infosantésuisse Nr. 07/2010 deutsch

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info santĂŠsuisse

sondage santĂŠ 2010

Das Magazin der Schweizer Krankenversicherer


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Die sondage santé zeigt den Krankenversicherern auf, in welchen Bereichen Verbesserungen möglich und nötig sind

Diabetiker und die Krankenkassen zahlen zu viel für Blutzuckerteststreifen. Dass es auch billig geht, zeigen das Ausland und ein Versandhändler in der Schweiz

Geschichten zum Schmunzeln aus der medizinischen Wundertüte sind in einem spannenden, unterhaltsamen Buch versammelt

Inhalt Im Fokus

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sondage santé zeigt: Die Versicherten wollen den Spagat Wes Brot ich ess des Lied ich sing? Meinungsumfragen im Vergleich Punktlandung: Wissensdefizite müssen abgebaut werden Drei Fragen an: Was ein Branding-Profi von den Krankenkassen hält

Gesundheitswesen

1 0 Die MiGeL-Preise sind zu hoch, santésuisse reagiert 12 Wie sich die Schweizer Bevölkerung bewegt und isst 14 Kuriose medizinische Geschichten – unglaublich, aber wahr 16 Erfolgreiche Qualifikationsverfahren bei den Lehrlingen 17 59 Krankenversicherungsfachleute liefern Topergebnis 18 SwissDRG: die Datenlieferung wird zum Stolperstein Rubriken

1 3 Grafik des Monats: Die Gesundheit ist den Schweizern viel wert 19 Bild des Monats: Zurück in die Sommerferien 20 Klipp&klar: Empfehlung zu Kostengutsprachen rund um verlagerte Eckzähne 21 Service: Dermatologische Konsultationen gibt es erstmals online 21 Aus aller Welt

Nr. 7, september 2010. Erscheint zehnmal jährlich Abonnementspreis Fr. 69.− pro Jahr, Einzelnummer Fr. 10.− Herausgeber und Administration santésuisse, Die Schweizer Krankenversicherer, Römerstrasse 20, Postfach, 4502 Solothurn Verantwortliche Redaktion Silvia Schütz, Abteilung Politik und Kommunikation, Postfach, 4502 Solothurn, Tel. 032 625 42 25, Fax 032 625 41 51, E-Mail: redaktion@santesuisse.ch Herstellung: Rub Graf-Lehmann, Murtenstrasse 40, 3001 Bern Gestaltungskonzept: Pomcany’s Layout: Henriette Lux Anzeigenverwaltung: Alle Inserate − auch Stelleninserate − sind zu richten an: «infosantésuisse», Römerstrasse 20, Postfach, 4502 Solothurn E-Mail: redaktion@santesuisse.ch Abonnementsverwaltung Tel. 032 625 42 74, Fax 032 625 41 51 Homepage: www.santesuisse.ch Titelbild: Prisma/santésuisse ISSN 1660-7228


Den Krankenkassen wird der Spiegel vorgehalten Es gibt eine schöne, chinesische Geschichte rund um einen Spiegel. Sie geht so: In einem abgelegenen Dorf erhält eine junge, hübsche Frau von ihrem Mann einen Spiegel. Da ihr dieses Phänomen völlig unbekannt ist, bricht sie nach dem Blick auf das Ding in Tränen aus. «Er hat eine andere, schöne junge Frau gefunden!», schluchzt sie und überreicht das vermeintliche Bild der Neuen ihrer Mutter. Die blickt ebenfalls in den Spiegel und murrt: «Wegen dieser alten Hexe brauchst du dir wirklich keine Sorgen zu machen». In dieser Nummer von infosantésuisse wird den Krankenkassen der Spiegel vorgehalten. Die repräsentative, grosse Umfrage sondage santé zeigt mal das schöne Gesicht der Krankenkassen, mal tendiert es eher zur Hexe. Im Unterschied zur chinesischen Geschichte wird das Urteil von einer aussenstehenden Instanz gefällt – von der Schweizer Bevölkerung. Lesen Sie ausführlich, wie die Krankenkassen bei ihren Kunden abschneiden. Um den Blick von aussen zu ergänzen, fragten wir den CEO einer Branding-Firma, was ihm beim Stichwort Krankenkassen durch den Kopf geht. Eines vorweg: ziemlich viel. Dabei legt er das Schwergewicht weniger auf eine Bestandesaufnahme des Ist-Zustands als vielmehr auf den erstrebenswerten, künftigen «Auftritt» der Branche. Spieglein, Spieglein an der Wand, wer ist die Schönste im ganzen Land? war als rhetorische Frage gedacht. Die Antwort folgte im Märchen nicht dieser Absicht der Fragestellerin. In der Realität können Fragen durchaus die erwünschte Antwort hervorrufen. Das zeigt der Blick auf die Fragestellung von zwei unterschiedlichen Meinungsumfragen zum Thema Managed Care (Integrierte Versorgung). Ab Seite 10 legen wir den Spiegel weg und fokussieren wieder auf den Alltag: Zu hohe Preise im Bereich MiGeL, zu wenig Daten bei SwissDRG, zu hohe Ausgaben in den Gesundheitssystemen. Ich wünsche Ihnen gute Lektüre!

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Silvia Schütz Chefredaktorin infosantésuisse


sondage santé zeigt das Dilemma auf, in dem die Krankenversicherer seit Jahren stecken

Versicherte wollen hohe Qualität beibehalten und gleichzeitig sparen – aber nicht selbst Ohne Qualitätseinbussen und Einschränkung der Wahlfreiheit Kosten im Gesundheitswesen sparen? Ein Dilemma, das nur mit neuen Denkansätzen überwunden werden kann. Die sondage santé versuchte zu ergründen, ob die Bevölkerung dazu bereit wäre.

Dringend sparen

79 Prozent der Befragten sind der Meinung, im Gesundheitswesen müsse sehr oder eher dringend gespart werden. Die Ursachen der jährlichen Prämien­ erhöhungen vermuten 47 Prozent der

Foto: Prisma

In der jährlichen repräsentativen Bevölkerungsumfrage werden jeweils vier Themenbereiche untersucht: Einstellungen zu gesundheitspolitischen Fragen, Meinungen zum System der Krankenversicherung, Wissen und Einstellungen zu den Krankenversicherern

sowie Hinweise zur persönlichen Situation der Versicherten. Die Lagebeurteilung soll den Krankenversicherern eine Betrachtung des Systems aus der Sicht der Versicherten und der Stimmberechtigten ermöglichen, tragen sie doch mit ihrem Verhalten und periodisch auch mit dem Stimmzettel massgebend zur künftigen Ausgestaltung des schweizerischen Gesundheitswesens bei.

Befragten auf der Seite der Leistungsempfänger (häufige Arztbesuche, Alterung der Gesellschaft, Gesundheitszustand). Ein ebenso grosser Anteil sieht die Ursache aber auch auf der Seite der Leistungserbringer (Medikamente, Spitzenmedizin, fehlende Sparbereitschaft). Ein Viertel der Befragten vermutet wirtschaftliche (allgemeine Teuerung) oder politische Gründe. Ein Zehntel der Befragten macht die Krankenversicherer für die Prämienerhöhungen verantwortlich. Wo sparen?

Die Rangliste 2009 der Sparziele hat sich nicht verändert. An erster Stelle würden die Befragten beim Verschreiben von Medikamenten sparen (85 Prozent). An zweiter Stelle folgen die Dienstleistungen der Krankenversicherer (65 Prozent) und an dritter Stelle der Einsatz von Geräten und Methoden der Spitzenmedizin (60 Prozent). Hier werden offensichtlich Sparmöglichkeiten vermutet, die nicht unmittelbar mit persönlichen Nachteilen verbunden sind. Solche Vorschläge werden jeweils nur noch von etwa der Hälfte der Befragten befürwortet: ärztliche Behandlungen, Anzahl Apotheken, Spitäler und Arztpraxen oder präventive Massnahmen. Nur noch eine Minderheit der Befragten würde bei Therapien für die Rehabilitation, bei der medizinischen Forschung, den Pflegeheimen oder bei den SpitexDienstleistungen sparen. Telefonische Beratungsdienste im Aufwind

Unter der Lupe vergrössern sich auch die Verwaltungskosten der Krankenversicherer um den Faktor 6. Real sind es 5,2 Prozent. Schätzung der Versicherten: 33 Prozent.

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Das persönliche Kostenbewusstsein hat eher wieder etwas nachgelassen. Für 41 Prozent (2009: 37 Prozent) der Befragten spielen die Kosten keine Rolle, wenn es um die Gesundheit geht. Gleichzeitig hat die Belastung durch die Prämien wieder nachgelassen. Nur noch 21 Prozent (2009: 29 Prozent) empfinden die Prämien als zu hoch. Erneut zugenommen hat die Bereitschaft, bei einem gesundheitlichen Problem zuerst einen telefonischen Beratungsdienst anzurufen. 63 Prozent würden davon profitieren. 49 Prozent (2009:


WO SOLL IM GESUNDHEITSWESEN GESPART WERDEN? VERSCHREIBEN VON MEDIKAMENTEN DIENSTLEISTUNGEN KRANKENVERSICHERER SPITZENMEDIZIN ÄRZTLICHEN BEHANDLUNGEN ANZAHL APOTHEKEN ANZAHL SPITÄLER

43 Prozent) der Befragen würden bei der Auswahl von Ärzten, Spitälern usw. den Empfehlungen der Krankenkasse folgen.

ANZAHL ARZTPRAXEN PRÄVENTIVE MASSNAHMEN THERAPIEN FÜR DIE REHABILITATION MEDIZINISCHE FORSCHUNG

Kennen Sie Managed Care?

ANZAHL PFLEGEHEIMEN SPITEX DIENSTLEISTUNGEN 0%

10% 20% 30% 40% 50% 60% 70% 80% 90% 2010

2009

Sparen, wo nicht unmittelbare persönliche Nachteile vermutet werden.

NUTZEN DER KRANKENVERSICHERUNG RECHNUNGEN BEGLEICHEN

RATSCHLÄGE GESUNDHEITSFÖRDERUNG

MEDIZINISCHER BERATUNGSDIENST

SCHUTZ VOR FINANZIELLEN PROBLEMEN

PREIS-LEISTUNGSVERHÄLTNIS 0% TRIFFT ZU

10% 20% 30% 40% 50% 60% 70% 80% 90% 100%

TRIFFT NICHT ZU

NOCH NIE GEHÖRT

W.N./K.A.

Hauptnutzen: Die Krankenversicherung kontrolliert und bezahlt die Rechnungen.

BELASTUNG DER PRÄMIE FÜR DIE GRUNDVERSICHERUNG 60% 50% KEIN PROBLEM

40% 30%

HOCH, ABER TRAGBAR

20% 10%

ZU HOCH FÜR MEINE VERHÄLTNISSE

0% 2004

2005

2006

2007

2008

2009

Es lohnt sich, die Versicherten als Konsumenten zu betrachten, die eigennützig überlegen, welche Dienstleistungen ihnen im Falle von gesundheitlichen Problemen ihre Bedürfnisse am besten erfüllen, Produkte, die den heutigen Konsumgewohnheiten entsprechen müssen: rasch, jederzeit, unkompliziert, preiswert. Wie Grossverteiler müssen auch Leistungserbringer im Gesundheitswesen deshalb neue Produkte zuerst bekannt machen und erklären. Managed Care wäre durchaus eine Idee mit Marktpotenzial. Um die Bekanntheit steht es gar nicht so schlecht. 65 Prozent der Befragten haben schon von Netzwerken gehört, in denen Ärzte verschiedenster Fachrichtungen, Spitäler und medizinische Fachpersonen zusammenarbeiten. Ebenso viele sehen Managed Care als Massnahme zum Kostensparen. Die Bekanntheit ist allerdings stark vom Bildungsniveau abhängig. Managed Care ist nur bei 47 Prozent der Personen mit Volksschule als höchstem Schulabschluss bekannt, bei Personen mit Mittelschule oder höheren Ausbildungen sind es 73 Prozent. Diese Ergebnisse deuten auf Informationsdefizite hin. Das bedeutet aber auch, dass die Beantwortung von Einstellungsfragen – vorsichtig ausgedrückt – nicht immer in voller Kenntnis der Sachlage erfolgen und deshalb mit entsprechender Zurückhaltung interpretiert werden müssen. Man gibt über die Fahreigenschaften des neuen Jaguars Auskunft, ohne damit gefahren zu sein. Positiv: alles unter einem Dach

2010

Die Belastung durch die Prämien für die Grundversicherung hat wieder etwas nachgelassen.

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Im Gegensatz zum Kauf eines Jaguars ist die Teilnahme an einem Managed Care-Modell aber allen möglich, ein vertiefter Blick auf die Einstellungen zu diesem Produkt also trotz aller Vorsicht interessant. Dabei lässt sich eine insgesamt positive Beurteilung erkennen.


PERSÖNLICHES KOSTENBEWUSSTSEIN 100% 90% 80% 70% 60%

Dass unter einem Dach immer eine Fachperson zur Verfügung steht, finden 77 Prozent positiv und dass dank deren Zusammenarbeit die Versorgungsqualität erhöht wird, schätzen 69 Prozent der Befragten. Umgekehrt befürchten nur 34 Prozent eine schlechtere Behandlungsqualität bzw. 27 Prozent der Befragten, dass sie zwar tiefe Prämien zahlen, dafür aber auch längere Wartezeiten in Kauf nehmen müssten.

50% 40% 30% KRANKENKASSE SOLL ARZTRECHNUNGEN KONTROLLIEREN

20%

Reizthema freie Arztwahl

KONTROLLIERE ARZTRECHNUNGEN KÖNNTE BEI TELEFONISCHEM BERATUNGSDIENST ANRUFEN

10%

Konsumenten wollen freien Zugang und unbeschränkte Auswahl. So möchten 55 Prozent der Befragten den Arzt lieber selber wählen und dafür höhere Prämien bezahlen. Und nur 36 Prozent sind sehr oder eher dafür, dass der Selbstbehalt für Versicherte ohne Managed Care in der Grundversiche-

KOSTEN SPIELEN KEINE ROLLE FOLGE DEN EMPFEHLUNGEN DER KRANKENKASSE

0%

2003

2004

2005

2006

2007

2008

2009

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Zunehmende Akzeptanz von telefonischen Beratungsdiensten.

Managed Care-Umfragen: Unwissen verleiht Macht Man erinnert sich: In der von interpharma in Auftrag gegebenen Umfrage Gesundheitsmonitor 2010 gaben 10 Prozent der Versicherten an, in einem Managed Care-Modell versichert zu sein, in Tat und Wahrheit sind es 30 Prozent1. Und auch der Vergleich der Umfragen Gesundheitsmonitor und sondage santé zeigt, dass Managed Care in der Pharmaumfrage schlechter abschneidet. Wie sind diese Diskrepanzen zu erklären? «Schuld am Imageproblem (von Managed Care) ist nicht nur die Pharmalobby, die mit Umfragen Stimmung macht. Sondern auch (…) die Krankenkassen», kommentierte die Sonntagszeitung. Die Pharmalobby wolle durch Stimmungsmache ihre Pfründen retten und die Kassen hätten die integrierte Versorgung falsch verkauft, indem sie den Spareffekt statt den Qualitätsgewinn betonten. Auf einen weiteren Punkt weist die NZZ hin: «In der Pharmastudie haben sich eine Mehrheit der Befragten grundsätzlich viel kritischer zu Managed Care geäussert als in der santésuisse-Umfrage – was zeigt, dass Studien je nach Auftraggeber und Art der gestellten Fragen unterschiedliche Resultate zutage fördern». Diese Aussagen werden durch den Vergleich der beiden Studien bestätigt. Für die unterschiedlichen Resultate gibt es zwei Begründungen. Erstens: sondage santé stellt in ausführlichen, erklärenden Fragen die Organisation in Leistungserbringer-Netzwerken in den Mittelpunkt. Anders als der Gesundheitsmonitor konzentriert sie sich nicht auf Fragen rund um den beschränkt bekannten Namen Managed Care. Die Auswertung der Umfragen nach sozialen Merkmalen zeigt nämlich, dass Wissensdefizite bestehen. Das hat zur Folge, dass die Beantwortung von Einstellungsfragen eher aus dem Bauch heraus und nicht in voller Kenntnis der Sachlage erfolgt. Deshalb müssen solche Fragen zweitens mit entsprechender Zurückhaltung interpretiert werden. Das Unwissen der Antwortenden ist die Macht der Interpretierenden.

Die Macht der suggestiven Fragen Suggestive Fragen sind ein machtvolles Instrument, um gewünschte Antworten zu erhalten. Gesundheitsmonitor: Chronisch Kranke sollten nicht mit höheren Selbstbehalten bestraft, sondern durch gute Qualität für Managed Care gewonnen werden. 84 Prozent sind voll oder eher einverstanden. sondage santé: Der Selbstbehalt soll für Versicherte mit Managed Care (HMO, Hausarztmodelle) bei 10 Prozent bleiben. Für alle andern soll er auf 20 Prozent verdoppelt werden. 68 Prozent sind voll oder eher nicht einverstanden. Die Solidarität zwischen Gesunden und Kranken ist ein ausgesprochen breit abgestützter Wert (79 Prozent). So gesehen ist zu verstehen, dass nur wenige Leute chronisch Kranke bestrafen möchten und die Frage entsprechend beantworten. Der Schluss darf gezogen werden, dass die Ablehnung im Gesundheitsmonitor wegen der Fragestellung drastischer ausfällt als in der sondge santé. Ähnliche Fragen, ähnliche Resultate Werden Fragen ähnlich gestellt, liegen auch die Resultate näher beieinander: Managed Care ist eine wichtige Massnahme, um im Gesundheitsweisen Kosten zu sparen (sondage santé) Managed Care-Modelle sind wichtig für Kostendämpfung im Gesundheitswesen (Gesundheitsmonitor). Im Falle des Gesundheitsmonitors sind 75 Prozent voll oder eher einverstanden, während der sondage santé antworten 65 Prozent mit «trifft zu». Unterschiedliche Fragen zum gleichen Thema und Fragen zu unterschiedlichen Themen machen Umfragen schwer vergleichbar. Wie gefragt wird, spielt eine Rolle. Ebenso wichtig ist, was bei der Präsentation der Ergebnisse betont wird. Silvia Schütz Statistik der obligatorischen Krankenversicherung 2008, BAG.

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Nutzen der Krankenversicherung

Immer wieder ins Visier von Kritikern geraten die Verwaltungskosten der Krankenversicherer. Es erstaunt darum nicht, dass sie so massiv überschätzt werden: 33 Prozent beträgt der Durchschnitt der Schätzungen, also fünfmal zu viel. Dies lässt darauf schliessen, dass die Konsumenten zwar die Haupteigenschaften der Krankenversicherung kennen und nutzen, aber viel zu wenig über die Hintergründe wissen. Deshalb die Frage: Wo sehen die Versicherten bzw. Konsumenten den Nutzen ihrer Krankenversicherung? 80 Prozent begrüssen, dass sie Rechnungen kontrolliert und begleicht, 70 Prozent schätzen Ratschläge zur Gesundheitsförderung und 67 Prozent erkennen einen Nutzen in den medizinischen Beratungsdiensten per Telefon oder im Internet. Leistungen also, die einem das Leben erleichtern. Dass die Krankenversicherung aber im Krankheitsfall vor finanziellen Problemen schützt, erkennen nur 54 Prozent als Nutzen. Gar nur 41 Prozent sind der Ansicht, die Krankenversicherungen sorgten für ein gutes Preis-Leistungsverhältnis bei Ärzten, Spitälern und Medikamenten. Das eingangs angesprochene Dilemma könnte vielleicht überwunden werden, wenn es gelingt, gleichzeitig den individuellen Nutzen und die Kosten zu optimieren. franz neff

Die sondage santé wurde 2010 bereits zum achten Mal durchgeführt. In der vom Marktforschungsinstitut DemoSCOPE durchgeführten repräsentativen Telefonbefragung nahmen im Juni 1218 Personen Stellung zu Fragen des Gesundheitswesens und der Krankenversicherung.

Punktlandung

rung auf 20 Prozent verdoppelt wird. Noch stärker kommt diese Einstellung bei der Frage nach Alternativen zum Vertragszwang zum Ausdruck: 78 Prozent der Befragten wollen selber entscheiden, ob sie sich die Arztwahl bei tieferen Prämien einschränken lassen wollen oder nicht. Weder der Kanton (36 Prozent) noch die Krankenversicherer (44 Prozent) sollen bestimmen, mit welchen Ärzten zusammengearbeitet wird. Aus Konsumentensicht werden wohl auch die politischen Fragen beurteilt, die jedes Jahr aktualisiert gestellt werden. Die Medikamentenpreise sollen dem europäischen Durchschnitt entsprechen (90 Prozent), denn wer liebt es schon, wenn andere weniger zahlen müssen. Die Grundversicherung soll auch Behandlungen im Ausland übernehmen, falls dies bei gleichen Leistungen günstiger ist (68 Prozent). Und die neue Versichertenkarte mit Zugang für Ärzte zum elektronischen Patientendossier wird von 76 Prozent der Befragten begrüsst.

Christian Beusch

Leiter Unternehmenskommunikation Visana-Gruppe

Die Versicherer auf dem Prüfstand Die neuste sondage santé zeigt zwei Aspekte auf: Einerseits verstehen viele Versicherte nicht, wie die Krankenversicherer arbeiten. Die Studie zeigt auch auf, dass Wissensdefizite bestehen, die zu beheben sind. Beispielsweise werden die Verwaltungskosten massiv überschätzt. Die Ergebnisse zeigen andererseits auf, dass viele Menschen auch im Gesundheitswesen wie im Alltagsleben als kritische Konsumenten handeln. Sie wägen ab, wo sie für den bezahlten Preis die beste Gegenleistung erhalten. Sie sparen dort, wo nur geringe Nachteile zu erwarten sind. sondage santé belegt, dass die Versicherten durchaus offen für Neuerungen sind, sofern diese ihren persönlichen Bedürfnissen und Konsumgewohnheiten entsprechen. Ihre Bereitschaft, bei der Auswahl der Leistungserbringer den Empfehlungen der Krankenversicherer zu folgen oder deren Beratungsdienste in Anspruch zu nehmen, ist ein Beispiel dafür, die positive Grundhaltung gegenüber Managed Care-Modellen ein anderes. Bleiben wir bei den Managed Care-Modellen. Die Versicherten scheinen zu verstehen, welche Vorteile diese für sie bringen: kompetente Ansprechpartner für verschiedenste medizinische Fragen unter einem Dach, hohe Verfügbarkeit, lange Öffnungszeiten, rasche und unkomplizierte Kontakte zu Spezialärzten und Spitälern. Nur müssen wir Krankenversicherer besser als bis anhin erklären, dass die freie Wahl der ärztlichen Ansprechperson auch in Managed CareModellen möglich ist. Mit der zum achten Mal durchgeführten sondage santé verfügen die Krankenversicherer über eine unabhängige, repräsentative Basis, um Anliegen der Versicherten oder Verhaltensweisen der Konsumenten zu erkennen. Dass santésuisse die seit vielen Jahren festgestellten Wissensdefizite in einer Informationsoffensive abbauen will, trägt hoffentlich dazu bei, dass die Konsumenten – und die Stimmberechtigten – ihre Entscheidungen im Wissen um den für sie grössten Nutzen treffen können.

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3 Fragen an René Allemann, CEO der Branding Agentur Branders

«Ein Auftritt als zuverlässiger, unkomplizierter Partner» Rund 70 Prozent der Versicherten schätzen die Ratschläge und Angebote der Krankenkassen zur Gesundheitsförderung. Fast gleichviel sagen, dass für sie der medizinische Beratungsdienst nützlich ist. Dass man mit Angeboten wie diesem auf dem richtigen Weg ist, bestätigt Branding-Profi René Allemann.

sondage santé zeigt den Blick der Versicherten und Stimmberechtigten auf die Krankenkassen. Was geht einem Brander beim Stichwort Krankenkassen spontan durch den Kopf?

Kundennähe: Bei keiner anderen Marke ist die Nähe zum Kunden vermutlich derart wichtig. Die Aufgabe ist in diesem Fall, das Gefühl zu vermitteln, wirklich nah beim Kunden zu sein und ihm bei Bedarf zur Seite zu stehen. Die Krankenkasse sollte deshalb als unkomplizierter und zuverlässiger Partner auftreten. Und dies sollte an jedem Kontaktpunkt mit der Marke vermittelt werden, sei das auf der Homepage, in Broschüren, im Anschreiben, am Telefon oder im persönlichen Kontakt mit den Mitarbeitern. Marke: Die Einzigartigkeit der Marke muss deutlich sein. Eine Krankenversicherung sollte ein klares Thema besetzen und dieses dann konsistent verfolgen. Entscheidet sich eine Kasse also beispielsweise für das Thema Familie, so erlebt der Kunde das im Idealfall in jedem Kontakt mit der Marke. Angebot, Werbung, Auftritt, Kommunikationsmittel, Mitarbeiter – alles und alle verkörpern dieses Thema und tragen so zu einem konsistenten und glaubwürdigen Markenerlebnis bei. Austauschbarkeit: Die meisten Krankenkassen sind als Marke nicht gut positioniert und haben kein klares Profil. Es fehlt

ihnen an Einzigartigkeit, und sie sind deshalb austauschbar. Mit einem guten Vorsorgeangebot könnten sich Krankenkassen als Marken besser positionieren und sich je nach Angebot auch von der Konkurrenz differenzieren. Nehmen Sie beispielsweise e-balance oder den Vitaparcours. Das sind zwei Vorsorgemethoden, die aus Branding-Sicht perfekt, weil nachhaltig, funktionieren: Sie bauen eine Beziehung zum Kunden auf, wenn er gesund ist. Niemand verbindet den Zurich Vitaparcours mit Krankheit. Das fördert die positive Einstellung gegenüber einer Marke, und dem Wachsen einer partnerschaftlichen Beziehung stehen keine negativen Assoziationen im Weg. Das hilft, der Ambivalenz entgegenzuwirken, dass Krankenkassen, deren Bezeichnung es ja bereits impliziert, automatisch mit Krankheiten assoziiert werden und gleichzeitig aber ein Partner sein sollen, mit dem man eine vertrauliche Bindung eingeht und auf welchen man sich verlassen kann, wenn es schwierig wird. Authentizität: Im Zuge der zunehmenden, überall geforderten Echtheit wird auch ein authentisches und vor allem umfassendes Gesundheitsbefinden noch wichtiger werden. Der Anspruch an Gesundheit und Wellness wächst stetig, und darauf gilt es als Krankenkasse zu reagieren. Das Gesundheitsbewusstsein heutzutage ist viel grösser als noch vor einigen Jahren, Gesundheit umfasst das ganze Wohlbefinden eines Menschen. Und darauf sollten Krankenkassen eingehen. Positioniert sich die Marke als Steigerung des Wohlbefindens, erleichtert das natürlich den Aufbau einer Beziehung zum Kunden. Einfachheit und Transparenz: Ihre Umfrage zeigt, dass Patienten nicht an Kosten sparen, wenn es um die eigene Gesundheit geht und deshalb häufig in Kontakt mit Krankenkassen kommen. Wichtig ist, dass die Krankenkasse sie mit einem unbürokratischen, schnellen Ablauf belohnt. Das stärkt

IMAGE DER KRANKENVERSICHERER 100%

QUELLE: SONDAGE SANTÉ 2010

90% 80% 70% 60% 50% 40% 30% 20% 10% 0% EHER MODERN 2003

EHER FLEXIBEL 2004

2005

EHER GLAUBWÜRDIG 2006

2007

EHER TRANSPARENT 2008

2009

EHER SYMPATHISCH

EHER KUNDENFREUNDLICH

2010

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Über 50 Prozent empfinden die Krankenversicherer als eher modern, glaubwürdig, sympathisch und kundenfreundlich. Bei der in dieser Grafik nicht erfassten Vertrauenswürdigkeit fielen die Krankenversicherer vom zweiten auf den dritten Rang zurück. Mehr Vertrauen geniessen die Unfallversicherungen und die übrigen Versicherungen. Auf dem letzten Platz rangieren die Medien.


Foto: Gian Marco Castelberg (13 Photo)

2005 gründete René Allemann die Markenberatungsagentur Branders, in der heute 16 Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter tätig sind. Zu seinen Kunden gehören unter anderem Novartis, die Basellandschaftliche Kantonalbank, die «NZZ» und die Schweizerische Post.

die Kundenbindung langfristig. Wichtig hierbei ist auch Transparenz: Es soll dem Kunden einleuchten, warum Abläufe so ablaufen, wie sie das eben tun. Auch sollte das Tarifmodell einfach sein und eine Vergleichbarkeit mit anderen Anbietern muss im Bereich der Zusatzversicherung möglich sein. Spontan fällt mir als gutes Beispiel hierfür Sympany ein. Sie vermittelt genau das. Ein Zehntel der Befragten macht die Krankenversicherer für die Prämienerhöhungen verantwortlich – und wissen nicht, dass sich in den Prämien die hohen Kosten widerspiegeln. Wie kommen solche Fehlurteile zustande und wie bringt man sie wieder aus den Köpfen?

Bei einem so grossen Gesellschaftsthema, wie das Gesundheitswesen es ist, scheinen mir die zehn Prozent nicht viel. Der Verband hat bisher offensichtlich gute Aufklärungsarbeit geleistet und sollte diesen Kurs weiterverfolgen. Dafür gibt es keinen Masterplan, aber wesentliche Aufklärungsfaktoren sind unumstritten die Transparenz und das Kostenbewusstsein – beispielsweise auch bei den Werbekosten. Als Krankenkasse arbeitet man in einem Markt, wo Massnahmen zur Stärkung der Marke oder zur Imagepflege immer auch einen echten Kundennutzen bewirken müssen, weil sonst das Vertrauen schwindet und man das Gegenteil von dem bewirkt, worauf man eigentlich abzielte. Deshalb würde ich weniger in klassische Werbung investieren denn in nachhaltige Branding Massnahmen. Das Anbieten eines Gesundheitsportals, das beispielsweise einen Ernährungscheck anbietet, könnte

vielleicht einen ähnlichen Erfolg verzeichnen wie Vitaparcours oder das e-balance Portal. Das Image der Krankenversicherer hat sich in verschiedenen Bereichen wie etwa der Glaubwürdigkeit leicht verbessert. Bei der Vertrauenswürdigkeit belegen sie den dritten Platz.

Vertrauenswürdigkeit und Vertrauen an sich sind das Allerwichtigste. Die Schwierigkeit der Marke einer Krankenkasse ist, dass die Marke dem Kunden nie ganz ans Herz wächst, weil er sie direkt mit Krankheit verbindet. Um dem entgegenzuwirken, ist deshalb die Kontaktpflege in Zeiten, wo der Kunde die Hilfe einer Kasse nicht beansprucht, so ausschlaggebend. In dieser Zeit kann sie sich am besten als verlässlicher Partner etablieren; als ein Partner, der Fragen beantwortet, sich aktiv an der Vorsorge beteiligt und zeigt, dass ihm meine Gesundheit wichtig ist. So entsteht nachhaltiges Vertrauen, das eine solche Bindung zwischen Mensch und Marke zulässt. Ein wichtiges Thema, das eine Kasse in diesem Zusammenhang ebenfalls berücksichtigen sollte, ist der Lebenszyklus der Kunden. Im Idealfall begleitet die Krankenkasse einen Menschen sein Leben lang. Je älter ein Mensch wird, umso häufiger wird er die Leistungen seiner Krankenkasse in Anspruch nehmen. Je besser die Leistungen dann sind, umso grösser die Chance, dass die Kasse in einer Familie an die nächstjüngere Generation weiterempfohlen wird. InterviEw: silvia schütz

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Die behördlich festgelegten MiGeL-Preise sind zu hoch, santésuisse reagiert

Blutzuckerteststreifen kosten Millionen zu viel Ein Diabetiker, der seinen Blutzucker pro Tag drei Mal misst, braucht pro Jahr 1095 Blutzuckerteststreifen. Dafür bezahlt er momentan mehr als nötig. Und mit ihm die Krankenkassen. 50 Millionen könnten im Bereich Diabetes eingespart werden.

Ein Diabetiker, der in einer Schweizer Apotheke Blutzuckerteststreifen kauft, zahlt vermutlich 52.30 Franken für eine 50er-Packung. Pro Jahr also rund 1150 Franken. Diese Prognose beruht nicht auf dem Blick in die Kristallkugel, sondern auf demjenigen auf die behördlich festgelegten Höchstpreise1 für die Produkte auf der so genannten Mittel- und Gegenstände-Liste (MiGeL). Diese müssen durch die Krankenkassen für Diabetiker mit ärztlichem Rezept bezahlt werden. Und deshalb werden sie auch oft verlangt, selbst wenn es günstiger ginge. Der Beweis: Als der Höchstpreis für Blutzuckerteststreifen Anfang dieses Jahres um 10 Prozent gesenkt wurde, fielen prompt auch die Verkaufspreise in den Apotheken um 10 Prozent. Doch nicht nur bei Teststreifen und Messgeräten sind die vergüteten Preise zu hoch. Auch bei Inkontinenzprodukten, Wundverbänden und vielen weiteren Produktgruppen zahlen Patienten und Krankenkassen zu viel. Stephan Colombo, Ökonom bei santésuisse, geht von unnötigen Ausgaben in der Höhe von 90 Millionen aus. Preise können halbiert werden

Bei Diabetiker-Bedarf wie Blutzuckerteststreifen und Lanzetten können die jetzt bezahlten Preise teilweise sogar halbiert werden. Das zeigen die Zahlen von DynamiCARE (Tabelle 1, vertraglicher Preis), mit der santésuisse ei-

nen Vertrag abgeschlossen hat. 95 Prozent der Krankenkassen sind dem Vertrag bereits beigetreten und zahlen nun die günstigen Preise von DynamiCARE. Diese liegen weit unter den behördlich festgelegten Höchstpreisen. Das Sparpotenzial liegt auf der Hand. «Flache Hierarchie, kurze Kommunikationswege, gute Verhandlungsposition beim Hersteller», nennt Geschäftsinhaber Patrick Dressel die Gründe für seine Preise. Schweiz: der Kunde kauft, wo er will

Gespart werden kann in der Schweiz indes nur, wenn der Patient mitmacht. Er ist frei, seine Blutzuckerteststreifen zu kaufen, wo er will. Die Krankenkassen können ihm lediglich empfehlen, seine Ware im Versandhandel zu bestellen. Geliefert wird dann in den meisten Fällen direkt nach Hause, an die Wunsch-Apotheke oder den Wunsch­ arzt des Patienten. «Wir haben festgestellt, dass einige Patienten ihre Ware lieber bei einer Vertrauensperson abholen. Dem haben wir Rechnung getragen», sagt Patrick Dressel. Österreich: der Kunde kauft, wo er darf

Anders als in der Schweiz kann der Patient in Österreich seine Produkte nicht beziehen, wo er will. Die Bezugsquellen sind begrenzt und auf einer Liste aufgeführt. Die Krankenkassen in Österreich sind zentral organisiert und werden landesweit durch Lohnabzüge

Von santésuisse ausgehandelte Preise MiGeLPosition

Bezeichnung

Aktueller HVB*

Vertraglicher Preis**

Einsparungen in %

21.03.01.01.1

Blutzucker-Teststreifen, 50 Stk

52.30

26.50

~50%

21.03.01.02.1

Blutzucker-Teststreifen, 100 Stk

97.20

45.00

~55%

21.03.05.00.1

Lanzetten, 200 Stk

36.45

18.75

~50%

* Höchstvergütungsbeitrag ** Preise inkl. Porto und Verpackung

Auslandpreise im Vergleich mit den CH-Preisen MiGeLPos-Nr.

Bezeichnung

CH

DE

UK

21.02.01.00.1 21.03.01.01.1

AUT

Mittelwert

HVB per 1.1.10

Mittelwert/ HVB

Blutzucker-Messgerät

53.5

52.5

Teststreifen, 50 Stk

51.0

43.9

24.6

43.5

135.00

-68%

31.9

36.5

40.8

52.30

21.03.01.02.1

Teststreifen, 100 Stk

96.1

-22%

87.4

63.9

69.8

79.3

97.20

21.03.05.00.1

Lanzetten, 200 Stk

33.2

-18%

28.2

14.9

23.5

24.9

36.45

-32%

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Fotos: Keystone

finanziert. Trotzdem haben sie je nach Region oder Berufsgattung, die sie vertreten, gewisse Freiheiten. So schliessen sie zum Beispiel Verträge mit verschiedenen Versandhandel-Lieferanten von Blutzuckerteststreifen ab. Der Patient kann dann aus diesen auswählen. Möchte er an einer nicht aufgeführten Stelle einkaufen, bezahlt er selbst. Deutschland: der Kunde zahlt selbst

Zu einer Kontroverse haben die Blutzuckerteststreifen in Deutschland geführt. Im Zuge der Sparmassnahmen hat sie der Gemeinsame Bundesausschuss in diesem Jahr aus dem Leistungskatalog gestrichen. Bezahlt werden sie von den Krankenkassen nur noch, wenn sich der Patient Insulin spritzen muss. Die Krankenkassen und ihre Verbände schliessen für Patienten mit Insulinbedarf Verträge mit Apotheken, Internet­ apotheken und weiteren Anbietern ab. Wer anderswo kauft, zahlt selbst. Die Liste wird fortlaufend überprüft

In Deutschland müssen die Hersteller für die Aufnahme von Produkten in das Hilfsmittelverzeichnis die Funktionstauglichkeit, Qualität und den medizinischen bzw. pflegerischen Nutzen des Hilfsmittels nachweisen. Dabei hat die zentrale Interessenvertretung der gesetzlichen Kranken- und Pflegekassen, der GKV-Spitzenverband, den Lead. Ist ein Produkt einmal im Verzeichnis aufgeführt, wird es vom GKV fortlaufend überprüft. Nicht im Alleingang, sondern im Rahmen einer Anhörung mit Spitzenorganisationen der Leistungserbringer, der Hilfsmittelhersteller sowie Patientenorganisationen. Dieses Gremium bestimmt auch die Festbeträge (Höchstpreise), die es jährlich mindestens einmal überprüft. «Durch regelmässige Kontrollen garantieren wir eine aktuelle Marktbezogenheit der Preise», so der GVK Spitzenverband. Ein festgesetzter Preis währt lange

In der Schweiz hingegen zahlen die Krankenkassen zu viel, wie der Auslandvergleich (Tabelle 2) zeigt. Festgelegt werden die Preise durch das Eidgenössiche Departement des Innern (EDI). Es entscheidet in der Regel auf-

Blutzuckermessungen sind mühsam genug. Warum auch noch zuviel bezahlen?

grund eines Preisvergleichs mit dem Ausland, der durch den Hersteller des Hilfsmittels eingereicht wird. Wird eine Produktegruppe neu in die MiGeL aufgenommen, entspricht der festgesetzte Preis laut dem Bundesamt für Gesundheit (BAG) dem Durchschnittspreis der auf dem Markt erhältlichen Produkte. Ein einmal festgesetzter Preis wird nicht mehr überprüft, sondern gelangt erst dann vor die Eidgenössische Kommission für Analysen, Mittel- und Gegenstände (EAMGK), wenn er angefochten wird. Dafür muss der Anfechter einen neuen Auslandpreisvergleich erstellen. In der Kommission sitzen Ärzte und Apotheker, Hersteller von Medizinalprodukten, Vertreter von Krankenkassen und Patientenorganisationen sowie des BAG.

Die Preise müssen sinken

In der Schweiz liegen die Höchstpreise über den durch santésuisse vertraglich vereinbarten Preisen und auch über dem ausländischen Preisniveau. Deshalb hat der Verband verschiedene Anträge um Senkung der Höchstpreise eingereicht, damit künftig mindestens 35 Millionen von möglichen 90 Millionen Franken eingespart werden. Inspiriert vom nachbarlichen Ausland denkt Stephan Colombo weiter. «Was, wenn auch in der Schweiz auf einer Liste festgehalten würde, bei wem der Patient seine Produkte beziehen darf?» silvia schütz

1

Aus Gründen der Leserlichkeit wird im Artikel der offizielle Ausdruck «Höchstvergütungsbeitrag» durch das Wort Höchstpreis ersetzt.

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Broschüre Ernährungs- und Bewegungstrends zeigt, dass Gesundheitsförderung nach wie vor nötig ist

Übergewicht verursacht Ausgaben in Milliardenhöhe Wie isst und bewegt sich die Bevölkerung in der Schweiz? Was motiviert oder hindert sie daran, sich mehr zu bewegen oder ausgewogen zu essen? Wie hat sich das Verhalten in den letzten Jahren geändert? Zu diesen und weiteren Fragen hat das Bundesamt für Gesundheit in Zusammenarbeit mit anderen Ämtern und Institutionen der Gesundheitsförderung eine aufschlussreiche Broschüre herausgegeben.

Die Broschüre1 mit dem Titel «Wie essen und bewegen wir uns?» gibt eine Übersicht über rund 50 Indikatoren zu den Bereichen Ernährung, Bewegung und Körpergewicht. Die Sammlung der Indikatoren und Daten ist das Produkt des Monitoringsystems Ernäh-

rung und Bewegung (MOSEB). Sie wird laufend ergänzt und auf der Webseite www.moseb.ch jeweils im Mai und November aktualisiert. Die Broschüre fasst die vorhandenen Daten zusammen und illustriert sie mit aussagekräftigen Grafiken.

Nahrungssmittel, und jeweils ein Drittel verweist auf die «Vorliebe für gutes Essen», Alltagszwänge, den zu hohen Zeitaufwand für den Kauf entsprechender Nahrungsmittel sowie mangelnde Angebote in den Gaststätten. Mehr körperliche Bewegung!

Auf ausgewogene Ernährung achten

Rund 70 Prozent der Schweizer Wohnbevölkerung achten darauf, wie sie sich ernähren. Der Anteil der «ernährungsbewussten» Personen hat zwischen 1992 und 2007 leicht von 67,8 auf 70,5 Prozent zugenommen. In der Schweizerischen Gesundheitsbefragung wird nach den Faktoren gefragt, welche einen daran hindern, sich gesund zu ernähren. Es gibt eine ganze Reihe von solchen Faktoren: Über die Hälfte der Befragten erwähnt den hohen Preis gesunder

KOSTEN VON ÜBERGEWICHT UND ADIPOSITAS IN DER SCHWEIZ, 2006

Laut Bevölkerungsbefragung «Sport Schweiz 2008» ist zwar die Mehrheit der Schweizer Wohnbevölkerung der Ansicht, dass jede Bewegung der Gesundheit gut tue, aber nur 39 Prozent nennen den empfohlenen zeitlichen Umfang von einer halben Stunde täglich. Allerdings scheint der Trend in Richtung zunehmender Inaktivität in den 90er-Jahren seinen Höhepunkt erreicht zu haben. Waren 1997 noch fast 40 Prozent inaktiv, reduzierte sich diese Zahl bis 2007 auf 32 Prozent. Der Anteil der Aktiven nahm von 27 auf 32 Prozent zu. Trotz dieses Anstiegs liegt das Ziel einer «bewegten Bevölkerung» immer noch in weiter Ferne. Kosten des Übergewichts

Gemäss Resultaten des Basler Instituts «HealthEcon» beliefen sich die direkten Kosten von Übergewicht und Adipositas im Jahr 2006 auf knapp 47 Mio. Franken. In diesem Betrag sind Medikamenten- (z.B. für Appetitzügler) und Konsultationskosten (Ernährungsberatung) sowie die Kosten für Operationen (z.B. Magen-Bypass) enthalten. Wie das Kuchendiagramm zeigt, machen diese direkten Kosten nur ein Prozent der gesamten Kosten von rund 5,8 Mrd. Franken aus. Gemäss Schätzungen entfallen weitere 3,9 Mrd. Franken auf die direkten Kosten übergewichtsbedingter Erkrankungen – etwa auf die Behandlung von Diabetes oder Bluthochdruck. Die indirekten Kosten dieser Erkrankungen werden mit 1,9 Mrd. Franken veranschlagt und beinhalten die Kosten vorzeitiger Todesfälle oder von Arbeitsunfällen.

INDIREKTE KOSTEN ÜBERGEWICHTSBEDINGTER ERKRANKUNGEN 33%

DIREKTE KOSTEN ÜBERGEWICHTSBEDINGTER ERKRANKUNGEN 66%

DIREKTE KOSTEN 1% QUELLE: BAG

KÖRPERLICHES AKTIVITÄTSNIVEAU DER SCHWEIZER WOHNBEVÖLKERUNG, 1992 – 2007 100

% 26

27

27

38

34

36

36

39

80

60

32

36

20

0

1992

1997

37

2002

AKTIV (3 MAL UND MEHR PRO WOCHE) MODERAT AKTIV (1 BIS 2 MAL PRO WOCHE) INAKTIV (NIE)

32

QUELLE: BAG

40

Josef Ziegler

2007

Online: www.bag.admin.ch/themen/ernaehrung_ bewegung, Broschüre «Wie essen und bewegen wir uns?»

1

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Grafik des Monats

Was den Menschen ihre Gesundheit wert ist

Einzig in den USA (16 Prozent) und in Frankreich (11,2 Prozent) liegen die Ausgaben für die Gesundheit in Prozenten des BIP höher als in der Schweiz. Auch bei den Gesundheits-Ausgaben pro Kopf belegt die Schweiz Platz drei. Spitzenreiter sind auch hier die USA (7538 USD), gefolgt von Norwegen (5003 USD). Zwischen 2000 und 2008 stiegen die Ausgaben pro Kopf in der Schweiz mit 1,8 Prozent weniger als im Durchschnitt der für den Bericht berücksichtigten OECD-Länder (4,2 Prozent). Die öffentliche Hand finanziert in der Schweiz 59,1 Prozent der Gesundheitsausgaben, der OECD-Durchschnitt liegt bei 72,8 Prozent.

GESUNDHEITSAUSGABEN DER OECD-LÄNDER IN PROZENT DES BIP, 2008 % BIP 16

QUELLE: ECO-SANTE OECD 2010

14 12 10 8 6 4 2

MEXIKO

TÜRKEI 3

CHILE

KOREA

POLEN

TSCHECHIEN

UNGARN

LUXEMBURG 2

JAPAN 3

SLOWAKEI

FINNLAND

NORWEGEN

AUSTRALIEN 3

GROSSBRITANNIEN

OECD

IRLAND

SPANIEN

ISLAND

ITALIEN

SCHWEDEN

DÄNEMARK 3

GRIECHENLAND 3

PORTUGAL 2

2. 2006

NEUSEELAND 1

NIEDERLANDE

KANADA

1. LAUFENDE AUSGABEN

BELGIEN 1

DEUTSCHLAND

SCHWEIZ

ÖSTERREICH

USA

0 FRANKREICH

Pro Jahr gaben die in der Schweiz lebenden Menschen 4627 US-Dollar (4857 Franken) pro Kopf für ihre Gesundheit aus. Das zeigt der Bericht Eco-Santé 2010 der OECD. Nur in den USA und in Norwegen griffen die Menschen dafür tiefer in die Tasche. Ein vergleichbares Bild zeigt sich bei den gesamten Gesundheitsausgaben: Sie betrugen im Jahr 2008 in der Schweiz 10,7 Prozent des BIP, 1,7 Prozent mehr als der Durchschnitt der OECD-Länder.

3. 2007

In Europa sind die Gesundheitsausgaben nur in Frankreich höher als in der Schweiz.

ÖFFENTLICHE UND PRIVATE AUSGABEN PRO EINWOHNER IN DEN OECD-LÄNDERN, 2008 USD 8000

QUELLE: ECO-SANTE OECD 2010

ÖFFENTLICHE GESUNDHEITSAUSGABEN

7000

PRIVATE GESUNDHEITSAUSGABEN

6000 5000 4000 3000 2000 1000

2. LAUFENDE AUSGABEN

3. 2006

MEXIKO

TÜRKEI 4

CHILE

POLEN

UNGARN

SLOWAKEI

KOREA

TSCHECHIEN

PORTUGAL 3

NEUSEELAND

GRIECHENLAND 4

JAPAN 4

ITALIEN

SPANIEN

1. UMFASST NUR DIE VERSICHERTEN, NICHT DIE GESAMTE BEVÖLKERUNG

4. 2007

Das Bedürfnis der Schweizer Bevölkerung nach Gesundheit ist gross. Sie gibt dafür aus der Privatschatulle im europäischen Vergleich am meisten aus.

Ländern beträchtliche Unterschiede bestehen. Die Schweiz verzeichnet einen Anstieg von 2,7 Prozent auf 8,1 Prozent seit 1992. Trotzdem sind in der Schweiz weit weniger Menschen stark übergewichtig als im OECD-Durchschnitt (14,9 Prozent).

Asthma führen kann, wird sich deren Zunahme in der Zukunft auf die Gesundheits-Ausgaben auswirken – mit einem beträchtlichen Anstieg der Kosten, so die Verfasser des Berichts. Silvia Schütz

Fettleibigkeit nimmt zu

Überall zugenommen hat in den letzten 20 Jahren die Fettleibigkeit, auch wenn zwischen den berücksichtigten

FINNLAND

OECD

GROSSBRITANNIEN

AUSTRALIEN

ISLAND

SCHWEDEN

DÄNEMARK 4

BELGIEN 2

FRANKREICH

IRLAND

DEUTSCHLAND

ÖSTERREICH

KANADA

NIEDERLANDE

LUXEMBURG 1,3

SCHWEIZ

Ein Grund für den Anstieg der Kosten in der Schweiz liegt in der (zu) guten technischen Infrastruktur: Für eine Million Einwohner stehen in der Schweiz 32 Computertomografen (CT) bereit (OECD 23,8). Nur Japan verzeichnet in diesem Bereich eine höhere Dichte. Pro 1000 Einwohner zählt die Schweiz 3,8 Ärzte (OECD 3,2), 14,9 Krankenpflegende (OECD: 9) und 3,3 Spitalbetten (OECD: 3,6). Wie in allen entwickelten OECD-Ländern haben die Anzahl Betten und die Aufenthaltsdauer im Spital im Verlauf der letzten 20 Jahre abgenommen, während die ambulanten chirurgischen Eingriffe zugenommen haben.

USA

Kostentreiber CT Scanner

NORWEGEN

0

In Zukunft Anstieg der Kosten

Da Fettleibigkeit erst nach längerer Zeit zu chronischen Leiden wie Diabetes und

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Das Buch erzählt von ungewönlichen Krankheitssymptomen und noch ungewöhnlicheren Heilungen

Geschichten zum Schmunzeln aus der medizinischen Wundertüte Das Buch «Das Mädchen mit den zwei Blutgruppen» überrascht den Leser mit einer ganzen Palette schier unglaublicher Medizin-Fälle. Die Autorin, Ärztin und Wissenschaftsredaktorin, erzählt die teils skurrilen Fälle, die wohl in keinem medizinischen Lehrbuch zu finden sind, mit Humor, feiner Ironie und beeindruckender Fachkompetenz.

An Anfang des Buches stehen innovative und erfolgreiche Methoden der Selbstbehandlung, wie etwa Achterbahnfahrten. Eine freudige Überraschung erlebte ein junger Mann, dem eine Kunstlinse durch einen Schlag auf das rechte Auge aus der Augenkammer hinter der hellblauen Iris vor diese katapultiert worden war. Eine Operation schien unaussweichlich. Doch es kam anders und zwar auf der Fahrt im Silver Star, einer der grössten Achterbahnen Europas. Auf dieser Bahn werden die Wagen auf eine Höhe von 73 Metern hochgezogen – dann stürzen sie mit fast 130 Kilometer pro Stunde in die Tiefe, um kurz darauf raketengleich wieder nach oben zu jagen. Die enormen Fliehkräfte der Bahn erfassten auch die Kunstlinse des 19-Jährigen. Nach der Höllenfahrt fiel dem Jungen auf, dass seine Kunstlinse wieder am rechten Ort sass. Eine derart vergnügliche Therapie führt leider nicht in allen Fällen zum Erfolg. Das Krankenbett wird zum Raserschlitten

Dass Wege zur Heilung wundersam sein können, bestätigt auch die folgende Begebenheit: Eine Frau in Köln sollte wegen Rückenschmerzen an einer Bandscheibe operiert werden. Eine Pflegerin hatte noch etwas vergessen und parkte deshalb Klinikbett und Patientin am Rande des leicht abschüssigen Flurs, ohne das Bett zu arretieren. Das Bett fing an zu rollen, wurde schneller und schneller, die Patientin kreischte und donnerte am Ende des Gangs in die Wand. Die Bandscheibenprobleme hatten sich damit erledigt. Die Operation wurde abgeblasen. Vermutlich ist ein Teil der Bandscheibe, die zuvor in den Rückenmarkskanal gedrückt hatte, beim abrupten Manöver wieder an die richtige Stelle zurückgerutscht. Das sei prinzipiell mög-

Martina Frei: Das Mädchen mit den zwei Blutgruppen – Unglaubliche Fallgeschichten aus der Medizin. Eichborn Verlag Frankfurt am Main, 224 S. Fr. 27.90.

lich, bemerkt die Autorin, solange der schmerzverursachende Teil nicht komplett vom Rest der Bandscheibe abgerissen ist. Verständlich, dass die Orthopäden diese radikale Therapie nicht zur Nachahmung empfehlen! Hund und Katze mit feiner Nase

Hausiere haben oftmals erstaunliche Fähigkeiten, auch punkto Früherkennung. So die Golden-Retriever-Hündin Polly, von der Martina Frei berichtet, dass sie zuverlässig Schwangerschaften erkannt habe, indem sie jeweils am Schoss der schwangeren Frau herumschnupperte – noch bevor die Betreffende die freudige Nachricht selbst verkündet hatte. Während Polly vom Geruch der Schwangeren geradezu angezogen schien, wurde der US-Kater Buggles davon abgestossen. Er weigerte sich tagelang, seinem Frauchen auch nur nahezukommen. Einige Zeit später fand diese heraus, dass sie schwanger war. Die Autorin weist darauf hin, dass Vierbeiner auch bestimmte Krankheiten mit einiger Sicherheit riechen können, vermutlich deshalb, weil zum Beispiel Krebszellen spezielle, mit feiner Nase erschnüffelbare Substanzen produzieren. Während Menschen lediglich 20 Millionen Riechzellen besitzen, befinden sich in den Nasen Deutscher Schäferhunde rund 225 Millionen. Foxterrier haben 147 Millionen Riechzellen. Auch von Katzen weiss man, dass sie sehr empfindsame Riechorgane haben. Nicht zu übersehen ist, dass die Leiden von Tieren in manchen Fällen helfen, schwerwiegende Erkrankungen von Menschen abzuwenden. Zwei unter schweren Vergiftungen leidende Katzen, die schädlichen, bleihaltigen Staub eingeatmet hatten, bewahrten eine schwangere Frau und deren ungeborenes Baby vor gesundheitlicher Gefährdung. Rechtzeitig wurden in der

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Folge ärztliche Massnahmen getroffen, die dem extrem schädlichen Blei entgegen wirkten. Der fatale Kuss

Welche Gefahr allein schon ein Kuss bedeuten kann, zeigt die Autorin an folgendem Fall: Unmittelbar nach dem Kuss ihres neuen Freundes schwollen einer 20-Jährigen die Lippen an und die Kehle zu. Begeleitet wurde dies durch einen Hautausschlag wie von Brennnesseln und durch Bauchkrämpfe. Unter dieser schweren, allergischen Reaktion leidend, erreichte die Frau eine Notaufnahmestelle, wo sie mit Adrenalin und Cortison behandelt wurde. Die Ursache der Allergie war dann eben – ein Kuss. Nicht wissend, dass die Frau, die er später küssen würde, auf Krustentiere mit heftiger Immunabwehr reagieren würde, hatte ihr Freund vor dem Kuss noch Shrimps gegessen. Bei einer ausgeprägten Allergie genügen, so die Autorin, nur wenige Moleküle, um eine lebensgefährliche Reaktion auszulösen. Der genau dokumentierte Fall sei eine Ermahnung zur Vorsicht beim Genuss von Krustentieren und auch von gewissen Nüssen und Samen, die ebenfalls allergische Reaktionen auslösen können. Eine Fülle von Fakten

Hundenasen riechen vieles, manchmal auch die nahe Zukunft.

Dieser Fall und viele andere, so auch die Titel gebende Geschichte «Das Mädchen mit den zwei Blutgruppen», bieten lehrreiche Einblicke in Geschehnisse, die einerseits durch Gesetzmässigkeiten, andererseits durch Zufälle verschiedenster Art und bisher unerkannte Zusammenhänge gesteuert wurden. Die Folgen sind nicht immer positiv, sondern können auch negativ sein. Dem ausführlichen Quellennachweis ist zu entnehmen, dass Martina Frei in ihrem Buch eine enorme Fülle von Fakten zusammengetragen und aufgearbeitet hat. Was den besonderen Reiz der Lektüre ausmacht, sind die wissenschaftlich korrekten Kommentierungen der angeführten Fälle und – wo dies nicht möglich ist – die persönlichen, plausiblen Vermutungen. Josef Ziegler

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Neue Kaufmännische Grundbildung – die ersten Qualifikationsverfahren 2010 verliefen erfolgreich

Knackpunkt ist der aussagekräftige Praxisbericht Am diesjährigen Qualifikationsverfahren nach Neuer Kaufmännischer Grundbildung (NKG) haben in der Branche santésuisse gesamtschweizerisch 76 Lernende teilgenommen. 98,7 Prozent haben das Qualifikationsverfahren erfolgreich absolviert. Über die Ergebnisse der Berufsschulen liegen santésuisse als Branchenverband keine Informationen vor.

Erfreulicherweise ist es den Lernenden und Ausbildungsverantwortlichen mit vermehrtem Engagement in der schriftlichen Prüfungsvorbereitung gelungen, das Ergebnis der schriftlichen Prüfung um 0,2 Noten zu verbessern. Die Ergebnisse der simulierten schriftlichen Prüfung aus dem überbetrieblichen Kurs vom Januar 2010 konnten bei 31 Prozent der Kandidaten um + 0,5 Note verbessert werden. 66,3 Prozent der Kandidaten konnten ihr Ergebnis sogar um + 1 Note oder mehr steigern. 2,7 Prozent der Kandidaten egalisierten das Resultat der simulierten Prüfung. Die Prüfung aus dem Jahr 2006 ist ohne Lösungen auf der Homepage von

Ü b er b li c k üb e r die di e sjährige n Erg e b niss e Notendurchschnitte

Deutschschweiz

Westschweiz

Mündliches Qualifikationsverfahren

4,6

4,9

Schriftliches Qualifikationsverfahren

4,4

4,5

Vorschlagsnote Prozesseinheiten

5,0

4,9

Vorschlagsnote Arbeits- und Lernsituationen

5,0

4,9

santésuisse unter «Ausbildung – Neue Kaufmännische Grundbildung – LAP» publiziert. Die Tabelle oben zeigt einen Überblick über die diesjährigen Ergebnisse. 71 Personen haben die Ausbildung im erweiterten Berufsprofil (E-Profil) abgeschlossen, fünf davon im Basisprofil (B-Profil). Die Erstellung des Praxisberichtes bereitet Mühe

Seit Jahren wird beobachtet, dass die Praxisberichte nicht in der gewünschten Qualität erstellt werden. Die Unterlagen wiesen auch in diesem Jahr wenig aussagekräftige Elemente der ein-

zelnen Lernenden auf, was die Vorbereitung der Prüfungsexperten für das mündliche Qualifikationsverfahren erschwert hat. Im Praxisbericht formuliert der Lehrling frei und schriftlich die wichtigsten Eckdaten unter anderem zum Lehrbetrieb, zu dessen Produkten und Dienstleistungen und zu seinen hauptsächlichen Tätigkeiten im Betrieb. Ins Qualifikationsverfahren sind verschiedene Stellen involviert. Die Zusammenarbeit verlief auch in diesem Jahr reibungslos. Marlise Vögtlin, Projektleiterin NKG

Beat Candinas, Prüfungsexperte Prüfungskreis Zürich

Der Praxisbericht beeinflusst die Fragen der Prüfung Wie bereiten Sie sich auf die einzelnen Prüfungskandidaten vor? Zuerst prüfe ich den Inhalt des Praxisberichtes auf die vorgegebenen Schwerpunkte sowie die Sozial-, Methoden- und Fachkompetenzen. Danach lege ich zusammen mit dem Co-Experten die Themen, welche wenn möglich nach dem Praxisbericht ausgerichtet sind, für die zwei Gesprächssituationen fest. Welche Rückschlüsse ziehen Sie aus den Praxisberichten, die Sie in diesem Jahr erhalten haben?

Der Kriterienkatalog bildet die Basis für den Beurteilungsraster jeder Gesprächssituation. Im Kriterienkatalog sind denn auch die für den Praxisbericht zu verwendenden Sozial-, Methoden- und Fachkompetenzen aufgeführt. Die Praxisberichte erfüllen nicht immer die Vorgaben von santésuisse. Es werden zum Teil Leistungsziele unter Sozial- und Methodenkompetenzen notiert. Ausserdem sind nicht alle geforderten Leistungsziele vorhanden. Wie kann ein Kandidat seine Prüfungschancen verbessern? Der Kandidat soll die Themen, bei denen er stark ist, im Praxisbericht hervorheben. Die Chancen, dass die Gesprächssituationen

auf diese Themen ausgerichtet werden, sind relativ gross. Welche Tipps geben Sie Lernenden mit auf den Weg, die ihren Praxisbericht für die kommenden Qualifikationsverfahren erstellen? Die Kandidaten sollen den Praxisbericht als Chance und nicht als zusätzlichen Aufwand betrachten. Die mündliche Prüfung beginnt mit dem Erstellen des Berichtes. Je besser und detaillierter der Praxisbericht, umso grösser ist die Wahrscheinlichkeit, dass der Experte die Prüfung auf den Praxisbericht ausrichtet. Interview: Marlise Vögtlin

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Diplomfeier zum Fachausweis für Krankenversicherungsfachleute

Bestes Ergebnis 2010 – wir sind auf dem richtigen Weg

Die Tangolegende, Michael Zisman, spielte das Bandoneon mit einer unglaublichen Fingerfertigkeit und eröffnete die Diplomfeier mit faszinierenden Klängen. Bandoneon, ein um 1846 in Weiterentwicklung der Konzertina geschaffenes Harmonikainstrument mit Knopfgriffen für Bass und Diskant, wurde nach seinem Erfinder Heinrich Band benannt. Mit diesen Worten führte der Präsident der Prüfungskommission, Daniel Wyler, in die Entstehung des Bandoneons ein. Quintessenz seiner Ansprache: «Interessieren Sie sich weiter, lernen Sie weiter, bleiben Sie nicht stehen!» Mit vollem Elan präsentierte Andres Bardill die Aufgaben und Pflichten der Alpinen Rettung Schweiz. Mit seinem Kurzreferat über das Lawinenunglück vom 3. Januar 2010 im Diemtigtal hatte er die volle Aufmerksamkeit der Zuhörer gewonnen. Besonders erfreulich ist die Erfolgsquote der Prüfungsabsolventen. Das Spitzenresultat vom Jahr 2008 konnte auf sagenhafte 68 Prozent gesteigert werden. Verschiedene Gründe unterstreichen diese vielversprechende Leistung. Einerseits sind die Teilnehmerinnen und Teilnehmer für das äusserst positive Resultat im Jahr 2010 verantwortlich. Die hohe Eigenmotivation, die proaktive Auseinandersetzung mit dem Thema Krankenversicherung sowie der unermüdliche Einsatz vor und nach den Kurstagen tragen einen wesentlichen Teil dazu bei, die Prüfung erfolgreich zu bestehen. Andererseits kommen die Dozentinnen und Dozenten im Bereich Methodik/Didaktik in den Genuss einer modularen Weiterbildung. Das Ziel ist es, die

Foto: Martina Wolf

Die Schweiz kann auf weitere 59 qualifizierte Krankenversicherungsfachleute bauen. Diese erhielten am 19. August 2010 an der Schlussfeier im Landhaus in Solothurn ihre Fachausweise. Der Bandoneon-Spieler Michael Zisman trug mit seinem musikalischen Können viel zu einem rundum gelungenen Anlass bei. Der Gastreferent, Andres Bardill (Geschäftsführer Alpine Rettung Schweiz) fesselte das Publikum mit seinen interessanten, praxisnahen Ausführungen.

Ganz rechts Daniel Wyler, Präsident der Prüfungskommission, mit den erstklassierten neuen Fachleuten. Von links nach rechts: Matthias Mäder (Helsana Olten, Notendurchschnitt 5,1), Gabriele Kölliker (EGK Laufen, 5,1), Sandra Hutter (Freiwillige Krankenkasse Balzers, 5,2) Rebecca Häfliger (Xundheit Luzern, 5,1).

Kurse mit der bestmöglichen Mischung zwischen aktivem und passivem Unterricht durchzuführen. Die optimale Gestaltung des Kurstages und der Kursunterlagen ist ein essentieller Bestandteil, um den künftigen Fachfrauen und Fachmännern einen erfolgreichen, teilnehmergerechten und lernbewussten Lehrgang zu gewährleisten. Das beste Ergebnis aller Zeiten! Diese positive Bilanz erfreut auch die Ausbil-

dungsverantwortlichen und motiviert sie, die gewählte Strategie im bewährten Sinne kontinuierlich weiterzuentwickeln. Um es in den Worten Goethes kurz zu fassen: Sage es mir, und ich werde es vergessen – Zeige es mir, und ich werde es vielleicht behalten – Lass es mich tun, und ich werde es können. Remo Waldispühl

Die erfolgreichen Absolventinnen und Absolventen Hutter Sandra, Freiw. KK Balzers; Häfliger Rebecca Xundheit, Luzern; Kölliker Gabriele, EGK, Laufen; Mäder Matthias, Helsana, Olten; Almeida Pinho Pedro, Groupe Mutuel, Martigny, Benato Tatiana Helsana, Jona; Bühler Simone, Helsana, Luzern; Boccard Cécile, Groupe Mutuel, Martigny; Buttice Rino, KPT, Berne; Calcagno Maria-Teresa, Helsana, Olten; Capeder Angela, vita surselva, Ilanz; Capt Milena, Visana, Bern; Ceccarini Vittoria, Sanitas, Zürich; Carrupt Aline, Groupe Mutuel, Sion; Coen Françoise, KPT, Berne; Damaso Monica, Visana, Lausanne; De Simone Roberto, Visana, Bern; Eng Peter, Sanitas, Winterthur; Ernst Denise, KPT, Bern; Feldgrill Tobias, CSS, Bremgarten; Forclaz Ariane, Groupe Mutuel, Sion; Frischknecht Michelle, Stiftung MECONEX, Basel; Gebhard Corinne, Agrisano, Brugg; Glanzmann Petra, Helsana, Luzern; Glavcic Ranka, EGK, Laufen; Gojani Flora, CSS, Luzern; Huber Andrea, Swica, Winterthur; Kikanovic-Besic Mirela, Helsana, Dübendorf; Lang Martin, CSS, Luzern; Lathion François, Groupe Mutuel, Martigny; Lopez José, CSS Gruppe, Zürich; Meier-Knogler Petra, KK Birchmeier, Künten; Maldonado Mayck, KPT, Berne; Monney Claudine, KPT, Berne; Muharemovic Melisa, santésuisse, Solothurn; Müller Andrea, Kolping KK, Dübendorf; Müller Rebecca, CSS, Luzern; Petrovic Vesna, Helsana, Olten; Pfäffli Olivia Concordia, Luzern; Roethlisberger Sandra, Groupe Mutuel, Sion; Rouiller Caroline, Groupe Mutuel, Sion; Solimine Angela, Visana, Lausanne; Ribo Azra, Helsana, Zürich; Russo Ursula, Visana, Bern; Salm Karin-Daniela, CSS, Frick; Schaerer Nadia, Groupe Mutuel, Zürich; Schmid Jeannette, Helsana, Zürich; Schmidhauser Simone, SWICA, Kloten; Stähli Yolanda, Visana, Thun; Stalder Caroline, SLKK, Zürich; Stalder Ursina, PROVITA, Winterthur; Steinmann Anne, Assura, Bern; Trinkler Nicole, CSS, Luzern; Vollenwyder Irene, CSS, Luzern; Waser Rita, SWICA, St. Gallen; Wietlisbach Pascal, Helsana, Zürich; Wüest Esther, Visana, Luzern; Wüthrich Sandra, SWICA, Solothurn; Zivkovic Violeta, Concordia, Luzern

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SwissDRG: Die Spitäler berufen sich auf Datenschutz

Stolperstein Datenlieferung Mit der Einführung von SwissDRG erfährt die Abrechnung der stationären Spitalaufenthalte wesentliche Änderungen. Wurden bis anhin im einfachsten Fall die Anzahl Tage mit der Tagestaxe multipliziert, so werden ab 2012 aufwandsgleiche Fallgruppen fakturiert. Doch was heisst das konkret?

Im System von SwissDRG werden jedem Patient und jeder Patientin Hauptdiagnose und Nebendiagnosen gestellt und darauf aufbauend Behandlungen vorgenommen. Diese Angaben werden codiert, das heisst es werden Diagnose- und Prozedurencodes erfasst, welche mit Hilfe einer sogenannten Grouper-Software automatisch in eine DRG umgewandelt werden. Jeder DRG ( Diagnosis Related Group = diagnosebezogene Fallgruppe) wird ein Kostengewicht zugeordnet, das den ökonomischen Aufwand für den durchschnittlichen Fall dieser Gruppe abbildet. Multipliziert man dieses Kostengewicht mit der vertraglich vereinbarten Baserate, erhält man den abzurechnenden Preis. Die Baserate bzw. der Basisfallwert wird bei der Einführung von SwissDRG dem Basispreis des jeweiligen Spitals entsprechen. Damit wird offensichtlich, dass sowohl die Abrechnung im Spital wie auch die

Rechnungskontrolle beim Versicherer im Gegensatz zum heutigen System deutlich komplizierter werden. Versicherer müssen Wirtschaftlichkeit kontrollieren

Die Versicherer sind gemäss Krankenversicherungsrecht (KVG) berechtigt und verpflichtet, die Wirtschaftlichkeit der Leistungen zu prüfen. Dazu gehört auch die Einzelrechnungskontrolle, welche die Rechtmässigkeit der Abrechnung prüft. War die Rechnungsprüfung im System der Tagespauschalen noch einfach, wird sie unter SwissDRG deutlich erschwert. Die korrekte Zuteilung auf die preisrelevante DRG ist de facto nur möglich, indem die Versicherer die Codierung aufgrund medizinischer Angaben kontrollieren und die korrekte Gruppierung nachvollziehen. Es wird schnell klar, dass eine derart komplexe Rechnungskontrolle nicht in jedem Fall durchgeführt werden kann. Stattdessen werden die Versicherer mittels Rechnungstriage Einzelfälle überprüfen. Doch selbst die Rechnungstriage stellt die Versicherer vor grösste Probleme, wenn die abrechnungsrelevanten Daten fehlen. santésuisse fordert deshalb die systematische Datenlieferung auf elektronischem Weg. Nur so können Rechnungen effizient geprüft werden und ein Grossteil der auffälligen Rechnungen ohne weitere Nach-

fragen im Spital anhand der gelieferten Daten erklärt werden. Nur die wenigen verbleibenden auffälligen Rechnungen erfordern eine anschliessende Bereinigung mit dem Spital. Spitäler erschweren die Prüfung der Rechnungen

Obwohl dieses Vorgehen vom Bundesverwaltungsgericht in einem neueren Urteil weitgehend geschützt und die systematische Datenlieferung an die Versicherer als berechtigtes Anliegen bestätigt wird, weigern sich die Spitäler unter dem Vorwand des Datenschutzes, die Daten zu liefern. Damit wird allerdings eine Rechnungskontrolle durch die Versicherer verunmöglicht und ein wichtiges Anliegen des KVG, nämlich die Wirtschaftlichkeitsprüfung, verhindert. In diesem Massengeschäft müsste also, so die Idee der Spitäler, jede einzelne Rechnung vom Vertrauensarzt der Versicherer hinterfragt werden und allenfalls mehr Information dazu beim Spital eingefordert werden. Es ist kaum auszumalen, welcher Aufwand damit auf beiden Seiten entstünde. Obwohl die Versicherer nach KVG das Recht haben, auch sensitive Daten zu verarbeiten und über entsprechende Datenschutzreglemente verfügen, soll eine Prüfung der Rechnungen praktisch verunmöglicht werden. Die von Spitälern und Datenschützer vorgebrachte Variante einer – jährlich einmaligen – Kodierrevision aufgrund einer bescheidenen Stichprobe ist keine taugliche Alternative zur Rechnungskontrolle und ist ungeeignet, die Interessen der Prämienzahler zu wahren. santésuisse verlangt deshalb zwingend die systematische Lieferung aller abrechnungsrelevanten Daten.

Foto: Keystone/santésuisse

Michael Rolaz

Fehlen die Abrechnungsdaten von den Spitälern, kann nicht kontrolliert werden.

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Bild

Monats

Foto: Keystone

Flashback in die Sommerferien Nehmen Sie sich f端nf Minuten Zeit, lehnen Sie sich zur端ck und lassen Sie nochmals die sch旦nsten Ferieneindr端cke und Stimmungen an sich vorbei ziehen. Herrlich wars!

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Empfehlung der Paritätischen Vertrauenskommission Anlässlich einer Sitzung der Paritätischen Vertrauenskommission SSO-santésuisse wurden verschiedene Fälle bezüglich Kostenschätzungen bzw. -gutsprachen für die Einreihung verlagerter Eckzähne (Art. 17 lit. a Ziff. 2 KLV) besprochen. Für einen möglichst reibungslosen Ablauf im Alltag empfiehlt die Paritätische Vertrauenskommission SSO/ santésuisse, folgende Punkte zu beachten:

ferorthopädischen Behandlungen kann von Patient zu Patient variieren. Bei Schwierigkeiten während der Behandlung und voraussichtlicher Überschreitung der Kostengutsprache informiert der Zahnarzt den Versicherer rechtzeitig und legt die Gründe dafür schriftlich dar. Bei zusätzlichen gerechtfertigten Pflichtleistungen ist eine entsprechende Vergütung geschuldet.

• Für kieferorthopädische oder kieferchirurgische Behandlungen, welche dem Art. 17 lit. a Ziff. 2 KLV zuzuordnen sind, stellt der Zahnarzt dem Versicherer unaufgefordert einen ausreichend detaillierten Behandlungsplan mit Angabe der vorgesehenen Kosten zu, wie dies im Art. 7 des Vertrages SSO/ santésuisse vom 17. Juli 1996 vorgesehen ist. Die Indikationen und Krankheitswerte in Bezug auf verlagerte Zähne – vor allem für Behandlungen nach dem 20. Altersjahr – sollen unter Berücksichtigung der Rechtsprechung aufgeführt werden. Der Versicherer hat anschliessend 10 Arbeitstage Zeit, den Behandlungsplan zu überprüfen. In der Praxis erteilen verschiedene Versicherer limitierte Kostengutsprachen, insbesondere wenn der Behandlungsplan inhaltlich knapp gehalten ist. Der Umfang von kie-

• Ablehnende Entscheide der Versicherer sollen vom vertrauensärztlichen Dienst gefällt werden. • Das oben geschilderte Vorgehen gilt nur für Fälle gemäss KVG. Bei anderen Fällen sind die dafür geltenden Bestimmungen zu berücksichtigen. Insbesondere bei Behandlungen ohne Versicherungsdeckung ist auf eine Einreichung von Unterlagen beim Versicherer zu verzichten. • Bei KVG-Fällen ist die Rechnung dem Versicherer zuzustellen gemäss dem System des Tiers payant. Die Rechnung hat in jedem Fall ein Kalendarium zu umfassen und ist auch jahresaufgeteilt einzureichen.

Foto: Keystone

Klipp klar

Kostengutsprachen für die Einreihung verlagerter Eckzähne

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Deutschland spart Angesichts des für 2010 auf 11 Milliarden Euro geschätzten Defizits im Gesundheitswesen hat die Bundesregierung beschlossen, die Lohnabgaben von 14,9 auf 15,5 Prozent des Arbeitseinkommens anzuheben, wie Bloomberg.com berichtet. Die Massnahme soll den Krankenkassen ungefähr sechs Milliarden sichern. Ferner werden die Ausgaben von Krankenhäusern, Ärzten, Zahnärzten, und Arzneimittelherstellern um etwa 3,5 Milliarden Euro gesenkt. Um ein Prozent erhöht wird auch der Selbstbehalt der Versicherten. (aim)

Grossbritannien streicht Homöopathische Krankenhäuser und Medikamente sollten nicht vom National Health System (NHS) finanziert werden, weil es keine ausreichenden wissenschaftlichen Beweise für deren Nutzen gibt. So entschieden laut BMJ Vertreter des britischen Ärzteverbandes auf ihrer Jahreskonferenz. Apotheker sollen homöopathische Mittel nur in Regalen auslegen, die deutlich als «Placebo-Auslagen» ausgewiesen sind. (Quelle: BMJ.2010; 340: c3513)

Schottland sucht Der unaufhaltsame Anstieg bei den Gesundheitsausgaben wird auf Dauer nicht zu finanzieren sein, heisst es in einem Bericht des in Schottland basierten Forschungsinstituts internationalfuturesforum. Die Autoren vertreten die Meinung, dass preisgünstige Lösungen, wie die Unterstützung der Menschen bei der Entfaltung ihrer eigenen Fähigkeiten, mit der Krankheit fertig zu werden, zukunftsweisend seien. (aim)

Hautprobleme? Schnelle ärztliche Beratung auf dem Netz Hautausschlag, Juckreiz, Sonnenbrand oder andere Hautprobleme sind unangenehm und verunsichern Betroffene. Sie möchten ihr Hautproblem raschmöglichst von einem Arzt beurteilen lassen. Dafür hat Telemedizin-Pionier Medi24 www.teledermatologie.ch lanciert. Auf der Website können Patienten Fotos der Hautveränderung hochladen und erhalten per Telefon eine dermatologische Beratung durch einen Arzt. Diese Art der Konsultation ist neu für die Schweiz und schont Ressourcen der Patienten und des Gesundheitssystems. Befürchtungen, wonach das sprichwörtliche Verhältnis von Arzt und Patient gestört werde, schläg Andrea Vincenzo Braga, Chefarzt und Mitglied der Geschäftsleitung von Medi24, in den Wind: «Gerade im Bereich der Geschlechtskrankheiten sind die Patienten froh, wenn sie der Ärztin nicht direkt in die Augen blicken müssen». Die neue Dienstleistung existiert auf Deutsch, Französisch, Italienisch und Englisch. Anleitung fürs richtige Foto

Der Patient fotografiert die Hautveränderung mit einer Digitalkamera, meldet sich auf der Plattform von teledermatologie.ch an und kann seine Bilder rund um die Uhr hochladen. Eine detaillierte Anleitung hilft

online, dass der Patient ein für den Arzt aussagekräftiges Bild schiesst. Ein Medi24Arzt kontaktiert den Patienten am nächsten Werktag telefonisch. Der Arzt gibt wenn möglich die Diagnose ab und erklärt, wie das Hautproblem behandelt werden soll. Falls angebracht, stellt er ein eRezept aus oder rät, eine dermatologische Praxis für weitere Untersuchungen aufzusuchen. Der Patient erhält, wie bei jedem Arztbesuch, eine Rechnung. Sie wird von der Grundversicherung bezahlt. In Kürze wird das Angebot auch über eine iPhone-App zur Verfügung stehen. Kostendämpfung garantiert

Eine dermatologische Konsultation kostet heute durchschnittlich hundert Franken. Die Anzahl dermatologischer Konsultationen in der Schweiz betrug im Jahr 2009 schätzungsweise knapp 1,5 Millionen. Mit der telemedizinischen Konsultation sinken die Preise auf die Hälfte, nämlich auf 50 Franken. «Neben der raschen Verfügbarkeit einer dermatologischen Beratung können die Kosten tief gehalten werden. Dies freut Patienten, Krankenkassen und das gesamte schweizerische Gesundheitssystem», frohlockt Andrea Vincenzo Braga. www.teledermatologie.ch

Änderungen im Verwaltungsrat von santésuisse

Peter Fischer ist neu zweiter Vizepräsident bei santésuisse An seiner letzten Sitzung hat der Verwaltungsrat von santésuisse Peter Fischer, CEO der Visana Services AG, zum zweiten Vizepräsidenten von santésuisse gewählt. Dieter Boesch, CEO Aquilana und Vizepräsident des Verbands der kleinen und mittleren Krankenversicherer (RVK) ist neu 1. Vizepräsident (davor 2. Vizepräsident). Für die ausgetretenen Manfred Manser und Charles Barbey hatte die Generalversammlung bereits im Juni 2010 Marc-Olivier Buffat, Stiftungsratspräsident Supra und Pius Gyger, Helsana, neu in den Verwaltungsrat gewählt.

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Fotos: Dominik Labhardt

Aus aller Welt

Schweizweit neues Angebot hilft Kosten senken

Peter Fischer, CEO Visana Services AG

Dieter Boesch, CEO Aquilana Versicherungen


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Brennpunkt Gesu ndhe itspo litik

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immer-m it-ihnen.c h – santésuis se vermittel t systemw issen stefan Kaufmann Direktor santésuisse

Die Krankenversicherer möchten das Bedürfnis der breiten Bevölkerung nach mehr Transparenz und Information noch besser erfüllen. In diesen Tagen intensiviert santésuisse deshalb die im letzten Jahr gestartete Informationsoffen-

sive. Auf provokante Weise wollen wir bei Herr und Frau Schweizer Aufmerksamkeit erregen, Neugier wecken und das Wissen über das Gesundheitssystem und über die Rolle der Versicherer erhöhen. Denn eine solide Wissensbasis

ist unabdingbare Voraussetzung, damit sich die Versicherten im manchmal schwer durchschaubaren Gesundheitswesen zurecht finden und sich darin optimal verhalten. Geschätzte Leserin, geschätzter Leser, in diesem Brennpunkt präsentieren wir Ihnen neben der

Infooffensive auch Ergebnisse aus der sondage santé. Diese belegen, dass bessere Information über das

Gesundheitssystem dringend Not tut, insbesondere auch über Managed Care. Zu guter Letzt wird ein innovativer Aspekt der integrierten Versorgung beleuchtet: von Versi-

cherern selbst geführte Managed Care-Angebote.

santésuisse hat die letztes Jahr gestartete infooffensive intensiviert und im August landesweit eine Aufklärungskampagne lanciert. Die dreisprachige Kampagne steht unter dem motto «immer mit ihnen» und hat zum ziel, das Wissen der Versicherten über das Krankenversicherungswese n auf eine solide Basis zu stellen. Gestützt auf die im allgemeinen Teil des bündig wichtige Sachfragen zu klären, Sozialversicherungsgesetzes ATSG Art. 27 die für das Verständnis des Gesundheitsfestgehaltene Verpflichtung, die Versisystems und der Rolle der Krankenversicherten aufzuklären, haben die Mitgliecherer notwendig sind. Mit den rhetorider von santésuisse diesen Sommer ihre schen Fragen «Dennoch: Wer darf keinen Informationsoffensive verstärkt, um dieProfit machen?», «Dennoch: Wer kämpft sem gesetzlichen Informationsauftrag ge- für Ihre freie Wahl?», oder «Dennoch: Wer recht zu werden. bezahlt im Krankheitsfall?» sollen das Systemwissen und die Glaubwürdigk eit erPlakate wecken neugier höht, der Nutzen der Versicherer aufgeIm August wurden provokative Plazeigt und letztendlich Vertrauen beim kate in der ganzen Schweiz ausgehängt. Volk geschaffen werden. Die Branche Offen und direkt wurden darin Vorurzeigt den Versicherten damit, auf welcher teile der Versicherten über die VersicheSeite sie steht: «Immer mit Ihnen!» rer ausgesprochen: «Krankenkasse n, alles Abzocker!», «Krankenkassen, Leute verWissensplattform im internet arschen!», «Krankenkassen, immer nur Parallel zur Kampagne baut santésuisse zahlen!» – wer könnte Absender diedie Internetseite www.immer-mit-ihnen.ch ser Slogans sein, wurde gerätselt. Neu(www.toujours-avec-vous.ch und gier wurde geweckt. Erst in der zweiten www.sempre-con-voi.ch) als WissensPhase der Kampagne wurde das Geplattform aus. Auf dieser Webadresse heimnis gelüftet: Im Aufklärungste il wer- wird in enger Verknüpfung mit den bisden die Schweizer Krankenversic herer herigen Kommunikationsmassnahme n als Urheber der Plakatkampagne offenvon santésuisse auch in der Auflösungsbart und mit rhetorischen Fragen Antphase jedem Interessierten umfangreiworten auf die provokativen Vorurteile ches Informationsmaterial zur Verfügung geliefert. gestellt. Ziel ist es, gut verständlich und übersichtlich das Wichtigste zum schweirhetorische Fragen liefern antworten zerischen Krankenversicherungssystem Diese Schlussphase der Kampagne hat darzustellen und den Versicherten wichzum Ziel, die geweckte Neugier mögtige Orientierungshilfen im Dschungel lichst fruchtbar zu machen und kurz und des Gesundheitswesens zu geben. (GPA)

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Ex. «Brennpunkt Gesundheitspolitik» 3/10, deutsche Ausgabe

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Krankenkassen, Leute verarschen.

Dennoch...

Wer kämpft für tiefere Medikamentenpreise? Wer krank ist, hat das Recht auf eine gute medizinische Behandlung und hat kaum die Kraft, mit dem Arzt wie auf dem Bazar über Preis, Qualität, Garantieleistungen oder Haftungsfragen zu verhandeln. Die Krankenversicherer handeln im Interesse der Versicherten mit Ärzten und Spitälern ein optimales Preis-Leistungs-Verhältnis

aus. Die Krankenversicherer haben zum Beispiel mit dem Vergleich der Medikamentenpreise im Ausland die Basis für tiefere Medikamentenpreise in der Schweiz geschaffen.

Die Schweizer Krankenversicherer

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Was gesundheIt Kosten darf – und Was KranKheIt Kosten WIrd hoW much may be spent on health – and hoW much dIsease WIll cost

plenum | plenary sessIons prof. dr. maria goddard, Director, Centre for Health Economics, University of York/UK pd dr. matthias schwenkglenks, MPH, Head of Research, Institute of Pharmaceutical Medicine/European Centre of Pharmaceutical Medicine, University of Basel murray n. ross, Ph.D., Vice President, Kaiser Foundation Health Plan, Director, Kaiser Permanente Institute for Health Policy, Oakland/USA

7. schWeIZerIscher Kongress fÜr gesundheItsÖKonomIe und gesundheItsWIssenschaften 7th sWIss congress on health economIcs and health scIences

prof. dr. frans rutten, Departement of Health Policy and Management, Institut for Medical Technology Assessment, Erasmus University Rotterdam/NL

Impulsreferat | Introductory presentatIon pascal strupler, lic. iur., dipl. IDHEAP, Direktor des Bundesamtes für Gesundheit

Neben den Plenarreferaten vom Vormittag werden im interaktiven Teil am Nachmittag Expertengespräche, Workshops und ein Hearing im Plenarsaal angeboten. Der Kongress wird mit der Verleihung des MSD-Gesundheitsökonomiepreises und dem Gipfelgespräch abgeschlossen. Das Plenum wird simultan Deutsch-Englisch/Englisch-Deutsch übersetzt. Besides the plenary presentations in the morning, expert discussions, workshops and a hearing in the plenary room will be offered in the afternoon. The Congress will close with the MSD health economics award and the summit talk. The plenum will be interpreted simultaneously in German-English/English-German.

programm und anmeldung www.sag-ase.ch/kongress.html programm and regIstratIon www.sag-ase.ch/congress.html

freItag 12. noVember 2010 InselspItal bern audItorIum ettore rossI frIday noVember 12, 2010 InselspItal bern audItorIum ettore rossI

patronat | patronage

SAG/ASE

der Kongress Ist eIn fortbIldungsengagement der msd the congress Is an educatIonal traInIng commItment of msd

realIsatIon | realIsatIon Künzi Beratungen, Schachenstrasse 21, Postfach 201, CH-4702 Oensingen Telefon +41 (0)62 396 10 49, Fax +41 (0)62 396 24 10, info@kuenzicons.ch Bild: © Bern Tourismus


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