infosantésuisse Nr.3/2004 deutsch

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infosantésuisse Magazin der Schweizer Krankenversicherer Nr. 3, März 2004

Im Gespräch: Marco D’Angelo, Leiter Datenpool santésuisse Seite 15

Forum Santé-Gesundheit in Interlaken Seite 16

IM VISIER:

Das Tessin


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INHALT

infosantésuisse  3 / 04

GESUNDHEITSWESEN 4

IM GESPRÄCH: DIE TESSINER SOZIALDIREKTORIN PATRIZIA PESENTI «Wir müssen das Gesundheitswesen besser in den Griff bekommen» 6 DIE TESSINER KRANKENVERSICHERUNG IN ZAHLEN Kosten liegen klar über dem schweizerischen Durchschnitt 7 TESSINER GESUNDHEITSKARTE Ein Modell für die ganze Schweiz 8 DAS TESSINER SPITALSYSTEM Komplex, teuer und mit schleppenden Reformen 10 ALTERSBEDINGTE STATIONÄRE PFLEGE Neue Pflegemöglichkeit für ältere Patienten 11 HELSANA-PILOTPROJEKT APDRG Kanton Tessin einmal mehr in der Vorreiterrolle 12 DIE ERFAHRUNGEN DES KANTONS TESSIN MIT DER EINHEITSKASSE Einheitskasse – ja oder nein? 13 ANALYSE UND EMPFEHLUNGEN ZUR PRÄMIENGENEHMIGUNG Bundesamt soll sich auf Prüfung der Zahlungsfähigkeit konzentrieren 14 PFLEGEBEDÜRFTIGKEIT IN DER SCHWEIZ Gute Lebensqualität auch im Alter?

Im Gespräch: Die Tessiner Sozialdirektorin Patrizia Pesenti Seite 4

TARMED 15

DER ENTSCHEID DES VERWALTUNGSRATS STEHT IM APRIL AN «santésuisse plant ein eigentliches Tarif-Datawarehouse»

KRANKENVERSICHERUNG 16

Das Tessiner Spitalsystem Seite 8

FORUM SANTÉ-GESUNDHEIT IN INTERLAKEN Viele Fragen ohne Antworten

INFO Service 18 6. SCHWEIZERISCHES FORUM DER SOZIALEN KRANKENVERSICHERUNG Solidarität im Clinch zwischen Politik und Wettbewerb 18 ZUSAMMENSCHLUSS DER ÖKK KRANKEN- UND UNFALLVERSICHERUNGEN AG UND ÖKK WINTERTHUR Stadt Winterthur entscheidet sich für ÖKK 18 SUVA PRÄMIERT «VORBILDLICHE UNTERNEHMUNG 2003» Unfälle auf dem Bau – die Zahlen sinken weiter

Die Erfahrungen des Kantons Tessin mit der Einheitskasse Seite 12

Nr. 3, März 2004 Erscheint zehnmal jährlich

Layout: Henriette Lux

Abonnementspreis: Fr. 69.− pro Jahr, Einzelnummer Fr. 10.−

Anzeigenverwaltung: Alle Inserate − auch Stelleninserate − sind zu richten an: «infosantésuisse», Römerstrasse 20, Postfach, 4502 Solothurn

Herausgeber und Administration: santésuisse, Die Schweizer Krankenversicherer, Römerstrasse 20, Postfach, 4502 Solothurn Verantwortliche Redaktion: Caesar Perrig, Abteilung Politik und Kommunikation, Postfach, 4502 Solothurn, Tel. 032 625 42 71, Fax 032 625 42 70,

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Titelbild: Heiner Grieder, Langenbruck ISSN 1660-7228


EDITORIAL

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Das Tessin – Pionier in Sachen Krankenversicherung

D Giampaolo deNeri Leiter der Geschäftsstelle santésuisse Tessin

er Kanton Tessin galt bereits vor der Einführung des KVG als Pionier in Sachen Krankenversicherung. Bereits fast dreissig Jahre vor dem neuen Krankenversicherungsgesetz führte er eine Pflichtversicherung für die einkommensschwache Bevölkerung ein. In den Anfängen waren drei von fünf Personen der Versicherung unterstellt. Mit der Zeit waren nur noch wohlhabende Personen von der Versicherungspflicht ausgenommen. Auch im Leistungsbereich übernahmen die kantonalen Normen gegenüber dem KVG eine Vorreiterrolle. So waren in der Grundversicherung beispielsweise alle Prämien gleich hoch (für Männer und Frauen, altersunabhängig). Ausserdem gingen sämtliche Leistungen in Altersund Pflegeheimen und gewisse Vorsorgeuntersuchungen (v.a. Gynäkologie) zu Lasten der Versicherung. Mit der Einführung des KVG, der allgemeinen Versicherungspflicht und den neuen Kriterien für die Zuteilung der Prämienverbilligung wurden nicht wenige Kantone zur Kasse gebeten. Dies galt nicht für den Kanton Tessin. Dank der Bundesbeiträge an die Prämienverbilligung für Personen in bescheidenen wirtschaftlichen Verhältnissen hatte der Kanton weniger Auslagen für die Prämienreduktion. In Zahlen ausgedrückt beliefen sich die Kosten des Kantons Tessin 1991 auf 70,5 Millionen Franken, mit der Einführung des KVG 1996 nur noch auf 23 Millionen, was einer Einsparung von 47,5 Millionen Franken (2001) gleichkommt. Das kantonale Beitragsvolumen macht heute nur noch 38,6 Millionen anstelle der erwähnten 70,5 Millionen aus.

Vor dem Inkrafttreten des KVG dienten die vom Kanton Tessin eingesetzten Mittel dazu, die fehlende Beteiligung des Kantons an der Spitalfinanzierung aufzufangen – es fehlen die Beiträge an fast die Hälfte der verfügbaren Betten in Privatkliniken. Mit dem neuen Steuersystem hat der Kanton seine Ausgaben um insgesamt mehrere zehn Millionen Franken gekürzt und trotzdem seine restriktive Beitragspolitik bei den Privatkliniken weiterverfolgt. Die Mehrbelastung zu Lasten der Versicherten dürfte sich auf rund 70 Millionen Franken jährlich belaufen. Die Entwicklung der Kosten zu Lasten der Krankenversicherung blieb in den Jahren 1996 bis 2001 konstant. Der Zuwachs beträgt zehn Prozent pro Jahr. Eine Trendwende ist nicht in Sicht. Wieso ist der Konsum von Gesundheitsleistungen im Tessin so hoch? Unser «südländisches» Naturell, das bewirkt, dass wir bei jedem Anzeichen von Krankheit gleich einen Arzt aufsuchen, ist wohl mitverantwortlich für den höheren Konsum. Dass die Leistungserbringer nichts gegen unsere ungebrochene Nachfrage nach Gesundheitsleistungen tun, ist ein Fakt. Daneben spielt die negative Arbeitsmarktsituation ebenfalls eine Rolle. Die Angst, die Stelle zu verlieren, ist im ganzen Kanton spürbar. All diese Faktoren sind mit ein Grund für den Anstieg der sozialen Kosten im Allgemeinen, aber insbesondere auch der Kosten der Krankenversicherung.


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GESUNDHEITSWESEN

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Im Gespräch: Die Tessiner Sozialdirektorin Patrizia Pesenti

«Wir müssen das Gesundheitswesen besser in den Griff bekommen» Patrizia Pesenti, Regierungsrätin, Vorsteherin des Tessiner Gesundheitsdepartements, Mitglied der Schweizerischen Sozialdirektorenkonferenz und Mitglied der Eidgenössischen Kommission für Grundsatzfragen der Krankenversicherung äussert sich zu den Besonderheiten des Tessiner Gesundheitswesens.

infosantésuisse: Im Oktober letzten Jahres haben Sie in der Presse erklärt, die Tessiner konsumierten zu viele Medikamente, seien aber gegenüber dem Rest der Schweizer Bevölkerung nicht gesünder, obwohl diese weniger häufig ins Spital und zum Arzt gingen und weniger Laboranalysen machen liessen. Erwarten Sie, dass sich diese Situation im Tessin ändert? Patrizia Pesenti: Im Tessin, aber auch in der Westschweiz, werden durchschnittlich mehr Gesundheitsleistungen konsumiert. Vielleicht handelt es sich dabei um ein kulturelles Phänomen, vielleicht ist aber auch das breitere Angebot an Gesundheitsdienstleistungen schuld oder die Ärztedichte oder möglicherweise die Anzahl Betten und Labors. Die entscheidende Frage ist jedoch, ob man tatsächlich gesünder ist, wenn man mehr Gesundheitsleistungen konsumiert und folglich höhere Kosten verursacht. Nehmen wir als Masseinheit für die Leistungsfähigkeit des Gesundheitssystems die Sterblichkeitsrate bei Fällen, die die Ärzte dank geeigneter medizinischer Massnahmen vermeiden können: Dieser Indikator erfasst Pathologien, die zum Tod führen können und auf die die Medizin Einfluss nehmen kann. Bei einem Vergleich zwischen den Regionen mit der höchsten und jenen mit der tiefsten Ärztedichte müssen wir feststellen, dass zwischen Kosten und Ergebnissen kein massgebender Zusammenhang besteht. So kommen in den Kantonen Genf und Basel auf 10 000 Einwohner dreimal mehr Ärzte, und die Kosten sind zweimal so hoch wie im schweizerischen Durchschnitt. Auf die Sterblichkeitsrate hat dies aber keine positive Auswirkung. Ausserdem hat es auch keinen Einfluss auf die Zufriedenheit der Bevölkerung. Die entscheidende Feststellung ist also, dass tiefere Gesundheitskosten nichts mit dem Wohlbefin-

den und der Zufriedenheit der Bevölkerung zu tun haben. Die Tessiner bezahlen jeden Monat 100 Franken mehr Prämien als ihre Nachbarn im Kanton Graubünden. Wie lässt sich das erklären? Gegenüber dem Rest der Schweiz ist die Dichte der Ärzte, der Analyselabors und der Physiotherapeuten im Tessin sehr hoch. Deshalb wird auch mehr konsumiert, und es gibt auch immer mehr Privatkliniken. Jedes zweite Spitalbett im Tessin befindet sich in einer Privatklinik. Voll zu Lasten der KVG-Grundversicherung geht also nur die Hälfte des ganzen Spitalbereichs. Die Tessiner Ärzte verdienen 22 Prozent mehr als der Durchschnitt der Schweizer Ärzte. Finden Sie das normal? Es liegt nicht an mir, zu sagen, ob das normal ist. Diese Berechnung hat die FMH angestellt, und ich nehme an, dass sie stimmt. Fakt ist, dass das Salär im Allgemeinen im Tessin etwas unter dem schweizerischen Durchschnitt liegt. Die Schulden des Kantons belaufen sich auf 800 Millionen Franken. Verglichen mit den anderen Kantonen durchaus akzeptabel. Planen Sie neue Investitionen im Gesundheitsbereich? Es sind keine neuen Investitionen im Spitalsektor geplant. In den letzten Jahren wurden alle öffentlichen Spitäler restrukturiert und modernisiert. Kommen wir auf die Krise vom letzten Oktober zu sprechen. Am Pranger stand die Art und Weise, wie Sie das Tessiner Gesundheitsdepartement führen. Kritisiert wurde auch die fehlende Transparenz. Wie wollen Sie die Transparenz verbessern?

Die Regierungskrise, die Sie ansprechen, hatte nichts mit Transparenz zu tun. Es gab innerhalb der Regierung zwei gegensätzliche Ansichten, wie die Ressourcen für Gesundheit und Soziales eingesetzt werden sollen. Eine Regierungsmehrheit sprach sich für Einsparungen bei den öffentlichen Finanzen aus, d.h. weniger Mittel für die Prämienverbilligung in der Krankenversicherung und für Pflegeheime. Ich war mit dem Entscheid nicht einverstanden, und nachdem meine Kollegen die Kürzungen mit einer Mehrheit beschlossen hatten, entzogen sie mir das Gesundheitsdossier. Nun sind sie auf ihren Entscheid zurückgekommen, nachdem es in der Bevölkerung grosse Proteste gegeben hat. Bleiben wir kurz bei der Transparenz. Welches sind die nächsten wichtigen Schritte bei der Spitalplanung? Als ich Sozialministerin wurde, zählte das Tessin den höchsten Anteil an Spitalbetten im stationären Bereich in der Schweiz. In einer ersten Phase, die 2002 zu Ende ging, habe ich über zwanzig Prozent der Betten abgebaut und sieben Spitäler geschlossen. Nun ist die zweite Etappe zu Ende gegangen und wir müssen noch rund zehn Prozent der Betten abbauen, indem wir mehrere Spitäler von der KVG-Spitalliste streichen. Trotzdem liegt die Bettenzahl in gewissen Sektoren, z.B. Rehabilitation, immer noch über dem Landesdurchschnitt. Die Spitäler, die nicht mehr zu Lasten des KVG fakturieren können, üben natürlich grossen Druck aus und wollen die Spitalplanung verhindern. Im Gegensatz zur ersten Planungsphase habe ich den Eindruck, dass die Bevölkerung heute eher bereit ist, eine Kürzung des Spitalangebots zu akzeptieren, denn die Krankenkassenprämien haben in unserem Kanton ein Niveau erreicht, das


GESUNDHEITSWESEN

Die KVG-Bestimmungen, die eine interkantonale Mobilität von Patienten unterbinden, sind diesbezüglich für Personen oder Einrichtungen, die eine monopolartige Stellung im Kanton einnehmen, sicherlich ein Vorteil. Es fehlt der Wettbewerb bei den Preisen und wohl auch bei der Qualität. Das Cardiocentro ist in einer solchen Situation. Mit den derzeit verfügbaren Instrumenten ist es schwierig, abzuschätzen, ob eine medizinische Leistung wirklich zweckmässig ist. Dies scheint mir ein wichtiges Problem zu sein, das heute

Tiefere Spitalkosten heisst ja nicht nur weniger Betten. Was gedenken Sie in den kommenden Monaten noch zu tun? Unsere Lösungsansätze zielen in zwei verschiedene Richtungen: Finanzierung und Qualität. Auf Bundesebene sind grundlegende Änderungen geplant (u.a. SwissDRG). Zahlreiche Kantone, darunter auch das Tessin (öffentliche Spitäler der Ente Ospedaliero Cantonale), gehen schrittweise zu einer leistungsbasierten Finanzierung über. Dieses neue System bringt mehr wirtschaftliche Transparenz im Spitalbereich und eine bessere Kostenkontrolle. Vor der Einführung einer APDRG-Finanzierung ist es auf jeden Fall notwendig, mögliche positive und negative Auswirkungen im Detail zu evaluieren. Sollten Prob­ leme auftauchen, haben wir die Möglichkeit einzugreifen, sei es nun bei der Anzahl der erbrachten Leistungen oder beim Transfer von Patienten in eine andere Abteilung oder Einrichtung, z.B. Spitex oder Rehabilitation. Mit der Änderung des Finanzierungssystems müssen parallel dazu Instrumente geschaffen werden, mit denen mögliche Negativauswirkungen aufgefangen werden können. Gleichzeitig muss das Qualitätsmanagement in den Spitälern verbessert werden, um so bessere Gesundheitsleistungen erbringen zu können und unnötige Kosten zu vermeiden, die ja keine bessere Pflege garantieren. Ich denke beispielsweise an Methoden wie die «Evidence based medicine». So lässt sich evaluieren, ob die erbrachten Spi- «Die Finanzierung eines Gesundheitssystems talleistungen auch wirklich angemes- mit einer umfassenden Versicherungsstruktur sen sind. Die Einzelindikatoren und kann nur funktionieren, wenn es keine Indivieine auf Qualitätskriterien basierende dualisierung der Risiken gibt:» Patrizia Pesenti. Betriebsführung sind ebenfalls probate Mittel gegen den Anstieg der Spitalkosten, denn so können nicht nur orga- ganz und gar der Subjektivität der Leinisatorische Mängel behoben werden, son- stungserbringer überlassen wird. dern auch die Wahrscheinlichkeit von Behandlungsfehlern verringert werden. Unsere Gesellschaft wird immer älter. Was halten Sie davon, die Langzeitpflege für älSpeziell das Cardiocentro ist eine grosse fi- tere Menschen aus der Krankenversichenanzielle Belastung für die Tessiner Grund- rung auszuklammern? versicherung. Sind Massnahmen vorgese- Pflegeleistungen, auch für ältere Personen, hen, um die Prämien der Krankenversiche- müssen wie für den Rest der Bevölkerung zu entlasten? rung finanziert werden. Die Finanzierung eines Gesundheitssystems mit einer

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umfassenden Versicherungsstruktur wie das KVG kann nur funktionieren, wenn es keine Individualisierung der Risiken gibt. Wie stehen Sie zur Politik von Pascal Couchepin? Pascal Couchepin und das neu für die Krankenversicherung zuständige Bundesamt für Gesundheit haben die KVG-Revision neu lanciert. Es gibt zwei Hauptprobleme, die noch gelöst werden müssen: der Anstieg der Gesundheitskosten und die Finanzierung der Kosten durch die Versicherten. Hier gibt es einen dringenden Handlungsbedarf, denn die Prämienbelastung hat für über die Hälfte der Bevölkerung ein Niveau erreicht, das nicht mehr tragbar ist. Die meisten Kantone werden sich wohl etwas überlegen müssen. Zwar ist die Finanzierung der Krankenversicherung Sache des Bundes, aber die Organisation des Gesundheitssystems obliegt den Kantonen. Bund und Kantone müssen die Probleme gemeinsam angehen. Ich bin fest davon überzeugt, dass die Kantone eingebunden werden müssen. Nicht zuletzt deswegen habe ich mich bereit erklärt, den Vorsitz der KVG-Kommission der Schweizerischen Gesundheitsdirektorenkonferenz zu übernehmen. Foto: ZVG

für einen Grossteil der Bevölkerung nicht mehr tragbar ist.

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Wie stehen Sie der Vertragsfreiheit gegenüber? Wir müssen dringend den Kostenanstieg in den Griff bekommen. Dies ist möglich, wenn wir Angebot und Nachfrage im Leistungsbereich kontrollieren. Man könnte also beispielsweise das Angebot an ambulanten und stationären Leistungserbringern reduzieren. Die Vertragsfreiheit ist eine mögliche Lösung, so lange dadurch junge Ärzte nicht benachteiligt werden. Leistungserbringer, die FMH und die Kantone müssten aber unbedingt konsultiert werden. Die Wahl der Leistungserbringer dürfte in keinem Fall nur den Versicherern überlassen werden. Für die Kantone müsste eine klare Rolle definiert werden. Beispielsweise könnten sie die Ärztedichte in Bezug auf die Kantonsbevölkerung bestimmen, wobei sie sich an eine auf Bundesebene festgelegte Bandbreite halten müssten.

I n t erv iew: N icole B u lli a r d


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GESUNDHEITSWESEN

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Die Krankenversicherung im Tessin in Zahlen

Kosten liegen klar über dem schweizerischen Durchschnitt

Z

war leben lediglich vier Prozent der Schweizer Versicherten im Tessin, doch der Medikamentenkonsum ist im Tessin unverhältnismässig hoch und liegt 31 Prozent über dem Landesdurchschnitt. Die Tessiner geben jährlich 664 Franken für Medikamente aus. Die Arztkosten belaufen sich jährlich auf 646 Franken pro Versicherten. Auch das sind 14 Prozent mehr als im schweizerischen Durchschnitt. Schuld daran ist vor allem das Einkommen der Ärzte, die im Tessin die höchsten Löhne beziehen. Für das ärztliche Honorar müssen die Tessiner pro Kopf und Jahr im Schnitt 100 Franken mehr ausgeben als der Rest der Schweizer Bevölkerung. Die Kosten für den stationären Bereich liegen ebenfalls über dem Durchschnitt.

In Zahlen ausgedrückt sind es 771 Franken pro Jahr oder 50 Prozent mehr als in der übrigen Schweiz. Ein erheblicher Kostenfaktor in diesem Bereich ist das Cardio­ centro Ticino. Auch bei den Laborkosten steht das Tessin an erster Stelle. Mit 103 Franken zu Lasten der Versicherten gegenüber 59 Franken für den Rest der Schweizer Bevölkerung bezahlen die Tessiner 75 Prozent mehr. Die Zentralisierung von Analysen im Spital soll hier erste Abhilfe schaffen. Mit dieser Rationalisierungsmassnahme sollen zehn Prozent bzw. 1,5 Millionen jährlich eingespart werden. Etwas unter dem Landesdurchschnitt liegen einzig die Kosten für Leistungen in Pflegeheimen und für die Spitex. Hier fehlt es allerdings an Betten. Der Bau mehre-

rer Alters- und Pflegeheime steht zur Diskussion, würde aber zu einem deutlichen Kostenanstieg führen. Die durchschnittliche Höhe der monatlichen Krankenkassenprämie ist im Tessin mit 315 Franken relativ hoch. Das sind beispielsweise 100 Franken mehr als im Nachbarkanton Graubünden. Da die Tessiner im Schnitt rund 15 bis 20 Prozent weniger verdienen als der Rest der Schweizer Bevölkerung, fällt diese Prämienbelastung um so mehr ins Gewicht. Obwohl die Kosten konstant steigen, sind die Tessiner wenig bereit, ihren Konsum zu reduzieren. Der hartnäckige Lokalpatriotismus verhindert ausserdem jegliche Rationalisierung in grösserem Umfang. Dies zeigt sich daran, wie schwierig es ist, eine effiziente Spitalplanung einzuführen. (NB)

VERGLEICH DER GESUNDHEITSKOSTEN IN DER GRUNDVERSICHERUNG DES KANTONS TESSIN MIT DEN SCHWEIZERISCHEN DURCHSCHNITTSKOSTEN IM JAHR 2002 Anzahl Versicherte CH

7 341 111

Anzahl Versicherte Tessin

Durchschnittskosten pro Versicherten

314 114 Gesamtkosten CH Fr.

Gesamtkosten TI Fr.

Ø CH Fr.

Ø TI Fr.

Vergleichskosten im Tessin (Abweichung vom Durchschnitt) Fr.

%

Spital stationär

3 767 539 221

242 442 739

513.21

771.83

81 235 966

50

Medikamente

3 733 586 985

208 521 393

508.59

663.84

48 767 380

31

Ärzte

4 177 732 893

203 016 635

569.09

646.32

24 258 353

14

Spital ambulant

2 282 583 435

108 595 752

310.93

345.72

10 927 781

11

Pflegeheime, Spitex

1 745 627 186

72 608 319

237.79

231.15

– 2 084 182

–3

Laboratorien

432 131 795

32 425 113

58.86

103.23

13 934 908

75

Physiotherapeuten

457 092 919

27 811 257

62.26

88.54

8 253 007

42

Andere Leistungserbringer

670 441 460

22 606 826

91.33

71.97

– 8 164 437

– 21

Transport

14 892 223

3 462 547

2.03

11.02

2 825 333

443

Quelle: santésuisse Tessin


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Tessiner Gesundheitskarte

Ein Modell für die ganze Schweiz Das Gesundheitswesen gibt in der Schweiz zunehmend zu grosser Sorge Anlass. Zwar ist ein Grossteil der Bevölkerung und der Politiker mit der Funktionsweise unseres Gesundheitssystems zufrieden, aber die Entwicklung der Gesundheitskosten stellt die Zukunft des heutigen Systems auf eine harte Probe.

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as schweizerische Gesundheitssystem ist komplex. Es erfüllt eine Vielzahl von Aufgaben, die von den verschiedensten Akteuren wahrgenommen werden, deren Kompetenzen kaum unterschiedlicher sein könnten. Ihre spezifischen Interessen mögen auf struktureller Ebene komplementär sein, wirtschaftlich gesehen sind sie oft aber gegensätzlich. Bisweilen sind die Gesundheitsakteure wegen des vermehrt privatwirtschaftlichen Denkens nicht mehr in der Lage, das gesteckte Ziel, nämlich die Stabilität des Gesundheitssystems, zu verfolgen, obwohl dieses Ziel eigentlich von allgemeinem Interesse ist. Es ging nun also darum, geeignete Voraussetzungen zu schaffen, damit die Gesundheitsstrukturen und -dienste optimal genutzt werden. Der Tessiner Regierungsrat hat deshalb entschieden, das Projekt Gesundheitsnetz «rete sanitaria» zu lancieren. Im Laufe der Vorbereitungen hat sich indes gezeigt, dass die Projektziele unterschiedlich gelagert sind. Die Umsetzung musste deshalb von Grund auf neu überdacht werden. Schliesslich hat man sich für die Einführung eines elektronischen Informationssystems entschieden (e-Healthcare). Die wichtigsten Gesundheitsakteure des Kantons, darunter santésuisse, erhielten die Gelegenheit, sich zum Projekt zu äussern, waren aber nicht direkt daran beteiligt. Diese erste Einschätzung war in Bezug auf die Akzeptanz der neuen Technologie sehr aufschlussreich.

In einem zweiten Schritt sollte geprüft werden, inwieweit sich gewisse medizinische Leistungen elektronisch abwickeln lassen. Hier stiess man bereits auf erste Widerstände, die auf fehlende Informatikkenntnisse zurückzuführen waren. Bedenken gab es in Bezug auf den Schutz der Privatsphäre und den möglichen Verlust der Rolle als Leistungserbringer. Kurzfristig konnte daher nur das Projekt Gesundheitskarte weiterverfolgt werden. Im Rahmen des Pilotprojekts sollen verschiedene Massnahmen im Bereich Sozialmarketing realisiert werden. Ziel dieser Massnahmen ist es, die Akzeptanz für die neuen Instrumente zu erhöhen, eine gesetzliche Grundlage für eine kantonale Gesundheitskarte zu schaffen, das elektronische Gesundheitsnetzwerk auszubauen und die Finanzierungsmodalitäten festzulegen.

Pragmatische Lösungen sind gefragt Der Entscheid, die neuen Technologien zunächst als Pilotprojekt zu lancieren, kommt nicht von ungefähr. Patienten und Gesundheitsakteure haben so die Möglichkeit, sich nach und nach an die neuen Instrumente zu gewöhnen, die über kurz oder lang nicht mehr aus dem Patientenund Ärztealltag wegzudenken sind. Die neuen Technologien können so optimal umgesetzt und die Qualität der erbrachten Leistungen verbessert werden. Ausserdem lassen sich unnötige Leistungen vermeiden. Die finanziellen Mittel, die für das Ge-

sundheitssystem eingesetzt werden, können effizienter genutzt werden. Neben der Gesundheitskarte sind natürlich noch andere Massnahmen notwendig, um die Zielvorgabe zu erreichen. Dazu braucht es ein koordiniertes Vorgehen. Um einen korrekten Einsatz der Computertools im Gesundheitswesen zu fördern, müssen speziell die Finanzierungsmodalitäten geklärt werden. Vor dem heutigen, eher konfliktträchtigen Hintergrund, keine leichte Aufgabe. Das Projekt Gesundheitsnetz zeigt jedoch, dass es möglich ist, pragmatische Lösungen zu finden und gewisse Themen zu enttabuisieren. Dies gilt beispielsweise für das Projekt Tessiner Gesundheitskarte, an dem alle Partner des Gesundheitsnetzes «rete sanitaria» beteiligt sind. Die Pilotphase für die Tessiner Gesundheitskarte soll am 1. Januar 2005 gestartet werden. Das Interesse am Tessiner Projekt geht über die Kantonsgrenzen hinaus. So hat beispielsweise das Bundesamt für Berufsbildung und Technologie «rete sanitaria» in das Aktionsprogramm «soft[net]» integriert. Ausserdem wurde das Projekt mit dem E-Health Award 2003 der Schweiz ausgezeichnet. Anteil am Erfolg hat auch der Projektpartner «Trüb Switzerland», dessen Erfahrung für die technische Entwicklung der Gesundheitskarte entscheidend war.

D r . M a r zio D ell a S a nta , P rojekt leit er des G esundheitsnetzw er ks « r et e sa nita r i a »


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Das Tessiner Spitalsystem

Komplex, teuer und mit schleppenden Reformen Die Tessiner Spitalproblematik ist nicht neu. Es gibt zu viele Einrichtungen, sie sind zu teuer, dazu erst noch zu klein. Hinzu kommt der verhältnismässig hohe Anteil an Privatspitälern. Doch sind bisher alle Rationalisierungsversuche auf beträchtlichen Widerstand ge­stossen, und dies trotz bundesrätlicher Intervention. Folgend eine kurze Zusammenfassung.

A

nfangs 1963 hat der Tessiner Regierungsrat die Schaffung eines Kantonsspitals abgelehnt und damit den Grundstein für das bis heute aktuelle System gelegt. Seither haben verschiedene Referenden und Initiativen zu einem Gesetz geführt, das für die stationäre Pflege die folgenden zehn Einrichtungen vorsieht: die Spitäler in Lugano, Bellinzona, Locarno, Mendrisio, Viganello (Hauptspitäler), Faido (Distrettuale e Santa Croce), Acquarossa, Cevio und Malcanton. Zu diesen öffentlichen Spitälern kommen noch gut zehn vom Kanton zugelassene Privatkliniken hinzu. 1982 wurde im neuen kantonalen Spitalgesetz die Schaffung eines gemeinsamen Verwaltungsorgans (Ente Ospedaliere Cantonale) für die neun der zehn seit 1963 öffentlichen Spitäler festgelegt. Das Spital Malcanton entschied sich für eine Fortsetzung seiner Aktivitäten als private Spitaleinrichtung.

Erste Spitalplanung Eine erste Spitalplanung der Kantonsspitäler führte 1988 zu ersten Rationalisierungsmassnahmen. Dabei wurden den einzelnen Einrichtungen klar umschriebene Leistungsaufträge zugewiesen und gleichzeitig die Bettenanzahl reduziert. So standen im Jahr 1997 noch 1042 Betten zur Verfügung (1985 waren es 1548). Hinzu kamen 183 Psychiatrie- und 50 Rehabilitationsplätze. In dieser Zeit blieben die Privatkliniken aber in allen Bereichen aktiv: Akutversorgung, Langzeitpflege, Psychiatrie und Rehabilitation. Ausserdem wurden sieben neue Einrichtungen zusätzlich eröffnet.

Als das neue KVG am 1. Januar 1996 in Kraft trat, zählte der Kanton 1275 Betten in öffentlichen Einrichtungen und 1270 in privaten, womit der nicht subventionierte, private Bereich die Hälfte der verfügbaren Betten anbot. Im landesweiten Durchschnitt lag der Anteil der Privatbetten im Spital bei nur 15 Prozent. Die erste Spitalplanung erlaubte es also nicht, das Angebot zu verringern.

Jede weitere Spitalplanung trifft auf öffentlichen Widerstand Weitere Rationalisierungsinitiativen im Spitalbereich sind immer wieder auf heftigen öffentlichen Widerstand gestossen. 1992, zum Beispiel, wurden 40 000 Unterschriften gegen die Zentralisierung der Pädiatrie gesammelt, und zwei Jahre später, im März 1994, richtete sich ein Referendum gegen die Zusammenlegung der zwei Regionalspitäler in Lugano (Civico und Viganello, Italien). Gemäss KVG (Art. 39) besteht für die Kantone jedoch ein bestimmter Reformzwang. So muss eine Spitalplanung (Akutversorgung, Psychiatrie- und Rehabilitationspflegeleistungen) sowie eine Pflegeheimplanung mit klaren Zielsetzungen eingeführt werden. santésuisse hat gegen das Kantonsprojekt Beschwerde eingereicht. Die Beschwerde wurde vom Bundesrat teilweise gutgeheissen und der Kanton angewiesen, gemäss der zweiten Etappe der Spitalplanung vorzugehen und folgenden Empfehlungen zu folgen: • Reduktion des Spitalangebots im grösseren Umfang als 1997, und dies nicht

linear, sondern durch Ausschluss bestimmter Einrichtungen. • Festlegung von Bedingungen für eine Minimalgrösse der Einrichtungen, die Pflegeleistungen erbringen. • Klare Leistungsaufträge an alle Spitäler und Kliniken, die Leistungen zu Lasten der sozialen Krankenversicherung erbringen. • Präsentation einer Planung für Pflegeheime und Langzeitpflege-Einrichtungen. Insbesondere hat die Bundesbehörde auf die Lücken der ersten Spitalplanung im Kanton Tessin hingewiesen. Sie erachtete die Parameter angesichts des im Landesvergleich hohen Bettenangebots als zu hoch angesetzt. Zudem fehlten umfassende Kürzungen, die Planung beinhaltete nur die Ist-Si-


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Foto: Prisma

Politische Ränkespiele sind Schuld an der Verzögerung Im Verlauf der Vorbereitungsarbeiten zur zweiten Etappe der Spitalplanung hat der Grosse Rat beschlossen, die Planungskompetenzen im Sinne von Art. 39 KVG zu übernehmen und damit den Regierungsrat von dieser Aufgabe zu entlasten. santésuisse wurde zur Mitarbeit in der mit der Ausarbeitung eines Planungsvorschlags beauftragten Sonderkommission aufgefordert. Der Vorschlag wird über den Regierungsrat dem Grossen Rat vorgelegt. santésuisse hat eine Reduktion der Bettenanzahl um 320 vorgeschlagen. Dies soll nicht linear geschehen, sondern durch eine Neuausrichtung von mindestens drei Einrichtungen, die weg vom Bereich stationärer Pflege führt – Kurbetriebe, ambulante Medizin und Tageschirurgie. Die Kommission hat ihre Aufgabe noch nicht abgeschlossen. Doch im Rahmen der Absprache mit den verschiedenen beteiligten Partnern ist wohl damit zu rechnen, dass die Kommission die regionalen Forderungen und das im Tessin vorherrschende Lokaldenken mitberücksichtigen muss, was zweifelsohne nur mit einer Kompromisslösung zu schaffen ist.

Kaum Aussicht auf Kostenkontrolle

Mit einem über eineinhalb Mal höheren Bettenanteil als im Landesdurchschnitt sind die Spitalkosten im Tessin sehr hoch.

tuation, ohne die realen Pflegebedürfnisse der Bevölkerung aufzuzeigen. Ebenso fehlten klare Leistungsaufträge an zugelassene Einrichtungen. Die vorgenommene Unterscheidung zwischen Betten für die Akutversorgung und Betten für eine mittlere Pflegedauer sei mit dem Bundesgesetz zudem nicht vereinbar. Schliesslich wird festgestellt, dass der Kanton sich für den Planungsverlauf nicht vorbereitet hat, obschon ihm dazu Zeit eingeräumt worden sei. Der Rückgang der Bettenanzahl im öffentlichen Bereich ist im Tessin im zu hohen Masse durch ein erweitertes Bettenangebot der privaten Einrichtungen kompensiert worden.

Kanton zu lasch Der Tessiner Regierungsrat hat per Dekret vom 20. Juni 2001 den Auftrag des Bundes-

rats ausgeführt und eine Liste mit zugelassenen Einrichtungen sowie der Bettenverteilung erstellt. Im Kanton stehen 1556 Betten für die Akutversorgung sowie 330 in der Psychiatrie und 236 in der Rehabilitation zur Verfügung (insgesamt 2122 Betten). Im Bereich Pflegeheime verzeichnet der Kanton 3935 und im Bereich Invalidenpflege 377 Betten. santésuisse hat beim Bundesrat Beschwerde gegen die dreijährige Anpassungsfrist eingereicht, die den durch die Spitalplanung nicht mehr zugelassenen Pflegeeinrichtungen eingeräumt wurde. Eigentlich hat der Bundesrat für eine Anpassung an die gesetzlichen Erfordernisse sechs Monate vorgesehen. Wiederum jedoch kann sich das Tessin als «Sonderfall» darstellen und erfährt eine spezielle Behandlung.

Die Erfahrung hat gezeigt, dass im Gesundheitsbereich, in dem das Angebot die Nachfrage stimuliert, ein Überangebot an Betten zwangsläufig zu einem Kostenanstieg führt. Mit einem über eineinhalb Mal höheren Bettenanteil als im Landesdurchschnitt sind die Kosten im Tessin bereits sehr hoch. Wenn nichts dagegen unternommen wird und das Tessin den Prämienanstieg nicht bremst, wird der Kanton Spitzenreiter in Sachen Kosten bleiben. Das Tessin liegt an der Peripherie und nicht im näheren Einzugsgebiet von Universitätsspitälern. Deshalb wollte man eine möglichst alle gängigen Fälle deckende, umfangreiche Spitalstruktur schaffen. Der Kanton Tessin liegt jedoch nur im Bereich der hoch spezialisierten Medizin vor den Universitätskantonen. Aktuell greift man im Kanton sogar in seltenen Fällen auf das Pflegeangebot der Lombardei zurück. Die Tessiner Selbstgefälligkeit im Bereich der medizinischen Versorgung hat einen Preis, den man besser nach unten korrigiert.

G i a mpaolo sa n t ésu isse

de N er i Tessin


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Altersbedingte stationäre Pflege

Neue Pflegemöglichkeit für ältere Patienten Die Struktur der stationären Krankenpflege im Tessin verändert sich ständig. Einerseits bringt die Bevölkerungsentwicklung mehr Kosten, und die Bedürfnisse ändern sich. Andererseits fehlt es an geriatrischer Betreuung, und es herrscht Bettenknappheit in Pflegeheimen. Hingegen gibt es Überkapazitäten im Bereich der Akutversorgung. Verschiedene Massnahmen sollen helfen, Spitäler und Pflegeheime zu entlasten.

B

ereits heute gibt es im Tessin die Möglichkeit der Kurzzeitpflege, die sich an ältere, zu Hause lebende Personen richtet, die zur Entlastung der Angehörigen vorübergehend eine kurze Zeit in einem Pflegeheim verbringen. Diese Pflegeleistungen gehen zu Lasten des Patienten, der Familie und des Kantons. Die Krankenversicherung übernimmt lediglich die Krankenpflege. Doch diese neue Pflegemöglichkeit deckt nur einen Teil des Bedarfs. santésuisse

Tessin und die kantonalen Behörden diskutieren zur Zeit über die Einführung einer neuen Form von stationärer Pflege, die zwischen der Akutversorgung und der Versorgung in einem Pflegeheim angesiedelt ist. Diese neue Pflegeform betrifft zwei Patientengruppen: zum einen Personen nach einer Akutbehandlung, die für eine kurze Zeit auf ständige Betreuung angewiesen sind, jedoch ohne spezifische Rehabilitationsmassnahmen; zum anderen Patienten, die sich einer Kurzbe-

Kommentar

Komplexe Problematik Die altersbedingte Pflege ist eine der grossen Herausforderungen unseres Gesundheitssystems. Verschiedene Arbeitsgruppen prüfen gegenwärtig, wie dieser Pflegebereich in Zukunft landesweit besser strukturiert werden kann. Es lassen sich zwei Vorgehensweisen unterscheiden: Systematisierung der Struktur und der Evaluation der Kurzzeitpflege sowie Rationalisierung der Patientenaufenthalte zwischen Spital, zu Hause, Pflegeheim und Rehabilitationszentrum. Zur Zeit wird ein neues Instrument evaluiert, mit dem der Pflegebedarf im Bereich der Kurzzeitpflege erfasst werden soll. Anhand eines Rasters mit Aktivitäten und Betreuungsgraden der Patienten wird eine Anzahl Punkte zugeteilt. Am Schluss werden die Punkte addiert und die abgestufte Tagestaxe festgelegt. Insgesamt gibt es fünf Kategorien. Der Patient wird so individuell in eine Kategorie eingereiht, wobei verschiedene Fakto-

ren massgebend sind, z.B. Mobilität, Hilfe bei der Körperpflege, Orientierungssinn oder die Fähigkeit, selber Essen zu sich zu nehmen. Mit dem neuen Raster und dem abgestuften Tarif für Kurzzeitpflege werden leichte und schwere Pflegefälle erfasst. Eine zweite Arbeitsgruppe analysiert die Krankengeschichte der Patienten bzw. den Wechsel von einer stationären Pflegeeinrichtung in eine andere. Hier geht es darum zu prüfen, ob der Patient keine unnötigen Wechsel zwischen Akutspital, Kurzzeitpflege, Rehabilitation, Pflegeeinrichtung oder zu Hause vornimmt. Diese Projekte werden in einer späteren Ausgabe von infosantésuisse näher vorgestellt. Sie zeigen, dass nicht nur der Kanton Tessin neue Lösungen für die stationäre Pflege sucht. Die altersbedingte Pflege ist komplex und bedarf einer Koordination auf verschiedenen Ebenen. (NB)

handlung unterziehen müssen, aber nicht unter die Akutbehandlung fallen. In jedem Fall steht bereits zuvor fest, dass der Patient nach der Genesung wieder nach Hause kann.

Neue Spitalplanung Die Spitalkosten liegen im Tessin mehr als die Hälfte über dem schweizerischen Durchschnitt, nämlich bei 81 Millionen Franken. 43 Prozent der Betten entfallen auf den nicht subventionierten Privatbereich. Der stationäre Bereich kommt den Tessinern bei der Prämienberechnung deshalb teuer zu stehen. Die neue Kategorie der stationären Versorgung ist Teil der neuen Spitalplanung, mit der die Kosten der Krankenversicherung, aber auch des Kantons, gesenkt werden sollen. Konkret geht es um eine begrenzte Aufenthaltsdauer von 14 bis 28 Tagen in den drei regionalen Pflegeheimen, die über die erforderliche Infrastruktur verfügen und wo insbesondere auch ein Arzt präsent ist. Die Einrichtungen müssen ausserdem über eine Langzeitpflegeabteilung verfügen, sowie über eine Abteilung für vorübergehende Aufenthalte (drei Monate) und für Kurzaufenthalte. Die Anzahl Betten ist auf 15 pro Einrichtung beschränkt. Der Pauschaltarif richtet sich nach dem Tarif für Pflegeheime. Zu den bereits bestehenden fünf Stufen kommt jetzt noch eine sechste hinzu. santésuisse Tessin schlägt eine Tagestaxe von 97 Franken vor. Diese Taxe deckt sämtliche Pflegeleistungen, d.h. Krankenpflege, Physiotherapie und Ergotherapie, Medikamente und medizinisches Material sowie ärztliche Leistungen. (NB)


GESUNDHEITSWESEN

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Pilotprojekt APDRG

Kanton Tessin einmal mehr in der Vorreiterrolle Seit dem 1. Januar 2003 rechnen alle öffentlichen Spitäler des Kantons Tessin mit Helsana alle grundversicherten Patienten über das leistungsorientierte Vergütungssystem nach APDRG («All Patient Diagnosis Related Groups») ab. Das Pilotprojekt betrifft das Ospedale Regionale di Lugano, die Ospedali Regionali Bellinzona e Valli, das Ospedale Regionale Beata Vergine Mendrisio und das Ospedale Regionale La Carità in Locarno mit insgesamt 1032 Betten und 35 000 Patienten jährlich. Helsana rechnet mit jährlich rund 7000 Fällen, die nach APDRG abgerechnet werden sollen. Foto: Prisma

D

ie Verhandlungen zwischen Helsana und der Ente Ospedaliero Cantonale Bellinzona (Spitalamt der Gesundheitsdirektion des Kantons Tessin) wurden im Verlaufe des Jahres 2002 geführt und endeten im Projektstart am 1. Januar 2003. Die beidseitig formulierten Rahmenbedingungen für den Pilot waren die Anwendung des ­A PDRG-Schweiz-Regelwerks TAR ­A PDRG 2002 und der Kostengewichte Version 3.1. sowie der Einhaltung einer Kosten- und Ertragsneutralität gegen­ über dem bisherigen System. In der ersten Phase beschränkt sich das Pilotprojekt auf rein grundversicherte Kantonseinwohner des Kantons Tessin. Ausgenommen von der Abrechnung sind, wie bei der Abrechnung nach APDRG üblich, die Patienten der Psychiatrie, der Rehabilitation und der Langzeitpflegeeinrichtungen. Die Baserate wurde für jedes Spital einzeln berechnet (einzig einige kleinere Häuser wurden zu Gruppen zusammengenommen); sie variieren in einem Bereich von 2126 bis hin zu 2944 Franken (bei einem Kostendeckungsgrad von 46 Prozent). Gegenüber den APDRG-Pilotprojekten von Helsana im Kanton Zürich (Spitäler Männedorf und Uster) stellt der Pilot im Kanton Tessin eine Weiterentwicklung dar; rechnete man im Kanton Zürich noch nach der APDRG-Schweiz-Version 2.0 ab und hatte man dort keine Abgeltung der Lang- oder Kurzlieger vorgesehen (Outlier-Regelung), wendet man im Kanton Tessin bereits die APDRG-Schweiz-Version 3.1 an und hat die Ausreisser-Regelung in die Abrechnung voll integriert.

Alle öffentlichen Spitäler des Kantons Tessin rechnen seit gut einem Jahr mit Helsana alle grundversicherten Patienten über das APDRG-System ab. (im Bild: Ospedale Civico, Lugano).

Kodierqualität als pièce de résistence Der Systemwechsel auf APDRG hat auch im Kanton Tessin zu einer massiven Aufwertung der Verantwortung des Kodierfachpersonals geführt; wieviel Geld ein Spital für seine Leistung nun erhält, ist nicht mehr von den Ärzten, sondern vielmehr von den Kodierern abhängig. Darum ist es wichtig, dass die Kodierung möglichst genau der Realität entspricht, damit nicht der eine oder andere Partner durch eine falsche Kodierung übervorteilt wird. Die Spitäler der Ente Ospedaliero Cantonale erfüllen die Qualitätsanforderungen, die es für eine Abrechnung nach APDRG braucht vollständig. Im Kanton Tessin wer-

den alle Spitalfälle in den öffentlichen Spitälern seit über 20 Jahren routinemässig codiert; seit dem Jahr 2000 sind überall professionelle Kodierer dafür angestellt, so dass hier heute eine ausgezeichnete Kodierqualität ausgewiesen werden kann. Routinemässig wird sie durch eine interne Abteilung der Ente Ospedaliero Cantonale in den Spitälern vor Ort überprüft. Wie schon im Kanton Zürich, so wird auch im Kanton Tessin das Projekt durch die Fallberater des Helsana-Fallmangements eng begleitet. Diese sind auch die direkten Ansprechpersonen bei Fragen oder Problemen, so dass die Kommunikation schnell und meist reibungslos funktionieren kann. Unter anderem werden durch das Fallmanagement vor allem Rehospitalisationen und Verlegungen von Spital zu Spital erfasst, auf ihre Richtigkeit hin kontrolliert und ausgewertet. Erwartungsgemäss wurden im ersten Halbjahr 2003 rund 3200 Patienten nach APDRG abgerechnet. Beide Projektparteien treffen sich regelmässig zu Auswertungssitzungen und zur Besprechung von Anpassungen und des weiteren Vorgehens. Das Pilotprojekt wird 2004 weitergeführt; allerdings erfolgt eine Anpassung des zu Grunde liegenden Systems; ab 1. Januar 2004 wird nach den Regeln von TAR APDRG 2004 und den neuen APDRG-Schweiz Kostengewichten Version 4.1 abgerechnet, die eine erneute Verbesserung an die schweizerische Realität darstellen und die Abrechnung näher an die wirklichen Fallkosten im Spital bringen.

D r . med. P et er I ndr a H elsa na Versicherungen AG


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GESUNDHEITSWESEN

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Die Erfahrungen des Kantons Tessin mit der Einheitskasse

Einheitskasse – ja oder nein? Die Einführung einer Einheitskasse kommt im Tessin immer wieder auf den Tisch, obwohl der Vorschlag bereits mehrmals auf allen Ebenen verworfen wurde. Ein kurzer Rück- und Ausblick.

S

eit der Einführung der obligatorischen Krankenversicherung KVG im Jahre 1996 wird immer wieder über die Einführung einer Einheitskasse diskutiert. Vor allem Gewerkschaften und die linken Parteien agieren an vorderster Front. Symptomatisch ist, dass das Thema Einheitskasse immer dann aktuell wird, wenn eine Prämienerhöhung vor der Tür steht. Ein Beweis dafür, dass das Problem nicht so sehr dadurch bestimmt wird, ob öffentliche oder private Instanzen die Krankenversicherung betreiben, entscheidend ist vielmehr die Kostenexplosion und die Auswirkungen auf die Prämien. Bis heute waren alle Initiativen zur Einführung einer Einheitskasse erfolglos, ob sie nun auf kantonaler, regionaler oder nationaler Ebene lanciert wurden. Zur Erinnerung: Die Erfahrung im Kanton Tessin mit einer öffentlichen (interkommunalen) Krankenkasse endete mit einem Konkurs. Die Versicherungseinrichtung wurde mit Zustimmung der Bevölkerung schliesslich aufgelöst. Eine solch radikale Änderung der Organisationsform käme einer Symptombekämpfung gleich. Der Anstieg der Gesundheitskosten würde dadurch nicht gebremst. Um eine Trendwende herbeizuführen, wären aber drastische Massnahmen erforderlich,

z.B. eine echte Spitalplanung (die im Tessin noch immer fehlt), die Aufhebung des Vertragszwangs oder eine bessere Kostenverteilung zwischen öffentlicher Hand und Versicherten, wobei der finanziellen Belastung der Familien vermehrt Rechnung getragen würde. Eine neuere Umfrage zeigt, dass der Grossteil der Versicherten mit den Leistungen unseres Gesundheitssystems, das auf einer Vielzahl von Versicherungsanbietern beruht, zufrieden ist. In der Regel bleiben Schweizerinnen und Schweizer der Krankenversicherung treu, bei der sie oft schon seit der Geburt versichert sind. Diese Einrichtungen haben im Krankenversicherungsbereich Pionierarbeit geleistet, lange bevor der Staat mit seinen eigenen Regeln kam. Um für die Einführung einer nationalen Einheitskasse zu werben, wird sehr oft die Unfallversicherung zum Vergleich herangezogen, vor allem die Suva. Allerdings bestehen zwischen der Krankenversicherung sowie der Unfallversicherung entscheidende Unterschiede (s. Tabelle). Einen ersten Anhaltspunkt gibt der Vergleich der Verwaltungskosten, die vor allem bei den Krankenversicherern oft kritisiert werden: die Verwaltungsauslagen für das 2001 beliefen sich bei den Krankenkassen auf lediglich 6,1 Prozent der Ausgaben, wäh-

rend sie bei der Suva für das gleiche Jahr bei 8,3 Prozent lagen (Quelle: BSV, 2001, Statistik über die Krankenversicherung). Die Bevölkerung muss sich darüber im Klaren sein, dass die Einführung einer nationalen Einheitskasse eine Zentralisierung zur Folge hat. Für Randregionen und insbesondere den Kanton Tessin könnte dies sehr negative Auswirkungen haben, wie sich vor einigen Jahren im Rahmen der öffentlichen (interkommunalen) Krankenkasse bereits gezeigt hat. Eine Zentralisierung des Versicherungssystems bedeutet unweigerlich eine Verstaatlichung der Medizin. Die Entscheidungsbefugnis läge nur noch bei einer einzigen Instanz, die für die ganze Schweiz obligatorische und einheitliche Normen aufstellen würde, ohne den regionalen Besonderheiten Rechnung zu tragen. Es gibt genügend Beispiele aus anderen Ländern, die zeigen, dass ein zentral organisiertes System aus heute frei praktizierenden Ärzten staatliche Leistungserbringer macht, die nur noch minimale Gesundheitsassistenz für die Bevölkerung leisten müssen. Die Folge davon wäre eine Zweioder mehr Klassen-Medizin, die von den finanziellen Mitteln der Kranken abhängen würde.

G i a mpaolo sa n t ésu isse

de N er i Tessin

SUVA: UNFALLVERSICHERUNG

KVG: KRANKENVERSICHERUNG

Prinzip Sachleistungen

Prinzip Kostenübernahme

Erbringt Sachleistungen selber oder über Dritte.

Übernimmt die Kosten sämtlicher Leistungserbringer.

Kann Einfluss auf die medizinische Behandlung nehmen.

Keinen Einfluss auf die medizinische Behandlung.

Der Versicherer trägt die Verantwortung für die Leistung.

Die Verantwortung für die Leistung liegt beim Leistungserbringer.

Ausser in Notfällen braucht es für eine Behandlung die vorherige Zustimmung der Suva.

Die Leistungserbringer sind autonom, keine Rücksprache mit der Krankenkasse.

Der Versicherte muss darüber informieren, wenn er den Leistungserbringer wechselt.

Der Versicherte muss nicht darüber informieren, wenn er den Leistungserbringer wechselt, da er verschiedene konsultieren kann.

Direkter Informationsanspruch und Zugang zu den medizinischen Unterlagen.

Keinen Zugang zu den medizinischen Unterlagen und nur beschränkten Informationsanspruch.

Der Vertrauensarzt kann intervenieren und Einfluss auf die Behandlung nehmen.

Der Vertrauensarzt hat beratende Funktion.

Die Suva hat Zugang zu den medizinischen Unterlagen.

Die medizinischen Daten sind geschützt, der Versicherer hat keinen Zugriff.


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Analyse und Empfehlungen zur Prämiengenehmigung

Bundesamt soll sich auf Prüfung der Zahlungsfähigkeit konzentrieren In seiner Reihe «Beiträge zur sozialen Sicherheit» hat das Bundesamt für Sozialversicherung (BSV)1 unter dem Titel «Veränderungen im Bereich der Prämiengenehmigung aufgrund des KVG»2 den Schlussbericht einer verwaltungsexternen Expertengruppe veröffentlicht. Im Bericht werden die Praxis der Prämiengenehmigung des BSV bis und mit der Prämienrunde im Jahre 2002 untersucht und Empfehlungen zum derzeitigen Prozedere unterbreitet.

E

valuiert wurden die Umsetzung der Empfehlungen von Prof. Dr. Heinz Schmid in seinem Gutachten von 1997 sowie die Qualität der Prämienentscheide des BSV. Dem Bundesamt wird attestiert, dass das Gutachten Schmid in wesentlichen Teilen umgesetzt wurde. Was die Qualität der Entscheidungen betrifft, muss laut Bericht konstatiert werden, dass über Jahre zu tiefe Prämien genehmigt wurden. So haben die Versicherer in den Jahren 1999 bis 2002 insgesamt negative Ergebnisse ausgewiesen. Die grössten Verluste entstanden im Jahr 2001. Verluste an der Börse haben mit ergebnisrelevanten Abschreibungen von insgesamt 71 Millionen Franken bei einem Gesamtverlust von 780 Millionen Franken nur eine marginale Rolle gespielt. Eine grössere Bedeutung hatten die Kapitalerträge, die im Jahr 2001 im Vergleich zum Vorjahr um fast 300 Millionen Franken eingebrochen sind. Abschreibungen und reduzierte Kapitalerträge erklären zusammengenommen aber nur die Hälfte der Verluste im Jahr 2001. Viele Versicherer wären den in der KVV vorgeschriebenen Regelungen ohnehin nicht mehr gerecht geworden.

Unterschreitung der Mindestreserve Der Bericht weist weiter darauf hin, dass das BSV bei der Abwägung zwischen deutlichen Prämienerhöhungen und (weiterem) Abbau der Reserven eine Unterschreitung der gesetzlichen Mindestreserve fallweise in Kauf genommen habe. Als problematisch habe sich das Fehlen klarer schriftlicher Regeln erwiesen, die festlegen, in welchen Fällen die Mindestreserve ausnahmsweise unterschritten werden darf.

Wie der Bericht positiv vermerkt, äussern sich heute die meisten Versicherer zufriedener über die Zusammenarbeit mit dem BSV. Die Berechnungen des BSV wie auch die Kompetenz der Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter seien besser geworden und das BSV folge mehr als früher der Argumentation der Versicherer.

Prämienerhöhungen nur kurzfristig gedämpft Im Bericht wird klar festgestellt, dass das Prämiengenehmigungsverfahren des BSV keine langfristige Prämienreduktion herbeiführen kann. Die Prämienbewilligung habe in den vergangenen Jahren die Prämienerhöhungen nur kurzfristig zu dämpfen vermocht, indem sie auf einen Abbau der Reserven hingewirkt habe. Zu bedenken sei, dass der Abbau der Reserven zur Folge hatte, dass die Kapitalerträge abnahmen und die fehlenden Kapitalerträge über Prämienerhöhungen ausgeglichen werden müssen. Manche Versicherer würden heute ihre Prämieneinnahmen erhöhen, indem sie Rabatte für Versicherungsverträge mit höheren Franchisen reduzieren. Dies habe jedoch kurz- bis mittelfristig einen negativen Effekt auf das Verhalten der Versicherten und es bestehe die Gefahr einer weiteren Kostenerhöhung.

Konkrete Empfehlungen Nach Auffassung der Experten sollte sich das BSV auf die Prüfung der Solvabilität der Versicherer konzentrieren, wenn nicht gar darauf beschränken. Dies würde das Verfahren der Prämiengenehmigung generell vereinfachen, indem die Prämien von finanziell gesunden Versicherern schnell und unbürokratisch genehmigt werden

könnten und Ressourcen frei würden für die Prüfung und Beratung von Versicherern mit finanziellen Problemen. Falls das BSV weiterhin sowohl die Prämien wie auch die Reserven nach oben beschränken möchte, sollten klar kommunizierte Limiten gelten. Vorstellbar wäre nach Ansicht der Experten ein Band akzeptierter Reservesätze. Zudem sollte das BSV seine Beurteilung der Prämieneingaben nach einem einheitlichen Schema in schriftlicher Form dokumentieren, was insbesondere für Rückmeldungen an Versicherungen gilt, die auf eine Änderung der Eingabe abzielen. Auch wäre zu überprüfen, wie die Kommunikation mit den Kantonen weiter verbessert werden könnte. Abschliessend geben die Experten der Überzeugung Ausdruck, dass die Aufhebung des Kontrahierungszwangs und die Abschaffung von Regeln, welche die Versicherer bezüglich Versicherungsformen (z.B. Franchisen/Franchisenrabatte) einschränken, zu einer weiteren Öffnung des Wettbewerbs führen und den Versicherern erlauben würde, mit innovativen und anreizkompatiblen Produkten für tiefere Kosten zu sorgen – was jedoch nur durch eine Revision des KVG möglich ist. (Z)

1

Das für die Aufsicht zuständige Amt ist seit 1.1.2004 das Bundesamt für Gesundheitswesen (BAG). Der Bericht bezieht sich aber noch auf das bis am 31.12.2003 zuständige BSV.

Veränderungen im Bereich der Prämiengenehmigung aufgrund des KVG, Forschungsbericht Nr. 23/03, in «Beiträge zur Sozialen Sicherheit». Priojektverantwortung: Dr. Wolfram Kägi, Team: Dr. Elke StaehelinWitt, Lic.oec.HSG Martin Schäfli, Dr. Bruno Koller (Uni Basel), B,S,S. Volkswirtschaftliche Beratung, Basel. Bundesamt für Sozialversicherung, 3003 Bern

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GESUNDHEITSWESEN

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Pflegebedürftigkeit in der Schweiz

Gute Lebensqualität auch im Alter? François Höpflinger, Valérie Hugentobler, Pflegeversicherung in der Schweiz, Prognosen und Szenarien für das 21. Jahrhundert. 88 Seiten, Verlag Hans Huber, Bern

Angesichts der weiteren Erhöhung der Lebenserwartung stellt sich die bange Frage: Bringt eine höhere Lebens­ erwartung auch mehr Lebensfreude, oder gibt sie Anlass zur Befürchtung, im Alter mit zunehmenden Leiden und Behinderungen leben zu müssen? Eine vom Schweizerischen Gesundheitsobservatorium in Auftrag gegebene Studie über die «Pflegebedürftigkeit in der Schweiz» gibt Aufschluss darüber, wie sich die Zahl der pflegebedürftigen Menschen in den nächsten Jahren entwickeln wird.

L

aut Studie wird die durchschnittliche Lebenserwartung der Schweizer Bevölkerung weiter ansteigen: Gemäss vorsichtigen Schätzungen von 76,9 Jahren bei den Männern bzw. 82,6 Jahren bei den Frauen im Jahr 2000 auf ca. 80 bzw. 86 Jahre im Jahr 2030. Diese Prognose gilt allerdings nur unter der Voraussetzung, dass es nicht zu einem massiven Zusammenbruch von sozial- und gesundheitspolitischen Strukturen kommt. Das Ansteigen der Lebenserwartung bedeute aber nicht, so die Autoren, dass damit auch die Zahl der älteren, pflegebedürftigen Menschen in gleichem Masse zunehmen werde. Zwar werde deren Zahl in den nächsten 20 Jahren ansteigen, aber «mit hoher Wahrscheinlichkeit weniger stark, als dies aus linearen Projektionen hervorgeht». Realistisch sei eine Zunahme von maximal 20 Prozent, doch könne der Anstieg auch geringer sein. So bestehe Anlass zur Hoffnung, «dass die absehbare weitere Zunahme der Lebenserwartung für die meisten Menschen mit einer deutlichen Zunahme der behinderungsfreien Jahre verknüpft sein wird», schreibt Patrizia Pesenti in ihrem Vorwort.

Die Begründung Diese Aussage wird in der Studie mit zwei Faktoren begründet. Auf der einen Seite ist festzustellen, dass mehr Menschen Gesundheitsvorsorge betreiben, dass weniger Menschen mit beruflich bedingten körperlichen Einschränkungen leben und dass

sich die Lebensbedingungen ganz allgemein sowie die medizinische Versorgung und auch die Bildung verbessert haben. Auf der anderen Seite werden Prävention, Behandlung und Rehabilitation von typischen Altersgebrechen ständig weiterentwickelt. Dadurch sollte das Auftreten von altersbedingten Gebrechen verhindert, abgeschwächt oder zumindest verzögert werden. Bereits eine moderate Reduktion der Pflegebedürftigkeit kann gemäss Studie zehn Jahre demographische Alterung kompensieren. Allein schon eine einjährige Verzögerung alltagsrelevanter Einbussen bei demenziellen Störungen vermag das Problem der Pflege demenzkranker Menschen wesentlich zu entschärfen. Wenn im Jahr 2030 das Auftreten von Demenzstörungen um zwei Jahre verzögert wird, würde das rund 20 000 Pflegebedürftige pro Jahr weniger bedeuten.

che Gesundheitskosten verursachen kann, sind insbesondere unbehandelte Depressionen, weshalb es sich empfiehlt, namentlich bei 65- bis 79-Jährigen eine frühzeitige Abklärung vorzunehmen. Im Blick auf die bei älteren Menschen häufig auftretenden hirnorganischen Störungen (Demenzerkrankungen verschiedener Formen) ist dem gerontopsychiatrischen Aspekt in der ärztlichen Aus- und Weiterbildung, aber auch in der Pflegeausbildung besonderer Wert beizumessen. Da viele demenzkranke Menschen von Angehörigen gepflegt werden, spielen Unterstützung und fachliche Beratung bzw. Schulung von Angehörigen eine zentrale Rolle. Die Autoren sind überzeugt, dass das Prob­ lem zunehmender Demenzerkrankungen aufgrund erhöhter demographischer Alterung durch gezieltes Gedächtnistraining oder Einsatz von Medikamenten deutlich entschärft werden kann.

Was in der Alterspflege zu beachten ist

Wie finanzieren?

In der Zielrichtung einer langen, möglichst beschwerdefreien Lebenserwartung plädieren die Autoren für eine Verlagerung von der medizinischen Akutpflege zur pflegerischen Langzeitbetreuung. Im Vordergrund steht dabei u.a. die Vorbeugung von Sturzunfällen, die im hohen Alter oft zu Frakturen führen, welche Mobilitätseinschränkungen zur Folge haben. Sie sind eine häufige Ursache von Pflegebedürftigkeit. Was im Alter überdurchschnittli-

Dass die Krankenversicherer für eine ausgebaute Alterspflege aufkommen können, ist wenig wahrscheinlich. Nach Auffassung der Autoren sind die Regelung und Finanzierung der Langzeitpflege im Alter auch in der Schweiz neu zu organisieren. Sie vertreten auch den Standpunkt, dass eine offene Diskussion verschiedener Formen einer Pflegeversicherung (gemäss Umlageverfahren oder Kapitaldeckungsverfahren) dringend notwendig sei. (Z)


TARMED

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Der Entscheid des Verwaltungsrats steht im April an

«santésuisse plant ein eigentliches Tarif-Datawarehouse» TARMED ist nicht nur ein Mitauslöser für den Aufbau des Datenpools von santésuisse, sondern auch der Grund für geplante Weiterentwicklungen. In welche Richtung diese voraussichtlich gehen, darüber

infosantésuisse: Marco D’Angelo, Sie sind verantwortlich für das Herzstück von santésuisse, den Datenpool. Inwiefern spielte TARMED den Spiritus rector? Marco D’Angelo: Es gab im Gesamten drei Stossrichtungen: Grundsätzlich ging es uns darum, eine einheitliche und umfassende Datengrundlage auf einer zeitgemässen technischen Lösung zu schaffen. Das haben wir erreicht: Die einzelnen Krankenversicherer liefern uns nun nach dem gleichen technischen Standard Daten. Die Wirtschaftlichkeit der einzelnen Leistungser- Marco D’Angelo (33), lic. rer. pol., bringer zu überprüfen, war das Leiter santésuisse Datenpool. zweite wichtige Anliegen. Und schliesslich ging es darum, eine geeignete Datenbasis zu haben, damit wir formation in der bestehenden Datenliefedie TARMED-Kostenneutralität kontrollie- rung bedeutet einen exponenziellen Datenren können. mengenzuwachs. Wenn ich vom geplanten Tarif-Datawarehouse spreche, lehnt sich Genügt der Datenpool in seiner jetzigen dieses zwar an den Datenpool an, aber eigentlich geht es um einen neuen DatenForm für die Tarifkontrolle? Nein. Der heutige Datenpool besitzt hoch pool – eine Art Bruder oder Schwester des aggregierte Daten, verrät jedoch nichts über Datenpools. Details. Wir können zum Beispiel feststellen, dass eine bestimmte Facharztgruppe Wie müsste sich dieses Geschwister prämehr KVG-Leistungen abrechnet. Welche sentieren? Tarifpositionen sie dabei benützt, finden Uns geht es um grundlegende Informatiwir aber nicht heraus. Um eben diese In- onen zu TARMED, zum Beispiel um die formationen zu erhalten, planen wir nun systematische Erfassung der benutzten Taein Tarif-Datawarehouse. rifpositionen. Uns interessiert: Wie sieht das Mengengerüst aus? Wo sind die ProReicht es nicht, den Datenpool um ein paar blemzonen? Wo gibt es Veränderungen in zusätzliche Applikationen zu erweitern? den Mengengerüsten auf diesen TarifpoWir können den bestehenden Datenpool sitionen? Welche Facharztgruppe wendet nicht beliebig erweitern. Dies geht rein tech- welche Tarifpositionen an? Es geht aber nisch nicht, denn mittlerweile haben wir auch um die Bewirtschaftung des Tarifs. in der Datensammlung über zwei Milliar- Wir wollen kontrollieren können, ob die den Datensätze und jede zusätzliche In- Annahmen, auf denen TARMED aufbaut,

Foto: Caesar Perrig

gibt Marco D’Angelo als Leiter des Datenpools Auskunft.

wie zum Beispiel die Minutage, richtig gesetzt worden sind. Und in der aktuellen Phase der Kostenneutralität können wir lediglich über die Taxpunktwerte korrigierend eingreifen. Wenn wir konkret die Informationen über die Verwendung der Tarifpositionen hätten, könnten wir gezielt über die Taxpunkte intervenieren. So stellen wir uns die Zukunft vor.

Mehr und bessere Daten bedeuten ja auch einen Wissensvorsprung! Heute haben wir eine gute Position, wenn es um Daten im Gesundheitswesen geht: Denken wir z.B. an den Risikoausgleich oder an andere Gesundheitsstatistiken – es geht in der Regel um Krankenversicherer-Daten. Bei Wirtschaftlichkeitsverfahren zum Beispiel sind unsere Daten auch gerichtlich anerkannt. Die Wertschätzung gegenüber unseren Daten wollen wir auch in Zukunft behalten, indem wir neu einen höheren Detaillierungsgrad und eine gute Abdeckung anstreben. Gibt es überhaupt schon Analysen zu den TARMED-Abrechnungen? Dies ist noch zu früh, weil bei den Krankenversicherern die Daten erst reinkommen. Hier geht es darum, erste Erfahrungen mit dem einheitlichen Rechnungsformular oder auch mit dem Handformular zu sammeln. Es geht weiter darum, die technischen Abläufe bei der Erfassung der ­TARMED-Leistungen zu vereinheitlichen. Die Krankenversicherer rechnen im Juni mit den ersten Auswertungen. I n t erv iew: U rsu l a Vogt


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KRANKENVERSICHERUNG

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Forum Santé-Gesundheit in Interlaken

Viele Fragen ohne Antworten Bereits zum sechsten Mal luden die Forschungsgruppe für Gesundheitspolitik Santé-Gesundheit der Université de Genève und das Pharmaunternehmen Sanofi-Synthélabo Schweiz zum Forum SantéGesundheit ein. Die Tagung fand am 22. Januar in Interlaken statt. Die Veranstaltung stand unter dem provokativen Titel «Krise im schweizerischen Gesundheitswesen: zwischen Freiheit und Solidarität?». Zahlreiche Vertreter verschiedener Interessengemeinschaften, Schweizer Gesundheitsorganisationen und bekannte Akteure des schweizerischen Gesundheitswesens nahmen an der Tagung teil. Um es vorwegzunehmen: Es wurden viele Fragen in die Diskussion eingebracht, wer allerdings Patentrezepte oder einfache Antworten erwartete, wurde enttäuscht.

Vertreterinnen und Vertreter aus verschiedenen Sparten des schweizerischen Gesundheitswesens nahmen an der Tagung teil.

D

och nur schon die Auseinandersetzung mit den verschiedensten Facetten des Gesundheitswesens und seiner Probleme war es wert, nach Interlaken zu fahren, nicht zuletzt während des Mittagessens und in den Pausen bei anregenden Gesprächen. In einer Zeit, in der die Politik nach Massnahmen zur Kostendämpfung im Gesundheitswesen sucht, stellt sich die Frage nach dem Stellenwert dieses Gesundheitswesens in unserer freiheitlichen Gesellschaft.

Existiert hinter diesen Beschlüssen eine klare Vision über die öffentliche Gesundheit in der Schweiz? Gibt es präzise Vorstellungen über den Bedarf an Gesundheitsleistungen der Bevölkerung und der Gesellschaft? Was wird von diesen Entscheidungen für die Verbesserung der Gesundheit der Bevölkerung erwartet? Res­ pektieren diese Reformen die Prinzipien der Bundesverfassung, Universalität, Solidarität und Gleichheit? Sind sie überhaupt umsetzbar?

Diese aktuellen Fragen wurden gestellt und heftig und kontrovers diskutiert. Forum Santé-Gesundheit geht die Thematik «Krise im schweizerischen Gesundheitswesen» mit drei Kernvorschlägen an: Solidarität, Freiheit und Eigenverantwortung. Zuerst stellt die Gruppe Überlegungen zur Bedeutung dieser Begriffe vor und vergleicht sie anschliessend mit den in der Schweiz vorgeschlagenen politischen Massnahmen. Welche möglichen Nebenwirkungen haben das Einfrieren der Zahl


KRANKENVERSICHERUNG infosantésuisse  3 / 04

Fotos: Caesar Perrig

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Yves Guisan, Vizepräsident von H+ die Spitäler der Schweiz und Vizepräsident FMH, Prof. Antoine Bailly, Universität Genf, Olivier Bugnon, Chefapotheker an der Medizinischen Poliklinik, Lausanne, Arno Brandt, Direktionsmitglied «Good People Management Practices», Basel (v.l.n.r.).

der praktizierenden Ärzte, die Spitalplanung oder die Änderung des Abgeltungsmodells für Apotheker? Gehen diese Massnahmen von einer umfassenden Vision der Gesundheitspolitik aus oder behalten wir einfach den Status quo bei, da wir uns auf kleinere Korrekturen ohne Auswirkungen beschränken? Welches könnten also die Vorgaben für ein Gesundheitswesen sein, das die Prinzipien Freiheit, Solidarität und Verantwortung berücksichtigt?

Charta für ein qualitatives Gesundheitswesen Anlässlich der Tagung am 22. Januar schlug Forum Santé-Gesundheit in Form einer Charta allgemeine Massnahmen für ein besser funktionierendes Gesundheitswesen vor. Elemente einer echten Gesundheitspolitik wären zum Beispiel Gesundheitsinformationen sammeln und verbreiten, Versorgungsnetze und Qualitätskreise optimieren, obligatorische Patientenkarte einführen oder die Eigenverantwortung

Das Pharmaunternehmen Sanofi-Synthélabo unterstützt ebenfalls den «Prix européen de la santé» (europäischer Gesundheitspreis). Am Vorabend der Veranstaltung Forum Santé-Gesundheit wurden Dr. Daniel Perrenoud und Thierry Gogniat für die nationale Präventionskampagne zu berufsbedingten Hautkrankheiten «les deux mains: c’est pour la vie» ausgezeichnet. Ein zweiter Preis erhielt André Frei für ein Pilotprojekt im Zivil- und Militärdienst des Kantons St. Gallen im Rahmen der Gesundheitsförderung am Arbeitsplatz.

aller Gesundheitsakteure, inkl. Patienten, fördern. Diese Massnahmen bildeten das Gesprächsthema dieser Tagung. Die drei Kernpunkte, auf welche die Problematik reduziert wurde, sind nicht neu und bilden in den verschiedensten Gremien des Gesundheitswesens in der Schweiz immer wieder dogmenähnliche Diskussionsgrundlagen: • Entwicklung des Gesundheitswesens besser kennen lernen • Effizienz und Leistungsfähigkeit des Systems verbessern • Kosten eindämmen.

Umfrage mit erstaunlichen Ergebnissen Konkreter ging es bei der Umfrage unter den teilnehmenden «Gesundheitsprofis» aller Couleur zu und her. So sprachen sich 68 Prozent dafür aus, dass die Schaffung eines Gesetzes über die Rechte und Pflichten der Patienten und über den Schutz der Patientensicherheit eine Priorität der nationalen Gesundheitspolitik sein sollte. Die Hälfte der Votierenden fand, dass die Krankenversicherer ihre jetzige Rolle als alleinige Zahler von verschriebenen Leistungen beibehalten sollen und keine Kompetenz zum Eingriff in Planung und Gestaltung des Pflegeangebotes erhalten sollen. Nur neun Prozent fanden, die Krankenversicherer sollten Netzwerke leiten und Qualitätskriterien festlegen können. Mehr oder weniger bestimmt setzten sich 87 Prozent dafür ein, dass jeder wichtige politische Entscheid einer analytischen Impaktstudie unterworfen werden soll, die über die Auswirkungen auf die wirt-

schaftliche und soziale Verbesserung des Gesundheitsstandes der Bevölkerung Auskunft gibt. Als prioritäre Massnahmen zur Verbesserung des schweizerischen Geundheitswesens wurden eine sichere und obligatorische Patientenkarte, die Erstellung eines therapeutischen Netzwerkes und eine bessere Koordination zwischen freien Ärzten und Spitälern, sowie die Einbindung der Patienten in die Verwaltung des Gesundheitswesens genannt. Zudem sollte die Vorbeugung vermehrt gefördert und allgemein ein zwingendes Programm von zehn bis 15 Gesundheitsprioritäten erstellt werden. (CP) Weitere Informationen: www.forumgesundheit.ch

Marianne Meyer (Generalsekretärin, Westschweizer Konsumentenschutz, Lausanne) leitete die Tischrunde Forum Santé-Gesundheit.


service Solidarität im Clinch zwischen Politik und Wettbewerb Die Kosten im Gesundheitswesen steigen unaufhaltsam. Doch gibt es überhaupt Per­ spektiven für eine sozialverträgliche Finanzierung unseres Gesundheitswesens? Eine Antwort auf diese Frage zu finden, fällt nicht einfach. Sicher ist einzig, dass eine klare Strategie fehlt – von links ertönt der Ruf nach staatlichen Eingriffen, von rechts kommt die Forderung nach mehr Wettbewerb. Angesichts dieser Tatsache widmet die RVK Rück ihr 6. Schweizerisches Forum der sozialen Krankenversicherung der sozialverträglichen Finanzierung unseres Gesundheitswesens. Das Forum will eine Plattform bieten, auf der die verschiedenen Interessengruppen des Gesundheitswesens ihre Vorstellungen zur Entwicklung der Gesundheitskosten, besonders im Spannungsfeld zwischen sozialer Gerechtigkeit und liberalem Gedankengut, darlegen können. Die Referenten aus dem Inund Ausland geben einen Überblick über die Entwicklung in Europa und der Schweiz, erläutern die gesellschaftlichen Folgen und zeigen Grenzen und Lösungsmöglichkeiten auf. Anmeldeschluss ist Freitag, 30. April. (PD) Weitere Informationen: RVK Rück, Telefon 041 417 01 11, E-Mail: forum@rvk.ch, www.rvk.ch

Zusammenschluss der ÖKK Kranken- und Unfallversicherungen AG und ÖKK Winterthur

Stadt Winterthur entscheidet sich für ÖKK Seit der Einführung des neuen Krankenversicherungsgesetzes besteht für die Stadt Winterthur keine Notwendigkeit mehr, eine eigene Krankenkasse zu führen. Deshalb hat die Stadt für ihre Krankenkasse einen neuen Eigentümer gesucht und sich im Interesse der Kontinuität für ÖKK entschieden. Per 1. Januar 2005 wird ÖKK Winterthur vollumfänglich in die ÖKK Kranken- und Unfallversicherungen AG, Landquart, integriert. Eine Analyse ergab, dass ein Zusammenschluss mit der ÖKK Kranken- und Unfallversicherungen AG aufgrund der Rechtsform, Risikostruktur, Organisation und Reserven am besten passt. ÖKK Winterthur wird ab

dem 1. Januar 2005 als Regionaldirektion Winterthur und damit als Kompetenzzentrum der ÖKK Kranken- und Unfallversicherungen AG am bisherigen Standort weitergeführt. Die Leistungsabwicklung, die Mitgliederberatung und auch das Prämieninkasso erfolgen weiterhin in Winterthur. Das bisherige Tätigkeitsgebiet der ÖKK Winterthur – ab 1.1.2004 ergänzt mit den Kantonen Thurgau und Schaffhausen – wird weiterhin von Winterthur aus betreut und bearbeitet.

Keine Änderungen für Versicherte und Angestellte • Die Marke ÖKK bleibt erhalten und die bisherigen Versicherungsangebote bleiben gleich.

• Sämtliche bestehenden Versicherungsvertragsverhältnisse werden im bisherigen Rahmen und zu den bisherigen Bedingungen durch die ÖKK Kranken- und Unfallversicherungen AG übernommen und weitergeführt. • Die Kundinnen und Kunden werden weiterhin durch die Regionaldirektion Winterthur und mit den bisherigen Ansprechpersonen betreut. • Die bestehenden Arbeitsverträge werden von der ÖKK Kranken- und Unfallversicherungen AG zu gleichwertigen Bedingungen auf den 1. Januar 2005 übernommen. (PD)

Suva prämiert «Vorbildliche Unternehmung 2003»

Unfälle auf dem Bau – die Zahlen sinken weiter Nebst dem Forstgewerbe zählt das Baugewerbe zu den risikoreichsten und unfallträchtigsten Branchen. Zwar konnten die Unfallzahlen während der letzten zehn Jahre dank konsequenter Prävention kontinuierlich um rund 25 Prozent gesenkt werden, doch noch immer verunfallt jährlich im Baugewerbe fast jeder vierte Arbeitnehmer. Allein im Jahre 2002 waren es 225 Unfälle pro 1000 Beschäftigte. Angesichts dieser Zahlen hat die Suva vor kurzem drei Unternehmen aus der Baubranche für ihre vorbildliche Förderung und Umsetzung von Arbeitssicherheit und Gesundheitsschutz

Foto: Heiner Grieder

6. Schweizerisches Forum der sozialen Krankenversicherung

ausgezeichnet. In der Kategorie Tiefbau ist dies die Kibag, Zürich, in der Kategorie Hochbau die Butti Bauunternehmung AG, Pfäffikon SZ und in der Kategorie Holzbau die Brawand Zimmer AG, Grindelwald.

Alle drei Betriebe zeichnen sich durch ein hohes Qualitätsniveau in der Arbeitssicherheit und im Gesundheitsschutz aus. Die drei Preisträger erhalten eine Auszeichnung sowie je 4000 Franken. (PD)


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1 x 1 der Krankenversicherung

03.02.2004

13:59 Uhr

6. Schweizerisches Forum der sozialen Krankenversicherung Donnerstag, 13. Mai 2004, 09.30 bis 16.00 Uhr Kongresshaus Zürich

t Jetzlden: e h anmw.rvk.c ww

Diese Broschüre richtet sich in erster Linie an Jugendliche in Ausbildung, ist aber für alle interessant, die mehr über das Krankenversicherungswesen in der Schweiz wissen wollen. Inhalt: Fünf Kapitel – Antworten auf fünf Fragen: Wie gut soll ich mich versichern? Welche Krankenversicherung soll ich wählen? Wie senke ich meine Prämie? Stimmt die Rechnung? Wie bleibe ich gesund?

Solidarität im Clinch zwischen Politik und Wettbewerb? Perspektiven für eine sozialverträgliche Finanzierung unseres Gesundheitswesens Top-Referentinnen und -Referenten geben einen Überblick über die Entwicklung in Europa und der Schweiz, erläutern die gesellschaftlichen Folgen, zeigen Grenzen und Lösungsmöglichkeiten auf.

Die Broschüre ist gratis. Bitte einsenden oder faxen (032 625 41 51) an: santésuisse, Verlag, Postfach, 4502 Solothurn.

Prof. Dr. Robert E. Leu: Planung oder freier Markt im Gesundheitswesen?

International tätiger Experte für Gesundheitswesen und Sozialpolitik

Prof. Dr. Roger Zäch: Wieviel Staat braucht der Wettbewerb oder umgekehrt? Vizepräsident der Wettbewerbskommission

Bestellung

Dr. Serge Gaillard: Wer trägt die Verantwortung für die Kostenentwicklung im Gesundheitswesen?

________

Ex. «1x1 der Krankenversicherung», deutsche Ausgabe

________

Ex. «B-A-BA de l’assurance-maladie», französische Ausgabe

Geschäftsführender Sekretär und Leiter des Zentralsekretariates des Schweizerischen Gewerkschaftsbundes SGB

Christoffel Brändli: Soziale Krankenversicherung – Vielfalt oder Einheitskasse? Präsident santésuisse, Ständerat des Kantons Graubünden

Franz Knieps: Staat und Wettbewerb nach der deutschen Gesundheitsreform

Abteilungsleiter im deutschen Bundesministerium für Gesundheit und Soziale Sicherung, Berlin

Dr. Charles Giroud: Fazit und Forderungen der RVK RÜCK Präsident der RVK RÜCK, Luzern

Vorname / Name

Ellinor von Kauffungen: Podiumsdiskussion Journalistin

Strasse / Nr. Anmeldung bis Freitag, 30. April 2004! RVK RÜCK Haldenstrasse 25, 6006 Luzern Telefon 041 417 01 11, Fax 041 410 69 65 E-Mail: forum@ rvk.ch Internet: www.rvk.ch

PLZ / Ort

• Fax: 032 625 41 51 • shop@santesuisse.ch • www.santesuisse.ch

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BERUFSPRÜFUNG SOZIALVERSICHERUNGSFACHAUSWEIS 2004

SVS FEAS FIAS

Datum/Ort:

4./5./6. Oktober 2004, mündlich nach Aufgebot, in Aarau, Basel, Bern, Lausanne*, Luzern, St. Gallen, Winterthur, Zürich.

Prüfungsgebühr:

Fr. 2’000.- + BBT-Urkunde

Anmeldung:

Bis 31. Mai 2004 mittels besonderem Anmeldeformular bei: SVS Prüfungskommission Deutschschweiz, Postfach 273, 8353 Elgg. *FEAS, Commission romande des examens, c/o Jean-Paul Coquoz, président, Wasserschöpfi 24, 8055 Zürich. Die Lehrgangsteilnehmer erhalten die Anmeldeunterlagen direkt zugestellt.

Prüfungskommission Deutschschweiz Sekretariat: Postfach 273 . 8353 Elgg Tel. 052 366 18 18 . Fax 052 366 19 19

Handbuch der Schweizerischen Krankenversicherung 2004 Das Handbuch der Schweizerischen Krankenversicherung 2004 wird voraussichtlich im März 2004 erscheinen. Mit diesem aktualisierten und unentbehrlichen Nachschlagewerk sind Sie vollumfänglich auf dem neusten Stand bei der Durchführung der Krankenund Unfallversicherung. Das Handbuch ist in deutscher und französischer Sprache erhältlich und kostet je Fr. 29.– exkl. MwSt.

Bestellung _____ Exemplar(e) Handbuch der Schweizerischen Krankenversicherung 2004, deutsch, Fr. 29.– exkl. MwSt. _____ exemplaire(s) de l’Annuaire de l’assurance-maladie suisse 2004, édition française, Fr. 29.– TVA non comprise

Vorname / Name • Fax: 032 625 41 51 • shop@santesuisse.ch • www.santesuisse.ch

Strasse / Nr. PLZ / Ort


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