infosantésuisse Magazin der Schweizer Krankenversicherer Nr. 12, Dezember 2007
Peter Marbet nimmt Abschied von santésuisse Seite 6
Gesundheitspolitik: Wird jemand bevorzugt? Seite 12
IM FOKUS:
Zwischen den Legislaturen: Rück- und Ausblick
INHALT
infosantésuisse Nr. 12, Dezember 2007
SCHWERPUNKT 4 6 8 10 12 14 16
KVG-Revision: Die Entscheide fällt das neue Parlament Peter Marbet: «Die Komplexität des Systems wird zum Teil bewusst missbraucht» Stabile Mehrheitsverhältnisse: Kein neues Parlament für die Gesundheitspolitik Christiane Langenberger: «Wir hätten nicht viel anders machen können» Gesundheitspolitik: Wird jemand bevorzugt? Das erwarten die Akteure des Gesundheitswesens vom neuen Parlament Die Versorgungsstruktur unseres Gesundheitswesens muss sich anpassen
KVG-Revision: Die Entscheide fällt das neue Parlament Seite 4
GESUNDHEITSWESEN 18 19 20 21
Ergebnisqualität in der Ergotherapie: Auswertung der ersten Erhebungsrunde Buchtipp: Rationierung und Gerechtigkeit Grafik des Monats: Unterschiedlicher Umgang mit MRI- und CT-Geräten Viel Sparpotenzial beim richtigen Einsatz der Medikamente
Mitglieder des neuen Nationalrats zu gesundheitspolitischen Fragen (Quelle: smartvote.ch) 140 118
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SERVICE 2 2 22 22 23 23 23 24 24 24 25 25
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News aus aller Welt Prämienwachstum 2007 beeinflusst verfügbares Einkommen kaum Ankündigung Generalversammlung santésuisse Sans-Papiers im Gesundheitswesen: Rechtliche Situation Spitäler: Mehr Kosten trotz kürzerer Verweildauer Punktlandung von Kathrin Amacker Rechtliche Unterstützung von Versicherten durch Krankenkassen Erscheinungsdaten infosantésuisse 2008 Und zum Schluss noch dies… Veranstaltungskalender
86 69
dafür
71
dagegen
60 40 20 0 einkommensabhängige Prämien
Einschränkung freie Arztwahl
Komplementärmedizin in der OKP
Stabile Mehrheitsverhältnisse: Kein neues Parlament für die Gesundheitspolitik Seite 8
Im Gespräch: Christiane Langenberger, abtretende Waadtländer Ständerätin Seite 10
Nr. 12, Dezember 2007 Erscheint zehnmal jährlich
Layout: Henriette Lux
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EDITORIAL
infosantésuisse Nr. 12, Dezember 2007
Spielraum für weitere Liberalisierung
D Otto Bitterli Verwaltungsrat santésuisse
ie abgelaufene Legislatur und die Beurteilung des gesundheitspolitisch Erreichten kann sehr unterschiedlich erfolgen. Kritisch betrachtet mag man einwenden, dass keine grossen Würfe erreicht wurden. Pragmatisch gesehen lässt sich hingegen dafürhalten, dass das Parlament zahlreiche Impulse und Schritte zur Verbesserung des schweizerischen Gesundheitswesens beraten und teilweise verabschiedet hat. Was soll man als Verbesserung bezeichnen? Meiner Meinung nach Reformschritte, welche dem Wettbewerb mehr Gestaltungsraum geben. Denn der Wettbewerb ist eine der zentralen Grundmerkmale des schweizerischen Gesundheitswesens. Reformen sollten das Wettbewerbselement stärken und es nicht durch ein Korsett von zusätzlichen Regulierungen einschränken. Oft ist die Absicht gut, aber das am Ende Erreichte enttäuschend. Nennen wir dazu Beispiele aus der aktuellen Legislaturperiode: Ein positives Resultat im Rahmen der Vorlage Spitalfinanzierung ist die künftige leistungsbezogene Abgeltung von Spitalleistungen. Mit der gleichzeitig geplanten Einführung von DRG als Grundlage für die Pauschalenbemessung besteht eine wichtige Voraussetzung zur Erhöhung der Transparenz, ohne die der Wettbewerb nicht spielen kann. Im Thema der Pflegefinanzierung besteht hingegen die Gefahr, dass die gegenteilige Stossrichtung zementiert wird: Nicht Leistungen, sondern Kosten sollen die Versicherer tragen. Zudem besteht die Gefahr, dass das Leistungsvolumen zulasten der Versicherer stark ausgeweitet wird (Vollfinanzierung der Akut- und Übergangspflege). Dies würde den Krankenversicherern in Zukunft stark wachsende Mehrbelastungen auferlegen und die Generationensolidarität enorm strapazieren. Ich hoffe, dass das Parlament hier in der Schlussberatung die richtigen Akzente setzt.
Schliessen möchte ich mit den Erwartungen an die künftige Legislatur. Verschiedene Themen sind bereits auf der Agenda: Als Gegenvorschlag zur Initiative «Für tiefere Krankenkassenprämien» wurde ein Vorschlag für eine Verfassungsänderung eingebracht. Es geht um die grossen Linien und insbesondere um die Verankerung des Wettbewerbsprinzips. Entsprechende Leitplanken auf Verfassungsebene würden meiner Meinung nach sinnvolle Rahmenbedingungen für weitere Reformschritte schaffen. Denn eines ist wohl eindeutig: Es besteht noch viel Spielraum für eine Liberalisierung im Gesundheitswesen, die den Bürgern zusätzlich zur hohen sozialen Sicherheit noch mehr Wahlfreiheiten und Effizienz bringen könnte.
SCHWERPUNKT
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Gesundheitspolitische Bilanz der Legislatur 2003 – 2007
KVG-Revision: Die Entscheide fällt das neue Parlament Mit Beginn der Dezembersession ist die Legislaturperiode 2003 bis 2007 definitiv zu Ende gegangen. Eine Bilanz aus gesundheitspolitischer Sicht fällt zwiespältig aus. Die KVG-Revision, die im Mittelpunkt der gesundheitspolitischen Arbeit stand, muss das neu gewählte Parlament zu Ende beraten.
D
ie Revision des Krankenversicherungsgesetzes (KVG) beschäftigt die eidgenössischen Räte nun schon seit über sieben Jahren. Den ersten Anlauf hat der Bundesrat im September 2000 genommen. Schwerpunkt der Vorlage war die Revision der Spitalfinanzierung. Sie enthielt bereits die Kernelemente der aktuellen Version: Die paritätische Finanzierung der Spitalkosten, den Übergang zur leistungsbezogenen Abgeltung, die Gleichstellung aller Listenspitäler und die Beteiligung der Kantone an den KVG-Kosten aller Versicherten. Ein zweiter wichtiger Revisionspunkt war die Verpflichtung der Versicherer zur flächendeckenden Einführung von Versicherungsmodellen mit eingeschränkter Wahl der Leistungserbringer. Die Vorlage wurde im Verlauf der parlamentarischen Verhandlungen ergänzt durch die Aufhebung des Vertragszwangs im ambulanten Bereich und durch Verbesserungen bei der Prämien verbilligung. Das Parlament behandelte die Revision in der Legislaturperiode 1999 – 2003, musste aber die letzten Differenzbereinigungen und die Schlussabstimmungen dem neuen Parlament überlassen.
Start mit Paukenschlag Nicht ganz unerwartet scheiterte das Reformpaket jedoch gleich zu Beginn der Legislaturperiode 2003 – 2007, und zwar in der Schlussabstimmung im Nationalrat. Die Vorlage war überladen, bot zu viele Angriffspunkte, wurde vom Bundesrat nur halbherzig verteidigt und führte zu unheiligen Allianzen. Die Ärzteschaft und die politische Linke bekämpften die Vertragsfreiheit, die CVP opponierte wegen der fehlenden Prämienbefreiung für die Kinder.
Der Neubeginn Der Bundesrat hat sehr rasch auf das Abstimmungsdebakel im Nationalrat reagiert. Schon im Frühjahr 2004 hat er dem Parlament ein neues Reformprojekt vorgelegt, aufgeteilt in drei Pakete mit diversen Teilvorlagen. Er wählte diesen Weg, um nicht erneut am kumulierten Widerstand verschiedener Interessen zu scheitern. Die Revision sollte Schritt für Schritt vorankommen. Dieses Vorgehen erlaubte es dem Parlament schon in der Herbstsession 2004, dringende kleinere Gesetzesänderungen zu verabschieden: Die Fristverlängerung für den Risikoausgleich, die Verlängerung des Zulassungsstopps, die Weiterführung der Rahmentarife im Pflegebereich und die Ausrichtung von Kantonsbeiträgen für KVG-Leistungen in allen Abteilungen öffentlicher Spitäler. Gleichzeitig beschlossen die Räte Sanktionen gegen unwirtschaftliche und qualitativ mangelhafte Leistungserbringer und die Einführung der Versichertenkarte.
Schleppender Verlauf Das etappenweise Vorgehen hatte aber auch zur Folge, dass die Behandlung der grösseren Vorlagen nur schleppend verlief und grundsätzliche Fragen auf der langen Bank landeten. Zu Ende beraten und inzwischen in Kraft gesetzt wurde einzig die Teilvorlage zur Prämienverbilligung. Immerhin sind die Beratungen zur Revision der Spital- und der Pflegefinanzierung fast abgeschlossen. Über die letzten wichtigen Differenzen – vor allem die Verteilung der Kosten auf die Krankenversicherung und die öffentliche Hand – entscheidet jedoch das neue Parlament. Erst dann wird sich zeigen, ob das ursprüngliche Ziel der Revision, nämlich die Kosten und Prämien in der Kranken-
versicherung in Griff zu bekommen, in Reichweite bleibt. Aufgeschoben hat das Parlament die Beratung der Vorlage über die Vertragsfreiheit. Der Bundesrat hatte sie ins neue Revisionspaket aufgenommen, um den umstrittenen Zulassungsstopp für Leistungserbringer abzulösen. 2005 verlängerte das Parlament den Zulassungsstopp für weitere drei Jahre. Mitte 2008 wird er erneut auslaufen, und noch immer ist keine Alternative in Sicht. Eine weitere Verlängerung scheint unumgänglich, will man den Zustrom von Ärzten aus EU-Ländern in Grenzen halten.
SCHWERPUNKT
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Für die Verzögerungen bei der KVG-Revision ist das Departement des Innern mitverantwortlich. Es hat das Problem mit dem geltenden Risikoausgleich negiert, so dass der Ständerat selber tätig werden musste. Ebenso war beim Medikamententeil der Managed-Care-Vorlage die Eigeninitiative des Ständerates gefragt.
Differenzen zwischen Bundesparlament und Kantonen
Die Revision der Krankenversicherung war seit der Einführung des Krankenversicherungsgesetzes im Jahre 1911 (mehr als 20 Jahre nach der Annahme des Verfassungsartikels über die Kranken- und Unfallversicherung) immer ein schwieriges Unterfangen. Erst 1964 hat das Gesetz die erste eigentliche Revision erfahren.2 1994 wurde es nach verschiedenen vergeblichen Anläufen, darunter zwei negativ verlaufene Volksabstimmungen, zum zweiten Mal revidiert. Der Inhalt der Reformen hat sich mit dem veränderten gesellschaftlichen und wirtschaftlichen Umfeld, dem raschen medizinischen Fortschritt und den gewandelten Ansprüchen der Versicherten geändert, gleich geblieben sind bis heute die harten Auseinandersetzungen zwischen den Interessengruppen der Leistungserbringer (Ärzte, Spitäler, Pharmaindustrie, Apotheken, Pflegeinstitutionen usw.) und der Versicherer sowie Bund und Kantonen. Insofern überraschen bei der aktuellen Reform die langwierigen Verhandlungen, die Rückschläge und die neuen Anläufe für kompromissfähige Vorlagen wenig. Nach rund 7 Jahren Revisionsarbeiten ist es aber höchste Zeit, dass die wichtigsten Revisionsprojekte abgeschlossen werden, umso mehr als sich die Kostenproblematik inzwischen weiter verschärft hat.
Ein weiterer Konflikt zwischen Parlament und GDK schwelt bei der Frage der schweizweit freien Spitalwahl. Diesmal war es der Nationalrat, der dieses zusätzliche Wettbewerbselement in die Spitalfinanzierungsvorlage aufnahm. Die beiden Parlamentskammern scheinen sich nun auch gegen den Widerstand der Kantone auf eine Lösung zu einigen.
Viele Vorstösse und Initiativen Nebst der unvollendeten KVG-Revision hinterlässt das alte dem neu gewählten
Foto: Prisma
Foto: Keystone
Ein weiterer Grund für den langsamen Verlauf der Revision ist die Auseinandersetzung zwischen dem Parlament und der Konferenz der kantonalen Gesundheitsdirektoren (GDK). Insbesondere die Spitalfinanzierung ist davon betroffen. Auffallend ist die Skepsis der GDK gegen zusätzliche Wettbewerbselemente. So leistete sie massiven Widerstand gegen das Vorhaben der Gesundheitskommission des Ständerates, ambulante und stationäre Leistungen gleich zu finanzieren. Bei dieser «monistischen Finanzierung» geht die volle Rechnung an den Krankenversicherer, wobei der bisherige Kantonsanteil an die Versicherer überwiesen wird. Wegen der Opposition der Kantone zog der Ständerat das Projekt zurück.
Jede KVG-Revision hat es schwer
Parlament eine Flut von unerledigten gesundheitspolitischen Vorstössen. Allein zur Krankenversicherung sind es rund 100.1 Ein Teil davon könnte allerdings mit der Annahme der KVG-Revision abgeschrieben werden. Viel Zeit in Anspruch genommen hat auch die Beratung der drei Volksinitiativen «für eine soziale Einheitskrankenkasse», «Für tiefere Krankenkassen-Prämien» und «Ja zur Komplementärmedizin». Mit der deutlichen Ablehnung der Einheitskasseninitiative haben die Stimmbürgerinnen und Stimmbürger gezeigt, dass sie einem liberalen Gesundheitswesen den Vorzug vor VerstaatlichungsTendenzen geben. Ein Signal, das auch das neu gewählte Parlament ernst nehmen sollte. Nach der Politik der kleinen Schritte, welche die Legislatur 2003 – 2007 geprägt hat, ist es ohnehin an der Zeit, grundsätzliche Fragen der Gesundheitspolitik zu diskutieren – wie Qualität, Prävention und ganz generell die Förderung von Wettbewerb und Eigenverantwortung. Eine erste Gelegenheit dazu ergibt sich in der Dezembersession bei der Bereinigung des Gegenvorschlags zum Volksbegehren «für tiefere KrankenkassenPrämien». Walter Frei
Eine Übersicht zu den hängigen politischen Vorstössen und zum Stand der KVG-Revision ist zu finden unter www.santesuisse.ch - Politik und Recht – KVG Revision – KVG Revision Übersicht. 2 Über die Einflussnahme verschiedener Interessengruppen auf die KVG-Revision 1962-1964 hat der Gesundheitsökonom Gerhard Kocher 1967 eine auch heute noch lesenswerte Dissertation geschrieben, abrufbar unter www.stub.unibe.ch/download/eidiss/ 67kocher_g.pdf 1
Die gesundheitspolitische Bilanz der vergangenen Legislatur ist zwiespältig.
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Im Gespräch: Peter Marbet, abtretender Leiter der Abteilung Politik und Kommunikation bei santésuisse
«Die Komplexität des Systems wird zum Teil bewusst missbraucht» Peter Marbet, Leiter der Abteilung Politik und Kommunikation bei santésuisse, wechselt als Direktor zum neu geschaffenen Berner Bildungszentrum Pflege. Nach siebeneinhalb Jahren bei santésuisse zieht er Bilanz. Sein Fazit: Im Gesundheitswesen hat sich mehr bewegt, als der schleppende Verlauf der KVG-Revision vermuten lässt.
infosantésuisse: Nach siebeneinhalb Jahren verlassen Sie santésuisse. Gehen Sie mit dem Gefühl, Ihre Ziele erreicht zu haben? Peter Marbet: Von aussen her besteht vielleicht der Eindruck, dass sich nicht so viel bewegt hat. Viele Themen haben es in meiner Zeit bei santésuisse nie weg von der Traktandenliste geschafft. Beim genaueren Hinsehen ändert sich das Bild aber: Auf Verordnungsebene ist doch einiges passiert. Auf der Stufe meiner Abteilung bin ich zufrieden: santésuisse wollte zu Beginn meiner «Amtszeit» die politische Arbeit verstärken. Man wollte sich auf gleiche Augenhöhe bringen wie BAG, GDK, H+, FMH oder die Pharmaindustrie. Dort haben wir die Ziele erreicht und konnten auch die entsprechenden Ressourcen aufbauen. santésuisse ist im Gesundheitswesen inzwischen eine wichtige Stimme. Sie hat ein glaubwürdiges Image und wird nicht sofort mit einseitiger Interessensvertretung in Verbindung gebracht. Wird santésuisse dadurch auch in der Politik anders wahrgenommen? Im Vergleich zu Konkordatszeiten wird santésuisse sicher stärker wahrgenommen. Auch vom Namen her ist sie sehr gut positioniert. Sie hat sich aber auch einen Namen gemacht. Das erreicht man nur durch konstante Präsenz. Tatsache ist: Gerade in der Spitalfinanzierung gibt es heute nur drei Player: Kantone, Spitäler und die Krankenversicherer. Ist die Schwierigkeit, umstrittene Themen zu beraten, auch auf generelle Veränderungen in der Politik zurückzuführen – Stichwort Polarisierung? Gesundheitspolitik ist nicht Parteipolitik. Die Parteienlandschaft oder bevorstehende Wahlen haben wenig mit den Verzögerungen bei der KVG-Revision zu tun.
Ein Schwachpunkt in der vergangenen Legislatur war die SGK des Nationalrats. Die Ständeratskommission hat im direkten Vergleich viel mehr zu Stande gebracht. Die SGK-N hatte offensichtlich andere Prioritäten und behandelte die KVG-Themen eher stiefmütterlich. Ist das die Kehrseite der Kritik, in der SGK-S seien zu viele Versicherer-Vertreter involviert? Gibt es da ein Know-how, das der SGK-N fehlt? Generell ist im Ständerat das Fachwissen grösser. Im Ständerat wird diskutiert, zugehört, ein Dialog geführt. Man sucht gemeinsam nach sachlichen Lösungen. Im Nationalrat steht mehr die mediale Vermarktung im Vordergrund. Man ist stärker darauf bedacht, für die Partei oder für sich selber einen Erfolg zu verbuchen.
«santésuisse hat ein glaubwürdiges Image und wird nicht sofort mit einseitiger Interessensvertretung in Verbindung gebracht.» Ist der Leidensdruck noch zu klein, um die Politik zu einer Lösung zu zwingen? Einerseits tönt das einigermassen zynisch, wenn man sich vor Augen führt, wie gross die Prämienbelastung für manche Bevölkerungsgruppen ist. Andererseits besteht tatsächlich der Eindruck, die Politik betrachte den Handlungsbedarf als noch nicht so dringend. Schlimmer noch: Im Rahmen der Spital- und Pflegefinanzierung werden Varianten diskutiert, die zu einer Mehrbelastung der Prämienzahlenden führen. Vom System her haben diese Reformen ihre Berechtigung. Sie setzen sinnvolle Anreize. Aber sie werden die Prämien mittelfristig nicht stabilisieren können.
Ein Verband hat die Aufgabe, die politischen Debatten mitzugestalten und zu verfolgen. Andererseits muss sich gerade santésuisse des Eindrucks erwehren, zu einflussreich zu sein. Wie sind Sie damit umgegangen? Macht haben immer die anderen. Die Macht dem Gegner zuzuschreiben, kann auch eine Strategie sein, um von seinen eigenen Einflussmöglichkeiten abzulenken. Die Krankenversicherer haben an Gewicht zugelegt. Das kann man ganz offen sagen. Trotzdem: Im Parlament sind die Kassen gegenüber den Leistungserbringern alles andere als übervertreten. Kurz bevor ich zu santésuisse kam, wurde das Thema Vertragsfreiheit lanciert. Erreicht hat man gar nichts. Das deutet die Durchsetzungskraft der Leistungserbringer an. Was wäre heute nicht umgesetzt, hätte santésuisse nicht dafür gekämpft? Die Kantone müssen bei innerkantonalen Spitalbehandlungen den Anteil für die Grundversicherung nun auch für zusatzversicherte Patienten zahlen. Und in der KVG-Revision ist unumstritten, dass die Kantone die Privatspitäler ebenfalls subventionieren müssen. Beides wäre ohne den Einsatz der Versicherer nie durchgekommen. Schliesslich sind die Teilerfolge bei den Medikamentenpreisen eine Folge des Drucks von santésuisse und auch des Preisüberwachers. Die Zusammenarbeit mit dem Preisüberwacher und dem Konsumentenschutz zeigt letztlich auf, dass santésuisse über ein grosses politisches Spektrum hinweg eine anerkannte Partnerin ist. Absolut. Wir haben eine hohe Glaubwürdigkeit und Akzeptanz bei den anderen Akteuren und vor allem bei den Medien. Das beweist das breite Spektrum der Anfragen. Es hat auch Kurioses darunter: Zum Bei-
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spiel hat mich eine Nachrichtenagentur gefragt, was santésuisse zu einer neuen Verordnung über Hundebisse sagt. Vor siebeneinhalb Jahren wäre niemand auf die Idee gekommen, unsere Meinung zu solchen Dingen einzuholen. Und, was haben Sie gesagt? santésuisse ist für eine umfassende Haftung der Hundehalter für ihre Tiere.
lich ist die Komplexität des Gesundheitswesens nicht.
«Es ist relativ einfach, im Gesundheitswesen mit grossen Worten seine Absichten zu verschleiern.» Ist das System wirklich so viel komplexer als andere Bereiche der Politik? Man hat Foto: Peter Kraft
Oft deklariert sich santésuisse als Vertreterin der Versicherten.
chen. Es ist relativ einfach, im Gesundheitswesen mit grossen Worten seine Absichten zu verschleiern. Das war nie mein Ding, es hat mich im Gegenteil immer massiv gestört.
Welche Elemente Ihrer alten Arbeit werden Sie vermissen? Ich werde die Medienarbeit vermissen. Sie ist spontan, man muss schnell reagieren und sich sofort auf Menschen einstellen, die einem zuvor unbekannt waren. Ich habe Kontakt zu sehr vielen guten Leuten geknüpft – sowohl bei santésuisse als auch im weiteren Kreis des Gesundheitswesens. Ich durfte auf nationaler Ebene tätig sein und einen höchst interessanten Politikbereich im Überblick haben. Ich konnte vernetzen und Transparenz schaffen, während ich in meiner neuen Stelle mehr in die Tiefe gehen werde. Was werden Sie überhaupt nicht vermissen? In den letzten Monaten hatte ich manchmal das Gefühl, dass ich gewisse Dinge nun gesehen habe. Das Gesundheitswesen ist und bleibt spannend, aber eine gewisse Müdigkeit gegenüber den immer gleichen KVG-Themen hat sich doch bemerkbar gemacht. Manchmal war ich es auch leid, die ewig falschen Unterstellungen und Vorurteile zu kommentieren. Was sind Ihre persönlichen Ziele in Ihrer neuen Funktion? Für mich ist wichtig, den Fusionsprozess so anzupacken, dass die Mitarbeitenden und die Studierenden diesen Prozess positiv erleben. Sie sollen ihn nicht als Aufgeben verstehen, sondern als neue Chance. Das ist eine kommunikative, organisatorische und auch strategische Aufgabe.
«Die SGK des Nationalrats behandelte die KVG-Themen eher stiefmütterlich.»
Wir haben uns immer für eine sozialverträgliche Finanzierung mit einem sinnvollen Mix aus Prämien und Steuergeldern eingesetzt. Auch der Ausbau der Prämienverbilligungen ist ein Anliegen von santésuisse. Mir selber ist das Thema Qualität und Sicherheit im Gesundheitswesen sehr wichtig. Dort konnten wir bisher zu wenig bewegen. Ich hatte auch immer den Anspruch, das System erklären zu können. Die Komplexität des Systems wird zum Teil bewusst missbraucht, um Interessenpolitik zu ma-
manchmal den Eindruck, dass die angebliche Komplexität der Materie nur vorgeschoben wird, um das langsame Tempo bei den Reformen zu rechtfertigen. Das habe ich mich auch schon gefragt. Sicher ist die Gesundheitspolitik kompliziert. In vielen Politikbereichen gibt es entweder ein Ja oder ein Nein. In der Gesundheitspolitik gibt es oft viele Nuancen dazwischen. Aber: Unsere Beziehungen zur EU zum Beispiel sind viel vielschichtiger als das Gesundheitswesen. So aussergewöhn-
Sie wechseln innerhalb des Gesundheitswesens. Gibt es einen «persönlichen roten Faden», der sich durch Ihre alte und neue Arbeit zieht? Themen wie DRG werden mir erhalten bleiben: Wie gehen wir damit in der Pflege um, ohne dass die Qualität der Behandlung leidet? Mit der Qualität werde ich mich noch intensiver beschäftigen als heute. Eine gewisse Bedeutung wird auch die Kostenfrage behalten. Die Leistungserbringer sind auch daran interessiert, dass das Gesundheitswesen bezahlbar bleibt – sonst sägen sie sich den Ast ab, auf dem sie sitzen. Der Überblick, den ich bei santésuisse gewonnen habe, wird mir in diesem Mikrokosmos in Bern enorm helfen. Interview: Peter Kraft
SCHWERPUNKT
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Analyse der Smartvote-Umfragen zeigt stabile gesundheitspolitische Mehrheitsverhältnisse
Kein neues Parlament für die Gesundheitspolitik
Quelle: santésuisse
Der neue Nationalrat dürfte kleineren Reformen des Gesundheitssystems offen gegenüberstehen. Vor den grossen Würfen wird er aber zurückschrecken. Das lässt eine infosantésuisse-Analyse der Smartvote-Umfrage vermuten. Die neuen Parlamentarier ändern an der gesundheitspolitischen Ausrichtung der kleinen Kammer kaum etwas.
versicherung: 101 Nationalräte sind dieser Meinung, 86 sehen es anders. Eine Konstante der letzten Legislatur scheint sich damit fortzusetzen: Das Parlament ist gewillt, kleinere Reformen im Gesundheitswesen umzusetzen. Sobald es aber um grundsätzlichere Fragen geht, bleibt man skeptisch.
Mitglieder des neuen Nationalrats zu gesundheitspolitischen Fragen (Quelle: smartvote.ch) 140 118
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116 101
100 80
86 69
dafür
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dagegen
60 40 20 0 einkommensabhängige Prämien
Einschränkung freie Arztwahl
Komplementärmedizin in der OKP
Der neue Nationalrat steht grundsätzlichen Reformen skeptisch gegenüber.
T
iefgreifende gesundheitspolitische Reformen dürften es im neu gewählten Parlament nicht einfacher haben als in der vergangenen Legislatur. Das zeigt eine Analyse der Smartvote-Umfrage, die 187 der 200 gewählten Nationalräte ausgefüllt haben. Alle Kandidaten hatten vor den Parlamentswahlen die Möglichkeit, Fragen zu den wichtigsten politischen Themen zu beantworten. Die Wähler konnten dieselben Fragen beantworten und die eigenen Antworten mit jenen der Kandidaten vergleichen. Bezogen auf die Gesundheitspolitik wollte Smartvote wissen, ob die Kandidatinnen und Kandidaten einkommensabhängige Prämien befürworten, ob
die Komplementärmedizin in die Grundversicherung gehört und ob die Einschränkung der freien Arztwahl ein geeignetes Mittel zur Kostendämpfung ist.
Mässiger Reformwille Würden die Mitglieder des neuen Parlaments gemäss ihren Smartvote-Antworten abstimmen, wären vor allem die einkommensabhängigen Prämien chancenlos. 118 Nationalräte sind dagegen, nur 69 sind dafür. Die Einschränkung der freien Arztwahl kommt kaum besser an. 116 lehnen diese Reform ab, 71 können sich dafür erwärmen. Die Komplementärmedizin hingegen soll wieder zurück in die Grund-
Keine neuen Mehrheiten für die Gesundheitspolitik Für einen gesundheitspolitischen Ausblick auf die kommende Legislatur lohnt sich auch ein Blick auf die abgewählten und neuen Nationalräte. Unter den Nationalräten, welche die Wiederwahl nicht geschafft haben*, befürworten zehn einkommensabhängige Prämien. Zwölf lehnen sie ab. Damit mussten verhältnismässig viele Anhänger einer neuen Finanzierung der Krankenversicherung das Parlament verlassen. Von den neu gewählten Parlamentariern sind 16 für einkommensabhängige Prämien, 33 dagegen. Das System der sozial abgefederten Kopfprämie wird in den nächsten vier Jahren also noch unumstrittener sein. Bei der Frage nach der freien Arztwahl bleiben die Mehrheitsverhältnisse gleich: Acht Befürworter und 14 Gegner wurden abgewählt, 18 Befürworter und 31 Gegner sind neu im Parlament. Etwas weniger komfortabel wird die Lage für die Freunde der Komplementärmedizin. Doppelt so viele Befürworter als Gegner haben die Wiederwahl nicht geschafft (15:7). Bei den neuen Parlamentariern ist das Verhältnis nahezu ausgeglichen (25:24). Trotz den Verschiebungen in der Parteienlandschaft haben sich die gesundheitspolitischen Mehrheitsverhältnisse im Natio-
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nalrat kaum verändert. Bestehende Mehrheiten haben sich verfestigt (Befürworter der geltenden Finanzierung), andere sind stabil (Befürworter der freien Arztwahl). Etwas abgenommen hat die Offenheit gegenüber der Komplementärmedizin. Die Befürworter behalten aber weiterhin einigermassen deutlich die Oberhand. Ob diese grundsätzlich positive Haltung gegenüber alternativer Heilmethoden auch zu einer Ja-Mehrheit für die Komplementärmedizin-Initiative im Nationalrat führen wird, ist fraglich: Nicht wenige Parlamentarier aus dem gemässigt bürgerlichen Lager beziehen eine Ja-Aber-Position. Für sie gehört die Komplementärmedizin in den Grundleistungskatalog, aber nur unter klar definierten Bedingungen. Die Initiative ist ihnen zu offen formuliert. Die abtretende FDPStänderätin Christiane Langenberger zum Beispiel bezeichnet sie als «Fass ohne Boden».
Abgewählte Nationalräte zu gesundheitspolitischen Fragen (Quelle: smartvote.ch) 16
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einkommensabhängige Prämien
Einschränkung freie Arztwahl
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nicht Parteipolitik.» Die Smartvote-Umfrage gibt ihm recht: Die Fraktionen sind in den drei gestellten Fragen alles andere als geschlossen. Dass die freie Arztwahl sakro-
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dafür
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dagegen 10 5 0
einkommensabhängige Prämien
Komplementärmedizin in der OKP
Relativ viele BefürworterInnen einkommensabhängiger Prämien mussten den Nationalrat verlassen.
(Quelle: smartvote.ch)
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Neu gewählte Nationalräte zu gesundheitspolitischen Fragen
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Nach siebeneinhalb Jahren als Kommunikationsverantwortlicher bei santésuisse sagt Peter Marbet: «Gesundheitspolitik ist
Quelle: santésuisse
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Gesundheitspolitik entzieht sich der Parteidisziplin
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Quelle: santésuisse
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Einschränkung freie Arztwahl
sankt ist, denken nicht alle in der SP: Immerhin neun ihrer Nationalrätinnen und Nationalräte sind für Einschränkungen als Mittel zur Kostendämpfung. Und die ansonsten so disziplinierte SVP hat in dieser Frage überhaupt keine Position: Von 62 Vertretern sind 29 für eine Einschränkung der freien Arztwahl. In Sachen Komplementärmedizin weiss vor allem die CVP nicht recht weiter: 17 zu 14 lautet das Verdikt zugunsten der alternativen Heilmethoden. Bei der SP (pro), der FDP (contra) und der SVP (contra) sind die Mehrheitsverhältnisse klarer. Von der Geschlossenheit Komplementärmedizin sind aber auch diese Parteien weit entfernt. Einzig in der Frage der Finanzierung ist die Lage klar: Die SP und die Grünen befürworten einkommensabhängige Prämien, die Bürgerlichen wollen das bestehende System beibehalten. Abweichler gibt es in dieser Frage nur sehr wenige. Peter Kraft
Komplementärmedizin in der OKP
Die neu gewählten NationalrätInnen sind nicht reformfreudiger als das alte Parlament.
* In dieser Zählung nicht integriert sind ehemalige Nationalräte, die nicht mehr zur Wahl angetreten sind. Sie waren nicht Kandidaten und haben deshalb auch den Smartvote-Fragebogen nicht ausgefüllt.
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Christiane Langenberger, abtretende Waadtländer Ständerätin
«Wir hätten nicht viel anders machen können» Die Waadtländer FDP-Ständerätin und Gesundheitspolitikerin Christiane Langenberger hat dem Parlament Adieu gesagt. Sie zieht Bilanz über die letzten vier Jahre KVG-Revision. Ihr Fazit: Das Parlament hat getan was es konnte – zumindest was den Ständerat betrifft.
infosantésuisse: Sind Sie zufrieden mit der gesundheitspolitischen Bilanz der vergangenen Legislatur? Christiane Langenberger: Was den Ständerat anbetrifft ja. Wir haben die Spitalund Pflegefinanzierung zu Ende beraten, ebenso Managed Care und den Risikoausgleich. An uns liegt es also nicht, dass die KVG-Revision nicht vom Fleck kommt. Sie schieben den Ball zum Nationalrat. Der Nationalrat hat es schwieriger. Er ist grösser, und die Polarisierung, das Aufeinanderprallen von links und rechts, ist ausgeprägter. Die beiden Räte tun sich schwer mit der Differenzbereinigung. Sind gesundheitspolitische Themen für das Parlament besonders schwer zu beraten? Ich denke schon, weil verschiedene Akteure ihre Interessen vertreten – auch innerhalb des Parlaments. Das Problem ist aber weniger, dass diese Lobbys zu stark sind. Die grösste Schwierigkeit für das Parlament ist, die verschiedenen Interessen gegeneinander abzuwägen. Wie gross ist der Einfluss der Interessensgruppen schlussendlich? Gerade der Ständerat wurde oft kritisiert, weil er zu viele Versicherer-Vertreter in seinen Reihen habe. Die Kehrseite davon ist: Die Versicherer-Vertreter kennen die Materie oft am besten. Sie arbeiten schliesslich mit allen Akteuren des Gesundheitswesens zusammen. Ohne diese Parlamentarier hätten wir weniger unter Dach und Fach gebracht. Der Ständerat lässt sich den Weg aber nicht von den Versicherer-Vertretern weisen. Wir geben unsere Verantwortung nicht an irgendwel-
che Lobbys ab. Eine grössere Rolle haben die Kantone gespielt: Sie haben zukunftsgerichtete Lösungen bekämpft und immer wieder neue und überraschende Forderungen gestellt. Für den Ständerat dürfte das Problem mit den Kantonen schwieriger sein. Ich denke nicht. Wir machen keine Kantönligeist-Politik. Uns geht es um die Sache. Was hätte das Parlament oder die Kommissionen rückblickend anders machen müssen? Wenn ich sehe, was wir im Ständerat erreicht haben – wir hätten nicht viel anders machen können. Unsere Lösungen sind ausgewogen. Eine Ausnahme ist leider das Thema Managed Care. Da sind meiner Meinung nach die Anreize für die Versicherten, ein solches Modell zu wählen, viel zu schwach ausgestaltet worden.
«Wir geben unsere Verantwortung nicht an irgendwelche Lobbys ab.» Wie beurteilen Sie die Zukunft der KVGRevision? In welchem Zeithorizont erwarten Sie einen Abschluss? Ich rechne damit, dass es weiterhin harzig vorwärts geht. Aber die Beratungen sind nun so weit fortgeschritten, dass bald weitere konkrete Parlamentsbeschlüsse folgen werden. Ist ein neu gewähltes Parlament eine Chance für frischen Wind – oder eher eine Gefahr einer weiteren Verzögerung? Ich glaube nicht, dass das neue Parlament bei Null anfängt. Würde es das tun, wäre es mitverantwortlich für kommende
«Ich rechne damit, dass es weiterhin harzig vorwärts geht.»
Prämienschübe. Das kann sich das Parlament nicht leisten. Aber in der Spitalfinanzierung geht das Parlament genau in diese Richtung. Da bin ich nicht so sicher. Wir denken, dass wir mit der freien Spitalwahl mehr Konkurrenz ins Spitalwesen bringen. Die Kantone werden besser zusammenarbeiten müssen. Für Spitäler wird der Anreiz grösser, günstiger zu arbeiten und Qualität nachzuweisen. Wer das nicht kann, wird in Zukunft grosse Nachteile haben. Gewisse Kreise meinen ja, Wettbewerb und Konkurrenz seien für das Gesundheitswesen ein Tabu. Aber die Leitung eines Spitals ist eine ökonomische und keine medizinische Aufgabe. Wenn aber nur die Tarife des Wohnkantons vergütet werden, kann man doch nicht von einer freien Spitalwahl reden. Das müssen die Kantone miteinander regeln. Sie können zum Beispiel Verträge abschliessen und festlegen, wer die Tarifunterschiede übernimmt. Solche Verträge könnten die Kantone schon heute machen – etwa über gemein-
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Foto: Keystone
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stopp nochmals um zwei Jahre verlängern. Nachher muss aber definitiv eine Lösung her. Die Verlängerung des Ärztestopps ist eine Verlegenheitslösung, weil das Parlament keinen anderen Weg gefunden hat. Ja schon. Aber immerhin können die Kantone damit eine allzu hohe Anzahl an Spezialisten verhindern und auch die ungebremste Zuwanderung von Ärzten aus dem EU-Raum drosseln. Wir brauchen den Zulassungsstopp momentan. Aber er ist natürlich keine dauerhafte Lösung – vor allem, weil es jungen, aufgeschlossenen und innovativen Ärzten erschwert wird, eine Praxis zu gründen.
same Spitallisten. Sie tun es aber kaum. Wieso sollte das in Zukunft anders sein? Wir können uns die Anzahl Spitäler, die wir heute haben, nicht mehr leisten. DRG wird hier für eine Strukturbereinigung sorgen. Die Kantone werden in dieser Situation die Zusammenarbeit suchen müssen. Das spricht aber nicht gegen die total freie Spitalwahl: Die Konkurrenz zwischen den Kliniken würde sofort verstärkt. Ich denke, dass eine solche Veränderung langsam kommen muss. Ich möchte auch keine freie Spitalwahl vor der Einführung von DRG. Sie würde den Patienten nichts nützen, weil er keine Vergleichsmöglichkeiten hat. DRG ist Teil der neuen Spitalfinanzierung. Die freie Spitalwahl wäre es auch. Die beiden Dinge würden also zusammen eingeführt. Nochmals: Wieso nicht? Der Druck der Kantone war zu gross. Sie verteidigen ihre Planungshoheit. Das ist das Problem: Die Kantone verwalten ihre eigenen Spitäler und machen gleichzeitig die Spitalplanung. Wie sollten sie da objektiv sein?
Wie sinnvoll ist der starke Föderalismus, den wir im Gesundheitswesen haben? Diesen Föderalismus haben wir, es ist kaum möglich, grundsätzlich daran zu rütteln.
«Wir machen keine KantönligeistPolitik. Uns geht es um die Sache.» Es gibt aber Ideen von Gesundheitsökonomen von vier bis fünf Gesundheitsregionen. Wäre das nicht zeitgemässer als die heutige kantonale Planung? Ja klar. Aber wie wollen Sie dazu kommen? Wir haben 26 Kantone, die sich dagegen wehren. Welche Wünsche haben Sie? In welche inhaltliche Richtung soll sich die KVGRevision weiterentwickeln? Beim Risikoausgleich befürworte ich eine Erweiterung dann, wenn sie keine höheren Verwaltungskosten bringt. Es braucht bessere Anreize für Managed Care. Wir brauchen auch eine Lösung beim Kontrahierungszwang. Auch hier führt der aussichtsreichste Weg über Managed Care. Wir wollen den Ärzte-
Sie haben das Zusammenspiel von Kontrahierungszwang und Managed Care erwähnt. Was meinen Sie damit? Ich kann diese Verklärung der freien Arztwahl nicht ganz nachvollziehen. Managed Care-Systeme bieten eine qualitativ bessere Versorgung, weil Informationen und Wissen an einem Ort konzentriert sind. Wenn die Anreize für die Versicherten besser werden, schliessen sich immer mehr den Managed Care-Modellen an. Der Druck für die Ärzte steigt, sich in solche Netzwerke zu integrieren. Diese verhandeln bereits heute einzeln mit den Versicherern. Also: Der einfachste Weg zu Vertragfreiheit führt über die Förderung von Managed Care. Welche Herausforderungen ausserhalb der KVG-Revision sehen Sie auf das Gesundheitswesen zukommen? Je nach dem, wie sich die Gesundheitskosten und die Gesellschaftsstruktur weiterentwickeln, wird auch der Leistungskatalog kein Tabu mehr sein. Bereits heute sind Fälle von Rationierung aus den Spitälern bekannt, und zwar ohne jede Grundlage. Ich finde das gefährlich. Wenn der Kostendruck dazu führt, dass gewisse Leistungen nicht mehr erbracht werden, dann lieber über eine Straffung des Leistungskatalogs. Es ist besser, nicht notwendige Leistungen zu streichen, als über spontane Fall-zu-Fall-Entscheidungen den Patienten Behandlungen zu verweigern. Natürlich wird es schwierig, Kriterien für die Überarbeitung des Leistungskatalogs aufzustellen. Aber wir werden diese Aufgabe früher oder später wohl angehen müssen. Interview: Peter Kraft
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Die Krankenversicherer haben Einfluss, sind aber keineswegs übermächtig
Gesundheitspolitik: Wird jemand bevorzugt? Es geht um viel Geld in der Gesundheitspolitik: Über 12 Prozent der gesamten Schweizer Wirtschaftsleistung wird im Gesundheitswesen erbracht. Da liegt es nahe, dass die Beteiligten versuchen, auf politische Entscheidungen Einfluss zu nehmen. Wie stark fliessen diese TeilInteressen in die Gesundheitspolitik mit ein? Und gibt es Akteure, die dabei ein zu grosses Gewicht bekommen?
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ie Krankenversicherer hätten zu grossen Einfluss auf die Politik. Dieser Vorwurf wurde während der vergangenen Legislatur immer wieder laut. Vor allem vor der Einheitskassen-Initiative hatte das Thema Hochkonjunktur. Die so genannte «Krankenkassen-Lobby» – so eine oft gehörte These – trage Mitschuld an den Verzögerungen der KVGRevision. Doch wie kassenfreundlich war das Parlament zwischen 2003 und 2007 tatsächlich?
Kein Übergewicht der Versicherer Es ist wahr: In der letzten Legislatur waren 14 Parlamentarier aufgrund ihres Berufs oder ihrer Interessensbindungen im Lager der Krankenversicherer. Doch 14 Parlamentarier machen noch lange keine Mehrheit. Zweitens ist das für eine Branche dieser Grösse nichts Aussergewöhnliches. Und drittens waren die anderen Akteure des Gesundheitswesens 2003 bis 2007 teilweise deutlich besser vertreten. Die Leistungserbringerseite brachten es auf 34 Parlamentarierinnen und Parlamentarier, davon 17 allein aus dem Spitalbereich. Interessensbindungen mit der Pharmaindustrie hatten 10 Abgeordnete, für die Anliegen der Patienten und der Prävention setzten sich ebenfalls 10 explizit ein. Das zeigt folgendes: Erstens sind die Krankenversicherer im Vergleich zu anderen Interessensgruppen im Gesundheitswesen keineswegs übervertreten. Zweitens hängt ein erfolgreiches Lobbying nicht von der Anzahl interessengebundener Parlamentarier ab: Die Pharma-Industrie als wohl erfolgreichste Lobby des Gesundheitswesens hat von allen Akteuren am wenigsten Nationalund Ständeräte in ihren Reihen.
Durchzogene Bilanz – für alle Akteure Tatsächlich ist die gesundheitspolitische Bilanz der letzten Legislatur für alle Akteure durchzogen. Der bisherige Verlauf der KVG-Revision weist für die einzelnen Interessengruppen positive Punkte auf, während andere eine Enttäuschung sind. In der Gesundheitspolitik ist niemand übermächtig. Bestes Beispiel dafür: Sogar die Pharma-Industrie musste dank des wachsenden politischen Drucks Senkungen der Medikamentenpreise hinnehmen.
Gesundheitspolitik als IdealBeispiel für funktionierendes Lobbying Soll das heissen, dass Lobbying in der Gesundheitspolitik nichts nützt? Ist das Ganze ein Nullsummenspiel, das man genauso gut hätte sein lassen können? Genau das Gegenteil ist der Fall. Die Gesundheitspolitik ist ein gutes Beispiel dafür, wie politisches Lobbying funktionieren sollte. Die Politikwissenschaft definiert Lobbying nämlich nicht als das Durchsetzen von Einzelinteressen. Vielmehr ist es die gezielte Information und Dokumentation von Politikern. Weil dies von verschiedenen Seiten geschieht, können sich die Parlamentarier ein unabhängiges Bild von den politischen Detailfragen machen. Lobbying steigert also einerseits das Fachwissen der Politiker, ist einerseits aber auch ein weiteres Element der direkten Demokratie: Es trägt Anliegen aus der Gesellschaft direkt in die Politik. Breit abgestütztes Lobbying durch viele Gruppierungen erhöht die Akzeptanz von Entscheidungen, weil mehr Interessen in den
politischen Prozess mit einfliessen. «Pluralistische Interessenartikulation vermag das Gemeinwohl besser abzubilden als das Parlament alleine», schreibt der deutsche Politikwissenschaftler Wolfgang Merkel. Damit das Lobbying aber so funktioniert, müssen zwei Bedingungen erfüllt sein: Kein Akteur darf eine bestimmende Übermacht haben, und keine wichtigen Interessengruppen dürfen vom Lobbying ausgenommen sein. Ausgedeutscht heisst das: Niemand darf über übermässig viele (Geld-)Mittel verfügen, und alle wichtigen Gruppen müssen sich Lobbying auch leisten können. Selbst Dieter Schulze, Präsident des deutschen Lobbyisten-Verbands, sieht das so. In der schweizerischen Gesundheitspolitik scheinen diese Voraussetzungen gegeben. Hinzu kommt: In der medialisierten Welt ist Informationsmacht wichtiger als Geld. Das sagt der deutsche Lobbyismus-Forscher Thomas von Winter. Wer es schafft, mit wenig Mitteln seine Botschaft in den Medien zu platzieren (und damit auch die Wählerschaft zu erreichen), wird für Politiker interessant. Teure Veranstaltungen und dergleichen verlieren dagegen an Bedeutung.
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Je früher, desto besser Lobbying müsste also zu fachlich besseren Entscheiden des Parlaments führen. Es fragt sich, warum die KVG-Revision trotzdem nicht vom Fleck kommt. Hier kommt eine weitere Frage ins Spiel: Wann im politischen Entscheidungsprozess ist Lobbying am wirksamsten? «Vor allem bei komplexen Entscheidungen ist die vorparlamentarische Phase relevant», schreibt der Politikwissenschaftler Claude Longchamp. Verwaltung, Expertengruppen und die Regierung seien in dieser Phase die wichtigsten Akteure. So gesehen deutet die KVG-Revision auf ein gutes Lobbying der Akteure hin: Die Botschaften des Bundesrats bieten ausgewogene Lösungen für das von steigenden Kosten und fehlenden Zielen gebeutelte Gesundheitswesen. Das Parlament hingegen ist bei komplizierten Sachthemen, wie die Gesundheitspolitik, nicht die entscheidende Stelle für das Lobbying: «Eine Fixierung auf das Parlament ist nicht adäquat», so Longchamp. Die Verzögerung bei Fragen wie der Spital- und Pflegefinanzierung oder der Vertragsfreiheit ist wohl eher auf die Komplexität der Materie oder auf nahende Wahlen zurückzuführen als auf mangelhaftes Lobbying.
Viele Voraussetzungen für erfolgreiches Lobbying
Die Interessenvertreter in der Gesundheitspolitik halten sich das Gleichgewicht.
Neben dem richtigen Zeitpunkt gibt es für den Politologen René Buholzer eine Reihe von weiteren Faktoren, die ein erfolgreiches Lobbying ausmachen: Das Beziehungsnetz, die öffentliche Meinung, das herrschende politische Klima, mögliche Partner und Allianzen oder die dauerhafte Präsenz der Interessensgruppe im politischen Alltag. Die Voraussetzungen für eine wirkungsvolle Interessensvertretung sind also vielfältig. Die Lobbying-Macht eines Akteurs hängt nicht von einer einzelnen Grösse ab wie etwa der Anzahl interessengebundener Parlamentarier. Allenfalls liesse sich ein Übergewicht gewisser Einzelinteressen an einseitigen politischen Entscheidungen feststellen. Der bisherige Verlauf der KVG-Revision lässt einen solchen Schluss allerdings nicht zu. Das gilt insbesondere auch bezogen auf die Krankenversicherer: Die Reform erfüllt deren Erwartungen bis anhin nur teilweise. Peter Kraft
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Gute Medizin für alle: Das Ziel ist klar, der Weg dorthin weniger
Das erwarten die Akteure vom neuen Parlament Die Erwartungen der Partner im Gesundheitswesen gehen teilweise weit auseinander. Die Kantone möchten die Gesamtverantwortung für die medizinische Versorgung behalten. Die Spitäler dagegen kritisieren die behördliche Planung und fordern mehr Freiheit ein. Ferner möchten sie dem Kostenwachstum mit einer sinnvollen Rationalisierung begegnen. Für die Ärzteschaft stehen Therapiefreiheit und eine patientenorientierte Medizin gegenüber wirtschaftlichen Überlegungen im Vordergrund.
FMH: Für eine patientenorientierte Medizin Es ist ein Gefühl, das einen oft beschleicht. In der vergangenen Legislaturperiode hat es sich aber immer mehr verstärkt: Die nächste Zeit wird aus Sicht der FMH entscheidend sein für unser Gesundheitssystem. Ein Blick auf die politische Aktualität zeigt: Über die konkreten Themen hinaus steht auch unser soziales Gebäude zur Debatte – das Gebäude, das die Schweizer Bevölkerung Gesetz für Gesetz, Initiative für Initiative in einem jahrzehntelangen Prozess aufgebaut hat. Die Stimmbürgerinnen und Stimmbürger sowie das Parlament werden in der nächsten Zeit Entscheide fällen, welche den Zugang zu medizinischen Leistungen, die Gleichbehandlung bei Krankheit und die Qualität der Medizin entscheidend beeinflussen werden. Deshalb sind die folgenden Punkte zentral für die FMH: • Der Zugang zu den medizinischen Leistungen über die Grundversicherung muss gewährleistet bleiben. Ausgenommen sind natürlich Komfortleistungen. Die Kürzung des Leistungskatalogs, wie sie die Initiative der SVP verlangt, ist nicht akzeptabel, weder medizinisch noch sozial. • Die Schweizerinnen und Schweizer sollen ihren Arzt weiterhin wählen können, ohne dass die Wirtschaftlichkeit das einzige Kriterium ist. Das ist ein zen-
trales Element für die Qualität und für die Aufrechterhaltung einer individualisierten Medizin, welche die Bedürfnisse der Patienten respektiert. • Konkret bedeutet das für uns, dass die freie Arztwahl erhalten bleiben muss. Die Ausbreitung von Managed Care-Netzwerken – die auch wir uns wünschen und die breit unterstützt werden muss – soll weiterhin ermöglichen, dass jeder das Versicherungsmodell wählen kann, das ihm an besten entspricht. Managed Care-Netze müssen selbstverständlich auf einem Vertrag zwischen Ärzten und Versicherern beruhen. • Die Möglichkeit der Ärzte, ihr Handeln der individuellen Situation des Patienten anzupassen, ist fundamental. Natürlich muss das im Rahmen der medizinischen Wissenschaft und von vernünftigen wirtschaftlichen Überlegungen geschehen. Wir Ärzte haben dafür den Ausdruck «Therapiefreiheit». Diese Therapiefreiheit darf weder durch gesetzliche Regelungen noch durch ein Kontrollmandat der Versicherer eingeschränkt werden. Eine qualitativ hoch stehende Medizin muss auf die einzelnen Patienten eingehen können. Jacques de Haller, Präsident der FMH
GDK: Aufgabenteilung klären In der Gesundheitspolitik ist derzeit viel Energie in einer Grundsatzdiskussion über die monistische Finanzierung durch die Versicherer und über die Vertragsfreiheit gebun-
den. Die GDK hält nichts von der monistischen Finanzierung und der Vertragsfreiheit im stationären Bereich. Jene im ambulanten Bereich stösst auf Vorbehalte und dürfte politisch kaum realisierbar sein. Wenn schon eine Grundsatzdiskussion ansteht, ist die klare Aufgabenteilung zwischen Versicherungsgeschäft einerseits und der Gewährleistung der Versorgungssicherheit und der Gesamtverantwortung durch die Kantone andererseits im Auge zu behalten. Des Weiteren ist zu hoffen, dass diese Grundsatzdiskussionen die KVG-Revision und ihre anschliessende Umsetzung nicht behindern. Beim Erscheinen dieser Nummer wird hoffentlich der verbesserte Risikoausgleich unter Dach und Fach sein.
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Die Akteure im Gesundheitswesen: Unterschiedliche Erwartungen.
Vielleicht wird auch in der Pflegefinanzierung eine vernünftige Lösung gefunden. Die Revision der Spitalfinanzierung wird mit der Einführung der Leistungsfinanzierung zu Transparenz und Effizienz führen, ansonsten aber ohne Systemnutzen riesige Kostenverschiebungen zu Lasten der Kantone mit sich bringen. Nun braucht es insbesondere noch kluge Entscheide zur Regelung des ambulanten Bereichs, welche die Grundversorgung und echte Managed Care-Modelle fördern. Und nicht zuletzt dürfte auch im Medikamentenmarkt noch viel Sparpotenzial liegen. Mit dem gegenwärtig in Vernehmlassung stehenden Entwurf zu einem neuen Hochschulförderungs- und Hochschulkoordina-
tionsgesetz (HFKG, «Hochschullandschaft Schweiz») wird eine Revision im Bildungsbereich in die Wege geleitet, die den Gesundheitsbereich ebenfalls berührt. Sowohl mit Bezug auf die Personalrekrutierung wie auch auf die Konzentration der Spitzenmedizin stehen Chancen und Herausforderungen an. Seit Jahrzehnten wird in der Gesundheitspolitik ein Paradigmenwechsel postuliert oder versprochen: mehr Vorsorge statt Therapie. Mit dem in Aussicht stehenden Bundesgesetz über Prävention und Gesundheitsförderung gibt es in dieser Richtung hoffentlich einen markanten Schritt vorwärts. Franz Wyss, Zentralsekretär der GDK
H+: Wettbewerb und Freiheit für die Spitäler Das Parlament hat erste zaghafte Schritte in Richtung Wettbewerb unter den Leistungserbringern gemacht. H+ begrüsst dies und wünscht sich ein forscheres Tempo der Reformen und mehr Freiheit für die Spitäler. Das Schweizer Gesundheitswesen soll seine unbestreitbar guten Leistungen beibehalten, dabei aber wirksamer und einfacher werden. Die laufende KVG-Revision hat einzelne Elemente einer wettbewerblichen Wirtschaft aufgenommen. Leider bestehen immer noch die Wünsche einer umfassenden staatlichen Planung, obwohl diese kantonalen Planungen schon in den vergangenen zwölf Jahren weitgehend nur den Status quo nachvollzogen haben. Und wenn schon, so hat der Bundesrat die Planungskriterien für die kantonalen Planungen zu erlassen. Dabei sollte er vor allem die Qualität und die Wirtschaftlichkeit der medizinischen Leistungen berücksichtigen. So entsteht ein wettbewerblicher Rahmen für effiziente Spitäler. Und ihre unternehmerische Freiheit erlaubt es ihnen beispielsweise, beim Aufbau von Managed Care-Systemen über enge Kantonsgrenzen hinaus eine leitende Rolle einzunehmen – einzig dem Ziel einer wirksamen Genesung der Patienten verpflichtet. Dafür sollten die Kantone «ihre» Spitäler endlich loslassen. Dazu gehört die juristische und operative Verselbstständigung. Die immer noch verbreitete Fernsteuerung von Spitälern durch Kantonsregierungen muss ein Ende haben. Stattdessen sieht H+ eine Mindestversorgungsplanung vor, an der sich die Spitäler orientieren müssen. H+ wünscht sich Vereinfachungen: monistische Finanzierung, Mindeststandards für die Qualität der Spitalleistungen und eine transparente Rechnungskontrolle durch eine landesweit einheitliche Codierrevision. Am medizinischen Fortschritt sollen alle Schweizerinnen und Schweizer teilhaben. In der sozialen Krankenversicherung können die Ausgaben aber nicht in den Himmel wachsen. Deshalb braucht es sinnvolle Rationalisierung – und bei den Krankenversicherungen den wirksamen Risikoausgleich. Charles Favre, Präsident von H+
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Die Versorgungsstruktur unseres Gesundheitssystems muss sich anpassen
Die Zeiten ändern sich – und das Gesundheitswesen? Das Schweizer Gesundheitssystem bietet der Bevölkerung eine gute medizinische Versorgung. Trotzdem: Die Versorgungs-Strukturen sind alles andere als optimal. Die Zeiten haben sich geändert – das Gesundheitswesen hat noch nicht nachgezogen. Das darf nicht so bleiben. Teilweise wird sich das System von innen heraus anpassen. Für andere Reformen braucht es aber den politischen Willen und die Einsicht der Akteure.
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eue Bedürfnisse der Patientinnen und Patienten, neue medizinische Möglichkeiten und begrenzte finanzielle Mittel: Das sind nur einige der Gründe, die eine Analyse der medizinischen Versorgungsstrukturen in der Schweiz nötig machen. In den vergangenen vier Jahren, in denen das Parlament die KVG-Revision beraten hat, war man sich immerhin darüber einig: Unser Gesundheitswesen wird nicht mehr lange zeitgemäss sein, wenn es sich nicht verändert. Bei der Frage jedoch, wohin die Reise gehen soll, scheiden sich die Geister. Uneinigkeit herrscht auch bezüglich der
wichtigsten Schwachstellen der heutigen Versorgungsstrukturen. Immerhin sind eine Reihe von Problemen allgemein anerkannt – die Suche nach Lösungen kann und muss also beginnen.
Gibt es bald zu wenige Hausärzte? Die Hausärzte selber weisen immer wieder auf die schwierige Altersstruktur ihres Berufsstandes hin. Immer mehr Allgemeinmediziner nähern sich dem Rentenalter, während es Jungärzte immer seltener in die Hausarztpraxis zieht. Diese Befürchtung lässt sich wissenschaftlich beweisen. Das Gesundheitsobservatorium hat im ver-
gangenen Frühjahr eine Studie zur ambulanten Versorgung in der Schweiz verfasst. Sie zeigt auf: Das Durchschnittsalter der Hausärzte liegt bereits jetzt bei 53 Jahren – und zwar in praktisch allen Regionen der Schweiz. Bund und Kantone haben das Problem erkannt. In ihrer Arbeitsgruppe «Nationale Gesundheit» erklären sie den Willen, den Hausarztberuf auch für junge Mediziner attraktiver zu machen. Zwei Dinge sind für die Behörden dabei zentral: Erstens soll der Notfalldienst seine abschreckende Wirkung verlieren – durch bessere Organisation und bessere Bezahlung. Zweitens soll die Ausbildung für Hausärzte attraktiver werden. Hier ist bereits einiges passiert: Mehrere Universitäten haben Institute für Hausarztmedizin geschaffen. Auch Praktika für Assistenzärzte in der Hausarztpraxis sind inzwischen Realität. Auf Seiten der Ärzteschaft wird ebenfalls ein Umdenken notwendig sein, um die Hausarztmedizin wirkungsvoll zu fördern. Der Widerstand gegen die Vertragsfreiheit ist in diesem Zusammengang fragwürdig. Die Vertragsfreiheit würde den dünn gesäten Hausärzten in den Verhandlungen mit den Versicherern bessere Karten einräumen als den vielen Spezialisten. Erfreulich ist hingegen die immer grössere Offenheit gegenüber Managed Care-Modellen: Auch nach Ansicht vieler Ärzte sind solche Netzwerke die Zukunft der Grundversorgung.
Drohen unterversorgte Regionen?
Mehr Hausärzte...
Das Nachfolgeproblem bei den Hausärzten ist auf dem Land besonders akut. Nicht nur die finanziellen Aspekte sind dabei ausschlaggebend. Ärzte gehören der Bildungsschicht an. Das Leben auf dem Lande ist für viele von ihnen deshalb
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keine Option mehr. Das sagte Urs Stoffel, Präsident der Zürcher Ärztegesellschaft, am diesjährigen Generika-Forum in Bern. Ausserdem ist die Arbeitsbelastung hoch: Es gibt auf dem Land nicht viele Ärzte, die sich im Notfalldienst abwechseln könnten. Patentlösungen gibt es keine – doch ist es an den Kantonen, potenziellen Landärzten das Leben möglichst einfach zu machen. Möglichkeiten dazu gibt es: Das Bereitstellen von Praxisräumen und der Aufbau einer Notfallzentrale würden die Hausärzte auf dem Land finanziell und zeitlich entlasten.
Wie viele Spitäler braucht es? In der Schweiz gibt es etwa 250 Spitäler und 5,8 Spitalbetten pro 1000 Einwohner. GDK-Präsident Markus Dürr meint: Ein Drittel dieser Kapazitäten sind überflüssig. Ex-SP-Präsident Peter Bodenmann postuliert sogar: 2,5 Betten pro 1000 Einwohner reichen aus. So weit geht der Gesundheitsökonom Willy Oggier nicht. Aber auch er beziffert die Überkapazitäten im Spitalbereich bei 20 bis 30 Prozent. Doch wer lokalisiert die überflüssigen Betten? Wer baut Kapazitäten ab, wenn jeder Gesundheitsdirektor zwar das Problem erkennt, aber nicht ausgerechnet in seinem Kanton beginnen möchte? Vom DRG-System versprechen sich nicht nur die Krankenversicherer einiges: Spitäler mit zu geringer Auslastung und zu tiefen Fallzahlen werden ebenso unter Druck geraten wie solche, die qualitativ nicht einwandfrei arbeiten. Die Zeiten, in denen die Schweiz OECD-weit Rekordhalterin in Sachen Spitaldichte ist, scheinen dem Ende entgegenzugehen.
Spitzenmedizin überall? Die Spitzenmedizin ist in der Schweiz auf viele Spitäler verteilt – nicht nur auf die Universitätskliniken. Das bringt Qualitätsprobleme mit sich: Der Herzchirurg Thierry Carrell sagte am diesjährigen RVK-Forum in Zürich, dass schwere Operationen unterhalb einer gewissen Fallzahl unverantwortlich seien. Die Kantone wissen das schon lange und beschlossen 2004, die spitzenmedizinischen Disziplinen auf die einzelnen Universitätsspitäler zu verteilen und an höchstens zwei Standorten zu konzentrieren. Das Vorhaben scheiterte am Widerstand des Kantons Zürich, der nicht bereit war, auf einzelne Disziplinen zu verzichten. Allerdings: Der
... und besser konzentrierte Spitzenmedizin.
neue Zürcher Gesundheitsdirektor Thomas Heiniger lässt Kompromissbereitschaft erkennen. Ende Jahr läuft bei der GDK die Anhörungfrist für die Kantone betreffend eines neuen SpitzenmedizinAbkommens ab. Die Chancen stehen besser als auch schon, dass eine Einigung zustande kommt.
Überfüllte Pflegeheime? Die demografische Entwicklung wird keine Gesellschaft von Greisen und Kranken hervorbringen. Die Wissenschaft ist sich einig: Wer länger lebt, bleibt auch länger gesund. Trotzdem wird der Anteil der älteren Menschen zunehmen, und in einem gewissen Mass auch der Anteil der Pflegebedürftigen. Bereits heute führen
die meisten Pflegeheime Wartelisten. Es gibt zu wenige Pflegeplätze – aber mehr Pflegeplätze würden über kurz oder lang zu kaum mehr tragbaren Kosten- und Prämiensteigerungen führen. Innovative Lösungen sind im Pflegebereich besonders nötig. Wie die Zukunft aussehen könnte, zeigt ein Projekt aus dem Kanton Freiburg: Hier gibt es eine Tagesklinik für Menschen, die ansonsten mit der Unterstützung von Angehörigen daheim leben. Die Pflege zu Hause wird so für mehr Menschen möglich – die Lebensqualität steigt, die Kosten sinken. Die Krankenversicherer begrüssen solche Lösungen ausdrücklich: Die Finanzierung des Freiburger Projekts ist mit santésuisse vertraglich geregelt. Peter Kraft
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Erhebung Ergebnisqualität Ergotherapie EVS/SRK/santésuisse
Ergebnisqualität in der Ergotherapie: Auswertung der ersten Erhebungsrunde Die Erhebung der Ergebnisqualität in der Ergotherapie ist 2006 zum ersten Mal durchgeführt worden. Das Vorgehen wurde 2005/2006 von den Vertragspartnern ErgotherapeutInnen-Verband Schweiz (EVS), Schweizerisches Rotes Kreuz (SRK) und santésuisse ausgehandelt und vorbereitet. Die Erhebung ist eine Massnahme zur Erfüllung des Qualitätssicherungsvertrages EVS/SRK-santésuisse von 2005 und ist somit für die selbstständigen ErgotherapeutInnen und Organisationen der Ergotherapie, welche diesem Vertrag angeschlossen sind, obligatorisch.
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as gewählte Instrument zur Erhebung der Ergebnisqualität ist das Goal Attainment Scaling. Das GAS legt offen, wie weit nach neun Therapie-Sitzungen die zu Beginn der Serie festgelegten Ziele erreicht wurden. Dieses Instrument bildet einerseits zentrale Elemente des ergotherapeutischen Prozesses ab (Zielsetzung und Evaluation) und bietet andererseits die Möglichkeit, den Grad der Zielerreichung in Zahlen auszudrücken. Seine Anwendung schafft ausserdem durch die detaillierte, handlungsorientierte Formulierung der Ziele und die unmittelbare Rückmeldung über deren Erreichungsgrad Anreize zur Qualitätsentwicklung.
Auswertung und weiteres Vorgehen
Fazit: Rege Diskussion erwünscht Mit der Überprüfung der Zielerreichung mittels des GAS wird ein spezifischer Ausschnitt des ergotherapeutischen Prozesses überprüft. Die Erhebung lässt keine umfassende Aussage über die gesamte Qualität der ergotherapeutischen Arbeit zu. Das GAS hilft allen Beteiligten, einen Eindruck über die Ergebnisqualität der ergotherapeutischen Leistung zu gewinnen. Es dient insbesondere dazu, sich der Quali-
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Tabellarische und grafische Darstellungen der Gesamt- und der individuellen Resultate dienen der Auswertung. Die Gesamtresultate wurden nach Regionen und Fachbe-
reichen ausgewertet. Alle an der Erhebung 2006 Beteiligten erhalten einen Auswertungsbericht mit ihren persönlichen Resultaten. Wer 2006 trotz Aufforderung nicht teilgenommen hat, wird gemahnt und für 2007 erneut aufgefordert. Die Teilnahme ist obligatorisch. 2007 wird eine zweite Gruppe von selbstständigen ErgotherapeutInnen und Organisationen der Ergotherapie aufgefordert, an der Erhebung teilzunehmen.
Die erste Erhebung der Ergebnisqualität in der Ergotherapie war ein Erfolg.
tätsbestrebungen für die geleistete Arbeit bewusst zu werden, die persönlichen Ergebnisse mit denen der Anderen zu vergleichen und eine Verbesserung der eigenen Ergebnisqualität einzuleiten. Das Vorgehen bleibt für die nächste Erhebungsrunde 2007 gleich. Die Resultate der ersten Erhebungsrunde weisen darauf hin, dass für einen Therapie-Zeitraum von neun Sitzungen insgesamt realistische, erreichbare Ziele formuliert werden – diese dürften sogar noch etwas ehrgeiziger sein. Es braucht einen gewissen Aufwand, um sich in die Funktionsweise des GAS hineinzudenken und die einzelnen Ziele stufenweise in kurzen Worten zu formulieren. Dass der Wert Null das optimale Resultat ist, wirkt im ersten Moment paradox. Üblicherweise bedeutet der höchste Wert auch das beste Resultat. Das muss beim Ausfüllen berücksichtigt werden. Das GAS gibt Anstösse, um die Zielsetzungen im Detail zu reflektieren und zu systematisieren – damit kann das GAS einen Beitrag zur Qualitätsentwicklung leisten. Dieser Effekt ist dann am stärksten, wenn die Vorgehensweise und die Resultate diskutiert werden. Das Vorgehen ist noch neu und für alle Seiten gewöhnungsbedürftig. Die paritätische Kommission Qualität erhofft sich einen regen und auch kritischen Austausch zu diesem Thema und steht gerne für Fragen zur Verfügung. Paritätische Kommission Qualität EVS/SRK/santésuisse Alle Unterlagen zur Erhebung Ergebnisqualität sind zu finden unter: www.ergotherapie.ch – Mitgliederinfos – selbständig erwerbende ErgotherapeutInnen und Organisationen – Projekt Ergebnisqualität Ergotherapie (EVS/SRK/santésuisse)
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Buchtipp: Rationierung und Gerechtigkeit. Beiträge zur Debatte in der Schweiz
Die vorhandenen Mittel möglichst gerecht einsetzen Angesichts der seit Jahren ansteigenden Kosten gewinnen wirtschaftliche Erwägungen im Gesundheitswesen an Bedeutung. Die Rationierung medizinischer Leistungen ist denn auch das Thema des im Schweizerischen Ärzteverlag EMH erschienenen Buches «Rationierung und Gerechtigkeit im Gesundheitswesen». Als Herausgeber zeichnen die Luzerner Ethiker Markus Zimmermann-Acklin und Hans Walter.
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er vorliegende Sammelband präsentiert keine Patentrezepte. Er versteht sich vielmehr als Standortbestimmung und Übersicht über die wichtigsten Argumente, Thesen und Lösungsvorschläge zur Rationierungsdebatte. Die Herausgeber stellen in der Einleitung präzisierend fest, dass eine solche Publikation angesichts der Komplexität des Problems nur in begrenztem Masse einen Überblick biete. Sie sehen ihre gesundheitsethische Aufgabe vor allem darin, die interdisziplinäre Verständigung zu fördern.
Unklare Begriffe Im Spannungsfeld pro und contra Rationierung öffnet sich ein weiter Fächer von Varianten. In manchen Stellungnahmen spielt der Gedanke mit, dass es nicht angehe, einem hilfsbedürftigen Patienten aus Kostengründen nicht alle sinnvollen Massnahmen zur Verfügung zu stellen. Aus ärztlicher und pflegerischer Sicht stellt eine derartige Verweigerung sogar einen Verstoss gegen das Berufsethos dar, was verständlicherweise Widerstand hervorruft. Auch in der Rationierungsdebatte treffen unterschiedliche Interpretationen von Begriffen wie Gerechtigkeit oder Solidarität – und damit unterschiedliche Gesellschaftsideale und Menschenbilder – aufeinander. Auch der Rationierungsbegriff selbst ist umstritten. Ein Schlüssel zu guten Lösung besteht nicht zuletzt in der Klärung der Begriffe.
Gegen weitreichende Rationierung Im dritten Teil des Buches, der sich mit konkreten Rationierungskriterien und
-methoden befasst, wendet sich die Juristin Ruth Humbel-Näf, Nationalrätin und Direktionsmitglied von santésuisse, gegen eine zu weite, irrationale Ängste auslösende Rationierung. In ihrem Verständnis ist Rationierung auf Bereiche beschränkt, «für die ein politisches System garantierte ‹Rationen› der Gesundheitsversorgung vorsehen will.». In der Politik bestehe ein Konsens darüber, «dass lebensrettende und die Lebensqualität verbessernde Massnahmen allen Menschen zur Verfügung stehen sollen. Wir wollen nicht, dass es zum Beispiel für den Ersatz eines Hüftgelenkes oder für Augenoperationen Altersgrenzen gibt.»
Was weiterer Klärung bedarf
Die Eigenverantwortung stärken
Nicht alles Machbare ist das Richtige
Weiter legt Ruth Humbel-Näf grossen Wert auf die Stärkung der Eigenverantwortung. Konkret plädiert sie dafür, dass die Behandlung von Bagatellerkrankungen wie Erkältungen und leichte Schmerzen nicht mehr von den Krankenversicherern bezahlt werden müssen. Bei gesundheitsgefährdendem Verhalten fordert sie eine höhere Selbstbeteiligung. Es sei fraglich, ob es Aufgabe der Solidargemeinschaft der Krankenversicherung sei, für die Schäden aufzukommen, welche sich Menschen bewusst oder fahrlässig zufügen. Von den Leistungserbringern erwartet Humbel Näf mehr Zusammenarbeit in Netzwerken. Versicherte, die sich in einem Netzwerk behandeln lassen und sich in der Behandlung auf dieses Netzwerk beschränken, müssten finanziell belohnt werden, beispielsweise mit tieferen Prämien und tieferem Selbstbehalt.
Demgegenüber betont der Theologe und Ökonom Wolfgang Eduard Bürgstein, Sekretär der kirchlichen Sozialethikkommission «Justitia et Pax», dass die Forderung nach mehr Eigenverantwortung zu kurz greife und aus Gründen der Umsetzbarkeit auch schnell an ihre praktischen Grenzen stossen müsse. Auch stelle sich die Frage, ob eine bestimmte Erkrankung kausal eindeutig auf eine konkrete Lebensführung eines Patienten zurückgeführt werden könne. Fraglich sei auch, wie sich gesundheitliche Risiken monetär quantifizieren und vor allem erfassen und kontrollieren lassen.
Im abschliessenden vierten Teil stehen mögliche Konsequenzen für die Gesundheitspolitik zur Debatte. Für Markus Dürr, Luzerner Gesundheitsdirektor und Präsident der GDK, ist klar, dass die Rationierungsdiskussion geführt werden muss und dass dabei ethische Überlegungen eine immer grössere Rolle spielen. Denn nicht alles, was medizinisch machbar sei, sei unter ethischen Gesichtspunkten das Richtige. Dürr verspricht sich insbesondere über den Ausschluss von Therapien mit sehr ungünstiger Kosteneffizienz «einen vernünftigeren und sinnvolleren Einsatz der vorhandenen Mittel, der letztlich allen zugute kommt.» Josef Ziegler
Markus Zimmermann-Acklin, Hans Halter (Hrsg.) Rationierung und Gerechtigkeit. Beiträge zur Debatte in der Schweiz. 2007 EMH Schweizerischer Ärzteverlag AG, Basel, 333 S.
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GESUNDHEITSWESEN
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Grafik des Monats Dezember
Unterschiedliche MRI- und CT-Behandlungen in den Kantonen Die Grafik des Monats Dezember zeigt eines der möglichen Einsatzgebiete des santésuisse-Tarifpools auf. Mit der Unterstützung der Daten aus dem Tarifpool können pro Leistungserbringer die verrechneten TARMEDBasisleistungen von Behandlungen mit Magnetresonanz- und Computertomographen ins Verhältnis zur Anzahl Patienten gesetzt werden.
I
n der Grafik wurde die Anzahl Basisleistungen der MRI- und CT-Positionen (30.5210 + 30.4310) summiert und im Verhältnis zur Anzahl Patienten beim Leistungserbringer gesetzt. Die daraus resultierende Kennzahl wurde in einer kantonalen Übersicht dargestellt. Der schweizerische Mittelwert ist als Index 100 in Form eines blauen Querbalkens ersichtlich.
Hinweise zur Grafik
Die Verwendungen von MRI- und CT- Basis leistungen sind in der Schweiz nicht überall gleich häufig. Die Grafik des Monats Dezember zeigt: In manchen Kantonen werden bis fünfmal weniger Behandlungen pro Patient vorgenommen, als im Schweizer Durchschnitt, in anderen dagegen fast doppelt so viele.
• Enthalten sind die KVG-Leistungen der Ärzte und Spitäler im Behandlungsjahr 2006. • Der Abdeckungsgrad des santésuisseTarifpools liegt für die Ärzte bei 60 Prozent, für die Spitäler bei 50 Prozent. • In der Berechnung sind alle Leistungserbringer enthalten, die mindestens eine MRI- oder CT-Tarifposition abgerechnet haben. Sarah Eggenschwiler
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Quelle: santésuisse
MRI und CT-Positionen im Verhältnis zur Anzahl Patienten beim Leistungserbringer
Verhältnis als Index
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Die Kantone wenden CT- und MRI-Geräte sehr unterschiedlich an.
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Medikamenten-Hitparade: Top 30 für das Jahr 2006 G A
Viel Sparpotenzial beim richtigen Einsatz der Medikamente R A
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Von den etwa 2000 Markennamen auf der Spezialitätenliste weisen die 30 meistverkauften Medikamente 2006 einen Umsatz von fast 1,3 Milliarden Franken auf. Dies entspricht einem Anteil am ambulanten Medikamentenmarkt von rund 30 Prozent. Grund genug, diese Präparate genauer unter die Lupe zu nehmen. FR
E G L G Generikum vorhanden?
Indikation/Wirkung?
112 88 75 74 61 59 55 44 43 42 41 40 40 39 31 32 30 28 29 26 26 26 24 24 24 24 24 24 23 23 23 23
nein nein nein nein nein nein nein nein nein nein nein nein nein ja, seit 2007 nein nein nein nein nein nein nein ja nein nein nein nein nein ist ein Generikum! nein ja, seit 2007 nein ist ein Generikum!
Lipidsenker Magensäurehemmer Blutdrucksenker Magensäurehemmer Asthma, COPD Blutverdünner Blutdrucksenker Krebs Blutdrucksenker Schizophrenie Depression Blutdrucksenker Asthma, COPD Osteoporose MS Anti-TNF-α 2) Anti-TNF-α 2) MS Schizophrenie Magensäurehemmer Blutverdünner Osteoporose Depression HIV HIV Depression Anti-TNF-α 2) Magensäurehemmer Schizophrenie Schmerzmittel Krebs / Arthritis Magensäurehemmer
E
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N SG SH SO SZ TG TI R
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3)
Es handelt sich hier um so genannte monoklonale Antikörper (engl. MAB: monoclonal antibodies). Monoklonale Antikörper sind immunologisch aktive Proteine, welche, je nach Ausprägungsart, verschiedenste Dienste leisten können. Die Medikamentengruppe der Anti-TNF-α hemmen den Tumornekrosefaktor (TNF). Der TNF ist ein multifunktionaler Signalstoff des Immunsystems. Die TNF-Hemmer können sehr breit eingesetzt werden. Bis heute sind folgende Indikationen bekannt: verschiedene Arten von Arthritis, Psoriasis, M. Bechterew, M. Crohn und Colitis ulcerosa. Präparat mit gleichem Wirkstoff nicht als Generikum kategorisiert.
ZH
2)
ZG
1276 1)
VS
Sortis Pantozol / Zurcal Atacand / Blopress (plus) Nexium Seretide Plavix (Co-) Aprovel Herceptin1) Cosaar (plus) Zyprexa Efexor (Co-) Diovan Symbicort Fosamax Betaferon Remicade Enbrel Rebif Seroquel Agopton Aspirin Cardio Calcimagon D33) Cipralex Viread Combivir Remeron Humira Omed Risperdal Durogesic MabThera1) Omezol Mepha
Verhältnis als Index
Umsatz in Mio. Fr.
LU
Trotz dem kostengünstigen Wirkstoff Omeprazol, einem so genannten Protonenpumpenhemmer, können sich die zur selben Wirkstoffklasse gehörenden Patent geschützten Produkte Nexium, Pantozol/Zurcal und Agopton in den vorderen Rängen der Verkaufsrangliste behaupten. Diese Originalprodukte sind 30 bis 60 Prozent teurer als die günstigsten Omeprazol-Generika. Würden diese Produkte mit einem Omeprazol-Generikum ersetzt, lägen Einsparungen von rund 80 Millionen Franken drin. Die Kostenersparnis ist bei der überwiegenden Anzahl der Patienten ohne Qualitätseinbusse möglich. Dasselbe gilt für die Antidepressiva Deroxat, Fluctine und Seropram. Die Patent geschützten Produkte Efexor und Cipralex haben sie aus den Top 30 gedrängt.
1 2 3 4 5 6 7 8 9 10 11 12 13 14 15 16 17 18 19 20 21 22 23 24 25 26 27 28 29 30 31 32
Basename
JU
Patent geschützt ist nicht automatisch besser
Rang
R G
D
er dynamische Generikamarkt hat die Rangliste der umsatzstärksten Markennamen seit dem letzten Jahr wesentlich verändert. Verantwortlich dafür war nicht zuletzt die Einführung des differenzierten Selbstbehaltes, der kostenbewusste Patienten belohnt. Die ehemaligen Blockbuster Antra, Zocor, Norvasc, Selipran, Seropram, Torem, Zoloft und Beloc Zok haben sich aus den Top 30 verabschiedet. Dafür finden sich erstmals zwei Generika unter den umsatzstärksten Produkten. Beide sind Ersatzprodukte für den Magensäurehemmer Antra. Allerdings handelt es sich hier um relativ teure Ersatzpräparate, die rund 20 Prozent mehr kosten als die günstigsten Generika desselben Wirkstoffes. Alleine beim Wirkstoff Omeprazol (Originalpräparat: Antra) liessen sich insgesamt rund 20 Millionen Franken einsparen, wenn konsequent das günstigste Generikum zum Einsatz käme.
Quelle: santésuisse
Auch hier wären bei vielen Kranken bewährte Präparate geeignet, ohne dass die Therapie darunter leiden würde. Das Einsparpotenzial liegt bei mindestens 20 Millionen Franken. Auch für das umsatzstärkste Produkt Sortis, einen Lipidsenker, gibt es Alternativen. Die älteren Originale heissen Zocor und Selipran. Sortis ist rund zweieinhalb Mal teurer als ein Zocor-Generikum. Würden drei Viertel der Sortis-Patienten ein solches Simvastatin-Generikum erhalten, könnten 60 Millionen Franken pro Jahr gespart oder für andere Therapien eingesetzt werden.
Innovationen gezielt einsetzen Im Gegensatz zu den obigen Beispielen ist grundsätzlich wenig dagegen einzu-
wenden, wenn Patent geschützte Präparate in neuen Substanzenklassen ältere Medikamente ersetzen. So geschehen bei den TNF-Hemmern (Enbrel, Humira und Remicade) oder den monoklonalen Antikörpern (Herceptin und MabThera). Hierbei handelt es sich um neue innovative Präparate. Wichtig ist, dass den immensen Monatstherapiekosten von bis zu 10 000 Franken auch ein entsprechender Nutzen gegenübersteht. Dies ist nur gewährleistet, wenn diese Produkte gezielt eingesetzt werden. Pharmaökonomische Studie können dabei helfen, herauszufinden, bei welchen Patientengruppen die teuren Substanzen ein vernünftiges Kosten-Nutzen Verhältnis aufweisen. Fridolin Marty
service Prämien seit 1999 um über 50 Prozent gestiegen
Prämienwachstum 2007 beeinflusst verfügbares Einkommen kaum
Kasse für Homosexuelle: Ein niederländischer Versicherer wird Anfang kommenden Jahres die weltweit erste Krankenversicherung für Homosexuelle einführen. Deren Angebote seien mit dem Schwulen- und Lesbenverband COC entwickelt worden, sagte ein Sprecher des Unternehmens. Die Versicherung bietet unter anderem die Behandlung in ausgewählten Kliniken sowie besondere Hilfen für die Pflege zu Hause an.
Die Prämien für die obligatorische Krankenversicherung sind 2007 um geschätzte 1,2 Prozent angestiegen und erreichen damit einen Indexstand von 153,3 Punkten. Das bedeutet, dass die Prämien seit 1999 (Basiswert 100) um 53,3 Prozent gestiegen sind. Das hat das Bundesamt für
Statistik (BfS) berechnet. Prämienerhöhungen belasten – ähnlich wie höhere Steuern oder andere Versicherungsbeiträge – das verfügbare Einkommen. Es entspricht dem Einkommen abzüglich der so genannten Transferzahlungen (Steuern, Sozial- und sonstige Versicherungsbeiträge) – also
dem Betrag, der effektiv für Konsum- und Sparzwecke zur Verfügung steht. Die relativ geringe Erhöhung der Krankenversicherungsprämien beeinflusste gemäss der Modellschätzung des BFS das potenzielle Wachstum der verfügbaren Einkommen im Jahr 2007 kaum.
Foto: Keystone
News aus aller Welt
Arbeitskampf im Krankenbett: Finnlands Premierminister Matti Vanhanen hat vom Spitalbett aus einen Streik der finnischen Krankenschwestern abgewendet. Er versprach dem Pflegepersonal deutliche Lohn erhöhungen innert vier Jahren. Damit konnte Vanhanen nebenbei sicherstellen, dass sein Nierenleiden weiterhin behandelt wird. Im Mutterleib operiert: In einer medizinischen Weltpremiere haben Ärzte der Bonner Universitätsklinik ein ungeborenes Kind operiert. Weil die Fruchtblase der Mutter sehr früh geplatzt war, setzten die Chirurgen einen winzigen Latexball in die Luftröhre des Fötus. Damit soll seine Lunge auch ohne Fruchtwasser feucht bleiben. Arzneimittel-Werbung: Arzneimittelhersteller dürfen in der EU nicht mit den Heilungsgeschichten von Patienten werben. Das entschied der Europäische Gerichtshof.
Ankündigung Generalversammlung santésuisse Die Generalversammlung von santésuisse findet am 16. Mai 2008 im Hotel Bellevue Palace in Bern statt. Neben dem ordentlichen Teil gibt es, wie im vergangenen Jahr, wieder einen öffentlichen Teil. Interessante Gastreferenten werden zu einem gesundheitspolitischen Thema Referate halten und für eine lebhafte und hoffentlich fruchtbare Diskussion sorgen. Das genaue Programm der Generalversammlung wird in der März-Ausgabe von infosantésuisse veröffentlicht.
Richtigstellung In der Oktober-Ausgabe von infosantésuisse ist uns ein Fehler unterlaufen. Wir haben auf Seite 20 geschrieben, dass nur eine Person mit 5.1 den besten Notendurchschnitt bei den Prüfungen zur eidgenössischen Krankenversicherungsfachfrau erzielt hat. Das ist falsch: Marianne Ramseyer (SWICA Bern) hat mit dem gleichen Resultat abgeschlossen. Wir entschuldigen uns für diesen Fehler.
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infosantésuisse Nr. 12, Dezember 2007
Aktuelle Krankenhausstatistik des BfS
Spitäler: Mehr Kosten trotz kürzerer Verweildauer sonen ist der Aufenthalt im Spital deutlich kürzer geworden. Trotzdem sind die Kosten pro Jahr um durchschnittlich 3,2 Prozent gestiegen. Das sei einerseits auf die Zunahme der Fallzahlen, andererseits auf höhere Personalkosten zurückzuführen, schreibt das BfS.
Foto: Heiner Grieder
Die durchschnittliche Verweildauer in Schweizer Akutspitälern hat sich seit 2002 um rund einen Tag verkürzt. 2006 lag sie bei 8,2 Tagen. Das weist das Bundesamt für Statistik (BfS) in seiner aktuellen Krankenhausstatistik nach. Insbesondere für ältere Per-
Info-Broschüre: PatientInnen ohne Aufenthaltsrecht und ohne Krankenversicherung
Sans-Papiers im Gesundheitswesen: Rechtliche Situation Das Schweizerische Rote Kreuz hat eine Broschüre veröffentlicht, welche die rechtliche Situation von Personen ohne Aufenthaltspapiere im Gesundheitswesen zusammenfasst. Die SansPapiers haben auf jeden Fall das Recht, die notwendige medizinische Versorgung in Anspruch zu nehmen. Sie haben aber auch die Pflicht, sich bei einer Krankenkasse zu versichern. Die Bedingungen sind die gleichen wie bei anderen Versicherten. Es be-
steht also die Möglichkeit, Prämienverbilligungen zu beantragen. Ebenso dürfen weder Versicherung noch Leistungserbringer Daten von Sans-Papiers an die Behörden weitergeben. Die Papierlosen müssen also keine Nachteile befürchten, wenn sie sich bei einer Krankenversicherung anmelden. Die Broschüre kann bestellt oder heruntergeladen werden unter www.redcross.ch oder www.migesplus.ch
Punktlandung
Reformen anpacken Trotz medizinischer Erfolge sind viele Krankheiten noch nicht behandelbar. Rascher Zugang zu Innovation und modernsten Therapien ist entscheidend. Eine Zweiklassengesellschaft, bei der Einkommen und Vermögen den Zugang zu medizinischen Leistungen bestimmen, ist tabu. Alle haben Anrecht auf hohe Qualität zu vernünftigen Preisen. Um die Kosten zu stabilisieren, braucht es Reformen. Die Preise von Spitalaufenthalten sollen sich nach erbrachten Leistungen richten, es braucht Fallpauschalen. Eine schweizerische Planung der Spitzenmedizin ist überfällig. Die Aufteilung der Spitalfinanzierung ist gesetzlich zu regeln. Neue Versicherungsmodelle wie Managed Care sind notwendig. Es braucht die freie Arzt- und Spitalwahl für Patienten und die Vertragsfreiheit zwischen Ärzten und Versicherern. Randregionen aber brauchen spezielle Bedingungen. Um Mehrfachuntersuchungen zu vermeiden, ist eine elektronische Gesundheitskarte einzuführen. Es braucht eine stärkere Vernetzung der Leistungserbringer ohne Einschränkung der Wahlfreiheit. Die Leistungen in der Grundversicherung haben die Kriterien von Wirksamkeit, Zweckmässigkeit und Wirtschaftlichkeit zu erfüllen. Erprobte Komplementärmedizin wie Homöopatie, anthroposophische Medizin, Neuraltherapie, Phytotherapie und traditionelle chinesische Arzneimitteltherapie gehören in die Grundversicherung. Preisliche Ausreisser bei Medikamenten sind zu korrigieren. Generika müssen gefördert werden, sind aber weiterhin vom Arzt und nicht von Krankenkassen zu verschreiben. Wichtig zu wissen: eine ambulante Krebstherapie senkt die gesamten Behandlungskosten, wird aber als Wachstum der Medikamentenkosten verbucht, während eine stationäre Verabreichung über Tagespauschalen abgerechnet wird. Es ist richtig, die qualitativ hoch stehende medizinische Versorgung und den Wettbewerb unter den Leistungserbringern in die Verfassung aufzunehmen. Umsetzen lässt sich dies nur gemeinsam – mit Kantonen, Ärzten, Apothekern, Spitälern, Pharmaindustrie und Versicherten. Kathrin Amacher, Nationalrätin CVP
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SANTÉSUISSE – SERVICE
infosantésuisse Nr. 12, Dezember 2007
Bundesgerichts-Entscheid: Rechtliche Unterstützung von Versicherten durch Krankenkassen
Versicherten juristisch beistehen muss: Es muss sich erstens um eine Streitigkeit zwischen Kasse und Leistungserbringer handeln. Und zweitens muss die Versicherte dem Leistungserbringer den Rechnungsbetrag schulden, während die Krankenkasse die bezahlte Rechnung rückvergütet (Tiers garant). Laut Bundesgericht ist die Argumentation nicht zulässig, wonach es sich nicht um einen Streit zwischen Kasse und Leistungserbringer handle, weil vorerst die Versicherte die Rechnung bezahlen müsse. Das Pflegeheim habe mit seiner Abrechnung die Tarifverträge verletzt. Deshalb sei ein Streit zwischen Krankenkasse und Leistungserbringer gegeben.
Und zum Schluss noch dies:
Erscheinungsdaten infosantésuisse 2008 Nr.
Redaktionsschluss
Erscheinen Kalenderwoche
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10.12.2007
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11.02.2008
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09.06.2008
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10
10.11.2008
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Die deutsche Bundesregierung hat einem ausländischen Unternehmen die Einfuhr von «Knoblauch-Extrakt-Pulver» und «Knoblauch-Zwiebel-Pulver» verboten. Die Begründung: Es handle sich dabei um Medikamente. Das gefiel der Europäischen Kommission gar nicht. Das Verbot sei «ein unzulässiges Hindernis des freien Warenver-
kehrs». Die Behörde verklagte Deutschland vor dem Europäischen Gerichtshof und bekam recht. Die förderlichen Auswirkungen auf die Gesundheit genügten nicht, um Knoblauch als Arzneimittel einzustufen, entschieden die Richter. Deutschland muss sein Knoblauch-Embargo also wieder rückgängig machen.
Foto: Prisma
Das Bundesgericht nimmt die Versicherer bei der juristischen Vertretung von Versicherten stärker in die Pflicht. Eine Seniorin hatte bei der Abrechnung ihres Pflegeheims Unregelmässigkeiten festgestellt. Das Gespräch mit der Heimleitung brachte keine Einigung. Die Seniorin bat ihre Krankenversicherung um rechtliche Unterstützung – ohne Erfolg. Auch das kantonale Versicherungsgericht gestand ihr keine Rechtsvertretung durch die Krankenkasse zu. Das Bundesgericht als letzte Instanz hat im vergangenen Juni anders entschieden. Zwei Bedingungen müssen erfüllt sein, damit eine Krankenkasse der
Foto: Prisma
Juristischer Beistand für Versicherte: Kassen stärker in der Pflicht
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infosantésuisse Nr. 12, Dezember 2007
Veranstaltungen Veranstalter
Besonderes
Datum/Ort
Weitere Informationen
Mit der Hauptverfasserin des OECD-Berichts, Francesca Colombo
17. Januar Kursaal, Bern
forumsante.ch
Präsentation von nationalen Qualitätsindikatoren für Spitäler
17. Januar Hotel Kreuz, Bern
www.hplus.ch
16. Januar: Pflege 17. Januar: DRG
16./17. Januar Kantonsspital St. Gallen
www.gesundheitssymposium.ch
Gesundheitspolitik wohin? 10 Jahre zukunftsorientierte Empfehlungen Forum Santé Gesundheit
H+ qualité – Medienkonferenz H+ die Spitäler der Schweiz
Fachsymposium DRG/Pflege Kantonsspital St. Gallen
Zeichnung: Marc Roulin
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Gesundheitswesen Schweiz 2007 – 2009
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