infosantésuisse Nr.04/2006

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infosantésuisse Magazin der Schweizer Krankenversicherer Nr. 4, April 2006

Plädoyer für die Grundversorgung

Seite 6

Urs A. Meyer: «Die Medizin wird sich personalisieren» Seite 14

IM VISIER:

Gesundheitswesen – Fit für die Zukunft?


INHALT

infosantésuisse  Nr. 4, April 2006

SCHWERPUNKT 4 6 8 9 10 12 13 14 16

Die Zukunft gestalten statt abwarten – Das Gesundheitswesen von morgen braucht bereits heute Reformen Plädoyer für die Grundversorgung Drei Fragen an: Dr. med. Walter Hugentobler, Allgemeinpraktiker in Nürensdorf (ZH) Zu Hause oder im Pflegeheim? Genf bietet zwei Alternativen Rolf Gabriel, Geschäftsführer der SanaCare: «Managed Care würde mit der Einheitskasse verschwinden» Gesundheitskosten und Demografie I: Avenir Suisse bringt brisante Reformvorschläge Gesundheitskosten und Demografie II: Soziologen warnen vor der «Illusion der Notwendigkeit» Urs A. Meyer, Pharmakologie-Professor aus Basel: «Die Medizin wird sich personalisieren» Telemedizin: Positives Potenzial nutzen – Wildwuchs vermeiden

«Managed Care würde mit der Einheitskasse verschwinden» Seite 10

GESUNDHEITSWESEN 18 19 20

BfS-Zahlen zur Finanzierung des Gesundheitswesens 2006: Kostenverschiebung zu Lasten der Grundversicherung Burnout – Risiko für einzelne Menschen und die ganze Volkswirtschaft Buchtipp: EBM für Allgemeinmediziner

KRANKENVERSICHERUNG 1 Spitalplanung in Freiburg: santésuisse erhält Recht 2 22 santésuisse-Lernender sammelt Erfahrungen in Bayern

SERVICE 3 2 23 23 23 24 24 24 25 25

Gesundheitskosten und Demografie: Warnung vor «Illusion der Notwendigkeit» Finanzierung des Gesundheitswesens nach SeiteMrd. 12 Fr.) Direktzahlern 2004 (Total: 51,7

News aus aller Welt Medikamenten-Hitparade wieder online Stefan Spycher wird neuer Leiter des Obsan Wie häufig gehen die Schweizer zum Arzt? Deutschland: BKK lanciert Präventionsmassnahmen für gesundes Altern Neuer Beratungsdienst für optimale Prämiengestaltung SwissDRG: Neue Spitalabgeltung vertraglich geregelt Veranstaltungskalender

BfS-Zahlen bestätigen ständige Mehrbelastung der Grundversicherung Seite 18

Nr. 4, April 2006 Erscheint zehnmal jährlich

Layout: Henriette Lux

Abonnementspreis: Fr. 69.− pro Jahr, Einzelnummer Fr. 10.−

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ISSN 1660-7228

Titelbild: Heiner Grieder, Langenbruck


EDITORIAL

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Idee Einheitskasse versus Managed Care

I Hans-Ueli Regius Verwaltungsrat santésuisse

n regelmässigen Abständen wird die Idee einer Einheitskasse lanciert. Positiv ist, dass solche Initiativen Druck auf das Parlament ausüben, um die längst überfälligen Korrekturen im Krankenversicherungsgesetz endlich vorzunehmen. Das Parlament berät seit langer Zeit, wie es die Anreize für alle Beteiligten richtig setzen kann. Konkret ist eine leistungsorientierte Finanzierung vorgesehen, welche eine Abkehr vom heutigen Umsatzfokus bringen soll. Weiter soll der Risikoausgleich den Wettbewerb unter den Krankenversicherern ebenfalls leistungsorientiert lenken. Mit der Förderung von Managed Care sollen künftig vor allem die finanziellen Mittel viel gezielter eingesetzt und Anreize für die Versicherten geschaffen werden, mehr Eigenverantwortung entsprechend ihrer Finanzkraft zu übernehmen. Demgegenüber würde die wiederholt propagierte Einheitskasse keine Änderung der heutigen falschen Verhaltensanreize mit sich bringen – im Gegenteil, es kämen neue kostentreibende Faktoren hinzu! Der Versicherte könnte nicht mehr unter verschiedenen Versicherern und unter verschiedenen Modellen auswählen und verlöre damit jeglichen Anreiz, selber mehr Verantwortung zu tragen und sich beim Konsum von Gesundheitsdienstleistungen zurückzuhalten. Ebenso zeigen die Erfahrungen, dass staatliche Institutionen mangels Wettbewerbsdruck in Tarifverhandlungen mit den Leistungserbringern weniger erfolgreich sind. Selbst das Argument, dass mit einer Einheitskasse erhebliche Verwaltungskosten eingespart werden könnten, ist illusorisch.

Heute müssen die Krankenversicherer, die einem starken Verdrängungswettbewerb ausgesetzt sind, laufend ihre Prozesse optimieren und die Administrationskosten reduzieren, um im Wettbewerb zu bestehen. Dank Obligatorium und voller Freizügigkeit kann nämlich jeder Versicherte, wenn er mit Servicequalität und Prämie nicht einverstanden ist, jedes Jahr seinen Krankenversicherer wechseln. Die Nutzenbilanz der Krankenversicherer hat sich deshalb in den letzten Jahren sehr erfreulich entwickelt. Die Mehrheit realisiert schon heute über ihre Tarifkontrollen und Kostenlenkungsmassnahmen mehr Ertrag als die gesamten Verwaltungskosten ausmachen. Um das ungelöste Problem der überproportionalen Kostenentwicklung bei den Versicherungsleistungen zu lösen, braucht es für alle Beteiligten Korrekturen bei den Verhaltensanreizen – also eine konsequente Förderung von Managed Care. Eine Einheitskasse hingegen würde zur Sicherstellung einer qualitativ hoch stehenden, aber auch finanzierbaren Gesundheitsversorgung der Schweiz überhaupt nichts bringen.


SCHWERPUNKT

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Das Gesundheitswesen von morgen braucht bereits heute Reformen

Die Zukunft gestalten statt abwarten Die Spezialisierung unter den Ärzten nimmt zu. Die Bevölkerung wird immer älter. Die Medizin hat in den letzten Jahrzehnten rasante Fortschritte gemacht und wird dies weiter tun. Elektronische und interaktive Behandlungsund Beratungsformen fassen langsam Fuss. Derweil kommt die Revision des Krankenversicherungsgesetzes nur stockend voran, wichtige Vorlagen werden immer wieder auf später verschoben. Eine heikle Situation: Das Gesundheitswesen ist in Bewegung – da darf das Gesundheitssystem nicht stillstehen.

E

inige Regelungen im schweizerischen Krankenversicherungsgesetz (KVG) sind nicht mehr zukunftstauglich. Dieser Meinung ist auch der Bundesrat. Deshalb hat er die KVGRevision erneut vors Parlament gebracht, obwohl sie in einem ersten Anlauf im Dezember 2003 scheiterte. Gerade die Debatten um die Spital- und die Pflegefinanzierung – die wohl dringlichsten Pakete der Revision – zeigen aber erneut, wie schwer sich Politik und Akteure im Gesundheitswesen tun, wirklich sachdienliche und zukunftsgerichtete Entscheide zu treffen. So bleibt vieles beim Alten – und man fragt sich, ob das schweizerische Gesundheitssystem in seiner heutigen Form wirklich für die zukünftigen Herausforderungen gerüstet ist.

Grundversorgung: Wie wird der Hausarztberuf wieder attraktiv? Intensiv diskutiert wird momentan die Rolle der Allgemeinmediziner – der Hausärzte also (siehe auch Seiten 6 und 7). Am 1. April haben sich die Grundversorger vor dem Bundeshaus zu einer grossen Kundgebung versammelt und ihrem Unmut über die sich verschlechternden Arbeitsbedingungen Luft gemacht. Tatsächlich hat der neue ambulante Tarif TARMED seine Zielsetzung, die Grundversorger gegenüber den technischen Spezialisten besser zu stellen, nur teilweise erreicht. Hinzu kommt, dass das Konzept der regionalen Kostenneutralität die tieferen Einkommen von Ärzten in ländlichen Gebieten zementiert hat. Dies hat zur Folge, dass es für angehende Ärzte wenig attraktiv ist, eine Laufbahn als Allgemeinmediziner einzuschlagen – insbesondere nicht auf dem Land. Für die Zukunft ist das eine bedenkliche Entwicklung: Es darf nicht sein, dass in manchen Teilen der Schweiz die medi-

zinische Grundversorgung nicht mehr optimal gewährleistet sein könnte. Das Problem ist nicht zu unterschätzen – umso mehr gilt es, die richtigen Massnahmen aufgrund von sachlichen Überlegungen zu treffen. Es herrscht kein Ärztemangel – auch wenn es in manchen Regionen immer schwieriger wird, die Hausarztpraxen zu besetzen. Stattdessen haben wir ein Verteilungsproblem: Es gibt zu viele Spezialisten im Vergleich zu den Grundversorgern. Der Hausarztberuf muss also aufgewertet und gestärkt werden. Die beste Möglichkeit dazu sind Managed Care-Modelle: Sie bauen auf dem Grundgedanken auf, dass der Grundversorger die Behandlung steuert und koordiniert. Die Hausärzte erhalten in solchen Systemen eine ganz zentrale Rolle. Erfreulich ist die neue Tendenz in Richtung integrierte Versorgung: Auf 2006 hin verzeichneten alle grösseren Kassen markant mehr Versicherte in den alternativen Versicherungsmodellen. Trotzdem müssen die Rahmenbedingungen für Managed Care weiter verbessert werden. Damit die Tätigkeit in Randregionen attraktiver wird, braucht es die Aufhebung des Vertragszwangs: Die Kantone würden, um die Versorgung sicher zu stellen, die Quoten auf dem Land höher ansetzen, während in der Stadt nicht mehr alle Ärzte mit Sicherheit einen Vertrag erhalten würden.

Demografie: Wie hoch katapultiert sie die Gesundheitskosten? Die demografische Alterung wird sich in Zukunft verstärken und weiterhin ihren Teil zum Kostenwachstum im Gesundheitswesen beitragen. Mit Massnahmen wie altersspezifischer Prävention oder der intensiven Betreuung, Schulung und Unterstützung von pflegenden Angehörigen

kann diesem Problem begegnet werden. Allerdings herrscht unter den Fachleuten weitgehend Einigkeit: Der Einfluss der demografischen Alterung auf die Gesundheitskosten ist zwar vorhanden, tritt aber im Vergleich zu anderen Faktoren in den Hintergrund (siehe auch Seiten 12 und 13). Deshalb ist sowohl die Resignation ob den scheinbar unabwendbaren Kostensteigerungen als auch blinder Aktionismus aufgrund der Alterung fehl am Platze. Der Soziologieprofessor François Höpflinger empfiehlt, das Hauptaugenmerk auf die grössten Probleme – Mengenausweitung, Preiserhöhungen, Fehlanreize – zu richten. Für Massnahmen zur Dämpfung der demografiebedingten Kostensteigerungen gilt das Gleiche wie für die Überarbeitung des Leistungskatalogs: Sie sind gut und wichtig als Teil eines breit gefächerten Massnahmenkatalogs, aber kein Allheilmittel (siehe auch infosantésuisse 9/2005).

Medizinischer Fortschritt ja – Phantasiepreise nein Natürlich ist es grundsätzlich zu begrüssen, wenn die medizinische und biologische Forschung neue, bessere Therapien oder Medikamente entwickelt und diese auch auf den Markt kommen. Solche neuen Behandlungsformen dürfen auch etwas kosten. Kritisch wird es allerdings dann, wenn die Preisdifferenz zu den bisher angewendeten Methoden in keinem Verhältnis zum Zusatznutzen der neuen Therapie steht. Hier müssen auch die Behörden konsequenter werden: Massive Preisaufschläge und Innovationszuschläge für Medikamente, die gegenüber ihren Vorgängerprodukten kaum einen zusätzlichen Nutzen bringen, darf es nicht mehr geben. Die Preispolitik für neue Therapien und Medikamente muss so gestaltet werden, dass


SCHWERPUNKT

sich die Forschung weiterhin lohnt, die Patienten aber nicht gleichzeitig zu Opfern von Phantasiepreisen werden. Ausserdem: Eine unbedachte, gegenüber der Pharmaindustrie allzu grosszügige Preispolitik kann den medizinischen Fortschritt sogar gefährden: Wenn es für unbedeutende Innovationen und Nachahmer-Medikamente (Me-TooProdukte) bereits Preissteigerungen und Innovationszuschläge gibt – warum sich dann die Mühe nehmen, etwas wirklich Bahnbrechendes zu entwickeln?

Telemedizin: Fluch oder Segen?

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auf dem Vormarsch: In der Schweiz sind zum Beispiel medizinische Call-Center, die Patienten im Sinne eines Gatekeepers beraten oder als Notfalltelefon einspringen, bereits recht verbreitet. Auch die europäische Versichertenkarte, die in den letzten Wochen und Monaten in fast jedem Schweizer Briefkasten angekommen ist, ist eine jener telemedizinischen Anwendungen, mit denen viele Hoffnungen verknüpft werden: So soll die Selbstbestimmung der Patienten und die Qualität der Behandlung verbessert, die Forschung gefördert, die Effizienz erhöht und die Kosten gesenkt werden. Doch kann die Telemedizin diese AnforFoto: Keystone

Die Telemedizin – medizinische Behandlungen und Ausküfte auf Distanz – ist

derungen alle erfüllen? Laut dem Institut für Technologiefolgen-Abschätzung TA-SWISS schlummert tatsächlich viel positives Potenzial in der Telemedizin – allerdings nur, wenn ihre Anwendung koordiniert und klar geregelt wird (siehe auch Seiten 16 und 17). Ein Wildwuchs hingegen dürfte zu einer Mengenausweitung sowie zu höheren Kosten führen und könnte, wenn die Behandlungsabläufe auf Distanz nicht klar standardisiert und validiert sind, auch eine Gefahr für die Behandlungsqualität sein. Es brauche deshalb, so die TA-SWISS, einen politischen Konsens über die Ziele der Telemedizin sowie über die geeigneten Technologien und Methoden, und eine Fachstelle, die die verschiedenen Technologien und Angebote miteinander koordiniert und Qualitätskontrollen durchführt. Die Krankenversicherer werden für telemedizinische Leistungen zudem einen Wirtschaftlichkeitsnachweis verlangen, bevor sie sie bereitwillig übernehmen.

Chancen nutzen – Altlasten ablegen

Die Zukunft im Gesundheitswesen schon heute vorbereiten – damit neue Therapien optimal eingesetzt werden können. (Bild: Miniroboter für Kleinstoperationen)

Was für die Telemedizin gilt, hat eigentlich für alle zukünftigen Herausforderungen im Gesundheitswesen seine Gültigkeit: Sie bieten grosse Chancen, aber auch beträchtliche Risiken. Von der konkreten Umsetzung wird es abhängen, ob wir aus den neuen Technologien, dem medizinischen Fortschritt, aber auch aus Managed CareModellen, monistischer Spitalfinanzierung oder aus der Vertragsfreiheit das beträchtliche Verbesserungs-Potenzial ausschöpfen können, das darin schlummert. Es wird noch einige Reformen brauchen, bis das schweizerische Gesundheitswesen vollends zukunftstauglich ist – Reformen, bei denen die Einzelinteressen wohl zurückbuchstabiert werden müssen. Fest steht: Dass das System bis heute gut funktioniert hat, heisst nicht, dass kein Anpassungsbedarf besteht. Europaweit einzigartige Relikte wie der Vertragszwang, eine intransparente Spitalfinanzierung oder die kaum vorhandene verbindliche Qualitätssicherung waren in der Vergangenheit noch zu verkraften. In einem zukunftsgerichteten Gesundheitssystem haben solche Zustände allerdings nichts mehr verloren.  Peter Kraft


SCHWERPUNKT

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Die Hausärzte müssen gegenüber den Spezialisten gestärkt werden

Plädoyer für die Grundversorgung Die Ärztedichte nimmt nach wie vor jedes Jahr zu. Auch die Hausärzte haben von diesem Trend in den letzten Jahren profitiert. Trotzdem scheint es ein Verteilproblem zu geben: Allgemeinpraktiker auf dem Land haben Mühe mit der Nachfolgeregelung, während die Spezialisten weit über Bedarf zunehmen. Die Krankenversicherer sind sich dieser Problematik durchaus bewusst und haben für die Situation der Grundversorger auf dem Lande viel Verständnis. Mit differenzierten Taxpunkten und Vertragsfreiheit könnte Gegensteuer gegeben werden.

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m 1. April haben die Hausärzte demonstriert. Vor dem Bundeshaus wollen sie sich für eine Stärkung der Grundversorgung einsetzen. Beklagt wird, dass namentlich Landärzte keine Nachfolger fänden und dass in den Randregionen die ärztliche Versorgung gefährdet sei. Die Senkung des Taxpunktwerts für Labor­analysen hat das Fass offenbar zum Überlaufen gebracht. Die Debatte der letzten Monate hat den Eindruck erweckt, dass ein Ärztemangel herrsche und die verschiedenen Massnahmen wie der Numerus Clausus an den Universitäten oder der Zulassungsstopp zu einer Trendumkehr bei der Ärztedichte geführt hätten.

lich vergeben, so stieg die Zahl 2002, als der Zulassungsstopp im Juli in Kraft gesetzt wurde, auf 1160. In den Folgejahren wurden zwar wieder weniger Nummern an Ärzte vergeben, das Niveau blieb aber mit Ausnahme des Jahres 2004 (551) gleich hoch wie vor dem Zulassungsstopp. Verantwortlich für die Umsetzung des Zulassungsstopps sind die Kantone, welche freilich die Möglichkeit haben, eine Berufsaus­ übungsbewilligung ausnahmsweise trotzdem zu erteilen. Offensichtlich wird von dieser Ausnahmebestimmung rege Gebrauch gemacht.

Ärztedichte steigt weiter

Die Zahlen zeigen deutlich: Es ist falsch, von einem Ärztemangel zu sprechen. Allenfalls haben wir ein Verteilungsproblem: Der Beruf des Spezialisten erfreut sich ungebrochener Beliebtheit, während die Grundversorgung für junge Ärzte weniger attraktiv scheint. Dies beginnt bei der universitären Aus- und Weiterbildung und endet mit den deutlich weniger guten Verdienstmöglichkeiten. Im Zahlstellenregister ist diese Tendenz allerdings nicht direkt festzustellen. Gemessen an der Gesamtzahl der Ärzte mit Zahlstellennummer beträgt der Anteil der Grundversorger Ende 2005 mit 7620 Nummern 41 Prozent. Bei den Neuzulassungen haben die Grundversorger in den letzten Jahren (2003 bis 2005) gleich stark zugenommen wie die Spezialisten auch. Gemäss FMH-Statistik hat die Anzahl Ärzte mit Praxistätigkeit von 2000 bis 2004 um 18 Prozent zugenommen. Bei den Allgemeinmedizinern betrug dieser Zuwachs 36 Prozent, bei der Inneren Medizin 12 Prozent und bei den Pädiatern 14 Prozent. Insgesamt haben diese drei Facharztgruppen um 23 Prozent zugenommen. Es

Das Gegenteil ist wahr: Wie verschiedene Quellen zeigen, war die Ärztedichte noch nie so gross wie heute. So zeigt die «Untersuchung der ärztlichen Versorgung», die gemeinsam vom Gesundheitsobservatorium (Obsan), dem Bundesamt für Gesundheit (BAG) und santésuisse durchgeführt worden ist, dass das ärztliche Angebot weiterhin zunimmt. Die Studie misst nicht die Anzahl berufstätiger Ärzte, sondern deren Leistungen und deckt so den Aspekt ab, dass seit den letzten Jahren immer mehr Ärztinnen und Ärzte in einem Teilzeitpensum tätig sind. Zu diesem Zweck wurde der Begriff «Versorgungseinheit» definiert. Die Zahl dieser Versorgungseinheiten nahm im Zeitraum von 1998 und 2004 durchschnittlich um jeweils 2,1 Prozent zu (siehe Grafik). Auch die Statistik des Zahlstellenregisters zeigt eine Zunahme der Ärztedichte. Trotz Zulassungsstopp ist die Zahl neu erteilter Zahlstellennummern an Ärzte auf hohem Niveau praktisch stabil geblieben: Wurden vor Inkrafttreten des Zulassungsstopps jeweils rund 700 Nummern jähr-

Verteilungsproblem statt Ärztemangel

ist also nicht etwa so, dass die Zahl der Spezialisten stärker wachsen würde als die Zahl der Ärzte, die zur Grundversorgung gehören. Allerdings sind die finanziellen Anreize heute so gesetzt, dass die Preise (Taxpunktwerte) dort hoch sind, wo ein Ärzteüberfluss vorhanden ist, und umgekehrt dort tief sind, wo es weniger Ärzte gibt. Einschränkend sei hier angemerkt, dass der Taxpunktwert allein nicht den Umsatz und damit das Einkommen eines Arztes bestimmt. So gibt es auch in ländlichen Gebieten Arztpraxen mit Umsätzen von deutlich über einer Million Franken. Letztlich ergeben sich die Umsätze aus Menge mal Preis.

Aufwertung der Grundversorger mit TARMED kaum erreicht TARMED hatte auch die Zielsetzung, die so genannt «sprechenden» Disziplinen innerhalb der Ärzteschaft finanziell besser zu stellen und gleichzeitig eine Korrektur bei den Umsätzen der «schneidenden» Disziplinen anzubringen. Nachdem die Tarifstruktur vor der definitiven Inkraftsetzung auf Druck der invasiv tätigen Ärzte mehrfach überarbeitet worden ist, wurde die angestrebte Umverteilung nur beschränkt realisiert. Eine erste Analyse der Umsätze pro Arzt nach Facharztgruppen für das Jahr 2004 zeigt, dass die Spannbreite der Veränderungen gegenüber dem Vor-TARMED-Jahr 2003 relativ gross ist. Am stärksten zugenommen haben die Umsätze bei den beiden Facharztgruppen Kinder und Jugendpsychiatrie sowie Psychiatrie und Psychotherapie. Aber auch gewisse invasiv tätige Facharztgruppen konnten den Umsatz pro Arzt überdurchschnittlich steigern. Verlierer sind die typischen Grundversorger, aber auch die Radiologie und die Anästhesiologie.


Kostenneutralität als Besitzstandsgarantie

Quelle: santésuisse

Das Kostenneutralitätskonzept geht von einer geografischen Kostenneutralität aus. Konkret wurden die Kosten auf eine Vertragsgemeinschaft ermittelt; in der Regel sind dies die Ärzte, die öffentlichen und die privaten Spitäler eines Kantons. In der Konsequenz hat die Kostenneutralität die Umsatzunterschiede zwischen den verschiedenen Kantonen transparent gemacht, sie gleichzeitig aber auch eingefroren. So zeigt sich nun ein paradoxes Bild: Der Kanton Genf mit dem höchsten Taxpunktwert (98 Rappen) hat mit 34 Ärztinnen pro 10 000 Einwohnern auch eine sehr hohe Ärztedichte. In den Kantonen der Zentral- und der Ostschweiz mit tiefen Taxpunktwerten liegt die Ärztedichte zum Teil nicht einmal halb so hoch wie in Genf. Zum Beispiel der Kanton Graubünden: Er zählt 18 Ärzte auf 10 000 Einwohner – bei einem Taxpunktwert von 78 Rappen. Die finanziellen Anreize sind also gerade so gesetzt, dass es in den überversorgten Gebieten finanziell besonders interessant ist, eine neue Praxis zu eröffnen. Die Übernahme einer Landpraxis ist demgegenüber insofern weniger attraktiv, als dass zu

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einem ländlichen Wohnort auch noch der tiefere Taxpunktwert hinzukommt. Einen Ausweg aus dieser paradoxen Situation wäre die Möglichkeit, mit den Ärzten individuell über den Taxpunktwert zu verhandeln.

Renaissance der Managed Care-Modelle Die medizinische Grundversorgung muss gestärkt werden. Auch wenn die Zahl der Allgemeinpraktiker weiterhin steigt und der oft beklagte Versorgungsengpass in der Grundversorgung noch nicht Tatsache ist, gilt: Es macht keinen Sinn, dass die Bedingungen für Spezialisten weiterhin deutlich attraktiver bleiben als für die Grundversorger. Denn bei den Spezialisten herrschen ganz klar Überkapazitäten, die nicht weiter ausgebaut werden dürfen. Zudem ist die Hausarztmedizin umfassender und dabei auch noch kostengünstiger. Es ist weder aus Kosten- noch aus Qualitätsperspektive sinnvoll, wenn überzählige Spezialisten die Grundversorger auf ihrem eigenen Terrain konkurrenzieren. Die Krankenversicherer unterstützen diese Forderungen seit Jahren, indem sie Hausarztsysteme und HMOs aufgebaut und in den letzten Jahren neue alternative Versi-

Frei praktizierende Ärzte

Versorgungseinheiten

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cherungsmodelle auf den Markt gebracht haben. Erinnert sei vor allem an die telefonischen Beratungsdienste, die eine äusserst hohe Kundenakzeptanz finden. Auf das Jahr 2006 haben zahlreiche Versicherte bei ihrer Krankenversicherung ein Managed Care-Modell abgeschlossen. Die Versicherer vermelden hohe Zuwachsraten bei den entsprechenden Angeboten. Bereits jetzt kann gesagt werden, dass der Anteil der Versicherten, die ein besonderes Versicherungsmodell abgeschlossen haben, auf über zehn Prozent gestiegen ist. Auch wenn dieser Anteil nach wie vor vergleichsweise bescheiden ist, erstaunt doch die Zuwachsrate von einem Fünftel bis zu einem Viertel gegenüber dem Vorjahr. Gewisse Kommentatoren sprechen bereits von der Renaissance der Managed Care-Modelle. Die Managed Care-Modelle gehen vom Grundgedanken aus, dass die erste Anlaufstelle eines Patienten die Grundversorger sein sollen. Letztlich sorgt der Grundversorger als Gatekeeper dafür, dass der Patient oder die Patientin genau jene Medizin erhält, welche für das entsprechende Krankheitsbild die beste Behandlung verspricht. Dazu ist es aber notwendig, dass es genügend Grundversorger und genügend Ärzte gibt, die bereit sind, sich in solchen Modellen zu engagieren – so z.B. auch in Gruppenpraxen. Verschiedene Umstände, wozu auch der heutige Vertragszwang und die nur einjährige Vertragsdauer bei Managed Care-Modellen und Wahlfranchisen gehören, verhindern dies zur Zeit. Die Debatte um die Grundversorgung ist lanciert. Die Krankenversicherer haben einen Weg aufgezeigt, wie die medizinische Grundversorgung gestärkt werden kann: Differenzierte Taxpunktwerte statt kantonale Kostenneutralität, Managed Care-Modelle mit Budgetverantwortung der Leistungserbringer, Aufhebung des Vertragszwangs. Ob die Ärzte wohl die Diskussion aufnehmen?  Peter Marbet Siehe dazu auch «Untersuchung der praxisärztlichen Versorgung in der Schweiz» von Michael Bertschi, Gemeinsame Studie von santésuisse, BAG und OBSAN, in: infosantésuisse Nr. 1-2/2006, S. 19. 2 Als Grundversorger wurden folgende Facharztgruppen gezählt: Allgemeinmedizin, Innere Medizin, Kinder- und Jugendmedizin, praktischer Arzt, Gruppenpraxen. 3 Vgl. dazu «TARMED: Einkommensumverteilung bei den Ärzten zugunsten der Grundversorger erreicht?», in: Brennpunkt Gesundheitspolitik 4/2005, S. 10. 4 Quelle: Ärztestatistik der FMH, Stand 2004 1

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Vergleich der Zunahme der Ärztezahl und der Versorgungseinheiten 18000

SCHWERPUNKT

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Nicht nur die Zahl der Ärzte, sondern auch die ärztlichen «Versorgungseinheiten» (unter Berücksichtigung z.B. der Teilzeitarbeit) nimmt stetig zu.


SCHWERPUNKT

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Drei Fragen an: Dr. med. Walter Hugentobler, Allgemeinpraktiker in Nürensdorf (ZH)

«Nur 8 Prozent der Medizinstudenten wollen Grundversorger werden»

infosantésuisse: Am ersten April haben die Hausärzte vor dem Bundeshaus demonstriert. Was war der Anlass für diese Kundgebung? Walter Hugentobler: Obwohl Politik, Patientenorganisationen, Krankenkassen und FHM unisono die Bedeutung der Hausarztmedizin betonen, stellen wir fest, dass unsere Arbeitsbedingungen immer schlechter werden. Die Folge davon: Nur noch acht Prozent der Ärzte in Ausbildung wollen Allgemeinmediziner werden. Und von jenen, die den FMH-Titel als Allge­meinarzt neu erlangen, wünscht nur noch ein Viertel eine freiberufliche Tätigkeit. Die anderen bevorzugen eine zeitlich und finanziell klar geregelte und abgesicherte Arbeit, zum Beispiel im Spital oder in Versicherungen. In unserer Notfallregion sind von 28 Grundversorgern nur zehn jünger als 55 Jahre. Wenn sie keine Nachfolger für ihre Praxen finden, droht der Grundund Notfallversorgung in unserer Region in zehn Jahren der Kollaps. Und diese Situation steht durchaus stellvertretend für die ganze Schweiz Auch wir spüren gesellschaftliche Veränderungen. Die Anspruchshaltung der Patienten hat sich verändert. Gerade im Notfalldienst werden wir immer häufiger zu Unzeiten wegen Problemen angegangen, die nun wirklich hätten warten können. Eine sinkende Anzahl Grundversorger bedeutet für den Einzelnen eine grössere Präsenzzeit. Dies belastet auch das Privatund Familienleben. Vor allem junge Ärzte können und wollen das nicht mehr in Kauf nehmen. Hinzu kommt die Einkommenssituation: Auch santésuisse hat ja festgestellt, dass die Besserstellung der Grundversorger, die ja ein Ziel vom TARMED war, nicht zufrieden stellend erreicht wurde – vor allem die Abgeltung für den

Foto: ZVG

Am ersten April haben sich gegen 10 000 Schweizer Hausärzte und Praxisangestellte vor dem Bundeshaus versammelt, um ihren Unmut über die sich verschlechternden Rahmenbedingungen kundzutun. Was brachte die Allgemeinpraktiker auf die Strasse? infosantésuisse hat den engagierten Grundversorger Walter Hugentobler zu seinen Beweggründen befragt, die Demonstration aktiv zu unterstützen.

Walter Hugentobler: «In unserer Notfallregion sind von 28 Grundversorgern nur zehn jünger als 55 Jahre.»

Notfalldienst ist ungenügend. Schliesslich kommen strukturelle Probleme hinzu: Es fehlt an praxisnahen Ausbildungsangeboten, sowohl auf universitärer Stufe als auch während der Assistenzzeit. Wir sehen uns mit einem zunehmenden bürokratischen Aufwand konfrontiert. Und auch die Vertrauensbasis zu den Krankenversicherern ist, vor allem was die Statistik betrifft, schmal. Wir fühlen uns da häufig etwas ausgeliefert.

Die Krankenversicherer schlagen die stärkere Förderung von Managed Care-Modellen vor, in denen die Rolle der Grundversorger als Gatekeeper gestärkt würde. Sehen auch Sie hier einen Lösungsansatz? Meine Befürchtung ist, dass solche Modelle – wie in den meisten umliegenden Staaten – zu einer Bürokratisierung unseres Jobs führen. Wir wollen nicht auf Rezepturblock und Blutdruckapparat reduziert werden. Wir sind überzeugt, dass wir unsere Triagefunktion dann am besten ausüben können, wenn wir möglichst viele Patienten selber abschliessend behandeln können und nur die komplexen Fälle und Patienten, die technische Untersuchungen und spezielle Therapien benötigen, an die Spezialisten überweisen müssen. Managed Care ist für uns nur dann eine Option, wenn unsere diagnostischen Kompetenzen nicht beschnitten werden. Wie sehen Sie sich als Grundversorger vom Ärzteverband FMH vertreten? In den Voten und Artikeln unseres Präsidenten – selber ein Grundversorger – erkennt man die Schwierigkeit, die Interessen aller Ärzte unter einen Hut zu bringen. Oft laviert er zwischen Unterstützung und Relativierung der Anliegen der Grundversorger. Es wird selten offen formuliert, aber wir Grundversorger haben zum Teil andere Interessen als die Spezialisten. Wohl auch deshalb fühlen wir uns nur teilweise von der FMH vertreten. Ich glaube zwar nicht, dass es in nächster Zeit zu einer Aufspaltung der FMH kommt. Trotzdem ist diese Option nicht völlig ausgeschlossen. Ich bin der Meinung, dass eine effiziente Förderung der Grundversorgung nur dann möglich ist, wenn wir mehr Autonomie in der Wahrnehmung unserer Interessen erhalten.  Interview: Peter Kraft


SCHWERPUNKT

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Neue Wege in der Betreuung pflegebedürftiger Menschen

Zu Hause oder im Pflegeheim? Genf bietet zwei Alternativen Um den Eintritt in ein Pflegeheim oder eine Hospitalisierung so lange als möglich hinauszuschieben oder gar zu vermeiden, gibt es bereits heute verschiedene Möglichkeiten. Dazu gehören alternative Betreuungsstrukturen. Zwei aktuell in Genf erprobte Projekte bieten viel versprechende Ansätze und versuchen, dem Wandel der Gesellschaft Rechnung zu tragen.

Betreutes Wohnen als Alternative In Genf können solche Senioren sich in betreuten Wohnformen einmieten. Die Stiftung «Fondation d’aide et de soins à domicile» bietet Wohngelegenheiten mit dem üblichen Komfort sowie Betreuungspersonal während aller Tageszeiten. Die Tagesbetreuung kümmert sich um ganz praktische Dinge wie administrative Angelegenheiten und Sozialhilfebelange. Die Pflegenden sind auch sonst für die älteren Menschen da und bieten Hilfe, wenn sie Probleme haben. Die Einrichtungen verfügen über Esszimmer, wo die Bewohner ihre Mahlzeiten einnehmen können. Es werden auch gemeinsame Aktivitäten angeboten. Die Nachtbetreuung besteht aus einer Nachtwache für Sicherheitsbelange. Eine ärztliche Betreuung ist indessen nicht inbegriffen Bei Bedarf werden externe Leistungserbringer – Spitex, Arzt oder Spital – hinzugezogen. Aktuell verfügt der Kanton Genf über 17 Einrichtungen mit insgesamt 1156 Bewohnern. Das Angebot kann mit der Nachfrage je länger je weniger Schritt halten – umso mehr als sich die Bewohnerzusammensetzung verändert. Waren es anfänglich hauptsächlich Personen im Rentenalter, so kommen heute immer mehr relativ junge Leute mit psychischen Problemen dazu.

Neues Miteinander

zentrum untergebracht. So können die SeSobald eine ständige ärztliche Betreuung nioren bei Bedarf in ihrer Wohnung medinötig wird, beginnen in der Regel die wech- zinisch betreut werden oder sich für komselnden Aufenthalte zwischen zu Hause, plexere ärztliche Untersuchungen in das dem Spital und der Rehabilitation. Eine ef- Zentrum nebenan begeben. Mit diesem fizientere Methode wäre in solchen Fällen Ansatz der kurzen Distanz und vor allem jedoch eine gezielte Begleitung und Unter- durch die enge Zusammenarbeit zwischen stützung während des zunehmenden Au- dem ambulanten Pflegepersonal und den tonomieverlusts. Dies hat sich das Projekt behandelnden Ärzten soll eine verbesserte «Medonex» zum Ziel gemacht. Es wurde Pflegequalität und damit ein Rückgang der von einer aus medizinischem Fachperso- Einweisungen in Akutspitäler um ein Dritnal zusammengesetzten Betreuungsgruppe tel erreicht werden. aus Onex bei Genf, der «Groupe médical Dieses Projekt hat nicht allein Kostend’Onex», initiiert. Sie beabsichtigen, rund einsparungen zum Ziel. Es soll auch zu um die betreuungsbedürftigen Betagten ein neuen Lebensformen anregen, dem MitLebensumfeld mit Sozialisation und koor- einander von Menschen nämlich, die ihre dinierter medizinischer Betreuung aufzu- Selbstständigkeit teilweise eingebüsst habauen. Die Projektidee basiert auf einem ben, und solchen, die aktiv im Leben stein Quebec angewendeten Modell eines hen. Allerdings wird sich erst zeigen müsintegrierten Netzwerks für Senioren («Ré- sen, in welchem Ausmass unsere städseaux Intégrés pour les Personnes Agées»). tische Gesellschaft mit ihrem Drang nach Das Modell sieht ein gemischtes Wohnen Unabhängigkeit ein Bedürfnis danach vervon Familien, Studierenden und Senioren spürt, neue Formen von generationen­ im geschützten Rahmen vor. Dabei sollen übergreifenden Mustern zu schaffen und die sich ergebenden sozialen Synergien ge- danach zu leben.  Nicole Bulliard nutzt werden, etwa indem die Familien und Studierenden den älteren Leuten helfen. Es sind auch gemeinsam nutzbare Räume sowie gesellschaftliche Anlässe und Unternehmungen sowie ein Hort vorgesehen. Die eigentlichen Seniorenwohnungen bieten neben Einzelzimmern mit Bad eine Küche, Esszimmer und Wohnzimmer. In einem zweiten Ge- Betreute Wohnformen erhalten die Selbstständigkeit von bäude ist ein Pflege- Senioren länger.

Foto: Prisma

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ie Zeiten, in denen man den Alterungsprozess mit dem Eintritt in ein Heim in Verbindung brachte, sind vorbei. Heute fehlen dafür die Plätze, und auch aus Kostengründen versucht man, diesen Schritt so lange als möglich hinauszuzögern. Was tun also Menschen, deren Selbstständigkeit langsam schwindet, die aber noch vieles selber verrichten können und nicht im Alters- oder Pflegeheim betreut werden müssen?


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SCHWERPUNKT

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Im Gespräch: Rolf Gabriel, Geschäftsführer der SanaCare AG

«Managed Care würde mit der Einheitskasse verschwinden»

Foto: Keystone

Die alternativen Versicherungsmodelle sind im Aufwind: Auf 2006 hin verzeichneten viele Versicherer teils massive Zuwachsraten in diesem Bereich. Ist das der Beginn einer neuen Ära in der Krankenversicherung? Wie sehr wird Managed Care die Gesundheitsversorgung verändern? Rolf Gabriel, der Geschäftsführer der SanaCare, hat mit infosantésuisse über die Perspektiven von Managed Care gesprochen – aber auch über die lauernden Gefahren.

erhöhungen auf 2006 waren im Rahmen der Vorjahre. Damals gab es auch keinen besonderen Zuwachs bei den Managed Care-Modellen. Also können die Prämienerhöhungen nicht der Hauptgrund für die häufigeren Wechsel in den Managed CareBereich sein.

«Wir sollten als Anbieter vom Gesetzgeber nicht speziell behandelt werden. Wir brauchen bessere Rahmenbedingungen – das gilt aber auch für die Krankenversicherung im Allgemeinen.»

Die Einheitskasse würde Managed Care zum Verschwinden bringen.

infosantésuisse: Die alternativen Versicherungsmodelle konnten auf 2006 hin – nach einer längeren Stagnation – wieder einen bedeutenden Zuwachs verbuchen. Wie erklären Sie sich das? Rolf Gabriel: Die Versicherer, aber auch die beteiligten Leistungserbringer, haben diese Produkte in letzter Zeit sehr stark kommuniziert. Zudem haben sie neue und attraktive alternative Modelle entwickelt. Durch diese Vielfalt werden mehr Versicherte angesprochen. Zudem stossen manche Modelle nun in Regionen vor, in denen es vorher kein Managed Care gegeben hat. Aus meiner Sicht hatte die Prämienspar-Möglichkeit bei alternativen Versicherungsmodellen einen geringeren Einfluss. Selbstverständlich sind die Prämien ein ernstes Problem – aber die Prämien-

Andere Staaten – beispielsweise die Niederlande oder die skandinavischen Länder – haben die Schweiz in Sachen Managed Care inzwischen überrundet. Was machen sie besser – oder anders? In diesen Ländern wird Managed Care anders interpretiert: Es ist dort ein Element der staatlichen Steuerung und deshalb nicht marktorientiert, sondern politisch gewollt. Wenn solche Modelle dem Gesundheitswesen einfach übergestülpt werden, erhalten sie logischerweise eine dominante Bedeutung. Ich sehe diesen Weg aber nicht für die Schweiz. Ich plädiere ganz klar für die Vielfalt: Die Anbieter von alternativen Versicherungsmodellen müssen gute und innovative Dienstleistungen anbieten. Die Bevölkerung wird dann entscheiden, wie weit sich Managed Care verbreiten wird. Sie sind also kritisch gegenüber Gesetzen, die bessere Rahmenbedingungen für Managed Care schaffen würden? Wir sollten als Anbieter vom Gesetzgeber nicht speziell behandelt werden. Wir brauchen bessere Rahmenbedingungen

– das gilt aber auch für die Krankenversicherung im Allgemeinen. Allenfalls wäre es angebracht, gewisse Hindernisse abzubauen, die Managed Care speziell betreffen. Ich meine etwa den Zulassungsstopp, der es zuweilen schwierig macht, eine neue HMO-Praxis zu eröffnen – selbst wenn der Markt dazu vorhanden wäre. Welche politischen Reformen braucht es denn, um die Rahmenbedingungen für die Krankenversicherung im Allgemeinen zu verbessern? Die Vielfalt muss gefördert werden, der Markt muss mehr als bisher spielen können. Auch der Grundversorger-Thematik muss aus meiner Sicht mehr Beachtung geschenkt werden. Wenn eine AllgemeinPraxis ohne Nachfolger geschlossen wird, werden nicht einmal Kosten gespart – die Leistungen verteilen sich einfach auf die teureren Spezialisten. Wir stellen fest, dass die Spezialisten punktuell in die Grundversorgung eingreifen – aber nur dort, wo es für sie interessant ist. Dinge wie die Notfallversorgung übernehmen sie hingegen nicht. Diese Entwicklungen sind problematisch. Wir brauchen eine gestärkte Grundversorgung, was auch dem HMO-

«Für uns ist es eine mögliche Herausforderung, in ländliche Gegenden vorzustossen und dort für Bedingungen zu sorgen, die eine Praxisübernahme für junge Hausärzte wieder attraktiv machen.» Bereich zugute käme. Unternehmen wie die SanaCare können umgekehrt etwas zur Besserstellung der Grundversorger beitragen, indem sie ihnen die Möglichkeit bieten, ohne grosses unternehmerisches Ri-


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siko zu praktizieren. Ferner müssen wir uns überlegen: Sind die Leistungen in der Grundversorgung immer noch die richtigen? Was soll in Zukunft durch die Allgemeinheit finanziert werden?

infosantésuisse  Nr. 4, April 2006

dies gelingen wird, ist schwierig zu sagen – doch denke ich, dass wir diese Aufgabe wahrnehmen werden.

den soll? Managed Care würde mit der Einheitskasse verschwinden – und der Bevölkerung eine wichtige Möglichkeit genommen, selber etwas zur Kosteneindämmung beizutragen.

Auf der politischen Traktandenliste wird die Einheitskassen-Initiative bald einmal zuoberst stehen. Welche Auswirkungen wird eine Einheitskasse auf Managed Care haben? Mit der Einheitskasse habe ich nicht nur in Bezug auf Managed Care ein Problem, sondern grundsätzlich. Eine Einheitskasse wird nicht günstiger sein als das heutige System. Sie bietet keinerlei Anreize zum wirtschaftlichen Umgang mit medizinischen Leistungen. Die Krankenkassenprämien sind nicht wegen den Verwaltungskosten so hoch – entscheidend sind die Leistungskosten, und die werden mit der Einheitskasse garantiert nicht sinken. Ebenso wenig bestünden Anreize, weiterhin alternative Versicherungsmodelle anzubieten. Wozu sollte man zu einer Einheitskasse tendieren, wenn die Vielfalt der Versicherungsmodelle beibehalten wer-

«In zehn Jahren wird Managed Care kein Schlagwort mehr sein, sondern gesundheitsökonomische Realität.»

Foto: Peter Kraft

Die kaum besetzten Hausarztpraxen sind hauptsächlich auf dem Land ein Problem. Auch Managed Care-Modelle werden heute hauptsächlich in den grösseren Städten angeboten. Was braucht es, damit sie auch die ländlichen Regionen erreichen? Managed Care bedeutet ja nicht nur HMO. Auch die Ärztenetzwerke gehören beispielsweise dazu. Diese sind über die grossen Städte hinaus verbreitet. In den sehr ländlichen Regionen fehlen allerdings auch diese Strukturen. Für uns als Unternehmen ist es durchaus eine mögliche Herausforderung, in solche Gegenden vorzustossen und für Bedingungen zu sorgen, die eine Praxisübernahme für junge Hausärzte wieder attraktiv machen – etwa indem wir ihnen eine gewisse Infrastruktur oder sonstige Hilfe anbieten. Ob uns

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Ihre Prognose: Wo steht Managed Care in zehn Jahren? Meine Prognose ist pragmatisch und klar: Managed Care wird in zehn Jahren nicht mehr als spezielles Gebiet im Krankenversicherungsbereich betrachtet werden. Stattdessen werden sich die Kassen mehr und mehr generell ein Managed Care-Denken aneignen. Erfreulicherweise ist dieser Prozess schon heute im Gang. Für uns bedeutet das, dass wir uns immer weniger als Managed Care-Organisation positionieren werden, sondern schlicht als Unternehmen, das Lösungen im Gesundheitsbereich entwickelt und anbietet. Das Managed Care-Denken wird sich also immer mehr verbreiten, und zwischen den Polen HMO und ungesteuerte Versorgung wird sich eine Vielzahl von Modellen etablieren. Im gleichen Zug wird die eigentliche Managed Care-Philosophie als Gegenpol zur «herkömmlichen» Grundversorgung verschwinden. In zehn Jahren wird Managed Care kein Schlagwort mehr sein, sondern gesundheitsökonomische Realität. Was bedeutet diese Entwicklung für die Leistungserbringer? Auch sie müssen flexibler und marktorientierter werden. Allerdings hat auch dieser Prozess schon begonnen: Viele Leistungserbringer sind heute sehr gut organisiert.

Rolf Gabriel: «Entscheidend sind die Leistungskosten, und die werden mit der Einheitskasse garantiert nicht sinken.»

Können kleine Versicherer mit der Entwicklung, die Sie geschildert haben, überhaupt noch mithalten? Um die kleinen Versicherer habe ich keine Angst. Sie haben Organisationen und Plattformen, in denen sie sich zusammenschliessen. So werden sie die zukünftigen Herausforderungen meistern. Auch Organisationen wie die SanaCare können für sie eine wichtige Rolle spielen, indem sie für die kleineren Versicherer alternative Modelle abdecken. So wird nicht jeder Kleinversicherer selber seine HMO gründen müssen.  Interview: Peter Kraft


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Gesundheitskosten in der alternden Gesellschaft: Lösungsvorschläge von Avenir Suisse

Allgemeine und altersspezifische Reformen nötig Avenir Suisse hat die Besonderheiten der Kostenentwicklung im Gesundheitsmarkt analysiert und dabei brisante Erkenntnisse gewonnen: Die Gesundheitskosten steigen nicht nur, weil es immer mehr ältere Personen gibt, sondern auch durch den Umstand, dass das Kostenwachstum insbesondere bei der älteren Generation am höchsten ist.

Demografischer und systembedingter Alterungseffekt Neu an der von der Avenir Suisse im letzten Herbst vorgestellten Studie ist die umfassende Analyse der altersbedingten Kostensteigerung. Bis anhin wurde bei der Analyse des demografiebedingten Anstiegs der Gesundheitskosten lediglich der statische Effekt gemessen: Die Wissenschaftler gingen davon aus, dass die Gesundheitskosten der älteren Generation nicht stärker steigen als diejenigen der Gesamtbevölkerung. Je nach Betrachtungsweise führt dies dazu, dass die Gesundheitskosten aufgrund der veränderten Alterspyramide bis ins Jahr 2030 jährlich um 0,55 bis 0,7 Prozent steigen. Lukas Steinmann und Harry Telser haben aber auch den so genannten systembedingten Alterseffekt untersucht. Sie haben die Kostenentwicklung der einzelnen Alterskategorien separat betrachtet und festgestellt, dass die Kosten je Versicherten bei der älteren Generation stärker steigen als beim Rest der Bevölkerung. Die Gründe für dieses überdurchschnittliche Kostenwachstum sind vielfältig. Einerseits führt der technische Fortschritt dazu, dass vor allem Alterskrankheiten besser behandelt werden können. Andererseits ist auch die Anspruchshaltung gestiegen, und es entsteht eine Vermischung zwischen der Gesundheit und dem Lifestyle. Unter Berücksichtigung des

systembedingten Alterseffekts kommt man bis ins Jahr 2030 für die Grundversicherung auf jährliche Zuwachsraten von 1,65 Prozent aufgrund der Alterung. Dadurch wird die jährliche Umverteilung von der jüngeren zur älteren Bevölkerung von heute vier Milliarden Franken auf rund zehn Milliarden Franken zunehmen.

Altersabhängige Prämien, Prämienrabatte und Kostenbeteiligung Avenir Suisse macht allgemeine und altersspezifische Lösungsvorschläge. Zu den allgemeinen Lösungsansätzen gehören zum Beispiel die Aufhebung des Vertragszwangs mit den Leistungserbringern, die kantonale und internationale Aufhebung des Territorialprinzips oder die Einführung der monistischen Spitalfinanzierung. Wichtig ist auch, dass keine neuen Fehlanreize geschaffen werden. Kontraproduktiv wäre beispielsweise die Vollintegration der Pflegefinanzierung in das System der Krankenversicherung (Volkspflegeversicherung). Weitere Möglichkeiten zur Reform des Ge-

sundheitswesens sind die Förderung von Managed Care oder die Verstärkung der Kostenbeteiligung. Bei den alterungsspezifischen Lösungsansätzen beurteilt Avenir Suisse das Medival Savings Account oder die explizite Altersrationierung negativ. Alterspezifische Prämien, Prämienrabatte und Kostenbeteiligung seien hingegen gangbare Lösungen. Eine altersgerechte Anpassung der Prämienverbilligung sorgt für die soziale Abfederung der alterspezifischen Prämien. Der grosse Vorteil von altersabhängigen Prämien wäre die Möglichkeit der Krankenversicherer, der älteren Bevölkerung grosszügigere Rabatte bei der Wahl einer höheren Franchise oder beim Beitritt in ein Managed Care-Modell zu geben (heute sind wegen der einheitlichen Prämie für alle Alterskategorien altersspezifische Prämienrabatte nicht möglich). Managed Care würde dadurch auch für die ältere Generation attraktiver.  Michael Bertschi Steinmann Lukas, Telser Harry: Gesundheitskosten in der alternden Gesellschaft, NZZ-Verlag 2005.

Foto: Keystone

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as Gesundheitswesen ist ein besonderer Wachstumsmarkt, weil die umfassende Versicherungsdeckung dazu führt, dass die Kosten von allen gemeinsam getragen werden müssen und nicht primär von denjenigen, die sie verursachen. Dadurch liegen die Ausgaben im Gesundheitswesen über dem volkswirtschaftlich sinnvollen Mass. Diese Erkenntnis ist nicht neu.

Managed Care soll auch für ältere Versicherte attraktiv werden.


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Demografische Alterung spielt laut verschiedenen Studien untergeordnete Rolle

Das Kostenwachstum ist nicht unabwendbar Die Bevölkerung wird immer älter, der Anteil der Gebrechlichen somit höher. Die Gesundheitskosten müssen in dieser Situation zwangsläufig steigen: Von Seiten, die wenig Interesse an stabilen Gesundheitsausgaben haben, vernimmt man solche Argumente oft. Für die meisten Wissenschaftler ist jedoch klar: Die Demografie alleine bestimmt das Kostenwachstum nur zu einem geringen Teil. Gegen die massgeblichen Ursachen – Mengenausweitung, Preiserhöhungen, Fehlanreize – kann und muss etwas unternommen werden

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as Bundesamt für Statistik stellt fest, dass die demografische Alterung zurzeit «nur» für einen Drittel Steigerung der Gesundheitskosten verantwortlich ist. Auch in Zukunft wird sich, so die Prognosen, dieser Anteil nicht erhöhen. «Das demografische Altern fällt als Ursache für den Gesundheitskostenanstieg weniger ins Gewicht als bisher angenommen», schreibt Yves-Alain Gerber vom BFS in der Zeitschrift Soziale Sicherheit. Und: «Die Kostensteigerung ist […] primär auf einen komplexen Grundtrend zurückzuführen, dem verschiedene Ursachen zugrunde liegen. […] Vielleicht sollte man genau bei diesen ansetzen?» Anders ausgedrückt: Keinesfalls darf die demografische Alterung als Vorwand herangezogen werden, um den starken Anstieg der Gesundheitskosten als unabwendbar hinzustellen.

Pflegebedürftigkeit: Kein massiver Anstieg Das BFS geht bei seinen Prognosen davon aus, dass die durchschnittliche Pflegebedürftigkeit bei Menschen einer bestimmten Altersgruppe gleich bleiben wird. Der Zürcher Soziologieprofessor François Höpflinger hingegen stellt fest, dass die Pflegebedürftigkeit innerhalb bestimmter Altersgruppen bereits gesunken ist – und er postuliert, dass sie weiter sinken wird. Die Pflegebedürftigkeit hängt nämlich nicht primär mit dem Lebensalter, sondern mit der Entfernung des Sterbezeitpunktes zusammen. Wenn die Lebenser-

wartung steigt, sinkt also das Risiko zum Beispiel für 70- bis 75-Jährige, schwer zu erkranken. Doch damit nicht genug: Höpflinger erwartet, dass nicht nur die gesunden Jahre mehr, sondern auch die Jahre in Pflegebedürftigkeit weniger werden. Fortschritte in der Rehabilitation, weniger berufliche Gesundheitsrisiken, ein erhöhtes Gesundheitsbewusstsein und mehr Präventionsanstrengungen sind neben dem medizinischen Fortschritt die Hauptursachen dafür. Diese relative Reduktion der Pflegebedürftigkeit wird, so Hugentobler, punkto Gesundheitskosten die demografische Alterung zu einem guten Teil auffangen können. Deshalb wird die demografische Alterung bei der Entwicklung der Gesundheitskosten in Zukunft möglicherweise eine noch geringere Rolle spielen als vom BSV erwartet. Dies sieht auch die Avenir Suisse ähnlich: Sie rechnet mit einem jährlichen, demografiebedingten Kostenanstieg von 1,65 Prozent – wobei lediglich 0,55 bis 0,7 Prozent untrennbar mit der Alterung zusammenhängt. Der Rest ist eine Folge davon, wie das Gesundheitssystem mit der Demografie umgeht. Neben der erwarteten Reduktion der Pflegebedürftigkeit innerhalb der Altersgruppen sieht François Höpflinger ein weiteres positives Signal: Die familiäre Pflege dürfte nicht, wie manchernorts befürchtet, weiter an Bedeutung verlieren. Die Baby-Boom-Generation sei nicht nur geburtenreich, sondern relativ «ehefreundlich», so dass sich der Anteil der älteren Menschen, die in einer Partnerschaft leben, mittelfristig erhö-

hen werde. Dies, so der Soziologe, könne den Zeitpunkt des Übertritts in ein Pflegeheim nach hinten verschieben.

Gefährliche Illusion der Notwendigkeit Höpflingers Erkenntnisse ähneln zumindest in einem Punkt jenen der Avenir ­Suisse: Die steigenden Gesundheitskosten sind alles andere als determiniert durch die demografische Entwicklung. Auch der Soziologe warnt eindringlich vor der «Illusion der Notwendigkeit» und ruft dazu auf, den steigenden Gesundheitskosten mit Massnahmen gegen Mengenausweitung, Preissteigerungen und Fehlanreize entgegenzutreten. Den demografiebedingten Gesundheitskosten will Höpflinger aber nicht mit altersabhängigen Prämien oder gar einem altersabhängigen Leistungskatalog entgegentreten, sondern durch die Verstärkung der Gesundheitsprävention, auch im Alter, oder durch eine effizientere Rehabilitation. Wichtig sei auch eine verbesserte Koordination zwischen professioneller und familiärer Pflege sowie eine intensive Beratung, Schulung und Unterstützung von pflegenden Angehörigen.  Peter Kraft

Literatur: • Höpfliger F., Hugentobler V.: Familiale, ambulante und stationäre Pflege im Alter, Verlag Hans Huber 2005 • Höpfliger F., Hugentobler V.: Pflegebedürftigkeit in der Schweiz – Prognosen und Szenarien für das 21. Jahrhundert, Verlag Hans Huber 2003 • Gerber Y.-A.: Kosten des Gesundheitswesens und Demographie, in: Soziale Sicherheit 6/2005, S. 365


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Im Gespräch: Prof. Dr. Urs A. Meyer, Ordinarius für Pharmakologie an der Universität Basel

«Die Medizin wird sich personalisieren» In Zukunft werden sich medizinische Therapien viel stärker als heute auf die spezifischen Eigenschaften der einzelnen Patienten abstützen. Diese Prognose gibt Urs A. Meyer, Basler Professor für Pharmakologie und einer der weltweit meistzitierten Wissenschaftler auf dem Gebiet der Arzneimittel-Forschung. Vor allem die individuelle Auswahl und Dosierung von Medikamenten werden helfen, die Behandlungsergebnisse zu verbessern – weil sie genetische und umweltbedingte Eigenschaften der Patienten berücksichtigen, die andernfalls zu Nebenwirkungen führen oder eine Wirkung der Arzneimittel gar verunmöglichen.

infosantésuisse: Die Pharmakologie untersucht die Wirkung von Fremdstoffen auf Organismen. Von besonderem Interesse ist, warum Menschen auf das gleiche Arzneimittel unterschiedlich reagieren. Wie kommen die unterschiedlichen Reaktionen überhaupt zustande? Urs A. Meyer: Die unterschiedliche Wirkung von Arzneimitteln ist ein ernstes Problem in der Medizin: Wir nehmen an, dass bis zu fünf Prozent aller Spitaleinweisungen wegen unerwünschter Medikamenten-Wirkungen zustande kommen. Während des Spitalaufenthaltes entwickeln etwa sieben Prozent aller Patienten ernsthafte unerwünschte Reaktionen auf Arzneimittel. Andererseits wirken anerkannte Therapien gegen wichtige Krankheiten wie Asthma oder Depressionen bei manchen Patienten nicht oder nur ungenügend. Diese Unterschiede rühren daher, dass wir alle einzigartige Individuen sind. Wir unterscheiden für die Medikamentenwirkung drei Kategorien von Einflussfaktoren: Die Patientenfaktoren wie Alter, Geschlecht oder andere Krankheiten, die Umweltfaktoren wie Ernährung oder das Rauchen, und schliesslich genetische Faktoren. Das bedeutet, dass es enorm viele Möglichkeiten zur Gruppenbildung gibt, um die Arzneimittel-Wirkung zu erforschen – und für jede dieser Gruppen gibt es möglicherweise ein anderes Prinzip für die Dosierung oder Auswahl eines Arzneimittels. Mit welchen Methoden gehen Sie der Arzneimittelwirkung auf den Grund? Wir benutzen die Methoden der biomedizinischen Grundlagenforschung. Vor allem müssen wir genau wissen, mit welchen Zielstrukturen im Körper ein Arzneimittel reagiert, und wie es abgebaut und aus-

geschieden wird – zum Beispiel in der Leber oder im Darm. Dazu simulieren wir die Situation beispielsweise in Kulturen von Leber- oder Darmzellen. Wir sehen so, wie das Arzneimittel chemisch verändert wird, damit es ausgeschieden werden kann. Am Schluss gehen wir den molekularen Mechanismen auf den Grund: Gibt es ein Gen, welches das Tempo des Abbaus beeinflusst? Gibt es Rezeptoren, die unterschiedlich auf das Medikament ansprechen? Diese Dinge können heute sehr gut im Labor erforscht werden, und sehr oft können wir aufgrund dieser Resultate Voraussagen treffen – vor allem im Bereich der genetischen Unterschiede. Hier braucht es einmal einen Test, und man weiss auf Lebenszeit, ob ein Patient ein bestimmtes Eiweiss hat, das zum Beispiel für den Abbau eines Medikaments verantwortlich ist.

«Wir nehmen an, dass bis zu fünf Prozent aller Spitaleinweisungen wegen unerwünschter MedikamentenWirkungen zustande kommen.» Der Abbau von Medikamenten scheint eine ganz zentrale Stellung einzunehmen. Dort sehe ich die grössten Unterschiede. Er ist auch einfacher zu messen als zum Beispiel Wirkungen, die mit kaum erforschten Prozessen im Gehirn zusammenhängen. Wie fliessen Ihre Erkenntnisse in die Arzneimittel-Produktion ein? Früher versuchten die Hersteller, Medikamente zu entwickeln, die jedem Patienten mit der gleichen Dosis verabreicht werden und dabei auch noch die gleiche Wirkung zeigen. Das ist aber eine Illusion: Es gibt sehr wenige Arzneimittel, die diesen Anspruch einlösen können.

Heute hingegen sind die Erkenntnisse aus der Pharmakologie in den Herstellungsprozess integriert. Die Erwartung, dass später unterschiedliche Wirkungen auftauchen können, wird bereits in die klinischen Studien eingebaut. Zum Beispiel werden die freiwilligen Testpersonen schon vor den Versuchsreihen genotypisiert. Wird es also eines Tages möglich sein, für verschiedene Patientengruppen angepasste Versionen eines Arzneimittels herzustellen? Angepasste Versionen wird es eher weniger geben, wohl aber angepasste Dosierungen. Auch werden die Ärzte immer besser feststellen können, ob sie ein bestimmtes Medikament verabreichen sollen oder nicht. Einige Pharma-Firmen entwickeln das als Konzept: Erst ein Gentest und dann die Entscheidung, welche Therapie oder welche Dosierung angewendet wird. Bereits etabliert ist dies in der Krebsbehandlung. Bei Brustkrebs gibt es Tumoren, die ein bestimmtest Protein, das mit der Zellteilung zu tun hat, vermehrt herstellen. Antikörper gegen dieses Eiweiss werden als Krebsmedikamente eingesetzt und bekämpfen so das Wachstum des Tumors. Allerdings überproduzieren nur etwa 30 Prozent der Tumore dieses Protein. Bei den anderen Patientinnen bewirken die entsprechenden Medikamente ausser Kosten und Nebenwirkungen nichts. Es gibt Testsysteme, mit denen sich feststellen lässt, ob der Tumor dieses Eiweiss produziert und ob deshalb das Medikament Erfolg verspricht. Es ist auch ein Labortest in Erprobung, der bestimmte Mutationen in Genen feststellt, die wichtig für den Abbau mehrerer Medikamente sind. Etwa 25 Prozent aller häufig verschriebenen Medikamente sind


SCHWERPUNKT

mehr oder weniger davon betroffen. Bei einigen spielen diese Mutationen für die Dosierung eine wesentliche Rolle. Es ist in solchen Fällen wichtig zu wissen, welcher Gen-Gruppe der Patient angehört.

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Jedes Jahr finden wir etwas mehr heraus über den menschlichen Organismus, und jedes Jahr verstehen wir seine Funktionsweise besser. Aber der menschliche Organismus und seine Krankheiten sind ausserordentlich komplex. Noch immer gibt es unzählige Dinge, die wir nicht wissen, und auch solche, die gar nicht untersuchbar sind. Man kann und darf zum Beispiel nicht einfach beliebig Hirngewebe von lebenden Personen entnehmen, um die Funktionsweise des Hirns zu verstehen. Das wäre zu gefährlich. Die Verwendung von menschlichem Gewebe ist aus praktischer und ethischer Sicht beschränkt. Praktische Grenzen setzt uns auch die Ursachen-Komplexität: Wir können zum Beispiel keine erkenntnisbasierte Therapie für psychische Krankheiten entwickeln, wenn

einiges im Dunkeln. Wir wissen etwa von der Hälfte der Arzneimittel immer noch nicht exakt, auf welche Stoffe im Körper sie reagieren.

Foto: Peter Kraft

Was ist Ihre Motivation, solche Dinge zu erforschen – die Erkenntnis oder der Nutzen für den Patienten? Am Anfang steht immer eine Beobachtung – ein klinisches Phänomen, das man nicht erklären kann. Dann kommt die Phantasie und die Neugier ins Spiel: Wie finde ich den Grund heraus – und setze ihn in eine Lösung um, die den Patienten auch etwas nützt? Neugier und Patientennutzen gehen also Hand in Hand: Letzterer ist das Endziel, aber ohne die Neugier gäbe es überhaupt keine Forschung.

Urs A. Meyer: «Wir wissen etwa von der Hälfte der Arzneimittel immer noch nicht exakt, auf welche Stoffe im Körper sie reagieren.»

Den Erfolg der Forschung kann ausserdem niemand von Beginn weg garantieren. Es kann durchaus sein, dass wir einer Frage nachgehen, ohne eine Antwort auf sie zu finden. In diesem einzelnen Fall resultiert aus den eingesetzten Mitteln kein direkter Nutzen. Trotzdem darf das kein Grund sein, nicht in die Forschung zu investieren – denn ohne Investitionen gäbe es mit Sicherheit keinen Fortschritt. Wo sehen Sie die praktischen und ethischen Grenzen der medizinischen und biologischen Forschung? Was kann der Mensch überhaupt über seinen Körper herausfinden – und was soll er?

wir ihre Ursachen nicht kennen. Eine wichtige ethische Grenze ist zudem die Privat­ sphäre des Patienten. Immer wieder fällt die Aussage, dass in der Medizin nur ungefähr ein Drittel aller Therapien auf hieb- und stichfester Erkenntnis beruht, die anderen hingegen ein Resultat von «Trial and Error» sind. Ist das tatsächlich so? Tatsächlich sind viele medizinische Therapien nur durch Zufall entdeckt worden. Zum Beispiel wussten wir lange Zeit nicht, wie Epilepsie-Medikamente oder eine Vollnarkose genau wirken. Hier sind wir inzwischen weiter, aber noch immer liegt

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An welchen Forschungsfragen arbeiten Sie zurzeit? Nachdem wir die genetischen Faktoren entschlüsselt haben, die zu verschiedenen Reaktionen auf Medikamente führen, machen wir uns nun an die Umweltfaktoren. Wir untersuchen, wie Arzneimittel im Körper Systeme verändern, auf die sie gar keine Wirkung haben sollten. Die Erkenntnisse werden dazu führen, dass man Medikamente ohne diese Art von Nebenwirkungen entwickeln kann. Es gibt beispielsweise Medikamente, die ihren eigenen Abbau fördern, indem sie bestimmte Prozesse in der Leber oder im Darm auslösen. In den letzten Jahren haben wir gute molekulare Erklärungen für diesen Mechanismus gefunden. Wichtig sind solche Erkenntnisse etwa bei Mitteln gegen die Organabstossung: Erhält der Patient zusätzlich ein Arzneimittel, das den Abbau von Medikamenten fördert, verschwindet das Anti-Abstossungs-Mittel aus dem Körper, bevor es überhaupt richtig wirken kann. Das kann sehr gefährlich werden. Deshalb müssen wir den Mechanismus des beschleunigten Abbaus genau kennen, damit wir herausfinden können, ob der Patient davon betroffen ist – und ob er allenfalls eine höhere Dosis des Mittels gegen die Organabstossung braucht.

«Wir arbeiten an Systemen, mit denen wir mehr als fünfzig Prozent der Wirkungsvariationen vorhersagen können.» Wie sehen Sie den Stand der medizinischen Forschung in 20 Jahren? Die Entwicklung geht klar in Richtung individualisierte und personalisierte Medizin. Was ist speziell am einzelnen Patienten, und was hat das für Folgen für die nötige Behandlung? Heute arbeiten wir an Systemen, mit denen wir mit genetischen Tests und mit dem Einbezug von Faktoren wie Alter und Ernährung mehr als 50 Prozent der Wirkungsvariationen vorhersagen können. Das Ziel sind Programme, über die der Arzt die entsprechenden Daten eingibt und als Resultat Empfehlungen zu den richtigen Arzneimitteln oder der idealen Dosis erhält. Interview: Peter Kraft


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TA-SWISS-Studie zu den Chancen und Risiken der Telemedizin

Telemedizin: Positives Potenzial nutzen – Wildwuchs vermeiden Das schweizerische Zentrum für Technologiefolgen-Abschätzung TA-SWISS hat unlängst eine Studie über die Chancen und Risiken der Telemedizin veröffentlicht. Das Resultat ist zwiespältig: Es schlummert sowohl positives als auch negatives Potenzial in der Behandlung auf Distanz. Entscheidend wird sein, die Ausübung der Telemedizin klar zu regeln und zu koordinieren. Dann wären die Auswirkungen auf Qualität, Effizienz und Kosten wohl erfreulich. Bei einem Wildwuchs droht das Gegenteil.

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elemedizin ist ein breiter Begriff: Er beinhaltet sämtliche medizinischen Behandlungen oder Auskünfte auf Distanz – gleichgültig, welche Technologie dabei zum Einsatz kommt. Ein CallCenter, bei dem telefonische Ratschläge zu medizinischen Fragen eingeholt werden können, ist ebenso Telemedizin wie das Analysieren von Mikroskop-Bildern via e-mail oder eine Operation mittels ferngesteuertem Roboter. Gemeinsam ist diesen Methoden, dass die Kommunikation zwischen der Patientin und dem Behandelnden nicht direkt, sondern über ein Medium erfolgt.

keiten gegenüber den Spezialisten immer mehr an Boden. Zudem sinkt auch die Bereitschaft, Notfalldienst zu leisten. Die CallCenter springen hier ein: Sie fungieren als Notfall-Nummern, welche die Patienten im Bedarfsfall an den Notfallarzt weiterleitet – oder aber Empfehlungen abgibt, wie die Situation ohne ärztliche Hilfe gemeistert werden kann. In Bern und Basel gibt es bereits solche «Notfall-Hotlines», bei denen teilweise Ärzte direkt am Telefon sind. Aber auch in ländlichen Regionen – namentlich im Wallis – haben Ärztegesellschaften das Bedürfnis nach einem telefonischen Notfalldienst angemeldet.

Medizinische Call-Center auf dem Vormarsch

Breites Gebiet – Generelles Urteil schwierig

In der Schweiz sind von den telemedizinischen Angeboten die Call-Center am weitesten verbreitet. Sie tragen einschlägige Namen wie Medgate oder Medvantis und erfüllen hauptsächlich zwei Funktionen: Zum einen bieten einige Krankenversicherer Alternativmodelle an, bei denen der Versicherte bei einem gesundheitlichen Problem nach Möglichkeit vorerst das Call-Center kontaktieren soll. Am anderen Ende der Leitung sind qualifizierte medizinische Fachleute, die den Patienten eine Empfehlung über das weitere Vorgehen geben. Wichtig ist dabei: Die Versicherten sind nicht gezwungen, sich an die Empfehlungen des Call-Centers zu halten. Allerdings setzen einige Versicherer positive Anreize, beispielsweise eine Erfolgsbeteiligung beim Befolgen der Telefonratschläge. Die andere Hauptfunktion hat mit den Umstrukturierungen innerhalb der Ärzteschaft zu tun: Der Beruf des Allgemeinmediziners verliert wegen den vergleichsweise geringeren Verdienstmöglich-

Obwohl wir die Telemedizin heute vor allem über die Telefon-Dienste wahrnehmen, sind diese nur die Spitze des Eisbergs. Alle Behandlungs- oder Beratungsmethoden, bei denen sich Patientin und Behandelnder nicht direkt gegenüber stehen, fallen darunter. Die Kommunikation ist indirekt. Der Nachteil davon ist, dass der Informationsaustausch stark reduziert wird. Andererseits wird es durch die indirekte Kommunikation leichter, sich auf die wesentlichen Aspekte zu konzentrieren. Allein dies zeigt, wie schwierig es ist, die Vor- und Nachteile der Telemedizin gegeneinander aufzuwiegen. Die TASWISS geht in ihrer Studie denn auch davon aus, dass die einzelnen Methoden der Telemedizin getrennt beurteilt werden müssen: So sei der medizinische Nutzen von transatlantischen Gallenblasenoperationen mittels Roboter kaum gegeben. Hingegen kann die online-Analyse von Gewebeproben zusätzliche Operationen vermeiden: Wenn der Chirurg be-

reits während des ersten Eingriffs weiss, ob ein Tumor bösartig ist, kann er gleich im Anschluss Massnahmen ergreifen, für die sonst eine zweite Operation nötig gewesen wäre.

Die zwei Seiten der Telemedizin In die Telemedizin werden vielfältige und hohe Erwartungen gesteckt: Sie soll die Lebensqualität und die Selbstbestimmung der Patienten erhöhen, die Qualität der medizinischen Behandlung verbessern, die Forschung fördern und gleichzeitig für ein wirtschaftlicheres und effizienteres Gesundheitswesen sorgen. Der Kanton Genf versucht, mit seinem Pilotprojekt «e-toile» all diese Vorteile Realität werden zu lassen: Ab 2008 werden die Einrichtungen der Gesundheitsversorgung durch ein Netzwerk miteinander verbunden sein. Im Zentrum steht ein elektronisches Patientendossier, wobei der einzelne Patient selber bestimmen kann, welche Daten ins Dossier gelangen und wer darauf Zugriff hat. Die Investitionskosten betragen 34 Millionen Franken, die jährlichen Betriebskosten 8,5 bis 16 Millionen Franken. Die Kernfrage der TA-SWISS-Studie lautet: Sind Systeme wie «e-toile» diese Investitionen wert? Können sie die grossen Erwartungen erfüllen? Die Antwort ist nicht eindeutig. Das Potenzial, dass Patientinnen durch die Möglichkeit, bei ihrem Arzt per e-mail Rückfragen zu stellen, effizienter und persönlicher behandelt werden, besteht ebenso wie die Gefahr einer standardisierten Betreuung. Wird die gesamte Bevölkerung von der Telemedizin profitieren, oder finden beispielsweise ältere Menschen keinen Zugang dazu und werden so an den Rand des Gesundheitssys-


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Foto: Prisma

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zinischen Leistungen zur Mengenausweitung beiträgt. Die TA-SWISS hält jeweils beide Varianten für möglich: Es hängt von der konkreten Umsetzung ab, ob die positiven oder die negativen Auswirkungen der Telemedizin dominieren werden.

Koordination und Information sind zentral

Die Telemedizin birgt viel positives Potenzial – wenn die verschiedenen Angebote miteinander koordiniert werden.

tems gedrängt? Ist der Telefonanruf bei einem medizinischen Call-Center eine effiziente Art von Gatekeeping – oder besteht die Gefahr, dass über das Telefon nicht alle Aspekte eines Problems klar werden und es deshalb zu Fehlentscheidungen kommt? Das Speichern und Abrufen von medizi-

nischen Daten ermöglicht Behandlungen praktisch ohne Informationsverlust, birgt aber auch Konfliktpotenzial mit dem Datenschutz. Schliesslich stellt sich die Frage, ob die Telemedizin durch mehr Effizienz zu einer Kostendämpfung führt – oder durch einen erleichterten Zugang zu medi-

Die Telemedizin steht noch am Anfang ihrer Entwicklung. Momentan gibt es viele Einzelinitiativen, aber kaum eine Koordination unter ihnen. Genau das hält die TA-SWISS für gefährlich: «Laisser faire ist keine glückliche Strategie, um die positiven Potenziale der Telemedizin zu nutzen und ihre Risiken zu begrenzen», schreibt sie im Bericht zur Studie. Es braucht erstens einen politischen Konsens über die Ziele der Telemedizin und zweitens eine Fachstelle, die die verschiedenen Angebote miteinander koordiniert und Qualitätskontrollen durchführt. Bestimmte Fragen müssen geklärt werden: Welche Leistungen sollen und dürfen überhaupt telemedizinisch erbracht werden? Welche Qualifikationen und Voraussetzungen sind erforderlich, um telemedizinische Dienste durchführen zu können? Welche Leistungen sollen von der obligatorischen Krankenversicherung bezahlt werden? Die Krankenversicherer werden für telemedizinische Behandlungen einen Wirtschaftlichkeitsnachweis verlangen, bevor sie sie übernehmen. Es braucht deshalb unabhängige Untersuchungen, welche die Wirksamkeit, Zweckmässigkeit und Wirtschaftlichkeit der «neuen Leistungen» eindeutig nachweist. Ganz zentral ist auch die Information der Patienten: Auf sie würden, sollte sich die Telemedizin etablieren, ganz andere Behandlungsformen zukommen. Damit sie diese sinnvoll nutzen können – und auch damit niemand davon ausgeschlossen bleibt – wird es eine umfassende Information brauchen. Das Fazit der Studie ist klar: Die Telemedizin birgt positives Potenzial, sowohl was die Behandlungsqualität, die Effizienz als auch die Kosten betrifft – doch muss sie koordiniert und unter klaren Bedingungen eingeführt werden: Ein Wildwuchs auf diesem Gebiet würde die erfreulichen Möglichkeiten der Telemedizin mit grosser Wahrscheinlichkeit sehr schnell ins Gegenteil verkehren.  Peter Kraft


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GESUNDHEITSWESEN

infosantésuisse  Nr. 4, April 2006

BFS-Statistik der Kosten und der Finanzierung des Gesundheitswesens 2004

Weitere Kostenverschiebung zu Lasten der Grundversicherung Die Kosten des Gesundheitswesens haben laut dem Bundesamt für Statistik im Jahr 2004 knapp 52 Mrd. Franken betragen. Das sind 3,7 Prozent mehr als 2003. Ebenso wichtig wie die Entwicklung der Gesundheitskosten ist für die Prämienzahlenden, welchen Anteil davon die Grundversicherung zu übernehmen hat. Dieser Anteil steigt ständig und lag 2004 bereits bei mehr als einem Drittel. Dafür verlieren die Zusatzversicherungen an Bedeutung.

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ie Kostentsteigerung im Gesundheitswesen hat sich in der Schweiz 2004 laut Bundesamt für Statistik (BFS) mit einem Anstieg von 3,7 Prozent auf 51,7 Mrd. Franken gegenüber den Vorjahren etwas reduziert. Für 2005 bis 2007 ist gemäss Prognosemodell des BFS aber schon wieder mit einem durchschnittlichen Wachstum von 4,1 Prozent zu rechnen. Damit dürfte der Anteil der Gesundheitskosten am Bruttoinlandprodukt von 11,6 Prozent im Jahre 2004 auf rund 12 Prozent im Jahre 2007 wachsen. In der Krankenversicherung hingegen hat das Kostenwachstum 2004 rund fünfeinhalb Prozent betragen, da zum generellen Kostenwachstum hinzu auch noch eine Kostenverschiebung vom Staat zu Lasten der Prämienzahler stattgefunden hat.

Stationärer Sektor verursacht fast die Hälfte der Kosten

Quelle: Bundesamt für Statistik

Aufgeteilt nach Leistungen entfallen 24,6 Mrd. Franken oder 47,6 Prozent auf die stationäre Behandlung – ein Anteil, der nach Angaben der OECD in keinem ande-

ren Land erreicht wird. Die ambulante Behandlung (durch Ärzte, Spitäler, Zahnärzte, Spitex und paramedizinische Leistungserbringer) schlägt mit 15,2 Mrd. Franken oder 29,4 Prozent der Kosten zu Buche. Für den Verkauf von Gesundheitsgütern (Arzneimittel und therapeutischen Apparate) werden 6,5 Mrd. Franken oder 12,6 Prozent ausgegeben, für die Verwaltung (Staat, Kranken- und Unfallversicherer) 2,5 Mrd. Franken oder 4,9 Prozent. Lediglich 1,1 Mrd. Franken oder 2,2 Prozent entfallen auf die Prävention. Die Sozialversicherungen decken 41,4 Prozent der Gesundheitskosten, die obligatorische Krankenversicherung allein 33,6 Prozent oder 17,4 Mrd. Franken. Die privaten Krankenversicherungen bezahlen 4,5 Mrd. Franken oder 8,7 Prozent. Die öffentliche Hand übernimmt 17 Prozent oder 8,8 Mrd. Franken, die Kantone allein 7,3 Mrd. Franken oder 14 Prozente. Die privaten Haushalte bezahlen in Form von Kostenbeteiligungen oder direkt 16,5 Mrd. Franken, das sind 31,9 Prozente der gesamten Gesundheitskosten.

Finanzierung des Gesundheitswesens nach Direktzahlern 2004 (Total: 51,7 Mrd. Fr.) 17%

32%

Öffentliche Hand Krankenversicherer KVG Andere Sozialversicherungen Zusatzversicherungen Private Haushalte 9%

8%

34%

Rückgang der Zusatzversicherungen Über die letzten drei Jahre (2001 bis 2004) betrachtet, entwickelten sich die Anteile der Direktzahler der Gesundheitsleistungen an den Gesundheitskosten wie folgt: Der Staatsanteil stieg ganz leicht von 16,9 auf 17 Prozent, wobei der Kantonsanteil vorerst bis 2002 von 13,4 auf 14,8 Prozent stieg, um dann 2004 wieder auf 14,1 Prozent zurückzugehen. Die höhere Kostenbeteiligung in der Krankenversicherung hatte geringe Folgen für den Kostenanteil der Haushalte: Die Entwicklung hielt sich mit einer Steigerung von 31,7 auf 31,9 Prozent im Rahmen. Um einiges stärker erhöhte sich der Anteil der obligatorischen Krankenversicherung (OKP), nämlich von 32,3 auf 33,6 Prozent. Das heisst, dass rund 1,5 Prozent des jährlichen Prämienanstiegs zwischen 2001 und 2004 auf die Kostenverlagerung zu Lasten der Krankenversicherung zurückzuführen ist. Im Gegensatz zur OKP tragen die Zusatzversicherungen einen immer kleineren Anteil der Gesundheitskosten: 2001 waren es 10,2 Prozent, 2004 nur noch 8,7 Prozent. Es findet also nicht, wie immer wieder behauptet wird, ein Ausbau der Zusatzversicherungen zu Lasten der Grundversicherung statt, sondern genau umgekehrt. Die Entwicklung geht gemäss Prognose des BFS so weiter. Danach würde 2007 die Grundversicherung (OKP) fast 35 Prozent der Gesundheitskosten bezahlen, die Zusatzversicherung aber nur noch 7,8 Prozent. Verglichen mit 1995, als die Grundversicherung erst 30 Prozent, die Zusatzversicherung aber noch 12,3 Prozent der Kosten deckte, bedeutet dies eine markante Kostenverschiebung zu Lasten der Grundversicherung.  Walter Frei


GESUNDHEITSWESEN

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infosantésuisse  Nr. 4, April 2006

Nationale Tagung für betriebliche Gesundheitsförderung 2006

Burnout – ein Risiko für einzelne Menschen und die ganze Volkswirtschaft Je früher man die Anzeichen für ein Burnout erkennt, desto schneller kann man die Dynamik unterbrechen und damit die negativen Folgen für sich selber, seine Familie, für das Unternehmen und die Volkswirtschaft vermindern. Foto: Prisma

reichende Möglichkeiten verfügt, Stress erfolgreich zu bewältigen, ist in hohem Masse burnout-gefährdet. Ausgebrannt ist man aber nicht von heute auf morgen: Die Erschöpfung schleicht sich langsam ein.

Absenzenmanagement hat win-win-Effekt

Burnout – etwa durch konstante Überforderung – ist ein Ernst zu nehmendes Problem für die Einzelnen und für die Volkswirtschaft.

D

ie diesjährige nationale Tagung für betriebliche Gesundheitsförderung (BGF), welche das Staatssekretariat für Wirtschaft (seco) und die Gesundheitsförderung Schweiz Anfang März in Freiburg veranstaltet haben, stand unter dem Titel «Leistungsfähigkeit erhalten – ‹Burnout› muss nicht sein». Bekanntestes Burnout-Opfer ist der Zuger Ständerat Rolf Schweiger, der Ende 2004 als Präsident der FDP Schweiz zurücktrat und für Monate ausfiel. Ihm ist zu verdanken, dass die Thematik zu einem guten Teil enttabuisiert worden ist.

Wer brennt, kann ausbrennen Als Risikofaktoren für Burnout gelten hauptsächlich sehr hohe Anforderungen, eine grosse Arbeitslast, Zeit- und Termindruck, geringe Handlungsspielräume, eingeschränkte Entwicklungsmöglichkeiten,

Rollenunklarheit und Rollenkonflikte, unzureichende Unterstützung am Arbeitsplatz, fehlende Transparenz, ein schlechtes Betriebsklima und Arbeitsplatzunsicherheit. Wer überdurchschnittlich engagiert und motiviert ist, hohe Ansprüche an die eigene Leistung hat, zu wenig Wertschätzung erfährt und zudem nicht über aus-

Erfolg versprechende Interventionen müssen auf der persönlichen, der arbeitsbezogenen und der betrieblichen Ebene erfolgen und sowohl die Reduktion von Belastungen als auch die Stärkung von Ressourcen einschliessen. Dies kam an der BGF-Tagung deutlich zum Ausdruck. Wichtig ist, dass Ärzte und Verantwortliche in den Betrieben gut zusammenarbeiten – bei der Früherkennung, der Behandlung, aber auch bei der Planung der weiteren beruflichen Zukunft. Die Folgen von Burnout betreffen letztlich auch die ökonomische Situation der Unternehmen: höhere Abwesenheitsraten, verstärkte Personalfluktuation, Produktivitätseinbussen, verminderte Arbeitleistung und tiefere Arbeitsqualität. Viele Krankenversicherer stehen diesbezüglich den Unternehmen hilfreich zur Seite und bieten differenzierte Absenzen-Management-Tools an. Denn letztlich steht nicht nur die Gesundheit des Einzelnen auf dem Spiel, sondern auch die gesellschaftliche Bedeutung der stetig steigenden Gesundheitskosten.  Ursula Vogt

Burnout ist eine Realität In einer Studie des Gelsenkirchener Instituts für Arbeit und Technik, die bei Projektmitarbeitenden der IT-Branche durchgeführt worden ist, zeigten 41 Prozent der Befragten starke Anzeichen einer chronischen Erschöpfung. Und in einer Schweizer Studie konnte der Arbeits- und Organisationspsychologe Hans Kernen bereits 1999 nachweisen, dass nahezu jeder fünfte Ma-

nager burnout-gefährdet ist. Das Phänomen der emotionalen, geistigen und körperlichen Erschöpfung scheint steigende Tendenz zu haben, obwohl es noch nicht breit erforscht ist. Gemäss einer seco-Studie (2003) müssen die Kosten des Stresses hierzulande auf jährlich mehr als vier Milliarden Franken beziffert werden – Burnout und seine Folgen sind dafür mitverantwortlich.


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GESUNDHEITSWESEN

infosantésuisse  Nr. 4, April 2006

Buchtipp

EBM-Guidelines für Allgemeinmediziner Die Hausärzte müssen oft schnell und kompetent Auskünfte aus verschiedensten medizinischen Spezialgebieten geben können. Das verlangt den Allgemeinpraktikern enorm viel ab – gerade dann, wenn sie Patienten gegenüberstehen, die sich bereits gut über ihre Krankheit informiert haben. Deshalb stellt der Schweizerische Ärzteverlag mit dem Buch «EBM-Guidelines für Allgemeinmediziner» den Hausärzten ein sehr nützliches Hilfsmittel für ihre anspruchsvolle Tätigkeit zur Verfügung.

E. Rebhandl, S. Rabady, F. Mader (Hrsg.): EBM-Guidelines für Allgemeinmedizin, EMH 2005. 1471 Seiten, 158 Franken, ISBN 3-7965-2208-4

D

ie Spezialisierung in der Medizin schreitet voran. Oft suchen Patienten Rat bei verschiedenen Fachärzten gleichzeitig. Der Spezialist beschränkt in der Regel seine Abklärungen und Beurteilungen auf sein Fachgebiet. Dabei bleibt dem Patienten oft die Aufgabe vorbehalten, die erhaltenen Auskünfte und therapeutischen Ratschläge in einen Gesamtzusammenhang zu seinem Leiden und sich selbst zu stellen. Auskünfte bei verschiedenen Spezialisten führen so bald zu einer Überforderung des Patienten, was weder seiner Genesung noch seinem Allgemeinbefinden zuträglich sein kann. In dieser Situation wächst

das Bedürfnis, seine Probleme und die verschiedenen erhaltenen Beurteilungen mit dem Hausarzt zu besprechen. Dieser wiederum ist dann konfrontiert mit gesundheitlichen Störungen aus allen Bereichen der Medizin. Oft bringen die Patienten schon Abklärungsresultate mit, die durch Spezialärzte erstellt worden sind. Der Hausarzt muss also rasch Kenntnisse verfügbar haben aus einem sehr weiten Bereich der ganzen Medizin. Es ist klar, dass keine Medizinerin und kein Mediziner das ohne Hilfsmittel schafft. In den letzten Jahren wurde sehr aktiv versucht, mit Computer-Expertensystemen die ärztliche Arbeit der Diagnostik und Therapie so weit zu entwickeln, dass im Idealfall der Arzt selbst ersetzt werden kann. Davon sind wir noch weit entfernt. Wahrscheinlich wird das nie gelingen, weil ärztliche Tätigkeit nicht auf reine rationale Abläufe reduziert werden kann. Das entbindet den Arzt aber nicht davon, sein Handeln und seine Ratschläge an den Patienten oder die Patientin auf möglichst nachvollziehbare Überlegungen abzustützen. Immer mehr Patienten orientieren sich vor ihrem Arztbesuch zuerst im Internet über ihr Problem. Sie kommen dann schon recht gut vorbereitet zum Arzt. Das ist eine neue Situation für die Ärzte. Das Wissen der Patienten basiert nicht nur, wie früher, auf Erfahrungen aus der Familie oder dem Gesundheitsratgeber.

Spezialwissen wird noch schneller abrufbar Der Hausarzt ist speziell gefordert, da er rasch Auskünfte aus den verschiedensten medizinischen Gebieten geben muss. Er kann im Internet recherchieren – oder er greift zum Buch EBM-Guidelines für Allgemeinmediziner. Dieses ist klar aufgebaut und umfasst den ganzen Ablauf von

der Erhebung der Krankengeschichte über die zweckmässigen Abklärungen bis hin zu Therapieempfehlungen. Die Beiträge sind wissenschaftlich breit abgestützt und entsprechen dem heutigen Stand des Wissens. Die Kompetenz des Arztes wird verbessert, wenn er sich an Guidelines halten kann. Die Qualität seiner Arbeit steigt, weil er sich rasch orientieren kann. Kein Patient wird sich daran stören, wenn der Arzt sich über eine spezifische Frage gerade während der Sprechstunde noch besser informiert. Das Buch passt so sehr gut aufs Pult im Sprechzimmer – viel besser als ein PC, der den einen oder anderen Patienten eher an ein Reisebüro als an eine Arztpraxis erinnern wird. Mit der Übersetzung der finnischen EBM-Guidelines ist ein sehr praktisches Hilfsmittel entstanden, welchem nicht nur in den Praxen der Hausärzte eine grosse Verbreitung zu wünschen ist. Für eine nächste Auflage wäre allerdings anzuregen, dass das Buch noch handlicher wird. So würde es zu einem richtigen «Standard-Handbuch». Auch für interessierte Mitarbeiter der Krankenversicherungen kann das Werk eine Hilfe sein, um sich rasch über die gültigen Guidelines zu orientieren. Dazu braucht es aber schon einiges an medizinischem Wissen und Verständnis und die Grunderkenntnis darüber, dass jeder Mensch anders ist und individuell behandelt werden muss. Guidelines sind immer nur Hilfsmittel, wichtige zwar, aber «Kleider von der Stange» und nicht «Massanzüge». Aber gerade bei Erkrankungen möchten wir als Individuum behandelt werden, vom Arzt, welcher zuhören kann, sein Wissen und seine Erfahrung einsetzt und dort rasch ergänzt, wo es nötig ist. Zum Beispiel mit dem hier besprochenen Buch. Reto Guetg, Vertrauensarzt santésuisse


krankenversicherung

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infosantésuisse  Nr. 4, April 2006

Bundesrat geht auf 90 Prozent der Beschwerdepunkte ein

Spitalplanung in Freiburg: santésuisse erhält Recht

Foto: Prisma

santésuisse hat gegen die Spitalliste des Kantons Freiburg und besonders gegen die Aufgabendeklaration des Spitals Meyriez rekurriert und erhält nun vom Bundesrat mehrheitlich Recht. Der Regierungsrat hat jetzt 18 Monate Zeit, um eine neue, den Anforderungen von santésuisse entsprechende Liste zu erstellen.

Der Freiburger Regierungsrat muss die Spitalplanung neu aufgleisen. (Bild: Rathaus von Freiburg)

M

it der Spitalplanung im Seebezirk tut sich der Kanton Freiburg seit Jahren schwer. So stand die Aufrechterhaltung einer Kleinststruktur in Meyriez mit Akutpflegeauftrag bereits mehrmals zur Debatte. Doch die deutschsprachige Bevölkerung bestand auf einer

Spitalversorgung mit Notfallaufnahme und Akutpflege in der Nähe und ging dafür sogar auf die Strasse, um Druck auf den Regierungsrat zu machen. Im Dezember 2004 hat dieser dann umgeschwenkt und sich für die Beibehaltung der Akutspitalstruktur ausgesprochen. santésuisse hat daraufhin beim Bundesrat gegen diesen Entscheid rekurriert und geltend gemacht, dass die neue Spitalliste weder mit dem Bundesgesetz noch mit der Spitalplanung vereinbar sei. Nach Auffassung von santésuisse besteht im Kanton Freiburg sowohl ein Überangebot an Spitalleistungen als auch an medizinischen Subdisziplinen für Privatkliniken. Beim Spital Meyriez erhebt santésuisse Einwände gegen einen Bestand von 25 Akutbetten und das auf politischer Ebene angestrebte Konsensmodell. santésuisse verlangt eine Neuplanung mit einer exakten Abklärung des tatsächlich vorhandenen Bedarfs.

santésuisse vom Bundesrat angehört In seinem Entscheid stellt der Bundesrat fest, dass die Spitalplanung mit dem Entscheid, 25 Akutbetten im Spital Meyriez beizubehalten, Lücken aufweist. Er setzt dem Regierungsrat eine Frist von 18 Monaten, um den Bedarf der Bevölkerung an den verschiedenen Pflegeangeboten unter Berücksichtigung der erlassenen Planungsvorgaben abzuklären. Der Bundesrat verlangt eine Beurteilung des Angebots sowie der Bettenkapazitäten. Der Regierungsrat muss anschliessend die Leistungsaufträge erteilen, sich dabei auf objektive Überlegungen stützen und seine Entscheidungen klar begründen. santésuisse geht davon aus, dass diese Neubeurteilung zu einer Aufgabenumverteilung in Deutsch-Freiburg führen wird.  Nicole Bulliard

Sébastien Ruffieux, Generalsekretär von santésuisse Freiburg, zeigt sich mit dem bundesrätlichen Entscheid sehr zufrieden Was halten Sie vom bundesrätlichen Entscheid? Wir sind natürlich sehr zufrieden, da wir vom Bundesrat in 90 Prozent der Punkte Recht bekommen haben. Dies beweist, dass wir mit unseren Erwartungen, die wir seit 1998 in die Spitalplanung des Kantons Freiburg gesetzt haben, genau richtig liegen. Selbstverständlich werden wir die zukünftigen Schritte des Regierungsrats in dieser Angelegenheit aufmerksam beobachten. Welche Korrekturen braucht es Ihrer Meinung nach auf der Spitalliste? Der Bundesrat hat festgehalten, dass im Kanton Freiburg unbedingt eine Spitalpflegebedarfsanalyse nach Leistungsbereich erstellt werden muss. Auf dieser Basis muss dann der Freiburger Regierungsrat die Aufgaben der verschiedenen Einrichtungen zur Deckung des tatsächlichen Bedarfs der Bevölkerung neu beurteilen, sowohl kantonsweit als auch regional gesehen. Aktuell besteht zum Beispiel ein Überangebot an identischen Angeboten öffentlicher und privater Spitäler in der Agglomeration Fribourg.

Welche Auswirkung hat diese Massnahme auf die Schaffung eines kantonalen Spitalnetzwerks? Wird das Spital Meyriez über kurz oder lang verschwinden? Wir waren immer der Ansicht, dass die Schaffung eines kantonalen Spitalnetzwerks keinerlei Einfluss auf die kantonale Spitalplanung ausübt. Ein Spitalnetzwerk ermöglicht im Gegenteil die Nutzung von Synergien zwischen den verschiedenen Standorten und eine effiziente Ressourcenausschöpfung. Was Meyriez betrifft, so obliegt es jetzt dem Regierungsrat, die Aufrechterhaltung einer Akutpflege aus wirtschaftlicher sowie qualitativer Sicht nachzuweisen. Wir glauben, dass es schwierig sein wird, diesen Nachweis zu erbringen. Die kürzlich erfolgte Zusammenlegung der administrativen Belange zwischen den Spitälern Meyriez und Tafers, die beide im deutschsprachigen Gebiet liegen, könnte sich hingegen positiv auf die interne Aufteilung bestimmter Tätigkeiten auswirken. Interview: Nicole Bulliard


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krankenversicherung

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santésuisse-Lernender an der 11. Bundeskonferenz GJAV der AOK Bayern

Eine tolle Erfahrung

F

ranz-Josef Knieps, Leiter der Abteilung «Gesetzliche Krankenversicherung» des Bundesgesundheitsministeriums, informierte über das aktuelle Geschehen im Gesundheitswesen. Er erklärte, dass das Verhältnis zwischen gesetzlicher und privater Krankenversicherung neu geordnet werden müsse. Die gesetzliche V.l.n.r.: Fritz Schösser, Dr. Helmut Platzer, GJAVKrankenversicherung sorgt wie Vorsitzende Katharina Kellner, Vorstandsassistent in der Schweiz dafür, dass jeder Versicherte unabhängig von AlKarlheinz Stangl sowie Florian Tinner. ter und Einkommen die medizinische Versorgung bekommt, die er braucht. Die gesetzliche Kranken- tensiven Versicherten nicht kündigen würversicherung versichert rund 90 Prozent den. Bei den Auszubildenden und auch der Bevölkerung in Deutschland. Die Mit- bei den ausgelernten Arbeitnehmern beglieder der GKV sind entweder pflichtver- stand die Angst von Stellenabbau. Zurzeit sichert, oder, wenn beispielsweise ihr Jah- steht es in den Sternen, wie sich die Lage reseinkommen über der Versicherungs- im AOK-System bezüglich Ausbildung und pflichtgrenze liegt, freiwillig versichert. Arbeitsplätze weiterentwickelt. Im Zentrum stehe das Solidaritätsprinzip. Im Unterschied zur Schweiz richtet sich Was war meine Aufgabe? der Krankenversicherungsbeitrag nach der Vertreter der Gebietskrankenkasse Wien Lohnhöhe. Ob das im Weiteren so besteht, und ich stellten unsere Krankenversiist fragwürdig, denn die Ausgaben der cherungssysteme vor. Zuerst waren die GKV betragen rund 140 Milliarden Euro Deutschen etwas geschockt über die (Stand 2004). Das bedeutet mehr als die hohe Selbstbeteiligungen und die niedHälfte der Gesamtausgaben im deutschen rigen Leistungen. Unser System wurde als Gesundheitswesen. «Geschäft mit Menschen» oder etwas unWir waren uns einig, dass alle drei Sys- gerecht aufgefasst. Im Anschluss ist dann teme sowohl das schweizerische Kranken- aber ein interessantes Gespräch entstanversicherungssystem als auch das deut- den. sche und das österreichische System zu Nicht nur während meiner Präsentation Beitragserhöhungen führt. war unser Krankenversicherungssystem Fritz Schösser, Vorsitzender des Verwal- ein Thema. Auch Franz-Josef Knieps vom tungsrates der AOK Bayern sowie alternie- Gesundheitsministerium und andere Teilrender Vorsitzender des Verwaltungsrates nehmer haben die Schweiz immer wiedes AOK-Bundesverbandes nahm Stellung der ins Visier genommen. Ich machte zur Ausbildungs- und Personalsituation aber klar, dass unser System nach wie und erklärte, dass eine Mitarbeiterreduzie- vor besser gestaltet ist. In der Schweiz rung nicht proportional zum Mitglieder- ist es klar definiert, für was und für wen verlust erfolgen könne, da die arbeitsin- die Prämie bestimmt ist. Unser Kranken-

Foto: Katharina Kellner

Vom 1. bis 3. März hat die 11. Bundeskonferenz der Gesamt-Jugend- und Auszubildendenvertretung (GJAV) im Bildungszentrum der AOK Bayern in Hersbruck stattgefunden. Neben dem Vorstandsvorsitzenden der AOK Bayern, Helmut Platzer, waren weitere hochkarätige Gäste eingeladen. Der Autor des folgenden Beitrags ist Lernender bei der ÖKK und besuchte die Bundeskonferenz als Vertreter von santésuisse.

und Sozialversicherungssystem muss darum unbedingt in der bestehenden Richtung weiterlaufen und entwickelt werden. Das deutsche Krankenversicherungssystem wird in Frage gestellt, so viel ist sicher. Ich denke, die Deutschen steuern eher auf ein System in Richtung Schweiz zu. Franz-Joseph Knieps konnte das aber nicht bestätigen.

Eine tolle Erfahrung Solche Erfahrungen sollte jeder Lernende machen. Man lernt immer neue Leute kennen, sieht auch, welche Probleme diese Leute beschäftigen, kann Ratschläge geben und entgegen nehmen. Unter anderem war es auch gut zu hören, wie die Krankenversicherung in einem anderen Land funktioniert. Wichtig war für mich auch, was die Kolleginnen und Kollegen von ihrem System und von der EU halten.

Einheitskasse: Der falsche Weg Das deutsche System zeigt ganz klar, dass der Weg mit einer Einheitskasse in eine falsche Richtung geht. Die Krankenversicherer müssen ein freiheitliches System autonomer Krankenversicherer fördern. Denn bei uns würde es zu einem enormen Stellenabbau führen, und die Krankenversicherer müssen sich auf die Privatversicherungen konzentrieren. Kosten werden nicht eingespart. Wir würden noch höhere Ausgaben im Bereich des Gesundheitswesens haben. Die Einführung würde jahrelange Probleme in der Anfangsphase bringen. Die Verantwortung für die Geschäftsführung wäre Verantwortung der Einheitskasse und somit des Staates. Und wie die Erfahrung zeigt, kann der Staat nicht als Unternehmer tätig sein.  Florian Tinner


service Medikamenten-Hitparade wieder online

Keine Generika unter den umsatzstärksten Medikamenten

Ärzte-Migration I: In Deutschland wandern laut einem Bericht der NZZ am Sonntag immer mehr Ärzte ins Ausland ab – vor allem nach Nordamerika, Grossbritannien, in die Schweiz und nach Skandinavien. Die Gründe dafür sind laut der deutschen Ärztegewerkschaft bessere Verdienstmöglichkeiten und Arbeitsbedingungen in den Zielländern. Ärzte-Migration II: Weil das US-Gesundheitssystem die steigende Nachfrage nach Ärzten nicht mehr mit eigenen Studien-Absolventen decken kann, wandern jährlich rund 13 500 Mediziner aus dem Ausland ein. So gibt es laut NZZ in New York bereits mehr Ärzte aus Ghana als in der ghanesischen Hauptstadt Accra selber. Rücktritt: Nigel Crisp, der Direktor des staalichen britischen Gesundheitsdienstes NHS, ist zurückgetreten. Als Grund vermuten die britischen Medien die immer neuen Rekorddefizite des NHS. Die Kosten im Gesundheitswesen Grossbritanniens haben sich seit 1997 mehr als verdoppelt. Tarmed FL: Die Liechtensteiner Ärzte haben den Tarmed definitiv abgelehnt. Um einen vertragslosen Zustand zu vermeiden, hat die Regierung den bisherigen Tarifvertrag bis zum 30. September 2006 verlängert. Die Ärzte und die Krankenversicherer werden in der Zwischenzeit einen neuen Vertrag aushandeln – wohl ausserhalb des Tarmed-Schemas.

Die Medikamenten-Hitparade von santésuisse, welche die dreissig umsatzstärksten Medikamente aus dem Jahre 2004 zeigt, ist nach einer Überprüfung wieder online. Das Fazit bleibt das Gleiche: Kein einziges Generikum ist unter den Verkaufs-

rennern – wobei sich santésuisse vom neuen differenzierten Selbstbehalt diesbezüglich eine Verbesserung verspricht. Zudem werden die Top 30 von Cholesterinhemmern, Blutdrucksenkern und Medikamenten gegen psychische Erkrankungen do-

miniert. Das deutet darauf hin, dass der medikamentösen Behandlung oftmals der Vorzug vor der Prävention gegeben wird. Die Medikamenten-Hitparade finden Sie unter ­ www.santesuisse – Politik und Recht –Medikamente.

Mitbegründer des Büro BASS wechselt nach Neuenburg

Stefan Spycher wird neuer Leiter des Obsan Dr. Stefan Spycher, der Mitbegründer und bisherige Co-Geschäftsführer des Büros für arbeits- und sozialpolitische Studien BASS, ist der neuer Leiter des Gesundheitsobservatoriums

(Obsan). Den Ausschlag für seine Ernennung gaben laut der ObsanDirektion der wissenschaftliche Leistungsausweis Spychers sowie sein dichtes Kontaktnetz mit den wichtigsten Akteuren des schwei-

zerischen Gesundheitswesens. Spycher übernimmt die Gesamtleitung des Obsan am 1. September, wird sich aber ab Mitte April bereits mit zentralen Aspekten im Obsan vertraut machen.

Wie häufig werden Leistungen beansprucht?

Im Durchschnitt 5,7 Arztbesuche jährlich Foto: Prisma

News aus aller Welt

Von den Gesundheitskosten ist häufig die Rede, kaum jedoch von der Nutzung des Leistungsangebots durch die Versicherten. Ärzte, Spitäler und Pflegeheime heilen und pflegen jedes Jahr viele Patienten. Doch wie viele sind es genau und wie häufig nehmen sie Leistungen in Anspruch? 2004 sind die Versicherten durchschnittlich 5,7 Mal zum Arzt gegangen. Lediglich dreissig Prozent der Versicherten haben während des Jahres nie einen Arzt konsultiert. Die restlichen zwei Prozent fallen auf andere Konsultationen. Im gleichen Jahr haben sich neun Prozent der Versicherten mindestens einmal im Spital aufgehalten. Die Pflegeheimbewohner machten ein Prozent der Versicherten aus, während 1,5 Prozent der Versicherten Spitex-Dienste in Anspruch nahmen.


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SANTÉSUISSE – SERVICE

infosantésuisse  Nr. 4, April 2006

BKK lanciert Bündel von Präventionsmassnahmen

Deutschland: Initiativen für ein gesundes Altern Foto: Prisma

Die deutschen Betriebskrankenkassen (BKK) haben gleich ein ganzes Bündel von Präventionsmassnahmen lanciert, um die Auswirkungen der demografischen Alterung auf die Gesundheitskosten abzudämpfen. So werden in gewissen Siedlungen bewegungsfördernde Freizeitangebote für ältere Menschen geschaffen. Gleich mehrere Programme in verschiedenen Landesteilen gibt es zur Sturzprävention. Ziel ist es, zum Beispiel die Anzahl der Hüftfrakturen um vierzig Prozent zu senken. Präventive Hausbesuche sowie niederschwellige Betreuungs- und Beratungs­ angebote sollen den Senioren eine möglichst lange Phase der Selbstständigkeit ermöglichen. Schliesslich bietet die BKK auch Schulungen für pflegende Angehörige an.

«Prämienberatung CH» des Bundesamtes für Gesundheit

Neuer Beratungsdienst für optimale Prämiengestaltung Das Bundesamt für Gesundheit hat zusammen mit Organisationen aus dem Konsumentenschutz, der Patientenrechte und der Sozialberatung den Beratungsdienst «Prämienberatung

CH» aufgebaut. Er soll den Krankenversicherten helfen, die für ihre individuellen Bedürfnisse optimale Versicherungsvariante zu finden. Die Ratsuchenden können sich telefonisch an eine

der angeschlossenen Organisationen wenden. Laut der Broschüre der «Prämienberatung CH» soll die Bevölkerung vor allem für Kosten sparende Modelle wie HMO- und

Hausarztmodell oder telefonische Beratungszentren sensibilisiert werden. Die Broschüre ist im Internet unter www.bag.amin.ch/kv/ beratung/index.htm zu finden.

Abkommen mit dem Deutschen Institut für das Entgeltsystem unter Dach und Fach

Die künftige Abgeltung der Schweizer Spitäler nach Fallpauschalen wird sich nach dem deutschen Vorbild richten: Am 23. März haben Vertreter von SwissDRG, darunter santé­ suisse-Direktor Marc-André Giger, in Berlin den entsprechenden Kooperationsvertrag mit dem Deutschen Institut für das Entgeltsystem (InEK) unterzeichnet. Für den Verein SwissDRG war von Anfang an klar: Die Schweiz sollte nicht ein völlig neues Fallpauschalen-System

erfinden, sondern auf ein gut funktionierendes zurückgreifen und dieses an die schweizerischen Gegebenheiten anpassen. Dem Verein SwissDRG gehören alle betroffenen Akteure des schweizerischen Gesundheitswesens an. Hauptziele der Abrechnung über Fallpauschalen sind eine transparentere Spitalfinanzierung, eine leistungsgerechtere Abrechnung sowie die Förderung des Wettbewerbs unter den Spitälern.

Foto: Prisma

SwissDRG: Neue Spitalabgeltung vertraglich geregelt


SANTÉSUISSE – SERVICE

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infosantésuisse  Nr. 4, April 2006

Veranstaltungen Veranstalter

Besonderes

Datum/Ort

Weitere Informationen

Richtet sich vor allem an Journalisten

21. April 2006 Hotel Kreuz Bern

www.hplus.ch

H+ Fachseminar SwissDRG-KVG H+ Die Spitäler der Schweiz

Ausserkantonale Hospitalisation: Eine Tür zu mehr Wettbewerb im Gesundheitswesen? Zentrum für Sozialversicherungsrecht der Universität Luzern

Können alternative Spitalplanungskonzepte zu einer Verbesserung des Preis/Leistungsverhältnisses beitragen?

27. April 2006 www.unilu.ch Hotel Schweizerhof Luzern

13. Forum «Medizin und Umwelt» Institut für Sozial- und Präventivmedizin Thema: Chemie im Alltag der Universität Basel

27. April 2006 Hotel Arte, Olten

www.rvk.ch

Unter anderem mit BAG-Direktor Thomas Zeltner und Helsana-Konzernleiter Manfred Manser

4. Mai 2006 Allresto, Bern

www.sggp.ch

Eigenverantwortung und Gesundheitskompetenz

5. Mai 2006 www.medvantis.ch Hotel Palace, Bern

Zwischenbilanz TARMED Schweizerische Gesellschaft für Gesundheitspolitik (SGGP) Medvantis Forum 2006 Medvantis – Medizinisches Expertenzentrum

Schweizerisches Forum der sozialen Krankenversicherung Thema: Wettbewerb dank Vielfalt

11. Mai 2006 Kongresshaus Zürich

www.rvk.ch

Zeichnung: Marc Roulin

RVK – Verband der kleinen und mittleren Krankenversicherer

Wie solche Auswüchse der Telemedizin verhindert werden und stattdessen ihr Potenzial ausgeschöpft werden soll, lesen Sie auf den Seiten 16–17.


An der Wende zum Neuen!

Neuer Lehrgang Berufsprüfung

Die meisten Personen haben nicht zu wenig Wissen – ganz im Gegenteil: wir alle werden mit Informationen nur so überflutet. Entscheidend ist aber vor allem für den Berufsalltag, mit dem nötigen Grundwissen umzugehen, es bei konkreten Problemstellungen anzuwenden und gar vernetzen zu können. Oder einfach ausgedrückt: nicht mehr Wissen, sondern sicheres Anwenden ist gefragt! Basierend auf dem Berufsbildungsgesetz (BBG) sind die Ziele unseres revidierten Lehrgangs zur Berufsprüfung deshalb: • Sicherheit und Flexibilität im Berufsalltag gewährleisten. • Weiterentwickeln der Fachkompetenzen zur Bewältigung der Alltagsprobleme. • Basis für einen Aufstieg oder Wechsel im Betrieb oder gar den Branchenwechsel vorbereiten. • Qualifikationsnachweis für Arbeitgeber und Bildungsinstitute. • Und letztlich: Hilfe zur Selbsthilfe bei konkreten Problemstellungen und Fragen.

Welche Themen und Inhalte bieten wir an? Modul A: Versicherte Personen, Durchführung der Versicherung, Finanzierung, Produkte. Modul B: Leistungserbringer, Leistungen, Verträge und Tarife, Wirtschaftlichkeit. Modul C: Zweck und Formen der Taggeldversicherung, Anbieter, versicherte Leistungen, Koordination mit anderen sozialen Leistungserbringern (ALV, IV, BVG). Modul D: Streitigkeiten vor Versicherungs- und Schiedsgericht, Verfahren vor Regierungsund Bundesrat, Vorleistungspflicht, Koordinationsregeln, Regress. Modul E: Soziale Sicherheit als Teil der Sozialpolitik, Entstehung und Entwicklung, Rolle des Staates, ausgewählte Sozialversicherungen inkl. Leistungen und deren Finanzierung.

Dauer der Ausbildung Gesamtdauer des Lehrgangs: 18 Seminartage, verteilt auf 1 ½ Jahre. Davon 12 Seminartage Fachinhalt. 4 bis 5 Tage Repetition (nach jedem Modul wird ein Repetitionstag eingeschaltet.)

Informationsveranstaltung An der Informationsveranstaltung vom 1. und 13. Juni 2006 werden wir Sie gerne über die näheren Voraussetzungen, bezüglich der Lern- und Arbeitsmethode, sowie den neusten Reglementsbestimmungen zu dem neuen Lehrgang zur Berufsprüfung informieren. Durchführungsort: Hotel Arte, Riggenbachstrasse 10, Olten, jeweils morgens 09.30 Uhr oder nachmittags 14.00 Uhr / Unkostenbeitrag: CHF 45.–.

Anmeldung an: santésuisse Schulungsstelle Römerstrasse 20, 4502 Solothurn E-Mail: schulung@santesuisse.ch


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23.1.2006

18:48 Uhr

Seite 1

BERUFSPRÜFUNG SOZIALVERSICHERUNGS-FACHAUSWEIS 2006

RV053_For06_Ins_Infosantésuisse

24.3.2006

15:33 Uhr

8. Schweizerisches Forum der sozialen Krankenversicherung

Datum/Ort: 9./10./11. Oktober 2006, mündlich nach Aufgebot, in Aarau, Bern, Chur, Lausanne*, Luzern, St. Gallen, Winterthur, Zürich.

SVS

Prüfungsgebühr: Fr. 2’000.- + BBT-Urkunde

FEAS FIAS

Anmeldung: Bis 31. Mai 2006 mittels besonderem Anmeldeformular bei: SVS Prüfungskommission Deutschschweiz, Postfach 273, 8353 Elgg. *FEAS, Commission romande des examens, c/o Jean-Paul Coquoz, président, Wasserschöpfi 24, 8055 Zürich. Die Lehrgangsteilnehmer erhalten die Anmeldeunterlagen direkt zugestellt.

Wettbewerb dank Vielfalt im Gesundheitswesen

Wunschdenken oder echte Chance? Das Forum 2006 zeigt auf, warum Wettbewerb und Vielfalt für alle von Vorteil sind: Donnerstag, 11. Mai 2006, 09.30 bis 16.00 Uhr im Kongresshaus Zürich

Die Plattform für Vor- und Querdenker:

Prüfungskommission Deutschschweiz Sekretariat: Postfach 273 . 8353 Elgg Tel. 052 368 61 50 . Fax 052 368 61 51

Brennpunkt Gesundheitspolitik Gratis! Der neue Brennpunkt 1/2006: In erster Linie ist diese Publikation gedacht für Politiker, Medienleute, Kader der Krankenversicherer und alle an der Gesundheitspolitik interessierten Personen. Diese Gratis-Publikation von santésuisse erscheint viermal pro Jahr und ist ebenfalls als Abonnement erhältlich. Bitte einsenden oder faxen (032 625 41 51) an: santésuisse, Verlag, Postfach, 4502 Solothurn.

Dr. Ueli Heiniger, Schweizer Fernsehen «Club» Tagungsmoderation, Podiumsdiskussion Dr. Lukas Steinmann, Avenir Suisse Mut und Vertrauen in den Wettbewerb Stephan Sigrist, Gottlieb Duttweiler Institut (GDI) Neue Horizonte im Gesundheitsmarkt Claude Longchamp, gfs.bern Leitplanken für das Gesundheitswesen Philippe Milliet, Galenica AG Erwartungen an eine effiziente Medikamentenversorgung Prof. Dr.Thomas Zeltner, Bundesamt für Gesundheit (BAG) Wettbewerb für die Gesundheit Willy Palm, Association Internationale de la Mutualité, Brüssel Wettbewerb und Solidarität in der EU Dr. Charles Giroud, Präsident RVK Wettbewerb dank Vielfalt

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