infosantésuisse Nr.09/2006 deustch

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infosantésuisse Magazin der Schweizer Krankenversicherer Nr. 9, September 2006

Transparenz und Fairness gegenüber den Kantonen Seite 6

sondage santé: Bevölkerung für mehr Eigenverantwortung Seite 12

IM VISIER:

Transparenz in der Krankenversicherung


INHALT

infosantésuisse  Nr. 9, September 2006

SCHWERPUNKT 4 6 8 10 12

Transparenz in der Krankenversicherung: Die Karten liegen auf dem Tisch Transparenz und Fairness gegenüber den Kantonen Vorwürfe aus der Westschweiz: Tatsachen, Unkenntnis oder Polemik? Im Gespräch: Angelo Rabiolo, Leiter der Sektion Audit beim Bundesamt für Gesundheit sondage santé: Die Versicherten wollen mehr Eigenverantwortung tragen

GESUNDHEITSWESEN 4 Symposium Forum Managed Care 2006: Nahtstellen zwischen ambulant 1 und stationär

KRANKENVERSICHERUNG 6 1 18 20

Im Gespräch: Angelo Rabiolo, Leiter der Sektion Audit im BAG Seite 10

Im Gespräch: Damian Keller, Geschäftsführer der Krankenkasse Agrisano Im Gespräch: Marlise Vögtlin und Hans Wohler, Projektverantwortliche des Ressorts Ausbildung von santésuisse Der SVK im Jahr 2005

SERVICE 1 2 21 21 22 22 23 23

News aus aller Welt Neue Transplantationsmethoden: Unterschiedliche Aussichten Geschäftsbericht von santésuisse: Transparenz auch beim Branchenverband 100 000 gesunde Stunden in einer Woche Glutenallergie: Falsche Behandlung – hohe Kosten Veranstaltungen

Im Gespräch: Damian Keller, Geschäftsführer der Agrisano Seite 16

Neue Kaufmännische Grundausbildung: Erste Bilanz Seite 18

Nr. 9, September 2006 Erscheint zehnmal jährlich

Layout: Henriette Lux

Abonnementspreis: Fr. 69.− pro Jahr, Einzelnummer Fr. 10.−

Anzeigenverwaltung: Alle Inserate − auch Stelleninserate − sind zu richten an: «infosantésuisse», Römerstrasse 20, Postfach, 4502 Solothurn

Herausgeber und Administration: santésuisse, Die Schweizer Krankenversicherer, Römerstrasse 20, Postfach, 4502 Solothurn Verantwortliche Redaktion: Peter Kraft, Abteilung Politik und Kommunikation, Postfach, 4502 Solothurn, Tel. 032 625 42 71, Fax 032 625 42 70

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ISSN 1660-7228

Titelbild: Heiner Grieder, Langenbruck


EDITORIAL

infosantésuisse  Nr. 9, September 2006

Transparenz – eine verkannte Stärke der Branche

E Nikolai Dittli Verwaltungsrat santésuisse

rstaunlicherweise werden die Krankenversicherer immer wieder in jenem Punkt angegriffen, in dem sie jede andere Branche ausstechen: bei der Transparenz. Vor allem nach Prämienrunden häufen sich die Klagen in Politik und Medien, wonach nicht klar sei, wie genau die Prämien berechnet und wie sie schliesslich verwendet würden. Deshalb lohnt sich ein Blick auf die Fülle von Informationen über die Krankenversicherung, die den Behörden und zum grössten Teil auch der Öffentlichkeit zugänglich sind. Jedes Jahr liefern die Krankenversicherer dem Bundesamt für Gesundheit (BAG) ihre Betriebsrechnungen und Geschäftsberichte nach definiertem Muster ab. Das BAG erstellt daraus die Aufsichtsdaten, die auch publiziert werden. Jedermann kann sich so über Einnahmen, Ausgaben, Reserven, Risikoausgleichszahlungen oder Verwaltungskosten jedes einzelnen Versicherers informieren. Für die Prämienbewilligung kommen zu diesen Angaben noch die Hochrechnungen für das laufende und die Prognose für das kommende Jahr hinzu – all dies selbstverständlich nach Prämienregionen gegliedert. Die Kantone haben die Möglichkeit, alle Informationen, die dem BAG zur Prämienbewilligung vorliegen, ebenfalls einzusehen. Um ganz sicher zu gehen, können die Bundesbehörden bei den Krankenversicherern unangemeldet Kontrollbesuche vornehmen. In diesem Rahmen müssen die Kassen den Auditoren alle Informationen vorlegen, die für die Inspektion von Bedeutung sind. Sollte ein Krankenversicherer seine Tätigkeit nicht korrekt ausüben, steht dem BAG ein umfangreicher Sanktionskatalog zur Verfügung, der bis zum Entzug der Betriebsbewilligung reicht.

Neben den gesetzlichen und behördlichen Anforderungen müssen sich die Krankenversicherer aber auch privaten Organisationen stellen: Bei der immer höheren Prämienbelastung ist klar, dass unsere Branche im Fokus der Vergleichsdienste und des Konsumentenschutzes steht. Erheblich ist auch der Beitrag, den die Krankenversicherer von sich aus zur Transparenz leisten: Sie übermitteln ihre anonymisierten Rechnungs-Daten dem Datenpool von santésuisse, der wiederum Grundlage für eigene Analysen, aber auch für Studien und Statistiken von Obsan und BAG ist. Warum werden die Krankenversicherer trotz all dem immer wieder wegen «fehlender Transparenz» attackiert? Ein wichtiger Grund liegt sicherlich im mangelhaften Systemwissen der Bevölkerung, das sich regelmässig in Umfragen wie der sondage santé manifestiert. Eine wichtige Aufgabe von santésuisse, aber auch der einzelnen Krankenversicherer, ist also die Information der Versicherten. Wir müssen falsche Vorstellungen und Vorurteile abbauen, damit eine grosse Stärke der Branche – ihre Transparenz – nicht länger ständig in eine Schwäche umgedeutet wird.


SCHWERPUNKT

infosantésuisse  Nr. 9, September 2006

Die Transparenz in der Krankenversicherung ist mehrfach gewährleistet

Die Karten liegen auf dem Tisch Dubiose Prämienberechnungen, Anhäufung von Reserven, horrende Verwaltungsausgaben: Gewisse Politiker und Medien werden nicht müde, den Krankenversicherern solche Auswüchse mangelnder Transparenz vorzuwerfen. Weil, wie verschiedene Bevölkerungsumfragen zeigen, die Schweizerinnen und Schweizer über das Krankenversicherungssystem nur ungenügend informiert sind, finden diese Unwahrheiten oft fruchtbaren Boden. Tatsache ist hingegen: Es gibt wohl keine andere Branche als die soziale Krankenversicherung, deren Tätigkeit genauer beaufsichtigt und dokumentiert wird.

D

ie obligatorische Krankenpflegeversicherung (OKP) wird von mehreren, voneinander unabhängigen Institutionen monitorisiert. Die gesetzlich vorgesehene Aufsichtsstelle ist das Bundesamt für Gesundheit (BAG), das zu diesem Zweck über ein breites und wirksames Instrumentarium verfügt. Doch auch private Institutionen wie InternetVergleichsdienste oder der Konsumentenschutz und nicht zuletzt die Krankenversicherer selber leisten einen erheblichen Beitrag zu einer hohen Transparenz in der OKP.

Beleuchtung aus vielen Blickwinkeln Artikel 21 des KVG gibt dem BAG das Recht, von den Versicherern alle «erforderlichen Auskünfte und Belege» zu ver-

langen. Es kann auch jederzeit unangemeldete Inspektionen durchführen: Dabei muss der Versicherer den Behörden Zugang zu sämtlichen Informationen gewähren, die «im Rahmen der Inspektion relevant» sind. Das BAG kann den Versicherern ausserdem Weisungen zur korrekten Anweisung des KVG geben und bei Nichtbefolgen Sanktionen aussprechen, die bis zum Verbot der Durchführung der sozialen Krankenversicherung gehen. Diese gesetzlichen Befugnisse und Pflichten nimmt das BAG hauptsächlich aus drei Blickwinkeln wahr. Rückblickend werden die Betriebsrechnungen und Geschäftsberichte, die dem Bundesamt nach genau festgesetztem Muster einzureichen sind, minutiös kontrolliert. Von besonderem Interesse sind dabei die Verwaltungskosten. Sie liegen heute mit 5,6 Prozent deutlich

tiefer als etwa bei den Unfall- oder den Privatversicherern. Die Überprüfung der Betriebsrechnungen kann auch die Bevölkerung nachvollziehen: Das BAG veröffentlicht in den Aufsichtsdaten zur OKP pro Versicherer und Region Angaben wie Einnahmen, Ausgaben, Reserven und Verwaltungsaufwand. Unmittelbar nimmt das BAG sowohl angemeldete als auch unangemeldete Kontrollbesuche am Sitz der Krankenversicherer vor (mehr zu diesen Audits auf den Seiten 10 bis 11). Und über das Prämiengenehmigungsverfahren können die Behörden ihre Kontrollfunktion auch in die Zukunft hinaus wahrnehmen.

Breit abgestützte Prämiengenehmigung Die obligatorische Krankenversicherung verfolgt keinen Erwerbszweck und wird

Transparenz in der Krankenversicherung – Stellungnahmen des Bundesrats Die jährlichen Prämienerhöhungen führen immer wieder zu Vorwürfen an die Krankenversicherer, insbesondere was die Transparenz in der Prämiengestaltung betrifft. Im letzten Herbst wurden diesbezüglich einige parlamentarische Vorstösse eingereicht. Die Antworten des Bundesrates dazu im Überblick: • Der Bundesrat hält fest, dass sich Krankenversicherer und Aufsichtsbehörden bei der Prämiengestaltung an objektive und gesetzlich festgelegte Kriterien halten. Weiter stellt die Landesregierung klar, dass – allen Vorwürfen bezüglich Verwaltungskosten zum Trotz – seit Einführung des KVG rund 95 Prozent der Prämieneinnahmen zur Deckung von Versicherungsleistungen verwendet worden sind. • Die Aufsichtsdaten und Statistiken des BAG belegen: Prämien und Kosten nehmen im längerfristigen Verlauf einen ähnlichen Verlauf. Treten in einem Jahr (in einzelnen Kantonen) Abweichungen auf, werden sie in den Folgejahren wieder ausgeglichen. • Die Reserven der Krankenversicherer liegen nur knapp über dem gesetzlichen Minimum. Prämiendifferenzen zwischen

den einzelnen Kassen sind zum grössten Teil durch unterschiedliche Nettoleistungen, die durch den Risikoausgleich nicht wettgemacht werden, bedingt – und nicht etwa durch den unterschiedlichen Reservenstand. Auch auf das generelle Prämienniveau haben die Reserven einen geringen Einfluss: Nur fünf Prozent des Prämienanstiegs (nicht des Prämienvolumens!) sind auf sie zurückzuführen. • Der Bundesrat widerlegt schliesslich die Behauptung, die Verluste der Krankenversicherer in den Jahren 2000 bis 2002 seien auf risikoreiche Börsengeschäfte zurückzuführen: Auch in diesen Jahren resultierte ein kumulierter Finanzgewinn von 560 Millionen Franken. In den letzten Jahren liegen die durchschnittlichen Kapitalerträge der Krankenversicherer bei zwei bis drei Prozent. Dies spricht für eine verantwortungsvolle Anlagepolitik. Mehr zu den Klarstellungen des Bundesrats zur Transparenz in der Krankenversicherung findet sich in «Brennpunkt Gesundheitspolitik», 1/06. Download: https://www.santesuisse.ch/ icms/pubinhalte/uploads/de_bp_1_06_d.pdf


Die Arbeit der Krankenversicherer wird mehr als gut beleuchtet.

im Umlageverfahren finanziert: Die eingenommenen Prämien werden direkt für die Versicherungsleistungen aufgewendet. Grob gesagt müssen die Prämien also den Kosten entsprechen. Doch ganz so einfach ist die Sache nicht: Wenn ein Krankenversicherer die Prämien für das Folgejahr kalkuliert, kennt er noch nicht einmal die Kosten des laufenden Jahres. Er muss also seine künftigen Aufwendungen schätzen. Das BAG überprüft die Schätzungen der Versicherer mit Hilfe eines Kostenprognosemodells, das von Behörden und Versicherern gemeinsam entwickelt wurde (mehr dazu auf den Seiten 6 und 7). Darüber hinaus berücksichtigt das BAG bei der Prämiengenehmigung – genauso wie die Versicherer bei ihren Schätzungen – den Stand der Reserven und die Zusammensetzung der Versicherten. Letztere bestimmt darüber, ob und wie viel ein Krankenversicherer in den Risikoausgleich einbezahlt. Die Prämiengenehmigung des Bundes wurde 2003 von externen Experten unter die Lupe genommen. Die Studie1 stellt den Entscheidungen der Behörden ein

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Foto: Prisma

SCHWERPUNKT

gutes Zeugnis aus. Die Prämien, die bewilligt worden seien, bewegten sich im unteren Bereich des Möglichen. Ausserdem trage das Prämienfindungsverfahren nichts zu den stetig wachsenden Kosten in der Grundversicherung bei.

Brennpunkt Reserven Ein besonderer Kritikpunkt sind die Reserven: Die Krankenversicherer würden Prämien verlangen, die nicht den Kosten entsprächen, um Reserven anzuhäufen, so der Vorwurf. Das Gegenteil ist der Fall: Die Krankenversicherer stehen miteinander in einem Prämienwettbewerb und versuchen, die Beiträge möglichst niedrig zu halten. Das beweist die Tatsache, dass die Reserven 2004 im Durchschnitt nur knapp über dem gesetzlichen Minimum lagen. Die aktuellen Geschäftsberichte der Krankenversicherer lassen den Schluss zu, dass sich dies auf 2005 nicht geändert hat. In Zukunft wird sogar einen Abbau der Reserven eintreten, weil der Bundesrat die gesetzlichen Mindestreserven von 15 auf 10 Prozent2 gesenkt hat.

Beträchtlicher Beitrag der Versicherer Neben der Aufsicht des Bundes stehen die Krankenversicherer auch im Fokus von privaten Organisationen: Unabhängige Internet- und andere Vergleichsdienste ebenso wie die Organisationen des Konsumentenschutzes beschäftigen sich zum Teil intensiv mit der Krankenversicherung. Nicht zuletzt leisten jedoch die Versicherer selber einen beträchtlichen Beitrag zur Transparenz: Der Datenpool von santésuisse enthält anonymisierte Daten zu den von den Versicherten bezogenen Leistungen. Neben eigenen Auswertungen stellt santésuisse die Zahlen des Datenpools sowohl dem Gesundheitsobservatorium (Obsan) als auch dem BAG zur Verfügung. Letzteres stellt damit der Öffentlichkeit via Internet und Medien ein alle drei Monate aktualisiertes Kosten-Monitoring sowie jedes Jahr die Statistik der obligatorischen Krankenversicherung zur Verfügung. Diese Statistik verarbeitet ferner auch Daten aus dem Risikoausgleich, Angaben der Kantone zur Prämienverbilligung und die Zahlen des BAG aus der Prämiengenehmigung.

Bundesrat zerstreut Bedenken – bleibt aber wachsam Der Bundesrat hat in mehreren Stellungnahmen ausdrücklich betont, dass die Transparenz in der Krankenversicherung gewährleistet ist und die Aufsicht funktioniert (siehe Kasten). Dass diese Aussage nicht auf blindem Vertrauen, sondern auf einer ständigen Prüfung der Fakten gründet, zeigt die Antwort des Bundesrates auf das Postulat Robbiani vom 6. Oktober 2005: Er schlägt darin einen umfassenden Bericht über die Transparenz in der Krankenversicherung vor. Sollten sich Lücken zeigen, ist der Bundesrat bereit, gesetzliche und organisatorische Massnahmen zu erarbeiten. Die Transparenz der Krankenversicherung wird also auch in Zukunft ständig auf dem Prüfstand bleiben.  Peter Kraft

Kägi, Koller, Staehelin, Schäfli (2003), Veränderungen im Bereich der Prämiengenehmigung aufgrund des KVG in «Beiträge zur sozialen Sicherheit», Forschungsbericht Nr. 23/03, BSV, Bern 2 Dies gilt für Kassen mit über 150 000 Versicherten – für kleinere Versicherer wurde der Mindestreservesatz von 20 auf 15 Prozent gesenkt. 1


SCHWERPUNKT

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Keine Quersubventionierung durch kantonale Prämienerhöhungen

Transparenz und Fairness gegenüber den Kantonen

Foto: Keystone

Manche Kantone beklagen, die Prämienentwicklung in der obligatorischen Krankenversicherung sei nicht nachvollziehbar. Sie äussern dabei manchmal sogar den Vorwurf, die Krankenversicherer würden mit zu starken Prämienerhöhungen in den einen Kantonen ungenügende Reserven in den anderen ausgleichen. Diese Vorwürfe gründen jedoch auf falschen Annahmen und auf der Ausklammerung von wichtigen Fakten.

Auch in kantonalen Belangen ist die Krankenversicherung transparent.

N

ach der Bekanntgabe der Prämien im letzten Herbst empörten sich vor allem die Tessiner Gesunheitsdirektorin Patrizia Pesenti und ihr Walliser Amtskollege Thomas Burgener über die Erhöhungen in ihren Kantonen: Sie würden nicht die Kostenentwicklung des Vorjahres widerspiegeln, monierten sie. Ganz abgesehen davon, dass die Prämieneingaben der Krankenversicherer auch die Kostenprognosen für das laufende und das kommende Jahr berücksichtigen, haben Pesenti und Burgener bei ihrer Argumentation einige entscheidende Fakten beiseite gelassen.

Beispiel Tessin: Einmalige Nachzahlungen Im Kanton Tessin stiegen die Kosten im Jahr 2004 «nur» um 0,8 Prozent. Trotzdem folgte mit der Prämienrunde auf das Jahr 2006 eine Präm ienerhöhung von durchschnittlich 5,6 Prozent. Der Tessiner Regierungsrätin Patrizia Pesenti missfiel dies offensichtlich: Es gebe «keinen Zusammenhang mehr» zwischen der Entwicklung von Kosten und Prämien, erklärte sie den Medien. Den Krankenversicherern machte sie unverhohlen den Vorwurf, mit Tessiner Prämiengeldern in anderen Kantonen die Reserven zu sanieren. Sie vergass jedoch, den offensichtlichen Grund für das geringe Kostenwachstum im Tessin zu erwähnen: 2003 mussten die Krankenversicherer rückwirkend für drei Jahre 25 Millionen Franken an die private Herzklinik Cardiocentro überweisen. Der Bundesrat hatte Ende 2002 entschieden, dass diese Einrichtung nicht von der öffentlichen Hand mitfinanziert wird. Bereinigt man die Zahlen um diesen einmaligen Effekt, so liegt das Kostenwachstum von 2003 auf 2004 bei vier Prozent: Weil die Kosten 2003 aussergewöhnlich hoch ausfielen, war das Wachstum auf 2004 entsprechend geschönt. Bereits 2005 wies das

Tessin wieder ein Kostenwachstum von beinahe sieben Prozent auf. Die letzte Prämienerhöhung im Tessin ist also bei genauer Betrachtung plausibel.

Beispiel Wallis: Abrechnungsprobleme Gar «stocksauer» war der Walliser Gesundheitsdirektor Thomas Burgener im Herbst 2005 ob der Prämienerhöhung von ebenfalls 5,6 Prozent in seinem Kanton. Burgener stellte diese Prämienerhöhung dem kantonalen Kostenwachstum von 1,4 Prozent gegenüber. Diese Zahl berücksichtigt allerdings nicht, dass das Gesundheitsnetz Wallis bis November 2004 benötigte, um seine Rechnungen nach TARMED auszustellen. Viele dieser Rechnungen wurden erst 2005 beglichen – und prompt wies das Wallis in diesem Jahr mit 6,1 Prozent ein bedeutend höheres Kostenwachstum auf.

Sachliche Information nötig Die beiden Gesundheitsdirektoren liessen in ihrer Argumentation nicht nur die aussergewöhnlichen Umstände weg, die zu der gemässigten Kostenerhöhung 2004 führten – sie erwähnten auch nicht, dass bei der Prämienberechnung die erwartete Kostenentwicklung für das laufende und für das folgende Jahr ebenfalls mit einbezogen werden müssen. Sowohl im Wallis als auch im Tessin gibt es umstrittene Reformen im Spitalbereich. Beide wurden mit dem Versprechen realisiert, dass sie zu Einsparungen führen würden. Steigen die Prämien trotzdem, wirft dies – auf den ersten Blick – ein schlechtes Licht auf die Neuerungen. Es ist nachvollziehbar, dass die Gesundheitsdirektoren in so einer Situation ihr Werk verteidigen. Doch würden sie das besser durch sachliche Erklä-


SCHWERPUNKT

Das gleiche gilt für den Vorwurf der mangelnden Transparenz. Die Höhe der neuen Prämien trifft die Kantone keineswegs jeden September aus heiterem Himmel. Im Krankenversicherungsgesetz (KVG) steht unter Artikel 21a: «Die Kantone können bei den Versicherern die gleichen amtlichen Dokumente einholen, die von der Bundesbehörde für die Genehmigung der Prämientarife benötigt werden.» Die Kostenstatistik des santésuisse-Datenpools ist der Bevölkerung über den Internetauftritt des Bundesamts für Gesundheit (BAG) zugänglich und wird dort vierteljährlich aktualisiert («BAG-Kostenmonitoring»). Schliesslich wertet auch das Gesundheitsobservatorium, das seinen Leistungsauftrag von Bund und Kantonen erhält, diese Statistik für seine Studien aus. Für den Prämiengenehmigungsprozess selber hat die Zürcher Hochschule Winterthur im Auftrag des BAG, der Gesundheitsdirektorenkonferenz und von santésuisse ein statistisches Kostenprognosemodell entwickelt. Das Modell arbeitet mit Zahlen des santésuisse-Datenpools, ergänzt mit Datenreihen zum Anteil der über 65-jährigen, zu den Ärztedichten und zum Anteil der Versicherten mit hoher Franchise. Durch spezielle statistische Methoden wird der Einfluss von Problemfeldern (kurze Zeitreihen, Ausreisser, Strukturbrüche im KVG, nicht messbare Grössen wie der medizinische Fortschritt) minimiert. Das Kostenprognosemodell generiert Schätzwerte in absoluten und relativen Zahlen für die kommenden vier Jahre. Es wird von den Partnern laufend evaluiert und weiterentwickelt. So konnte bereits ein Kassenprognosenmodell geschaffen werden, das die Entwicklungen bei den einzelnen Versicherern abschätzt: Diese sind schliesslich entscheidend für die Prämienfindung. Bis 2007 befindet sich das Modell in einer Testphase. Das BAG gibt seine Prognosen jeweils direkt an die Versicherer und die Kantone weiter. Auch letztere sind also über die Grundlagen informiert, nach denen das BAG die Prämiengenehmigung durchführt.  Peter Kraft

Die Kosten- und Prämienentwicklung verläuft dann im Gleichschritt, wenn die Nettokosten1 längerfristig den Bruttoprämien2 minus Verwaltungsaufwand entsprechen. Für die Gesamtschweiz ist dies der Fall, wie Auswertungen des santésuisse-Datenpools zeigen: Zwischen 1997 und 2005 machten die Nettoleistungen 94,6 Prozent der Bruttoprämien aus – die Differenz entspricht mit 5,4 Prozent ziemlich genau dem Verwaltungsaufwand der Krankenversicherer. Damit ist ausgesagt, dass die Krankenversicherer die Prämien den steigenden Kosten entsprechend anpassen. Bleibt die Frage der Quersubventionierung innerhalb der Kantone. Diese würde dann stattfinden, wenn sich das Verhältnis der Nettoleistungen zu den Bruttoprämien (im folgenden VNB) in einzelnen Kantonen stark vom schweizerischen Durchschnitt abheben würde. Tatsächlich zeigte der Datenpool diesbezüglich in manchen Kantonen zu Beginn der KVG-Ära beträchtliche Abweichungen. Sie erklären sich wohl mit den geringen Erfahrungen, die man damals mit der Auswirkung des neuen Gesetzes auf die Kostenentwicklung hatte. Dies erschwerte die Kostenprognosen für die einzelnen Kantone erheblich. Je länger

das KVG Bestand hatte, desto geringer wurden jedoch die Abweichungen des VNB in den einzelnen Kantonen im Vergleich zum gesamtschweizerischen Mittel: Die entsprechende statistische Kennzahl, die Standardabweichung, ist seit 1997 bis 2005 kontinuierlich von 0,058 auf 0,028 gesunken. Ein weiterer Hinweis darauf, dass sich die Prämien und Kosten längerfristig im Gleichschritt entwickeln: Praktisch bei allen Kantonen, in denen bei Einführung des KVG 1997 die Prämien zu niedrig eingeschätzt wurden (die also im Vergleich zu den Prämien zu hohe Leistungen aufwiesen), herrschte in der Folge Nachholbedarf: Die Prämien stiegen bis 2005 im Durchschnitt leicht mehr als die Kosten. Im umgekehrten Fall – wenn der Prämienbedarf 1997 zu hoch eingeschätzt wurde – ist dies in den Folgejahren durch ein im Vergleich zu den Kosten langsameres Prämienwachstum kompensiert worden (siehe Grafik).

Tatsächlich von der Versicherung übernommene Leistungen, d.h. Summe der eingegangenen Rechnungen minus Kostenbeteiligung 2 Tatsächlich eingenommene Prämien, d.h. von den Versicherten bezahlte Beiträge (inkl.Prämienverbilligung) 1

Wurden 1997 die Prämien zu niedrig eingeschätzt (Nettoleistungen mehr als ca. 95% der Bruttoprämien), mussten in der Folge die Prämien stärker wachsen, um das Missverhältnis auszugleichen. 1,25 TG

1,20 BS

1,15 1,10 GE

1,05

NE

JU

1,00 VS

0,95 0,90

ZG BE

0,85 0,80 80,0%

CH

85,0%

90,0%

95,0%

100,0%

105,0%

110,0%

Nettoleistungen in % der Prämien 1997

Beispiel Bern: 1997 betrugen die Nettoleistungen nur 87% der Prämien – die Prämien waren also zu hoch angesetzt. In der Folge wurde dies durch ein im Vergleich zu den Nettokosten langsameres Prämienwachstum kompensiert (Verhältnis 0,865). Umgekehrt in Thurgau: Die Nettoleistungen betrugen 1997 über 107% der Prämien – diese waren also massiv zu tief. Das musste in der Folge mit Prämien kompensiert werden, die stärker stiegen als die Leistungen.

Quelle: santésuisse

Transparenz auch gegenüber den Kantonen

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Kosten- und Prämienentwicklung: Immer bessere Übereinstimmung

Wachstum der Prämien im Verhältnis zum Wachstum der Nettoleistungen von 1997 bis 2005

rung der Prämienerhöhungen tun – sitzen Krankenversicherer und Kantone letztlich doch im gleichen Boot.


SCHWERPUNKT

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Tatsache, Unkenntnis oder Polemik?

Vorwürfe aus der Westschweiz: Fehlende Transparenz? Der häufigste Vorwurf aus der Romandie an die Krankenversicherer ist die angeblich fehlende Transparenz. santésuisse geht diesem Vorwurf nach: Ist er wirklich gerechtfertigt, oder gründet er möglicherweise auf fehlender Kenntnis des Systems? Oder steckt sogar einfach Polemik dahinter?

A

uf jeden Fall ist das Ganze nicht transparent. Dieser Kommentar ist in der Westschweiz so oder ähnlich häufig zu hören. Allerdings ist manchmal nur schwer nachvollziehbar, worauf genau diese Haltung gründet. Fundierte Anschuldigungen oder blosse Polemik? Es lohnt sich auf jeden Fall, den wichtigsten Vorwürfen gegen die Krankenversicherer nachzugehen.

Prämien entsprechen den Kosten Über lange Sicht steigen die Prämien parallel zu den Kosten (siehe Tabelle). Im Vergleich der Prämieneinnahmen (vor Abzug der Verwaltungskosten) mit den erbrachten Leistungen fällt auf, dass alle Westschweizer Kantone mit Ausnahme von Freiburg im Jahr 2001 ein Defizit aufweisen. Im Jahr 2002 ist noch der Kanton Wallis defizitär, 2003 und 2004 fallen in allen Kantonen steigende Mehreinnahmen an. Diese haben zum grossen Teil zur Äufnung der Reserven gedient. 2005 waren die Reserven aufgestockt, die Mehreinnahmen gingen folgerichtig stark zurück – vor allem in den Kantonen Waadt und Genf. Einnahmen und Ausgaben wiegen sich also letztlich auf.

Trennung von Zusatzversicherung und Grundversicherung Die Trennung zwischen Grund- und Zusatzversicherung ist durch das Gesetz vorgegeben und wird durch die Krankenversicherer strikte umgesetzt. Die Bearbeitung der Rechnungen und Dossiers sowie die Personalkosten werden in den beiden Versicherungstypen buchhalterisch separat behandelt. Die Verwaltungskosten belaufen sich auf 5,6 Prozent für die Grundversicherung und auf über zehn Prozent für die Zusatzversicherungen. Diese kön-

nen Gewinne generieren, während die Grundversicherung nicht gewinnorientiert ist. Es trifft indessen zu, dass ein Dossier versicherungsintern jeweils von den gleichen Personen bearbeitet wird, sobald die versicherte Person sowohl die Grund- als auch die Zusatzversicherungen bei der gleichen Versicherungsgesellschaft hat. Dennoch verfügen die Versicherer auch in solchen Fällen über einen strikten Verteilschlüssel der Tätigkeiten. Auf diese Weise lassen sich Synergien nutzen und Einsparungen erzielen, die wiederum den Versicherten zu Gute kommen.

Risikoselektion Den Krankenkassen wird zuweilen vorgeworfen, Betagten, Kranken oder Sozialhilfeabhängigen den Eintritt durch verwaltungstechnische Manöver zu verwehren. Hier sei daran erinnert, dass die Krankenversicherer von Gesetzes wegen verpflichtet sind, jede versicherungspflichtige Person, die einen Antrag stellt, aufzunehmen (Art. 4 Abs. 2 KVG). Verstösse gegen diese Bestimmung werden vom BAG geahndet. Zudem hat jeder qualitätsbewusste Versicherer ein Interesse daran, seinen Versicherten innerhalb nützlicher Frist zu antworten. Dennoch kann es vorkommen, dass bei grossen Verschiebungen von Versicherten zu einer Kasse mit einem relativ kleinen Bestand kurzfristig ein gewisser Rückstau entsteht. In einem solchen Fall muss der Versicherer das Personal aufstocken und die Strukturen anpassen, was nicht immer innerhalb kurzer Frist möglich ist. Zudem müssen Versicherer mit einem hohen Anteil an gesunden Versicherten einen erheblichen Beitrag an den Risikoausgleich leisten. Dieses Organ nimmt dann die Verteilung der Beträge

an Versicherer mit «schweren» Fällen vor. Die Modalitäten dieses Ausgleichsinstrumentariums stehen im Parlament zur Debatte. Der Ständerat hat beschlossen, die Kriterien zu verfeinern.

Öffentlich statt privat geführte Kassen Hin und wieder wird auch die Forderung nach einer öffentlichen Verwaltung der Krankenversicherung laut. Neue Konkurrenz ist immer erwünscht, sofern alle gleich lange Spiesse haben. Insofern ist zentral, dass die öffentlichen Kassen bezüglich Reserven und Rückstellungen den gleichen Bedingungen wie die privaten Unternehmen unterliegen. Die Idee von öffentlich geführten Kassen ist nicht neu. So verfügte namentlich der Kanton Tessin über gemeindeübergreifende Kassen. Diese Strukturen sind allerdings vor über zehn Jahren wegen finanzieller Schwierigkeiten aufgelöst worden, insbesondere weil sie den Kunden kein Taggeld bei Erwerbsausfall oder Zusatzversicherungen anbieten konnten.

BAG: Aufsicht und Genehmigung der Prämien Die Aufsicht der Krankenkassen ist effizient. Das BAG führt jährliche Audits nach strengen Kriterien durch, gibt detaillierte Empfehlungen ab und überprüft deren Anwendung (siehe Interview auf den Seite 10 und 11). Desgleichen entbehrt die Behauptung, das BAG akzeptiere jeden Prämienantrag, jeder Grundlage. Die Anträge werden eingehend geprüft und die Prämien nach oben beziehungsweise nach unten korrigiert, falls sie nach Einschätzung des BAG nicht der finanziellen Lage der Kasse und der Kostenentwicklung entsprechen.


Managerlöhne

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betroffen, wenn es darum geht, ob sie künftig Kopfprämien oder massive Gesundheitssteuern bezahlen müssen oder ob die Wahlfreiheit abgeschafft wird. Insofern ist die Verwendung eines minimalen Teils der Prämieneinnahmen zu Informationszwecken der Versicherten und politischen Kreise gesetzeskonform.

Die Krankenversicherer sind privatwirtschaftliche Unternehmen. Sie sind nicht börsenkotiert. Die Gehälter der Direktoren der Kassen befinden sich massiv unter den Salären, die zum Beispiel in der Pharmaindustrie für vergleichbare Positionen üblich sind. Sie sind mit den in den KMU bezahlten Löhnen vergleichbar.

gelmässig Angaben über die Kostenentwicklung im Gesundheitswesen zur Information der Öffentlichkeit.

Kein Status quo Es wurden zahlreiche Bemühungen unternommen, um die Transparenz im Bereich Krankenversicherung sicherzustellen: Gesetzgebung bezüglich Trennung von Grundversicherung und Zusatzversicherungen, Weisungen bezüglich Geschäftsberichte, Online-Aufsichtsdaten, Gesundheitskosten und Reservequoten pro Kanton. Im Übrigen sind die Prämienanträge der Versicherer den kantonalen Behörden zugänglich. santésuisse bemüht sich zudem um Information und transparente Strukturen in den Abläufen der Krankenversicherung. Von fehlender Transparenz kann also nicht die Rede sein, der Vorwurf entspricht der Wirklichkeit in keiner Weise.  Nicole Bulliard

Datenpool als gefragtes Instrumentarium

Verwendung von Prämiengeldern für Werbekampagnen oder Lobbying

Seit einigen Jahren hat santésuisse mit dem Datenpool ein leistungsfähiges Instrument zur effizienten Dokumentation der Kostenentwicklung in der Krankenversicherung. Das Instrument hat sich bewährt, werden die Daten doch auch vom BAG und dem Schweizerischen Gesundheitsobservatorium verwendet und ausgewertet. Der Datenpool wird auch von Leistungserbringern und von politischer Seite geschätzt. santésuisse publiziert re-

Gemäss Artikel 21 ATSG sind die Krankenkassen «verpflichtet, die interessierten Personen über ihre Rechte und Pflichten aufzuklären». Eine versicherte Person hat Anspruch darauf, zu erfahren, ob sie in Zukunft die Kasse wechseln kann, wie das heute der Fall ist, oder ob mit einer Monopolsituation zu rechnen ist. Denn die Rechte der Versicherten sind direkt

SCHWERPUNKT

OKP: Prämien, Nettoleistungen und Bruttoerfolg (in Mio. CHF)

GE

VD

1997

1998

Bruttoprämie

944

992

1004

Nettoleistung

894

980

Bruttoerfolg

49

Bruttoprämie Nettoleistung Bruttoerfolg

VS

NE

JU

2000

2001

2002

2003

2004

2005

1062

1130

1242

1315

1397

1423

978

1030

1133

1193

1138

1197

1299

11

26

32

-3

48

176

200

124

1344

1394

1436

1442

1506

1632

1778

1885

1927

1251

1265

1299

1411

1520

1568

1642

1678

1779

93

129

137

30

-13

64

136

206

147

Bruttoprämie

440

434

439

447

460

501

555

606

638

Nettoleistung

396

391

417

460

487

515

553

560

602

Bruttoerfolg

44

43

21

-12

-26

-13

1

46

35

Bruttoprämie

315

349

358

365

376

411

444

482

496

Nettoleistung

302

337

313

375

394

399

416

449

452

Bruttoerfolg

13

12

44

-10

-17

12

27

33

43

Bruttoprämie

124

135

135

141

151

162

171

182

186

Nettoleistung

122

128

141

142

152

157

146

157

171

1

6

-6

-1

-1

5

25

25

15

Bruttoprämie

386

396

405

428

452

495

530

558

581

Nettoleistung

389

369

389

407

438

468

481

503

544

-3

27

15

21

14

27

49

55

37

Bruttoerfolg

FR

1999

Bruttoerfolg

Bruttoerfolg 1997 – 2005

Bruttoprämie 1997 – 2005

Verwaltungskosten 1997–2005*

666

10 512

631

931

14 349

861

139

4 524

271

159

3 601

216

70

1 390

83

245

4 237

254

Quelle: santésuisse Datenpool Bruttoprämie minus Nettoleistungen ergibt den Bruttoerfolg. Davon sind aber die Verwaltungskosten der Krankenversicherer noch nicht bezahlt. Der kumulierte Bruttoerfolg über die Jahre 1997 entspricht in keinem der Kantone wesentlich mehr als den kumulierten Verwaltungskosten.   Das heisst, dass die Krankenversicherer nirgends zu hohe Prämien verlangt haben. In den meisten Kantonen wurden sogar Reserven abgebaut. * Für die Schätzung der Verwaltungskosten wurde ein Durchschnittswert über die Jahre von 6% angenommen.


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SCHWERPUNKT

infosantésuisse  Nr. 9, September 2006

Im Gespräch: Angelo Rabiolo, Leiter der Sektion Audit beim Bundesamt für Gesundheit

«Wir beachten die Rückmeldungen der Versicherten» Die Tätigkeit der Krankenversicherer wird vom Bundesamt für Gesundheit (BAG) genau überwacht. Eine von vielen Möglichkeiten dazu sind die Audits: Kontrollbesuche des BAG bei den einzelnen Krankenkassen. Angelo Rabiolo, der oberste Krankenkassen-Auditor der Schweiz, hat infosantésuisse die Tätigkeit seiner Sektion vorgestellt.

infosantésuisse: Herr Rabiolo, wie müssen wir uns den Ablauf eines Audits bei einem Krankenversicherer vorstellen? Angelo Rabiolo: Bereits im laufenden Jahr wird die Planung für das kommende Kalenderjahr erstellt. Für die Vorbereitung der Audits erfolgt eine interne und externe Informationsbeschaffung. Dabei können wir auch auf andere Sektionen innerhalb des BAG zählen: Insbesondere die Statistik und die Analyse der Kennzahlen liefern uns wertvolle Hinweise. Ein wich-

Info: Aufsichtsdaten OKP Ein wichtiges Mittel zur Herstellung von Transparenz in der Krankenversicherung ist die Information, und zwar nicht nur der Behörden von Bund und Kantonen, sondern auch der Bevölkerung. Dieser Information dienen die jährlich durch das Bundesamt für Gesundheit (BAG) veröffentlichten Aufsichtsdaten. Von den zahlreichen Daten, die das BAG (nach Art. 28 und 31 KVV) bei den Krankenversicherern erhebt, listet es für jeden der 87 Versicherer und im Total folgende Kennzahlen auf: • Versichertenbestand • Einnahmen und Ausgaben • Prämiensoll • Risikoausgleich • Leistungen • Verwaltungskosten • Gesamtergebnis (pro Person) • Reserven und Rückstellungen Das BAG veröffentlicht die Daten eines Geschäftsjahres jeweils im Sommer des folgenden Jahres auf seiner Homepage (www.bag.admin.ch). Die Daten für 2005 waren zum Zeitpunkt des Redaktionsschlusses dieser Ausgabe noch nicht verfügbar. Wir werden in der nächsten Ausgabe von infosantésuisse darüber berichten.

tiger Input für uns sind auch Rückmeldungen und Reklamationen von Versicherten, die beim BAG eingehen. Mit all diesen Informationen schaffen wir uns ein Bild darüber, bei welchem Versicherer und in welchen Bereichen es Probleme geben könnte. Einerseits erstellen wir unser Audit-Programm aufgrund dieser Risiko-Analyse, andererseits achten wir auch darauf, dass wir jeden Versicherer innerhalb einer gewissen Zeit besuchen können. Was passiert, wenn Ihre Leute beim Krankenversicherer sind? Die Audits gehen nach einem standardisierten Ablaufplan über die Bühne. Die verschiedenen Auditthemen werden nacheinander nach einem genauen Muster geprüft. Es gibt keinen Unterschied zwischen den einzelnen Kassen – mit der Ausnahme, dass die Audits bei grösseren Kassen mehrere Tage in Anspruch nehmen können. Die grösseren Strukturen erfordern dies – grosse Krankenversicherer haben beispielsweise Filialen, die wir auch auditieren. Werden die Audits angekündigt – oder finden sie unangemeldet statt? Die ordentlichen Audits und die FollowUps werden immer angekündigt. Das Gesetz gibt uns aber auch die Möglichkeit, unangekündigte Kontrollbesuche durchzuführen, wenn wir den Verdacht haben, dass etwas nicht in Ordnung ist. Wir machen von dieser Möglichkeit durchaus Gebrauch – auch wenn es selten nötig ist. Welche Punkte werden bei den Audits besonders beachtet? Unser Prüfprogramm – welche Teilgebiete prüfen wir besonders intensiv? – passt sich den beurteilten Risiken an. Grundsätzlich untersuchen wir aber alle wichtigen

Bereiche im Tagesgeschäft einer Krankenversicherung. Ein wichtiges Gebiet ist die Organisation und Unternehmensführung. Unter anderem prüfen wir hier die Funktionsweise der internen Kontrollsysteme. Besondere Aufmerksamkeit schenken wir dem zentralen Bereich der Versicherungs- und Dienstleistungen: Wird die Unterscheidung zwischen Grund- und Zusatzversicherungen strikte vorgenommen, wird der Leistungskatalog befolgt, werden die genehmigten Prämien eingehalten, funktionieren der Zahlungsverkehr und das Mahnwesen? Dies nur als Auswahl der Fragen, die wir prüfen. Im Bereich Finanzen schliesslich nehmen wir die Jahresrechnung, die Betriebskosten sowie die Kapitalanlagen unter die Lupe.

«Das Gesetz gibt uns die Möglichkeit, unangekündigte Kontrollbesuche durchzuführen.» Wie häufig finden die Audits pro Krankenversicherer statt? Die einzelnen Krankenversicherer werden nicht in einem bestimmten Rhythmus kontrolliert. Dies deshalb, weil wir unsere Audits aufgrund der erwähnten Risikoanalysen planen – und auch, damit kein Krankenversicherer nach einem Audit darauf vertrauen kann, eine gewisse Zeit nicht mehr geprüft zu werden. Im Schnitt jedoch kommt es alle vier bis fünf Jahre zu einem Audit. Relevant für die Bestimmung der zu prüfenden Krankenkassen sind neben Struktur und Grösse des einzelnen Krankenversicherers die Ergebnisse der jährlichen Rechnungskontrolle, der Revisionsbericht sowie die Häufigkeit von Aufsichtsbeschwerden. Auf diese Weise führt das BAG pro Jahr circa zwölf ordentliche Audits und mehrere Follow-Ups durch.


SCHWERPUNKT

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infosantésuisse  Nr. 9, September 2006

Foto: Peter Kraft

kenversicherern ist überall der gleiche. Die Argumente bezüglich mangelnder Transparenz sind politische Schlagworte: Die Befürworter der Einheitskasse versuchen mit jedem Mittel, ihre Initiative zu propagieren. Dazu stellen sie das jetzige System bewusst in ein schlechtes Licht.

«Die Befürworter der Einheitskasse versuchen mit jedem Mittel, ihre Initiative zu propagieren. Dazu stellen sie das jetzige System bewusst in ein schlechtes Licht.» Ebenfalls ein oft gehörter Vorwurf: Das BAG sei zu unkritisch gegenüber den Krankenversicherern und würde beispielsweise alle Prämienvorschläge anstandslos genehmigen. Wie stehen Sie dazu? Das BAG schreitet ein, wenn Krankenversicherer ihre Prämien nach Hypothesen oder sogar falsch kalkulieren. Solche Prämien werden nach oben oder unten korrigiert. Die Prämien müssen dem Kostenverlauf entsprechen, die finanzielle Sicherheit der Krankenversicherer muss gewährleistet sein. Die Prämien werden nach strengen betriebswirtschaftlichen Kriterien beurteilt und genehmigt. Es gibt keine flüchtigen Kontrollen, hier wird nichts über den Daumen gepeilt. Ich betone: Es kommt absolut vor, dass Prämienvorschläge von Krankenversicherern korrigiert werden. «Es kommt absolut vor, dass Prämienvorschläge von Krankenversicherern korrigiert werden.»

Hinzu kommen mögliche unangemeldete Audits in Spezialfällen. Was hätte ein negatives Audit-Resultat für Folgen? Wie sorgt das BAG dafür, dass festgestellte Mängel behoben werden? Im Normalfall werden Empfehlungen oder Weisungen mit Fristen erteilt. Die Behebung des Mangels wird vom Audit überwacht: Zu diesem Zweck werden FollowUps durchgeführt. Bei Übertretungen und Ordnungswidrigkeiten hat das BAG einige Sanktionsinstrumente zur Hand: Es kann auf Kosten des Versicherers für die Wiederherstellung des ordnungsgemässen Zustandes sorgen, es spricht, was ab und zu vorkommt, Ordnungsbussen aus, oder es beantragt dem EDI den Entzug der Bewilligung zur Durchführung der sozialen Krankenversicherung. Das ist die Ultima

Ratio, die das Gesetz vorsieht. Das BAG ist aber durchaus gewillt, diese Massnahme zu beantragen, sollten Fälle auftreten, die keine andere Lösung zulassen. Hinzuzufügen ist: Gravierende Gesetzesüberschreitungen können nicht nur die Massnahmen von unserer Seite nach sich ziehen, sondern auch Strafverfahren. Die Krankenversicherer werden also relativ genau kontrolliert. Trotzdem wird den Krankenversicherern gerade in der Westschweiz oft mangelnde Transparenz vorgeworfen. Wie erklären Sie sich das? Das BAG ist zuständig für die korrekte Anwendung des KVG. Es macht selbstverständlich keinen Unterschied zwischen den Krankenversicherern in der Deutschund in der Westschweiz. Der Informationsaustausch zwischen uns und den Kran-

Warum sollen die Stimmbürger aus Ihrer Sicht die Einheitskasse ablehnen? Eigentlich müsste ja klar sein, dass die Einheitskasse keine Lösung sein kann, wenn alle Experten sich dagegen aussprechen. Es ist eine Illusion, dass mit der Einheitskasse die Kosten sinken würden – das Gegenteil wäre der Fall. Alle Massnahmen, die mit einer Einheitskasse verbunden sind, machen auf mich einen kostentreibenden statt kostendämpfenden Eindruck. Zudem bedeutet die Einheitskasse eine riesige Administration, die mit Sicherheit intransparenter wäre als das heutige System. Wenn man weiter berücksichtigt, dass die Prämien für Reiche nicht einfach in beliebige Höhen wachsen könnten, würde der Mittelstand wohl einmal mehr zur Kasse gebeten. Für die tiefen Einkommen schliesslich gäbe es ebenfalls keine Besserstellung: Sie bezahlen dank der Prämienverbilligung bereits heute sehr niedrige Nettoprämien. Interview: Peter Kraft


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SCHWERPUNKT

infosantésuisse  Nr. 9, September 2006

sondage santé: Die Versicherten wollen mehr Eigenverantwortung tragen

Prämien selber beeinflussen durch kostenbewusstes Verhalten Bonus-Malus-Systeme, Leistungsverzicht bei entsprechendem Prämienrabatt und Kostensparen mit Behandlungen im Ausland sind Vorschläge, welche die Versicherten mehrheitlich begrüssen. Die Ergebnisse der Bevölkerungsumfrage sondage santé zeigen eine verstärkte Sensibilisierung der Versicherten punkto Eigenverantwortung und individueller Prämienhöhe.

V

iele Versicherte empfinden Prämienerhöhungen als ungerecht, vor allem wenn sie selber nicht häufiger als bisher zum Arzt gegangen sind oder überhaupt keine Kosten zu

Lasten der Krankenversicherung verursacht haben. Als störend wird dabei offenbar empfunden, dass die Folgen von Risikoverhalten und gar Grobfahrlässigkeit von der Gesamtheit der Versicherten

Grafik 1: Zustimmung zu politischen Fragen sondage santé 2006 Bonus-Malus-System Behandlungen im Ausland

Sehr dafür Eher dafür

Einheitliche Spitalfinanzierung

Eher dagegen Sehr dagegen Weiss nicht

Kostenteiler Alterspflege Ja zur Komplementärmedizin Nur medizinisch notwendige Leistungen vergüten 0% 10% 20% 30% 40% 50% 60% 70% 80% 90% 100%

Grafik 2: Zustimmung zu politischen Fragen («sehr dafür» und «eher dafür») sondage santé 2006 Prämie via Lohnabzug Doppelter Selbstbehalt keine Medikamente für BagatellErkrankungen vergüten nur Generika vergüten

2006

Vertragszwang lockern

2005

Einheitskasse Einkommensabhängige Prämien Kopfprämien und Prämienverbilligung

0% 10% 20% 30% 40% 50% 60% 70% 80% 90% 100%

getragen werden müssen und beispielsweise viel Bewegung, gesunde Ernährung und Nichtrauchen nicht honoriert werden. Dies zeigt sich an der hohen Zustimmung zu Bonus-Malus-Systemen, die von 65 Prozent begrüsst werden («sehr» und «eher dafür» – vgl. Grafik 1). 57 Prozent der Befragten sind sodann bereit, auf ausgewählte Leistungen zu verzichten, wenn sie dafür weniger Prämien bezahlen müssen. Abstriche auf Kosten der Qualität sind allerdings nicht mehrheitsfähig: 69 Prozent der Befragten geben an, sie wollten keine Qualitätseinbussen in Kauf nehmen. Während im Frühling in den Medien heftig über Sinn und Unsinn von Behandlungen im grenznahen Ausland gestritten wurde, haben die Versicherten einen pragmatischeren Zugang zum Thema: Eine klare Mehrheit von 74 Prozent der Befragten begrüsst, wenn die Krankenversicherer auch Behandlungen im Ausland bezahlen. Dieses Stimmungsbild zeigt, dass die Versicherten stärker von ihrem eigenen Verhalten profitieren möchten und Anreizmodellen positiv gegenüber stehen. Eine völlige Trennung der Prämie vom eigenen Verhalten, wie dies etwa einkommensabhängige Beiträge bewirken würden, steht dieser Haltung diametral entgegen.

Einheitskasse und einkommensabhängige Prämien: widersprüchliches Bild Zwar sind spontan 58 Prozent der Befragten «sehr» oder «eher» für eine Einheitskasse und 61 Prozent begrüssen einkommensabhängige Prämien. Gleichzeitig sind aber eine erdrückende Mehrheit von 84 Prozent «sehr» und «eher» für das bisherige System mit Kopfprämien und Prä-


mienverbilligungen (vgl. Grafik 2). Dass die spontane Zustimmung zur Einheitskasse mehr mit der Unzufriedenheit mit dem heutigen System zusammen hängt als mit der Einschätzung, dass eine Einheitskasse besser in der Lage wäre, die Probleme zu meistern, zeigt auch die direkte Gegenüberstellung: Auf die Frage «Wenn Sie heute für die Grundversicherung die Wahl zwischen Ihrer bisherigen Krankenkasse und einer von Behörden, Leistungserbringern und Interessenverbänden der Versicherten geführten Einheitskasse hätten, wie würden Sie entscheiden?» votieren 44 Prozent der Befragten für die bisherigen Krankenkassen, 38 Prozent für die Einheitskasse (vgl. Grafik 3). Aus der Abstimmung über die SP-Gesundheitsinitiative vom Mai 2003 ist zudem bekannt, dass einkommensabhängige Prämien nur solange begrüsst werden, als sie individuelle Entlastung versprechen. Sobald konkrete Umsetzungsmodelle mit Gesundheitssteuern diskutiert werden, geben die meisten Versicherten dem bisherigen System den Vorzug, das Kopfprämien mit Prämienverbilligungen abdämpft.

Klare Erwartungen an die Krankenversicherer Die Bevölkerung hat klare Erwartungen an die Krankenversicherer. Während früher die Krankenkassen als blosse Zahlstelle gesehen wurden, verlangen heute die Versicherten eine rigorose Kostenkontrolle: 92 Prozent der Befragten erwar-

Mythos freie Arztund Spitalwahl Auch an anderer Stelle zeigt sich die Komplexität der Thematik. Rund die Hälfte der Befragten glaubt, dass sie im Rahmen der Grundversicherung jeden Arzt und jedes Spital in der Schweiz frei aufsuchen kann (vgl. Grafik 5). Dass die Arztwahl auf Wohnkanton und Arbeitsort und die Spitalwahl auf die Spitäler gemäss Spitalliste des Wohnkantons eingeschränkt ist, weiss nur eine Minderheit. Schliesslich ist nur 51 Prozent der Befragten bewusst, dass die Krankenversicherer mit allen Ärzten Verträge abschliessen müssen.  Peter Marbet

Die ausführlichen Ergebnisse der sondage santé 2006 finden Sie auf www.santesuisse.ch.

Grafik 4: Geschätzte Verwaltungskosten Grundversicherung sondage santé 2006 (N = 1203) 50 40 30

2003

weiss nicht 18%

2004

bisherige Krankenkasse 44%

2005

Einheitskasse 38%

infosantésuisse  Nr. 9, September 2006

ten, dass die Krankenversicherer die Arztrechnungen genau kontrollieren. 72 Prozent der Befragten helfen dabei, indem sie die Arztrechnungen selber jeweils genau kontrollieren. Knapp die Hälfte würde bei der Auswahl von Ärzten, Spitälern und anderen Leistungserbringern den Empfehlungen ihrer Krankenkasse folgen. Dass die administrative Abwicklung der Krankenversicherung etwas kostet, ist bekannt. Die Verwaltungskosten der Grundversicherung werden dabei aber massiv überschätzt (durchschnittliche Schätzung: 26 Prozent, Realität laut BAG im Jahr 2004: 5,6 Prozent, Tendenz sinkend). Nur gerade 10 Prozent der Befragten liegen bei der Schätzung des Verwaltungskosten-Anteils an den Ausgaben in der Grundversicherung in einem einigermassen realistischen Bereich (siehe Grafik 4).

2006

Grafik 3: Wenn Sie heute die Wahl hätten… sondage santé 2006 (N=1203)

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SCHWERPUNKT

% 20 10 0

1-5%

6-10%

11-15%

16-20%

21-30%

31-50%

51-100%

?

Grafik 5: Wissen über Grundversicherung: korrekte Antworten sondage santé 2006 (N = 1203) Gleiche Leistungen in der Grundversicherung ärztl. Behandlung ganze CH Spital ganze CH 2006 2005 2004 2003

Vertragszwang Def. Leistungskatalog durch Bundesbehörden 0%

20%

40%

60%

80%

100%


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GESUNDHEITSWESEN

infosantésuisse  Nr. 9, September 2006

Symposium Forum Managed Care 2006

Nahtstellen zwischen ambulant und stationär Das Schweizer Gesundheitswesen ist modern und vielfältig. Eine Vielzahl von Akteuren und Interessensgruppen beteiligt sich an der Versorgung und Behandlung von Patienten. Sie arbeiten dazu miteinander, nebeneinander oder aneinander vorbei. Das Forum Manged Care thematisierte am diesjährigen Symposium die zentrale Frage der Koordination am Beispiel von ambulanten und stationären Schnittstellen.

W

er kennt eine ähnliche Geschichte nicht aus eigener Erfahrung oder zumindest aus dem engeren persönlichen Umfeld? Eine Patientin wird aufgrund der Diagnose des Hausarztes ins Spital eingewiesen und dort in verschiedenen Abteilungen behandelt. Der Hausarzt sowie jede Abteilung des Spitals nehmen immer wieder dieselben Untersuchungen vor, als ob die bereits bestehenden Ergebnisse nicht existierten. Ein anderer Patient wird von Facharzt zu Facharzt verwiesen, nur um seine Krankheitsgeschichte zum wiederholten Male von Neuem zu erzählen und identische Tests über sich ergehen zu lassen. In beiden Fällen fliessen die Informationen zwischen den Leistungserbringern ungenügend. Dem Patienten und der Patientin mag es vorkommen, als ob in unserem Gesundheitswesen die eine Hand nicht wüsste, was die andere tut. Aufgrund der starken Fragmentierung unseres Systems erleben viele Patienten solche Situationen. Bei jedem Wechsel von einem Bereich in einen anderen lauert die Gefahr, dass Informationen stecken bleiben oder

verloren gehen. Dies bedeutet nicht nur Ungemach für den Patienten, sondern auch hohe Kosten, welche die Prämienund Steuerzahler zu begleichen haben.

Schnittstellen zwischen ambulant und stationär Der Verein Forum Managed Care, welcher mit der Förderung von Managed Care einen positiven Beitrag zur Gesundheitsversorgung in der Schweiz leisten will, hat sich am Symposium vom 14. Juni 2006 dieser Problematik angenommen. Renommierte Experten aus Gesundheitswesen, Wirtschaft und Verbänden erörterten in Zürich die facettenreichen Schnittstel-

santésuisse will Managed Care fördern Alternative Versicherungsmodelle haben sich bis heute noch nicht auf breiter Front durchgesetzt. Eine erfolgreiche Entwicklung dieser Modelle hängt stark davon ab, dass falsche Anreize korrigiert werden. santésuisse fordert folgende Rahmenbedingungen für Managed Care: • Zulassung langfristiger Krankenversicherungsverträge – Managed Care kann so längerfristig und auch im Krankheitsfall greifen, da der Patient den Vertrag nicht nach Belieben kündigen kann. • Die (teilweise) Aufhebung des Vertragszwangs im ambulanten und stationären Bereich – das schafft Anreize für Leistungserbringer, in Netzwerken mit Budgetverantwortung sowie speziellen Anforderungen an Wirtschaftlichkeit und Qualität mitzumachen. • Leistungsabgeltung statt Defizitdeckung im stationären Bereich (bei der Spital- und Pflegeheimfinanzierung) – damit wird längerfristig eine einheitliche Finanzierung für den ambulanten und stationären Spitalsektor möglich.

len zwischen ambulanter und stationärer Versorgung, zwei wichtigen Teilsystemen unseres Gesundheitswesens. Christoph Schmitt, Leiter des College-M, weist zu Beginn der Veranstaltung auf die unterschiedlichen Historien und selbstständigen Kulturen hin, welche die beiden Systeme über Jahre entwickelt haben. Daraus erwächst ein individuelles Verständnis der eigenen Arbeit. Folglich sind Denkweisen sowie Wertvorstellungen der einzelnen Teilsysteme nicht immer leicht vereinbar, dem eigenen Stellenwert wird mehr Bedeutung zugemessen als der Vorstellung des jeweils anderen.

Falsche Anreize erschweren Koordination Leo Boos, Direktor des Spitals Limmattal, erinnert in seinem Referat daran, dass neben den kulturellen Unterschieden auch fehlende sowie ungenügende Anreize die


Wirtschaftlichkeit und Qualität der Koordination zwischen der ambulanten und stationären Versorgung erschweren. So hat beispielsweise die unterschiedliche Finanzierung der beiden Teilsysteme den Effekt, dass Patienten nicht immer dort behandelt werden, wo es am günstigsten und effektivsten ist. Zudem schafft die Objektsubventionierung von stationären Einrichtungen den Anreiz, einen Patienten länger als nötig im Spital zu beherbergen. Koordination bedeutet auch zusätzlichen Aufwand für den Leistungserbringer, ein

GESUNDHEITSWESEN

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infosantésuisse  Nr. 9, September 2006

fekt für das gesamte Gesundheitswesen zu rechnen sind, wenn Ärzte, Spitäler und Kliniken nicht miteinander sprechen und ihr Handeln nicht aufeinander abstimmen wollen oder können. Fehlendes Case Management verzögert den Heilungsprozess und verwandelt diesen möglicherweise in einen mühsamen und teuren Leidensweg.

prozess bewerkstelligen zu können. Im Jahr 2005 betreuten bei der Suva 100 Case Manager 3500 Patienten. Das Resultat lässt sich sehen: In den Jahren 2004/2005 verzeichnete die Suva einen zahlenmässigen Rückgang der Invaliditätsfälle um 20 Prozent, verbunden mit Einsparungen von 190 Millionen Franken Versicherungskosten.

Case Management à la Suva

Richtige Anreize verstärken Nahtstellen

Wie Case Management, oder integrierte Prozesssteuerung, auf Seiten der Versicherer betrieben werden kann, erläutert Chris-

Wie kann man nun die Zusammenarbeit zwischen ambulant und stationär optimal

Neben den Referaten stiessen vor allem die Podiumsgespräche auf ein grosses Interesse der Zuhörerschaft (ganz rechts der neue BAG-Vizedirektor Peter Indra).

Einsatz, welcher im heutigen System der Abgeltung von Einzelleistungen nicht berücksichtigt wird. Es fehlt deshalb der Ansporn, diese Zusatzarbeit auf sich zu nehmen. Heute gilt das Prinzip «mehr Leistungen + mehr Fälle = mehr Einkommen für den Leistungserbringer». Mit anderen Worten, je kranker der Patient, desto besser für den Leistungserbringer.

Heilungsweg wird zum Leidensweg Was mangelnde Betreuung, fehlende Koordination und ungenügende Information konkret für den Patienten bedeuten kann, wird deutlich aus der eindrücklichen Schilderung der Krankheitsgeschichte von Ruedi Josuran, Moderator und Redaktor bei Radio DRS 1. Die Teilnehmenden des Forums erfahren aus erster Hand, mit welchen gesundheitlichen und finanziellen Konsequenzen für Patienten und im Endef-

tian Ludwig, Chefarzt der Suva. In der Unfallversicherung beanspruchen die teuersten fünf Prozent der Fälle 80 Prozent der Versicherungsleistungen, wovon zwei Drittel auf Taggelder und Renten entfallen. Das grösste Sparpotenzial liegt konsequenterweise in der erfolgreichen Wiedereingliederung dieser Versicherten in den Arbeitsprozess. Der geleistete Effort scheitert aber oft daran, dass in der konventionellen Schadenabwicklung nicht-medizinische Begleitfaktoren (Arbeitslosigkeit, Bildungsniveau, psychische Belastung, etc.) zu wenig berücksichtigt werden. Deshalb will die Suva Verunfallte mit komplexen Problemen durch das New Case Management, einer frühzeitigen, intensiven und umfassenden Beratung und Begleitung, möglichst rasch und vollständig wiedereingliedern. Ludwig glaubt, mit dieser integrierten Prozesssteuerung eine wirksame Wiedereinbindung von verunfallten PatientInnen in den Arbeits-

koordinieren? Die Gründung von ÄrzteSpitalnetzwerken auf lokaler Ebene sei ein erster Schritt, meint Leo Boos. Eine bessere Koordination setzt allerdings die Gegenwart der notwendigen finanziellen Anreize voraus. Guter Wille allein oder Vorschriften nützten wenig. Die Bildung von Spital-Ärztenetzwerken ist heute erst richtig möglich, wenn die Einzelleistungsvergütung überwunden wird. Nur in Ärztenetzwerken mit Budgetverantwortung und in Spitälern mit Fallpauschalen wird Koordination belohnt. Werden finanzielle Anreize von der Politik künftig so gesetzt, dass der Koordinationsaufwand und nicht die Anhäufung von Einzelleistungen entschädigt wird, verwandeln sich die Schnittstellen zwischen ambulant und stationär möglicherweise schon bald in reissfeste Nahtstellen. Hoffen wir es. Patienten und Prämienzahler werden sich ohne Zweifel darüber freuen.  Matthias Schenker


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KRANKENVERSICHERUNG

infosantésuisse  Nr. 9, September 2006

Im Gespräch: Damian Keller, Geschäftsführer der Krankenkasse Agrisano

«Monopol-Institutionen sind weniger transparent» Die Agrisano ist eine besondere Erscheinung in der schweizerischen Krankenversicherungs-Landschaft: Während sie als normaler Grundversicherer alle Antragssteller aufnimmt, bietet sie im Zusatzbereich speziell entwickelte Lösungen an, die ausschliesslich der bäuerlichen Bevölkerung offen stehen. infosantésuisse hat mit dem Geschäftsführer Damian Keller über seine Tätigkeit an der Schnittstelle zwischen Sozialversicherung und Standespolitik gesprochen – aber auch über die Bedrohung seines Betriebs durch die Einheitskassen-Initiative.

infosantésuisse: Die Agrisano ist eine Stiftung des Schweizerischen Bauernverbandes, ist dort organisatorisch ins Departement Soziales, Bildung, Dienstleistungen eingegliedert und arbeitet eng mit anderen Dienstleistungsbereichen der schweizerischen Landwirtschaft zusammen. Ist die Agrisano eine Krankenversicherung im eigentlichen Sinn – oder doch eher eine Standesorganisation? Damian Keller: Wir sind ganz klar eine eigenständige Krankenkasse. Die Gründung der Agrisano durch den Bauernverband geht auf die Zeiten vor dem KVG zurück. Der Verband schloss damals Kollektivverträge mit Vorteilen für die Zielgruppe ab, die mit dem neuen Gesetz unmöglich wurden. Wir haben diesen Wandel schon Jahre zuvor erwartet. Deshalb wurde 1991 die Agrisano als eigenständige Krankenversicherung gegründet, um die Vorteile für die bäuerliche Bevölkerung aufrechtzuerhalten. Die Agrisano ist also ein ganz normaler Grundversicherer, der im Zusatzbereich aber seiner Zielgruppe Angebote macht, die speziell ihren Bedürfnissen entsprechen. Haben Sie viele Grundversicherte ausserhalb der bäuerlichen Bevölkerung? Wie gehen Sie mit Versicherungsanträgen von Nicht-Bauern um? 2006 haben wir rund 85 000 Grundversicherte. 55 000 davon haben bei uns eine Zusatzversicherung und gehören deshalb unserer Zielgruppe an. Die Differenz setzt sich zu einem guten Teil aus nichtbäuerlichem Publikum zusammen. Sie können unsere Zusatz- und Taggeldversicherungen nicht in Anspruch nehmen, und wollen es auch nicht, weil diese Ange-

bote nicht ihren Bedürfnissen entsprechen. Im Rahmen der Grundversicherung behandeln wir alle völlig identisch, sowohl bei der Aufnahme als auch bei der Schadenregulierung. Unser Marketing allerdings ist auf Bauernfamilien und landwirtschaftliche Angestellte ausgerichtet: Wir werben in Fachzeitschriften und nicht auf Plakaten.

«Die Arbeit der Bauern ist seltener Auslöser von psychischen Erkrankungen oder von BurnoutSyndromen.» Die verhältnismässig tiefen Kosten pro Versicherten begründen Sie mit einer anderen Anspruchshaltung Ihrer Mitglieder. Worin liegt dieser haushälterische Umgang mit medizinischen Leistungen begründet – und wie äussert er sich vor allem? Weil wir uns auf die bäuerliche Bevölkerung fokussieren, konzentrieren wir uns automatisch auf den ländlichen Raum. Dort herrscht eine andere Anspruchshaltung und ein anderer Umgang mit medizinischen Leistungen als in der Stadt. Das ist bekannt. Der ländliche Raum verursacht weniger Kosten, unabhängig davon, ob die Versicherten Bauern sind oder nicht. Ein zweiter Grund: Bauern sind in der Regel Selbständigerwerbende. Diese sind tendenziell weniger schnell arbeitsunfähig als Angestellte. Die Arbeit der Bauern ist auch seltener Auslöser von psychischen Erkrankungen oder von Burnout-Syndromen. Eine Rolle spielt wohl auch die Lebensart der Bauern: Zwar kommen Beschwerden wie Rückenschmerzen häufig vor, aber die Naturverbundenheit ist

grösser, auch die Robustheit. Zudem sind die generationenübergreifenden Strukturen noch fester etabliert, so dass weniger kostenintensive Pflegeheimaufenthalte anfallen. Aber auch bei uns steigen die Kosten. Vor dieser Entwicklung sind wir nicht ausgenommen – sie findet nur verzögert – und in gewissen Bereichen unterdurchschnittlich – statt. Bisher haben Sie darauf verzichtet, alternative Versicherungsformen anzubieten. Ab 2007 hat auch die Agrisano ein Hausarztmodell im Programm. Woher dieser Sinneswandel? Ich würde es nicht als eigentlichen Sinneswandel bezeichnen. In der Vergangenheit stellten sich uns einfach andere Herausforderungen. 1996 hatten wir 5000 Mitglieder – waren also eine Kleinstkasse. Heute versichern wir 85 000 Personen. Das ist eine gewaltige Entwicklung. Dieses Wachstum musste verarbeitet, die Infrastruktur ausgebaut werden. Das alles brauchte ein konstant grosses Engagement, in dessen Rahmen der Aufbau eines alternativen Modells nicht prioritär war. Mit dem Hausarztmodell können wir nun einen Beitrag zur Kostendämpfung, aber auch zur Stärkung der Grundversorgung leisten. Letzteres ist gerade für unsere ländliche Zielgruppe ein wichtiges Anliegen. Sie sprechen es an: Die Hausarztdebatte ist für eine ländliche Krankenkasse sicher von besonderem Interesse. Was sind Ihre Vorschläge zur Stärkung der Grundversorgung? Offensichtlich nimmt die Attraktivität, im ländlichen Raum als Hausarzt tätig zu sein,


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infosantésuisse  Nr. 9, September 2006

berichte zum Herunterladen bereit. Unser Geschäftsbericht ist sehr umfassend, informativ und transparent. Unsere Kunden reagieren zudem relativ schnell über die Regionalstellen, wenn Unklarheiten bestehen. Deshalb ist der Vorwurf der mangelnden Transparenz bei uns kein Thema. Würde eine Einheitskasse – für die Branche als Ganzes gesehen – mehr Transparenz schaffen können? Im Gegenteil: Die Erfahrung zeigt, dass Monopol-Institutionen weniger transparent sind als Unternehmen im Wettbewerb. Wohl in keinem anderen Sozialversiche-

Foto: Peter Kraft

ab. Das ist alles andere als positiv. Gegen diese Entwicklung hätten wir mit dem TARMED ein gutes Lenkungsinstrument. Über höhere Taxpunktwerte für Grundversorger könnte ein starker Anreiz gesetzt werden. Für uns ist aber auch klar, dass das nicht einfach als Supplement offeriert werden kann. Nötig wäre deshalb das Verständnis aller Leistungserbringer: Die Spezialisten, die generell schon grosse Vorteile haben, müssten gewisse Abstriche zu Gunsten der Hausärzte machen. Eine weitere Möglichkeit wäre eine generelle Taxpunktwerterhöhung für die ländlichen Gebiete. Doch müsste auch sie kos-

KRANKENVERSICHERUNG

Welche Probleme könnte eine Einheitskasse lösen – welche Probleme würden durch sie neu entstehen? Die Befürworter der Einheitskasse suggerieren, dass wegen des wegfallenden Marketingaufwandes Verwaltungskosten eingespart werden könnten. Die Werbekosten mögen zwar bei einer Einheitskasse tiefer sein. Aber zu denken, die Verwaltungskosten würden generell sinken, ist ein Trugschluss – zumal die Marketingaufwendungen nur einen Bruchteil davon ausmachen. Wenn man die Verwaltungskosten wirklich senken möchte, müsste man bei der Leistungskontrolle ansetzen und diese mit weniger Personal ausstatten. Durch eben diese Leistungskontrolle können aber heute Millionen von Franken eingespart werden. Würde also die Einheitskasse ihr «Versprechen» der tieferen Verwaltungskosten einlösen und dadurch zwangsläufig die Leistungskontrolle weniger seriös durchführen, kämen unter dem Strich massive Mehrkosten auf uns zu. Wegfallen würde auch die Wahlfreiheit – ein wichtiges und von der Bevölkerung sehr geschätztes Merkmal unseres Systems. Heute können die Versicherten ihre Kasse nach verschiedensten Kriterien wählen: Gehe ich zu einer Kasse, die eher berufsständig ausgerichtet ist, achte ich auf die Prämienhöhe, oder ist mir doch die Dienstleistungsqualität am wichtigsten?

«Die Spezialisten, die generell schon grosse Vorteile haben, müssten gewisse Abstriche zu Gunsten der Hausärzte machen.»

«Wir werben in Fachzeitschriften und nicht auf Plakaten.»

tenneutral eingeführt werden – das heisst mit Taxpunktwertsenkungen in den Städten. Zusätzliche Ausgaben ohne Kompensation können wir uns nicht leisten. Den Krankenversicherern wird zuweilen mangelnde Transparenz angekreidet. Wie kontern Sie diese Vorwürfe? Auf unserer Homepage stehen neben dem aktuellen auch die vergangenen Geschäfts-

rungsbereich herrscht eine grössere Transparenz als bei der Krankenversicherung. Die Wettbewerbssituation führt dazu, dass es sich die einzelnen Kassen gar nicht leisten können, sich in Intransparenz zu üben. Ein solches Verhalten würde von den Kunden sofort abgestraft. Hinzu kommt: Die Rechenschaft, die eine Krankenversicherung heute der Aufsichtsbehörde ablegen muss, ist sehr umfassend.

Was ist der Beitrag der kleineren Krankenversicherer zu einem effizienten und qualitativ hoch stehenden Gesundheitssystem? Wir stellen fest, dass unsere Kunden die Nähe zu uns schätzen. Die kleineren Kassen können den persönlichen Kontakt eher gewährleisten, was gerade für ältere Personen ein grosser Vorteil ist. Kleinere Kassen sind flexibler und unbürokratischer. Die BAG-Statistiken weisen den kleineren und mittleren Versicherern bezüglich Verwaltungskosten ein sehr gutes Zeugnis aus – ein Hinweis mehr darauf, dass eine Einheitskasse diesbezüglich keine Besserung bringen würde.  Interview: Peter Kraft


KRANKENVERSICHERUNG

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Foto: Peter Kraft

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Im Gespräch: Marlise Vögtlin und Hans Wohler, Projektverantwortliche des Ressorts Ausbildung von santésuisse

«Der Rückgang von Ausbildungsplätzen hat Konsequenzen» Der erste Jahrgang hat seine Berufslehre nach der Neuen Kaufmännischen Grundbildung NKG abgeschlossen. In der Krankenversicherungsbranche waren die Prüfungen ein Erfolg: Die Durchfallquote ist gegenüber dem Vorjahr deutlich gesunken. Trotzdem haben Marlise Vögtlin und Hans Wohler, Projektverantwortliche für die Ausbildung bei santésuisse, Sorgen: Die Anzahl Lernender wird immer kleiner – so klein, dass gewisse Bildungsangebote von santésuisse gefährdet sind.

infosantésuisse: 2006 hat der erste Jahrgang die Lehrabschlussprüfung nach der Neuen Kaufmännischen Grundbildung (NKG) abgelegt. Wie fällt die Bilanz aus? Hans Wohler: Wir sind sehr zufrieden mit der ersten Prüfungssession nach NKG: Die Durchfallquote ist gegenüber 2005 deutlich gesunken. Dies ist doch ein klares Indiz dafür, dass die Absolventen mit der

NKG wesentlich besser auf das Berufsleben vorbereitet werden. Hinzu kommen die Anstrengungen in den Betrieben: Ihnen ist es gelungen, sowohl Lernende als auch Ausbildner intern so zu fördern, dass sie in der Lage sind, die Anforderungen der NKG zu meistern. santésuisse schliesslich hat in den letzten drei Jahren die erfolgreiche Einführung der NKG in der Branche eingefädelt und organisiert.

Worin genau besteht das Engagement von santésuisse und der Krankenversicherer in der NKG? Hans Wohler: santésuisse hat die überbetrieblichen Kurse neu aufgebaut und zeichnet sich für deren Organisation verantwortlich. Die Krankenversicherer stellen uns für die überbetrieblichen Kurse die Kursleiter zur Verfügung: Wir wären sonst nicht in der Lage, alle Lernenden in


den gleichen 14 Tagen – das ist die Zeitspanne, in denen die überbetrieblichen Kurse stattfinden müssen – auszubilden. Auch in der Branchenkunde werden wir unterstützt durch Fachleute der Versicherer. Schliesslich wirken die meisten Krankenkassen, die Lernende ausbilden, bei der Gestaltung der Prüfungsfragen mit. Auch die ausgebildeten Prüfungsexperten kommen häufig von den Krankenversicherern. Marlise Vögtlin ist eine von vier Personen im Kernteam des SIBP (Schweizerisches Institut für Berufspädagogik), welche für die Ausbildung von Prüfungsexperten zuständig sind. Durch sie verfügt santésuisse über noch mehr ausbildungsspezifisches Wissen. Wie entwickelt sich die Zahl der Lernenden? Hans Wohler: Zwischen 2000 und 2004 stieg die Zahl der Prüfungskandidaten von 50 auf 96. Nach Einführung der NKG ist die Zahl der Lernenden vorerst zurückgegangen: An der Prüfung 2006 waren es noch 71. Nach dem heutigen Bestand der Lernenden ist zu erwarten, dass 2009 circa 65 Kandidaten die Prüfung absolvieren werden. Gibt es eine Erklärung für diesen Rückgang? Hans Wohler: Der Konzentrationsprozess unter den Krankenversicherern – Fusionen einerseits, Zentralisierungen andererseits – schafft nicht unbedingt mehr Arbeitsplätze. Dabei spielt der Druck, die Verwaltungskosten immer mehr zu senken, sicher auch eine Rolle. Einerseits ist dieser Druck politisch bedingt, andererseits aber auch durch die immer härtere Marktsituation. Die Bereitschaft, Lernende auszubilden, ist in der Branche weiterhin hoch – aber in der Praxis werden die Hindernisse immer grösser.

«Die Bereitschaft, Lernende auszubilden, ist weiterhin hoch – aber in der Praxis werden die Hindernisse immer grösser.» Marlise Vögtlin: Wir werden bei einem weiteren Rückgang der Anmeldungen die Chance nicht mehr haben, Branchenkunden-Kurse anzubieten. 2005 haben wir einen neuen Branchenkunde-Ordner konzipiert und eingeführt, der die Qualität der

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Branchenkunde-Kurse noch weiter verbessert. Wir begleiten die Lernenden auch mit Lernaufgaben zwischen den Kursen, inklusive individuellem Feedback. Einerseits also gibt es das Problem der rückläufigen Anmeldungen, andererseits aber sind wir dem mit einem grossen Sprung in Sachen Qualität begegnet.

«Für kleine Versicherer würde die Ausbildung von Lernenden erschwert.» Was ginge verloren, wenn santésuisse die Branchenkunde nicht mehr anbieten könnte? Marlise Vögtlin: Grosse Versicherer haben genug Lernende, um selber solche Kurse durchzuführen. Aber für kleine Versicherer würde die Ausbildung von Lernenden erschwert.

streben, und werde mich daher aus der NKG zurückziehen. Georges-André Escoffey ist in der Westschweiz zuständig für die Abwicklung der neuen kaufmännischen Grundausbildung. Antonella Sasso ist für die Administration und das Organisatorische verantwortlich und für diese Fragen auch Ansprechperson für die Lernenden. Für fachliche Fragen sind dies die Kursleiter. Die Ausbildungsverantwortlichen und die Berufsbildner können sich mit ihren Fragen an Marlise Vögtlin oder, in der Westschweiz, an Georges-André Escoffey wenden.  Interview: Peter Kraft Mehr zum Bildungsangebot unter: www.santesuisse.ch – Ausbildung – Bildungsangebot

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Foto: Martina Wolf

Nicht nur den Lernenden muss Wissen vermittelt werden – auch für die Lehrlingsverantwortlichen verändert sich das Umfeld ständig. Gibt es Angebote, die auch diesen wachsenden Anforderungen entgegenkommen? Marlise Vögtlin: Wir führen einmal im Jahr einen Workshop für die Gesamtverantwortlichen der Lehrlingsausbildung durch. Er ist hauptsächlich eine Feedback-Veranstaltung, an der die Betriebe auch ihre inhaltlichen Wünsche einbringen können, und ist im Bildungsangebot von santésuisse1 ausgeschrieben. Wir führen zudem Kurse für Berufsausbildner durch, die neu in die Lehrlingsausbildung einsteigen. Neu bieten wir den Lernenden zweitägige Prüfungsvorbereitungskurse in der Branchenkunde an. Dort können sich auch jene anmelden, die die Branchenkunde in den Betrieben absolviert haben. In den Kursen werden die prüfungsrelevanten Inhalte repetiert, und im zweiten Tag gehen wir speziell auf die Wünsche und Schwierigkeiten der Lernenden ein. Wer konkret ist bei santésuisse für die verschiedenen Bereiche der Lehrlingsausbildung zuständig? Hans Wohler: Ich habe seit 2002 das Projekt NKG aufgebaut und begleitet. Seit 2005 ist Marlise Vögtlin zuständig für den Bereich Branchenkunde. Sie übernimmt neu die Gesamtverantwortung in der NKG. Ich selber darf in der Grundund Vertiefungsausbildung neue Ziele an-

Georges-André Escoffey, Schulungsverantwortlicher für die Westschweiz. Foto Seite 18: von links nach rechts: Marlise Vögtlin, Antonella Sasso, Hans Wohler.


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KRANKENVERSICHERUNG

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SVK – Geschäftsbericht 2005

Anpassungen in wichtigen Bereichen Nach dem Jubiläumsjahr 2004 war das Geschäftsjahr 2005 des SVK wieder mehr von Routinearbeit geprägt. Der Schwerpunkt der Tätigkeit lag nach wie vor in der Effizienz- und Qualitätskontrolle. Besondere Herausforderungen stellten sich im Bereich der Invalidenversicherung und der Transplantationsgesetzgebung.

Foto: Heiner Grieder

Für Diskussionen sorgte auch die Vorschrift im neuen Transplantationsgesetz, wonach für LebendspenderInnen eine separate Versicherung für Komplikationen abgeschlossen werden muss. Der SVK sah sich veranlasst, mehrfach bei der Aufsichtsbehörde zu intervenieren und auf die offenen und heiklen Positionen hinzuweisen. In der Zwischenzeit hat eine Vernehmlassung zu verschiedenen Verordnungsentwürfen stattgefunden. Das hat dem SVK nochmals Gelegenheit gegeben, die unbefriedigenden Punkte anzusprechen.

Grosser Leistungsaufwand

Ein Dialysegerät.

W

ie Verwaltungsratspräsident Christoffel Brändli im Vorwort festhält, war das Geschäftsjahr 2005 nicht von Grossereignissen und –auftritten geprägt, sondern von Routinearbeit und Anpassungen im kleinen Rahmen. In seinem Tätigkeitsbericht hebt Daniel Wyler, Leiter der Abteilung Services, die Probleme mit der Invalidenversicherung hervor, insbesondere die Abkehr von der bisherigen Arbeitsteilung. Erfreulich sei aber, dass der SVK im letzten Jahr für die Versicherer rund 24 Prozent mehr IV-Rückerstattungsgesuche bearbeitet habe als im Vorjahr. Dabei sei die Chance genutzt worden, sowohl die inneren Abläufe als auch die Dienstleistungen den vorhandenen Gegebenheiten anzupassen, woraus ein besserer Service für die angeschlossenen Versicherer resultiert habe.

Den Hauptbereich des SVK bildet die Versicherung für besondere Leistungen (VBL). Zu diesen Leistungen gehören unter anderem Dialysen, Transplantationen, Medikamente und künstliche Ernährung. Am meisten, nämlich 194 Mio. Franken, wurde für Dialyseleistungen aufgewendet. Der gesamte Leistungsaufwand der VBL betrug 2005 331 Mio. Franken, was knapp zwei Prozent der Leistungen der obligatorischen Krankenversicherung entspricht. Per 1. Januar 2005 ist der neue Vertrag über Transplantationen in Kraft getreten, womit die Fallpreispauschalen für die Krankenversicherung bei den meisten Organen gesenkt werden. Die Lebendlebertrans-

plantationen wurden auf den 1. Juni 2005 in den Anhang 1 KLV aufgenommen, das heisst, dass diese Behandlung ab diesem Zeitpunkt von der obligatorischen Krankenpflegeversicherung übernommen wird. Im letzten Jahr hat der SVK die Verrechnung von 788 Transplantationen überprüft und verbucht. Die Warteliste bei den Transplantationen ist seit dem Vorjahr um 29 Patienten auf 1159 angestiegen. Die Zahl der Patienten, die auf mechanische Heimventilation angewiesen sind, hat gegenüber dem Vorjahr um fast 25 Prozent zugenommen. Dass die Kosten nicht im selben Mass angestiegen sind, ist u.a. auf eine gute Gerätebewirtschaftung zurückzuführen. Markant gestiegen ist im Vergleich zum Vorjahr auch die Zahl der Patienten, die vom SVK im Rahmen der Verträge über die künstliche Ernährung zu Hause betreut werden, nämlich um 500 auf 2200. Kontinuierlich zugenommen haben in den letzten Jahren auch die Rückerstattungsgesuche bei der IV-Verbindungsstelle, die vor über 30 Jahren als Koordinationsorgan zwischen Krankenversicherer und Invalidenversicherung gegründet worden ist. 2005 wurden 5430 Gesuche im Gesamtbetrag von sechs Mio. Franken bearbeitet.  Josef Ziegler

Der SVK in Kürze Der SVK – Schweizerischer Verband für Gemeinschaftsaufgaben der Krankenversicherer – ist ein Dienstleistungsbetrieb, der für die angeschlossenen Krankenversicherer in den Bereichen Dialyse, spezielle Medikamente, Transplantationen, künstliche Ernährung zu Hause und mechanische Heimventilation Beurteilungen und Abklärungen vornimmt. Dazu prüft er Kostengutsprachegesuche, überwacht den Therapieverlauf im Einzelfall und kontrolliert die eingehenden Rechnungen der Leistungserbringer, die zur Zahlung an den Krankenversicherer weitergeleitet werden. Der SVK schliesst für seine Mitglieder auch die entsprechenden Tarifverträge mit den Leistungsbringern und Produzenten ab. Dem Verband sind 76 Kassen mit etwa sechs Millionen Versicherten angeschlossen. santésuisse und SVK sind rechtlich unabhängige Organisationen, die aber demselben Verwaltungsrat unterstehen. Die Abteilung Services von santésuisse bildet die Verbindungs- und Koordinationsstelle zwischen den beiden Betrieben.


service Nationalfonds-Studien untersuchen Nerven- und Inselzellen-Transplantation

Neue Transplantationsmethoden: Unterschiedliche Aussichten

Lukrative Läuse: Forscher der Universität Bristol in England entwickeln zurzeit ein Mittel gegen Kopfläuse, die gegen herkömmliche Mittel resistent sind. Um an genügend Versuchstierchen heranzukommen, bieten die Wissenschaftler den Eltern betroffener Kinder umgerechnet knapp 50 Franken für die Kopfläuse ihrer Sprösslinge. Zurück am OP-Tisch: Nach den Ärzten der Universitätsspitäler haben auch die Mediziner der deutschen Regionalspitäler ihre Streiks beendet. Möglich machte dies ein neuer Tarifvertrag. Damit ist die einzigartige Streikwelle von Ärzten in Deutschland nun beendet. EU: Der finnische Ministerpräsident Matti Vanhanen, der im zweiten Halbjahr 2006 die EURatspräsidentschaft innehat, möchte alle Gesetze, die in der EU erlassen werden, auf ihre gesundheitlichen Auswirkungen hin prüfen lassen. Er führt damit eine Idee des ehemaligen EU-Gesundheitskommissars David Byrne weiter. Aids-Kongress: Am internationalen Aids-Kongress der WHO in Toronto sind zwar bedeutende Fortschritte in der Therapie gewürdigt worden. Scharfe Kritik erntete jedoch die schlechte Verteilung der Medikamente: Nur gerade 21 Länder seien weltweit in der Lage, ihre HIV-infizierten Bürger mit den nötigen Arzneimitteln zu versorgen.

Der schweizerische Nationalfonds hat in einer Studienreihe zur Umsetzung des neuen Transplantationsgesetzes einige neuartige Transplantations-Methoden auf ihre Wirksamkeit untersucht. Die Ergebnisse fielen unterschiedlich aus. Verletzungen an Nerven, die bei Unfällen oder Operationen häufig entstehen, werden heute meist mit Nerventeilen aus einer anderen Stelle des Körpers behandelt. Die Nationalfonds-Studie des Chirurgen Charles Dumont hat nun ergeben, dass die Ergebnisse der Nerventransplantation um einiges besser werden, wenn statt eigenes biotechnisch hergestelltes Nervengewebe verwendet wird. Vergebliche Hoffnungen haben Diabetiker und Wissenschaftler bisher in die Transplantation von

Inselzellen gesetzt: Diese Zellen sind für die Insulinproduktion verantwortlich. Die künstlichen Inselzellen gediehen zwar

im Reagenzglas prächtig, wurden aber im Körper von Versuchstieren von der Immunabwehr zerstört.

Foto: Keystone

News aus aller Welt

Geschäftsbericht von santésuisse

Transparenz auch beim Branchenverband Was für die Krankenversicherung als Branche gilt, gilt auch für santésuisse als Verband:

Transparenz ist das höchste Gebot. santésuisse erstellt deshalb jedes Jahr einen umfassenden Geschäftsbericht. Er gibt Auskunft über die Tätigkeiten des Verbands und über deren Resultate. Zudem enthält der Geschäftsbericht eine detaillierte und kommentierte Jahresrechnung und Bilanz. santésuisse finanziert sich teilweise über den Mitgliederbeitrag der Versicherer, der auf den 1. Januar 2006 auf 2.90 Franken pro versicherte Person und Jahr gesenkt wer-

den konnte. Der Verband der Schweizer Krankenversicherer hat aber in den letzten Jahren seine Eigenfinanzierung durch den Verkauf von Dienstleistungen stetig verbessern können. Weitere Fortschritte diesbezüglich sind das erklärte Ziel. Der Geschäftsbericht von santésuisse ist jeweils mit spannenden Fotoreportagen zu einem Thema aus dem Gesundheitswesen illustriert. 2006 zum Beispiel sind Porträts von Case Managern der gestalterische rote Faden. Der Geschäftsbericht von santésuisse kann unter www.santesuisse.ch – Service – Publikationen heruntergeladen oder gratis in Papierform bestellt werden.


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SANTÉSUISSE – SERVICE

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Gesundheitsclub Schweiz mit einem etwas anderen Spendenaufruf

100 000 gesunde Stunden in einer Woche Foto: Prisma

Der Empowerment Gesundheitsclub Schweiz (E-GCS) ruft auch dieses Jahr wieder zum Spenden von gesunder Zeit auf: Vom 23. September bis zum 1. Oktober 2006 haben im Rahmen der «Empowerment-Woche» alle die Möglichkeit, ihre sportlichen und anderen gesunden Aktivitäten auf einem Formular des Gesundheitsclubs einzutragen und dieses zu retournieren. Auf diese Weise möchte Joseph Rothenfluh, Präsident des E-GCS, mindestens 100 000 Stunden gesund verbrachte Zeit sammeln. Er versteht diese Zeit als

Spende sowohl an die individuelle Gesundheit als auch an die Allgemeinheit. Die gesammelten Stunden wird der EGCS in Form eines «Schecks» Gesundheitsminister Pascal Couchepin sowie der WHO überreichen. Das Formular für die «Empowerment-Woche» kann unter www.gesundheitsclub.ch, Rubrik Downloads, heruntergeladen werden. 2005 kamen bei einer ähnlichen Aktion 60 000 Stunden zusammen. Am «spendabelsten» zeigten sich die Kantone Graubünden, Aargau und Thurgau.

Zöliakie-Symptome werden immer noch häufig verkannt

Glutenallergie erkennen spart Kosten und Mühen ohne Grund in psychiatrische Kliniken eingewiesen worden, schreibt die IG Zöliakie. Auf Zöliakie untersuchen lassen sollten sich Personen, die unter chronischer Erschöpfung, an-

haltenden Verdauungsstörungen und Blähungen, psychischen Veränderungen oder unerklärlichen Bauch- und Knochenschmerzen leiden. Die einzige Therapie gegen Zöliakie ist mo-

mentan eine glutenfreie Ernährung. Diese ist dank immer besserer Produktdeklaration und einem grösseren Angebot an glutenfreien Nahrungsmitteln inzwischen einfacher geworden.

Foto: Prisma

Zöliakie ist der Fachausdruck für die recht weit verbreitete Allergie gegen Gluten. Gluten ist ein Eiweiss, das in verschiedenen Getreidesorten vorkommt und in etwa 70 Prozent aller industriell hergestellten Nahrungsmittel vorhanden ist. Bei Zöliakie-Patienten greift Gluten die Darmzotten an, die für die Nährstoffaufnahme ins Blut zuständig sind. Deshalb führt Zöliakie zu chronischen Darmbeschwerden und zu Mangelernährung. Etwa ein Prozent der Bevölkerung leidet an dieser Krankheit. Anlässlich des Tages der Zöliakie warnt die entsprechende Interessengemeinschaft vor einer verspäteten Diagnose: Eine nicht erkannte Zöliakie kann auf die Dauer zu schweren gesundheitlichen Schäden führen. Oftmals werden auch Therapien gegen andere, vermeintliche Krankheiten durchgeführt, denen die Symptome der Zöliakie fälschlicherweise zugeschrieben werden. So seien Patienten bereits


SANTÉSUISSE – SERVICE

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Veranstaltungen Veranstalter

Besonderes

Datum/Ort

Weitere Informationen

12. September Stade de Suisse, Bern

www.kummerkommunikation.ch

14. September La Longeraie, Morges

www.santesuisse.ch

Konsistente Medikamentenpolitik Visana, Ärztegesellschaft und Apothe- Leistungserbringer und Versicherer präsentieren kerverband Bern gemeinsame Forderungen Journée de réflexions sur l’assurance-maladie santésuisse

Referenten sind u.a. Nello Castelli, Délégé aux rélations publiques von santésuisse, und BSVDirektor Yves Rossier

Medienkonferenz zu den Hintergründen der Prämien 2007 santésuisse

Wie stark steigen die Prämien aufs kommende Jahr 15. September www.santesuisse.ch – und warum? Restaurant Allresto, Bern

Journée annuelle de droit de la santé Universität Neuenburg

Referenten sind u.a. Nello Castelli, Délégé aux rélations publiques von santésuisse, und FMHPräsident Jacques deHaller

28. September http://www2.unine.ch/ids Institut de droit de la santé, Universität Neuenburg

6. Schweizerischer eHealthcare Kongresss ehealthcare.ch

Parallel findet eine Fachausstellung statt

28./29. September www.ehealthcare.ch GZI-Forschungszentrum, Nottwil

Qualität – zum Abschuss freigegeben? Referate aus dem In- und Ausland, Workshops, Po- 3. Oktober diumsgespräch Universität ZürichIrchel

www.sggp.ch

Zeichnung: Marc Roulin

Schweizerische Gesellschaft für Gesundheitspolitik


Infosantesuisse 91x270 A

23.6.2006

10:20 Uhr

Seite 1

Gerhard Kocher

Vorsicht, Medizin! 1555 Aphorismen und Denkanstösse mit 88 Cartoons • Wer meint, er sei gesund, braucht dringend Hilfe. • Frauen werden gefördert, Männer werden befördert. • Vergessen wir nie: In der Medizin geht es um mehr als nur um Leben und Tod: es geht um Franken und Rappen. • Frage nie einen Chirurgen, ob eine Operation nötig ist. • Die Würde des Menschen ist unantastbar, ausgenommen natürlich, er sei Patient. • Nach jedem Krankenhausaufenthalt lebe ich extrem gesund (manchmal drei, ja sogar vier Tage lang!). • Wer glaubt, Geld sei das Wichtigste im Leben, war noch nie verliebt oder schwerkrank. • Bis dir die Prävention etwas bringt, bist du schon lange tot. • Ohne Fett? Ohne Zucker? Ohne mich! • Selbstverantwortung ist die beste Solidarität. • Gemessen an unseren Gesundheitsausgaben sollten wir alle 400 Jahre alt werden. • Gesundheitspolitik befasst sich mit allem Möglichen, aber die Gesundheit gehört meist nicht dazu. • Wenn Ärzte und Krankenkassen aneinander geraten, gleicht dies oft einem Messerduell in einer Telefonkabine. • Die häufigste Lüge in der Medizin: Es wird nicht wehtun! • Auch die beste Medizin hat nur aufschiebende Wirkung. • Die Menschheit hat bisher alle Katastrophen überlebt. Sie wird auch die moderne Medizin überleben.

… und 1539 weitere Zitate! Soeben erschienen und in jeder Buchhandlung erhältlich. Verlag Ott/h. e. p., Bern, 3. erweiterte Auflage 2006, 298 S., 34 Fr.

Jetzt gilt’s ernst! Verpassen Sie nicht, Ihr Wissen unter Beweis zu stellen – melden Sie sich rechtzeitig zu den alljährlich durch die Prüfungskommission SVS durchgeführten Prüfungen an:

Berufsprüfung Sozialversicherungs-Fachausweis 2007 Prüfungsdatum- und Ort: 9./10./11. Oktober 2007, mündlich nach Aufgebot, in Aarau, Bern, Chur, Lausanne*, Luzern, St. Gallen, Winterthur und Zürich. Prüfungsgebühr: Fr. 2’000.- + BBT-Urkunde Anmeldung: Bis 31. Mai 2007.

Die Stiftung INTHERA hat sich zum Ziel gesetzt, die Lebensqualität von chronisch kranken Menschen durch kompetente Unterstützung im Bereich der Sozialversicherungen zu verbessern. Die individuelle Beratung hilft Langzeitpatienten, Zusammenhänge besser zu verstehen, Ängste und Unsicherheiten abzubauen, ihre Eigenkompetenz zu erhöhen und vor allem Fragen rund um die Sozialversicherungen zu klären. Zur Ergänzung unseres Teams suchen wir per sofort oder nach Vereinbarung eine(n)

Dipl. Sozialversicherungsfachfrau/-fachmann (Teilzeit ca. 50 %) Sie betreuen selbstständig und in Eigenverantwortung chronisch kranke Menschen in Sozialversicherungsfragen. Die individuelle, persönliche Beratung erfolgt in der Regel telefonisch oder falls notwendig zu Hause. Dadurch werden Sie zu einer wichtigen Bezugsperson im Betreuungsnetzwerk für Langzeitpatienten in der ganzen Schweiz. Unsere Anforderungen sind: Ausbildung im Sozialversicherungsbereich Kenntnisse in Sozialversicherungsfragen Berufliche und praktische Erfahrung im Gesundheitsbereich von mind. 5 Jahren EDV-Kenntnisse Französisch W/S und evtl. Italienischkenntnisse Führerschein Kat. B Selbstständigkeit, Flexibilität und Mobilität Wenn Sie eine abwechslungsreiche, selbstständige, und eigenverantwortliche Tätigkeit in einem dynamischen Umfeld anspricht, bei der die Patientin/der Patient im Mittelpunkt steht, dann freuen wir uns auf Ihre Bewerbung per Post oder E-Mail. Stiftung INTHERA Harald F. Grossmann Geschäftsführer Münsterberg 1 4001 Basel Telefon: 061 205 77 00 E-Mail: info@inthera.ch www.inthera.ch

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Auf unserer Website finden Sie Prüfungsreglemente und Wegleitungen.

Prüfungskommission Deutschschweiz Sekretariat: Postfach 273 . 8353 Elgg . Tel. 052 368 61 50 Fax 052 368 61 51 . info@svs-edu.ch . www.svs-edu.ch



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studiert und auf diesem Gebiet auch doktoriert. Nach einigen Jahren Tätigkeit an der

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PROGRAMM PLENUM Auf der Suche nach dem optimalen Gesundheitssystem – eine Standortbestimmung Martin McKee, Professor, Doctor of Medicine, London School of Hygiene & Tropical Medicine, Departement of Public Health and Policy Gesundheits- insbesondere Arzneimittelversorgung in den USA – Vorbild oder Abschreckung? Sebastian Schneeweiss, MD, ScD, Professor, Harvard Medical School and Harvard School of Public Health Gesundheitssysteme in der EU – eine Auswahl Reinhard Busse, Professor Dr. med., Technische Universität Berlin, Lehrstuhl Management im Gesundheitswesen

AUF DER SUCHE NACH DEM OPTIMALEN GESUNDHEITSSYSTEM

Gesundheitssystem Schweiz – kritische Analyse Alberto Holly, Professor, PhD, Institute of Health Economics and Management, University Lausanne Panelgespräch mit den Referenten unter Einbezug des Plenums Moderation: Thomas D. Szucs, Professor Dr. med., Institut für Sozial- und Präventivmedizin, Universität Zürich

PARALLELVERANSTALTUNGEN 01 Expertengespräch: Zur Gesundheits- insbesondere Arzneimittelversorgung in den USA Sebastian Schneeweiss, Professor 02 Expertengespräch: Gesundheitssysteme der EU Reinhard Busse, Professor

3. SCHWEIZERISCHER KONGRESS FÜR GESUNDHEITSÖKONOMIE UND GESUNDHEITSWISSENSCHAFTEN

03 Workshop: «The Future Patient» im optimalen Gesundheitssystem: Was wollen die Bürger und was können sie beitragen? Margareta Schmid, Dr. med. und Jen Wang, AB, MPH, PhD cand., Institut für Sozial- und Präventivmedizin, Universität Zürich 04 Workshop: OECD Health Data - how Switzerland compares Gaetan Lafortune, Health Economist, OECD 05 Diskussion: Herausforderungen an das Gesundheitssystem von morgen Teilnehmer: Fritz Britt, Novartis International; Susanne Ernst, Ärztin, VSAOGeschäftsausschuss; Salome von Greyerz, Dr., Bundesamt für Gesundheit; Emil Mahnig, Chefredaktor Zeitlupe. Moderation: Jürg Baumberger, Dr. phil. 06 Methodik-Workshop: Gesundheitsökonomische Studien und Evaluationen – praktische Beispiele für gutes Design und für Fehlerquellen Ursula M. Kühnel, MSc, Berna Biotech; Christiane Meier, Dr. med., Institut für Sozial- und Präventivmedizin, Universität Basel

PLENUM Verleihung des MSD-Gesundheitsökonomiepreises Die Rolle der Gesundheitswissenschaften in der Gesundheitspolitik Felix Gutzwiller, Professor Dr. med., MPH, Nationalrat, Direktor Institut für Sozial- und Präventivmedizin, Universität Zürich Gesundheitspolitik Schweiz – Transferdiskussion unter Einbezug des Plenums Teilnehmer: Ignazio Cassis, Dr. med., MPH; Felix Gutzwiller, Nationalrat; Heidi Hanselmann, Regierungsrätin; Franziska Teuscher, Nationalrätin Diskussionsleitung: Ellinor von Kauffungen

FREITAG 27. OKTOBER 2006 INSELSPITAL BERN AUDITORIUM ETTORE ROSSI

Patronat: Schweizerische Arbeitsgemeinschaft für Gesundheitsökonomie

SAG/ASE

DER KONGRESS IST EIN FORTBILDUNGS-ENGAGEMENT DER MSD

AUSKÜNFTE SKGG, c/o Künzi Beratungen, Schachenstrasse 21, Postfach, 4702 Oensingen T 062 396 10 49, F 062 396 24 10, info @kuenzicons.ch Bild: Bern Tourismus


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