Freitag, 17. Oktober 2014
Thurgau lokal
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Der Stuhl fürs Leben
Er heisst «Säntis» und kommt aus Müllheim. Der Klassiker unter den Gartenstühlen ist etwa 60 Jahre alt. Die Firma Schaffner hat ihn jetzt neu aufgelegt. Die Spaghetti-Bespannung wird auch heute noch von Hand gewickelt. IDA SANDL
MÜLLHEIM. So ganz frisch sieht er
nicht mehr aus: Die Füsse sind angekratzt und das Holz auf den Armlehnen hat Risse. Ist auch kein Wunder. Dieser Gartenstuhl dürfte um die 50 Jahre alt sein. Doch sein Besitzer liebt ihn so sehr, dass er ihn neu bespannen
lässt. Jetzt steht das gute Stück neben seinen nigelnagelneuen Kollegen in der grossen Werkhalle der Firma Schaffner in Müllheim. «Säntis», der Klassiker unter den Gartenstühlen. Stahlrohrgestell bespannt mit roten Plastikschnüren oder mit rot lackierten Holzlatten. Längst ein Stück Schweiz. Er gehört zu den Bergrestaurants wie die Schweizer Fahne oder das Znüni-Plättli. Bomben aus dem See geholt Und er kommt aus dem Thurgau. Martin Schaffner, der heute die Firma führt, schmunzelt. «Erfunden haben wir ihn nicht.» Das sei vor 60 Jahren das gängige Design gewesen. Jeder DorfSchlosser habe Stühle in dieser Art gebaut. Annemarie und Peter Schaffner stellten zuerst Stahlrohrhocker mit Polstersitzen her, später kamen Gartenstühle dazu. Das war 1954.
Bild: Reto Martin
Der Klassiker «Säntis» als Latten- und als Spaghetti-Stuhl: Samuel Schaffner und sein Onkel, Geschäftsleiter Martin Schaffner.
Peter Schaffner hatte zuerst seinem Bruder geholfen, Bomber aus dem Zweiten Weltkrieg aus Schweizer Seen zu bergen. Am Greifensee lernte er seine Frau Annemarie kennen, am Untersee blieb er. Die ersten Jahre waren hart. Seine Eltern hätten richtig chrampfen müssen, sagt Martin Schaffner. Anfangs liessen sie die Stahlrohre in Triberg im Schwarzwald bearbeiten. Dann schweisste sie der Vater in der Waschküche selber zusammen. Bald interessierten sich Möbel Pfister und Globus für die Schaffnerschen Gar-
Schaffner AG Schweizer Qualität aus Müllheim Die Schaffner AG stellt seit 60 Jahren hochwertige Gartenmöbel her. Die Stühle und Tische werden fast ausschliesslich in Müllheim produziert. Das Unternehmen hat um die 30 Mitarbeiter. Die SpaghettiStühle mit ihrem Geflecht aus Plastikschnüren werden noch immer von Hand bespannt. Ein erfahrener Bespanner schafft
etwa 20 Stühle an einem Tag. Auch die Stahlrohre für die Tische werden in Handarbeit zusammengeschweisst. Schaffner gibt auf seine Möbel eine Garantie von fünf Jahren. «Sie halten aber jahrzehntelang», sagt Geschäftsleiter Martin Schaffner. Als besonderen Service repariert und bespannt die Firma alte Stühle. (san)
tenmöbel. Es ging aufwärts, nicht nur wegen Gartenstuhl «Säntis», aber auch dank ihm. Haus und Garage wurden zu klein für die Produktion, der Betrieb zog um nach Müllheim. Annemarie Schaffner lebt heute in Steckborn, ihr Mann Peter ist vor zwölf Jahren gestorben. Die Söhne Martin und Theo Schaffner und mittlerweile auch Enkel Samuel arbeiten in der Firma. Durch und durch Schweiz «Säntis», der Klassiker, wird immer noch produziert. Und zwar fast gleich wie vor 60 Jah-
ren. Gefertigt werden die Gartenmöbel in Müllheim, fast alle Bestandteile stammen aus der Schweiz. Die Schaffner AG hat der Versuchung widerstanden, die Fertigung nach Asien oder Polen auszulagern. «Damit hätten wir viel mehr Geld verdienen können», sagt Martin Schaffner. Es sei ein bewusster Entscheid für die Schweiz gewesen, der sich lange nicht ausgezahlt habe. Erst in den letzten Jahren würde die Swissness honoriert. Mit der Retro-Welle ist der «Säntis» trendig geworden. Seit ein paar Jahren sei die Serie wieder gefragt. Das hat die Firma ermutigt, eine hochwertige Variante zu entwickeln. «Rigi» ist «Säntis» reloaded. Die Stühle sind etwas breiter als das Original. Für die Latten wird Eschenholz verwendet, die Stahlrohre sind feuerverzinkt. Soweit möglich, stammen alle Materialen aus der Umgebung. «Im Umkreis von zehn bis fünfzehn Kilometern», sagt Schaffner. Manufactum verkauft «Säntis» Der «Säntis» hat nicht nur Schweizer Bergrestaurants und Skibeizen erobert. In einem Caf´e in San Francisco habe er einen «Säntis»-Stuhl entdeckt, erzählt Martin Schaffner. «Das hat mich sehr gefreut.» Sogar LifestyleMarken wie «Manufactum» oder das amerikanische «Design within reach» führen den Klassiker im Sortiment. Ganz schön viel Ehre für einen bescheidenen kleinen Thurgauer.
Den Bayern die Neugier beibringen
«Neugierologie» heisst ein patentiertes Schulfach des SBW Haus des Lernens, welches die Neugier und den Wissensdurst von Kindern unterstützt. Und wer hat’s erfunden? Die Schweizer. Und wer genau? Die Thurgauer. Unterrichtet wird es aber erst in München. Die Nachfrage in Bayern ist gross. eises gelöscht. Jedes Kind könne nun selbst entscheiden, welchen Aspekt des Experiments es vertiefen möchte. «Während das eine Kind die wissenschaftliche Begründung wissen will, möchte ein anderes herausfinden, wie sich der Nebel bewegt», sagt Ammann. Das Lernen sei auf diese Weise viel effektiver, findet der Verwaltungspräsident.
AYLIN EROL
ROMANSHORN. «Mama, warum ist
der Himmel blau?» «Warum färben sich die Blätter im Herbst rot?» Das sind typische Fragen, die Kinder ihren Eltern stellen. Warum? Warum? Warum? Alles wollen die Kleinen wissen und fragen den lieben langen Tag. Die kindliche Neugier ist unersättlich. «Dieses Interesse geht aber leider schnell verloren, wenn sie in die Schule kommen und anstatt Fragen zu stellen, vor allem richtige Antworten geben müssen», sagt Reto Ammann, Verwaltungsratspräsident SBW Haus des Lernens. Um die Neugier der Kinder möglichst lange zu behalten, gründete der Thurgauer zusammen mit Christoph Bornhauser, Mitglied des SBW Leitungsteams, und dem damaligen GL-Mitglied Stefan Schneider das Fach «Neugierologie» in ihrem Münchner Ableger. Die Idee aus dem Thurgau 1980 wurde die erste SBWSchule in Romanshorn gegründet. Seit etwa sechs Jahren spielt der Begriff «Neugierologie» eine wichtige Rolle an den SBWPrivatschulen. «Neugierologie» wurde bisher aber nie als offizielles Schulfach unterrichtet, sondern sei insbesondere als Prinzip www.thurgauerzeitung.ch
Fragen ohne Antworten
Bild: pd
Münchner Primarschüler suchen eine Antwort auf die Frage: Was versteckt der Kürbis in seinem Inneren?
gelebt worden. Dies änderte sich, als Reto Ammann eine SBW-Schule in München gründen wollte. «In Deutschland ist es Gesetz, dass jede Privatschule ein einzigartiges Fach oder spezielle Förderung anbieten muss», sagt Bornhauser. Da kam der Geschäftsleitung die Idee, «Neugierologie» als Fach zu unterrichten. Der Begriff wurde deshalb auch als Marke patentiert. Ein attraktives Konzept «Neurgierologie» ist vor allem eine Haltung», sagt Bornhauser. Vor einem Jahr wurde «Neugierologie in München zum offiziellen Schulfach und gleichzeitig
zu einem Markenzeichen der Münchner Schule. «Das Fach sei sehr beliebt», meint Bornhauser. «Kinder interessieren sich für Fragen, die oft leider nicht während des Schulunterrichts beantwortet werden können», sagt Verwaltungsratspräsident Reto Ammann. Ein Lehrplan würde genau vorgeschrieben, was bis zu welchem Zeitpunkt gelehrt und erlernt werden sollte. Die Neugier schwinde bald und zurück bleibe einzig und allein der Schulstoff. Das Konzept soll auch in die Schweiz und als erstes in den Thurgau kommen, wo «Neugierologie» bereits ein Thema ist.
Die Ergebnisse des Münchner Pilotversuchs müssen aber vorher ausgewertet werden. Individuelle Interessen «Die Schüler verlieren schnell aus den Augen, was sie wirklich interessiert oder sogar begeistert», meint Ammann. Um das zu verhindern, bietet der Münchner Ableger der SBW drei Lektionen «Neugierologie» in der Woche an. Während dieser drei Lektionen gehen die Lehrer keinem Lehrplan nach, sondern thematisieren durch Experimente die Fragestellungen der Kinder. Eine Kerze wird beispielsweise durch den Nebel des Trocken-
Die Kreativität der Schüler soll so weit wie möglich gefördert werden. Ziel des Schulfachs sei, gute Fragen zu stellen, auch wenn man keine Antwort darauf finde. Manchmal würden die
Fragen der Schüler gerade wegen verschiedener Wertvorstellungen oder Religionen unterschiedlich beantwortet werden. Dies fördere die Toleranz. Auch einfache Fragen könnten sich als knifflig herausstellen. «Das Beste ist, eine Frage zu stellen, auf die es keine Antwort gibt», sagt Bornhauser. Unterrichtet könne das interdisziplinäre Fach von jedem werden, der selbst neugierig ist und gerne Zeit mit Kindern verbringt. «Für dieses Fach muss man nicht studiert haben, aber eine Passion entwickeln können. Es lässt sich auch nicht im Detail planen», meint Bornhauser.
Münchner SBW-Schule Wie es dazu kam und was geplant ist Drei erfolgreiche Kinderkrippen-Inhaber aus München wollten vor drei Jahren plötzlich mehr, als die Kinder nur in der Krippe optimal zu betreuen. Daraufhin fragten sie das Thurgauer SBW-Team an, ob dieses zusammen mit ihnen eine SBWSchule in München aufbauen wolle. Vor zwei Jahren begann dann das Projekt mit zwei Klassen in der Primarschule. Inzwischen sei die Nachfrage in
München sehr gross. «Es gibt mehr Anfragen als Plätze an der Privatschule», sagt Reto Ammann, Verwaltungsratspräsident der SBW Haus des Lernens. Eltern, deren Kinder eben erst geboren sind, würden bereits Plätze reservieren. Deshalb plant die SBW ein Gymnasium nach demselben Konzept. Denn in Deutschland fängt das Gymnasium bereits mit der fünften Klasse an. (aye)