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Ratgeber

Ergonomisches Arbeiten am Bau

Der schmerzhafte Klassiker

Viele Arbeiten auf der Baustelle werden auf den Knien erledigt – auf Dauer nicht nur schmerzhaft, sondern langfristig schädigend. Daher empfiehlt sich (auch bereits in jungen Jahren) stets der Einsatz von Arbeitshosen mit Knieschutzeinlage oder die Verwendung von Polstern, um das Knie so gut wie möglich zu schützen. [ BAUSICHERHEIT ] Noch vor wenigen Jahren hätte man bei der Frage nach ergonomischeren Lösungen am Bau hämische Blicke geerntet. Es war schlichtweg nicht auszudenken, dass sich jemand ernsthaft über eine zu schwere Schubkarre oder eine zu hohe körperliche Belastung beschwert. Heute ist die Bauindustrie ein ganzes Stück weiter – nicht zuletzt deshalb, weil jede Arbeitserleichterung den Gesundheitszustand der Mitarbeiter schützt und damit auch positive Auswirkungen auf die Wirtschaftlichkeit eines Unternehmens hat. Oder kürzer gefasst: Fällt ein Arbeiter aus, kostet das über kurz oder lang richtig viel Geld. Im Folgenden wirft die Redaktion der bauSICHERHEIT einen Blick auf Lösungen, die das ergonomische Arbeiten möglich machen – und in der Baubranche auch tatsächlich Sinn machen.

Von Dan Windhorst

Ein erster wichtiger Schritt ist bereits dann gemacht, wenn Unternehmer sich die standardisierte Arbeitsausrüstung ihrer Mitarbeiter anschauen: Alles was hier in den Bereich der persönlichen Schutzausrüstung (PSA) fällt, muss in einwandfreiem Zustand sein und sollte einen guten Tragekomfort aufweisen. Das reicht von Kopf-, Hand-, Augen- und Knieschutz bis zur Wahl der richtigen Sicherheitsschuhe sowie der Ausstattung mit Atemschutzlösungen und zuverlässigem PSAgAEquipment. Stört derartige Ausrüstung beim Tragen, kann das nach einem satten 8-Stunden-Tag nicht nur nervtötend, sondern auch schmerzhaft sein.

Zwischen Dachziegeln und Bohrmaschinen

Ein weiterer wichtiger Faktor im Bereich des ergonomischen Arbeitens ist auf der Baustelle der Umgang mit schweren Lasten. So bietet der Markt mittlerweile eine Vielzahl an mobilen sowie stationären Aufzügen, um Arbeitsmaterial, Maschinen und Baustoffe in höhere Stockwerke zu transportieren. Speziell für Dachdecker existieren darüber hinaus sogenannte Dachziegel-Verteiler: Dabei handelt es sich um einen auf Rollen gelagerten Absetzblock, der auf den vorhandenen Dachlatten bewegt werden kann. Auf diese Weise soll das traditionelle Werfen von Person zu Person vermieden werden – ein sinnvolles Hilfsmittel, bedenkt man, dass Betondachsteine mehrere Kilo mit sich bringen und gern gleich mehrere Ziegel auf einmal zum Kollegen geworfen werden. Nützlich sind außerdem Federzüge: Sie eignen sich ideal, um das Eigengewicht von Maschinen über den Federzug zu halten oder um die Bück- und Hebevorgänge zum Aufnehmen und Ablegen der Maschinen zu übernehmen. Ergonomischer kann es übrigens auch bei Bohrarbeiten zugehen: Bewährt hat sich hier die Verwendung von Bohrständern – sie erleichtern das Halten des Bohrgeräts, da das Eigengewicht der Maschine von der Gerätehalterung getragen wird. Auf diese Weise vermindert sich die Ermüdung der Muskulatur in Armen und Händen.

Transport und Aufbewahrung

Zum ergonomischen Arbeiten gehört allerdings auch, dass Arbeitsgerät und -material so einfach wie möglich ein- und ausgeladen sowie verstaut werden kann. Klassiker hierbei sind Dachgepäckträger für den Leitertransport und absenkbare Anhänger. Letztere haben den Vorteil, dass damit auf Bodenniveau abgesenkt werden kann. So ist ein barrierefreies Begehen und Befahren der Ladefläche möglich. Auch der Kraftaufwand beim Be- und Entladen verringert sich. Mittlerweile lassen sich Anhänger darüber hinaus mithilfe einer Fernsteuerung bedienen und in die gewünschte Standposition manövrieren – auch das mindert die körperliche Belastung.

Empfehlenswert sind zudem Minikrane oder kleine Ladekrane: So reduziert sich das Heben und Tragen von schweren Lasten sowie ungünstige Körperhaltungen. In Sachen Aufbewahrungsmöglichkeiten raten Experten wiederum zu Transportboxen sowie Behältern, die sich gut tragen lassen und ein übersichtliches Verstauen von Werkzeug ermöglichen. Zum einen soll Platz gespart werden, zum anderen gilt es zu verhindern, dass jedes Materialteil einzeln getragen bzw. ein- und ausgeladen werden muss.

Unterstützt durch schweres Gerät

Richtig zur Sache geht es wiederum bei Abbrucharbeiten: Hier setzen immer mehr Unternehmen moderne Abbruchroboter ein. Sie sind kompakt aufgebaut und einfach in der Handhabung. Durch den Einsatz werden der Rücken und die Gelenke geschont – zudem können die Roboter ebenfalls per Fernsteuerung bedient werden, was die Belastung durch Vibrationen verhindert. Hilfreiche Unterstützung gibt es außerdem beim Verlegen von Steinen: Um das ständige Arbeiten auf Knien zu vermeiden, lassen sich Verlegemaschinen, Versetzzangen, Vakuum-Versetzgeräte oder hydraulische Greifer einsetzen.

Übrigens: Wenn sich eine kniende Arbeitsposition überhaupt nicht vermeiden lässt oder helfende Geräte nicht zur Hand sind, empfiehlt die BG Bau in jedem Fall Knieschutzhosen mit Einlegepolstern oder Kniesitze.

Exoskelette im Arbeitsalltag

Was auf den ersten Blick nach Zukunftsvision klingt, ist mittlerweile in der Realität angekommen: Exoskelette kommen seit einiger Zeit bereits in der Industrie zum Einsatz – unter anderem im Automobilbau. Sie sollen anstrengende Handgriffe, etwa über Kopfhöhe, spürbar erleichtern und Muskeln, Schultern sowie den Rücken gezielt entlasten. Im Grunde handelt es sich dabei um ein mechanisches Korsett, das wie ein Rucksack angeschnallt und fixiert wird. Mittels Seilzügen wird das Gewicht der Arme und der Werkzeuge mechanisch auf die Hüfte abgeleitet. Ein Problem für die Bauindustrie ist hierbei, dass häufig wechselnde Arbeitsaufgaben hohe Flexibilität voraussetzen – das Exoskelett hingegen ist nicht bei allen Arbeitsbewegungen hilfreich. Derzeit entwickeln mehrere Hersteller jedoch Varianten, die sich vielseitiger verwenden lassen.

Eine kurze Bestandsaufnahme

Grundsätzlich gilt: Überall da, wo der Körper unnötig belastet oder auf lange Sicht in immer wiederkehrenden Arbeitssituationen überanstrengt wird, herrscht Redebedarf. Ziel soll es sein, dass ein Arbeiter gesund bleibt und dem Unternehmen mit seltenerem Krankheitsausfall als Fachkraft erhalten bleibt. Die Investition in ein ergonomischeres Arbeiten kann mitunter kostspielig sein, zahlt sich auf lange Sicht jedoch schnell aus.

Der Markt bietet hierfür eine gewaltige Fülle an Möglichkeiten. Abgesehen von den bereits genannten Hilfsmitteln reicht die Produktpalette von höhenverstellbaren Werk- und Arbeitsbänken und unterschiedlichsten Teleskopverlängerungen für Werkzeuge bis zu Vakuum-Hebern, Tritten, Arbeitspodesten und kleinen Transportwagen. Ein nicht zu unterschätzender Faktor bleibt außerdem, dass ergonomischeres Arbeiten in einer Vielzahl von Arbeitssituationen nicht nur gesundheitsschonender, sondern auch weit wirtschaftlicher ist.

Das Team der bauSICHERHEIT sagt: Passen Sie auf sich auf, lassen Sie sich auf neue Hilfsmittel ein und bleiben Sie vor allem gesund! J

Nicht den »Starken« markieren

Die Baubranche ist zweifelsohne ein hartes Pflaster – in der heutigen Zeit sollte es aber dennoch kein Tabuthema mehr sein, sich von zu starker körperlicher Belastung fernzuhalten. Ein gutes Beispiel hierfür ist das Tragen schwerer Lasten wie Zementsäcke, Farbeimer, Holz oder Maschinen. Überall da, wo Lasten mechanisch gehoben, mit einem Aufzug befördert oder mittels Sackkarre und Transportwagen bewegt werden können, sollte der Arbeitnehmer dies auch tun – und das allein dem eigenen Körper zuliebe, denn der rächt es mit fortschreitenem Alter ganz gewiss.

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