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Wie die ISKRA Oldstars ihren Namen fanden Aus Anlass des 65-jährigen Bestehens ein geschichtlicher Abriss von Hans-Jürgen Geißenhöner

Wie die ISKRA Oldstars ihren Namen fanden...

Aus Anlass des 65-jährigen Bestehens ein geschichtlicher Abriss von Hans-Jürgen Geißenhöner

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Die Jahre nach dem Krieg begannen sich auch in der DDR zu normalisieren. In der 31. Grundschule in Probstheida fanden sich in einigen Schränken Fanfaren. Helmuth Römer und ein paar gleichaltrige Mitstreiter begannen darauf zu üben. Die meisten Kumpels wohnten aber in Meusdorf. Gerd Madry, Peter Mank und auch Gerhard Reiss, genannt Bambino, kurz Bam. Bam war allerdings schon paar Jahre älter, konnte trommeln und schön hoch Fanfare spielen. Er hatte Erfahrung aus früheren Fanfarenzügen. Helmuth Römer gründete 1957 den Fanfarenzug der 31. Grundschule und es entwickelte sich in kürzester Zeit eine schlagkräftige Truppe, die auch in Leipzig schnell bekannt wurde. Die ersten Auftritte kamen, man konnte sogar zu den Arbeiterfestspielen auftreten.

In Liebertwolkwitz hatte sich auch ein Naturfanfarenzug gegründet, der vom Abschnittsbevollmächtigten der Volkpolizei Horn geleitet wurde. Die Proben fanden in der Gemeindeturnhalle statt, die sich auf dem Nachbargrundstück der Schule befand. 1962 bin ich dort eingetreten. Leider hat sich der Liebertwolkwitzer Fanfarenzug nicht halten können. Trotzdem gab es eine Gruppe von Schülern, die noch Lust hatten. Ca. 12-15 Musikfreunde machten sich auf und nahmen an den Proben der „Meusdorfer“ teil. Im Umkreis von Südost wurden wir damals „die Meusdorfer“ genannt, weil der größte Teil der Mitglieder in der Meusdorfer Siedlung wohnte. Die Proben fanden fast immer auch in der Meusdorfer Schule statt, sie war ein Teil der 31. Grundschule. Mit den Wolksern kam noch einmal eine ganze Truppe Verstärkung hinzu. Mein erster Leistungsvergleich fand 1965 im Becken des Völkerschlachtdenkmals statt.

Da war zu der Zeit noch kein Wasser drin, nur Wiese. Dort konnte man schön aufmarschieren. Es war ein Bezirksleistungsvergleich, wir belegten hinter dem damaligen Stadtfanfarenzug (Leiter Gerhard Knoll), den 2. Platz. In Probstheida, in der Russenstraße, existierte ein Museum. Es nannte sich die ISKRA – Gedenkstätte, weil dort die erste Zeitschrift ISKRA für Lenins Revolution gedruckt wurde. Kamen hohe Persönlichkeiten aus der UdSSR nach Leipzig, so wurden sie immer zu dieser Gedenkstätte geführt. Sehr oft mussten wir sie dann vor Ort musikalisch begrüßen. So bekamen wir diese Herren meist sehr nah zu sehen. Ich kann mich am meisten an die Kosmonauten erinnern, die zu dieser Zeit sehr oft ins All flogen, was ja damals noch eine Sensation war.

Aufgrund der Nähe der 31. Grundschule zu dieser Gedenkstätte wurde die Pionierorganisation mit dem Namen ISKRA ausgezeichnet. So konnten wir uns Fanfarenzug der Pionierfreundschaft ISKRA Leipzig nennen. 1968 war ein Jahr für unseren Fanfarenzug, in dem einige Veränderungen stattfanden. Wir bekamen neue Kleidung, hatten uns musikalisch verändert, spielten richtige Lieder und gestalteten eigene Musikschauen. Als Tambourmajor hatten wir nun ein Mädchen.

Wir nannten uns jetzt: Schau- und Melodie-

fanfarenzug der Pionierfreundschaft ISKRA

Leipzig.

Die Erfolge unserer Arbeit, unseres Engagements, blieben auch nicht aus. Wir gewannen an Popularität in Leipzig und Umgebung, in der DDR. 1969 fand der 20. Jahrestag der DDR statt. Zu diesem Anlass wurde das Zentrale Musikkorps der FDJ gegründet. Die besten Jugendorchester wurden dazu eingeladen. Die Leipziger standen da noch nicht auf der Liste. So sind wir als selbständiger Fanfarenzug/ Fanfarenorchester in Berlin vor der Ehrentribüne mit einem sagenhaften Auftritt vorbeimarschiert. Als wir wissen wollten, was wir vor der Ehrentribüne spielen sollten, sagte man uns: „etwas Lustiges“. Wir wählten den damaligen Hit der britischen Pop-Sängerin Sandie Shaw, “Puppet On A String” (1967). Das war schon ein Erlebnis vor der Regierung der DDR, die dazu klatschte und tobte. Ob es daraufhin noch Folgen gab, entzieht sich meiner Kenntnis.

Wir stellten uns eines weiteren DDR-Leistungsvergleiches, aus dem wir als Sieger hervorgingen, was uns zur Berufung ins ZMK 1970 verhalf.

Wir nannten uns jetzt Fanfarenorchester ISKRA Leipzig.

In den nächsten Jahren entwickelte sich das Orchester ständig weiter. Es kamen neue Blasinstrumente hinzu, es wurde ein Naturfanfarenzug mit Trommlergruppe gegründet. Das Fanfarenorchester hatte sein eigenes Schlagzeug, so dass wir je nach Anlass eine Besetzung zum Auftritt schicken konnten. Bei besonderen Konzerten hatten wir noch eine Tanzgruppe unter der Leitung von Frau Winkler.

Bis zur politischen Wende in der DDR 1989 lief unsere Entwicklung so erfolgreich weiter, unsere Popularität hatte sich ebenfalls erweitert. 1973 waren wir auf dem Kalender der LVZ abgedruckt und lagen so praktisch in jedem Haushalt in Leipzig auf dem Tisch. In

Fernsehsendungen, wie „Ein Kessel Buntes“, „Glück muss man haben“ oder „Da liegt Musike drin“ hatten wir unsere Auftritte. Auch im ZMK hatten wir uns musikalisch einen guten Ruf erarbeitet. Das Ende der DDR war für uns ein Einschnitt, der einige Veränderungen mit sich brachte, an die sich alle neu gewöhnen mussten. Das war so gravierend und spannend, dass man befürchten musste, dass das Orchester seine Existenz begraben musste. Viele Einnahmequellen brachen weg. Die Unterstützung durch das Schulamt wurde stark eingeschränkt, auch Hilfe von der Stadt war nicht zu erwarten. Es kam bundesdeutsches Recht zum Tragen und wir mussten uns als Verein eintragen lassen. Das bedeutete, dass es ab sofort einen Vereinsvorstand mit Vorsitz geben musste. Es wurde eine Satzung erstellt, in der u.a. die Gemeinnützigkeit zu erkennen war, die auch laufend, bis heute, nachgewiesen werden muss. Auch die Fragen der Finanzierung mussten geklärt werden. Als Anfang der 90-iger Jahre soweit alles geklärt war, musste auch der künstlerische Leiter, Herr Römer, erkennen, dass er nicht mehr so der „Boss“ sein konnte, wie das vorher der Fall war. Ein Vorteil entstand für ihn, die organisatorische Leitung ging nun an den Verein, er konnte mehr Zeit für die künstlerische Aufgabe investieren. Es gab jetzt einen Vereinsvorsitzenden und einen Stellvertreter, die bei Verfehlungen des Vereins in persönliche Haftung genommen werden könnten.

Wir haben die Probleme gelöst. Der Verein hatte jetzt einen neuen Namen: Jugend- und

Blasorchester Leipzig e.V.

Nach den zwischenzeitlichen Schwierigkeiten, nahm das Orchester wieder Fahrt auf. Den Naturfanfarenzug gab es nun nicht mehr. Praktisch existierten das große Orchester und das Nachwuchsorchester. Wir hatten auch musikalisch nichts mehr mit einem Fanfarenorchester gemein, eine klassische Blasorchesterbesetzung war jetzt entstanden.

Nun vergingen doch im Laufe der Zeit die Jahre, das große Orchester bekam mehrere künstlerische Leiter (nacheinander, nicht gleichzeitig) und mit jedem Leiter entwickelte sich das Orchester weiter.

Im Jahre 2003 war der Vorsitzende des Vereins bereits Jens Göttert. Der hatte doch die Idee, die vielen ehemaligen Musiker, welche aus unterschiedlichsten Gründen (sei es beruflich, familiär oder persönlich) mal das Orchester, den Verein verlassen haben, zu einer Interessenprobe einzuladen. Und es kamen ca. 40 Interessierte. Es fanden ein paar Proben statt, der künstlerische Leiter war Stefan Walther, ehemaliger Konzertmeister des Rundfunkblasorchesters Leipzig.

Damit wurde das Projektorchester unter dem Namen Orchester der Ehemaligen gegründet.

Was ist aus diesem Projektorchester geworden? Von den ehemals 40 Beteiligten im Jahre 2004, hat sich ein neues Orchester mit ca. 32 ehemaligen Mitgliedern entwickelt. Teils sind auch Freizeitmusiker, die keine historische Entwicklung im ehemaligen Fanfarenorchester nachweisen können, dazugekommen. Das Ziel dieses Orchesters ist es, den gestandenen Musikern, die aktuell mitten im Berufsleben stehen, oder bereits darüber hinaus sind, noch ein musikalisches Freizeiterlebnis zu bieten. Durch den Einsatz von Blechblasinstrumenten, mit Ausnahme Saxophon und Schlagzeug, soll der typische Fanfarenorchesterklang und eine Abweichung vom klassischen Blasorchesterklang erreicht und präsentiert werden! Gespielt wird Musik, die jeder kennt, die die Spatzen von den Dächern pfeifen. Dazu gehören

Schlager, Oldies, Märsche, Polkas, Medleys von bekannten und populären Künstlern, was eben jeder gerne hört. Musik, die auch Spaß macht zu spielen!

Da sich nun im Jugend- und Blasorchester drei selbständige Orchester etabliert haben, können diese unter ihrem eigenen Namen gebucht werden. Das Nachwuchsorchester nennt sich: Die Pfiffigen Musikusse. Das große Orchester, welches im Repertoire hauptsächlich Filmmusiken, klassische oder symphonische Musik darbietet ist unser: Symphonisches Blasorchester Leipzig. Bei der nun fälligen Diskussion über einen verbindlichen Namen für unser Projektorchester, dem Orchester der Ehemaligen, zeigten die ehemaligen Musiker des Fanfarenorchesters ISKRA Leipzig unbedingt ihre Verbundenheit zu ihren früheren Erlebnissen und Erfolgen. Und, da sie nun mal die „Alten“ im Verein waren, nannten sie sich Orchester ISKRA Oldstars Leipzig. ۞

Hans-Jürgen Geißenhöner

*Alle männlich verwendeten Formen schließen ihr weibliches Pendant mit ein.

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