Microsoft Word - Predigt Silbernes Priesterjubil

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Mt 13,1-9 DAS SPANNENDE BUCH AUF DEM NACHTTISCH Thema mit Variationen für einen Jubelpriester, dem die Musik auch etwas bedeutet

Es ist gefährlich, sich ein spannendes Buch auf den Nachttisch zu legen: Ich nehme mir vor, noch ein paar Seiten zu lesen, und dann endlich einmal früher als sonst das Licht auszuschalten. Aber das gelingt plötzlich nicht mehr. Der Krimi, in dem es um Leben und Tod geht, fesselt mich so, dass ich unbedingt die Lösung wissen muss – oder die Figuren eines Romans geraten in so verzwickte Situationen, dass ich gar nicht einschlafen kann, bevor nicht klar ist, wie sie da wieder herauskommen. Genauso – stelle ich mir vor – ist es den Menschen mit den Geschichten Jesu gegangen. Er konnte so packend reden, dass viele ihm nachgezogen sind und ihn immer wieder hören wollten. Er konnte die Leute fesseln, weil er keine fertige Lehre, keine Merksätze verkündet, sondern spannende Geschichten erzählt hat; Gleichnisse, die die Phantasie angeregt und zum Denken gegeben haben; Bildworte, die zum Ausmalen gereizt haben. Das war damals. Heute sagen viele: Es gibt kaum ein Evangelium, das mich noch überraschen könnte. Wenn man die Geschichten Jesu schon beinahe auswendig kennt, dann verlieren sie ihre Spannung.


Ich möchte die Gegenbehauptung aufstellen: Wir kennen die Geschichten Jesu noch viel zu wenig. Deshalb ist uns das Spannende in ihnen oft noch gar nicht aufgegangen. Wenn wir jetzt das Evangelium nochmals hören, werden wir beim ersten Wort schon wissen, wie die Geschichte weitergeht. Spannend könnte es aber werden, wenn wir plötzlich entdecken: Das ist ja meine Geschichte ... "Ein Sämann ging aufs Feld, um zu säen. Als er säte, fiel ein Teil der Körner auf den Weg, und die Vögel kamen und fraßen sie. Ein anderer Teil fiel auf felsigen Boden, wo es nur wenig Erde gab, und ging sofort auf, weil das Erdreich nicht tief war; als aber die Sonne hochstieg, wurde die Saat versengt und verdorrte, weil sie keine Wurzeln hatte. Wieder ein anderer Teil fiel in die Dornen, und die Dornen wuchsen und erstickten die Saat. Ein anderer Teil schließlich fiel auf guten Boden und brachte Frucht, teils hundertfach, teils sechzigfach, teils dreißigfach. Wer Ohren hat, der höre!"

Jesus könnte auch sagen: Jetzt seid Ihr am Zug. Jetzt ist es Eure Geschichte. Jetzt könnt Ihr etwas mit ihr machen – oder besser gesagt: jetzt kann sie etwas mit Euch machen. "Wer Ohren hat, der höre!" –


Jesus könnte auch sagen: Spielt diese Geschichte durch! Probiert verschiedene Deutungen aus! Lasst euch Variationen einfallen! Bringt euer eigenes Leben ins Spiel!

Lieber Pfarrprovisor Mag. Hans Fuchs, liebe Festgemeinde, wie gefällt Dir, wie gefällt Ihnen diese Variation: "Ein Sämann ging aufs Feld, um zu säen – Jesus von Nazareth. Und er säte Worte in mein Lebens-Feld: Worte, die mir Hoffnung und Trost geben wollten; Worte, die mich zum Umdenken provozieren sollten; Worte, die meinem Leben ein Ziel setzen konnten. Als er säte, fiel einiges auf meine Gleichgültigkeit und Oberflächlichkeit. Anderes traf auf meine Müdigkeit und Kraftlosigkeit, auf meine Hilflosigkeit und Überforderung. Manches prallte ab an meiner Sturheit, an der Mauer von Vorurteilen, die ich zu meinem Schutz errichtet hatte. Einiges aber fiel durch meine Ängste und Gewohnheiten hindurch tief in mich hinein, auf guten Boden, jenseits meiner Dornen und Steine. Und es keimte, meldete sich zum Leben und ging auf als Unruhe und Frage, als Bereitschaft, umzukehren, als neuer Versuch, der Botschaft Jesu auf der Spur zu bleiben, als Dankbarkeit für meine Lebensgeschichte, als Glaube, von Gott auf allen Wegen und Umwegen getragen zu sein."


So kann die Geschichte Jesu zu einer Hoffnungsgeschichte für mich werden: - Das Wenige, was durchkommt, bringt hundertfältige Frucht. - Der eine Satz Jesu, von dem ich mich treffen lasse, kann mich verändern, mich zur Entfaltung bringen. So kann die Geschichte Jesu zu einer Trostgeschichte für mich werden: - Es wird immer wunde Punkte, Unfertiges, Verkrustungen in meinem Leben geben. - Es muss nicht jedes Evangelium, nicht jede Predigt bei mir ankommen. - Aber die Sätze der Botschaft Jesu, die mich ansprechen, die mich packen, die will ich in mir reifen lassen. So ist, lieber Hans, die Jesus-Geschichte vielleicht auch zu Deiner Geschichte geworden: Von einigen Worten Jesu hast Du Dich treffen lassen. An ihnen hast Du Deinen Dienst ausgerichtet. Sie haben Dich in Bewegung gehalten. Auch Worte, die Jesus durch andere Menschen in Dein Leben gesät hat, haben Dich bewegt – z.B. der Satz aus dem Lukas-Evangelium, den Du vor 25 Jahren zu Deinem Primizspruch gewählt hast: "Er sandte sie aus, die frohe Botschaft zu künden und zu heilen, was verwundet war.." Das ist bis heute Dein Leitsatz geblieben. Wer sich so mit der Sämanngeschichte anfreundet, der beginnt vielleicht wieder neu, nach seinem Stichwort unter den vielen Worten Jesu zu suchen – und dann auch danach zu leben:


"Lebe das, was du vom Evangelium begriffen hast - und wenn es auch noch so wenig ist, aber lebe es!" So heißt ein guter Rat von Roger Schutz, dem von vielen Katholiken verehrten Gründer der evangelischen Brüdergemeinschaft von Taizé. Ich möchte Dir und Ihnen noch eine zweite Variation anbieten: "Ein Sämann ging aufs Feld, um zu säen - ich selbst. Voller Pläne, voller Hoffnung ging ich aus, Menschen zu begeistern, sie zu gewinnen für ein Leben im Geist Jesu: Meinen Ehepartner nahm ich mit zum Gottesdienst, meine Kinder versuchte ich religiös zu erziehen, in meine Umgebung, in das ganze Um-Feld meines Lebens hinein wollte ich den Samen des Glaubens säen. Als ich säte, fiel einiges auf harten Boden, auf Abwehr und Verbitterung. Anderes traf auf Misstrauen und Unverständnis. Manches konnte alte Verletzungen und Enttäuschungen mit der Kirche nicht durchdringen. Vieles erstickte unter den Dornen der Geschäftigkeit und Hektik unserer Zeit. Einiges aber fiel in die Angst und in die Resignation meiner Mitmenschen, in ihre Hoffnung auf Geborgenheit und Zuwendung. Und es trug Frucht, es ging auf als Gespür für wiedergeschenkte Lebenskraft, als Befreiung und Offenheit, als das Entdecken einer neuen Perspektive." So kann die Geschichte Jesu zu einer Hoffnungsgeschichte für mich werden: - Das Wenige, was ich ausrichte für den Glauben, das zählt.


- Das eine erlösende Wort, das mir gelingt und das den anderen aufrichtet, das lässt die vielen vergeblichen Versuche vergessen. So kann die Geschichte Jesu zu einer Trostgeschichte für mich werden: - Viele meiner Bemühungen, den Glauben weiterzugeben, werden scheitern. - Enttäuschungen, dass so wenig ankommt, dass so wenig aufgeht in meinem Um-Feld, bleiben mir nicht erspart. - Aber manches ist den anderen, ohne dass ich es vielleicht gemerkt habe, unter die Haut gegangen und wirkt weiter. Vielleicht ist auch so, lieber Hans, die Jesus-Geschichte zu Deiner Geschichte geworden: Viel hast Du in den vergangenen 25 Jahren ausgesät an Ideen und Impulsen, damit die Gemeinde im Glauben wachsen konnte; damit viele in ihr Heimat und Geborgenheit und sich selbst finden konnten; damit Gemeinde aber auch etwas ausstrahlen konnte und hineinwirken in die Gesellschaft. Manches ist untergegangen, manches wurde angenommen, manches wirkt weiter, ohne dass Du es bemerkst. Dabei komme ich mir an dieser Stelle beinahe vor wie St.Nikolaus, der zwar nicht Gaben austeilt, aber im Buche liest über die guten und weniger guten Taten der Kinder. Da hörte ich viel Gutes vom Wirken Deiner Pfarrgemeinderäte; aber auch wenig Verständliches für einen wie mich, der weit weg nun daheim ist, und sich ebenso der Theologie und der Kunst verschrieben hat:


wie kann sich ein Pfarrgemeinderat darüber empören, dass Du Dich dafür engagierst, dass es hier Konzerte gibt? Man müsste es Dir doch tausendfach danken, dass Du in diese Gegend eine Hauch an internationaler Kultur bringst! Wie ich hörte, wird Dir wenigstens Dein Bischof dafür auf andere Weise Dank sagen. Aber auch das ist das Los des Priesters – alleingelassen zu sein mit seinen Ideen, wie Jesus auf dem Ölberg umgeben von schlafenden Jüngern. Oder dass es so mühsam ist, regelmäßig Personen für Dienst des Lektors zu finden! Unverständlich! Und Du hättest Dir auch „lebendigere“ Glieder Deiner Gemeinde gewünscht! Und trotzdem: Für den Dienst, den Du gern und mit viel Freude und Engagement in verschiedenen Feldern der Seelsorge getan hast, darfst Du dankbar sein – und für all das, was in dieser Zeit gewachsen und aufgeblüht ist: bei einzelnen, in Gruppen und in den Gemeinden, in denen Du gewirkt hast. Wer sich mit dieser Version der Sämanngeschichte anfreundet, der wird vielleicht etwas geduldiger und traut Gott zu, dass er auch dort etwas wachsen lässt, wo wir noch gar nichts entdecken.


Es ist – wie gesagt – gefährlich, sich ein spannendes Buch auf den Nachttisch zu legen. Wenn wir es mit dem spannenden Buch der Geschichten Jesu versuchen, wird das nicht anders sein: Unsere Phantasie wird angeregt. Wir werden die Worte und Beispiele Jesu immer wieder neu durchspielen, und wir werden bald merken: Es geht nicht nur im Krimi, sondern auch hier um Leben und Tod; um den Tod, der auch Erstarrung, Kälte oder Hartherzigkeit heißen kann – und um das Leben, das fruchtbares Leben sein will: Leben, das sich immer mehr entfaltet, Leben, von dem andere etwas haben. Es ist gefährlich, sich ein solches Buch auf den Nachttisch zu legen – aber ich würde dieses Risiko eingehen. Und ich wünsche es mir im Namen der Deinen – Deiner Familie, Freunde, Deiner Dir anvertrauten Schafe von Piber – auch: wage das Risiko weiterhin! Amen.


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