

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Foto: Prisma

Jules Romains, «Le Médecin et le Malade»: Ein fünfzigjähriges und doch aktuelles Essay über den Arztberuf

Licht und Schatten des medizinischen Fortschritts: Eine Debatte mit Geschichte In letzter Zeit werden in der Öffentlichkeit gerne die Berufe «Hausarzt» und «Facharzt» einander gegenübergestellt. Gleichzeitig gelten der ständig wachsende medizinische Fortschritt und die immer leistungsfähigeren Apparaturen als heilbringend. Gibt es auch eine Kehrseite der Medaille? Bereits 1956 hat der französische Romancier Jules Romains in seinem Essay «Le Médecin et le malade» ein lebhaftes Bild zu diesem Thema gezeichnet, das aktueller nicht sein könnte. Er setzte sich angesichts der fortschrittsgläubigen Medizin für die Rückkehr zu Behandlungsmethoden ein, die den Menschen in den Mittelpunkt stellen.

1905, in einer Zeit des industriellen Aufschwungs, war Jules Romains 20 Jahre alt. Es war also nur natürlich, dass er sich mit den möglichen negativen Auswirkungen des technischen Fortschritts befasste. Fortschritt ist positiv. Das war seiner Meinung nach unbestreitbar. Doch befürchtete er dessen Missbrauch, was durch den ersten Weltkrieg bestätigt werden sollte. Im Essay über Arzt und Patient zeichnete er zwei Bilder der Medizin, eines zu Beginn des 20. Jahrhunderts, das andere 1956. Im ersten stellt er einen Besuch bei einem Landarzt dar, im anderen eine Konsultation bei einem Facharzt in Chicago. Das Werk wirft nicht nur einen wehmütigen Blick zurück, sondern ist als eigentliche Warnung zu betrachten. Die technischen Fortschritte in der Medizin seien notwendig, aber sie bildeten lediglich ein Mittel zum Zweck und dürften nicht zum Selbstzweck verkommen. Der menschliche und auch «magische» Aspekt der Medizin solle nicht vergessen gehen.

Der «gute Hausarzt»

Der «gute Hausarzt» hält das «menschliche und biografische» Element hoch. Er kennt seine Patienten und misst jedem kleinsten Detail Bedeutung bei. Das Gesagte, Ungesagte und die Haltung bieten ihm gleichermassen Hinweise bei der Untersuchung des Patienten. Sich allein auf sein Gedächtnis stützend, benötigt der gute Hausarzt kein Patientendossier. Gleich nach Ankunft seines Patienten erinnert er sich an die Biografie des Patienten, frühere Diagnosen, Vergleiche, Krankheitsverläufe und Annahmen, und das alles in Sekundenschnelle. Der erfahrene Praktiker hat auch seelsorgerische Qualitäten und hört aufmerksam zu. Er ist sich der Einzigartigkeit jedes Patienten bewusst und passt die Beratung und Behandlung den einzelnen Fällen an. Ein solcher Arzt besteht quasi selber aus unzähligen hochsensiblen Apparaten. Konsultationen begeht er mit wachen Sinnen. Dem Fortschritt überhaupt nicht abgeneigt, sieht er sich durch Analysen in seinen Annahmen bestätigt oder nicht. Seine Verschreibungen sind massgeschneidert. Seine Worte, seine Aufmerksamkeit und seine Geduld haben einen ebenso heilenden Effekt wie ein Rezept für ein Medikament. In dieser Beschreibung drückt sich Romains ganze Bewunderung aus und macht aus einem Arzt einen virtuosen Alleskönner mit angeborenen Fähigkeiten zu heilen, ja selbst zu zaubern. Diesem Bild steht der «Spezialist» aus Chicago gegenüber. Der Diagnostiker aus Chicago

Der Diagnostiker hingegen praktiziert in einem «kleinen Lokal, kalt und abstrakt», in einem «kleinen, laborähnlichen Raum». Er wechselt lediglich ein paar Höflichkeiten mit dem Patienten, einer Nummer, mehr ist er nicht. Es bedarf keiner Worte, wenn die Beschwerden allein anhand von Tests zu finden sind. Wenn nicht die erste Analyse, dann wird es eben eine zweite oder dritte an den Tag bringen. «Es ist kein Beispiel

bekannt, wo bei einem Klienten nach zehn aufeinander folgenden Analysen nicht doch ein Schwachpunkt gefunden wurde». Beim zweiten Besuch legt der Arzt dem Patienten die Ergebnisse vor. Er ist, so Romains, «auf den Allgemeinzustand des Patienten fixiert, ohne ihn näher betrachtet zu haben.» Romains fragt: Wie ist es möglich, einen bestimmten Bereich zu untersuchen, wenn der Patient weder angehört noch abgehorcht wurde. Die Antwort ist offensichtlich: Ist der Patient aufgrund des Aushangs «Urologe» gekommen, so wird er kaum Ohrenschmerzen haben. Nach weiteren Analysen und noch einem Besuch wird ein Rezept verschrieben und im Fachjargon gesprochen. «Arzt und Patient kennen sich nach dem Auseinandergehen menschlich etwa so gut wie ein Busfahrer und ein gelegentlicher Fahrgast», meint Romains

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Was ist ein guter Arzt? Die Gedanken des Autors Jules Romains sind aktueller denn je.

Medizinischer Fortschritt: Nur bei richtiger Anwendung ein Segen

Natürlich sind die beiden Darstellungen überzeichnet. Doch geben die Karikaturen Aufschluss darüber, wie Jules Romains die Medizin wahrgenommen hat. Für ihn gehörte der menschliche Aspekt in den Mittelpunkt. Der Mensch ist keine Serienfertigung. Romains Ansicht stellt sich keineswegs gegen den medizinischen Fortschritt. Analysen und Geräte sollen aber Mittel zur Vereinfachung der Arzt-Patient-Beziehung bleiben und nicht zum Selbstzweck werden. Diese Argumente werden auch heute noch von den Hausärzten angeführt, vor allem angesichts des Internets und der Cyberärzte, die laut deren eigener Aussage die klassische Arzt-Patienten-Beziehung in Frage stellen. Jules Romains befürchtet eine übersteigerte Nutzung des Fortschritts zum Schaden der eigentlichen Schön-

heit der Medizin. Er malt sich durchaus obskure Auswirkungen aus und stellt sich eine «Diagnosemaschine» vor, die aus allen möglichen Instrumenten besteht, den Patienten untersucht, eine Diagnose erstellt und diesen dann an die «Rezeptmaschine» weiterreicht. Der Arzt wird damit überflüssig, verdrängt durch ein «Hilfsmittel». Seine Intelligenz wird er dann für die Entwicklung dieser Maschinen einsetzen. Medizin als ganz normales Geschäft und Machtinstrument

Der zweite Arzttyp verursacht hohe Gesundheitskosten, während der erste eine patientenspezifische Sichtweise vertritt und sowohl Krankengeschichte als auch Biografie seiner Patienten kennt. Diese beiden Charaktere bilden nach Ansicht von Jules Romains das Gegenstück zu einem dritten Gesicht der Medizin, nämlich Dr. Knock.

Er versinnbildlicht den Geschäftsmann in Krawatte und hat sich den Arztberuf durch Lesen der Beipackzettel angeeignet. Romains beschreibt im Essay «Dr. Knock und der Triumph der Medizin» die Medizin als normales Geschäft, ein Machtinstrument. Wie bereits Molière prangert auch Romains die Unwissenheit, die Pedanterie, das Fachchinesisch und vor allem die Ineffizienz der Ärzte an, wenn die Patienten nicht offensichtlich krank sind und ihre Dienste beanspruchen. Das Stück «Le Médecin et le malade» hingegen ist eine veritable Lobeshymne auf den Hausarzt, dessen Position wieder gestärkt werden müsste. maud hilaire schenker

Jules, ROMAINS, «Le Médecin et le Malade», in Hommes Médecins Machines, Flammarion, 1959

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Handbuch «Ethik im Gesundheitswesen»: Verantwortung im politischen Diskurs

Politische Verantwortung für eine faire Ressourcenverteilung: Wie wahrnehmen? Das im Schwabe Verlag erschienene «Handbuch Ethik im Gesundheitswesen» ist um einen vierten Band reicher. Unter dem Titel «Verantwortung im politischen Diskurs» skizziert er ökonomische und soziale Rahmenbedingungen und stellt Vorschläge zur Diskussion, wie politische Verantwortung durch die Akteure des Gesundheitswesens effizienter wahrgenommen werden könnte. Er legt den Fokus auf eine faire Ressourcenverteilung und auf die Veränderung des Anreizsystems für alle Beteiligten.

Der Rechtsphilosoph Max Baumann und die Theologin Ruth BaumannHölzle plädieren für eine klar reglementierte Rationierung von Gesundheitsgütern. Ausgehend von der Feststellung, dass zu Lasten einer solidarisch finanzierten Grundversicherung nicht «mehr alles zahlbar ist, was machbar geworden ist», skizzieren die beiden Autoren die wichtigsten Regeln für die Rationierung von Leistungen und Mitteln. Kleine Opfer für viele statt grosse Opfer für wenige

Massgebend sollte zum Ersten die Solidaritätsregel sein: Die Gesamtkosten des Gesundheitswesens sind so zu verteilen, dass vielen Menschen ein kleines Opfer und nicht wenigen Menschen ein für ihre finanziellen Verhältnisse grosses Opfer auferlegt wird. Angebote zur Steigerung des körperlichen Wohlbefindens von Gesunden zum Beispiel haben demnach keinen Platz in der Grundversicherung. Ein probates Mittel ist aus Sicht der Autoren zudem die Erhöhung der Kostenbeteiligung. Gemäss dem Vorzugskonzept sollte bei qualitativ gleichwertigen Behandlungsmöglichkeiten die kostengünstigste zum Zug kommen. Präventionsund Reihenuntersuchungsprogramme sollen nur nach sehr sorgfältiger Überprüfung umgesetzt werden. Produkte

und Theapien, deren Wirksamkeit nach wissenschaftlichen Methoden nicht bewiesen ist, sind aus der Grundversicherung zu streichen. Als weitere Mittel zur Kostendämpfung bezeichnen die Autoren die Beschränkung der Dichte der Leistungsträger, die zwingende Offenlegung der direkten und indirekten Interessenverflechtungen zwischen Leistungsanbietern und der Industrie sowie eine stärkere Zusammenarbeit der einzelnen Akteure. Individuelle Rationierung – ein «heisses Eisen»

Eine ganz besondere Bedeutung messen die Autoren dem Festlegen von Regeln für die individuelle Rationierung bei. Die Gesellschaft werde längerfristig entscheiden müssen, wie viel sie sich ein gewonnenes Lebensjahr mit guter Lebensqualität kosten lassen wolle – eine Entscheidung, die unabhängig vom individuelllen Einzelfall auf der Grundsatzebene zu fällen sei. »Massgebend für die Zurechenbarkeit einer medizinischen Massnahme in die Grundversicherungn ist demnach das Verhältnis zwischen Kosten, gewonnenem Lebensjahr und gewonnener Lebensqualität.» Die Herausgeber lassen auch einige Gegner und Skeptiker einer expliziten Rationierung zu Worte kommen. Für den Arzt Luzi Dubs erscheint es wenig sinnvoll, über eine Rationierung zu befinden, solange das Potenzial der Rationalisierung nicht einmal ansatzweise ausgelotet worden ist. Anna Sax, Dozentin für Gesundheitsökonomie, kontert mit der ethischen Frage: «Weshalb soll ein Lebensjahr im Rollstuhl weni-

ger Nutzen schaffen als auf zwei Beinen?» Und Prof. Tilman Slembeck gibt in seiner Replik zu bedenken, dass das letztlich notwendige Abwägen von Kosten und Nutzen ebenso wenig den Personen am Krankenbett überlassen werden kann wie einem Expertengremium oder einem Volksentscheid. «Politik – ein Teil des Problems»

Mit der Frage nach dem richtigen Anreizsystem befasst sich der Gesundheitsökonom Werner Widmer. Kritik an den Leitungserbringern und den Leistungsempfängern hält er für fehl am Platz. Vielmehr seien die Erfinder und Gestalter der Spielregeln, die Politikerinnen und Politiker, in die Pflicht zu nehmen. Wenn es heute um Reformen im Gesundheitswesen gehe, zeige sich die Politik zunehmend auch als Teil des Problems, bemerkt der Autor. Das liege auch daran, dass das Gesetz dem Patienten kaum ökonomische Verantwortung zumute und der Staat deshalb selber die Nachfragerseite bei der Preisfestsetzung vertrete. Mit feiner Ironie stellt Widmer fest, dass es sowohl für Mitglieder der Legislative als auch der Exekutive keine Anreize gebe, mit wirksamen Massnahmen gegen die Kostenentwicklung im Gesundheitswesen vorzugehen. Kosten senken bedeute immer auch, bestimmte Profiteure der heutigen Situation zu verärgern und die eigene Abwahl zu riskieren. Josef ziegler Verantwortung im politischen Diskurs, Herausgeber Markus Christen und Max Baumann, Handbuch Ethik im Gesundheitswesen Band 4, 239 S., Schwabe AG, Verlag, Basel und EMH Schweizerischer Ärzteverlag AG, Basel.

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Neue kaufmännische Grundausbildung: Erfreuliche Qualifikationsverfahren

93 Prozent aller Lernenden erfolgreich Am diesjährigen Qualifikationsverfahren (Lehrabschlussprüfung) nach Neuer Kaufmännischer Grundbildung haben in der Branche «santésuisse – Die Schweizer Krankenversicherer» gesamtschweizerisch 72 Lernende teilgenommen. 93 Prozent haben das Qualifikationsverfahren erfolgreich absolviert. Über die Ergebnisse der Berufsschulen liegen santésuisse als Branchenverband keine Informationen vor.

93 Prozent der Kandidaten haben die Ausbildung im erweiterten Berufsprofil (E-Profil) abgeschlossen, deren sieben Prozent im Basisprofil (B-Profil). Die Tabelle zeigt einen Überblick über die diesjährigen Notendurchschnitte.

Notendurchschnitte

Deutschschweiz

Westschweiz

Mündliches Qualifikationsverfahren

4,7

4,6

Schriftliches Qualifikationsverfahren

4,2

4,3

Vorschlagsnote Prozesseinheiten

5,1

4,9

Vorschlagsnote Arbeits- und Lernsituationen

5,1

4,9

Erstellung des Praxisberichtes bereitet noch immer Mühe

ren. Deshalb ist dieser Kriterienkatalog in der Prüfungsvorbereitung ein unerlässliches Hilfsmittel. Unterlagen zu den Qualifikationsverfahren sind auf der santésuisse-Homepage unter «Ausbildung – Neue Kaufmännische Grundbildung – LAP» publiziert. Prüfungsvorbereitung im vierten überbetrieblichen Kurs

santésuisse bietet den Lernenden im 4. überbetrieblichen Kurs (üK) diverse Prüfungsvorbereitungen an. Es werden mündliche Gesprächssituationen sowie

Foto: Prisma

Die Qualität der eingereichten Praxisberichte hat sich leider im Vergleich zum letzten Jahr nicht merklich verbessert. Die Unterlagen wiesen wenig persönliche Elemente der einzelnen Lernenden auf, was die Vorbereitung der Prüfungsexperten erschwert. Auffallend war, dass etliche Lernende bei Leistungszielen aus ihrem Praxisbericht an der mündliche Prüfung wenig Fachwissen vorweisen konnten. Im Kriterienkatalog ist ersichtlich, auf welche Punkte sich Prüfungsexperten an der mündlichen Prüfung konzentrie-

eine schriftliche Prüfung im Umfang von 120 Minuten simuliert. Die Ergebnisse der simulierten schriftlichen Prüfung konnten von 2007 auf 2008 etwas gesteigert werden. 46,1 Prozent der Lernenden wiesen nach dem Qualifikationsverfahren die gleiche Note auf, 34,7 Prozent konnten die Note steigern. Erfreulicherweise ist es den Lernenden des diesjährigen Abschlussjahrgangs mit vermehrtem Engagement in der schriftlichen Prüfungsvorbereitung gelungen, diese Ergebnisse zu verbessern. 55,5 Prozent der Lernenden in der Deutschschweiz und sogar 88,9 Prozent der Lernenden in der Westschweiz konnten die Note um mindestens 0,5 erhöhen. Ein Dankeschön an alle Beteiligten

Die Organisation und Durchführung der betrieblichen Qualifikationsverfahren ist mit grossem Aufwand verbunden. Die Zusammenarbeit der verschiedenen Stellen ist nicht immer einfach. Dank grossem Einsatz der Mitarbeitenden in den Sekretariaten der Berufsschulen und Kantonen, den Haupt- und Prüfungsexperten sowie den Mitarbeitenden von santésuisse ist es gelungen, die Prüfungen auch in diesem Jahr reibungslos durchzuführen. An dieser Stelle gebührt allen Beteiligten ein herzliches Dankeschön! santésuisse bietet den Lernenden verschiedene Vorbereitungen auf das Qualifikationsverfahren an.

Marlise Vögtlin, Projektleiterin NKG santésuisse

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Foto: Keystone

Monats Bild

Suche nach Antworten im Permafrost Das Bild zeigt eine internationale Forschergruppe, die auf Spitzbergen Leichen aus dem Jahr 1918 exhumiert. Niemand weiss, warum die Schweinegrippe so ansteckend ist und warum sie häufig Kinder und junge Menschen befällt. Niemand weiss auch, warum gerade die spanische Grippe von 1918 derart verheerend war. Damals starben weltweit mindestens 20 Millionen Menschen. Das sind deutlich mehr Opfer, als der gleichzeitig stattfindende Erste Weltkrieg forderte. Auf der Suche nach Gründen haben die Forscher auch nach makabren Methoden gegriffen. Auf der norwegischen Inselgruppe Spitzbergen im Nordpolarmeer wütete die spanische Grippe besonders schlimm. Ein internationales Forscher-Team öffnete 1998 in Spitzbergen die Gräber aus dem Jahr 1918. Ihre Hoffnung war, dass die Leichen im tiefgefrorenen Boden so gut erhalten waren, dass auch das Virus mit ihnen die Jahrzehnte überdauert hat. Sie wollten so der Tücke der spanischen Grippe auf die Schliche kommen. Die Leichen waren nicht so gut erhalten wie erwartet. Trotzdem konnten die Forscher Teile der Virus-DNA analysieren – doch sie unterschieden sich nicht wesentlich von anderen, harmloseren Grippeviren. Das könnte bedeuten, dass bereits eine kleinste Mutation das Grippevirus sehr gefährlich machen kann. Andere Theorien erklären die Gewalt der spanischen Grippe mit den damaligen Umständen. Geschwächt und ausgezehrt durch die langen Jahre des Ersten Weltkriegs, seien die Menschen 1918 und 1919 einfach weniger widerstandsfähig gewesen.

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IhreMeinung

Leserreaktionen auf unsere Artikel

So senden Sie uns Ihre Leserbriefe Ihre Meinung zu den Beiträgen im infosantésuisse können Sie per email an redaktion@santesuisse.ch oder per Post an «Redaktion infosantésuisse – Römerstrasse 20 – 4502 Solothurn» senden. Es besteht keine Garantie auf Abdruck. Die Redaktion behält sich vor, die Beiträge sinngemäss zu kürzen. Beachten Sie, dass eine Seite im infosanté­suisse 3500 Zeichen umfasst und dass andere LeserInnen ihre Meinung auch veröffentlichen möchten.

«Die Versicherer müssten die besten Leistungen zum besten Preis einkaufen« Die Leserreaktionen auf unsere Artikel nehmen zu. Deshalb platzieren wir ab dieser Ausgabe regelmässig eine Seite im infosantésuisse, auf der Sie das Wort haben. Wie es funktioniert, lesen Sie in der linken Spalte. Den Anfang macht Fabrice Kneubühler aus Hilterfingen. Ihn hat das Editorial von Helsana-CEO Manfred Manser aus der Nummer 5/09 zum Nachdenken angeregt.

Mit Interesse habe ich das Editorial im infosantésuisse Nr. 5 gelesen. Fakten sind:

• Die Kosten und somit auch die Prämien steigen jährlich an. • Die Versicherten entwickeln wegen den hohen Prämien eine Anspruchmentalität. • Der Markt spielt nur unter den Versicherern, nicht unter den Leistungserbringern. • Der «Pseudo-Markt» unter den Leistungserbringern besteht aus unwirtschaftlichen Leistungsangeboterweiterungen. • Der Kontakt zwischen Versicherern und Versicherten existiert meistens nur über den Korrespondenzweg (Rechnungen). • Im Gesundheitswesen – man sollte eigentlich vom Krankheitswesen sprechen, damit wir uns wieder bewusst werden, wofür es da ist – scheint die Situation dermassen verfahren, dass jeder, der eine Idee zur Senkung der Kosten/Prämien nur andenkt, verrissen wird. Meiner Meinung nach nehmen die Versicherer ihre Rolle zu wenig wahr. Es müsste die einer Einkaufsabteilung einer Grossfirma sein, nämlich die beste Leistung zum besten Preis für den Leistungsempfänger einzukaufen. Bei einer anstehenden Behandlung müsste die Versicherung ab einem bestimmten Betrag verschiedene Angebote einholen,

diese dem Versicherten unterbreiten und allenfalls die Differenz oder eine Beteiligung an der Differenz verlangen, wenn dieser nicht das günstigste Angebot wählt. Ich bin überzeugt, dass die meisten Versicherten in dieser Situation den günstigsten Anbieter wählen würden. Zudem ist mir nicht bekannt, dass eine Versicherung jemals Rücksprache mit einem Versicherten genommen hätte, um eine Rechnung zu überprüfen. Dies erweckt in mir den Eindruck einer gewissen Gleichgültigkeit und «Weg des geringsten Widerstandes»Mentalität, da man vielleicht ab und zu einem Leistungserbringer auf die Zehen treten müsste und dies unangenehme Momente bringen könnte. Vielmehr wird stillschweigend bezahlt, denn der Versicherte wird nächstes Jahr die Prämienerhöhung sowieso begleichen. Ich bin überzeugt, dass gute Qualität und bestmögliche Preise nicht im Widerspruch zueinander stehen. Es ist nichts als anständig, für eine gut erbrachte, verständliche und transparent in Rechnung gestellte Leistung einen angemessenen Betrag einzufordern. Es muss nur jeder Akteur seine Aufgaben wahrnehmen: Der Leistungserbringer durch eine wirtschaftliche, qualitativ hochstehende, transparente Behandlung, die Versicherer durch das Einholen mehrerer Angebote und durch die Rechnungsprüfung gemeinsam mit den Versicherten. Normalerweise gilt der Spruch «wer zahlt befiehlt». Im Moment scheint jedoch im Gesundheitswesen die Welt kopf zu stehen. Deshalb fordere ich die Versicherungen auf, ihren Teil dazu beizutragen, und die Versicherten ihren Versicherungen als Vertreter in die Pflicht zu nehmen. Denn keine Firma würde mit einer schlechten Einkaufsabteilung überleben. Fabrice Kneubühler, Hilterfingen

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Klipp klar

Änderungen in der KrankenpflegeLeistungsverordnung (KLV) per 1. Juli 2009 Per 1. Juli 2009 hat das Eidgenössische Departement des Innern die Krankenpflege-Leistungsverordnung (KLV) in einigen Punkten angepasst. Wir liefern eine Übersicht.

KLV • Artikel 2, Ärztliche Psychotherapie, Grundsatz: Die Definition der Psychotherapie ist erneuert. Diesmal wird versucht, mit einer Aufzählung spezifischer Therapieformen den Raum der Psychotherapie besser abzugrenzen. Weitergehende Informationen liefert die Website der Schweizerischen Gesellschaft für Psychiatrie und Psychotherapie (www.psychiatrie.ch). Unter der Rubrik Weiterbildung wird sehr detailliert aufgeführt, welche Therapieformen der Arzt nach dem Staatsexamen erlernen muss, um die Prüfung zum Facharzt Psychiatrie und Psychotherapie zu bestehen. Das Weiterbildungsprogramm ist vom Bundesamt für Gesundheit, gestützt auf das Medizinalberufegesetz (MedBG), genehmigt und damit offizialisiert. • Artikel 3, Ärztliche Psychotherapie, Kostenübernahme: Das Kostengutspracheverfahren wurde stark vereinfacht. Das Kostengutsprachegesuch zur Fortsetzung der Therapie nach 10 Sitzungen wurde ersatzlos gestrichen. Das Verfahren zur Kostenübernahme bei Fortsetzung der Therapie nach 40 Sitzungen wurde – gestützt auf die Ergebnisse der Begleituntersuchung – verbessert. Der behandelnde Arzt ist verpflichtet, nach 40 Sitzungen ein solches Gesuch zu stellen (Bringschuld). Dieses Gesuch muss Angaben über die Art der Erkrankung, die bisherige Behandlung, einen Vorschlag zur Fortsetzung der Therapie und wie viele Sitzungen in welcher Frequenz noch durchzuführen sind, enthalten. Nach Prüfung durch Vertrauensärzte und Antrag an den Versicherer muss dieser der versicherten Person mit Kopie an den behandelnden Arzt innerhalb von 15 Arbeitstagen bekannt geben, ob die Kosten für die Psychotherapie weiter übernommen werden. Die bisherigen Artikel 3c (Inhalt der Meldungen und Berichte) sowie 3d (wissenschaftliche Untersuchung) wurden ersatzlos gestrichen. Durch diese Anpassungen kann der administrative Aufwand auf allen Seiten optimiert werden. Der Druck auf die Langzeitpsychotherapien bleibt jedoch erhalten. Die Versicherer haben den Freiraum selbst zu definieren, ob und allenfalls wann sie ein weiteres Verlängerungsgesuch für die Kostenübernahme oder einen anderen Vorschlag für das Therapiesetting erwarten. • Artikel 5, Physiotherapie: Dieser Artikel wurde vollständig überarbeitet und redaktio-

nell der Terminologie einer zeitgemässen Physiotherapie angepasst. Die Anpassung dürfte weitgehend volumenneutral erfolgt sein. Ausweiten dürfte sich lediglich die «lymphologische Physiotherapie». Sollten die Volumina dort deutlich zunehmen, auch wegen der Anwendung der speziellen Positionen, so müsste allenfalls eine Änderung des Tarifvertrages erwogen werden. Die lymphologische Physiotherapie kann bei korrekter Indikation postoperative Verläufe an den Extremitäten effizient verbessern. Als Volumenausgleich wurde eine Einschränkung der medizinischen Trainingstherapie in Absatz 1ter eingeführt. Diese ist nur noch kostenpflichtig nach physiotherapeutischer Einzelbehandlung und ist nach Einführung auf maximal drei Monate begrenzt. Der Inhalt des Absatzes 2 wurde präzisiert. Pro ärztliche Anordnung sind je neun Sitzungen entschädigungspflichtig, wobei die erste Behandlung innert fünf Wochen seit der ärztlichen Anordnung durchgeführt werden muss. In Absatz 5 wurde die Administration der Kostenübernahme für die Fortsetzung von bereits begonnenen Physiotherapien nach dem vollendeten 20. Altersjahr bei Personen mit Geburtsgebrechen vereinfacht. • Artikel 6, Ergotherapie: Die Absätze 2 und 5 wurden dem Physiotherapietext angepasst. Die erste Behandlung muss innerhalb acht Wochen seit der Verordnung begonnen werden. • Artikel 12, Massnahmen der Prävention: Der ganze Artikel 12a (prophylaktische Impfungen) wurde nachgeführt und mit dem «Schweizerischen Impfplan 2009» des BAG und der Eidgenössischen Kommission für Impffragen (EKIF) verknüpft. Wesentliche Neuerungen sind: • Die Empfehlung für die Nachholimpfungen bei ungenügend geimpften Kindern und Erwachsenen (Tabellen 2, 3 und 4 des Impfplanes): Bei Erwachsenen werden gegenwärtig immer noch keine Nachholimpfungen gegen Pertussis (Keuchhusten) empfohlen. Epidemiologisch wichtig sind die Programme für einen verbesserten Impfschutz der Bevölkerung gegen Masern. • Spezifische Empfehlungen von Impfungen für Frühgeborene als spezielle Risikogruppe: Nicht aufgenommen in die Impfempfehlung ist die Rotavirenimpfung. Rotaviren sind die Haupt­ ursache hospitalisierungsbedürftiger Durchfälle bei Kleinkindern. Dagegen gibt es wirksame und nebenwirkungsarme Impfungen. Da die Durchfallerkrankungen nur kurz dauern, keine Langzeitschäden hinterlassen und praktisch nie tödlich verlaufen, ist das Kosten-/Nutzenverhältnis nach ausführlichen Abklärungen nicht gegeben.

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Foto: Keystone

nachweis wird die Leistungspflicht hoch intensiver fokussierter Ultraschallwellen zur Behandlung des Prostatakarzinoms verneint. • 2 Innere Medizin: Wegen der Komplexität der Abklärungen wurde die Befristung für Bandscheibenprothesen, interspinöse dynamische Stabilisierungssysteme der Wirbelsäule und dynamische Stabilisierung der Wirbelsäule um ein Jahr bis Ende Dezember 2010 verlängert. • 3 Gynäkologie, Geburtshilfe: Der radiologische und Ultraschall gesteuerte minimal invasive Eingriffe in der Brust zur Klärung eines Krebsverdachtes wurde aus der Befristung entlassen. Voraussetzungen sind die Richtlinien der Gesellschaft für Senologie vom 2. April 2009.

• Pneumokokkenimpfungen sind nun bei Personen ab 65 Jahren generell leistungspflichtig. Pneumokokken sind die häufigste Ursache für spitalbedürftige Lungenentzündungen und das Kosten-/Nutzenverhältnis ist eindeutig gegeben. Der Impfstoff schützt nach einmaliger Impfung ca. fünf Jahre. Der Schutz vor pneumokokkeninduzierten Lungen-, Mittelohr-, Nasennebenhöhlen- und Hirnhautentzündungen beträgt über 90 Prozent. Er kann zusammen mit der ebenfalls ab 65 Jahren kostenpflichtigen Grippenimpfung verabreicht werden. Diese muss hingegen jährlich wiederholt werden, da sich diese Viren stets etwas wandeln. • Der Artikel 12b (Massnahmen zur Prophylaxe von Krankheiten) wurde um die HIV-Expositionsprophylaxe (medikamentöse Behandlung, welche nach einer Risikosituation die Ansteckungsgefahr verringert) und die postexpositionelle passive Immunisierung (Impfung nach Kontakt mit dem Krankheitserreger) erweitert. Mit der passiven Immunisierung werden dem Betroffenen fremde, aber voll funktionsfähige Antikörper verabreicht (meist intravenös). Damit kann die Zeit von einigen Tagen, bis der Körper nach (aktiver) Impfung seine eigenen Antikörper bereit gestellt hat überbrückt werden. Die Wirksamkeit der Therapie wird dadurch stark verbessert. Für HIV gibt es (noch) keine derartigen Therapien.

Anhang 1 KLV: • 1 Chirurgie: Die Altersgrenze der operativen Behandlung der Adipositas mit BMI über 40 wurde wegen Fortschritten der Behandlung von 60 auf 65 Jahre angehoben. Wegen fehlendem Wirkungs-

• 4 Pädiatrie, Kinderpsychiatrie: Wegen lange dauernden und anspruchsvollen Tarifverhandlungen wurde die Befristung der Behandlung massiv übergewichtiger Kinder um ein Jahr bis Ende 2013 verlängert. • 5 Dermatologie: Ein Therapiekonzept auf der Basis pulsierender akustischer Wellen (PACE) zur Behandlung akuter und chronischer Weichteilstörungen wie «offenen» Beinen etc. wurde als Leistungspflicht abgelehnt. • 9 Radiologie: Ebenfalls abgelehnt wird die Radiotherapie mit radioaktiv beschichteten, in der Leber platzierten «Kügelchen», zur Behandlung des inoperablen Leberzellkarzinoms und inoperabler Lebermetastasen. • 11 Rehabilitation: Diese Ziffer wurde ergänzt von Patienten mit Herz-Kreislauferkrankung zu Diabetes mellitus und Patienten mit peripher arterieller Verschlusskrankheit (sogenannte Raucherbeine). Gerade diese Krankengruppe hat eine sehr schlechte Prognose sowohl bezüglich der Progression der Verschlusskrankheit wie auch der Lebenserwartung. Klar strukturierte ambulante Rehabilitationsprogramme in Gruppen zeigen wissenschaftlich fundierte positive Wirkungen. Das gleiche gilt für Diabetiker. Das Anforderungsprofil ist für alle drei Bereiche klar definiert. Im Grundsatz erfolgt die Rehabilitation ambulant. Das BAG stellt klar: Das bedeutet nicht, dass auf eine stationäre eine zusätzliche ambulante Therapie folgt. Der Sinn der Anpassung ist, die Rehabilitation wenn möglich direkt ambulant durchzuführen. Die stationäre kardiale Rehabilitation kann erwogen werden, wenn ein erhöhtes kardiales Risiko, eine verminderte Leistung des Myokards oder weitere Komorbiditäten (zusätzliche Erkrankungen) vorliegen.

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Aus aller Welt

Service

Informationen unter www.hitzewelle.ch

Das BAG informiert über die Folgen der Hitze

Foto: Keystone

Seit dem Sommer 2003 hat die Hitze in der Schweiz 975 Todesopfer gefordert. Betroffen sind vor allem ältere Menschen. Seit 2005 veröffentlichen das Bundesamt für Gesundheit (BAG) und das Bundesamt für Umwelt (BAFU) Informationsmaterial zum Schutz gegen die Hitze. Damit sollen Angehörige, Pflegepersonal, Ärzte und die älteren Personen selber für die Risiken grosser Hitze und mögliche Schutzmassnahmen sensibilisiert werden. Die Dokumente sind auf der Website des BAG unter www.hitzewelle.ch aufgeschaltet. Die wichtigsten Massnahmen finden sich im Flyer «Heisse Tage – kühle Köpfe» und dem Faktenblatt «Vorsorge treffen – Todesfälle verhindern». Das BAG empfiehlt im Falle grosser Hitze für Betagte und Pflegebedürftige drei goldene Regeln: • Anstrengungen vermeiden • Hitze aussperren – Körper kühlen • Viel trinken (mindestens anderthalb Liter täglich) – leicht essen. Die Symptome von Hitzeschlag und Wassermangel sind eine erhöhte Temperatur, ein ausgetrockneter Mund, ein schneller Puls, Schlafschwierigkeiten, Kopfschmerzen, Übelkeit, Müdigkeit, Verwirrtheit oder Schwindelgefühl. In solchen Fällen sollte die betroffene Person rasch Flüssigkeit erhalten und mit feuchten Tüchern gekühlt werden. In schweren Fällen braucht es ärztliche Hilfe.

Ungerecht verteilt Die Unterschiede in der medizinischen Versorgung sind laut WHO sowohl weltweit als auch innerhalb der einzelnen Staaten in den letzten 30 Jahren gestiegen. Die Lebenserwartung in Japan liegt 42 Jahre höher als im afrikanischen Lesotho. Wer in bestimmten Vororten von Glasgow aufwächst, lebt im Durchschnitt 28 Jahre weniger lang als ein Bewohner der Innenstadt.

Kind von totem Ehemann Eine 39jährige Französin will vor Gericht das Recht erkämpfen, sich mit dem tiefgefrorenen Samen ihres verstorbenen Ehemanns befruchten zu lassen. In den meisten europäischen Ländern ist – anders als in den USA – die künstliche Befruchtung nach dem Tod des Samenspenders verboten.

Flussblindheit Die WHO steht davor, die Flussblindheit komplett auszurotten. In Senegal gibt es dank eines Therapieprogramms bereits keine Neuerkrankungen mehr. Die Flussblindheit wird durch Würmer verursacht, die in der Haut der Opfer leben. Deren Larven greifen die Augen an und führen zur Erblindung. In Afrika sind 37 Millionen Menschen betroffen.

Ärzte besetzen Kathedrale In der dominikanischen Republik haben Ärzte eine Kathedrale besetzt. Sie wollen das Gotteshaus erst wieder verlassen, wenn sie ihre Lohnzahlungen erhalten und wenn die Regierung etwas gegen die Korruption im Gesundheitswesen unternimmt.

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Veranstaltungen Veranstalter

Besonderes

Datum/Ort

Weitere Informationen

18./19. September Hotel Hilton Basel

www.asda-alumni.ch

santésuisse informiert über die Prämienerhöhungen 2010 und wie es dazu kam

22. September santésuisse, Waisenhausplatz, Bern

www.santesuisse.ch

Fachausstellung mit vielen Referaten und Workshops

23./24. September www.ehealthcare.ch Paraplegigerzentrum Nottwil LU

2. ASDA Schweiz Alumni-Tagung Schweizerische Vereinigung der diplomierten Versicherungsfachleute

Tagungs-Motto: Neue Chancen für Finanzdienstleister

Medienkonferenz «Hintergründe zu den Prämien 2010» santésuisse

Kongress ehealthcare.ch ehealthcare.ch

STAS – Schweizerische Tagung für Arbeitssicherheit Suva

Thema: Erfolgreiches Risiko-Management, 50% weniger Unfälle im Unternehmen

22. Oktober KKL Luzern

www.suva.ch

19. September Exhibition Center, Large Festival Hall, Basel

www.congress-info.ch/ wonca2009

Wonca Europe 2009 conference Schweiz. Gesellschaft für Allgemeinmedizin SGAM/ Wonca Europe

santésuisse führt mit SGAM, SGIM, SBK und Public Health Schweiz einen Workshop über die Zukunft der Grundversorger durch

Zeichnung: Marc Roulin

Melden Sie uns Ihre Veranstaltungen an: redaktion@santesuisse.ch! Weitere Veranstaltungen unter www.santesuisse.ch

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Service

Studie des Inselspitals und Medi24 zur Telemedizin

Medizinische Telefonberatung: Kein gesundheitliches Risiko Wer die Dienste der medizinischen Telefonberatung in Anspruch nimmt, geht kein gesundheitliches Risiko ein. Dies unter der Voraussetzung, dass der Beratungsdienst mit qualifiziertem, medizinischen Personal und optimalen Computerprogrammen arbeitet. Dies ergibt eine neue Studie, die das Telemedizin-Unternehmen Medi24 in Zusammenarbeit mit dem Notfallzentrum des Inselspitals durchgeführt hat. Die Untersuchung war so angelegt, dass die Patienten vom Notfallzentrum aus zuerst beim Telemedizinischen Konsultationszentrum von Medi24 Rat suchten. Danach beurteilten die Spitalärzte vor Ort die Dringlichkeit des jeweiligen Falles. Als dritte Instanz gaben nachträglich die Hausärzte ihre Beurteilung ab. Von den insgesamt in die Studie einbezogenen 208 Personen konnten 153 von allen drei Instanzen beurteilt werden. Abschliessend wurde un-

tersucht, inwieweit die Dringlichkeitsempfehlungen der drei Instanzen voneinander abwichen. In 80 Prozent der Fälle stuften alle drei Instanzen die Dringlichkeit gleich ein. Bei einem Fünftel der Fälle kam es zu Abweichungen, die anschliessend von einem Expertengremium diskutiert wurden. Das Telemedizinische Konsultationszentrum war bei 14 Prozent der Patienten vorsichtiger als die Mediziner, mit anderen Worten: Es schätzte die Dringlichkeit eher höher ein. Bei sechs Prozent der Patienten befanden die Fachpersonen von Medi24 die Fälle als weniger dringlich. Ein theoretisch denkbares Gesundheitsrisiko bestand allerdings nur in einem einzigen Fall von 153. Laut Medi24 ist diese Quote nicht schlechter als, bei einem Hausarzt oder bei einer Notfallstation zu erwarten wäre.

Apothekerverband und BAG mit Impfberatungsprogramm

Impfstatus überprüfen in 480 Schweizer Apotheken mit Impffragen befasst haben und die Gewissheit über ihren derzeitigen Impfschutz haben möchten. Die Aktion ist vom Schweizerischen Apothekerverband in Zusammenarbeit mit dem Bundesamt für Gesundheit entwickelt worden und wird von der FMH mitgetragen. Die Aktion wird von einer Studie der Universität Zürich begleitet, die den Stand der Durchimpfung in der erwachsenen Bevölkerung erhebt. Die speziell eingerichteten Apotheken werden rechtzeitig publiziert.

Foto: Keystone

Vom 12. Oktober bis zum 7. November findet in 480 Schweizer Apotheken die Aktion «Noch geschützt?» statt. Interessierte Personen lassen ihren Impfausweis elektronisch erfassen. Eine Software errechnet den aktuellen Impfschutz und informiert, ob Nachhol- und Auffrischimpfungen nötig sind. Die speziell geschulten Fachleute in der Apotheke beantworten persönliche Fragen zum Thema Impfen. Die Aktion richtet sich an Jugendliche und Erwachsene, die sich schon eine Weile nicht mehr

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PROGRAMM PLENUM Integrierte Versorgung – gesundheitsÜkonomische und evaluatorische Betrachtung PD Dr. Konstantin Beck, CSS Institut fßr empirische GesundheitsÜkonomie, Luzern Das Finnische Asthma Programm – ein Modellfall fßr Disease Management und Integrierte Versorgung Prof. Tari Haahtela, Helsinki University Hospital Integrierte Versorgung und Hausarztmedizin – ein Widerspruch? Prof. Thomas S. Bodenheimer, University of California, San Francisco

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Anreizorientierte und vergleichende Betrachtung der Integrierten Versorgung Prof. Katharina Janus, Columbia University, New York Im Anschluss an die Referate werden die Referenten durch Prof. Thomas D. Szucs und das Plenum befragt.

3$5$//(/9(5$167$/781*(1 A – Moderated expert discussion with opening lecture Prof. Thomas S. Bodenheimer, University of California B – Moderiertes Expertengespräch mit EinfĂźhrungsreferat Prof. Katharina Janus, Columbia University C Âą 0HWKRGLN :RUNVKRS ‡ ,QWHJULHUWH 9HUVRUJXQJ Âą JHVXQGKHLWV|NRQRPLVFKH 6LFKW Dr. Holger Auerbach, Stv. Institutsleiter WIG, ZHAW

6&+:(,=(5,6&+(5 .21*5(66 )h5 *(681'+(,76g.2120,( 81' *(681'+(,76 :,66(16&+$)7(1

' Âą :RUNVKRS ‡ 3UDNWLVFKH $VSHNWH GHU ,QWHJULHUWHQ 9HUVRUJXQJ Âą GUHL 3URMHNW berichte mit anschliessender Diskussion ‡ *HVXQGKHLWVQHW] , Dr. med. Jana Alexandra Faehnrich, Leitung Kommunikationsplattform ‡ 8*20 8QWHUQHKPHQ *HVXQGKHLW 2EHUSIDO] 0LWWH Dr. Thomas Bahr, GeschäftsfĂźhrer ‡ HSKD FK Âą (OHNWURQLVFKHV 9HUVFKUHLEHQ YRQ 0HGLNDPHQWHQ, Marco Egbring, MD, MBA HSG, Co-founder of EPha.ch E – Hearing im Plenarsaal zur Integrierten Versorgung PD Dr. Konstantin Beck, CSS Institut fĂźr empirische GesundheitsĂśkonomie ‡ 'U PHG -|UJ )ULWVFKL bU]WHQHW]ZHUN PHG VZLVV QHW ‡ /LF LXU 0DULDQQH 3ÂżVWHU 3URMHNWOHLWHULQ 6ZLVV 0DQDJHG &DUH 1HWZRUN ‡ 'U PHG 6WHIDQ 6FKLQGOHU /HLWHU 6:,&$ *HVXQGKHLWV]HQWUHQ ‡ 'U PHG &KULVWLDQ 6LPRQLQ 0LWJOLHG *HVFKlIWVOHLWXQJ 6DQDFDUH $* Vorsitz: Florian Inhauser, Schweizer Fernsehen

PLENUM 9HUOHLKXQJ GHV 06' *HVXQGKHLWV|NRQRPLHSUHLVHV ,PSXOVUHIHUDW Š,QWHJULHUWH 9HUVRUJXQJÂŞ Âą DOWHU :HLQ LQ QHXHQ 6FKOlXFKHQ" 6FKODJZRUWH +RIIQXQJVVFKLPPHU XQG 5HDOLWlWHQ Manfred Manser, Vorsitzender Konzernleitung Helsana-Gruppe Gipfelgespräch zum Kongressthema 'U PHG ,JQD]LR &DVVLV 1DWLRQDOUDW XQG 9L]HSUlVLGHQW )0+ ‡ 3URI .DWKDULQD -DQXV Columbia University ‡ 0DQIUHG 0DQVHU 9RUVLW]HQGHU .RQ]HUQOHLWXQJ +HOVDQD *UXSSH ‡ Dr. Willy Oggier, GesundheitsĂśkonomische Beratungen Gesprächsleitung: Florian Inhauser, Schweizer Fernsehen

)5(,7$* 2.72%(5 ,16(/63,7$/ %(51 $8',725,80 (7725( 5266,

3DWURQDW 6FKZHL]HULVFKH $UEHLWVJHPHLQVFKDIW IÂ U *HVXQGKHLWV|NRQRPLH

SAG/ASE

'(5 .21*5(66 ,67 (,1 )257%,/'81*6 (1*$*(0(17 '(5 06'

SKGG, Schachenstrasse 21, Postfach, 4702 Oensingen Telefon +41 (0)62 396 10 49, Fax +41 (0)62 396 24 10, info@kuenzicons.ch Bild: Š Bern Tourismus


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