Senegal 2014

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Senegal 2014 Interdisziplin채re Projektwochen der PH FHNW



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ür die Studierenden der Sekundarstufe1 an der PH FHNW bestand im Herbstsemester 2013/14 die Möglichkeit, an den interdisziplinären Projektwochen zum Thema Senegal teilzunehmen. Die Veranstaltung wurde bereits zum zweiten Mal unter der Leitung von Christine Rieder und Urban Fraefel erfolgreich durchgeführt. Das Projekt beinhaltete eine zweiwöchige Reise nach Senegal, in der die Studierenden einen Einblick in die grundlegenden Aspekte des afrikanischen Landes bekamen. Neben verbindlichen Aktivitäten konnten die Teilnehmenden in einem Vorhaben ihren persönlichen Interessen nachgehen. Die Themen wurden von den Studierenden in Zweiergruppen autonom entwickelt und hatten zum Ziel, einen Aspekt des Landes vor Ort intensiv zu vertiefen. Das folgende Dokument gibt einen Einblick in die im Rahmen der Projektwochen Senegal entstandenen Arbeiten.



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ie Grundidee unseres Projekts war, sich künstlerisch mit der fremden Umgebung auseinanderzusetzen. Konkret wollten wir mit in der Natur vorgefundenen Materialien Bilder zu brisanten Themen der senegalesischen Gesellschaft erstellen. Da sich die anderen Studierenden mit solchen relevanten Themen beschäftigten, entschieden wir uns, die Titelbilder zu den Gruppenthemen zu erstellen. Für die Bilder verwendeten wir ausschliesslich Materialien aus der Umgebung. Gearbeitet wurde mit selbst hergestellten Erdfarben, Hibiskusssaft, Holz, Abfallplastik, Pflanzensamen und Pflanzenblüten, Kohle von verbrannten Sträuchern und Sand. Zusätzlich übernahmen wir die Verantwortung für das Zustandekommen und das Layout der vorliegenden Arbeit.

Pia Lüscher, Sarah Freiermuth



Afrikanischer Tanz Wie kommt der afrikanische Tanz in schweizer Turnhallen?


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nders wie in Europa, ist das Tanzen im Alltagsbewusstsein der afrikanischen Menschen tief verwurzelt. Bereits kleine Kinder bewegen sich spielerisch zu den Rhythmen der Trommeln oder den raren Klängen aus den Konsolen. Doch wann und wo wird in Afrika getanzt, welche Bedeutung hat der Tanz in den verschiedenen Situationen für die afrikanischen Menschen und wie könnte man den afrikanischen Tanz in die Schweizer Schulhäuser bringen? Diese Fragen leiteten unsere Projektarbeit. Als Vorarbeit haben wir die Studie von SILKE HUBRIG zum Thema afrikanischen Tanz und deren Umsetzungsmöglichkeiten in der deutschen Tanzpädagogik gelesen. Diese Lektüre gab uns einen guten Überblick über die Bedeutung und Technik des afrikanischen Tanzes und erste Eindrücke, wie man den afrikanischen Tanz in einem europäischen Kontext umsetzen könnte. Während der ersten Woche in Senegal hatten wir das grosse Glück, mit Frau Mampuya zu tanzen und erhielten dabei praktische Ideen für eine Umsetzung des afrikanischen Tanzes auf der Sekundarstufe I. Nach dem Tanzworkshop und einem Gespräch mit Frau Mampuya entschlossen wir uns, unsere weiteren Recherchen einerseits auf den senegalischen Volkstanz Sabar und andererseits auf eine Umsetzungsmöglichkeit des afri-

kanischen Tanzes in der Schule zu fokussieren. Sabar – ein Senegalesischer Volkstanz: Sabar ist der Volkstanz der ethnischen Gruppe Wolof. Immer wenn die Wolofs ein Fest feiern - sei es eine Geburt, eine Hochzeit oder ein religiöser Anlass – wird Sabar getanzt. Der Sabar findet jeweils am Abend im Freien statt. Die Zuschauer und die Musiker aus etwa einem Dutzend Trommler bilden einen grossen Kreis. Die Trommler beginnen zu spielen und laden die Frauen unter den Zuschauern zum Tanzen ein. Diese gehen - gerade dann, wenn sie Lust dazu verspüren zu den Trommlern, tanzen für sie und mit ihnen und springen nach wenigen Minuten wieder zurück in die Zuschauerreihen. Durch dieses rege Reingehen und Rausspringen der verschiedenen Tänzerinnen entsteht ein Tanzfeuerwerk, welches von ständigem Wechsel und heiterer Stimmung geprägt ist. Dank der Unterstützung von Frau Mampuya und Max durften wir in Louga einen Sabar live miterleben. Diesen eindrücklichen Anlass werden wir nie mehr vergessen.


Umsetzungsmöglichkeit des afrikanischen Tanzes: Da sich die Choreografie, welche unsere Studiengruppe mit Frau Mampuya einstudiert hat, hervorragend für eine Umsetzung des afrikanischen Tanzes auf der Sekundarstufe I eignet, entschlossen wir uns, von dieser Choreografie einen Lehrfilm zu machen. Dieser Lehrfilm beginnt mit Tanzsituationen, die wir während unserem Aufenthalt in der Gastfamilie filmen konnten. Die Schüler und Schülerinnen sollen mit diesen Alltagssituationen auf den afrikanischen Tanz eingestimmt werden. Anschliessend wird zuerst die komplette Choreografie in der Gruppe gezeigt. Danach werden die einzelnen Tanzelemente separat vorgetanzt. Bei jedem

Element werden die wichtigsten Kontenpunkte genannt und bei komplizierten Schritten werden die Füsse nochmals separat und verlangsamt aufgeführt. Dieser Lehrfilm wurde mit der Absicht produziert, den afrikanischen Tanz in die Schweizer Turnhallen zu bringen.

Salome Pfäffli, Martina Hauri



Barça oÚ Barzakh Barcelona sehen oder sterben.


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vom BIP werden durch Rückführungen der Gelder von Auslandsenegalesen beigesteuert. Jährlich verlassen die Menschen das Land, auf der Suche nach dem Eldorado Europa: viele auf legalem und - eine grosse unbekannte Dunkelziffer, auf illegalem Weg. Seit kurzem setzt sich die Gruppe der Emigranten zusammen aus Männern Altersgruppe 30+ und Frauen, die vor gesellschaftlicher Ächtung flüchten: uneheliche Kinder oder Ehelosigkeit führen zu einer Diskrimination der Frauen. Zudem kommt auch hier der Individualismus vermehrt zum Tragen. Der Weg nach Europa ist gefährlich und für viele tödlich. Das Leben im Zielland bietet den wenigsten eine Zukunft. Die freiwillige oder erzwungene Rückkehr kann gesellschaftliche Ächtung hervorrufen: jeder Auswanderer trägt die Seelen und Hoffnungen der ganzen Familie, sowie deren finanziellen Unterstützung mit sich. In der afrikanischen Gesellschaft ist das Kind verpflichtet für die Mutter zu sorgen, daraus entsteht eine starke und unumstössliche Obligation Geld zu verdienen. Widrige Lebensbedingungen, hohe Arbeitslosigkeit aufgrund des Rückgangs der Fischerreibestände, dem Landbesitz in der Staatsgewalt und dem geringen Ausbildungsstand lassen junge Menschen vom Paradies Europa träumen. Die Zukunft im Senegal scheint aussichtslos. Berichte über

Gefahren oder Misserfolge rücken in den Hintergrund und nur noch die kleine Chance auf Erfolg wird wahrgenommen. Die Regierung Senegals unternimmt kaum aktive Schritte zur Unterbindung der Migration. Im Gegenteil das Interesse an der Rückführung der Gelder in den Senegal ist hoch und wird mit Steuererleichterungen und weiteren finanziellen Anreizen gefördert. Zudem wird dadurch die angespannte Arbeitsmarktsituation entlastet. Auf privater Ebene sind zahlreiche Projekte entstanden, um der Bevölkerung im Senegal eine Perspektive zu bieten.

„Das Thema Migration umfasst einen komplexen Themenbereich. Es betrifft sowohl ökonomische, sozialökonomische wie auch gesellschaftliche Ebenen.“ Yayi Bayam Diouf – COFLEC (Collectif des Femmes pour la lutte contre l’emigration clandestine au Sénégal Thiaroye sur mer bei Dakar ist einer der Orte, an welchem Ängste und das bisherige Leben am Strand zurückgelassen werden. Die Hoffnungen und die Körper setzen sich in dasselbe Boot mit dem Ziel Kanaren, Europa. Einige dieser Körper werden wieder an den Strand geschwemmt, an-


dere tauchen nie mehr auf. Frau Diouf hat ihren Sohn so verloren und kämpft seither um jedes Leben welches sich auf den Weg machen möchte. Seit 2007 hat sie eine Gemeinschaft von 350 Müttern in 34 Ortsverbänden vereinigt, welche alle einen Sohn oder Neffen verloren haben. Zusammen sensibilisieren sie Frauengruppen, gehen in die Familien, klären auf und vor allem weisen sie auf Möglichkeiten vor Ort auf. Im Ausbildungszentrum bilden sie Informatiker, Coiffeusen und Schneider aus und bauen dies stetig aus.

terverarbeitet – ausschliesslich von Frauen: ein Verdienst und ein Stück Unabhängigkeit für die Frau. Zusätzlich trifft sich in diesem Innenhof eine Frauengruppe, eine „Chaîne de Solidarité“. In erster Linie bietet die Gruppe Raum für Austausch und psychologische Unterstützung. In zweiter Linie ist die Unterstützung jedoch ganz konkret: jede Frau steuert ein wenig Geld zur Gemeinschaftskasse bei, wobei jeder Beitrag genau festgehalten wird. Zweimal wöchentlich wird per Los entschieden, welche der Frauen, Geld daraus verwenden kann und für was.

Bei unserem Besuch haben wir erleben dürfen, auf wie vielen Ebenen die Organisation arbeitet: von dem Verkauf von Bio Setzlingen und Konservierung von Früchten über das Angebot eines Psychologen bis hin zur Stärkung der Frau, respektive der Mütter potentieller Migranten. Letzteres durften wir von ganz Nahem erfahren: als pragmatische Schlüsselfigur der Organisation hat sich Frau Diouf nur kurz damit aufgehalten uns in ihrem Büro zu interviewen. Sie nahm uns mit zu einer Verarbeitungsstelle von Muscheln. Im Vordergrund standen unsere zwei zusätzlichen Paar Hände – erst nach und nach hat sie uns erklärt wobei wir gerade mittun durften: Der Fischer der die Muscheln liefert, hat früher Migranten per Boot zu den Kanaren gefahren. Die Muscheln werden wei-

Wir haben daraus gelernt: wenn die Mütter stark und unabhängig sind, sind es auch ihre Kinder.

Annick Staub, Sandra Zimmermann



La Lutte sénégalaise Ringkampf als Hauptvolkssport


Kurzgeschichte

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as Stadion ist voll. Sechzigtausend Menschen sind eingetroffen, um an einem der spektakulärsten Ringkämpfe des Landes dabei zu sein. Modou Lo gegen Eumeu Sene. Es ist ein Erlebnis, das bereits vor dem Hauptkampf beginnt. Die Zuschauer genießen eine außergewöhnliche Atmosphäre, geprägt von Trommeln, Tänzen und Musik. Dabei können die Nachwuchsringer, in den Vorkämpfen, ihren ganzen Mut zur Schau stellen. Nach ein paar Stunden ist es endlich soweit. Mit religiöser und musikalischer Unterstützung ziehen die Stars in die Arena ein. Die Ringkämpfer lassen sich von ihrem persönlichen religiösen Berater, dem Marabut, mit Zaubertränken

und Talismanen auf den Kampf vorbereiten. Beide Kämpfer sind mit verschiedensten Ketten und Armbänder, den sogenannten Gris-gris, geschmückt, welche sie im Kampf unterstützen sollen. Zum Spiel seiner eigenen Musik tanzt jeder der Kämpfer um seine Fans anzuheizen und sich selbst auf den Kampf vorzubereiten. Dann stehen sich die Kontrahenten gegenüber. Langsam beginnen sie sich zu umkreisen und mit gebücktem Oberkörper zu fixieren und abzutasten. Schließlich stürzt einer von ihnen nach vorne und versucht den Gegner mit Schlägen ins Gesicht zu treffen. Der Gegner wehrt diese ab, klammert sich an seinen Rivalen und versucht ihn zu Boden zu werfen. Der Sand spritzt

dabei auf und bepudert die verschwitzten Körper der Kämpfer. Es geht hin und her. Spannend bis zur letzten Minute, weil nichts vorhersehbar ist. Doch Modou Lo nutzt einen schwachen Moment seines Gegners und wirft ihn zu Boden. Das ganze Stadion schreit euphorisch auf, singt und bejubelt den heutigen Sieger: „Mooodou Looo!“ Er marschiert in Siegespose durch die Arena und lässt sich von seinen Fans feiern.


Hintergründe

Der Ringkampf ist in Senegal die Nationalsportart überhaupt. Ringen galt früher als Hobby, deswegen werden die Kämpfe nach wie vor am Wochenende ausgetragen. Heutzutage ist das Ringen allerdings eine professionelle Sportart, die bei jungen Leuten deutlich beliebter ist als Fußball. Viele Jugendliche sehen in der Sportart ihre Idole und die Chance gross Geld machen zu können, weshalb sie frühzeitig die Schule abbrechen. Dies wiederum erklärt der weit verbreitete Analphabetismus unter den Ringkämpfern. Der professionelle Ringkämpfer beginnt bereits um vier Uhr morgens sein Training. 5-6 Trainingseinheiten pro Tag beinhalten Aus-

dauerlauf im knietiefen Wasser, Krafttraining, Boxen und Ringen. Mit 6-8 protein- und fetthaltigen Mahlzeiten und viel Schlaf können die Kämpfer ein Gewicht von bis zu 130kg und eine Körpergrösse von bis zu 2.10m erreichen. Jeder Kämpfer gniesst das Vertrauen verschiedener Marabouts. Marabouts sind Vertreter des Propheten Mohammed, welche Ratschläge geben und die Gris-Gris heilig sprechen. Sie bereiten die Kämpfer mental auf den bevorstehenden Ringkampf vor. Es finden 5-7 spektakuläre Ringkämpfe im Jahr statt, bei denen man bis zu 240‘000 Franken gewinnen kann. Der Unterschied zum Schweizer Schwingen besteht darin, dass die Kämpfer nur in Schwingerhosen antreten, sich wie im Boxen schlagen dürfen und dass sie nicht unbedingt auf dem Rücken landen müssen. Die Ellbogen und Knie dürfen nicht gleichzeitig den Boden berühren. Am Tag des Ringkampfes befindet sich meist das ganze Land im Ausnahmezustand, vom Kind im kleinsten Dorf bis hoch zum noblen Politiker schaut sich jeder die Ringkämpfe an. Die Rivalität in dieser Sportart ist gross, weshalb auch bis zu hundert Sicherheitskräfte im und um das Stadion eingesetzt werden, um die ganze Spannung unter Kontrolle zu haben. Während die Ringkämpfer nach dem Kampf von Zivilpolizisten bis zum eigenen Haus begleitet

werden, stürmt das ganze Volk auf die Strasse und feiert diesen besonderen Tag. Die beiden Autoren hielten ihre Entdeckungsreise in die Welt des „la lutte sénégalaise“ in einem Dokumentarfilm fest. Dieser kann man sich unter folgendem Link ansehen: http://www.youtube.com/watch?v=xLLEKrrlBcc

Rafael Bühlmann, Ivan Eusebio



Polygamie Bei vielen M채nnern beliebt, bei Frauen umstritten.


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ach dem Vorbereitungstreffen für die Reise in den Senegal beschlossen wir in der Literatur von senegalesischen Schriftstellerinnen und Schriftstellern nach einem geeigneten Thema zu suchen. Die Wahl fiel schliesslich auf das Buch von Mariama Ba „Ein so langer Brief“. In dem Briefroman schildert Mariama Ba wie sie nach dreissig scheinbar glücklichen Ehejahren, in denen sie neun Kinder gebar, von ihrem Mann verlassen wurde. Die Studierenden erhielten einen Einblick in die Situation einer Frau, die sich als Opfer der überlieferten Polygamie fühlt. So wurde eine Diskussion angeregt. Wir führten eine kleine empirische Studie mittels der Methode des Interviews durch. Befragt wurden verschiedene Frauen und Männer in Touba Dialaw, in Sindia, in Gorée und in Séssènne zum Thema Polygamie. Jede Studentin, jeder Student erhielt einen Fragebogen mit dem Auftrag eine Frau in ihrer Gastfamilie in Séssènne zu interviewen. Polygamie ist ein komplexes Thema, bei vielen Männern beliebt, bei Frauen umstritten. Der Islam, die vorherrschende Religion in Senegal, erlaubt es den Männer bis zu vier Frauen zu ehelichen. Bei der ersten Eheschliessung müssen sie auf dem Standesamt angeben, ob sie monogam oder polygam leben wollen. Fast alle Männer entscheiden sich für die Polygamie. Und geben gleich die erlaubt „Höchstmenge“


von vier Frauen an. Frauen auf dem Land übernehmen selbstverständlich die Tradition der Vielehe und hinterfragen ihre Situation kaum. Frauen im städtischen Bereich haben eine kritischere Haltung. Sie realisieren ihre Zurücksetzung und wehren sich gegen eine Vernachlässigung. Immer mehr Frauen lassen sich scheiden, brechen aus dem alten System aus. Das Buch von Mariama Ba führt exemplarisch ihr Schicksal und ihr Leiden unter der Polygamie eindrücklich vor Augen. Durch die Interviews mit Frauen aus der Stadt fanden wir ihre Schilderung weitgehend bestätigt. Ursprünglich stellte die Polygamie zum einen eine Erleichterung dar, die Frauen teilten sich die Arbeiten und zum anderen waren sie wirtschaftlich versorgt. Heute sind viele senegalesiche Frauen, vor allem in städtischen Gebieten besser ausgebildet und dadurch wirtschaftlich unabhängiger und selbstbewusster. Dies stellt die Polygamie in Frage.

Damaris Hotz, Gudula Kaisser



Serpentante (la pêche) Ernährungssicherheit Nachhaltigkeit Export Globalisierung Autarkie Landwirtschaft


Landwirtschaft Le riz Die Kolonialmacht Frankreich hat begonnen Reis aus anderen französischen Kolonien nach Senegal zu importieren. Die senegalesische Bevölkerung hat sich sehr schnell an den Reis gewöhnt, die Zubereitung geht schnell und einfach. Heute ist Reis Teil des Nationalgerichts Thié-bou Dieune. 800‘000 t Reis werden im Jahr konsumiert und nur ein Achtel wird im Land produziert. Korruption und die damit verbundene Reis-Lobby in der führenden Politik hat dazu geführt, dass der Reisanbau von staatlicher Seite immer noch zu wenig gefördert wird. Die einheimische Sorte, der „rote Reis“ ist am verschwinden. Die Menschen wissen nicht mehr wie dieser zubereitet wird und die Geschmackspräferenzen haben sich verändert. Um die inländische Reisproduktion anzukurbeln braucht es eine Mechanisierung der Produktion und vor allem die Erschliessung von brach liegendem Land im Norden vor St.Louis sowie auch in der Casamance, im Süden Senegals. Le blé Für die Baguetteherstellung werden jährlich 400‘000t Weizen aus Frankreich importiert. Der Anbau von Weizen ist in Senegal sehr schwierig.

Neue Brotmischungen mit einem Viertel Hirse könnten die Abhängigkeit verkleinern. L‘arachide Noch zu Kolonialzeiten haben die Franzosen beschlossen, dass in Senegal Erdnüsse und Baumwolle angebaut werden soll. Diese Erdnussmonokultur hat zu verschiedenen Problemen geführt. Als man das krebserregende Pilzgift Aflatoxin im Erdnussöl fand, brach der Export zusammen. Daneben ist die Konkurrenz auf dem Ölmarkt sehr gross. Die Hälfte der produzierten Erdnüsse werden im Senegal konsumiert. Industriell hergestelltes Erdnussöl ist für die Bevölkerung ziemlich teuer und das handwerklich hergestellte Öl wäre günstig, ist aber in den Städten nur schlecht erhältlich.

La pêche „Und wenn es noch nicht mal Sardinen für unser Thié-bou Dieune gibt, dann haben wir ein Problem.“ Macky Sall, Präsident Senegals

Die Fischerei ist für Senegal von grosser Bedeutung. Mehr als 600‘000 Menschen leben vom Fischfang. Die Fangmenge beträgt fast eine


„Thié-bou Dieune, das senegalesische Nationalgericht, steht exemplarisch für die Probleme in Landwirtschaft und Fischerei.“

halbe Million Tonnen pro Jahr. Davon werden knapp 1/5 exportiert. Diese Exporte sind der grösste Devisenbringer der senegalesischen Volkswirtschaft. Der Löwenanteil des gefangenen Fisches wird in Senegal konsumiert, Senegal liegt beim pro Kopf-Konsum von Fisch an Afrikas Spitze. Fisch ist auch Teil des Nationalgerichts Thiébou Dieune. Der Fischkonsum ist in den letzten 10 Jahren dramatisch gesunken: von 41 kg auf 26 kg/Kopf. Dies liegt auch am Bevölkerungswachstum und den gesteigerten Exporten, lässt aber auch darauf schliessen, dass Senegals Fischgründe übernutzt werden. Gemäss FAO gelten 53% der Fischbestände als überfischt, 43% als vollgenutzt und nur 4% als gemässigt genutzt. Bis 2012 wurden vor allem die ausländischen Fangflotten für die Überfischung verantwortlich gemacht. Doch industrielles Fischen durch ausländische Fangschiffe hat massiv abgenommen, seit die neue Regierung die meisten Fanglizenzen gekündigt hat. Ein Hintertürchen bilden Joint-ventures mit senegalesischen Fischereiunternehmen. Die illegale Fischerei ist in den Meeren Westafrikas stark verbreitet und richtet grossen

Schaden an. Professionelle Überwachung der Fischgründe ist extrem aufwändig und für Senegal zu teuer. Senegal erhofft sich deshalb vermehrte internationale Unterstützung und Zusammenarbeit. In Senegal werden 90 Prozent der gesamten Fangmenge von traditionellen Pirogen-Fischern eingebracht. Eine durchschnittliche Piroge ist 14 m lang und hat ein Fassungsvermögen von 10 t. Um die 20‘000 Pirogen sind registriert. Viele dieser Pirogen fahren in die Meere der Nachbarländer, um noch genügend Fisch zu fangen. Der Staat hat aufgrund fehlender Daten grosse Mühe, diese informelle Kleinfischerei zu reglementieren. Viele Fischer sind inzwischen zur Einsicht gelangt, dass es für den Erhalt ihrer Lebensgrundlage Reglementierungen braucht und haben sich in zahlreichen Verbänden für eine nachhaltige Fischerei organisiert.

Kathrin Bischofberger, Christoph Leutwyler



Sportunterricht im Senegal

Eine Analyse aus der Sicht Schweizer Lehrpersonen


Kollektives Einw채rmen auf Kommando des Lehrers. Die Gymnasiasten befolgen diszipliniert die Anweisungen und bewegen sich trotzdem mit viel Freude.


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ereits in Basel war uns klar, dass wir uns während den interdisziplinären Projektwochen mit dem Thema Sport befassen wollen. Genauer mit dem senegalesischen Schulsportunterricht. Erfolgreiche Vorrecherchen blieben leider aus und somit mussten wir unsere Ressourcen vor Ort sammeln und auswerten. Im uns noch unbekannten Land angekommen, ermöglichte uns der erste Schulbesuch in einer Sekundarschule in Thiés einen Einblick in den Schulsportunterricht. Vor Ort hielten wir das Gesehene mit Kamera und Schrift fest, um im Centre Mampuya, unserem Aufenthaltsort, didaktische Analysen zu betreiben. Uns fiel auf, dass der Unterricht trotz für uns kaum vorstellbaren Klassengrössen bemerkenswert strukturiert war. Daran gekoppelt war die Bewegungslust und Motivation der Kinder. Die Koedukation wurde nur teilweise umgesetzt; gezwungenermassen standen Schülerinnen und Schüler derselben Klasse auf demsel-

ben Sportplatz, bewegten sich aber nur in geschlechterhomogenen Gruppen, welche durch verschiedene farbige Trikots gekennzeichnet waren. Der Sportunterricht fand auf einem grossen Sandplatz statt, auf dem kaum Material vorhanden war. Einzig die zwei Mattenbahnen, aus 4-5 Matten bestehend, wurden für die Gymnastikübungen benutzt. Nebst der Gymnastik wird als Disziplin die Leichtathletik unterrichtet. Ballspiele kommen nur selten vor im Schulunterricht vor, werden aber in der Freizeit häufig praktiziert. Die Leichtathletikdisziplinen und die Gymnastik sind Teilbereiche des Sportunterrichts, die mit Klassengrössen von bis zu 100 Schülerinnen und Schülern strukturiert vermittelt werden können. Wobei bei Spielsportarten die effektive Bewegungszeit und die Ordnung unter den schwierigen Bedingungen leiden würden. Beim zweiten Schulbesuch in einem Gymnasium wurden die bereits erwähnten Disziplinen den Spielsportarten vorgezogen. Die Lehrperso-

nen befassten sich mit didaktischen Konzepten; Vorwissen wurde generiert, Lektionsablauf wurde bekannt gegeben, Rückmeldungen waren konstruktiv, Ausblicke wurden kommuniziert. Zudem waren mehr und besseres Material sowie zwei Sportplätze vorhanden. Die Schülerinnen und Schüler machten auch hier einen bewegungsfreudigen Eindruck, was sich in ihren schlanken Körpern widerspiegelte. Trotz allem ist der Unterricht stark lehrerzentriert und wenig differenziert.

Sarah Bohler, Michela Vacilotto


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