KREUZ UND KRONE

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RUPERT GOTTFRIED FRIEBERGER

KREUZ UND KRONE PREDIGTEN UND MEDITATIONEN ZUR BARMHERZIGKEIT, ZUM GEBET UND ZUR PASSION


RUPERT GOTTFRIED FRIEBERGER

KREUZ UND KRONE

FABIAN

EDITION


F端r meine liebe Mutter


RUPERT GOTTFRIED FRIEBERGER

KREUZ UND KRONE

PREDIGTEN UND MEDITATIONEN ZUR BARMHERZIGKEIT, ZUM GEBET UND ZUR PASSION

FABIAN

EDITION


ISBN 3-902143-06-1

Verleger, Herausgeber und Medieninhaber: FABIAN EDITION A-4954 Steinbach a. d. Steyr

Alle Rechte vorbehalten

copyright 2007

Herstellung: OFFSETDRUCK MAX HIMSL A-4780 Sch채rding

Gedruckt mit Unterst체tzung des Bundesministeriums f체r Bildung, Wissenschaft und Kultur


INHALT BARMHERZIGKEIT Das Wort der Barmherzigkeit ........................... 9 Der rechte Rat ................................................. 16 Die Durstigen in unserer Welt ........................ 23 Das dunkle Geheimnis unserer Zeit ............. 30 Das Wort des Trostes .................................... 37 Die Kraft der Fürbitte ....................................... 44 Das Wort des Verzeihens ............................... 52 Die nackten Bettler .......................................... 59 Meistern des Unrechtes ................................. 66 Menschliche Gefangenschaft ......................... 73 Wer ist der Fremde? ....................................... 80 GEBET Gebet 1 – Beten .............................................. 87 Gebet 2 – Beten lernen ................................... 96 Gebet 3 – Formen des Christlichen Betens 103 Gebet 4 – Meditation: Fahrt in die Tiefe ....... 110 Gebet 5 – Das immerwährende Gebet ....... 118 Gebet 6 – Erfolg des Gebetes ...................... 125 Gebet 7 – Hilfen des Gebetes ...................... 132 Gebet 8 – Hindernisse des Gebetes ........... 139 Gebet 9 – Entscheidende Gebete ................ 146 Gebet 10 – Gebet auf den Knien .................. 153


WAS WIR VERGESSEN HABEN Alles ist Gabe ................................................ 161 Gegen den Strom .......................................... 166 Religiöse Lektüre ......................................... 173 Wir bleiben lebendig ..................................... 179 Wir werden getäuscht! .................................. 184 Wo sind die Neun? – Gott die Ehre geben .. 190 Kämpfe den guten Kampf ............................ 195 Lauf ihnen nicht nach! - Ängste .................... 201 ASCHERMITTWOCH ..................................... 207 PASSION Warum musste Jesus sterben I .................. 217 Warum musste Jesus sterben II ................. 224 Warum musste Jesus sterben III ................ 231 PALMSONNTAG ............................................. 239 GRÜNDONNERSTAG ...................................... 245 KARFREITAG .................................................. 249


VORWORT Die folgenden Seiten sind Predigten, Meditationen oder geistliche Vorträge, wie ich sie bei Schwestern-Exerzitien, als Predigten in der Stiftskirche Schlägl oder auf mancher protestantischer Kanzel gehalten habe. Sie sind wiederum in dieser Form wiedergegeben, weil die Nachfrage nach dem letzten Büchlein mich abermals dazu ermutigt, Neues vorzulegen. Barmherzigkeit und Gebet sind UrElemente des christlichen Handelns. Sie sind vom Gottessohn vorgelebt und geben uns also einen Inhalt der Imitatio Christi vor. „Warum musste Jesus sterben?“ hatte mich plötzlich einer der Ausführenden gefragt, als ich mit Proben zur Matthäus-Passion von J.S.Bach beschäftigt war. Die Passion Jesu „nachleiden“ lernen, wäre mir ebenso ein Anliegen, wie ihren Ausdruck in Tönen zu „verwalten“.

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Möge das vorliegende Büchlein beitragen, einen Stil des Christseins neu finden. Es ist meiner Mutter gewidmet: in meinem Elternhaus habe ich Beten gelernt und einen Lebensstil kennengelernt, der Frieden stiften, Nackte bekleiden, Hungrige sättigen, Kranke besuchen, Unrecht ertragen, Traurige trösten, nicht nur als ein „humanitäres Programm“ vermittelte, sondern sich bemühte, damit die christliche Botschaft zu verwirklichen. Und dafür bin ich ihr mehr dankbar als jedem Theologieprofessor, dem ich jemals begegnete.

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BARMHERZIGKEIT Das Wort der Barmherzigkeit Ohne jeden Vorwurf: wir haben uns schon recht sehr daran gewöhnt, zuzuschauen, wie andere Menschen ihr Leben gestalten oder verunstalten. Gerade dieses Verunstalten greift uns gläubigen Menschen doch ans Herz. Wir finden keine Ruhe darin, dass der Mensch neben uns einen gottwidrigen Weg geht. Freilich, wir haben in unserer Zeit den Respekt vor dem Eigenleben des Mitmenschen gelernt, wir haben gelernt, den Gewissensbereich des anderen nicht anzutasten, wir haben gelernt, seine volle Freiheit zu achten. Aber wir finden keine Ruhe, weil uns Christus keine Ruhe lässt, weil uns das eigene Gewissen keine Ruhe lässt. Es lässt uns dort keine Ruhe: wo ein Christ gewillt ist, eine Fehlentscheidung zu treffen, die ihn selbst vielleicht ein Leben lang bewegen wird, wo ein Christ in eine immer noch geordnete Ehe einbricht,

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wo ein Christ seine christliche Praxis aufgibt, wo ein Christ sich selbst verliert oder aufgibt, wo wir die Unruhe solcher Christen oder auch ihre Aggressivität wahrgenommen haben. Und dort, wo wir bereits vor fixe Tatsachen gestellt werden, wo nichts mehr zu machen ist: Können wir gläubige Christen uns daran gewöhnen, dass der Christ neben uns in einer vor Gott nicht anerkannten Ehe lebt, dass der Nachbar keine, nicht die geringste kirchliche Bindung hat obwohl er Katholik ist, dass der Kollege die Kirche verlassen hat? Können wir vor unserem Gewissen tatsächlich sagen: Das ist seine Sache? Es sei ganz gleich, wie er sein Leben besteht und wie er bei Gott ankommt? Ob er Frieden hat oder Unfrieden, ob er an eine Ewigkeit glaubt oder nicht? Könnten wir uns an solche Dinge gewöhnen und sie laufen lassen, wie sie

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laufen, dann wären wir unbarmherzig. Oder nicht? Tatsächlich gibt es genug solcher Mitmenschen, die sich in ihre Angelegenheiten nichts dreinreden lassen, heute nicht und morgen nicht und auch in drei Jahren nicht, und nicht in der jetzigen körperlichen und geistigen Verfassung; aber in ihrem Leben geschehen auch erschütternde Vorfälle und kommen auch nachdenkliche Zeiten, Zeiten des Zerbrechens, der Niedergeschlagenheit, Zeiten der Bereitschaft und des Erkennens. – Und es gibt genug gläubige Christen, die diese Zeiten nicht wahrnehmen oder sie rein menschlich abtun und nicht den Mut finden, das Wort der Barmherzigkeit zu sagen. Wie dieses Wort der Barmherzigkeit aussieht? In einer sonst guten Familie merken die heranwachsenden Kinder, dass zwischen ihren Eltern etwas nicht stimmt. Die Mutter ist stundenlang nicht da, man weiß nicht, wo. Eines Abends aber weiß es die 18-jährige Tochter. Sie spricht mit

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niemand, aber weint und betet. Schließlich nimmt sie sich das Herz und spricht mit der Mutter unter vier Augen: „Mutter, ich möchte Dir die Liebe bewahren – wenn Du gehst, ich kann Dir nicht sagen, wie weh es mir tut – dann kann ich Dich nicht mehr achten.“ Und so sieht das Wort der Barmherzigkeit aus: „Ich leide sehr darunter, dass Du Dein Leben nicht änderst.“ Und so: „Ich mache mir große Sorgen um Dich!“ Und kann das Wort der Barmherzigkeit nicht auch in fixe Tatsachen hinein gesprochen werden, ganz selten und zur passenden Zeit, damit man nicht glaubt, wir hätten uns abgefunden, und damit doch wieder etwas Mörtel aus dem festen Gestein herausfällt? Es ist kein alltägliches Erleben, aber erfahren Sie es nicht auch ein paar Mal in ihrem Leben, wie Menschen aus ihrer Verbohrtheit oder aus einer grenzenlosen Schwäche, aus ihrem Wahn oder ihrer Gedankenlosigkeit wie aus einer tiefen schwarzen Nacht erwachen und

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nicht begreifen können, wie sie sich nur so vergeben konnten? Und welche Wohltat es gewesen wäre, hätte die Nacht nicht so lange gedauert. Es ist ein besonders schwerer Dienst, einem Mitmenschen zu sagen: „Du lebst falsch, Du könntest an Deinem Leben einmal zerbrechen!“ Doch es ist ein wunderschöner Dienst, hinzuzufügen: „Verlier nicht den richtigen Weg aus dem Auge!“ Ermächtigt sind wir dazu von Christus selbst: “Wenn dein Bruder sich verfehlt, so stelle ihn unter vier Augen zur Rede!“ Und die vier Augen sind besonders wichtig. Ermächtigt sind wir von Christus, wenn auch als auch-fehlende Menschen, wo er vom Ärgernis spricht: „Wehe der Welt um der Ärgernisse willen. Es müssen zwar Ärgernisse kommen, aber wehe dem Menschen, durch den das Ärgernis kommt!“ Und ob das Ärgernis, weil es so viele Ärgernisse gibt, heute harmloser geworden wäre?

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Ermächtigt sind wir vom Apostel Paulus: „Wir alle sind ein Leib und Glieder eines Leibes. Wenn ein Glied leidet, so leiden alle mit.“ Ermächtigt sind wir durch Petrus und Johannes, die vom allgemeinen Priestertum der Gläubigen sprechen. Und der hl. Jakobus fügt hinzu: „Wer einen von euch, der von der Wahrheit des christlichen Lebens abgeirrt ist, zurückführt, der rettet seine Seele vor dem Tode und deckt eine Menge Sünden zu.“ Worum es bei der christlichen Zurechtweisung im tiefsten Grunde geht? Nach Paulus sind gläubige Christen Menschen des Geistes. Es geht um die Erweckung des Geistes im Mitmenschen nach dem Psalm 51: „Gott, gib mir einen neuen festen Geist!“ und um den Beginn einer neuen Geschichte dieses Menschen. Und um die für unseren Geist wesentliche Tatsache: Es gibt im Christlichen keine Situation endgültiger Verstrickung.

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Es gibt keinen Ort des Entsetzens, der nicht zum Heiligtum, zum Schauplatz der Heilsgeschichte, zur Heimkehr einer verlorenen Welt werden kann. Auch dem äußersten Frevel ist noch dieser Sinn zu eigen, dass es das innere Leid des Frevels erkennen lässt und es in Lob umwandeln kann. Für einen Christen ist niemand endgültig verloren. Jeder soll selber herausfinden, wann, wo und für wen er Heimführer sein kann, wo er für einen Menschen eine neue Zukunft der Hoffnung eröffnen kann. Nicht schon der morgige Tag lässt uns beginnen: heute ist nur ein Rat gegeben und der Geist aufmerksam geworden. Wer mag warten auf das Wort der Barmherzigkeit? Wir sollen es zu seiner Zeit sprechen.

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Der rechte Rat Das biblische Bild des durstigen Hirsches hat sich unvergesslich in die Erinnerung der Menschen eingeprägt: „Wie die Hinde verlangt nach strömendem Wasser, so verlangt Gott, meine Seele nach Dir. Wann darf ich kommen und schauen Gottes Angesicht?“ [Ps 42] Diese Sehnsucht ist am Grunde jedes gläubigen Menschen. Doch als Unsicherheit und im Wagnis. Es ist so viel Unklarheit in uns: Ob die Lose gerecht verteilt sind, ob ein Geflecht des Sinns und der Notwendigkeit besteht oder der Zufall uns narrt, ob es vor dem Sog der unpersönlichen Mächte und Gewalten noch das Recht und die Freiheit des einzelnen gibt? Ob Mühe, Zucht und Haltung des einzelnen sich bezahlt machen, ob es zu verantworten ist, das Aushalten in einem ungeliebten Beruf oder bei schwierigen Menschen,

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ob Zusammenhänge bestehen zwischen dem Unrecht von gestern und dem Unglück von heute, ob es das gibt: Wertmaßstäbe, Mitte aller Mitten, Kern aller Kerne, ob alles, was geschieht, vor der Rückwand der Ewigkeit geschieht, ob wir doch nur der Mücke im Abendlicht gleichen, die ihr kleines Lied singt und ihren kleinen Tod stirbt? Der Zweifel ist kein Widersacher Gottes, aber ein Gegner aller Sicherheit und Bequemlichkeit, der Fein aller frechen und fetten Genügsamkeit. Es gibt vor ihm keine Paradiese. Wo er ist, da ist Erde, fruchtbare und doch nicht ganz unfruchtbare. Er weckt uns auf, er lässt uns erkennen, mit wieviel Plunder von gestern wir unser Leben von heute bestehen. Er kann ein Lebenswind sein, aber auch ein Wind der Wüste, dem viel Leben zum Raub fällt. Und auch das Feld des Rates ist reich bestellt. So reich, dass man zuweilen denken möchte, es müsse genug Rat auf der Erde sein für alles, was in Höhe und

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Tiefe, Glück, Leid und Rätsel uns zuhanden kommt. So sagt es der biblische Prediger: „Es hat jegliches Ding seine Zeit, Geborenwerden und Sterben, Brechen, Bauen, Weinen und Lachen, Klagen und Tanzen, Herzen und Fernesein von Herzen ...“ Die Schränke, die Rat bewahren, bewährten Rat, sind groß und schwer: Heraklit, Seneca, Laotse, Augustinus, Thomas von Kempten, Wilhelm Busch, Christian Morgenstern: man hat sie befragt und sie haben geantwortet und antworten immer noch. So gibt es den Menschen der Lebenserfahrung und den der Lebensweisheit, es gibt klar und schlicht die Hl. Schrift, das Buch Jesaias, und Job in seinem Leid, die Bergpredigt und den Römerbrief. Aber die Mitmenschen kommen zu mir und dir und wünschen Rat von dir und mir, die junge Frau: darf ich den geschiedenen Mann mit seinen beiden Kindern allein lassen, und werde ich daran zerbrechen, ohne Eucharistie leben zu

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müssen? Darf ich die Treue Gottes verraten? Und die Bitte Gottes an uns ist, dass wir durch unsere verständnisvolle Haltung „Zweifelnden recht raten“, und das bedeutet: wir sollen zu verhindern suchen, dass der Zweifel eines Mitmenschen in Verzweiflung übergeht. Ob wir im Sinne Gottes immer recht geraten haben? Jedenfalls wird heute viel, viel falsch geraten: Und das kostet. Ich möchte nur einen Rat geben zum Ratgeben, jenen Menschen gegenüber, die mit einem Glaubensbereich in Konflikt gekommen sind. Der heilige Augustinus beschreibt die Grundhaltung des „recht ratenden Menschen“ so: „Zürnen mögen euch jene, die die Seufzer und Tränen nicht kennen, die selbst die kleinste Erkenntnis des wahren Gottes kostet. Böse sein mögen euch jene, die niemals vom Wege abgeirrt und abgelenkt wor-

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den sind. Mir ist es unmöglich, euch zu zürnen. Wir wollen viel mehr gemeinsam jenes suchen, das uns gleichermaßen unbekannt ist. Keiner von uns soll die Kühnheit haben oder den Dünkel, er besitze bereits die volle Wahrheit. Erlaubt mir – dies kann ich von euch verlangen – dass ich euch anhöre, damit ich mit euch reden kann.“ Und Augustinus musste es wissen. Ich sprach von der Sehnsucht nach Gott, die im gläubigen Menschen lebt. Ist diese Sehnsucht nicht bereits eine Sicherstellung? Mögen bisweilen die sicheren Bezüge der Weltorientierung wanken, mag ein Geheimnis unseres Glaubens oder Lebens übermächtig werden und das Gefühl der eigenen Ohnmacht uns erdrücken: das sichere und entscheidende Heil eines Menschen ereignet sich gerade dort, wo der Mensch seine leeren Hände zu Gott erhebt, vielleicht nicht einmal mit der Gebärde des Verlangens, sondern der nicht verstehenden und nicht wis-

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senden Hingabe: ich sage trotz allem mein Ja zu Gott! Für den Zweifelnden genügt es bereits, wenn er das Wesen seines Glaubens bejaht, wenn er sich beeindruckt fühlt von der Reinheit und Geradlinigkeit Christi, wenn man die Größe und Richtigkeit des von ihm möglich gemachten Lebens bewundert. Das Wesen des Glaubens spielt sich nicht auf der Ebene der formulierbaren Begründbarkeit ab. Mögen noch so viel Naivität, mangelnde Tiefe, Unsauberkeit der Begründung, Vorbeieilen an der Wirklichkeit, dem Zweifelnden den Weg zur Zustimmung zum Glauben und zu konkreten Satzungen der Kirche versperren: auf der tiefen Ebene in sich selbst erkennt er doch die Größe Christi und die Bedeutung der von seiner Gesinnung getragenen Kirche. Trotz Unentschiedenheit im einzelnen kann in einem Menschen eine globale, umfassende klare Zustimmung zu Christus lebendig sein und auch der Ent-

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schluss, den von diesem Christus gewiesenen Weg einmal zu Ende zu gehen. Das Grundvertrauen zu Christus ist da, obwohl vielleicht viele Formulierungen versagen. Und dieses Grundvertrauen, diese aufrichtige Grundintention,: Das ist das Wichtigste, das Entscheidende. Dieses Grundvertrauen mag uns in manchen Glaubensschwierigkeiten selber Rat geben und wir wünschen uns sehr, dass es uns gelingen möge, vielen Zweifelnden von heute das Grundvertrauen zu Gott und Christus zu wecken. Dann haben wir mehr als ein gutes Werk getan. Und was ist mit den vielen anderen Räten, um die uns ein anderes menschliches Herz ersucht? Wenn wir rein als Menschen mit menschlichem Verständnis raten, dann könnte mancher Rat sehr schlecht sein. Raten wir aber christlich, dann wird uns unser Gewissen nie anklagen.

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Die Durstigen in unserer Welt Wer ist durstig in unserer Welt? Im AltenTestament steht die ergreifende Erzählung von Hagar, der Magd, die Abraham den ersten Sohn, Ismael gebar, dann aber in die Wüste ausgewiesen wurde, versehen mit Brot und Wasser. Doch der Vorrat reichte nicht lange. Und als das Wasser ausging im Schlauch, legte sie den Knaben unter einen Strauch, setzte sich einen Bogenschuss weit ihm gegenüber, denn sie konnte das Sterben des Kindes nicht ansehen, und sie weinte. Das ist ein unvergessliches Bild menschlicher Verlassenheit in der Gluthitze der Wüste. Unendliche Einsamkeit umgab sie. Menschen waren nicht zugegen, die Hilfe hätten bringen können. Doch im Augenblick höchster Verlassenheit kam wirklich Hilfe: Da erhörte Gott die Stimme des Knaben, der Engel Gottes sprach zu Hagar: Was ist dir? Fürchte dich nicht! Steh auf, nimm den Knaben und führe ihn an deiner Hand, denn ich will ihn zum großen Volke machen!“ Sie sah einen

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Wasserbrunnen, füllte den Schlauch mit Wasser und tränkte das Kind. Wer ist durstig in unserer Welt? In seinem Buche „Wind, Sand und Sterne“ erzählt der französische Schriftsteller und Flieger Antoine de Saint-Exupéry, wie er auf einem Langstreckenflug nach Indochina im Sande der Sahara notlanden musste und steckenblieb. Es kommt zu den bekannten Selbsttäuschungen des durch den Durst überreizten Organismus. Ohren und Augen spiegeln der erschöpften Mannschaft nicht vorhandene Oasen und belebte Karawanenplätze vor. Aber dann heißt es: „Gestern träumte ich von paradiesischen Apfelbäumen, heute kenne ich kein Paradies mehr. Nichts mehr fühle ich als die Bürde des Herzens. Ich bemitleide mich wie einen Freund, aber ich habe keinen Freund mehr auf der Welt. Ich bin schon eins mit der Wüste. Ich bringe keinen Speichel mehr hervor und auch keine Bilder, nach denen ich mich sehnen könnte. Die Sonne hat den Quell der Tränen ausgetrocknet.“

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Aber dann begibt sich das nicht mehr Erwartete: „...da fanden wir im Sande die wunderbaren Füße von Menschen. Über dem Kamm einer Düne erscheint ein Beduine. Sobald er das Gesicht uns zugewendet hat, ist es auch schon geschehen: Durst, Tod und Luftspiegelungen sind verwischt. Eine kleine Viertelwendung verwandelt unsere Welt, ein rascher Blick schafft Leben. Wie ein Wunder. Er kommt auf uns zu wie ein Gott über das Meer. Er hat uns ins Gesicht gesehen, hat uns die Hände auf die Schultern gelegt. Wir haben ihm gehorcht und uns hingelegt. Ein armer Wanderhirte hat Engelshände auf unsere Schultern gelegt.“ Wer ist durstig in unserer Welt? In beiden Geschehnissen ereignet sich das Gleiche: Rettung aus Todesnot in der Wüste, Erhöhung des stummen Geschreis der Kreatur, Eingreifen Gottes und Mitwirken von Engelshänden zum Gelingen des Rettungswerkes.

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Wie viele Menschen mag es in unserer Stadt geben, die mit den gleichen Worten Exupérys sprechen: „Gestern träumte ich von paradiesischen Apfelbäumen, heute kenne ich kein Paradies mehr. Nichts fühle ich mehr als die Dürre des Herzens. Ich bemitleide mich wie einen Freund, aber ich habe keinen Freund mehr auf der Welt. Ich bin schon eins mit der Wüste. Die Sonne hat den Quell der Tränen ausgetrocknet.“ Die Durstigen sind jene Menschen, die niemandem abgehen und nach denen niemand fragt, die in die Einsamkeit gestoßen sind und für die es ein Fest wäre, wenn ein Mensch zu ihnen fände, die von der Angst geplagt werden und gejagt, von der Angst vor der Zukunft, wie sie mit ihrem leben fertig werden sollen, wie es mit ihrer letzten Krankheit sein wird, die die innere Unruhe, die Seelenpein quält und sie nicht zum Frieden kommen lässt über der Last ihres Lebens, über der angehäuften Schuld,

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die von der Glut ihrer Leidenschaften ausgebrannt sind, oder ausgetrocknet von jedwedem göttlichen Tau, die voller Sehnsucht sind, die ihnen niemand stillt, die keinen Menschen haben, aber bekennen müssen: wie gut, dass es wenigstens das Fernsehen gibt, die mit ihrer Seele irren und umherirren und keinen Ausweg finden. Sie haben zu essen und zu trinken, sie haben alles: nur der Beduine auf der Düne, der erscheint nicht. Und er ist doch unterwegs, der Beduine, allenthalben und immer unterwegs, und es wimmelt von Beduinen in unseren Straßen. Ja, was nützt der Beduine, wenn er in die falsche Richtung schaut, wenn er die Viertelwendung nicht macht, damit er die Durstigen in den Blick bekommt? Und was nützt der Beduine, wenn er nach seinen Zielen weitergeht? Durstigen zu trinken geben, das heißt:

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Auf die Stimme jener zu hören, die ihre Not nicht mehr aussprechen können. Dann mag es auf einmal geschehen, dass der bedrohte Mensch erfährt, dass ein anderer für ihn da ist, vielleicht selber gebrochen, unsicher und geplagt, selber dem Verdursten nahe. Und dieser Mensch reicht ihm den Trunk des Erbarmens. Vielleicht weiß er selber keine Worte zu sagen, aber seine Näher erfrischt und bringt Linderung. Wenn er sein Wort: „Du bist nicht allein“ ins Wüste, Trockene und Ausgebrannte des Lebens hinein spricht, und in Treue wiederholt: Nein, da wird kein billiger Trost gespendet: Dieser Mensch sagt nicht ja zum Nein des anderen, er stimmt nicht zu, wenn es nicht sein darf, er lässt nicht zu, was zu Unrecht bestünde. Sein Geschenk ist hell und kristallklar. Und auf einmal beginnen die Quellen im andern zu sprudeln, ein neuer Reichtum steigt aus der Seele empor, Leben ent-

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steht, wo vorher nur Dürre und Sinnlosigkeit war. Er hat in einem Menschen Heimat gefunden. Wir alle können – bisweilen auf lange Strecken – in die Wüste verschlagen werden. Ob dann der Beduine auf der Düne erscheint: hängt es nicht nach Christi Verheißung davon ab, ob wir Beduinen waren, die anderen Menschen die Hände auf die Schultern legten? Dem helfenden Christen versprach Christus, dass aus ihm Ströme lebendigen Wassers hervorbrechen werden, des Wassers der Barmherzigkeit und Gnade. Und sie werden ihn selber laben und zum Leben erwecken.

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Das dunkle Geheimnis unserer Zeit Martin Buber nannte das dunkle Geheimnis unserer Zeit in seinem so betitelten Buch „Gottesfinsternis“. Man kann sagen: im selben Maße, wie die christlichen Kirchen in den letzten hundert Jahren Afrika, Asien und Australien zu missionieren trachteten, hat im eigenen europäischen Bereich die religiöse Unwissenheit weit um sich gegriffen. Was heute geschieht, kann nur mit dem harten Ausdruck „Experiment der Streichung Gottes“ bezeichnet werden. Gott ist für viele heute – wie damals für die Jünger – der getötete Gott geworden. Dieser getötete, totgeredete Gott ist zugleich der anonyme Gott geworden. Und ein anonym gewordener Gott ist „kein Gott für die Menschen“. Außerdem ist dieser getötete Gott der ferne Gott. Und ein ferner Gott ist praktisch unbrauchbar. Vom Christlichen her muss man diesen entsetzlichen Prozess als einen echten

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Verlust betrachten, dem kein Gewinn die Waage halten kann. Andererseits wird von jenen, die aktiv am Abbau der christlichen Wahrheit arbeiten, indem sie den Aufbau einer ausschließlich auf wissenschaftlichen Erkenntnissen gegründeten Welt betreiben, keineswegs ein Verlust zugegeben, im Gegenteil, es seien die im „Aberglauben“ steckengebliebenen Völker und Menschen nur befreit worden. Was heißt dann unter solchen Umständen, wir Christen sollen die „Unwissenden lehren“, da wir uns dazu außerstande sehen? Es heißt zugegeben, dass wir Christen selber das Bewusstsein des Verlustes unseres Glaubens haben und eingestehen und darunter leiden, dass die Gottesfinsternis keine partielle ist, sondern auch überall da zu spüren ist und wirksam, wo man sich des Glaubens erfreuen zu können glaubt, dass der große Vorgang des Abfalls eine durchaus innerchristliche Erscheinung bedeutet,

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dass demgemäß der Unwissenheit der anderen nicht einfach unser christliches Besserwissen gegenübersteht: wir kommen von den „Unwissenden“ nicht los, und sie kommen von uns Gläubigen nicht los. Wir sind aufeinander bezogen. Ein schwer zu ergründender Sachverhalt. Und man kann sagen, dass ein großer Teil der religiösen Energie Europas und Amerikas in den letzten 50 Jahren darangesetzt wurde, dem rätselhaften Phänomen des wechselseitigen Aufeinanderbezogenseins von Wissen und Nichtwissen, von Glaube und Unglaube auf die Spur zu kommen. Und das ist wieder selber ein Ausdruck der heutigen geistigen Spannung in der Welt. Die Berufung auf christliche Tradition und christliche Kultur macht heute auf jene keinen Eindruck, die mit Begeisterung darangehen, eine religionslose Welt aufzubauen. Sie von der unendlichen Wichtigkeit des Gottesgeheimnisses, des Gottes, der in Christus auf die Erde gekommen ist, zu überzeugen, ist aber

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auch kaum möglich, wenn unsere Argumente auch nur rein wissenschaftlicher Natur sind. Es muss noch etwas anderes hinzukommen – und hier sind wir zum Einsatz gerufen: Nur das Ergriffensein vom Gottesgeheimnis kann etwas ausrichten! Ist das jedoch vorhanden, dann sind wir nicht nur ganz unangreifbar, wir sind sogar in der Lage, eine von der wissenschaftlichen Sprache unabhängige Wirkung auf die Menschen auszuüben, und zwar eindrucksvoll auszuüben. Voraussetzung ist also: Gott muss der Gott meines Lebens sein, der außerhalb von Formulierungen, Begriffen und Systemen steht, der das Innerste, Verborgenste und Wesentlichste des individuellen Menschenschicksals ist. Wo immer der Gott meines Lebens zur intensiven Gegenwart, zum erlebten Schicksal wird, da weiß der Mensch, dass sein Leben eine Richtung hat und

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ein Ziel, dass er nicht aus dem Nichts ins Nichts geworfen ist, woher er eigentlich kommt, wo er grundsätzlich steht, wohin er letztlich geht, was das innere Geheimnis seines Lebens ist. Da wird ihm immer neu ein Weg geöffnet, damit er wenigstens für den nächsten Schritt genügend Licht hat. Voraussetzung ist, dass wir die „Unwissenden“ nicht als Gegner unseres Glaubens sehen, sondern als Partner, und – indem wir das Vertrauen aufbringen, dass das Geheimnis, das uns ergriffen hat, zu seiner Zeit auch derer sich bemächtigen wird, die es heute kaltblütig oder leidenschaftlich ablehnen. Denn auch sie sind Anwärter der Gnade. Allerdings sollen wir aber auch den allerunsichtbarsten Weg betreten, um an die „Unwissenden“ heranzukommen – den Weg des Gebetes. Er bleibt unersetzlich. Der Kirchenvater Origenes machte sich schon Gedanken darüber, was Gott wohl im Sinne habe, wenn er die Menschheit ihre eigenen, von seiner Wahrheit weg-

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führende Wege laufen lasse. Er kam zur tiefsinnigen Vermutung: die Menschheit könne die dauernde in Epochen einer säkularisierten Kultur wieder erkennen zu lernen, wie arm sie ohne Gott sei. Auch Martin Buber gibt in seinem Buch der Hoffnung Ausdruck: „Es geht in den Tiefen etwas vor sich, das noch keines Namens bedarf. Morgen schon kann es geschehen, dass ihm von den Höhen zugewinkt wird, über die Köpfe der irdischen Herrscher hinweg. Die Finsternis des Gotteslichtes ist kein Verlöschen. Morgen schon kann das Dazwischengetretene gewichen sein.“ Am radikalsten hat wohl Dietrich Bonhoeffer die gegenwärtige Lage beschrieben: „Der Gott, der uns in der Welt leben lässt ohne die Arbeitshypothese Gott, ist der Gott, vor dem wir dauernd stehen. Vor und mit Gott leben wir ohne Gott.“ Ob nicht hinter der Unwissenheit sehr viel menschlicher Stolz steckt?

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Erst wenn dieser Stolz gebrochen ist und die Menschen wieder ihr inneres Elend erkannt und anerkannt haben, wird Gott wieder der Allernächste sein. Denn für einen innerlich armen Menschen ist Gott das Einleuchtendste und Selbstverständlichste. Für einen Reichen und Stolzen, an sich Genügsamen, ist Gott nicht erfahrbar. Nur der fühlt seine Nähe und kann ihn erfahren, der „die Wahrheit tut und seinen Willen tut“. [Joh 7,17] Für Gott und mit Gott leben wir ohne Gott. Vielleicht ist das das einzige „Wissen“, das wir den „Unwissenden“ heute mitzuteilen haben. Wenn wir uns nur ständig um die Erfahrung Gottes in unserem Leben mühen und die Sehnsucht nach Gott in uns nicht sterben lassen!

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Das Wort des Trostes Neben viel Schönheit und Freude auf unserer Erde gibt es auch viel Betrübtheit. Und weil es immer mehr Möglichkeiten der Freude gibt, wird es wohl auch immer Betrübnis geben. Und niemand ist auf der Erde, der von der Betrübnis ausgenommen wäre, keiner, der irgendeinmal des Trostes bedürfte. Der Betrübte ist der Mensch, der in Angst, Sorge und Krankheit zu ersticken droht und im Dunkeln dahin wankt, dem es das Herz zerreißt, die Grausamkeit und das Leid dieser Welt ansehen und miterleben zu müssen, der an einem Gott irre wird, den er doch für den Ursprung der Liebe, des Lichtes und der Gerechtigkeit halten möchte, er ist auch der Mensch, der im Glauben die erlöste Welt sieht, während ihn die Feindschaft des Hier und Jetzt quält, der Versinkende, den das Rätsel des Nichts betäubt, der unter der Last der eigenen Schuld zusammenbricht, von dem sich das Licht zurückzieht, indem er

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seinen Mitmenschen als Geschöpf Gottes erkannte, der die Stimme Gottes nicht mehr hört und seine Hand nicht mehr fühlt, der ob seiner Betrübnis nicht mehr beten kann, wie es Andersen im Märchen „Die Schneekönigin“ schildert, von der Verlorenheit des kleinen Kay, dessen Existenz „kalt“ geworden ist: „Er wollte sein Vaterunser beten, aber er konnte sich nur des Einmaleins erinnern.“ Gott hat nicht die Betrübnis geschaffen, wohl aber sicher den Trost. Emphatisch ruft der Apostel Paulus aus: „Gepriesen sei Gott, der Vater unseres Herrn Jesus Christus, der Vater aller Erbarmung und Gott allen Trostes, der uns getröstet hat in unserer Not, damit wir andere trösten können mit derselben Ermutigung, mit der Gott selber uns aufgerichtet hat.“ [2 Kor. 1, 3-4] Wir wissen sehr wohl um die Billigkeit und Flachheit des Trostes, als ob man mit Unechtem und Unrechtschaffenem die reale Not wegschaffen könnte,

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als ob man dort beruhigen sollte, wo die Unruhe besser täte, als ob man die Abgründe der Erkenntnis so vernebeln dürfte, dass der andere nach dem Horizont der Freiheit gar nicht auszuschauen imstande ist. Und wenn der Kirche von ihren Gegnern vorgeworfen wird, dass sie die Menschen über ihre wahre Lage hinweg tröste, so soll das ja heißen, dass sie ihre Gläubigen statt zur lebenschaffenden Wahrheit in die freundliche Lüge führe, die vom Leben trennt. Als ob je ein frommer Betrug im Sinne Gottes wäre! Gott hat anders über den Trost gedacht: Wer tröstet, ohne die Bereitschaft, alle Folgen des ihm geschenkten Vertrauens auf sich zu nehmen, der macht sich der Lüge schuldig; wer tröstet, ohne der harten Bindung zu gehorchen, die wir Treue nennen, der betrügt. Das Trösten der Betrübten kann nur dann zu einem geistigen Werk der Barmherzigkeit werden, wenn es ein Stück Hingabe bedeutet.

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Es muss mit dem Trost, den ich als Christ spende, etwas von meinem eigenen Lebensstoff mitgehen, ein Teil meines eigenen Seins. Nur dann übt der Tröstende Barmherzigkeit, wenn er selbstvergessen weiterschenkt, was er zur Fristung und Gründung seines eigenen Lebens empfangen hat: Geduld, Frieden und Glauben. Denn eben das braucht der betrübte Mensch. Einen Menschen in einer verzehrenden Betrübnis trösten, heißt das nicht: ihn neu zur Welt zu bringen und ihn neu ins Leben zu rufen? Dann aber muss, wer das Werk des Tröstens tun will, selbst bis zum Tode betrübt gewesen sein. Er muss sich dem Strömenden und Strahlenden geöffnet haben, der unsere Welt von der Tiefe her erneuert. Er muss erfahren haben, dass der Grund der Welt Treue ist – die Treue Gottes: „Meine Seele ist betrübt bis zum Tode“ – und von dem es in der hl. Schrift heißt, er vermöge zu trösten „wie einen seine Mutter tröstet“.

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Es gibt Situationen in unserem Leben, wo jeder Versuch, mit Worten zu trösten vor der Gewalt der Not unsinnig, unerlaubt und unerträglich erscheint, Situationen, in denen sich das Leben auf den untersten Bestand verringert hat. Alles wirkliche Trösten beginnt mit der schlichten menschlichen Nähe: ich bin da, ich nehme Anteil, du kannst mit mir rechnen, ich möchte, dass du wieder heil wirst. Man muss das Gebet des Vaters gesehen haben, der im vergangenen Sommer vor dem Grabe seiner 17-jährigen Tochter stand, die, bildhübsch, als Mensch und Christ tadellos, eben maturiert, durch einen Autounfall starb. Dieses Gesicht, das sich nicht übermannen ließ vom Leid des eigenen Fleisches, sondern den Glauben an die Unzerstörbarkeit des personalen Lebens in der Gemeinschaft mit Gott ausstrahlte. – Von solchen Gesichtern geht der Trost aus, der uns trägt und kräftigt, nach dem wir uns im Grunde alle sehnen.

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Und wer jemals ein Wort des wahren Trostes hörte, der wird verstehen, was das Johannesevangelium in seinem ersten Satz meint: „Im Anfang war das Wort“. Das Wort wird zur Tat, es schafft Leben, es verwandelt, es umfasst den ganzen Menschen bis in sein Schicksal. Es reißt ihn aus den engen Grenzen irdischer Bedingungen in die freieren Dimensionen der Welt Gottes. Das Wort des Trostes mag streng sein, es mag die ganze harte Wahrheit über einen Menschen aussprechen, dennoch wird es befreien, wenn es aus der göttlichen Liebe empfangen wurde. Nein, wir können meistens den betrübten Menschen nicht von seinem Leid trennen. Wohl aber kann durch das Werk echten Tröstens die paradox scheinende Erkenntnis gefördert werden, dass die „Trauernden selig sind“. Dieser Trost meint Größeres als das Ende persönlicher Traurigkeit, er meint das Heil, die völlige Umwandlung ihrer Existenz in der Nähe Gottes.

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Gerade der Betrübte, dessen eigene Kraft im Leiden zu erlöschen droht, wird den Trost Gottes als neuartige und unerschöpfbare Kraft in sich einströmen lassen. Dieser Trost versetzt Berge. Dieser Sonne widersteht keine Finsternis der Welt, keine Angst und keine Erniedrigung. Es gibt im Alten Testament ein Gebet: „Gott, tröste uns, und lass dein Angesicht leuchten, so genesen wir“. Wer in seiner Betrübnis dadurch getröstet wird, dass Gott ihm sein Angesicht leuchten lässt, der ist sicher genesen, denn er sieht von der schwankenden Brücke dieser Welt das andere Ufer des ewigen Glanzes Gottes.

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Die Kraft der Fürbitte Seit alters her zählt als letztes der geistigen Werke der Barmherzigkeit die Bitte für Lebende und Verstorbene. Das ist das Brot, das jeder Christ zu jeder Stunde für alle brechen kann: es ist das innere Werk der Teilnahme am Menschen überhaupt. Da tritt einer für den anderen ein, für die Nächsten, für die Fernsten, für alle, für alles. Vor Gott spricht er für die anderen Menschen und macht ihre Sache zur eigenen. Wer sich mit der Biblischen Geschichte auch nur oberflächlich befasst, trifft immer wieder auf den Gedanken des fürbittenden Eintretens für andere. Im Alten Testament gibt es mit Gott vertraute Männer, die bei aller Beugung vor dem Willen des ewigen Gottes für das Ganze ihres Volkes oder auch für einzelne im Besonderen beten. Abraham bittet in Bezug auf das sündige Sodom, dass der Herr in seinem Strafgericht nicht mit den Schuldigen auch die Gerechten untergehen lasse.

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Moses handelt als Mittler zwischen Gott und seinem Volke: Nach dem Auszug aus Ägypten wird Israel von Nomaden bedrängt und in einen Krieg verwickelt. Auf einem Hügel betet Moses mit erhobenen Armen um den Sieg seines Volkes. Lässt er die Arme sinken, gewinnt der Feind die Oberhand. Als er schließlich doch erlahmt, setzen ihn die beiden Männer, die bei ihm sind, auf einen Stein und stützen ihm die Arme, bis zum Sonnenuntergang der Sieg gewonnen ist. Hier ist in volkstümlicher anschaulicher Weise die Macht der Fürbitte aus einer starken Gottverbundenheit gezeichnet. Als Israel durch Moses die Sinaigesetze schon empfangen hat, fällt es wieder ab von seinem Gott und betet das goldene Stierkalb an. Moses steigt abermals auf den Berg, um Sühne für sein Volk zu erwirken. „Vergib ihnen ihre Sünde!“ Ja, er bietet Gott das eigene Leben an, damit Israel seine Schuld vergeben werde. Und der Herr gewährt Aufschub des Strafgerichts. Das sind nur zwei Fromme, die aber überzeugt sind und es erfahren haben:

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Die gute Tat eines Menschen, wäre sie noch so verborgen, wirkt über die Grenze der eigenen Existenz – wer weiß wie weit und zu welcher Zeit – hinaus ins gemeinschaftliche Ganze. Der Fürbittende handelt gut, weil sich in seiner menschlichen Barmherzigkeit die göttliche widerspiegelt. Er handelt gleichsam anstelle Gottes, und Gott scheint durch ihn zu handeln. Im Neuen Testament ist dem Apostel Paulus gewiss, dass der Fürbittende von der Kraft des Hl. Geistes bewegt wird. Was den höheren oder geringeren Adel dieses Betens ausmacht? Maßgebend ist, was das ist, worum ich für andere bitte, und, wie stark meine persönliche Teilnahme ist. Für einen anderen um das Wiederfinden einer verlorenen Sache zu beten, ist ein verständlicher Liebesbeweis. Höher steht das Elterngebet für das Lebensglück ihrer Kinder oder das Gebet um Genesung eines Kranken. Höher noch die Fürbitte um das Heil eines irrenden Menschen, am höchsten

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das Gebet um das Kommen des Reiches Christi in unsere Welt. Lebenswert ist mein betendes Wort in der Angelegenheit eines Mitmenschen, mehr ist der Verzicht, den ich mir für andere auflege, womit ich mein Gebet bekräftige, mehr noch die Bereitschaft zur Hingabe für andere um Gottes willen, – wie eben Christus am größten und für die Menschheit mächtigsten in seiner Selbsthingabe war, der größte Fürbitter, der Gott mit seiner Hingabe mit seinem schuldigen Volk versöhnen will. Im Anfang seines Wirkens grüßt ihn der Täufer in der Wüste: „Da ist das Lamm Gottes, das die Sünde der Welt wegnimmt!“ Der Weg Christi aber ist der Weg für uns, für alle, für alles. All sein Sprechen war Rede vor Gott des Menschen wegen, und war Rede an die Menschen um Gottes willen. Er betet für sich um das Licht und die Kraft zu seiner Aufgabe an der Menschheit, er betet für andere in ihren Bedrängnissen des Leibes und der Seele.

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Er übt die geistige Barmherzigkeit und verlangt sie auch, wenn er zu Petrus sagt: „Ich habe für dich gebetet, dass dein Glaube nicht wanke – und du aber geh hin und stärke deine Brüder!“ Und in seiner Abschiedsrede vor dem Todesgang, betet Jesus für alle Gläubigen und für die Apostel im besonderen: „Nicht für die Welt bitte ich, sondern für die, die du mir gegeben hast: denn sie sind dein.“ Da fragen wir betroffen: wer ist ausgeschlossen von der Fürbitte Jesu? Gibt es eine Welt, die ihm den Zugang versperrt? Ja, es gibt sie: „Er war in der Welt und die Welt war durch ihn geworden und doch hat die Welt ihn nicht erkannt.“ Das ist eine Klage, die zu Herzen geht. Es braucht das Ja des Menschen, damit er gerettet werden kann. Beten für die Lebenden, beten für die Toten! Denn alle zum Reich Christi Gerufenen sind auch zur Lebensgemeinschaft des Miteinander und Füreinander gerufen, das ist die Gemeinschaft der Heili-

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gen, also derer, die schon diesseits des Todes dem Reiche Gottes angehören oder jenseits des Todes zur Seligkeit geläutert werden. Ihnen kann die Großherzigkeit der Irdischen zu einer großen Hilfe werden. Christus sagt ausdrücklich: „Macht euch Freunde mit dem lumpigen Mammon!“ – Freunde drüben, die es uns selbst einmal vergelten werden. Und jeder hat es not. Von den ersten Zeiten der Kirche an ist und bleibt das Wort in Kraft: Es ist ein heiliger Gedanke, für die Entschlafenen zu beten. Jedes Werk, das wir tun, wirkt auf uns selbst zurück. Der Hass, mit dem ich hasse, zieht mich selbst in seine Finsternis. Jedes Licht der Liebe, das ich für einen anderen anzünde, erhellt und wärmt mich selbst. Ist mein Ich allein meine Sorge, und wäre es auch die geistige Sorge, so wird es eng und enger, hart und einsam. Bitte ich für Lebende und Tote, wie es in unserer Liturgie geschieht, so erfahre ich an mir selbst jene Weitung des Herzens,

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die Christus gelehrt, gelebt und am Kreuze für uns vollendet hat. Wird je ein Wort unserer Barmherzigkeit verloren sein? Die Heilige Schrift sagt: „Der das All in sich enthält, er weiß um jegliche Stimme, ihm entgeht kein Gedanke.“ [Sir 42,20] Bei dieser Darlegung geht uns manches nahe: Wenn die Überzeugung von der Kraft des fürbittenden Gebetes gilt, und sie gilt wirklich, dann ist es unverständlich, wenn wir das Gebet für unsere Angehörigen, für Kinder und Eltern, für unser Volk, für die heutige Welt – und für die Verstorbenen unterlassen, an denen wir so viel gut machen können. Und wer will wissen, vor wieviel unser Volk bewahrt worden ist durch die Beter für unser Volk? Und wer kann aufrichtig mit Christus sagen in der Zeit der Glaubenskrise und des Glaubensabfalls: „Ich habe für dich gebetet, dass dein Glaube nicht wanke?“

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Trügen wir keine Schuld, wenn wir nicht beteten? Und ist es nicht das Allerschlimmste, in der Welt zu sein – viele Jahre – und Christus nicht erkannt und gekannt zu haben? Wir werden wieder die Konsequenzen ziehen und nicht müde werden, unsere Arme auszustrecken über unsere Angehörigen, unsere Zeitgenossen und unsere Toten.

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Das Wort des Verzeihens So sehr wir in unserem Menschensein von der Liebe abhängig sind, die wir empfangen und geben, so sehr sind wir ebenso abhängig von der Verzeihung, die wir empfangen und die wir geben. Wenn uns die Menschen nicht mehr verzeihen würden!? Die Beleidigung ist nun einmal auch menschlich. Sie kann so schnell einmal geschehen, unbewusst, in Ungeschicklichkeit oder Affekt, wegen Bagatellen – und wem passierte sie nicht? Sie wird leicht zu überwinden sein, wenn man nicht zu empfindlich ist, wenn man etwas Humor hat, und wenn man sich selber kennt. Es gibt jedoch Beleidigungen, die einem nicht ins Gesicht geschrien werden, sondern heimtückisch ausgesät werden. Es gibt Beleidigungen, die nicht in Taten und Worten bestehen, sondern in feindseligen, bösartigen Haltungen.

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Es gibt chronische Zustände des Beleidigtwerdens: Der Mann, der seine Frau mit einem einmaligen Ehebruch kränkt, beleidigt sie nicht so tief, wie wenn er sie lebenslang fühlen lässt, dass er die Heirat mit ihr bereut. Ein Vorgesetzter kränkt seinen Angestellten eigentlich nicht damit, dass er ihn in seiner schlechten Laune als Dummkopf hinstellt, sondern dass er seine Fähigkeiten und seine Treue verkennt und mindere Leute vorzieht. Ein Vater kränkt seinen Sohn nicht so sehr damit, dass er ihn einmal ungerecht straft, wohl aber damit, dass er ihm grundsätzlich misstraut. Ein junger Mann beleidigt seine Braut nicht so sehr durch eine spontane Ungezogenheit, aber er kränkt sie gefährlich tief, wenn er die Größe und Ehrlichkeit ihrer Liebe nicht begreift.

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Wer kann dann verzeihen, wenn er im Kern seines Seins getroffen worden ist? Wer widersteht der Versuchung der geheimen Rache oder wenigstens Schadenfreude? Wer wendet sich nicht eisig ab und nährt den Groll im tiefsten Unbewusstsein? Wer will mit dem Beleidiger noch zu tun haben? Und wieviel Todeswünsche gehen um, weil man die Beleidigung nicht vergessen kann? Wird wirklich, auch von uns Christen, genug verziehen und ganz verziehen? Und noch dazu gern verziehen? Wir müssen zum Meister des Verzeihens gehen! Der Herr hat der Ehebrecherin ihre Untreue, der Sünderin ihre irrende Liebe, den Zöllnern ihre Betrügereien, den Soldaten ihre Roheit, den Aposteln ihre Feigheit und Kleingläubigkeit verziehen. Und im Falle der Untreue des Petrus, dieser himmelschreienden Untreue: „Ich kenne diesen Menschen nicht“ – der Herr sah ihn nur an, und Petrus ging hin, und weinte sich aus.

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Er wusste in diesem einen Blick um die Liebe seines Meisters, und dass dieser Meister trotzdem mit ihm zu tun haben will – und zwar sogar sehr vieles. Verzieh Christus aus Gutmütigkeit oder sentimentaler Freundesliebe? Was wir bestimmt wissen: Christus war ein Mann, furchtlos vor der Obrigkeit, tapfer vor dem Feind, überlegen in jeder Situation. Was wir ferner wissen: Christus war schmerzempfindlich. Wir kennen auch sein natürliches Temperament. Er war leidenschaftlicher Ausbrüche fähig. Aber ehe er starb, rief er: „Vater, verzeih ihnen, sie wissen nicht, was sie tun!“ Enthält dieser ewige und göttlichste Satz nicht das Geheimnis der verzeihenden Liebe? Sie wissen nicht – aber ich, Christus, weiß. Ich weiß, dass Gott geschändet wird. – Der Herr verzieh, weil er verstand. Er verstand, dass seine Beleidiger nicht verstanden.

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Der erste Zugang zum Verzeihen, ist das Verstehen. Das heißt nicht, dass wir so tun, als wäre die erfahrene Beleidigung nichts. Das will auch nicht eine Verdrängung, die in unserer Tiefe weiter lebt. Das hat auch nichts zu tun mit dem fatalen Satz: Alles verstehen heißt alles verzeihen. Denn das ist eine Lüge, eine Devise für Leute, die es lieben, die Wahrheit zu vernebeln. Schuld bedarf der Sünden – und manchmal heißt verzeihen vor allem und nur: für den Feind beten. Und trotzdem steht am Anfang des Verzeihens das Verstehen. Könnte es nicht auch sein, dass eine Beleidigung eine Wahrheit aussagt, und uns gerade deshalb trifft? Ich finde es immer humorvoll, wenn ein Autofahrer sich von einem Autofahrer gekränkt fühlt. Als ob es je einen Autofahrer gäbe, der noch keinen anderen Autofahrer gekränkt hätte! Manchmal wird man sich auch selbst besser verstehen müssen, um verzeihen

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zu können. Und manches Mal wird man auch fragen müssen, ob eine Beleidigung wirklich mich meint. Luise Rinser erzählt die Beobachtung: Ein Kind bekam von der Mutter Schläge. Das Kind aber geht hin und schlägt seine Puppe. Oft sind wir nur die geschlagene Puppe, und der Beleidiger meint vielleicht sogar sich selbst. Nur Unglückliche wollen andere kränken. Kommen Beleidigungen nicht sehr oft aus einem verwirrten Geist und aus einem dunklen Herzen? Und noch eines: Wenn das Wort Christi stimmt, im Argen wie im Guten: „Was ihr einem meiner geringsten Brüder getan ..“, wird dann nicht in einer Beleidigung zugleich auch Gott beleidigt? Dann ist aber auch Gott der Stärkere, nicht in der Rache, sondern im Verzeihen, dann können wir getrost zu unserer Tagesordnung übergehen. Wir können gar nicht oft genug daran denken, wie sehr wir von Gott die totale und globale Verzeihung brauchen.

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Und das Merkmal der göttlichen Verzeihung ist: Gott verzeiht gern. Es geht bei ihm nicht an, so zu tun, als wäre nichts geschehen, sondern bei ihm ist nichts geschehen. Ob uns die Verzeihung in diesem Ausmaße gelingt und gelingen kann? Aber warum sollten wir nicht auch manchmal göttlich handeln, göttlich umfassend und göttlich auslöschend? Gern verzeihen: in diesem „Gern“ steht Seelengröße und Weisheit, dieses „Gern“ ist wie ein Tor, das in neues, schönes Land führt, in die Landschaft des befreienden Gottes und in die größere Freiheit eines unbeschwerten Herzens. Gern verzeihen, das ist freilich auch ein wenig Torheit, allerdings wie das ganze Christentum: Eine bezaubernde, eine geniale Torheit, eine Torheit, wert gelebt zu werden.

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Die nackten Bettler Alle sieben Werke der leiblichen Barmherzigkeit, die zu tun uns Christen geboten sind, stehen einer gewissen Entsprechung und Verrechnung zu den sieben Sakramenten des christlichen Lebens. So wie wir das „Brot des Lebens“, den leibhaft gegenwärtigen Herrn, empfangen, und getränkt werden mit dem Quell des Lebens im Blute des Herrn, so sollen wir in gewandelter irdischer Gestalt unserem Bruder und unserer Schwester in Christus die Gabe entgelten, an dem, der hungert, an dem, der dürstet. Und so, wie wir dereinst „ein neues Kleid“ empfangen sollen für unser zur Ewigkeit auferstandenes Leben, wenn wir nach der Verheißung des Herrn „Wohnung genommen haben“ beim Vater im Himmel, so sollen wir hier auf Erden schon die Nackten bekleiden. So verstanden ist: „die Nackten bekleiden“ nicht die Frage eines caritativen Werkes, einer Sammlung, sondern die Entäußerung eigener Hülle und eigenen Schutzes in der Liebe zu dem, der nur

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das „nackte Leben“ hat, und um dessentwillen, der uns das Leben ist und das Leben gibt. Es gibt die Redensart, dass jemand im Unglück, aus dem Brand, nur das „nackte Leben“ gerettet hat. Und in der Weise, wie diese Redensart gebraucht wird, klingt mit und klingt durch, dass das „nackte Leben“ eben nicht viel ist – jedenfalls zu wenig, um damit auf die Dauer am Leben bleiben zu können, ganz zu schweigen von einem glücklichen Leben. Das Leben – wie der Leib, der es beherbergt, scheinen ein Kleid tragen zu müssen, damit wir uns darin heimisch und glücklich fühlen können. Alle Nacktheit ist im Denken und Empfinden der Völker nicht tropischer Erdzonen entweder das Bild eines mehr oder weniger rohen Naturzustandes oder einer Entwürdigung des Menschen und des Lebens. Der nackte Mensch ist der aller Not Preisgegebene. Wer ihm aber ein Kleid gibt, dient ihm zweifach: seiner Seele und seinem Körper.

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Und das Kleid, das die Liebe schenkt, ist ja auch zweifachen Sinnes: es ist der Schutz der menschlichen Leib-Existenz vor der äußersten Unbill, und zugleich erspart es ihm die Scham der Blöße – und ist so Wohltat für seine Seele und seinen Geist. Und wieviel mehr wert es ist, wenn wir nur das eigene Wenige zu teilen haben, das lebt in der Erinnerung an den heiligen Bischof Martin von Tours durch die Jahrhunderte fort, der Bischof, der Soldat, der seinen Mantel teilte, um die eine Hälfte dem nackten Bettler zu geben. Gibt es diese nackten Bettler heute nicht mehr? Die schlimmste Entwürdigung des Menschen besteht in seiner Bloßstellung. Das Innere, es mag das Teuerste unseres Lebens sein oder etwas Grausames in uns, das wir schamhaft verbergen möchten, wird ans Licht der Öffentlichkeit gezerrt und beredet. Eine Lähmung befällt unsere Existenz, man fühlt sich verloren und ausgeplündert. Und wer sich mit seinem beredeten

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Dasein gleichsetzt, der gerät vor die Abgründe der Selbstverlorenheit. Aber unsere Barmherzigkeit sollte doch wissen: die innersten Vorgänge einer Seele sind derart geheimhaft gewoben, von so vielen Erfahrungen, Motiven, Ängsten und Freuden geprägt, dass der Mensch selbst oft nicht mehr weiß, was in ihm vorgeht. Wenn dann ein gütiger Mensch in erfahrener Barmherzigkeit, ehrfürchtiger Zurückhaltung und Verschwiegenheit hinzutritt, dann auf einmal fühlt sich der andere umhüllt, bekleidet von Wohlwollen. Er darf wieder das sein, was er in seinem Inneren ist. Menschen von innen her zu verstehen, sie nicht in die Schauspielerei und in die Selbstentfremdung zu zwingen, ihr Geheimnis zu achten, keine Bloßstellung des anderen dulden, auch das heißt: Nackte bekleiden. Gibt es die nackten Bettler heute nicht mehr? Eine der Wirkungen des Heiligen Geistes sieht die Kirche darin, dass etwas, das in

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uns erkaltet ist, wieder warm und lebendig wird. Erfährt der Mensch in seiner Umgebung zu viel Zurückweisung, zu viel Nicht-Beachtung und zu viel Kälte, so fängt all das an, sein Inneres zu durchdringen, es macht ihn eisig und hart, das Lebendige des Wesens wird zerstört. Wollen wir einem solchen erkalteten Dasein noch Hoffnung schenken, so müssen wir behutsam, nach und nach, ein kleines Zeichen der Güte geben, bis das Blut anfängt zu zirkulieren und die Seele wieder lebendig wird. Gibt es die nackten Bettler heute nicht mehr? Wir allen haben im Grunde nur ein nacktes Leben. Es ist nicht viel, was da ist. Es ist nur der kleine Rest, den wir aus unserem bisherigen, vielleicht sehr langen Leben hinübergerettet haben ins Jetzt. Und bei vielen wird nichts mehr dazu kommen. Job klagte schon: „Nackt kam ich aus dem Mutterleib, nackt kehre ich dorthin zurück.“ [Hiob 1, 21] Dieses Leben wird einmal in seiner äußersten Nacktheit und Verarmung be-

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kleidet von Gottes Barmherzigkeit: „Das Vergängliche wird Unvergänglichkeit, das Sterbliche wird Unsterblichkeit anziehen.“ (1 Kor 15,23) Nackte bekleiden heißt demnach auch, die Vorläufigkeit auf unserer Welt auf den Himmel hin durchsichtig zu machen, den Gedanken der Auferstehung und des Himmels zu pflegen. Und wer wäre da nicht nackt? Das sind die drei Weisen, Nackte zu bekleiden: In unserer Nähe sollte niemand bloßgestellt werden, in unserer Nähe sollte niemand erkalten, in unserer Nähe sollte an das Unvergängliche gedacht werden und drauf hingewiesen werden. So viele Menschen, die in Kleidern umhergehen und in ihrem Schränken sehr viele und bunte Kleider hängen haben, brauchen Kleider, die wir Christen im Namen Christi zu vergeben haben, so viele Menschen, die unter den Daunen frösteln und weinen!

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Alle Barmherzigkeit geht vom Herzen der Menschen aus. Und Christus hat, als er die Werke der Barmherzigkeit verkündete, nicht an Organisationen und Ämter gedacht, die zweifellos viel Gutes und viel Christliches tun, sondern er hat etwas radikal Persönliches gemeint. Die Werke der Barmherzigkeit sind stellvertretende Werke: Werke der Liebe zum Herrn, aber verrichtet in Liebe am Mitmenschen. Und wer fürchtet, seine Liebe Unwerten und Unwürdigen zu schenken, weil wir heute schon so berechnend geworden sind, der soll wissen: wie man nach dem Gebot des Herrn an Petrus siebzig mal sieben Mal verzeihen soll, so ist es wohl besser, etliche Male ausgenutzt zu werden, als auch nur einmal die Gelegenheit nicht zu nutzen, die uns die Liebe bietet. Es wird alles eingewoben in das Kleid, das Gott uns Nackten schenkt. Der Barmherzige ist mitten in der Drangsal seiner Zeit in der Unverletzlichkeit durch die göttliche Barmherzigkeit.

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Meistern des Unrechtes Wir besitzen viele Rechte und wissen um unsere Rechte: um das Recht auf Eigentum, Schadenersatz, Gehalt, Krankenkasse, Pension, Urlaub, Wohnung, Erbe, Vorrang, Ehre.... Wir leben in einem nahezu perfektionierten Rechtsstaat. Auf Unrecht sind wir empfindlich: jahrelange und ewige Feindschaften sind daraus schon entstanden, weil wir nicht unser Recht bekamen. Wir sollen unser Recht bekommen, und es gibt genug Situationen, wo wir auf unser Recht beharren müssen – bis zur Rechtssprechung. Doch selbst den Gerichten wird es nicht gelingen, immer das volle und ganze Recht auszusprechen. Das Unrecht ist unter uns, wir spüren es vor allem im Alltag: Da wird ein Kind unrecht behandelt, dort seine Eltern; da wird zu viel Arbeit aufgebürdet, dort zu wenig, weil man die Menschen fürchtet. Da werden Menschen ausgenutzt, und auf ihre Kosten lassen es sich die andern gut gehen; da wird bevorzugt, dort über-

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haupt nicht beachtet; da wird befördert, dort zurückgesetzt; da wird zusammengeschrien, dort übersieht man jeden Fehler; da wird verweigert, was man andern gestattet; da wird verleumdet, dort intrigiert; da wird eine Auszeichnung verliehen, die andere verdient haben. Der Alltag ist voller Unrecht, allein in der Rücksichtslosigkeit auf der Straße. Um diesen Alltag handelt es sich, wenn das Evangelium von uns wünscht, wir sollen das Unrecht geduldig erleiden. Und gerade dagegen wehren wir uns und meinen, nicht so viel Überwindung aufbringen zu können. Da sind wir überfordert. Dass es Christus litt, dass man ihm Barabbas vorzog, dass die Unzahl der Märtyrer unserer Kirche es litten – in jedem Jahrhundert rechtlos zu sein, und aus höchsten Motiven es annahmen, das Unrecht auf sich zu nehmen – aber sie standen eben unter fremder Gewalt. Wir stehen meist unter eigener Gewalt.

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Stünde es uns da nicht an, einmal ein wenig heldisch zu sein, denn das Heldentum gehört zum Christlichen? Nicht, um Bravourstücke zu leisten, und nicht nur, um uns zu beweisen, dass wir uns in der Gewalt haben, sondern aus rein christlichen Motiven? Christus erlitt sein Unrecht aus dem Motiv: die Menschen müssen für alle Generationen befreit werden aus der Schuld, dem Tod und dem unerträglichen, sinnlosen Leid. Die ersten Märtyrer mochten sich auf das Wort der Schrift berufen, man muss Gott mehr gehorchen als den Menschen, und auf das Zeugnis, das sie für den Glauben ablegten.

Die späteren Märtyrer mochten dieselben Motive haben und noch dazu, dass die Märtyrer Same für neue Christen seien. Seitdem sind die Christen nicht ausgestorben, die sich unter Umständen sogar freuten, wenn sie Unrecht erleiden durften. Für uns heute unverständlich, aber nur dann, wenn wir 68


uns nicht aus der Meinung lösen, Christen müssten sich alles gefallen lassen und nur dann, wenn uns entsprechende Motive fehlen. In einem Büro oder Geschäft ständig den Launen des Chefs ausgesetzt zu sein und Schikanen ertragen zu müssen, in einem Kloster dem Kleingeist einer Oberin ergeben sein zu müssen, vermag viel Arbeitskraft zu nehmen und die Atmosphäre total zu vergiften. Hier, wenn Vorhaltungen nichts nützen oder unmöglich sind, mit Humor aufzuheitern, frisch zu machen und gefällig und gesellig zu sein, das ist ein menschliches und christliches Motiv und heißt, Unrecht geduldig zu ertragen. Frechheiten eines Kindes sich an jedem Tag neu gefallen lassen zu müssen, immer wieder missachtet und abgewiesen zu werden, tut unsagbar weh. Hier auf die Dauer ruhig zu bleiben, damit der größere 69


Mensch sichtbar wird und als Christ allmählich Eindruck macht und zur Einsicht führt, das ist ein menschliches und christliches Motiv, und das heißt, Unrecht geduldig zu erleiden. Vorwürfe über längst Vergangenes und Bereutes immer wieder aufgewärmt zu bekommen, ist ein Unrecht, das immer nur Scherben und Brüche hervorbringt. Hier völlig zu schweigen, weil die Ehe in Gefahr käme und es noch andere Fragen und lösen und nächste Menschen zu erlösen gibt, das ist ein einfaches und menschliches, christliches Motiv, und das heißt, Unrecht geduldig zu erleiden. Worum es also geht? Dass wir manchmal versuchen, dort, wo wir es leisten sollten, das angetane Unrecht zu verwandeln in ein Gut und ein wirkliches Geschenk an den Unrecht tuenden Menschen. Das ist eine echte christliche Tat und oft genug recht 70


notwendig. Man zahlt dabei nicht drauf, aber man gewinnt an innerer Reife, Größe und Hoffnung. Die Geduld, die Christus von uns verlangt, die uns manchmal völlig unzumutbar erscheint, ist eine starke Großmut, die den Zorn, selbst wenn er gerechtfertigt ist, nicht in ein neues Unrecht übergehen lässt; Unrecht also nicht wieder Unrecht zeugen lässt, sondern man darin ein Christ ist, der die Kräfte der Zerstörung aufzufangen weiß, den Ausgleich sucht, klarsichtig, ohne ungeduldig zu werden, still und dienend. Vielleicht wird ihm niemand dafür danken, dass er der Weisung Christi gefolgt ist, ein „Friedensstifter“ zu sein. Gott aber wird es – wenn wir schon so sagen dürfen – anrechnen, und ihm dafür vieles verzeihen. Advent will von uns Arbeit. Unrecht wird es auch in diesen Wochen geben: wir können es manchmal in ein 71


Geschenk verwandeln, in ein Weihnachtsgeschenk.

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Menschliche Gefangenschaft Im „purgatorio“ von Dantes „Göttlicher Komödie“ enthält sich in äußeren Visionen eine innere Daseinslandschaft, der Ort menschlicher Gefangenschaft. Der Mensch richtet sich nach oben und harrt stumm auf die Erlösung: „Dann sah ich die edle Schar schweigend nach oben schauen, blass und demutsvoll, als harrten sie.“ Durch sieben Stufen muss der Mensch zur endgültigen Befreiung hinaufklettern. Jede Stufe bedeutet eine Ebene der Läuterung. Der Übergang von einer Terrasse zur anderen kostet Mühe. Je mehr man aber nach oben gelangt, desto leichter wird der Aufstieg – nicht weil der Weg leichter ist, sondern weil der Mensch schwereloser wird. Die Umwandlung vollzieht sich so: zuerst wird der Stolz gebüßt und Demut erlangt, dann Neid überwunden und Großmut verwirklicht,

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die Härte des Inneren wird in Sanftmut umgewandelt, Trägheit gibt freudiger Tatkraft Raum, Habsucht wird gelöst und Freigebigkeit bestimmend, Wollust wird in der Buße rein geglüht, Unmaß wird gebrochen und Selbstbeherrschung erlernt. In diesem Bild wird uns die Vielfalt menschlicher Gefangenschaften angedeutet. Gewiss meint Christus in seiner Barmherzigkeitsforderung in erste Linie die Menschen in den Gefängnissen und Kerkern seiner Zeit, in den Gefängnissen und Lagern aller Zeit. Wir haben für gewöhnlich keinen Zugang. Doch alle Unfreiheit des Menschen ist Gefangenschaft: die Unfreiheit des Charakters – in seiner Empfindlichkeit, Herrschsucht und aller Art von Egoismus, der ständigen Sorge und des Misstrauens, die Unfreiheit des Geistes in seiner Enge und Verfahrenheit, in seinen Interessen

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und Ideologien, in seiner Kurzsichtigkeit, ja sogar Blindheit, die Unfreiheit der Sinne – in ihrer Weichheit und Leidenschaft, ihrer Übermacht und ihrer Opferlosigkeit, ihrer Versuchung und ihrer Sünde, die Unfreiheit des Körpers – in seiner Kränklichkeit und Kraftlosigkeit, in seinem angeborenen Fehler und seinen unbrauchbaren Gliedern, in seiner Gebeugtheit und seiner Verunstaltung, in seiner Müdigkeit und seiner Schwere, in seiner Bedrohung des Lebens, die Unfreiheit der Seele – in ihrer Nichtbeachtung und ihrer Leugnung, ihrer Verkümmerung und ihres Geschlagenund Gegeißeltwerdens, die Unfreiheit des Herzens – in seiner Knebelung der Liebe, in seinem Irrtum falscher Liebe, in seiner geheuchelten Liebe, in seinem tödlichen Hass. „Ich war im Gefängnis und ihr habt mich besucht.“ Geht das nicht so weit, dass wir auch die wirklichen Verbrecher nicht vergessen? Auch der inhaftierte Verbrecher ist im Sinne des Wortes Christi erbarmenswert.

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Nicht ohne Grund gibt es die Gefängnisseelsorge – und ich kann es sagen: man wird kaum je so viel Erschütterung erfahren als in den Gefängnissen. Wir gehen manches Mal am Gefangenenhaus vorbei. Wer denkt daran, was sich hinter den Gittern an seelischer Qual und Verzweiflung abspielt? Gewiss, es gibt die Reuelosen und die Versteinerten, aber mehr die, die erkennen: „Ihr habt mich besucht“. „Ich war im Gefängnis“: Verlangt das nicht, in unserem Dasein für die anderen zeugnishaft darzuleben, dass es möglich ist, unsere Sehnsucht nach Befreiung bereits jetzt, in unserer irdischen Gefangenschaft, zu verwirklichen. Ein Geist wie der des Apostels Paulus hat auch im Gefängnis die Kraft des Gebetes nicht verloren, er blieb mit seinen Glaubensgenossen in nicht erkaltender Liebe verbunden – es gibt doch die Freiheit, die weder dem physisch und geistig Gefangenen nicht genommen werden kann: die Freiheit, sich glaubend aufzu-

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richten: ich kannte einen Jesuiten, der nach 12 Jahren härtester Einzelhaft vollkommen gelöst und frei aus dem russischen Gefängnis kam. Diese Freiheit sich zu erwerben, gilt für alle Gefangenschaften. Johannes der Täufer musste ob seines Freimutes in das Gefängnis, aber wir lesen nicht, dass er sich um sich selbst sorgte. Er sorgte sich für seine Jünger und um Jesus von Nazareth. Wir lesen nicht, dass Christus ihn besuchte – und doch, wie und ob er ihn besucht hat! Stünden wir da vor der christlichen Askese – oder vielmehr noch vor der Liebe Gottes, die mithilft, uns aus unseren Gefangenschaften zu befreien, die unsere Gefangenschaften zu Medien seiner Gnade machen will? Es gibt die innere Freiheit. Sie kann so stark werden, dass sie über jede Art körperlicher Gefangenschaft und physischen Schicksals erhaben macht. Dante umschrieb sie so:

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„So setz ich dich zum Kaiser und zum Papst über dich selbst“! Nur verlangt sie zuerst, dass wir uns an die Gefangenschaften unseres Geistes, unserer Sinn, unserer Seele und unseres Herzens heranmachen, um ihrer Herr zu werden versuchen, um sie nicht treiben zu lassen, um sie nicht als zu uns gehörig zu dulden. Es macht nicht nur Freude, es macht Spaß, wieder einmal mit uns selbst fertig geworden zu sein, stärker gewesen zu sein als unser korrupter Geist, unsere vernarrten Sinne und unser dummes Herz. Wir werden nicht alle Gefangenschaften loswerden, dazu sitzen sie zu tief verwurzelt. Sie gehören zu unserem Menschsein, aber manche Fesseln ganz abzuwerfen und andere zu lockern, das ist schon vielen gelungen, die Christen sein wollten, und das wird auch uns gelingen. Wenn wir Christus in seiner Gefangenschaft der Menschen besuchen, dann

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wird er auch uns in unseren Gefangenschaften besuchen – und zurßck bleibt immer eine Gnade, eine Kraft und eine neue Freiheit. Und er wird uns vor allem kennen, wenn wir es nÜtig haben werden, von ihm gekannt und erkannt zu werden. Innere Freiheit! Sie ist unser christliches Ziel! Geschenkt wird sie uns nur durch unsere Anstrengung und von der Liebe Gottes.

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Wer ist der Fremde? Wer ist das eigentlich: ein Fremder? Wir denken an die Gastarbeiter. Sie haben anderswo ihre Heimat. Sie sind weggezogen, weil sie bei uns bessere Arbeitsbedingungen finden, um ihre Familien leichter erhalten zu können. Sie sind gut für die Arbeiten, die unsere Menschen nicht mehr machen wollen. Sie wohnen bei uns, oft erschreckend arm, aber sie sind uns fremd. Der Fremde, das ist der Ausländer, der im Sommer mit Fotoapparat unsere Stadt besichtigt oder im Salzkammergut Erholung sucht. Er ist weggezogen von seiner Heimat, geflohen von seinem Alltag, geflohen von seiner Arbeit und der gewohnten Umwelt, aus seinem Land mit seinen Sitten, aber er ist uns fremd: seine Gewohnheiten, seine Lebenshaltung, seine Denkart, sein Lebensstil sind anders. Seine Einstellung zu uns und seine Motive sind für uns unbekannt und nur schwer durchschaubar. Selbst sein Gott ist uns unbekannt.

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Der Fremde, das ist der Inländer, der von seinem Ort für ein paar Stunden weggefahren ist, um bei uns seine Besorgungen und Geschäfte zu erledigen. Wir haben ihn das erste Mal gesehen, wir wissen nichts von ihm. Der Fremde, das sind die meisten Menschen in unserer Stadt, oft im eigenen Haus, ja, wir kennen nur einige hundert Menschen auf der ganzen Welt, und die schlecht genug. Der Fremde, das sind wir selbst, nicht nur, wenn wir übers Land fahren oder übers Meer fliegen, wenn wir uns selbst betrachten und anschauen. Wie oft staunen wir über uns, weil wir diese konkrete Lebenstat handeln konnten, und wie es möglich war, diese konkrete Lebenshaltung solange beizubehalten. Und wir freuen uns oder sich auch beschämt. Der Fremde, das ist jedermann. Der Fremde, das ist nach seiner eigenen Aussage Jesus Christus selber: „Ich war fremd, aber ihr habt mich aufgenommen.“

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Ja, der Fremde ist nur die Verkörperung unseres eigenen Zustandes, unserer inneren Heimatlosigkeit, unserer Ungeborgenheit, unseres Einander – und – uns-selbst-Fremdseins. Aber Christus will, dass wir den Fremden aufnehmen, so wie wir es gern haben, wenn wir aufgenommen werden, wir Fremde bei den Fremden. Gott hat den Brudermörder Kain mit einem Stirnzeichen versehen, erzählt die biblische Geschichte. Zwar wird er fliehen müssen, aber jedermann auf der Welt soll an diesem Zeichen erkennen, dass es Kain mit Gott zu tun gehabt hat. Auch als der Flüchtige und Fremde gehört er Gott und Gott wir gegen den sein, der sich an ihm vergreift. Dieses Ende der alten Geschichte von Kain und Abel, drückt in klaren Worten aus, was die alten Völker immer ahnten. Die Griechen haben seltsamerweise sogar nur ein einziges Wort, das beide Bedeutungen auszudrücken hatte: Xenos

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heißt der Fremde und zugleich der Freund. Wer aus der Ferne kam, vielleicht flüchtig, mochte gewiss den Menschen durch seine Andersartigkeit bedrücken oder bedrohen. In der alten Welt aber war der Fremde zugleich ein Freund, weil er die Gelegenheit von Gastfreundschaft der besonderen Art von Verbundenheit bot, die sie gewährt. Der Fremde, der Flüchtling, der an meine Tür klopft und mich anspricht, war im Altertum einer, der es wie Kain mit Gott zu tun hatte. Und deshalb gebührt ihm Ehre. Ja, Fremde beherbergen hat bei alten Kulturnationen immer bedeutet, dass man ihnen sogar das Beste zukommen ließ. Der Fremde ist der Freund, der Fremde ist der, der es mit Gott zu tun hat, der Fremde, dem man das Beste bietet – ob diese Auffassung heute noch für uns nachvollziehbar ist?

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Sie macht uns auf jeden Fall nachdenklich, sie macht behutsamer in unserem Denken über Fremde, freundlicher bei einer Begegnung, entgegenkommender in unseren Antworten, gastlicher bei ihren Besuchen, sie macht uns ehrfürchtiger vor jedem fremden Gesicht. Und wenn er nicht gleich unser Freund ist: ganz gewiss ist er ein Mensch, der es mit Gott zu tun hat. Ob diese hohe Auffassung vom Fremden wirklich nicht heute nachvollziehbar wäre? In einem Falle ist sie sicher nachvollziehbar, dann, wenn Christus Jesus der Fremde ist. Wer zweifelt am Freund Jesus Christus, der als Menschenfreundlichkeit in die Welt trat, und uns von sich aus seine Freunde nannte? Und wer in der Geschichte der Menschheit hat es außer ihm mehr mit Gott zu tun gehabt als der Gottessohn? Dann haben wir doch zu überlegen, was wir ihm als das Beste unseres Hauses anzubieten haben, wenn er in diesen

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Tagen als der Fremde zu uns als Gast kommt. Dann haben wir zu überlegen, was Jesus Christus als das Beste unseres Hauses ansieht, und gerne haben möchte, auch wenn es uns hart ankommt. Oder beschenken wir den Fremden und nicht der Fremde uns vielmehr? Das Schicksal Christi war es, ein Fremdling zu sein. Er kam in sein Eigentum, aber die Seinen nahmen ihn nicht auf. Draußen vor der Stadt – dieses grausame Wort: Draußen vor der Stadt – dort ist Christus zu finden, in Bethlehem und in Jerusalem. Draußen vor der Stadt. Draußen vor der Stadt meines Herzens, meines Lebens, meines Schicksals? „Ich war fremd – und ihr habt mich aufgenommen“, so sprach er von sich – und er sprach weiter: „Macht euch Freunde mit eurem irdischen Mammon, damit sie euch einmal in ihre Wohnungen aufneh-

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men. Ich gehe hin, euch eine Wohnung zu bereiten“. Ihr seid Fremdlinge, ihr seid Pilger, ihr seid nur Gast auf Erden, eure Heimat, eure einzige Heimat ist bei mir, dem Fremden der Erde, aber dem Gott des Himmels und der Erde. Der Fremde – das ist jedermann – hat mit Gott zu tun.

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GEBET Gebet 1 Beten Ich will Ihnen eine Predigtreihe über das Gebet halten. Praktische Predigten – weiterhin unter dem Gesamttitel: Last Gottes. Denn das Gebet lastet uns Gott auf. Anlass dazu gibt mir: 1. Dass viele unserer tapferen Christen ganz deutlich spüren, dass heutzutage gebetet werden muss, aber sie fühlen sich in ihrem Gebet oftmals hilflos und arm. 2. Dass auf dem Büchermarkt in den letzten Jahren immer wieder Bücher über das Gebet erschienen, die nahezu im Handumdrehen wieder vergriffen waren. Das bedeutet doch: es ist eine große Sehnsucht nach dem Gebet vorhanden. Oder soll das nicht auch beweisen, dass unser christliches Volk an eine kommende religionslose Zeit – wie sie manche

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furchtsame Theologen an die Innenwände unserer Kirche malen – nicht glauben? Soll es auch beweisen, dass, wie es immer schon war, nach Zeiten der Oberflächlichkeit und der Äußerlichkeit – und genau in solchen Zeiten – Zeiten des inneren Lebens und der Besinnung folgen? Zweifellos: Es ist eine große Sehnsucht nach vernünftiger, praktischer Frömmigkeit in vielen Christen, ja, eine leidenschaftliche Suche nach praktischer Frömmigkeit – und darin oft eine einsame Bemühung um das Gebet. Damit sind wir bei der Last des Gebetes angelangt. Fast jeder hat seine Not mit seinem Gebet. Viele beten nicht gerne, weil sie an den Dialog mit Gott nicht glauben, weil sei von Gott nichts zu hören bekommen als Antwort, viele beten noch ein ganz klein wenig, weil sie Gott eben doch noch fürchten

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und ihr Glaube ihnen doch noch ein Wert ist, den sie sich sichern möchten, viele beten nur in Notzeiten oder wenn das Herz sie drängt, viele sind enttäuscht vom Gebet, weil der Erfolg ausblieb, viele beten – begreiflicherweise – ungern, weil eben das Gebet keine natürliche, sondern eine übernatürliche Sache ist, viele beten ungern, und nur ein Mindestmaß, weil sie an die Sinnhaftigkeit des Gebetes nicht mehr recht glauben können, viele beten nicht mehr, nicht, weil sie keine Ängste mehr hätten, sondern weil sie in unserer wissenden Zeit Wissende geworden sind. Der Mensch des 21. Jahrhunderts glaubt nicht mehr an die Macht des Gebetes. Viel lieber vertraut er sich bekannten Größen an, die ihm heute durch die Wissenschaft in die Hand gegeben sind. Wo liegt der Fehler?

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Kann das Gebet für den Menschen des 21. Jahrhunderts noch sinnvoll gemacht werden? Eine Vorbemerkung ist nötig: nicht das Gebet an sich ist sinnlos, sondern die falsche Einstellung des Menschen hat zum Dilemma zwischen Glaube und Wissen, zwischen Beten und Gestalten der Welt geführt. Deshalb drei Sätze: 1. Das Gebet muss von magischen Vorstellungen befreit werden. Als Kennzeichen der Magie könnten wir feststellen: der Mensch will mit Hilfe äußerer Mittel, mit Worten, Gesten, Orten und Gegenständen höhere Mächte kontrollierbar beeinflussen. Er will Gott für seine Zwecke dienstbar machen. Entscheidend für die Magie ist, dass die Wirkung der Mittel automatisch geschieht. Gewiss sind wir heute nicht mehr in der Gefahr des naiven Glaubens, dass ein Rosenkranz eine ganz bestimmte Anzahl von Sünden tilgt – oder dass eine Wallfahrt zu einem Marienheiligtum uns das

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Bestehen eines Examens garantiert. Die Gefahr für den Menschen des 21. Jahrhunderts der Magie zu verfallen, ist viel komplizierter. Wir glauben daran, dass ein Gebet „irgendwie“ hilft. Wir sind zwar unsicher, aber wir wollen doch mit Hilfe äußerer Mittel den Gang der Ereignisse beeinflussen. Wir sind zwar vorsichtiger geworden und wissen bereits, dass unser Gebet nicht automatisch wirkt, aber immerhin glauben wir an die grundsätzliche Wirkung des Gebetes. Der zweite Weltkrieg hängt noch vielen nach. Wie oft geschah es, dass eine Mutter um die Heimkehr ihres Sohnes bat – aber er fiel. Wie haben wir diese Mutter getröstet? Gott hat andere Pläne gehabt, er hatte seinen Grund, wenn wir ihn auch nicht kennen. Damit haben wir Gott die Beweislast für sein Handeln zugeschoben, und ihn damit zugleich auch erniedrigt. Deshalb der 2. Satz:

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Unser Gebet muss aus dem Vertragsdenken gelöst werden. Die Römer waren der Ansicht, dass die Götter den Menschen beschützen müssen, wenn er nur selber den Göttern die Treue hält. In unseren Ansichten steckt noch viel von diesem Vertragsdenken, wenn wir sagen: Gott verlässt uns nicht, wenn wir ihn nicht verlassen. Dahinter steckt eine falsche Auffassung des Bundes Gottes mit den Menschen. Gott hat sich zwar an den Menschen gebunden: er steht immer zu seinem Wort, er ist es, der den Menschen zu seinem Heile führt. Aber der Mensch hat kein Recht auf dieses Bündnis. Der Mensch hat kein Verfügungsrecht über Gott. Der Mensch hat kein Recht, Gott an sein Versprechen zu erinnern. Überdies: der Wissenschaft ist es bisher noch nie gelungen und es wird ihr nicht gelingen, das eigentliche Ziel des Menschen, das Heil zu definieren. Wissenschaft und menschlicher Verstand sind untauglich zur Beantwortung dieser Grundfrage des Menschen. Wir müssen also einsehen, dass uns das verschlos-

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sen bleibt. Das bedeutet, dass der Mensch bei keinem seiner Bittgebete – und das Bittgebet hat ja so viele Christen am Beten irre gemacht – wissen kann, ob die Erfüllung seines Wunsches ihm zum Heile gereicht. Der 3. Satz: Das Gebet muss uns öffnen für das Wirken Gottes. Wenn wir auf unser Leben zurückblicken, so kann es geschehen, dass wir nachträglich die Weisheit der Entwicklung erkennen und bewundern: meist stellen sich Ereignisse als Wendepunkte unseres Lebens heraus, die uns den richtigen Weg geführt haben. Und ein solcher Mensch wird nie aufhören zu beten. Diese Erkenntnis ist jedoch ein Geschenk, um das man sich mühen muss, und das leider vielen Menschen nicht beschieden ist. Trotzdem bleibt auch dem Erkennenden der Weg zu seinem Heil ein Weg im Dunkeln und ins Dunkle, ins Unsichtbare. Hier setzt ein ganz großes Vertrauen ein, ja eine Selbstübergabe an den Herrn. Sie ist jedoch kein Risiko, wenn man

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glauben kann. Dann wird man unentwegt weiter beten, aber das Wirken Gottes ganz Gott überlassen. Wir wollen heute nur festhalten, dass das Gebet zur wesentlichen Praxis unseres christlichen Lebens gehört. Und nicht wenig kann man aus seinem Gebetsleben für seine eigene Beurteilung als Christen ablesen. Die Kirche hat einstens viel getauft. Petrus Claver erzählt, dass er in seinen 40 Jahren Missionstätigkeit an die 300.000 Menschen schwarzer Hautfarbe getauft habe. Ähnlich Franz Xaver in Indien und Japan – gemäß dem Befehl Christi: „Geht hin und taufet alle Völker!“ Taufschein! Und Pius X. sagt von sich: „Der größte Tag des Papstes war sein Tauftag“. Und was ist vor Jesus Christus, was ist vor dem allmächtigen Gott wichtiger:

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Gebet oder Taufe? Gott wird sich ohne Zweifel f端r das Gebet entscheiden. Wir wollen festhalten, dass am Anfang des Christen das Gebet steht. Ja, es steht am Anfang jedes Menschen. Wer betet, ist ein Wissender. Wer betet, ist dankbar. Wer betet, ist ein Mensch.

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Gebet 2 Beten lernen Wo Christus ist, dort ersteht Macht und Gewalt – und sie tut gut. Er spricht aber von Mächten und Gewalten, die über die Erde ziehen – und sie tun nicht immer gut. Wir sollen Optimisten sein, wir sollen uns jedoch nicht von einem utopischen Optimisten vernebeln lassen. Man spricht von einem geistigen Großbrand, der heute auf der ganzen Welt aufgeflammt ist. Vielleicht müssen wir zugeben, dass uns die Mächte und Gewalten dieser Welt über den Kopf zu wachsen beginnen. Wir erleben beispielsweise die Macht des Wissens. Aber je mächtiger dieses Wissen wird, umso kleiner wird der Bereich des Wissens, den der einzelne zu erfassen vermag. So verliert er immer mehr den Überblick über das Ganze – ein Zerfall. Wir erleben die Macht der Technik.

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Je mehr wir die Kräfte dieser Welt beherrschen, umso weniger können wir die Anwendung und Verwendung dieser technischen Möglichkeiten kontrollieren und eindämmen. Je stärker der eine ist, um so mehr muss der andere rüsten. So kommt es, dass für jeden einzelnen Menschen auf dieser Erde heute 15.000 kg Sprengkraft in den Arsenalen der Welt bereitliegen. Wer wird diese Mächte und Gewalten zählen? Wir erleben die Macht der Industrie und der Wirtschaft. Sie muss immer mehr produzieren und absetzen, weil sie sonst selber zugrunde geht. Deshalb treibt sie den Menschen zu immer größerem Konsum an. Die anderen, die halb verhungert sind, empören sich über dieses rücksichtslose Wohlstandsbabel. Und die Macht der Liebe ....? Die Mächte und Gewalten dieser tanzen wie in einem Teufelskreis, den der Einzelne kaum mehr zu durchbrechen vermag, auch nicht die Gemeinschaft und

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nicht die Gesellschaft. Es sind jene Mächte und Gewalten, von denen der Herr so eindringlich gesprochen hat. Und sagte er nicht, dass manche Teufel nur durch Gebet und Fasten ausgetrieben werden können? Das Fasten mag heute die Nächstenliebe sein, die Caritas. Aber wo bleibt das Beten? Erwartet Gott für diese Weltstunde das Gebet? Was sonst wird die entfesselten Mächte und Gewalten bändigen und eindämmen? Lasst uns das Leben wieder leise lernen! Sollten wir nicht wieder beten lernen? 1. Wer beten lernen will, der muss wissen, dass das Gebet nicht einfach aus unseren Nöten lebt, sondern aus den in der Bibel bezeugten Heilsgedanken und Zusagen Gottes. Das Wort Gottes, das ja uns Menschen meint, ruft das Gebet ins Leben. In der Bibel wird offenbar, dass Gott von uns gehört wird – und das ist die Grundlage des Betens.

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In der Bibel wird offenbar, dass Gott von uns gehört wird – und das ist die Grundlage des Betens. In der Bibel wird uns ein Einblick in die Gebetserfahrungen ihrer Menschen vermittelt. In der Bibel lernt man das Gebet der Liebe, das Gebet aus der Not, das Gebet aus der Schuld, das Gebet vor einer Entscheidung und das Gebet des Alltags. 2. Wer beten lernen will, muss sich an den Meister des Gebetes in der Bibel wenden, an Jesus selbst. Er muss ihn in seinen menschlichen Situationen beobachten: wie er sich vor wichtigen Ereignissen an einen einsamen Ort zurückzieht, um mit seinem Vater allein zu sein, wie er danken kann, wie er fürbitten kann, wie er im Gebete ringt und klagt, wie er im Gebete ganz einfach ist, wie der Stoff seines Gebetes seine menschlichen Begegnungen, seine Erlebnisse, seine Sorgen, seine Befürchtungen, sei-

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ne Hoffnungen sind, und keine Schöngeisterei. Er muss ihn hören, wie er spricht: „So sollt ihr beten: Vater unser im Himmel, geheiligt werde dein Name ....“ Nach Jesu Meinung das Modellgebet. Von Gott selber erstellt, ist es ein Gebet von riesiger Schwingungsweite. Es hat dehnbare Wände. Man kann alles hineinstellen und alles darin aufnehmen. Es ist nach Helmut Thielicke „das Gebet, das die Welt umspannt“. Man wird nie mit ihm fertig, und es gelingt kaum einem Menschen, es mit absoluter Aufmerksamkeit zu beten. Aber es sind nicht die schlechtesten Beter, die dieses Gebet allein zu ihrem Gebet erkoren haben. Simone Weil, eine französische Christin, die nicht zur katholischen Kirche gehörte, sagte über dieses Vater unser: „Dieses Gebet enthält alle je möglichen Bitten, man kann kein Gebet ersinnen, das nicht schon darin beschlossen wäre. Es ist als Gebet, was Christus als Mensch ist. Es ist unmöglich, es einmal zu sprechen und dabei auf jedes Wort die Fülle der Aufmerksamkeit zu richten, ohne dass in

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der Seele eine vielleicht unendlich kleine, aber wirkliche Veränderung bewirkt wird.“ 3. Wer beten lernen will, der müsste bereit sein, sich zu ändern – wie es die Bibel vom ersten bis zum letzten Wort wünscht, weshalb Jesus in die Welt gekommen ist. Das Hindernis auf dem Weg zum Gebet sind wir selbst. Was sich ändern müsste, wäre unschwer zu erkennen: Der Verschlossene müsste sich öffnen, der Unzufriedene müsste seine Grenzen anerkennen, der Verdrießliche müsste Dankbarkeit lernen, der Gleichgültige müsste sich hingeben, der Vieldeutige, der sich hinter Masken verbirgt, müsste den Mut finden, klar und einfach so zu leben, wie er ist, der für alles Entschuldigungen findet, müsste ehrlich werden, der sich immer an etwas oder jemanden anklammert, müsste loslassen, der über die böse Welt klagt, müsste das Erbarmen mit den Menschen lernen.

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Das Gebet erfordert einen Menschen, der bereit ist, sich zu ändern. 4. Wer beten lernen will, der muss gern beten – wie es ebenso der Frohbotschaft der Bibel entspricht. Darauf kommt viel an. Nicht widerwillig, weil es sein muss, nicht verdrießlich – wie soll ein Verdrießlicher zu Gott finden? – nicht lahm und schlaff, sondern gern. Gern, auch wenn man schon müde ist, gern, auch wenn man lieber zum Fernsehen ginge, gern, weil man nie genug dafür danken kann, dass man beten darf. Gern: wir müssen dieses kleine Wort so oft in unser Innerstes sagen, bis uns das Innerste sagt: gern! Wo Jesus ist, dort entsteht Macht und Gewalt. Jesus ist im Gebet. Darin ersteht Macht und Gewalt gegen die Mächte und Gewalten. Betende Hände sind drohende Wände den Geistern der Tiefe.

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Gebet 3 Formen des christlichen Betens Es mag banal oder anmaßend klingen: aber stellen wir uns lebhaft vor, die Stiftskirche Schlägl wäre die Synagoge von Nazareth, und Christus, von dem wir auch, wie die Nazarener, viel gehört haben, träte vor uns spräche zu uns über das Thema Gebet. Er fände ein äußerst aufmerksames Publikum vor, ein überaus dankbares – und wir hätten sicher keine Sensation zu erwarten. Er würde uns keine Begründung für das Gebet geben – die gibt auch die Heilige Schrift auf keiner Seite: Beten ist selbstverständlich. Er würde jedoch betonen, dass niemand einem anderen abnehmen kann, selber zu beten, wie er von den Nazarenern verlangen musste, selber zu glauben. Er würde uns trösten über die Armut unseres privaten Gebetes und uns versichern, dass er darüber nicht entsetzt ist, ja, dass es gar nicht anders sein kann, dass er gerade das arme Gebet, in dem

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die Mühe um die Aufmerksamkeit sichtbar wird, gerne hört. Er würde uns darauf hinweisen, dass unser Privatgebet gerade in der Situation unserer Zeit der äußeren Hilfe der Gemeinschaft bedarf – so wie ein persönliches Glaubensbekenntnisgespräch, ohne den persönlichen Glaubensvollzug „machen“ oder ersetzen zu wollen, doch ungemein hilfreich ist für diesen Glauben. Denn Glaube und Gebet fallen von der Wurzel her zusammen. Er würde auf den besonderen Sinn des gemeinschaftlichen Betens weisen – und zwar als Bekenntnis. Das gemeinsame Gebet ist das Bekenntnis von allen und für alle. Wo immer Christen gemeinsam beten, legen sie voreinander und zur Hilfe füreinander Zeugnis ab von dem Glauben, den sie wagen, von der Hoffnung, aus der sie leben, von der Liebe, die sie bewegt, weil Gottes Liebe sie zuerst getroffen hat. Wie arm und angestrengt wäre das persönliche Beten ohne die Kraft, die es immer wieder aus dem

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Glaubenszeugnis Betens bezieht.

des

gemeinsamen

Unter allen anderen Arten des Gebetes würde er uns vor allem, entgegen aller Enttäuschung, aller Vorwürfe und Gegnerschaft zum Bittgebet ermutigen. Denn seine, den Menschen vernehmlichen Gebete, waren fast ausnahmslos Bitten. Hat er sie deshalb laut gesprochen, damit wir sie nachdenken und nachsprechen? Bäten wir ihn, er solle uns das Vaterunser vorsprechen, dann würde er einen Augenblick innehalten, um sich inniger mit dem Vater zu verbinden, und uns damit bedeuten, dass dieses kurze Untertauchen in Gott auch am Beginn unserer Gebete geschehen soll. Man betet ungestörter. – Aber dann dauerte das Vaterunser auch nicht länger als wir dazu brauchen. Und es wäre eine schlichte, ruhige Männerstimme zu vernehmen. Christus hätte viel Verständnis für unser hektisches Leben. Gerade dafür spricht die Kürze seiner Gebete. Mit Ausnahme des Hohepries-

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terlichen Gebetes [Jo 17], das wahrscheinlich eine Zusammenstellung ist, sind uns nur – einschließlich des Vaterunsers – ganz kurze Gebetsworte von Christus überliefert. Sie stehen in seiner Leidensgeschichte. Ob ihre Art nicht heute die bevorzugte Art unseres Betens sein kann? Wie bei Christus handelt es sich da um ganz spontane Anrufungen Gottes, ohne jede Vorbereitung, aus der jeweiligen Situation heraus. Sie bestehen in ein paar unvermittelten Worten des Preises, der Anbetung, des Eingeständnisses, der Bitte, der Fürbitte, der Liebe. Sie erhalten unsere Verbindung mit Gott lebendig, wo wir auch seien. Sie lassen sich leicht in die Arbeit und Beschäftigung einstreuen. In Zeiten der Müdigkeit, Krankheit und der inneren Erregung behalten sie ihre Wirkung. Und wenn uns längere Gebete schwerfallen oder unmöglich sind, finden wir noch die Kraft zu einem Kurzgebet. Für viele Christen sind sie heute eine regelrechte Rettung. Das Wort von Franz von Sales bleibt auch heute: sie ersetzen

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alle anderen Gebete und können durch nichts anderes ersetzt werden. Die Kurzgebete Christi dürfen in unseren Gebetsschatz eingehen, aber auch viele andere geformte sollen uns zur Hand sein, ob nun aus der Hl. Schrift oder nicht: Meine Hilfe ist im Namen des Herrn – das Gebet der Ermutigung. Das Jesusgebet, die Gabe der russischen Mönche: Herr Jesus Christus, Sohn Gottes, erbarme dich unser! Das Gebet aus den Psalmen: Alle meine Quellen sind in dir, o Herr. Das Petrusgebet der Einigung und Reue: Herr, du weißt alles, du weißt auch, dass ich dich liebe. Das Gebet der Emmausjünger: Herr, bleibe bei uns ... Das Gebet des Vertrauens: Lass mich hoffen wider alle Hoffnung! Das Thomasgebet: Mein Herr und mein Gott! Das Gebet – nicht nur der Jugend: Ich will, Herr, mit meinem ganzen Leben dich preisen!

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Das alles sind rettende und erlösende, befreiende Worte. Es kommt nicht auf die Menge dieser Kurzgebete an. Wir sollen sie ausschwingen lassen. Und sie haben eine lange Schwingungsdauer. Und wenn wir Christus fragen, wie wir uns Gott in unserem Gebete vorstellen sollen? Wir können nicht ohne Vorstellung von Gott beten. Dann ist es aber besser, zu einem Gott, der ein Menschenantlitz hat, zu beten, als zu einem schemenhaften „höchsten Wesen“. Christus würde sagen: Ihr seid durch die Menschwerdung Gottes dazu ermächtigt. Wir dürfen uns also Gott beim Beten wie einen anwesenden Menschen vorstellen, den wir anreden. Der Glaube wird uns davor bewahren, das Bild mit der Wirklichkeit zu verwechseln. Was für einen Menschen man sich vorstellt, gibt natürlich manche Probleme auf. Das Vater–Modell hat für viele in der „vaterlosen Gesellschaft“, in einer Epoche, die stolz ist auf den Abbau aller patriarchalischen Strukturen, aufgehört,

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wirksam zu sein, wenn wir auch deshalb das Vaterunser – nicht ändern werden. Aber warum nicht im Modell des Freundes – oder wenn nötig, im Modell des Chefs? Schließlich besetzen wir das Menschenantlitz Christi und in ihm sehen wir das Vaterantlitz Gottes. Wenn Christus vor uns stünde – nun, ich glaube, ich habe wieder ganz daneben geredet.... Wenn Christus vor uns stünde, nur einen Augenblick – und wir erkennten ihn besser, als die Nazarener – als den Sohn Gottes, dann ginge es uns so wie Paulus nach dem Erlebnis von Damaskus, dann kämen wir von Christus nicht mehr los, dann wäre uns Christus der Inhalt des Lebens, dann wären alle Gebetsprobleme zunichte, dann wäre unser Sinnen nur eines: „Ich will dich preisen, Herr, mit meinem ganzen Leben!“

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Gebet 4 Meditation – Fahrt in die Tiefe Wir leben in einer Welt, die uns immer mehr Möglichkeiten des Erlebens und der Lebensgestaltung bietet. In den hochentwickelten Industriestaaten Europas und Amerikas kann sich bei ernsthaftem Einsatz jeder seine materiellen Wünsche weitgehend erfüllen. Warum aber fehlt gerade in unserer Zeit zahlreichen Menschen der wesentliche Lebensinhalt? Warum ist so viel innere Not und Verzweiflung anzutreffen? In Zeiten des Wohlstandes wird dem Menschen nur selten bewusst, wie groß die Gefahr ist, innerlich zu verarmen. Seine Lebenskräfte werden durch eine Vielzahl von Umweltreizen zersplittert. Die Zersplitterung führt zu Halbheiten im Leben. Viele Menschen spüren in sich den Drang zu arbeiten, zu studieren oder künstlerisch zu schaffen. Ihre Aktivität reicht jedoch für eine zielstrebige Lebensführung nicht aus. Die Verlockungen angenehmer Betäubung durch Massen-

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medien, Unterhaltungsliteratur, gesellschaftliche Interessen, ein wenig Sport oder etwas Kunstgenuss, sind stärker. Was übrig bleibt, ist bestenfalls eine stille Sehnsucht nach einem erfüllteren Leben, meistens jedoch nur Resignation, Selbstentfremdung und Selbstbetrug. Damit aber kann man nur schwer leben. Gibt es eine Möglichkeit, dem Zwang eingefahrener Lebensgewohnheiten und äußerer Unsicherheit zu entrinnen, das Leben sinnvoller und freier zu gestalten? Diese Möglichkeit gibt es. Den Beweis liefern auch die Menschen unserer Zeit. Sie sind, anstatt sich in der Außenwelt zu verlieren, den Weg nach innen gegangen. Sie haben durch meditative Übungen ihr wahres Wesen entdeckt und in sich selbst Werte gefunden, die dem äußeren Leben Sinn und Glanz verleihen. Wir wissen ja: an der Entwicklung der letzten 40 Jahre ist deutlich ein Umbruch im Bewusstsein der Menschheit zu beo-

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bachten. Die Weltraumfahrt, die Fahrt zur Höhe, kann als äußere Entsprechung angesehen werden für die Erforschung des geistigen Innenraumes, für die Fahrt in die eigene innere Tiefe. Der Mensch hat heute zwei Möglichkeiten: 1. sich wie Treibholz willenlos und hilflos mitschleppen zu lassen, oder 2. sich seiner persönlichen Verantwortung als Mensch und Mitmensch bewusst zu werden und danach zu handeln. Statt zu resignieren, gilt es, bewusst zu leben. Das bedeutet: jene innere Wandlung herbeizuführen, die das Christentum vom Menschen verlangt. Das bedeutet: sich selbst zu sehen, wie man ist, seine Unzulänglichkeiten allmählich zu beheben, neue Erkenntnisse und Einsichten zu gewinnen, mit denen die Lebensleere überwunden, der Mensch von sich frei wird und zu einem harmonischen Leben gelangt, freilich durch harte Arbeit, durch straffe Kontrol-

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le, durch oft erzwungene Stille und Besinnung. Die Fahrt in die Tiefe hat bereits begonnen. Und wir Christen sollten die ersten sein, die sich dazu melden. Denn wohin geht diese Fahrt? Oder anders: woher bezieht der heutige Mensch sein Menschenbild? Das heutige Menschenbild ist bei vielen Zeitgenossen nicht mehr von innen heraus bestimmt, weder von der Philosophie wie in den vorchristlichen Jahrtausenden, noch von der Offenbarung wie im Alten Testament und nicht mehr von Jesus Christus, der mit der Erfüllung der Offenbarung zum entscheidenden Vorbild eines wahrhaft menschlichen Lebens wurde. Es wird bestimmt von Mächten, die von außen an den Menschen herangetragen werden: allzu viele Zeitgenossen beziehen heute ihr Menschenbild vom Film oder Fernsehen. Damit kann man aber auf die Dauer nur sehr schwer leben. Das einzig gültige Menschenbild stammt

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aus der Offenbarung und bleibt Jesus Christus. Deshalb geht die Fahrt in die Tiefe zunächst zu Jesus Christus, der unser Weg, unsere Wahrheit und unser Leben ist – und in ihm finden wir uns selbst. Oder wie es jemand ausgedrückt hat: Die Meditation kann uns den Zugang zum Saume seines Mantels verschaffen. Und an diesem Saume leuchten Sterne auf, die wir etwa so benennen: Ruhe, Friede, Harmonie. Aber diese Sterne befinden sich nicht im Ruhestand. Sie stecken voller Dynamik, sie sind Ausstrahlung des vollen Lebens aus Christus und geben uns eine vollendete Lebenssicherheit, wir werden aktiv. Ist Meditation für jedermann? Ja! Denn: Jedermann hat die Kraft, sich hinzusetzen und Ruhe zu geben, eine halbe Stunde, einmal in der Woche. Jedermann ist imstande, ein Bild zu betrachten wie das von Jesus beim reichen Fischfang und darin Jesus zu erkennen

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als den überragenden Herrn seiner eigenen alltäglichen Dinge. Jedermann ist imstande, ein Wort Christi anzuschauen wie das Wort zu Petrus: „Fahr hinaus auf den See!“, dieses Wort von Jesus selbst an sich gerichtet zu wissen, um dann, aus Bequemlichkeit und Eigennutz herausgerissen, zu einem kleinen Unternehmen angeregt zu werden, sei es nur zu einem fälligen Brief oder einem fälligen Besuch oder zu einer fälligen Arbeit, zu einem fälligen Entschluss. Jedermann ist imstande, das von Jesus so oft gebrauchte „Fürchte dich nicht“ in seinem Geiste zu bedenken, seiner Vertrauenslosigkeit und Zaghaftigkeit entgegenzusetzen, um dann wieder mutig und treu zu sein. Jedermann ist imstande, ein Bild des Kreuzweges auf sich wirken zu lassen und dann zu fragen, was Jesus mir in meiner Situation, jetzt, damit mitteilen will. Jedermann ist imstande, sich innerlich zu öffnen und sich zu versenken, zu schweigen und zu hören. So sagt ein geistiger Schriftsteller: Das Gebet des

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Christen beginnt nicht mit dem Reden, sondern mit dem Hören. Beten kann einer in dem Maß, in dem er fähig ist, ein Wort zu hören, zu bewahren, in sich zu bewegen, sich in ihm aufzuhalten wie in einer Wohnung. Gewiss eine tiefe Art zu beten und damit sicherer zu Gott und zum Mitmenschen zu finden. Wohl der kürzeste Weg. Ob er uns immer gelingt? Es ist ein wunderbarer Weg der Reinigung, eine Kraftquelle, die unabhängig von äußeren Umständen Hilfe und Stütze für unsere Lebensaufgaben bietet. Gepflegte Meditation ist ein Energieprozess, bei dem Licht entsteht. Das Licht ermöglicht Erkenntnis, seine Ausstrahlung schafft Atmosphäre – Man wird schneller ein Mensch und unser Leben wird reich, durch das größere innere Wissen und die umfassende Übereinstimmung mit Gott. Es wird gesicherter und geborgener. Doch nur die Übung macht den Meister.

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Das Geheimnis der Meditation: Unser Leben wird angef端llt mit Christus.

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Gebet 5 Das immerwährende Gebet Wann ist die Zeit des Betens? Jörg Zink schreibt: „Der König lebt im Februar anders als im Juni. Er lebt morgens um 4 Uhr anders als nachmittags um fünf oder abends um zehn. Das bedeutet etwas auch für Geist und Seele. Morgen- und Abendstunden sind – geistig gesehen – keineswegs gleichwertig, wie es nicht gleichgültig ist, ob jemand ausgeschlafen oder abgehetzt zu den Menschen kommt.“ Es ist wichtig, dass, wer beten lernen will, bei sich selbst die Bedingungen entdeckt, unter denen Leib und Geist dies am willigsten tun. Sie sind nicht bei allen Menschen dieselben. Es hat sich im Lauf der christlichen Tradition eingebürgert, den Tag vom Morgen, Mittag und vom Abend zu gliedern. Die großen Lehrer des geistlichen Lebens weisen mit Nachdruck auf die erste Morgenstunde hin und sagen:

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„Nimm den Anfang des Tages wahr, er ist die Stelle, an der du die Ewigkeit berührst. Es wäre uns in vielen Nöten und Krankheiten des Leibes und der Seele geholfen, wenn es uns gelänge, die erste Morgenfrühe von Eile, Lärm und Ärger freizuhalten. Der Lauf des Tages wird uns heute im Allgemeinen aufgezwungen, aber der Anfang sollte uns gehören." Man spürt es an jedem Tag, wenn der Morgen gelungen ist. Selbst wenn der Morgen der Seele erst dann beginnt, wenn man das Haus verlässt, ob zum Dienst oder zum Einkauf. Ja, es ist überhaupt ein guter Dienst, den man sich selbst leistet: jedesmal, wenn ich das Haus verlasse, ist ein Gebet fällig. Und jedesmal bevor ich eine Wohnung betrete, ist ein kleines Gebet fällig. Das Gloria der Messe wäre ein wunderbares Morgengebet. Darin ist auch das ausgesprochen, was wir für gewöhnlich die „Gute Meinung“ nennen. Allerdings haben wir manchmal fälschlich geglaubt, erst diese gute Meinung, das Erheben

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des Tages zu Gott, mache aus unserer Arbeit und dem übrigen Tagewerk etwas, was mit Gott zu tun hat. Dürfte man so denken, so wären die Konsequenzen ungeheuerlich: Die Wirklichkeit von sich aus wäre Gott fremd, wenn nicht gar feindlich, Gottbegegnung wäre nur im Gebet, und in der Welt nur, soweit die Ausstrahlung des Gebetes darin wirksam wird. Dann gälte uneingeschränkt der Satz: Soviel beten, als irgendwie möglich – und dieser Satz wäre der einzige Maßstab der Gottesnähe eines Menschen. Es ist ein brauchbarer und schöner Gedanke: am Morgen denken wir dem Wort „Liebe“ nach, das den Willen ordnet und die Arbeit vorbereitet, am Abend erwartet uns das Wort „Friede“, das den Missmut, die Enttäuschung, die Müdigkeit und Überreiztheit und – unsere Sünde auffängt in Dank und Reue. Der mittägliche „Engel des Herrn“ bleibt immer noch das sich findende Gebet in der Mitte des Tages, das uns an die Mitte der Zeit erinnert und wieder einen frischen Anfang des Nachmittags gestattet.

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Wie viel Zeit wir für das ausdrückliche Gebet verwenden sollen? Wir sollten soviel beten, dass unser Gebet imstande ist, unser Leben und unser Tagwerk christlich zu gestalten. Es wird dem Gewissen des einzelnen überlassen bleiben, wieviel Gebet man dazu täglich braucht. Aber eine Faustregel sagt: eine Viertelstunde wird notwendig sein, um als Christ heute zu bestehen. Eine Viertelstunde, das sind weniger als 2 Prozent unserer wachen Tageszeit. Aber sie entscheiden viel, sie entscheiden über Richtung und Grund unseres Lebens. Christus betont: „Betet allezeit!“ Natürlich ist es nicht so gemeint, das man immer und überall ein Gebet auf den Lippen hat. Aber wenn das Gebet überhaupt sinnvoll werden kann, dann muss es ständiges Gebet sein. Wie soll das praktiziert werden? 1. Sicherlich kann das immerwährende Gebet durch häufige Einzelgebete erreicht werden. Wir gelangen zu einer ständigen Gebetshaltung, die eben nicht nur beten lässt, wenn wir einen Anlass

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dazu haben oder uns eine Not bedrängt. Ein kleines Gebetswort, das immer wieder während des Tages in unser Bewusstsein aufsteigt, kann das bewirken. 2. Das immerwährende Gebet kann darin bestehen, dass man sich bemüht, Christus stets vor Augen zu haben. Aber nicht wie einen, der eifersüchtig über uns wacht, sondern wie einen wirklichen Lebensfreund. Man sieht ihn immer, er ist immer da, er ist immer zur Hand. Man geht mit ihm, man entscheidet mit ihm, man denkt mit ihm. Freilich muss dann Christus bereits zum Wert des Herzens geworden sein. 3. Immerwährendes Gebet ist überall dort, wo ein Christ sich entschlossen hat die Selbstlosigkeit zu leben. Sie beinhaltet drei Weisen: Erste Weise: Die Arbeit und die Sorge füreinander. Sie steht unter dem Christuswort: „Was ihr dem geringsten meiner Brüder getan habt, das habt ihr mir getan.“

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Der Christ ist immer Christ, deshalb kann seine Liebe zu Gott in allem, was er tut, ihren Ausdruck finden. Somit kann die Arbeit des Mannes für seine Familie, die Hausarbeit der Gattin, jegliches Sorgen um oder für einen Menschen im Namen Gottes zu einem echten und dauernden Gebet werden. Jegliche Pflege eines Kranken ... Zweite Weise: Sich der Führung Gottes überlassen: Wir wissen sehr wohl, dass Gott keineswegs die Treue zu unseren Verpflichtungen mindern will. Aber bei allen Sicherungen unseres Lebens bleibt ein Unsicherheitsfaktor, der einen Christen nicht in innere Unruhe und Angst treiben soll. Auch Gott trägt seinen Anteil an unserer Zukunft und diesen Anteil dürfen wir in einem unbeirrbaren Vertrauen von Gott erwarten. Wer sich in der Vergangenheit von Gott geführt weiß, der glaubt auch an eine Zukunft, in der die Liebe Gottes tätig sein wird. 3. Weise: Mit seinem Lebenskreuz den Kreuzweg Christi gehen.

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Das Kreuz eines Berufes, den man nicht liebt, das Leiden an der Seite eines Menschen leben zu müssen, mit dem man sich nicht versteht, das Leid der Eltern, zeitlebens ein krankes Kind zu haben, das Leid einer Liebe, die keine Erfüllung finden kann. Der Christ wird immer an die Seite Christi gedrängt. Aber dann wird seine Last immer zu einem Gebet. Der Selbstlosigkeit leben: es ist oftmals ein schweres Gebet, aber es bringt Glück und Erfüllung in die Seele. Der Christ, der selbstlos ist, der betet.

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Gebet 6 Erfolg des Gebetes Unwillkürlich denken wir sofort an die Erhörung unseres Gebetes. Wir haben die sichere Zusage Christi: „Bittet und ihr werdet empfangen“. Doch viele Gebetserhörungen werden uns verborgen bleiben. Darunter leiden wir. Um weniger zu leiden, müsste man folgendes beachten: Gott erhört das Gebet. Ja, aber dann gelten für die Erhörung, für das Sichtbarund Erfahrbar-Werden die gleichen Gesetze, die für das Tun Gottes überhaupt Geltung haben. Welches ist das Gesetz? Jesus von Nazareth war die Erhörung jahrhundertelanger Gebete der Hoffnung. Aber als sie erfolgte, konnte sie nur von den Augen des Glaubens als Erhörung erfasst werden. In Jesus Christus gab sich Gott zu erkennen, sichtbar, greifbar. Die Sprache der Kirche sagt: Er offenbarte sich. Doch diese Offenbarung Gottes setzt den Glauben, das tiefere Sehen und das Durchsehen nicht außer Kraft.

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Denn indem Jesus sich als Gott enthüllte, verbarg er sich zugleich. Darum ist die Frage müßig, ob es die Zeitgenossen und Zeugen Jesu leichter hatten als wir. Sie befanden sich in der gleichen Lage: Der Christus Gottes im menschlichen Jesus war nicht unmittelbar zu erkennen. Er war nur in der Verhüllung offenbar, er musste geglaubt und im Glauben dann auch wirklich gesehen werden. Das heißt: andere konnten durchaus etwas anderes sehen und haben es auch gesehen. Dieses an der Gottesoffenbarung in Christus sichtbar werdende Gesetz bezieht sich auf das Handeln Gottes ganz allgemein: es ist nicht unmittelbar, sondern nur im Glauben zu erkennen, in verschleierter Entborgenheit. Was ist die Erhörung des Gebetes? Sie ist Gottes Tun in unserem Leben und daher nur im Verborgenen enthüllt. Um deshalb Erhörungen des Gebetes sehen zu können, bedarf es der Augen des

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Glaubens. Sie sehen die Erhörung wirklich. Wieviel die Glaubenden der Erhörung gewiss sind, empfangen sie Antwort in allem, was uns begegnet: im Verhalten der Menschen, im Anblick der Natur, im Verlauf der Geschichte. Jesus ist überall und kann überall Antwort zuteil werden lassen. Und wo die Antwort ausbleibt? Dort blicken wir auf ihn selber, so wie ihn die Heilige Schrift zeigt: Christus ist die Antwort auf alle unsere Gebete in Person. Auf alle unlösbaren und in dieser Zeit auch nicht zu lösenden Fragen erhalten wir immer nur eine Antwort: Gott hat uns seinen Sohn geschenkt. Aber für den, der betet und um geöffnete Augen bittet und sie über seinem Beten auch erhält, ist die Welt und das Leben voller Erhörungen.

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So muss man sagen als Christ: Wir haben alle so viele Gebetserhörungen, dass wir auch dann, wenn unser Gebet anscheinend nicht erhört worden ist, daran glauben müssen, dass es erhört wurde. Wir müssen dabei bleiben: jedes Gebet hat Erfolg. Wir müssen uns aber auch damit abfinden: viele Gebetserhörungen bleiben uns verborgen. Dürfen wir den Erfolg des Gebetes nur bei den Gebetserhörungen suchen? Die Kirchenväter der ersten christlichen Jahrhunderte nennen das Gebet den Atem der Seele. Atemgymnastik, Heilatmen sind uns heute geläufige Begriffe – und viele üben es. Jeder weiß um die gesundende Kraft des Sauerstoffs, um die notwendige Zufuhr für Lunge und Herz, um die belebende Wirkung im Organismus des Menschen. Durchatmen und gesund atmen in regelmäßigen Übungen. Gilt es in gleicher Weise für das Atmen der Seele?

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Wenn die Seele nicht atmet, wenn sie schwer atmet, dann ist sie von jener Krankheit befallen, die Christus nicht verträgt: von der Lauheit. „Wärest du doch kalt oder warm. Weil du aber lau bist, will ich dich ausspeien aus meinem Munde.“ Dann ist der Christ unzufrieden und seinen menschlichen Launen leichter ausgesetzt, dann wird er stärkeren Versuchungen nicht gewachsen sein. Wenn die Seele tief durchatmet in gemessenen und regelmäßigen Zeiten, dann ist sie nicht nur tragfähiger für die menschlichen Leiden, nicht nur verständiger für barmherzige Liebe, nicht nur erkennender für den Willen Gottes, nicht nur fröhlicher in geselliger Freude, – wenn der Organismus der Seele durchatmet ist vom Atem Gottes: Ist dann nicht die Einigung mit Gott vollzogen? Ist dann nicht unser Denken geordnet, unsere Sprache geformt, unsere Arbeit geweiht?

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Von daher versteht man die Geburt des harmonischen Menschen aus dem Gebet. Von daher versteht man die Notwendigkeit und den Zusammenhang zwischen Gebet und Einheit, Einigkeit sowie Zufriedenheit und Gedeihen der christlichen Familie. Von da begreift man die immer größer werdende Schuldlosigkeit des Christen vor Gott und Mitmensch. Von da begreift man das Gebet als unerlässliche Bedingung für die Erhaltung des persönlichen Glaubens. Denn zuerst tritt die Gebetskrise ein, bevor die Glaubenskrise akut wird. Von hier wird eindeutig klar, dass ein Mensch durch die Vereinigung mit Gott im Gebete auch einmal nur bei Gott ankommen kann. So schreibt ein Schriftsteller: „Wer gerettet wird, wird gerettet, weil er viel gebetet hat, wer verloren geht, geht verloren, weil er nicht genug gebetet hat.“ Gebet ist Atem der Seele.

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Gebet ist nicht nur Heilatmen, sondern Atmen im Atem Gottes. Und das ist der eigentliche Erfolg des Gebetes.

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Gebet 7 Hilfen des Gebetes Es geht um unsere Gebetspraxis. „Jesus stieg auf einen Berg. Und während er betete, veränderte sich sein Aussehen“. Viele ernste Christen haben diesen Wunsch nach dem Gebetserlebnis, wo der ganze Mensch, gleichsam entrückt im Lichte Gottes weilt. Wo er erfüllt vom Geiste Gottes, sich selbst vergessen hat. Wo er selig ist im Glücke einer anderen Welt. Solche Erlebnisse sind unvergesslich. Sie besitzen die Macht über ein ganzes folgendes Leben, selbst wenn man nur zuschauen darf. Und dennoch – es mag uns trösten – vermochte das Schauspiel der Verklärung Jesu es nicht, Petrus von seiner Verleugnung abzuhalten. Solche Erlebnisse geschehen selten in einem Menschenleben. Normalerweise überhaupt nicht. Wir sind auf sie nicht angewiesen. Und wenn jemand meint,

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sie je gehabt zu haben, so ist ihre Echtheit stark anzuzweifeln. Solche Erlebnisse brauchen wir nicht, aber wir suchen nach den nötigen Hilfen, die uns da möglichst beste Gebet gestatten. Zwei kleine Hilfen habe ich Ihnen bereits angeboten: Wir sollen gern beten. Das verdrossene und erzwungene Gebet wird kaum befriedigen. Wir sollen uns zu Beginn des Gebetes für einige Augenblicke ganz tief in die Anwesenheit Gottes hinein werfen, so dass wir uns ganz von Gott umgeben wissen. Wer sich in Gott befindet, wird leichter im Meere Gottes schwimmen. Heute biete ich ihnen noch zwei weitere Hilfen für das gute Gebet. 1. Wer richtig beten will, muss demütig sein. Nun, das Wort Demut löst bei vielen ein Unbehagen aus. Demut ist wenig geachtet, viel missverstanden und viel gemie-

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den. Doch zu Unrecht. Die Bibel gibt Aufschluss: als demütig bezeichnet sie einen von Illusionen, von Selbstüberschätzung und Empfindlichkeit freien Menschen. Sachlichkeit und Hingabefähigkeit machen die Demut aus. Demütig ist ein Mensch, der an sich nur das anerkennt, was er tatsächlich ist. Er setzt das Maß, an dem er sich misst, nicht sich selbst, sondern nimmt es an einem Größeren ab. Der Größere als der Christ ist Christus. Gehen wir nicht oft als Erfolgsmenschen an das Gebet heran? Als Chef eines Unternehmens, der sich ausschließlich mit Wirkung, Ertrag und Gewinn beschäftigt? Aber das Gebet ist kein menschliches Werk, bei dem es auf den Erfolg für uns ankommt, sondern ein Verzicht, in de wir einwilligen müssen. Welcher Verzicht? Henri Caffarel erzählt von einem Bauern in Savoyen, der in landwirtschaftlichen Organisationen führend war. Er hatte gehört, dass dieser Mann von einer außergewöhnlichen Ausstrahlung war – wie

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man es tatsächlich manchmal bei Christen findet. Im Gespräch berichtet der Bauer von seinem Geheimnis: „Als ich jung war, diente ich oft dem alten Pfarrer bei der Messe. Ein merkwürdiger Mann, rauh, schweigsam, den man liebte, oder besser, verehrte. Ganze Stunden verbrachte er betend in der Kirche. Eines Tages fragte ich ihn: Ich möchte auch beten können. Es schien mir nun, als ob der Priester sein Leben lang darum gebetet hätte, dass ihm einmal jemand diese Frage stellte. Er schien glücklich und ich glaubte, er werde jetzt lange mit mir sprechen, aber er sagte nur wenige Worte: ‚Wenn du zu Gott gehst, dann sage zu ihm: Herr, ich stelle mich dir zur Verfügung.‘ Und schon schob er mich von sich. Aber an diesem Tage habe ich beten gelernt. Seitdem sind es 40 Jahre, dass ich jeden Tag bete: ‚Herr, ich stelle mich Dir zur Verfügung.‘ “ Ein solches Wort reicht weit. Ist es nicht das Gebet der Demut? Anfangen müsste man damit, dass wir verzichten, über uns selbst zu verfügen.

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Das wollte ich damit sagen: Es gibt keinen Weg zum Gebet außer über diese Schwelle: über die Demut. 2. Eine andere Hilfe für unser Gebet ist der Friede des Gemütes. Wir verlieren diesen Frieden während eines Tages viele Male, und zwar oft aus sehr nichtigen Gründen. Man ärgert sich über ein Zuspätkommen – und schon ist der Friede dahin. In einem alten Buch las ich eine veraltete Geschichte, aber der Kern ist gut: Wenn ein gerissener Rechtsanwalt zu uns käme und versuchte, uns einige Papiere, die uns vielleicht nicht viel bedeuten, abzugewinnen, würden wir doch stutzig werden und glauben, dass sie einen Wert besitzen müssen, den wir nicht kennen. Dieser Rechtsanwalt ist der Teufel, er versucht uns, unseren Frieden zu nehmen, der für uns ein großer Schatz ist. Und er denkt, er würde die Arbeit eines Tages einbringen, wenn er ihn uns für eine Stunde des Tages nimmt. Und wie oft hat er Erfolg.

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Heute werden wir bei den Ärgerlichkeiten und Belastungen eines Tages nicht sofort an den Teufel denken. Wer möchte schon behaupten, dass hinter der heutigen Betriebsamkeit, Hektik und Präzision gleich der Teufel stecke? Aber: „Christus stieg auf einen Berg“. Das ist für uns heute ein wertvoller Satz. Auch Jesus musste aus dem Menschengetümmel heraus, um zu beten. Er musste weg von ihren Reden und weg von ihren Augen. Ist damit nicht auch etwas gesagt von der Zucht der Augen und der Zucht der Ohren? Eine Tür, die offen bleibt, ein Fenster, das offen steht, lässt Staub herein. Augen sind die Fenster, Ohren die Tür. Augen und Ohren werden heute sehr strapaziert – vom Lärm der Straße und der Maschinen, von den Bildern unserer Akten und Geschäfte bis zu den Bildern über den Satelliten. Ihre Beherrschung wird uns den größten Frieden des Gemütes bringen.

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Jesus stieg auf einen Berg – und wenn dieser Berg nur die Stufen einer Kirche am Wege ist oder nur die Schritte durch eine stillere Straße. Aber ohne die Stille, ohne die stille Viertelstunde kann man als Christ heute kaum existieren. „Während Jesus betet, veränderte sich sein Aussehen.“ Wenn man in Demut und im Frieden des Gemütes gebetet hat, ändert sich dann nicht auch unser Aussehen? Und erwarten unsere Menschen nicht dieses Aussehen? Brauchen nicht sie und wir selbst dieses Aussehen nach dem Gebet? Das Gebet verändert unser Aussehen. Demut und Friede des Gemütes – zwei echte Hilfen für unser Gebet, zwei erreichbar Hilfen für uns alle.

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Gebet 8 Hindernisse des Gebetes 1. Die Verborgenheit Gottes. Der Christ ist immer wieder versucht, sich aus dieser Welt, soweit nur möglich, zurückzuziehen und hinter die schützenden Mauern überlieferter religiöser Institutionen, in religiöse Räume zu flüchten, um so eine Geborgenheit zu finden. Aber er weiß heute klarer und eindringlicher als früher um seine Verantwortung für das Ganze der Welt, er weiß, dass er in der Nachfolge des Herrn die Welt und ihre geschichtliche Situation auf sich zu nehmen hat, in sie eingehen, sie erobern und erleiden muss, an dem Ort, an den ihn seine Berufung gestellt hat. Wenn er nach Gott ruft, dann steht ihm jener Gott vor Augen, der in der Welt abwesend anwesend ist, der als Verborgener – durch die Welt selbst, durch die Menschen – wirkt und nur so die Welt zu ihrer Vollendung bringen kann. Man sagt darum, der heutige Beter empfinde Gott als den Fernen, Unvorstellbaren. Das trifft zweifellos für alle zu, die in

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der modernen Welt in echter Weise engagiert sind. Man sagt, das sei das Charakteristikum unserer Zeit. Aber ist das tatsächlich etwas so Außergewöhnliches? Oder wird damit nur die Gebetserfahrung aller großen Beter zurückgeholt? Was uns heute im Gebet, angesichts der realen Erfahrung, die wir täglich machen, bewegt, haben schon die alttestamentlichen Beter zum Ausdruck gebracht: „Warum gibst du keine Antwort, Herr?“ [Psalm 88] „Ich rufe dich an jedem Tag, warum verbirgst du mir dein Angesicht?“ „Gott, hülle dich nicht in Schweigen!“ „O, wüsste ich ihn zu finden! Doch gehe ich gen Osten, ist er nicht da, nach Westen, so merke ich nichts von ihm.“ [Hiob] Wäre das nur eine typisch alttestamentliche Erfahrung? Aber kein anderer als Christus selbst hat die gleiche Erfahrung gemacht, als er am Kreuze fragend hinausrief: „Mein Gott, warum hast du mich verlassen?“ Und eben diese Erfahrung machen wir heute. Denn alles Ausweichen in eine fromme, vorgetäuschte Sicherheit ist

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dem, der sich den Alltag wirklich aussetzt, genommen. Wir sind heute wieder auf das Urgestein echten Betens gekommen. In der erfahrenen Gottesferne muss der Mensch seine Ohnmacht gegenüber Gott bekennen und zur Einsicht kommen, dass alles Gnade ist. Er muss aber auch bekennen, dass dieser Gott da ist – mitten in seiner Abwesenheit, und er trägt die Hoffnung in sich, dass sich Gott eines Tages kundtun wird. Das ist die Prüfung des Glaubenden. Der katholische Theologe Schillebecks schreibt in seinem Buch „Gott, die Zukunft des Menschen“: „Betend stößt der Gläubige auf eine tote Mauer, und wer anderes erfährt, man kann kaum anders sagen, als dass er nicht weiß, was Beten ist. Der Gläubige weiß Gott gegenwärtig, erfährt aber diese Gegenwart nur in der schmerzlichen Erfahrung der Abwesenheit.“ Das ist die Grundnot allen Betens. Aber wer glaubt, wird gerade ob dieser ganz

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normalen Grundnot sein Gebet niemals einstellen. 2. Zwei andere Hindernisse für unser Gebet stammen vom Menschen selbst, von uns. a. Zunächst ist es unsere Mutlosigkeit im religiösen Bereich. Sie überkommt uns, wenn wir entdecken, dass unsere christliche Perfektionierung in unserer Reichweite stünde, aber wir kapitulieren vor der täglichen Mühe, die sie kostet, und selbst wenn wir diese Mühe wirklich auf uns nehmen: wie oft glauben wir, in einem Leerlauf zu stehen. Die vielen unerledigten Vorsätze und die gleichen ständigen Verfehlungen zeigen das. Aber wären wir besser dran, wenn wir uns täuschten und unsere Mängel nicht sähen? Und übrigens: Sind wir nicht allzusehr darauf aus, unsere Sünden zu registrieren – während Gott ganz gewiss zuerst unsere guten Seiten wahrnimmt? Die Gerechtigkeit Gottes mag streng sein, aber sie hält Maß, während seine

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Barmherzigkeit immer ohne Maß ist – maßlos. Mutlosigkeit ist immer eine Lüge. Sie kann nicht wahr sein. Nur einer sollte mutlos sein, denn Entmutigung, Verzagtheit, Melancholie sind seine Kennzeichen: das ist der Teufel. Aber ein Christ hat in keiner Situation das Recht, sich der Mutlosigkeit und Traurigkeit über die eigene Not hinzugeben. b. Dann sind es die Fehler gegen die Nächstenliebe. Wirft man einen Stein in den Teich, ist der glatte Wasserspiegel zerstört, die Bäume können sich nicht mehr darin spiegeln. Ebenso kann sich Gott nicht in einer Seele spiegeln, wenn sie Wellen schlägt. Ungeduld schlägt Wellen in der eigenen Seele, Zynismus, Zorn, Ablehnung, Verweigerung, Verurteilung schlagen Wellen in der eigenen Seele. Bis sie sich beruhigt haben, kann manche Zeit vergehend und nur schwer wird man die Hände zum Gebet falten können. Man kann mit einer echten, großen Schuld vor Gott leichter

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zu diesem Gott beten, als mit dem nagenden Vorwurf einer verletzten Liebe. Deshalb legen wir allen Wert auf einen schnellen Ausgleich. Nicht an jedem Tag gelingt der Ausgleich mit dem verletzten Partner. Es wäre aber auch zu billig, sich mit einer kleinen Reue vor Gott zu rehabilitieren. Nein, die verletzte Liebe soll mit einer aktiven Liebe ausgeglichen werden, ja, sie sollte, sie könnte mit einer doppelt aktiven Liebe beantwortet werden – und jeder darf sie haben, der uns an diesem Tage in die Arme läuft. Dann bereitet es wirklich Freude, Ausschau halten zu dürfen nach einem Menschen, ja selbst nach einem Tier, dem unsere Wohltat wohl tut. Dann erst legen sich die Wellen zum glatten Spiegel Gottes, dann erst ist der harte Boden aufgegraben und gedüngt zum fruchtbaren Gebet. Dann ist die stille Freude heimgekehrt, die alles Gebet beschwingt. Die erste Frucht des Gebetes wird immer die Liebe sein. Die Menschen werden kommen und nur die eine Frucht suchen: Liebe.

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Drei Hindernisse des Gebetes: Die Verborgenheit Gottes, die Mutlosigkeit des Christen und die Lieblosigkeit des Menschen. Sie heiĂ&#x;en uns die Treue zum Gebet nicht aufzugeben.

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Gebet 9 Entscheidende Gebete Es ist uns klar: beim Gebet kommt es nicht auf die Menge der Worte und die Schönheit ihrer Zusammenstellung an. Das Entscheidende liegt in der Gesinnung, in unserer inneren Haltung. Es liegt darin, wieweit wir der Wirklichkeit des allheiligen und allgütigen und allgerechten Gottes gerecht werden. Große Beter haben oft ihre höchsten Gebetshaltungen in ganz einfachen Worten ausgesprochen. Bedienen wir uns solcher Worte, sprechen wir sie nach, machen wir sie innerlich ganz zu unseren Worten, dann wachsen wir in diese großen Haltungen des Gebetes hinein. Diese Haltungen sind bisweilen von einer Großmut, Lauterkeit und Tiefe, wie wir sie noch nicht besitzen. Wir merken aber, dass sie richtig sind. So stellen sie uns vor Entscheidungen und möchten zu Entscheidungen führen. Jedes dieser Gebete kann ein großer Schritt auf unserem Wege zu Gott sein.

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Ein grundlegendes Gebet solcher Art ist das Bekenntnis: „Gott, du bist mir mehr wert als alles auf der Welt.“ Ein sehr vernünftiges Wort. Und doch mag es manche Christen geben, die dabei stocken und sich fragen: denke ich wirklich so, trifft das bei mir zu? Aber was sagt dieses Gebet schon aus? Nur die Selbstverständlichkeit: alles Geschaffene – und das bin auch ich – verdankt Gott seine Existenz, er ist der Grund alles Guten und steht darum höher als jegliche Kreatur. Dieses Gebet stellt also den Beter vor eine Entscheidung. Er muss sich entscheiden, ob er wirklich diese Wahrheit anerkennen will. Erkennt er sie an, so wird er selber ein anderer, er bekehrt sich, er kommt in Ordnung und hat eine neue Stufe der Wahrheit erreicht. Täte er es nicht, dann würde ihm alles beten kaum etwas helfen. Solche Stufen gibt es eine ganze Menge. Manche haben wir bereits hinter uns und manche stehen uns noch bevor. Denn je tiefer wir Gottes Heiligkeit, Schönheit,

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Liebenswürdigkeit und Güte erfassen, desto mehr merken wir, wie vieles in unseren Haltungen nur halb wahr, verschwommen und unentschieden ist. Ich will Ihnen eine Reihe solcher Stufen nennen: Wie Jesus auf dem Ölberg rang, seine Natur, die sich vor den Schrecken des Todes aufbäumte, hinein zu zwingen in den Willen des Vaters und er dreimal betete: „Vater, nimm diesen Kelch des Leidens von mir, aber nicht mein, sondern Dein Wille geschehe!“, so müssen wir um diese entscheidenden Gebete ringen, damit sie uns zu eigen werden. Sie kosten uns einige Mühe. 1. Ein erstes haben wir am vergangenen Sonntag kennengelernt: „Herr, ich stelle mich Dir zur Verfügung“. Ich kann mir vorstellen, dass es Ihnen nicht leicht geworden ist, dieses Gebet vor dem Gebet zu sprechen. Wer es spricht, macht nur ernst mit der Grundwahrheit: Gott ist allweise, Gott ist klug, Gott ist gütig, Gott liebt mich mehr, als mich Menschen lieben können.

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Und doch, wie erschütternd die Forderung dieses Gebetes: Sich Gott zur Verfügung stellen. Welches Misstrauen wird da offenbar. So ruft dieses Gebet zur Entscheidung. 2. Ein zweites finden wir in der Erzählung vom verlorenen Sohn: „Ich will mich aufmachen, zu meinem Vater gehen und ihm sagen: „Ich habe gegen Gott gesündigt. Ich bin nicht würdig, dein Sohn zu heißen.“ Ich will mich aufmachen und zu meinem Vater gehen. Wie oft wird er es gesagt haben, wie viele Nächte wird ihn dieses Wort gekostet haben, bis er sich tatsächlich aufmacht und vor den Vater tritt! Dieses Gebet ist ein Gebet in der Schuld. Man muss es oft beten, bis man sich auf den Weg machen kann. Es ist ein Gebet, das zur Versöhnung ruft – mit Gott, mit einem Menschen, mit der eigenen Mutter, mit dem Bruder, mit der Schwester. Es führt zu einer Entscheidung, die man nicht bereuen wird.

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3. Alles meinem Gott zur Ehre! Wir kennen dieses Gebetswort vielleicht von Jugend auf. Aber wir sollen dafür sorgen, dass es nicht ein harmloses Gebetchen bleibt. Es soll ja, wie jedes Gebet, zu einer Lebenstat führen. Es soll die Entscheidung und Haltung daraus wachsen, die in diesem Worte steht. Gar wenn ich es nach Ignatius von Loyola formuliere: „Alles zur größeren Ehre Gottes!“ Jede Arbeit wird genauer, jeder Termin pünktlicher, jede Gastfreundschaft freundlicher, jede Bedienung herzlicher. Alles zur größeren Ehre Gottes! Wer es lernt, diese Gesinnung während des Tages festzuhalten, wem es wie ein Feuer wird, mit dem er seine Alltagsarbeit durch glüht, der ist nicht nur auf dem geraden Wege, sondern auf dem kürzesten Wege zum Herrn. 4. Und noch ein viertes, trostvolles Gebet. Es fordert nicht, es beschenkt: „Herr, Du liebst mich als den, der ich bin!“

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Ein ganz herrliches Gebet. Dass Gott mich als den liebt, der ich hätte werden können, das ist selbstverständlich. Aber dass er den vielfach Abgeirrten und Abtrünnigen, der ihm seinen Plan an so vielen Stellen oft genug absichtlich verdorben hat, der mit so vielen Verunstaltungen vor ihm steht – dass er den liebt, das ist das Göttliche an seiner Liebe. Er gibt es nicht auf mit mir. Er sagt nicht: es hat keinen Zweck mehr, es nützt ohnedies nichts – sondern, wann immer ich mich mit dem Herzen zu Ihm wende, nimmt er mich auf als den, der ich bin. Er fängt an der Stelle mit mir an, wo ich eben stehe. Und wenn ich mich noch so verlaufen und verrannt habe: er liebt mich als den, der ich bin. Er liebt mich mit meiner Eigenart. Er liebt nicht nur etwas an mir, sondern mich – mit meinem Schicksal, mit meinem Beruf, mit meinen Lebensverpflichtungen, mich, wie ich bin. Er liebt nicht alles an mir, wie auch ich nicht alles an mir liebe.

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Er liebt aber auch nicht dieses oder jenes an mir: er liebt mich. Und wenn mein Leben noch so verfahren w辰re: den Menschen, der zerrissen, zerlumpt und verwirrt vor ihm steht und zu ihm will, den nimmt er auf und liebt ihn. Sechs kleine entscheidende Gebete. Sie werden das Ihre f端r sich finden. Aber alle f端hren zu einem Gl端ck.

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Gebet 10 Gebet auf den Knien Eine der imponierendsten Persönlichkeiten aus den sogenannten Erweckungspredigern ist Werner Heukelbach, er ist 1970 gestorben. Er war oftmals über den Sender Luxemburg zu hören und war anzuhören. Diese Erweckungsprediger, meist aus dem evangelischen Glauben stammend, wenden sich an alle Christen aller Kirchen. Sie setzen sich das Ziel, die Menschen aus einem schlaffen Christentum aufzuwecken, sie durch Bekenntnis und Reue von ihrer seelischen Lebenslast zu befreien und dem Herrn zuzuführen. Man wird ihr selbstloses Vorhaben und ihren rastlosen Einsatz nur anerkennen und bewundern können. Eine Stelle aus seinem Buch “Wer betet, siegt“ hat mich bei Heukelbach beeindruckt. Er erzählt: „Um uns vom Herrn neu ausrüsten zu lassen für die Aufgaben, die vor uns standen – sie hielten viele Zeltmissionen – waren mehrere Evangelisten an einem

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ruhigen Ort zusammengekommen. Wir hatten ein starkes Sehnen: Wir wollten mehr Frucht bringen, mehr Seelen gewinnen für den Herrn Jesus. Unser Leben sollte restloser dem Herrn geweiht sein. Wir lasen morgens einen Abschnitt aus der Apostelgeschichte und ließen ihn auf uns wirken. Nach etwa einer halben Stunde beugten wir unsere Knie und jeder schüttete sein Herz vor dem Herrn Jesus aus. Angeregt durch das Gebet des einen Bruders wurden die andern ermuntert, auch das ihre dem Herrn zu sagen. Wir blieben etwa eine Stunde im knieenden Gebet und jeder betete sechs-, siebenmal und mehr. Wie standen wieder auf, unterhielten uns über wichtige Fragen unseres Predigerdienstes und knieten nach einer halben Stunde wieder nieder und verharrten wie auch das erste Mal in derselben Weise lange im Gebet. Dies wiederholte sich öfters im Tage. Manches sahen wir im eigenen Leben und auch in unseren Diensten der Vergangenheit ganz anders als in den Tagen der Evangelisation an den einzelnen

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Orten. So wurden es Stunden, wie wir sie kaum jemals erlebt haben. Nach diesen Tagen kamen wir uns vor, als ob wir einzeln durch ein starkes Reinigungsbad für unseren inneren Menschen gegangen wären.“ Und immer wieder berichtet Heukelbach von seinem Gebet auf den Knien, wo immer er war, ob er nun in seinem Bett kniete, oder in einer Scheune. Es war ihm das geliebte Gebet, vor allem vor und während seiner Missionen. Und er hatte einen überaus großen Erfolg. Diese Menschen beschämen uns, weil sie sich so stark in ihr Christensein und ihre Berufung hineinknieten, weil sie die Menschen, die sie gewinnen wollten, sehr ernst nahmen, weil ihnen ihr Heil so stark zu Herzen ging, weil sie wussten: was sie mit Worten verkünden, das kann nur die Gnade Gottes wirklich machen. Ich weiß nicht, wo Christus mehr gelitten hat, ob am Kreuze, wo seine Füße festgenagelt waren, oder am Ölberg, als er auf seine Knie fiel, und der Blutschweiß

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ihm von der Stirne rann. Als er die ganze menschliche Todesnot im Voraus litt, als die Sünde der ganzen Menschheit vor seinem Auge stand, da betete er auf den Knien. Als die Ehebrecherin, bloßgestellt vor der ganzen Gemeinde, bestimmt zum Tode der Steinigung vor ihm stand, da stand auch die Sünde vor ihm. Aber vor dieser Sünde stand er. Ob jedoch die Ehebrecherin vor ihm stand? Was in ihr, in ihrer Todesnot vorging, ausgeliefert dem Gesetze ihres Volkes, von allen verurteilt, das allerletzte Urteil befürchtend: stand sie nicht kniend vor Jesus? Und ob nicht vor Jesus und vor der Ehebrecherin der Psalm des jüdischen Volkes stand: „Aus der Tiefe rufe ich zu Dir, o Herr, Herr, erhöre mein Flehen!“ Jetzt verstehen Sie mich. Ich bin für das Gebet auf den Knien, das man auch stehend und liegend sprechen kann. Ich bin für das Gebet auf den Knien, bei dem man sich hineinkniet in sein Gebet

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und das aus der vollen Tiefe unserer Seele kommt und zu Gott schreit. Ich bin für das Gebet auf den Knien, bei dem der innere Mensch aufgewühlt wird – nicht nur von seinen persönlichen Anliegen, sondern von der Sünde und von allem Elend in der Welt. Aufgewühlt von aller Gottesflucht und aller Gottesferne. Ich bin tatsächlich für das Gebet auf den Knien und nicht für das Gebet, das bequem und oberflächlich, mehr oder weniger gedankenlos ist, bei dem die innerste Seele in Ruhe gelassen wird, das flüchtig und schnell getan wird. Ich bin für das Gebet auf den Knien, wo man sich wirklich auf die Knie sinken lässt, vor dem Kreuz in der Wohnung, vor dem Bett oder in der Kirche, wo auch der Körper in Form kommt und der ganze Körper zum Gebet wird. Ob nicht manches unbefriedigte Gebet daher kommt, weil wir zuwenig auf den Knien beten? Heukelbach auf den Knien, Jesus auf den Knien:

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Es gibt so viele Situationen und Stunden, wo nur das Gebet auf den Knien zu einem erlösenden Gebet wird. Und das Gebet auf den Knien in der Kirche, in unserer katholischen Kirche? Vor dem Tabernakel? Für manche Christen ist der Tabernakel heute eine Verlegenheit. Glauben sie nicht mehr an die Gegenwart Christi mit Gottheit und Menschheit? Werden sie nie in Situationen kommen, wo sie vor dem Tabernakel für ihr schwerkrankes Kind beten möchten? Keine Sorge! Die Kirche wird den Tabernakel niemals aus der Kirche verbannen, denn hier ist der Herr zugegen, hier wird Gott angebetet, hier ist er bereit, zu jedem Todgeweihten als Wegzehrung zu kommen. Ob aber nicht auch manchmal dieser Tod mit dem eucharistischen Jesus auf den Knien vor dem Tabernakel erbetet werden muss? Manchmal scheinen Christen nicht mehr zu wissen, was sie in unseren katholi-

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schen Kirchen finden kรถnnten, vielleicht nur auf den Knien: Eine echte Rettung aus mancher Alltagsnot, viel Ruhe, viel neuen Mut, und vor allem viel Liebe, das Wissen, dass sie geliebt werden, von dem, der immer bereit ist, sie aufzunehmen. Von dem, in dem sie geborgen bleiben. Von dem, der sie nie verurteilen will.

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WAS WIR VERGESSEN HABEN

Alles ist Gabe Ich freue mich immer, wenn ich in eine neue und ganz neu eingerichtete Wohnung komme, besonders wenn ich empfinde: hier ist Atmosphäre, Geschmack, Originalität, Freundlichkeit, Gemütlichkeit. Hier kann man sich zu Hause fühlen, hier tritt man immer gern ein und man freut sich auf seine Wohnung. Ich freue mich umso mehr, wenn ich auch die alte Wohnung gekannt habe, in der vieles umständlich und unpraktisch war, mit alten, nichtssagenden, stillosen Möbeln, sicher auch sauber, auch gemütlich, aber nicht so hell, nicht sonnig, eben anders. Ich freue mich mit diesen Menschen, denen die Wohnung gehört, die mit Recht und mit Stolz sagen und hinzeigen können: „Alles, was Sie da sehen – der Parkettboden, die Beleuchtungskörper, die Tapeten, der Elektroherd, die Waschmaschine, das Bad, der Farbfernseher, die Bilder ..., alles habe ich mir selber er-

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worben, alles durch Jahre und Jahrzehnte erspart und erarbeitet. Es steckt eine Lebensarbeit darin, viel Entbehrung, viel Mühe, auch viel Gesundheit und Zeit, viel Anstrengung und auch Ärger. Aber nun ist mir ein neues Lebensgefühl geschenkt worden, eine neue Lebensfreude, die mir viel Auftrieb gibt. Ich bin sogar irgendwie ein anderer Mensch geworden. Ich lebe auf, ich atme anders, ich freu mich einfach, ich bin glücklicher.“ Gott sei Dank, dass wir in einer Zeit leben können, in der man gut verdienen kann, in der es Arbeit gibt, in der so vieles Neue und Neueste auf den Markt kommt, jede Woche, soviel Auswahl mit soviel bequemeren Möglichkeiten. Gott sei Dank, sage ich und damit sage ich Ihnen eine alte Weisheit, die vielen Christen von heute durchaus nicht mehr geläufig ist. Man beruft sich auf sich, auf seine Leistung, seine Arbeit, seine Intelligenz, seine Geldgebarung, seine Diplomatie, seine Spannkraft, seine Ausdauer, seine Geschicklichkeit, seinen Geschmack, seine Bildung, seine Tüchtigkeit.

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Aber da frage ich: Was ist selbstverständlich? Gibt es in dieser Beziehung Selbstverständlichkeiten? Sogar selbstverständliche Höflichkeitsformen sind eben nicht selbstverständlich. Dienst, Energie, Klugheit, Freundschaft, Treue, Erfolg: nichts davon ist selbstverständlich. Arbeit, Atmosphäre, Schönheit, Gestalt, Verstehen, Frohsinn, Ausgewogenheit: nichts davon ist selbstverständlich. Sicherheit, Existenz, Leben, Gesundheit, Geschäft, Gefahrlosigkeit, Urlaube, Wanderung, Vergnügen, Erlebnis: ja, was ist selbstverständlich? Was ist am Menschen, am Leben, an der Zukunft selbstverständlich? Wenn aber rein nichts selbstverständlich ist, dann müsste doch alles und jedes als Gabe gewertet werden. Dann bin ich Gabe, dann ist die Natur Gabe, dann sind Kinder Gabe, dann ist Besitz Gabe, dann ist Beruf Gabe. Gewiss ist das auch für Sie nicht Neues, aber es ist uns meistens nicht bewusst. Es ist uns nicht bewusst, dass wir in ei-

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ner Welt von Gaben sitzen und uns selbst darin als Gabe bewegen. Wobei ich mich keineswegs dahin versteige, unbedingt auch den Krebs als eine Gabe zu erklären, wiewohl ... Alles in allem befinden wir uns in einer Welt voller Gaben, und zwar voller Gaben Gottes! Könnte diese Tatsache nicht, müsste sie nicht unseren gesamten Lebensblick ändern? Würde die Welt nicht um vieles heller, weil ich in ihr nur Gaben Gottes erblicken kann? Und wenn Gaben Gottes, müsste ich sie dann nicht auch als Gabe Gottes behandeln? Meine Frau, mein Mann, mein Kind, mein Kollege – Gabe Gottes. Ich selbst – Gabe Gottes, - dann bin ich also ein Geschenk für die anderen Menschen. Ich bin ein Geschenk – da tut sich doch etwas! Um noch einmal zur neu eingerichteten Wohnung zu kommen: wenn alles und jedes darin Gabe Gottes ist, dann erin-

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nert mich jeder Gegenstand an die Gegenwart Gottes. Dann bin ich voll Dank f체r die Gaben Gottes, dann ist der Lobpreis Gottes in meinem Munde, wenn ich durch meine Wohnung gehe, dann ist das Gebet in meiner Wohnung, dann m체sste der erste Gast der Hausherr in meiner Wohnung sein, dann w채re jede Wohnung eine Wohnung Gottes, dann w채re jedes Haus Haus Gottes. Phantastisch? Ja, phantastisch! Wenn Sie heute in Ihre Wohnung kommen, finden Sie lauter Gaben Gottes vor.

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Was wir vergessen haben Gegen den Strom Da schreibt eine Dame: „Ich versuche christlich zu leben und zu handeln. Das ist nicht leicht, weil die Einflüsse so stark sind. Vor einiger Zeit verkauften mein Mann und ich den Fernseher. Das hat bei unseren Nachbarn ein Kopfschütteln ausgelöst. Wir schwimmen sozusagen gegen den Strom. Aber ich bin glücklich darüber, denn ich habe dadurch Ruhe und Zeit zum Nachdenken gewonnen.“ Wer zum Wesentlichen gelangen will, der muss auf manches verzichten können. Gegen den Strom. Robert, 20 Jahre: „In meinem Leben wollte ich oftmals mit dem Schädel durch die Wand. Dann kam ein seelisches Tief. Ich fühlte mich immer mehr ausgestoßen. Eines Tages begann ich wieder zu beten und zu bitten, dass mir ein wenig Freude geschenkt werde und dass diese endlose Not ein Ende nehme. Seither bete ich wieder. Durch das Gebet fand ich mein seelisches Gleichgewicht. Im Stress der Großstadt brauche ich das

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Gebet, um nicht wieder hineinzuschlittern in das große Karussell.“ Gegen den Strom. Eine 22-Jährige: „In der heutigen Welt kommt man sich als Glaubender, als Kirchgeher manchmal wie auf einer Insel vor, ganz allein. In meiner religiösen Gemeinschaft erlebe ich immer wieder, dass auch andere junge Menschen zu glauben versuchen. Aber ich erkenne immer deutlicher, dass es ein Geschenk Gottes ist, wenn man eine solche Gemeinschaft erleben kann. Jede echte Gemeinschaft ist ein Geschenk Gottes, ob es nun die Familie ist oder ein Kreis junger Menschen, die miteinander Gott suchen. Wir fühlen uns zur Gemeinschaft verbunden, weil wir um ein gemeinsames Ziel kämpfen. Dieses Ziel ist nicht irgendeines, sondern Gott!“ Gegen den Strom. Eine jüngere Frau: „Mein Mann und ich haben ein verlassenes Kind angenommen. Wir wollen dem Kind ein Heim bieten. Wir nehmen es jetzt immer am Samstag und Sonntag zu uns. Das ist

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mit Opfern verbunden, aber es hat uns im Innern schon viel Seelenfrieden gebracht.“ Gegen den Strom. Eine andere Frau: „Wir haben von Gott eine neue Aufgabe bekommen: seit drei Wochen haben wir ein Baby in Pflege. Es ist jetzt vier Wochen alt. Wenn wir das Baby nicht zu uns genommen hätten, hätten die allzu junge Mutter – 16 ½ Jahre – ihr Kind für immer weggeben müssen. Ihre Familie ist zerrüttet, in der Schule Schwierigkeiten, auch in ihrem Innern. Deswegen hätte sie das Baby zur Adoption hergeben müssen. Da haben wir die Chance genützt, etwas Gutes zu tun. Das Wort Jesu ist wahr: ‚Meine Bürde ist leicht und mein Joch sanft.‘ Wir haben auch die Bereitschaft, alles anzunehmen, auch wenn es schwer wird. Im Augenblick dürfen wir nur danken.“ Gegen den Strom. Eine 14-jährige: „Unsere materialistische Zeit sagt uns jungen Leuten: ‚Kaufe und genieße, dann bist du glücklich!‘. Aber unsere Zeit ist dadurch nicht glücklich

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geworden. Christus sagt den Menschen: ‚Gib, was du hast, dann bist du glücklich!‘ Deshalb hab ich mich mit meinen drei Freundinnen entschlossen, alten, kranken Menschen Freude zu bereiten, im Sonntagsdienst im Altersheim. Dort sind zu wenig Schwestern. Es macht uns Spaß, den alten Leuten das Essen zu bringen, ihnen das Zimmer zu ordnen und ihnen ein freundliches Gesicht zu zeigen. Der Dienst ist anstrengend. Wir sind 6 Stunden lang dort, die Füße tun uns dann immer weh. Ich wollte schon einmal aufhören, weil ich einfach zu faul war. Denn am Sonntag müssen wir schon um 6 Uhr früh aufstehen und mit dem Rad drei Kilometer fahren. Aber ich bin froh, dass ich mich wieder aufgerafft habe.“ Gegen den Strom. Claudia: „Ich war typischer Taufscheinchrist. Einen neuen Anfang macht ich mit dem, was mir das Unwahrscheinlichste war: ich begann mit der Stunde der Stille. Schon bald nahm diese Stunde der Stille einen fixen Platz in meinem Tagesrhythmus ein. Ganz plötzlich wurde mir klar, dass meinen Platz als Erzieherin

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sehr viele Leute ausfüllen können, dass jedoch Erzieher bei geistig behinderten Kindern fehlen. Aber auch diese armen Menschen sind ‚der Nächste‘. Ich erklärte mich nun bereit, bei geistig schwerst Behinderten zu arbeiten.“ Gegen den Strom. Was tun diese jungen Menschen, diese jungen Katholiken? Sie schwimmen gegen den Strom und finden dabei manches Glück. Johannes der Täufer war ein Nonkonformist. Er predigte in nicht feiner Kleidung und ausgehungert am Jordan und stellte sich hart und stark gegen den Strom. Christus nennt ihn den größten unter allen Menschen. Der Strom – das ist heute: Modedenken, Konsum, Genüsse, Bequemlichkeit, Materialismus, mit der Masse laufen, sich über das Christliche hinwegsetzen, keine Moral anerkennen, Geld hamstern, nicht mehr tun, als man muss, sich selbst leben, sich freihalten von neuen Verpflichtungen, nur keine Opfer auf sich nehmen, sich mit allem anderen zu befas-

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sen, nur nicht mit Gott. Sich nichts aus einer Sünde machen, nicht über Gott nachdenken. Das Christliche geht gegen den Strom. Deshalb mag man es schwer haben, aber stellte sich nichts gegen den Strom, dann gingen viele andere im Strom unter. Sie würden mit den Wellen mitgerissen, ohne einer Gegenströmung zu begegnen. Deshalb messen wir unser Christsein auch daran, wie weit wir mit bei der Gegenströmung sind, Einzelgänger zu sein, nicht immer auf unsere Rechnung zu kommen, ein Kopfschütteln, der andern auf uns zu nehmen, verzichten und Maß halten zu können, in Notlagen einzuspringen, nicht gedankenlos dahinzuleben, ein Nein zu sagen zu schmutzigem Gelächter, die Stille Gottes zu suchen und Jesus Christus als die Mitte, das Leben und das Ende der Welt anzuerkennen. Gegen den Strom – das kostet viel mehr Anstrengung, und vielleicht auch Spott und Nachteil, aber es bringt manches

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Gl端ck, das man sonst vergebens sucht, das man aber braucht.

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Was wir vergessen haben Religiöse Lektüre Wenn ich Priester bin und höre den Ruf des Apostels Paulus: „Verkünde das Wort, tritt dafür ein, zu gelegener und ungelegener Zeit!“, dann mache ich mir darüber Gedanken, welche Gebiete des Glaubens, welche notwendigen Themen ich übersehen, übergangen, vergessen habe in der Verkündigung, welche Themen zu behandeln ich zu feig war, an denen ich mich vorbeigedrückt habe. Und höre ich: Jedes Buch der Heiligen Schrift ist von Gottes Geist erfüllt und daher nützlich zur Belehrung, zur Widerlegung, zur Zurechtweisung und zur Erziehung – dann frage ich, wann ich das letzte Mal über die Heilige Schrift gesprochen habe. Die Sache wird noch dringlicher, wenn ich den bemerkenswerten Zusatz des Apostels Paulus höre: „So wird der Mensch Gottes zu jedem guten Werk bereit und gerüstet sein.“ Und dann frage ich mich: Selbst wenn ich im Brevier jeden Tag in der Heiligen Schrift lese, wann habe ich aus eigenem,

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zu meiner persönlichen Bereicherung und aus echtem Interesse und mit Lust, mit Begierde die Heiligen Schrift aufgeschlagen? Das letzte Mal? So geht es mir. Und dabei möchte ich nie ohne Heilige Schrift sein, ich habe sie gern. Und dann lese ich die Nachricht, dass in Russland die Menschen hungern nach einem Fetzen der Heiligen Schrift, dass sie sie abschreiben, und von Hand zu Hand zum Abschreiben weitergeben, gerade auch unter den jungen Leuten. Dann mache ich einen Besuch im Krankenhaus und finde den Kranken, der um seinen ersten Zustand wusste, beim Lesen in seiner großen Bibel, und muss den Eindruck haben, dass er sich so seinen Trost, seine Kraft und seine Bereitschaft für die letzte Reise verschaffen will. Da bin ich Christ, überzeugter Christ, tiefgläubiger Christ, da sage ich Christus, da sage ich Gott mit dem Psalmwort „Du

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allein bist das Glück meines Lebens“ meine Liebe, aufrichtig. Da reden wir vom Buch der Bücher, vom weit verbreitetsten Buch der Welt, vom Buche, das Gott geschrieben hat, von der großen Botschaft Gottes an die gesamte Menschheit aller Zeiten, in dem alle Wahrheit enthalten und zu finden ist, alle Wegweisung, alle Menschenhilfe ... ja, es könnte einem bange werden! Ein Freund hat mir sein neuestes Buch zugeschickt. Kann ich es wagen, es nicht zu lesen? Wird er mich nicht im nächsten Brief fragen: Hast Du mein Buch gelesen, was sagst Du dazu? Gott, der große Freund meines Lebens, hat mir sein Buch zugeschickt. Ist es nicht die selbstverständliche Frage Gottes: Hast du mein Buch gelesen? Nicht nur darin geblättert, nicht nur ein paar Kapitel angeschaut? – Und dabei hat es doch in jeder Hand und Rocktasche Platz. Da ist nichts so gefährdet – und, bitte, als natürlichster Baustein, als gesunde

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Grundlage einer gesunden Gesellschaft – als die Familie. Wir nennen sie Hauskirche. In der Kirche werden die Heiligen Schriften gelesen. Da ist nichts so schwierig für Eltern, als heute ein Kind zu erziehen, als einen jungen, heranwachsenden Menschen geradlinig zu führen und ihm den richtigen Start ins Leben anzubieten: Nur mit dem, was heute gängige Meinung ist, nur mit dem, was man für richtig hält – ohne die Wahrheit und Weisung Gottes selbst? Da gehen religiöse Meinungen um, kunterbunt, entgegengesetzt, frömmlerisch, stur, verrückt, ausgefallen, entartet, neben klar, vernünftig, menschlich, freimachend, natürlich – Christus war doch nicht unnatürlich .... Und Gott fragt: „Hast du denn mein Buch nicht gelesen?“ Man sagt, dass ungefähr die Hälfte aller österreichischen Bürger nie ein Buch zur Hand nehmen. Zeitung ja, Illustrierte ja, aber Buch nicht. Ich habe schon sehr viele Christen innerhalb ihres sakramentalen Bekennt-

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nisses gefragt: „Wie steht es mit der religiösen Lektüre?“ Viele sagen Ja – wenigstens die Kirchenzeitung –, die meisten sagen Nein. Und was für eine Kirche können wir mit religiöser Unwissenheit aufbauen, mit Desinteresse? Mit angeblichem Zeitmangel? Welche Zufriedenheit des einzelnen Christen mit seinem Glauben kann dann erwartet werden? Ich fürchte: das war jetzt stark. Aber Sie werden mir recht geben. Wir brauchen einfach den neuen Anstoß. Der religiöse Büchermarkt ist unübersehbar groß – und für jeden Geschmack vorhanden. Mit Menschenweisheit kommen wir Christen doch nicht durch. Und das Wenige, das wir im Gottesdienst zu hören bekommen, ist eben normalerweise zu wenig. Das meiste überhört man. Ich wiederhole: Jedes Buch der Heiligen Schrift ist von Gottes Geist erfüllt – und daher nützlich zu Belehrung, zur Wider-

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legung, zur Zurechtweisung und zur Erziehung. So wird der Mensch Gottes „zu jedem guten Werk bereit und gerĂźstet sein“. Ohne Bibel kein Christentum, keine Predigt, keine Glaubensbildung, kein geistliches Leben! (Caretto)

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Was wir vergessen haben Wir bleiben lebendig Man greift sich manchmal an den Kopf. Ich verstehe zwar, dass bei einer Meinungsumfrage mit dem Thema „Glauben Sie an ein Weiterleben nach dem Tode?“ an die 22 % der befragten Katholiken mit Nein antworten, denn wahrscheinlich waren das keine praktizierenden Christen; aber ich verstehe nicht, wie ein Katholik, der betet, der treu zur Eucharistiefeier am Sonntag steht und während der Woche sogar einige Male kommuniziert, wie er sagen kann: ‚Ich kann nicht an eine Auferstehung der Toten glauben.‘ Bei einem religiösen Wochenendseminar traf ich auf eine so denkende jüngere Dame, Frau und Mutter, im Lehrberuf stehend. Sie war eigentlich dann meine Sorge unter den 25 Teilnehmern. Hätte ihr nicht sagen müssen: „Widerspricht nicht Ihre Praxis ganz und gar Ihrer Meinung, Ihrem Unglauben in dieser Beziehung? Wozu gehen Sie überhaupt in die Kirche, wozu empfangen Sie das Sakrament?“

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Sie hat trotz persönlicher Schwierigkeiten diese drei Tage durchgehalten und ich fand sie nach dem Abendgottesdienst des zweiten Tages in Tränen aufgelöst. Ein Wort aus dem betreffenden Messtext hatte es ihr angetan: „Wer keine Hoffnung hat, der ist Christus noch nicht begegnet!“ Ich habe dieses Wort im Laufe der Messe ein paar Mal wiederholt, so, dass es auffallen musste, und eindringen. Schließlich hat sich das Problem doch einigermaßen gegeben und sie ist recht dankbar heimgefahren. Es ist viel an diesem Worte: Wer keine Hoffnung hat, der ist Christus noch nicht begegnet. Der hat sich also mit Christus noch gar nicht befasst, für den ist er nicht der heute lebende Christus, nicht der selber von den Toten Auferstandene, nicht der Gott, der Mensch geworden ist, nicht der, dessen Lebenszweck allein der war, die Menschen in die lebensvolle Ewigkeit heimzubringen. Man hätte ja Christus in seinem Gottesanspruch noch gar nicht erst genommen,

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und nicht erst genommen in seinen klaren und göttlichen Aussprüchen. Nehmen wir nur das Zeugnis des heutigen Evangeliums: „Die aber gewürdigt worden sind, an jener Welt und an der Auferstehung der Toten teilzuhaben, heiraten nicht. Sie können auch nicht mehr sterben.“ Und: „Gott ist kein Gott der Toten, sondern der Lebenden.“ Für ihn sind alle lebend. Und anderswo: „Ich bin die Auferstehung und das Leben. Wer an mich glaubt, wird nie mehr sterben.“ Kommen wir da nicht auf einen menschlichen Grundbegriff, der heute einerseits total vergessen wird? Wir reden viel von seelischen Erkrankungen, sagen aber lieber dafür psychische Störungen, und haben eine Menge von Psychotherapeuten und Psychiater, die sich um Depressionen, Geistesgestörtheit, etc mühen. Man hat eine Psyche, aber wer hat noch eine Seele? Wer berücksichtigt noch seine Seele? Dabei halten wir immer noch am Begriff der Schöpfung durch Gott fest: „Der

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Mensch besteht aus Leib und Seele.“ Ob dann Seele nur das ist, was man heute vielfach unter nur Psyche verstehen will, oder ob Verstand, Vernunft, Geist, Gemüt und Gewissen, Wille im Gesamt Seele sind, das heißt geistige Substanz, die nicht geteilt und nicht gestört werden kann, Substanz, genauso wie der Leib Substanz ist? Gott ist Geist und hat dem Menschen Geist gegeben, er hat ihm Seele eingehaucht, er hat ihm von seinem Geist gegeben, unsterblichen Geist! Wie viele wissen das noch? Es war sicher oftmals zu einseitig, als man immer wieder rief: Mensch, rette deine Seele! Aber richtig ist es trotzdem und bleibt richtig. Christus ging es um die Seelen – und es ist kein lustiges Wort, das er für alle Zeiten in die Welt gesprochen hat: „Was nützt es dem Menschen, wenn er die ganze Welt gewinnt, aber an seiner Seele Schaden leidet?“ Man kann es nicht anders sagen: Das Schwerwiegendste in einem Menschen-

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leben ist, seine Seele zu vergessen, so zu tun, als hätte man nur einen Leib, aber keine Seele. Aber wie viele in der großen Masse haben noch eine Seele? Sie ist und sie stammt von Gott, sie ist Gottes, sie muss sich vor Gott verantworten – und sie wird nie sterben. Für die Christen: Wer keine Hoffnung hat ist Christus noch nicht begegnet. Wir bleiben lebendig!

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Was wir vergessen haben Wir werden getäuscht Das Wort des Apostels Paulus an die Tessalonicher [2,3 a] hat es mir angetan: „Lasst euch durch niemand und auf keine Weise täuschen!“ Wenn er auch zunächst den Endtermin der Welt meint, sein Wort behält seine Gültigkeit durch das Leben des Christen hindurch. Wir werden heute durch die Reklame getäuscht. Ich möchte die Reklame auf keinen Fall verteufeln. Sie muss und darf sein, sie ist notwendig. Aber wir wissen das: es ist viel Übertreibung dabei. Allein nach den Anpreisungen der verschiedenen Zahnpasten, dürfte es kaum noch Karies geben. Aber es gibt sie. Es gibt die Reklameindustrie – und die ist nicht zu heikel. Wir werden durch Agenten getäuscht. Auch da will ich nicht verallgemeinern. Sie sind elegant, sind beredt, äußerst freundlich, überzeugend – aber wie viele sind da schon hereingefallen.

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Wir werden durch Hilfsbereitschaft getäuscht. Da staunt man nur, wie viel guter Einsatz zur Stelle ist, wo er gebraucht wird, wo man ihn anbietet. Und dann merkt man eines Tages, dass ja dahinter eine Absicht gestanden ist, eine unlautere. Wir werden durch Geld getäuscht. Die Millionengewinner sind die glücklichen Leute. Die Vermögenden sind die Beneidenswerten. Und jene, die geben, ohnedies nicht aus ihrer eigenen Tasche, sind die guten und die richtigen Leute. Hauptsache, ich habe mein Geld! Auch wenn dabei christliche und menschliche Grundbedingungen kaputt gehen und verraten werden: Hauptsache, ich habe mein Geld und bekomme immer mehr Geld! Wir werden durch Politik getäuscht. Ich finde es immer schrecklich, wenn von Politikern, auch bei offenkundigen Fehlern, die ja menschlich sind, die Fehler nicht eingestanden werden. Ein Fehler kann einfach nicht passieren. Man redet sich gewunden, aber geschickt und ab-

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lenkend heraus. Und alles ist in bester Ordnung. Wir werden durch Filme getäuscht. Wenn Filme systematisch und konsequent eingesetzt werden, um eine hochstehende, menschliche, natürliche, christliche Ethik und Moral eines Volkes zu unterminieren oder taktisch klug und verwegen das Christliche in der heutigen Gesellschaft als überholt, unmöglich und absurd darzustellen, wenn da Elemente am Werke sind, mögen es auch Künstler sein, die das Unwürdige als das Moderne propagieren, dann werden wir getäuscht. Wir werden durch das Humane getäuscht. Man kann sich sehr human geben, sehr verständnisvoll für menschliche Nöte und soziale Missstände, für persönliche Zwangssituationen für Konfliktfälle, für Arbeitslosigkeit ... Wenn das aber heißen soll, das Humane genügt, dann ist Gott dagegen. Wir werden getäuscht, wir werden mit voller Absicht getäuscht.

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Werden wir auch in der Kirche getäuscht? Auch das ist, wie es schon Paulus betont – nicht ausgeschlossen. Es hat in der Kirchengeschichte immer schon Schwärmer und falsche Propheten gegeben. Sie werden niemals aussterben. Es hat in der Kirche immer Theologen gegeben, die sich diesen Namen selber gegeben haben – und Theologen, die allein sehr von ihrer Meinung eingenommen waren und darauf hartnäckig verharrten – und jene Fanatiker, die von vornherein nicht glaubwürdig sind. Es hat in der Kirche den Irrtum gegeben, ja, auch den katastrophalen Irrtum, den man von der anderen Seite immer wieder hochspielt, um die Unmöglichkeit der Kirche zu beweisen – aber eines hat es in der Kirche nicht gegeben: dass die Kirche in ihren Weisungen, Geboten und Lehren täuschen wollte. Das hat es nie gegeben. Irren ist etwas anderes als täuschen. Die Politik kann ein ganzes Volk täuschen – und hat es getan.

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Die Kirche kann die Kirche nie täuschen. Die offizielle Kirche kann die Christenheit nie täuschen. Beachten Sie: Es gibt das allgemeine kirchliche Lehramt. Das ist die Gesamtheit der Bischöfe der ganzen Welt, des gesamten Erdkreises mit dem Papst zusammen. Hier kann es – wie in den christlichen Dogmen – nicht einmal einen Irrtum geben. In unseren christlichen Dogmen gibt es keinen Irrtum. Deshalb gibt es eben auch die tatsächliche, wirkliche, leibhaftige Gegenwart Christi im Brote, im Sakrament, in der Eucharistiefeier. Paulus: „Ihr Christen in der Kirche! Lasst euch durch niemand und auf keine Weise täuschen!“ Wir werden getäuscht. Das darf man nicht vergessen. Man will mit Absicht täuschen. Das muss man als Christ wissen. Die Kirche, die offizielle, kann, außer in feierlichen Glaubensentscheidungen sich irren, täuschen kann die Kirche nie, weil

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sie unter der F체hrung des Heiligen Geistes steht. Christus selbst kann weder t채uschen, noch irren.

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Was wir vergessen haben Wo sind die Neun? – Gott die Ehre geben Nichts ist selbstverständlich. Jede Arbeit, die wir fertiggestellt haben, jede Autofahrt, die uns glücklich ans Ziel brachte, jedes Essen, das uns geschmeckt hat, jedes Gesuch, das bewilligt worden ist, jede Untersuchung, die keine Krankheit aufgezeigt hat, jede Operation, die ohne Komplikation verlaufen ist, jede Bergwanderung, jede Skifahrt, die uns reine Erholung brachte, jede Auskunft, die uns gerne gegeben wurde, jeder Kauf, bei dem wir freundlich bedient wurden, und günstig kaufen konnten, nichts ist selbstverständlich. Was geschieht aber wirklich? Man hat wunderbar geschlafen, man stellt den Wagen nach längerer Fahrt in die Garage,

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man verlässt das Gebäude, in dem man seine Tagesarbeit geleistet hat, man verlässt das Krankenhaus nach Wochen intensiver Behandlung, man fühlt sich gesund und wundert sich, dass es einem so gut geht, man hat Erfolg gehabt bei einer Verhandlung, man ist mit einem gesunden Kind beschenkt worden, man hat den Partner seines Lebens gefunden, man hat eine unerwartete Freude erfahren, man hat einen beglückenden, dankbaren Brief erhalten, man ist eine große Sorge losgeworden, man hat eine ehrende Einladung bekommen, Und was geschieht wirklich? Man hat sich bei einem Priester endlich einmal aussprechen können, man ist bei einer gefürchteten Beichte überaus verstehend behandelt worden, man ist eben von einer heiligen Messe gekommen,

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man hat Exerzitien gemacht uns sein neues Lebensprogramm zusammengestellt, man hat entdeckt, wie arm eigentlich Menschen sind, die zwar fröhlich dahinleben, aber ohne jeden Glauben sind, man hat entdeckt, wie sich die Treue zur Heiligen Kommunion im Aufbau und Wandel seines Charakters gelohnt hat, man hat entdeckt, dass man von Menschen und von Gott geliebt wird, man war überrascht, wie tapfer man einen sehr harten Schicksalsschlag ertragen konnte, man hat gefunden, dass man nie ohne Hoffnung ist ... Und was geschieht, was geschieht wirklich? Jesus fragt: „Sind nicht alle Zehn rein geworden, wo sind denn die Neu? Ist keiner umgekehrt, um Gott die Ehre zu geben?“ Das ist also sicher eine Gottesfrage: Wo sind denn die Neun? Und zwar ist es eine Gottesfrage, die uns alle trifft. Die Neun, eben noch waren sie die Ausge-

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stoßenen aus ihrer Familie und der Gesellschaft, sind begreiflicherweise sofort nach Hause gelaufen, zu ihrer Familie, zu ihren Kindern. Die Neun waren nur gedankenlos. Einer von Zehn hat einen Gedanken, nur einer. Aber die Gottesfrage steht: „Ist denn keiner gekommen, um Gott die Ehre zu geben?“ Gott erwartet, dass man ihm die Ehre gibt. Ja, man ist eben gedankenlos, das Gute nimmt man gedankenlos an – und geht seiner Wege. Dass Gott mit im Spiele ist, daran denkt man nicht, das vergisst man. Man empfängt – und dann geht man seiner Wege. Das Problem ist, dass Gott mit im Spiele ist. Wenn ich diesen Gedanken wieder aufwecken könnte: man würde sich Gottes viel mehr freuen können, man würde mehr Freude an Gott haben. Aber dann hätte man auch mehr Vertrauen zu Gott – und ich könnte mir vorstellen, dass es eine Labsal für den ganzen Menschen wäre, eine Zeitlang in der Dankbarkeit zu leben. In der Dankbarkeit – mittendrin!

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Danken ist das hรถhere Gebet! Im Dank ist die Bitte enthalten. Gib Gott die Ehre!

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Was wir vergessen haben Kämpfe den guten Kampf des Glaubens Die Kämpfe in im Irak und in Nordirland sind neuralgische Punkte in unserem religiösem Empfinden. Es ist darum kein günstiges Licht, in das der Kern der apostolischen Mahnung aus dem 1. Timotheus-Brief getaucht wird: „Kämpfe den guten Kampf des Glaubens.“ Es gibt noch andere, treffendere Gründe, weshalb uns diese Wortkombination „Glaube“ und „Kampf“ nicht recht zueinander zu passen scheinen. Redet man nicht heute mehr denn je davon, dass der Glaube eine Lebenshilfe, nicht eine Lebenslast sein soll? Wie kann er aber das sein, wenn um ihn gekämpft werden muss? Und schließlich ist der Glaube doch zuerst eine Gabe, mitbestimmt durch Milieu und Erfahrung, in die man hinein gestellt worden ist. So mutet ein Kampf um diesen Glauben von vornherein an wie ein Kampf mit

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ungleichen Waffen. Die Aufforderung, den guten Kampf des Glaubens zu kämpfen, wirkt offensichtlich nicht sonderlich einladend. Man kann sich allerdings seine Gedankenverbindungen zum Stichwort „Kampf“ auch von anderswoher anregen lassen: vom Sport. Kampf meint hier den totalen Einsatz für die erstrebenswerte Leistung, die Gelegenheit, sich selber ins Spiel zu bringen, seinen Mann zu stehen. Ein Sich-Bewähren, das aber doch mit Freude verbunden ist. Genauso denkt der Autor des ersten Timotheus-Briefes, wenn er vom Kampf des Glaubens spricht: es geht um den Glauben, sofern er meine ureigenste Sache ist. Es geht um den Glauben, der meine ganz persönliche Antwort ist auf die Gabe und den Anruf Gottes. Ob in diesem Verständnis nicht doch eine attraktive Einladung liegt, den guten Kampf des Glaubens zu kämpfen?

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Dieser gute Kampf des Glaubens hat nichts zu tun mit dem Streit um mehr traditionelle oder mehr moderne Formen und Formeln, um mehr oder weniger demokratische Strukturen, um die Frage, ob der alte Glaube neu formuliert werden müsse, oder nicht. Den guten Kampf des Glaubens kämpfen bedeutet vielmehr ein Jasagen dazu, dass auch der Glaube in den Reifungsprozess des Menschen einbezogen ist, dass auch der Christ sich einem läuternden Prozess unterziehen müssen wird, dass er immer wieder zu neuen Ufern aufbrechen muss. Es ist ein existenzieller Kampf. Ich kann also den Glauben nicht einfach beiseite schieben, wenn ich spüre, dass er mir plötzlich nicht mehr in den Schoß fällt. Ich muss den Kampf um den Glauben aufnehmen in dem Wissen, dass dieser Glaube durch rationale und noch vielmehr durch existenzielle Anfechtungen, Zweifel, Infragestellungen hindurchzugehen hat, ich muss den Kampf um den Glauben aufnehmen, in der Gewissheit:

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die Überzeugung wird doch noch Oberhand gewinnen, dass Gott in meinem Leben und im Leben dieser Welt seine Hand im Spiele hat. Den guten Kampf des Lebens kämpfen heißt: Immer wieder mutig das dünne Seil meines Lebens besteigen im vertrauen darauf, dass darunter das Netz Gottes ausgespannt ist. Diesen Kampf um den Glauben kennzeichnet darum eine offensive Aktivität. Das geschieht nicht nur in meinem sittlichen Verhalten, in meiner Sorge um Gerechtigkeit, Standhaftigkeit und Sanftmut. Diese offensive Aktivität äußert sich in meiner Bereitschaft, Gottes Wirklichkeit in meinem Leben, in diese Welt aufzuspüren, diesem Gott nachzugehen, mich um ihn zu bemühen, wie man sich um einen geliebten Menschen bemüht. Da geschieht, wenn ich mich daranmache, mein Leben zu reflektieren, die zurückgelegten Wege, die besonderen guten und schlechten Erfahrungen, die ich gemacht habe.

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Dabei wird es nötig sein, auf den Grund dieser Erfahrungen und Erlebnisse durchzustoßen. Darüber hinaus wird man Ausschau halten, wo andere Gott zu erfahren meinen. Das schließt Bereitschaft ein, mit anderen zu sprechen, Glaubenserfahrungen auszutauschen, auf andere zu hören, sich der Hilfe anderer zu bedienen, um möglichst sensibel, hellhörig zu werden für die Glaubenserfahrung des Alltags. Denn wo diese bewusst wird, gewinnt unsere eigene Existenz an Festigkeit. Und je mehr wir den Kampf des Glaubens auf uns nehmen, desto mehr finden wir uns selber. Rabbi Chaijm sah einst mit seinen Schülern einem Seiltänzer zu. Er war so tief in seinen Anblick versunken, dass sie ihn fragten, was denn seine Augen an diese Schaustellung banne. Er antwortete: „Dieser Mann setzt sein Leben aufs Spiel, ich kann nicht sagen weswegen. Gewiss aber denket er nicht daran, dass er mit seiner Vorführung 100 Gulden verdient, denn dann würde er abstürzen.“

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Wir nehmen den Kampf des Glaubens nicht auf, weil letztlich ein Vorteil f端r uns herausspringt. Wir nehmen ihn auf, weil uns letztlich ein anderer bewegt und lockt: Gott selber, der eine und dreieinige Gott! Was haben wir vergessen? Dass sich vom Kampf um den Glauben kein Christ ausnehmen darf, dass der Glaube in den Reifungsprozess des Menschen einbezogen ist, dass der Glaube ohne Anfechtungen keine Festigkeit gewinnen kann, dass ich mich nicht begn端gen kann mit dem Glauben, den ich habe, sondern ihn mehren muss, dass ich durch Reflexion 端ber Gott in meinem Leben und in der Welt offensiv werden muss.

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Was wir vergessen haben Lauft ihnen nicht nach! –Ängste I. Meine Frage: Wo stehen wir in der Geschichte? Nicht erst die Terroristen haben die Massenangst aufgebracht. Angst bestimmt in vielen Formen das Leben unserer Zeit. Sie beginnt schon beim Lehrling und Studenten, ob es einmal gelingen wird, den gewünschten Arbeitsplatz und angestrebten Beruf zu ergreifen. Auch im Alter hört die Existenzangst nicht auf wegen der Unsicherheit, ob auch der Lebensunterhalt, die Pension, bis ans Ende der Tage gesichert sein wird. Und mitten im vollen Leben erfasst die Krebsangst sehr weite Kreise. Die politische und wirtschaftliche Entwicklung der Welt gibt zu großen Sorgen Anlass, die Fragen nach dem lebenswerten Leben für die Menschheit werden immer lauter: das Energieproblem, die Gefährdung durch die Atomkraftwerke, die größere Arbeitslosigkeit. Auch im religiösen Bereich schlägt die allgemeine Angst durch und viele Chris-

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ten sind von bestimmten Ängsten, von religiös bestimmten Ängsten heimgesucht und fehlgeleitet worden. Da tauchen Unheilsbotschaften noch und noch auf und Prophezeiungen von entsetzlichen Katastrophen und Bedrängnissen aller Art flattern einem ins Haus. Sogar die von der Kirche anerkannte und geförderte Botschaft von Fatima wird immer mehr unter dem Gesichtspunkt einer möglichen Abwendung von entsetzlichem Unheil als unter dem Gesichtspunkt der noch größeren Liebe Gottes zu den Menschen verbreitet. II. Angst war noch nie ein guter Ratgeber für richtiges Handeln – auch im religiösen Bereich. Und für einen gläubigen Christen müssen doch andere Richtlinien gelten. Ja, Christus selbst nennt Zeichen dafür, dass uns noch Böses bevorsteht. Aber diese Zeichen sind nichts Außergewöhnliches: seit Menschengedenken gibt es kriegerische Auseinandersetzungen und Katastrophen. Diese Zeichen bedeuten nichts anderes, als dass es mit der Welt so nicht auf e-

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wig weitergehen wird. Diese Unheilszeichen sollen vorbedeutend sein für das, was wir uns alle wünschen: mit dem Leben in einer Welt voller Angst sollte es einmal ein Ende haben. Dieses Ende kommt sicher, aber alle Evangelien stimmen bei aller Verschiedenheit darin überein, dass sie die unerwartete Plötzlichkeit dieses Endes voraussagen. Wir sollen uns aber selbst von Prophezeiungen unserer Zeit nicht irremachen lassen, die sich auf Ereignisse berufen, die wir mit Schrecken verfolgt haben, wie z.B.: die vielen Erdbebenkatastrophen der letzten Jahre, wiewohl sie uns schon in die Glieder fahren dürfen. Gerade in den sogenannten Zeichen zeigt sich Christus als ein Gegner unserer Angst: Bleibt standhaft und ihr werdet das Leben gewinnen! III. Worin besteht denn für uns die Gefahr? Ich meine darin, dass wir den Ängsten unserer Zeit nachlaufen. Dass wir uns von ihnen zuviel imponieren lassen, dass wir uns von ihnen davontragen lassen.

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Die Ängste sind real da. Man kann sie nicht wegleugnen. Aber wir haben doch die Möglichkeit, uns entweder von ihnen einnehmen und beherrschen zu lassen, so dass wir in ständiger Unruhe sind und uns bedroht fühlen – oder uns für die Standhaftigkeit im Bekenntnis zu Jesus Christus zu entscheiden. Das ist die Alternative. Dazu sage ich Ihnen ein Wort, das uns wahrscheinlich auch noch nicht in die Glieder gefahren ist. Paulus sagte es: „In Ihm leben wir, bewegen wir uns und sind wir.“ Wir Christen leben in Christus, bewegen uns in Christus, sind in Christus. Das heißt doch, dass wir einmal richtig breitbeinig in Christus fest hineintreten sollen, so dass uns kein Wind und kein Rütteln davontragen kann. In Christus leben wir, bewegen wir uns und sind wir. Das heißt doch: wer kann an Christus an? Wer bringt ihn aus dem Gleichgewicht? Und wer wirft ihn um?

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In Christus leben wir, bewegen wir uns und sind wir. Wo sind dann die Ängste? Unsere vielen Ängste? Da sagen und hören wir immer: Wir sollen aus dem Glauben leben. Das, genau das heißt, aus dem Glauben leben: Wir bewegen uns in Christus, wir stehen in Christus. Das heißt doch jene unerschütterliche Zuversicht, dass Christus der Herr aller Zeiten ist, dass mit ihm vereint, kein Bedrängnis der Welt uns im tiefsten unglücklich machen kann.

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ASCHERMITTWOCH Strategie der Barmherzigkeit: Der verlorene Sohn Es handelt sich hier um einen Test, vielleicht um den wichtigsten für unser Christsein. Denn der entscheidende Prüfstein unseres Glaubens ist nicht ein etwas herber Satz aus unserem Glaubensbekenntnis, dem die Vernunft sich beugen muss, auch nicht eine harte und anspruchsvolle Vorschrift der Moral. Der Test stellt uns vielmehr vor die einzigartige Haltung des Vaters gegenüber seinem Sohn, der sein Vermögen mit Dirnen vertan hat. Diese Haltung fordert uns heraus. Wir sollen uns entscheiden, ob wir sie billigen oder ablehnen. „Er war noch weit weg, da sah ihn sein Vater und lief von Mitleid bewegt, ihm entgegen, fiel ihm um den Hals und küsste ihn.“ Was meinen wir dazu? Sind wir in der Lage, ja zu sagen zu dem Verhalten und den Gesten des Vaters, zu seinem Mitleid? Finden wir es richtig, dass er diesem Tunichtgut entgegen läuft, ihn umarmt und küßt? Oder kommt

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uns das alles sehr übertrieben vor als ein Ausdruck seniler Schwäche? Akzeptieren wir das Freudenfest? Nicht widerwillig, sondern in dem Bewusstsein, dass dieses Fest zur Rückkehr des Sohnes eine Pflicht ist? In den ausgebreiteten Armen des Vaters wird unser Christentum gemessen. Es ist vor allem eine Prüfung für unser Herz. Kann es diese ungeheuerliche und närrische Geste ertragen? Am christlichen Glauben wird die Weite unseres Herzens gemessen. Wir werden mit der Liebe Gottes konfrontiert und gefragt, ob wir etwa daran Anstoß nehmen. Der heilige Ambrosius löst das Problem, warum der Mensch überhaupt existiert, folgendermaßen: „Lasst uns Gott danken, weil er ein Werk vollendet hat, nach dem er sich ausruhen konnte. Er hat die Himmel geschaffen, und ich lese nicht, dass er danach ausruhte. Er hat die Sonne, den Mond, die Sterne gemacht, und ich lese nicht, dass er ausruhte. Jedoch lese ich, dass er den Menschen machte und dann ruhte, denn nun hatte

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er jemanden, dem er die Sünden vergeben konnte ...“ Danach können wir uns bei der Auslegung des Gleichnisses richten. Wir haben dann ein geeignetes Schema für den Test. Wer sich für gerecht hält, wer zur Partei der „Anständigen“ gehört, dem wird es leicht fallen, einen gerechten Gott anzunehmen. Christlicher Glaube besteht aber wesentlich darin, Ja zu sagen zu einem Gott, der die Liebe ist. „Und wir erkannten und glaubten die Liebe, die Gott an uns erweist.“ [1Joh, 4, 1-16] Sind wir in der Lage, Gott seine Liebe zu vergeben? Uns nicht aufzuregen über seine Narrheiten, seine Übertreibungen und seine Schwächen? Mit einem Wort: verstehen wir die Strategie Gottes, die Strategie der Barmherzigkeit, sagen wir Ja zu ihr und lassen wir uns auf sie ein? Es ist jedenfalls eine Strategie, die nicht den überkommenen Regeln folgt. Sie konkretisiert sich in unerwartetem, närrischem Tun, sie siegt durch Schwäche.

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Wenn i c h das Gleichnis vom verlorenen Sohn zu erzählen hätte ...? Wahrscheinlich hätte ich das Schicksal des jüngeren Sohnes ähnlich geschildert wie das Evangelium. Lediglich, was dessen ausschweifendes Leben angeht, hätte ich mich vielleicht nicht auf die einzige Zeile bei Lukas beschränkt: „...und vergeudete dort sein Vermögen durch ein ausgelassenes Leben.“ Wahrscheinlich hätte ich den älteren Sohn in einem günstigeren Licht dargestellt. Schließlich hätte doch die Treue dessen, der bei Haus und Arbeit geblieben ist, die Schuld des liederlichen Burschen, der dem väterlichen Haus den Rücken kehrte und sich aus dem Staube macht, um seinen Gelüsten zu leben, besser hervorgehoben. Vor allem wäre meine Erzählung nicht unerheblich von dem abgewichen, was da aus dem Munde Christi kommt, wenn er das Verhalten des Vaters beschreibt. Ich hätte dem Vater eine Strafpredigt in den Mund gelegt, die unter die Haut gegangen wäre: „Du Schande der Familie, du hast meinem Haus keine Ehre gemacht, du hast mich mit deinem Ärger

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um Jahre meines Lebens gebracht. Was die Leute sagen werden! Schau auf deinen arbeitsamen, getreuen Bruder! Du bist eine schlechte Kopie von ihm. Nun kommst du ohne einen Pfennig zurück. Jetzt musst du beweisen, dass du einen Platz in meinem Haus verdienst. Du musst erst mein Vertrauen zurückgewinnen. Du musst dich bewähren, ich werde dich auf die Probe stellen.“ So wäre es eine recht heilsame Lektion. Alles in allem, es wäre kein schlechter Aufsatz geworden. Die ganze Erzählung hätte die Richtschnur der Vernünftigkeit gehabt. Alles wäre harmonisch und ausgeglichen gewesen, nicht allzu kühn. Denn Gott ist gütig und gerecht. Außerdem wären keine Lösungen drinnen, die man als Ermutigung zum Laster ansehen könnte. Meine Erzählung wäre also sehr vernünftig und erbaulich geworden. Und wenn der Herr nun diesen Aufsatz durchschaut? Ich glaube, dann streicht er einiges durch. Er korrigierte: „Er war noch weit weg, da sah ihn sein Vater, und lief, von

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Mitleid bewegt, ihm entgegen, fiel ihm um den Hals und küsste ihn. Er sagte zu seinen Knechten: Holt ihm geschwind das beste Kleid und zieht es ihm an, gebt ihm einen Ring an die Hand und Schuhe an die Füße. Bringt auch das gemästete Kalb und schlachtet es. Wir wollen essen und ein Freudenfest feiern. Denn dieser mein Sohn war tot und wurde wieder lebendig, war verloren und wurde wieder gefunden.“ Und so würde mein Aufsatz nur ein „Mangelhaft“ verdienen. Das Thema ist falsch angepackt. Die Lösung liegt genau auf der entgegengesetzten Seite. Mein Herz schlägt nicht, wie das Herz des Vaters. Ich kann diese Arme, die sich zu einer großzügigen, barmherzigen Geste öffnen, nicht gut ertragen. Ich versuche, diese Geste zu verkleinern, sie auf einen weniger anstößigen, eher annehmbaren Umfang zu verkleinern, aber damit hätte ich meine Prüfung als Christ nicht bestanden. Glaube ich tatsächlich an die Liebe? Bringe ich es über mich, Ja zu sagen zu

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seinem Herz, zu einem Herz, dessen Maß die Maßlosigkeit ist, dessen Vernünftigkeit darin besteht, unvernünftig zu sein? Kann ich dem Vater verzeihen, dass er ein solches Herz hat? Ich habe also eine ausgezeichnete Erzählung entworfen. Aber ich habe mich mit der Hauptperson nicht abfinden können. Der Schluss wäre danebengegangen. Deshalb bin ich gescheitert, weil ich alles auf den älteren Bruder abgestellt habe und ich hätte doch auf die Narrheit des Vaters schauen sollen. Es gibt ein Bild von Rembrandt, das tief in das Verständnis dieses Gleichnisses eindringt. Der Vater ist ein verehrungswürdiger alter Mann. Sein Mantel ist weit geöffnet, sein Gesicht leuchtet vor Glück, wenn auch sein Augenlicht fast erloschen ist, weil er soviel geweint hat. Seine Hände ruhen fest auf der Schulter des Sohnes, als wollte er ihn hindern, noch einmal fortzugehen. Der jüngere Sohn ist ganz in Schatten getaucht. Er kniet, wir sehen ihn nur von hinten. Sein Kopf ist

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im Schoß des Vaters geborgen. Von vorne sieht man den älteren Sohn. Finster blickend steht er da, einen Anflug von Ekel um die Lippen, die Hände verschränkt in einer Geste des Zorns. Seine gesamte Haltung drückt Missbilligung der Schwäche des Vaters aus. Vor diesem Bild kommt einem ein Verdacht. Wer ist da eigentlich gemalt im älteren Sohn? Ist das nicht mein Bildnis? Von der Malkunst zur Literatur: Anouilh beschreibt in einer seiner Schriften seine Vorstellung vom Jüngsten Gericht. Die Gerechten stehen an der Tür des Paradieses. Es ist eine große Menge von Mensch. Sie haben es sehr eilig, einzutreten. Sie sind überzeugt, für sie ist sicher ein Platz reserviert. Plötzlich geht ein Raunen durch die Reihen: „Es scheint so, als ob er den anderen auch vergibt.“ Das große Erstaunen lässt sie erstarren und erschrecken. Man wirft sich Blicke zu, seufzt, schreit, protestiert. Man ist erzürnt. Sie hadern mit Gott ... und im gleichen Augenblick sind sie ver-

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dammt, sie haben sich selbst ausgeschlossen. Die Liebe hat sich geoffenbart, aber sie wollen sie nicht anerkennen. Wir können sagen: Das Verhalten des Vaters ist hart. Seine Liebe übersteigt zu stark die Grenzen der Vernunft. Aber ist nicht seine Vernunft weit über die Vernunft der Menschen? Müssen wir nicht auch seine göttliche Vernunft anerkennen? Ja, er würde uns fallen lassen, wenn wir nicht in der Lage wären, seine Strategie der Barmherzigkeit anzunehmen, ihm seine Liebe zu vergeben. Wir sagten, das Gleichnis vom verlorenen Sohn sei der entscheidende Test für unseren Glauben und für unser Christentum. Nun, der ist ganz einfach und zugleich schwierig. Wir müssen bereit sein, Ja zu sagen zu einer großzügigen Geste des Verzeihens mit geöffneten Armen, und wir müssen bereit sein, der Versuchung zu widerstehen, die Größe und Weite dieser Geste zu beschneiden.

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Im Hause des Vaters ist Wohnung für alle. Er hat auch Platz für den Sohn, der in Lumpen zurückkehrt. Aber er hat keinen Platz für den, der das Herz des Vaters nicht ertragen kann. Unser Glaube bemisst sich nach der Weite unseres Herzens. Gott ist größer als unser Herz. Gott braucht jemanden, dem er vergeben kann, also braucht er mich. An den ausgebreiteten Armen des Vaters wird unser Christentum bemessen.

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PASSIONSZEIT Warum musste Jesus sterben? I I. Die Menschen spüren heute viel deutlicher die ganzen Zweifel und das Unbehagen am Sinn des Sühnetodes Jesu. Bis heute ist ja der malträtierte und ausgeblutete Körper dieses am Kreuz zu Tode gemarterten Jesus das christliche Symbol schlechthin. Dass der Sinn dieses Todes auch die Frage zumal der heutigen Jugend ist, zeigt beispielsweise die 1970 entstandene Rock-Oper von Webber-Rice mit dem Titel „Jesus Christ – Superstar“. In Text und Musik ist es eine oft erstaunliche, treffsichere Nachgestaltung der Passion Jesu. Das Bestreben wird deutlich, vor allem das Merkwürdige und Unverständliche an Jesus, das ihm geheimnisvoll Eigene hervortreten zu lassen. Judas, der Verräter, wird zu einer Zentralfigur der Passion erhöht. Er ist der eigentliche Gegenspieler, der diesen geheimnisvollen Jesus immer wieder suchend und fragend umkreist und schließlich an ihm zerbricht.

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Sein Verrat wird gedeutet als die Tragödie des Menschen, der Jesus bewundert, seine Absichten aber missversteht und, als er das erkennt, in Hoffnungslosigkeit endet. Die Sympathie für Judas zieht sich so unverhohlen durch das ganze Drama, dass die Stimme des Toten just vor der Kreuzigung noch einmal eingeblendet wird, um Jesus eindringlich und doch traurig zugleich zu fragen, warum er, der Superstar, nicht heute gekommen sei, warum er seine Publikumserfolge preisgegeben habe, warum er diesen Tod erstrebt habe, ob vielleicht sein Tod, der alle Rekorde brechen sollte, der von ihm beabsichtigte einmalige Publikumsgag war. Judas leiht hier ganz offensichtlich seine Stimme dem fragenden Menschen von heute, und der Chor verstärkt diese Stimme noch, wenn er die Verse singt: „Jesus Christus, wer bist du, was hast du geopfert? Jesus Christus Superstar, glaubst du, du seist der, für den sie dich halten?“

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All dies ist aber nur ein Nachhall der beeindruckende Gethsemane-Szene dieser Oper: da ist nicht so sehr das einsame Ringen des seinen Tod kommen sehenden Jesus, als vielmehr der von Sympathie getriebene Mensch von heute, der sich ganz in diese Todesangst hinein versenkt, der den Schweiß wie Blutstropfen zur Erde rinnen fühlt, der fragend, grübelnd, hoffend, revoltierend einen Sinn in diesem Tode sucht, bis der Verstand kapituliert vor dem undurchdringlichen „harten Willen“ Gottes und bis der Selbsterhaltungstrieb und die Furcht des Menschen vor dem Tod sich verwandeln in ohnmächtige Resignation. An diesem unbegreiflichen Willen Gottes zerbricht Judas völlig. Er verzweifelt an der unbegreiflichen Wahl Gottes, die auf ihn gefallen sei, und lastet darum auch seinen Selbsttod diesem unbegreiflichen Gott an. Das sind Höhepunkte dieser englischen Rock-Oper, in denen sich die Grund- und Sinnfrage verdichtet: Warum musste Jesus sterben? Dass diese Frage so eindringlich gerade auch

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außerhalb der Kirchen gestellt wird, mag die Verwunderung vergrößern. II. Vielleicht ist aber Jesus deshalb so gängig, weil wir Heutigen zwar weniger Sinn für seine Gottheit, jedoch um so mehr Sinn für seine Menschlichkeit haben. An ihr können wir Christen ja erst ablesen, was und wer Gott für uns ist. Weiter kommt hinzu, dass Fernsehen, Film und Pressefotos die Leiden anderer Menschen in aller Welt uns gleichsam körperlich nahegebracht haben. Ein Beispiel: Ein angeschossener 17-jähriger Junge im Irak wird verhört. Da er nicht sprechen will, wird ihm der Verband von der frischen Wunde heruntergerissen, und ein Soldat reißt sie mit einem Bajonett noch weiter auf. Da der Junge daraufhin immer noch nicht redet, schneidet man ihm die Finger ab, ein Glied nach dem andern. Ein Soldat sticht ihm ein Messer in den Bauch. Drei Stunden dauert nach den Zeugenaussagen dieses Foltern. Schließlich verliert der Junge das Bewusstsein. Da man ihn nicht mehr wach kriegen kann, gibt ihm der Leiter des Verhörs einen Kopfschuss. Danach

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schändet man den Toten noch und stellt ihn allen zur Warnung mitten im Dorf aus. Wer ihn anrührt, wird die gleiche Behandlung erfahren. Niemand weiß, wie oft am Tag derartige Greueltaten in der Welt geschehen. Vielleicht sind nicht wenige Christen vom Anhören der Leidensgeschichte unseres Herrn zu abgestumpft, um wahrnehmen zu können, dass der geschilderte Fall eine moderne Form der Passion und Kreuzigung eines Menschen ist. Auch das Leiden Christi hatte diese sadistischen Elemente in sich. Und wer hellhörig genug ist, kann nicht gut darüber verwundert sein, dass Jesu Kreuz heute zum Symbol des leidenden und geschändeten Menschen überhaupt werden kann. Nicht zuletzt deswegen, weil ja Entscheidendes die Passion Jesu und die Passion so vieler Menschen verbindet. Einmal die Bosheit, die Verachtung und der Hass, womit Menschen damals wie heute einander das Leben wegnehmen.

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Jesus selbst hat die grundlegende Gemeinsamkeit hergestellt: „Was ihr dem Geringsten meiner Brüder getan, das habt ihr mir getan“ [Mt 25, 31]. III. Diese beanspruchte und gelebte Solidarität Jesu mit den gequälten Menschen in jeder Form von Passion ist gewiss der unmittelbare Grund für die Erhöhung Jesu zum Superstar der Stunde. Die Bewusstheit freilich, mit der Jesus selber seinem Tod entgegenging, die Tatsache, dass er den Kampfgeist, den er beim Einsatz gegen die Leiden anderer Menschen bewies, beim Kampf gegen sein eigenes Sterben vermissen ließ, die in dieser Oper geäußerte Vermutung, dass die Resignation Jesu Folge seiner Überzeugung sei, einen geheimen göttlichen Willen erfüllen zu müssen, all das bedrückt und verwirrt die alten und neuen Fans dieses Superstars. An der Stellungnahme zu Jesu Tod wird sich entscheiden, ob die dort und da auftretende Jesusbewegung nur wiederum den enthusiastischen Hosanna-Einzug Jesu in Jerusalem verwirklicht, dem als-

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bald Verrat und Massenabfall folgen werden. An der Stellungnahme zu Jesu Tod wird sich aber auch bei uns Christen neu entscheiden müssen, was wir sind, wohin wir gehören, was uns Jesus bedeutet in der gegenwärtigen Zeit. Deshalb die Fortsetzung dieses Themas am kommenden Sonntag. Erst wenn man mit Verstand und Herz begriffen hat, wird einem sein Christentum ein neuer Wert und sein persönliches Christenleben ein neues Bedürfnis sein.

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Warum musste Jesus sterben? II Es geht darum, dem Sinn dieses „Muss“ im Sterben Jesu nachzuspüren und das Gefundene mit unseren Lebenserfahrungen zu konfrontieren. Alle Evangelien bezeugen einhellig – und sie bezeugen darin seine volle Menschlichkeit – dass Jesus sich gegen den auf ihn zukommenden Tod aus tiefstem Herzen gewehrt hat. Während sich aber die Finsternis des nahen Todes auf seine Seele senkt und Jesus um die Erlösung von diesem Tod fleht, bittet er doch mit dieser Einschränkung: er möchte nur erhört werden, wenn seine Bitte vereinbar ist mit dem Willen des Vaters, die Menschen zu erlösen. Und gerade im Dunkel der um das Leben bettelnden Todesangst wird Jesus im Vertrauen auf die Sinnhaftigkeit des Sendungswillens Gottes gestärkt: „Ein Engel stärkte Ihn.“ Für uns Heutige, die wir wenigstens literarisch – und auch musikalisch – an diesem Todeskampf teilnehmen können und mit neuem Feingefühl für das Lei-

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densschicksal anderer Menschen ausgestattet sind, entsteht hier die bedrängende Frage, warum gerade der Tod, zumal in dieser grausamen Form, das Ziel des göttlichen Willens gewesen ist, und warum gerade der Tod für unsere Erlösung die Entscheidung herbeigeführt hat. 1. Der Gott des Christentums ist kein allmächtiges, unberechenbares Phantom. Das Grauenvolle und Grausame der Hinrichtung Jesu war nicht der Inhalt des Willens Gottes. Wäre dem so, müssten wir sagen, Gott habe ein blutiges Versöhnungsopfer gewollt. 2. Die unterschwellige Vorstellung, dem Gerechtigkeitssinn Gottes sei als Versöhnungsopfer ein Menschenopfer in Gestalt des vollkommensten und unschuldigsten Menschen, der je gelebt hat, gerade gut genug gewesen, ist für unser heutiges Empfinden unerträglich und führt zu einem unvollziehbaren Gottesbegriff. Er würde auch in keiner Weise dem Zeugnis des Neuen Testamentes entsprechen. Wer derartigen Vorstellun-

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gen im Ernst noch anhängen wollte, müsste sich von einem Anhänger etwa der Psychoanalyse Sigmund Freuds fragen lassen, ob nicht das, was er für den Willen Gottes halte, nur eine religiöse Chiffre für das sogenannte Über-Ich als die verinnerlichte Vaterinstanz in Jesu Gemüt sei. Demnach wäre der Jesus in den Tod treibende und von ihm bejahte Wille des Vaters nur der Ausdruck für ein Höchstmaß von nach außen hin ohnmächtiger und darum gegen das eigene Ich gekehrter Aggressionsneigung. Jesu Bejahung seines bevorstehenden Todes am Ölberg ließe sich dann leicht so erklären: Jesus habe den äußeren Misserfolg und die Todesgefahr im Lichte des strafenden Über-Ich (Gewissen) gesehen und als Drohung des totalen Liebesentzuges durch die Vaterautorität gedeutet. So musste er sich hingeben bis zur vollen Selbstzerstörung. Nun, wir dürfen den Blick vom ursprünglichen Inhalt der Bibel nicht aus dem Auge verlieren. Dadurch werden unsere

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Erkenntnisse, die sich durch ihre Ungezwungenheit empfehlen. Fragen wir im Hinblick auf den Tod Jesu nach dem Inhalt des Willens Gottes, so lässt sich Folgendes aussagen: Der Wille Gottes, den Jesus auch in größter Todesangst noch suchte, wird zunächst darin fassbar, dass Jesus den Tod durch die Hand seiner Feinde nicht zum Verrat an seiner Sendung von der er überzeugt war, indem er von ihm weg floh, sondern dass er diesen Tod auf sich nahm, und ihn aushaltend, zum radikalsten Ausdruck und Zeugnis eben dieser Sendung machte. Der Inhalt des Willens Gottes ist hiemit vom Sendungsbewusstsein Jesu zugänglich. In sein Dunkel kann nur Licht fallen vom Inhalt der Sendung Jesu her. Ein Licht freilich, das nur in der Intuition eines ergriffenen Glaubens zum Leuchten kommt. Und was war der Inhalt dieser Sendung? Wir finden ihn bei Markus 1, 15: Frohe Botschaft.

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Die Kernforderungen, die diese nahe Gottesherrschaft verdeutlichen, enthalten u.a. diese: „Liebet eure Feinde! Segnet, die euch verfluchen! Tut Gutes denen, die euch hassen! Bittet für die, die euch beleidigen und verfolgen!“ [Lk 6, 27 – Mt 5, 21-26, 38-48] Der Wille Gottes – sofern er die erste und grundlegende Gestalt in der Person Jesu selbst annahm – konnte nur glaubhaft wirken und wirksam werden, wenn Jesus selbst ihn, den er verkündete und proklamierte, mit der Hingabe seines Lebens unter Beweis stellte. Also nicht der Tod, nicht das Blutopfer, sondern die selbst unter äußerster Ablehnung sich in die Abgründe von Bosheit und Tod hinein entäußernde Liebe: die verhöhnte, verratene, geschlagene, gekreuzigte Liebe, die bis zuletzt an den Sinn ihres Tuns glaubt und noch im Tod ihre Feinde verzeihend umfasste – diese Liebe war und ist der Inhalt des Willens Gottes, diese Liebe ist der ent-

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äußerte, ausgelieferte, hingegebene Gott selbst. Ihr erlösendes Wesen kommt dieser Liebe daraus zu, dass sie in die tiefsten Abgründe des Menschen gestiegen ist: in die Abgründe der Bosheit und des Hasses, der Schwachheit und der Todverfallenheit, dass sie darin aber nicht umgekommen, sondern hindurch gestiegen ist, indem sie mit neuem Leben, mit dem Geiste Christi erfüllte. Diese Liebe, deren Leib, deren irdische Gestalt Menschen auszulöschen vermochten, Menschen die nicht an die Wahrheit dieser Liebe glaubten, diese Liebe erlöste uns, indem sie im Augenblick des Todes wie ein übervolles Gefäß zerbrach und ausströmte, sich ganz und gar verströmte. Der stärkste Beweis der Liebe ist der Tod. Deshalb musste Jesus sterben. Ich sagte: erst wenn man mit Verstand und Herz den Tod Jesu begriffen hat, wird uns das Christentum zu einem neu-

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en Erlebnis und das persönliche Christenleben ein neues Bündnis. Aber wie viele Christen sind denn schon einmal mit Verstand und Herz in die Abgründe der Liebe Gottes gestiegen? Mit Verstand in die Liebe des unbegreiflichen Gottes, mit Herz in die Liebe des allbarmherzigen Gottes? Und wer behauptet, er könne keinen Zugang zum Glauben finden, dem sage ich nur: Nur mit der Liebe kann man sehen. Nur wenn man mit Liebe, mit der eigenen Liebe und mit dem eigenen Wohlwollen in die Abgründe der Liebe Gottes steigt, erst dann wird man sehen und glauben können.

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Warum musste Jesus sterben? III In der zweiten Predigt über das Thema „Warum musste Jesus sterben?“ haben wir nach dem Inhalt des Willens des Vaters gefragt. Wir haben gefunden: die Liebe hat uns erlöst. Die Liebe, die in Jesus in die tiefsten Abgründe des Menschen gestiegen ist, in die Abgründe des Hasses, der Bosheit, der Schwachheit und der Todverfallenheit. Sie ist aber darin nicht umgekommen, sondern durch sie hindurch gestiegen. Es ist die Liebe, die im Augenblick des Todes Jesu wie ein übervolles Gefäß zerbrach und dann ausströmte auf alle Menschen. Damit sind wir bei der Aktualität des Kreuzestodes Jesu. Seinen Sinn verstehen heißt, ihn als Appell an uns verstehen. I. Wirkliche Feindschaft unter Menschen ist nun einmal tödlich. Grenzenloser Hass, Suche nach Rache und Vergeltung sind menschliche Reaktionen auf menschliche Feindschaft.

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Die am Kreuze Jesu offenbar gewordene Liebe umfasst – und das ist ihr neuer, umstürzender Charakter – auch noch ihre Feinde, denn: „sie wissen nicht, was sie tun“. Wenn wir die Frage stellten, warum Jesus sterben musste, so müssen wir daher die Antwort in der Richtung suchen, dass wir nur auf diesem Weg von uns selbst erlöst werden konnten: von uns selbst, die wir trotz alles Empfindens für fremdes und zumal eigenes Leiden – mit Leib und Seele am allgemeinen Tötungsrausch unserer Epoche teilnehmen. Seit Sigmund Freuds Forschungen über den Aggressionstrieb in uns ist es uns ja verwehrt, über den Durchschnittsmenschen zu harmlos zu denken, uns gewissermaßen für unschuldig zu halten. Erziehung, gesellschaftlicher Druck und ein bisschen Selbstbeherrschung halten die Aggression gewiss ein Stück weit unter Kontrolle. Aber wo sie durchbricht, ist sie tödlich wie eh und je. Was geschieht eigentlich zwischen uns Menschen, wenn Blicke töten,

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wenn wir einen anderen ignorieren oder schneiden oder ihn verurteilen? Wenn wir sagen: der existiert nicht mehr für mich, wenn wir einem Menschen schaden wollen, ihn verleumden oder bloßstellen, wenn wir uns weigern zu verzeihen, wenn wir jemanden zum Teufel wünschen ...? Es braucht nicht viel Phantasie, um klar zu sehen, dass, wenn in günstigen Situationen die üblichen Schranken fallen, viele Menschen allzu leicht Hass und Bosheit hervorkommen lassen und Brutalitäten in die Welt setzen, vor denen wir uns ansonsten entsetzen. Und entstehen solche Situationen nicht schon, wenn der äußere Druck der Umgebung wegfällt oder sich in sein Gegenteil verkehrt? II. Es kann keine Rede davon sein, dass Jesus nicht auch Aggressionen in sich gehabt hätte. Anders wäre er kein Mensch gewesen: Charakterisiert er sich nicht selbst, wenn er sagt: „Feuer bin ich gekommen auf die Erde zu werfen. Meint

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ihr, ich bin gekommen, um Frieden zu bringen auf die Erde? Nein das Schwert.“ Und wir denken an die Aggressionen Christi bei der Tempelaustreibung und in seinem Kampf gegen Pharisäer. Aber der Gebrauch, den er von seiner Aggressionskraft machte, war so selbstlos und offenbarte eine so mitreißende aggressive Liebe, dass ein anderer in ihm sichtbar wurde – Gott, der Vater, dass erkennbar wurde, dass er als Befreier auf Heil und Frieden hin unter die Menschen gesandt war. Wenn Jesu Daseinsbehauptung in seinem Leben die Form einer selbstlos aufrichtenden und sich schenkenden Liebe annahm, dann musste Jesus sterben, um das Verließ unserer einsamen aggressiven Selbstbehauptung zu sprengen. Jesus ist der Erste Mensch, an dem uns klar werden kann, dass uns von ihm her keine Gefahr droht. Sich auf ihn einlassen bedeutet, sehen und schauen, dass er sein Leben in Transparenz lebte für den, der ihm Quell seines Lebens war, der ihm ermöglichte,

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sein Leben nicht zu verteidigen, sondern es zu verlieren, um es zu gewinnen. Dieser Urquell des Lebens Jesu ist uns bekannt. Paulus beschreibt ihn: „Er, der in göttlicher Daseinsbehauptung lebte, hat sein göttliches Leben nicht wie eine Beute an sich gerafft, sondern hat sich dessen selbst entblößt, um in ein Sklavendasein einzutreten, so wie es die Menschen leben, ja, den Menschen gleich...“ Und damit ist die Liebe zur radikalsten Form lebendiger Aggression geworden. Damit ist auch all unserer Aggressionslust die neue Richtung gewiesen: Wenn es gelingt, die Aggressionsenergie, die in uns allen lebt, von dem Geist der Liebe Jesu, der vom Kreuze her in unsere Herzen ausgegossen ist, überformen und verwandeln zulassen, wenn die Aggressionsenergie in eine selbstlose Liebe eingeht und ihr dienstbar wird, dann wird der Liebeseinsatz eines solchen Menschen ganz von selbst zu einem mitreißenden Einsatz, der fähig ist, Menschenherzen und Verhältnisse zu än-

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dern, ja Feuer zu werfen auf die Erde und sie zu entzünden. III. Nun, machen wir uns gar keine Illusionen, aber in der heutigen Glaubensnot sich wieder einmal ganz klar zu werden, warum Christus sterben musste, das ist für uns Christen gesund! Und in der heutigen Liebesnot wieder einmal zu erfahren, dass unsere Aggressionen nur dann gerechtfertigt sind, wenn hinter ihnen der Liebestod Gottes steht, dass unsere Aggressionslust ein machtvolles Potential an Friede und Lebensfreude, bis in die Familien hinein, darstellt, das ist uns für Christen gesund. Wir machen uns keine Illusionen über uns. Der tägliche Lebenskampf wird immer wieder unsere Aggressionen herausfordern, wir werden ihnen oftmals unterliegen, aber es kann uns sehr beruhigen und beglücken, zu wissen, dass über uns die Liebe Gottes vom Kreuze her ausgeströmt ist und liegt, an jedem Tage zum Greifen nahe.

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Der auferstandene Herr wird den grübelnden Emmausjüngern sagen: „Musste nicht Christus alles dieses leiden und so in seien Herrlichkeit eingehen?“ Und wir antworten heute: Ja, Herr, so musste es sein, denn durch dein heiliges Kreuz hast du die Menschen von sich selbst erlöst.

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PALMSONNTAG Einleitung in die Heilige Woche Das Palmsonntaggeschehen ist die festliche Einbegleitung zur großen Leidenswoche des Gottessohnes, die uns gläubigen Menschen durchaus nicht bloße Erinnerung bedeuten kann. Darin handelt es sich um den anscheinend unnötigen Aufwand Gottes, des ja allmächtigen Gottes, der es anders hätte machen können. Aber hätten wir diesen Aufwand Gottes nicht, wie hätte Christus für alle kommenden Geschlechter eindrucksvoll bleiben können? Noch immer werden auch starke und trotzige Herzen am ehesten erschüttert und nachdenklich gemacht durch das Blut. Nähmen wir Leiden und Tod aus der Lebensgeschichte Christim so wäre seine Gottesbotschaft an die Menschen unverbindlich geblieben. So ist aber darunter das Siegel Gottes gesetzt. Auch wir gläubige Menschen müssen in diesen Tagen auf das Ursprüngliche aufmerksam gemacht werden. Das Ur-

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sprüngliche ist: die Versöhnung der Welt mit Gott, die Tilgung der Schuld der Welt vor Gott – und zwar: durch Gott. Sie wäre als unendliche Schuld niemals endlichen Menschen möglich gewesen. Ist der Blutschweiß Christi am Ölberg nur zu erklären aus der Todesangst Christi? Oder hat Christus vom Ölberg aus in die Schuld der Welt, der vergangenen und kommenden Generationen, hineingeschaut? Und ist er von ihr überwältigt worden? Wir halten es kaum aus, in ein einziges Verbrechen der Welt hineinzuschauen, wir wenden die Augen ab. Geschweige denn, wir würden auch nur mit offenen Augen vor die Schuld der Welt eines einzigen Tages gestellt. Was würde uns da geschehen? Und das wäre nur die äußere Seite der Schuld. Wären wir dann noch gezwungen, in die innere Zerstörung des Menschen durch die Schuld, in die seelische Verunstaltung der Welt durch die Schuld zu schauen, wie es dem Gottessohn zu Eigen ist: welcher Mensch hielte die Schau der

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Weltschuld auch nur an einem einzigen Tage aus? Unsere Welt ist und bleibt die Welt Gottes. Und wenn in dieser Welt das Kreuzesopfer Christi fehlen würde als Versöhnungsopfer mit Gott, und wenn in dieser Welt das heilige Messopfer – als ständiges, tägliches Versöhnungsopfer – fehlen würde, oder: wenn also unsere Welt die Welt Gottes ist, dann könnte uns nur ein ungeahnter Schrecken überkommen. Was gibt uns die Karwoche auf? Natürlich ist die gesamte Fastenzeit, aber vor allem die Karwoche, zur Überholung des ganzen Christen bestimmt, so das an Ostern die „neue Kreation“ in uns entstehen kann. Die Kartage haben so viele göttliche Wirkstoffe in sich, dass man förmlich spürt, wie die Gnade umgeht, um den Menschen wirbt und kaum einen Menschen unberührt sein lässt, soweit er sich ernst nimmt. Ich glaube jedoch, dass uns das Erlebnis des Ostertages am ehesten gelingen wird – ich meine den Jubel des Herzens

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– je mehr wir imstande sind, das Abendmahl des Gründonnerstages, den Verrat des Judas, die Todesangst Christi, die Geißelung, die Dornenkrönung und den Kreuzweg Christi anstelle Christi zu erleben. Ich sage: anstelle Christi. So, als wären wir Christus, als wäre ich Christus. Ich bin der, der ganz und gar um die Liebe Gottes zu den Menschen weiß, ich bin der, der um das Verlorensein, das wenige Verlorensein des Menschen weiß, ich bin der, der die Schuld der Menschen nicht ertragen kann, ich bin der, der um den Wert der Seele weiß. Ich bin der, der auch sich keine Rücksicht nimmt, wenn es um das Leben der Freunde geht – und alle Menschen sind Freunde. Ich bin Christus, der sich in der Stunde des Abschieds zum ewigen Testament in der Eucharistie einsetzt, zum Brot des Lebens für die Welt, der verraten, verhöhnt, angespuckt, geschlagen, verurteilt und gekreuzigt wird, weil es für die Liebe Gottes keinen anderen Weg gibt als den über Golgotha, um das Glück der Menschheit für immer sicher zu stellen.

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Der Gott Jesus Christus wird es uns auf seine gĂśttliche Art danken, wenn wir einmal imstande waren, uns so viel, wie es Menschen mĂśglich ist, in ihn hineinzudenken und zu begreifen suchen. Aber auch wir tun dies nur um all derer willen, die noch mehr als wir auf die Barmherzigkeit Gottes angewiesen sind und bei Gott nicht kĂźrzer kommen sollen als wir. Wer Christus verstehen will, kann ihn nicht ohne seine Passion verstehen. Wer ihn versteht, der liebt ihn!

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GRÜNDONNERSTAG Das Abendmahl am Gründonnerstag ist eine ergreifende Feier. 1. Wir werden erschüttert durch den Namen Judas. Italienische Freimaurer haben einst ihrer Tochter den Namen Satanella gegeben. Aber kein Christ wird seinem Sohne den Namen Judas geben. Dieser Name ist geächtet. 2. Wir werden erschüttert durch die Person des Schächers. Wenn ihn auch der Herr in seinen letzten Augenblick zu sich nahm, so ist er doch jener, der diesen Herrn bis zuletzt lästerte. 3. Wir werden erschüttert vom Namen Jesu, denn „...in der Nacht, da er verraten wurde, nahm er das Brot, sagte Dank, brach es und sprach: Nehmt hin und esset!“ 4. Wir werden erschüttert durch den Aufruf unseres Namens. „Es prüfe sich der Mensch und so esse er dann von dem Brote und trinke aus dem Kelche. Denn wer nur isst und trinkt, der isst und trinkt sich das Gericht, da er den Leib des Herrn nicht unterscheidet.“

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Wir dürfen uns erschüttern lassen. Denn „...wer unwürdig dieses Brot isst, der wird schuldig am Leibe und Blute des Herrn.“ Der Mensch darf uns erschüttern, der Jesus Christus nicht kennt, wiewohl er ihn bei jedem Kirchengang sieht, wiewohl er ihn bei jedem Spaziergang trifft, wiewohl er überall dort ist, wo der Mensch ist. Der Mensch darf uns erschüttern, der das Brot, das Jesus Christus ist, verweigert, sich darüber lustig macht, und ohne dieses Brot ihm Leben auskommen will, trotzdem es das Brot des Lebens ist. Jesus Christus darf uns erschüttern, denn in der Nacht, da er verraten wurde, in seinen äußersten Stunden, da die ganze Menschheit ihn bedrohte, da die Sünden der Menschen wie Weltkriege vor seinem Geiste standen, wie Gespenster, die die Seelen der Menschen würgten, wie Ungeheuer, die Gott in sei-

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ner Rache an den Menschen versuchten, da sein Schweiß, sein Angstschweiß wie Tropfen Blutes wurde, da er gefesselt, gefangen, verhöhnt und gegeißelt wurde – in dieser Macht gab uns Jesus Christus sein Brot, das er selber ist. Deshalb darf uns der Mensch erschüttern, der Jesus Christus nicht liebt. Der seine Gesellschaft nicht aufsucht, dem seine Freundschaft nichts bedeutet, der sich nicht nach Jesus Christus, nach jeder Stunde mit Jesus Christus sehnt. Kann er je genug geliebt werden? An jener Nacht, da er verraten wurde vom Menschen, an jener Nacht, da er am Ölberg um meine Seele rang, an jenem Karfreitag, da er das Kreuz für mich bis zur Kreuzigung trug – an dieser Nacht und an diesem Tage kann sich auch das kälteste Herz entzünden. Und dazu hat Jesus Christus gelitten, weil er von uns geliebt werden will, weil er mit unserer Liebe unsere Auferste-

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hung und unsere Ewigkeit erweckt und schafft. Ich gratuliere Ihnen allen, dass sie den Leib des Herrn zu unterscheiden wissen. Ich gratuliere, dass Sie Jesus Christus kennen, dass sie Jesus Christus lieben. Sie besitzen in der Liebe Jesu den Schatz Ihres Herzens. Wenn Sie in den Worten der Heiligen Wandlung den Satz hören: „Das ist heute“, dann soll dieses „heute“ Sie mit einem großen Glück erfüllen, mit einer mannhaften Treue, mit einer brennenden Sehnsucht – in jeder Nacht und an jedem Tag, da der Meister verraten wird, wird er von mir geliebt. Seine Liebe ist für jeden, seine ewige Liebe.

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KARFREITAG 1. Was ist Wahrheit? „Was ist Wahrheit?“ Ist in dem Schrecken dieser Ereignisse noch Wahrheit. Soll man das Wort "Wahrheit" überhaupt in den Mund nehmen, oder nicht lieber verstummen? Pilatus erwartet keine Antwort auf seine Frage: „Was ist Wahrheit?“ Für ihn hat sich die Frage erledigt. Er will dieses für ihn lästige Verfahren zu Ende bringen, gerade jetzt, wo er merkt, dass es um mehr geht, als um ein RoutineVerfahren gegen einen verrückten, religiös-fanatischen Aufständischen, derer es in seiner Zeit so viele gab. Pilatus ist der Typ, der mit einer zynischen Frage alles erledigt. „Was redet ihr so groß daher?“ lautetet die PilatusFrage. Man braucht keine einzige Vorlesung an einer Universität gehört zu haben, um sich in die Theorie zu flüchten, wo es einem selbst zu nahe geht.

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2. Aus der Wahrheit sein „Jeder, der aus der Wahrheit ist, hört auf meine Stimme“, ist der Satz Jesu, auf den Pilatus mit seiner Frage reagiert. Es geht Jesus gerade nicht um abstrakte Wahrheit, um theoretische Sätze. Die Wahrheit, von der Jesus spricht, ist die Gegenwart Gottes in meinem Leben, die mich herausfordert, mich dem zu stellen. Pilatus verweigert sich mit seiner Frage. Ich kann das Leiden der Welt, ich kann das Leiden Jesu, ja ich kann alles, selbst die größte Liebe, kaltblütig einfrieren, indem ich daraus eine Theorie mache. „Was ist schon...?“ ist als Frage genauso tödlich, wie jede andere Generalisierung. Ich habe Menschen, die in der Erfahrung von Leid der Zweifel an Gott überkommt. „Wie kann Gott das Leid in der Welt zulassen?“ Ich habe darauf keine Antwort. Manches Mal ist mir die Frage aber schon von solchen Menschen gestellt worden, die dem Leid nicht näher ge-

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kommen sind als von hier bis zum Fernseher. Diesen Menschen darf man antworten: Gott hat sich dem Leid gestellt. Für Christus am Kreuz ist die Wahrheit keine Theorie. Petrus ist der andere Typ. Er will sich der Situation stellen. Aber er begreift es nicht. Er zieht das Schwert. Petrus meint, das Leid sei dadurch schon aus der Welt geschafft, dass ich mich einsetze. Probleme sind für ihn dazu da, gelöst zu werden. Schmerzhaft, bitter schmerzhaft stößt Petrus an seine Grenzen, als es ihm nicht einmal gegenüber einer Magd gelingt, sich zu Jesus zu bekennen. 3. Unter dem Kreuz Etwas von Petrus, etwas von Pilatus wird jeder von uns in sich entdecken. Die Feier des Leides und Sterbens des Herrn aber kann uns helfen, weiter zu kommen.

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Nicht die Frage nach unserer eigenen Wahrheit wegschieben mit altklugen, allzu weisen Theorien. Nicht die Frage nach der Wahrheit unseres Lebens verdrängen durch Aktionismus. Nicht Pilatus und nicht Petrus ist es, die unter dem Kreuz stehen. Nur die drei Frauen und Johannes, der Jünger, den Jesus liebte. Diese sind es, die vielleicht nicht so klug sind wie Pilatus, nicht so stark wie Petrus, die aber dem Herzen Jesu nahe sind, gerade in dieser Stunde. „Jeder, der aus der Wahrheit ist, hört auf meine Stimme“ erfüllt sich für sie, als sie den Todesschrei Jesu hören und in diesem Schrei die Wahrheit der Welt begreifen. Die Kirche steht heute unter dem Kreuz. Angesichts des Leides sollten wir nicht weglaufen, sondern schweigend zusammenstehen.

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Mit Johannes und mit Maria. Im Schweigen unter dem Kreuz allein รถffnet sich die Wahrheit. Amen.

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EDITION

VOM PODIUM ZUM PREDIGTSTUHL UND ZUM KATHEDER Ein Büchlein, das nicht nur zum Schmunzeln verleitende Reiseberichte schildert, sondern auch kritische Anmerkungen zum Bildungswesen in Österreich bringt, sowie Beiträge zur Musikaesthetik, Liturgiewissenschaft und Musikwissenschaft beinhaltet: eine literarische Sammlung des Wissenschafters, Pädagogen und Musikers Frieberger ISBN 3-902143-00-2

ARS CELEBRANDI 112 Seiten, Taschenbuch, kartoniert Ein Handbuch für Studenten der Liturgiewissenschaft und den interessierten Liturgen in Form von Briefen an einen angehenden Priester mit Stellungnahmen zum Verhalten der Vorsteher bei der Eucharistiefeier Illustrationen von Johann Strohmaier ISBN 3 - 902143-01-0

RUPERT GOTTFRIED FRIEBERGER

ARS CELEBRANDI

EIN HANDBUCH FÜR STUDENTEN DER LITURGIEWISSENSCHAFT UND DEN INTERESSIERTEN LITURGEN

FABIAN

EDITION


RUPERT GOTTFRIED FRIEBERGER

GERECHT AUS DEM GLAUBEN EIN BÜCHLEIN ZUR BETRACHTUNG UND ZUR ANREGUNG IM LICHT DER ÖKUMENE ANSPRACHEN ZUM THEMENKREISEN “HALTUNG” UND “GOTTES BÜRDE”

FABIAN

EDITION

GERECHT AUS DEM GLAUBEN 162 Seiten, Taschenbuch, kartoniert 50 ausgewählte Predigten Ein Büchlein zur Betrachtung und zur Anregung im Licht der Ökumene Ansprachen zu den Themenkreisen „Haltung“ und „Gottes Bürde“ ISBN 3- 002143-02-09

ICH STEH AN DEINER KRIPPEN HIER 136 Seiten, Taschenbuch kartoniert Ein Büchlein mit Predigten und Betrachtungen zum Weihnachtsfestkreis ISBN 3-902143-03-7

EVANGELISCHE MUSIK IN OBERÖSTERREICH 24 Seiten, geheftet Eine Darstellung der Geschichte der Evangelischen Kirchenmusik in Oberösterreich mit einem Exkurs über das Evangelische Gesangbuch von Günter Merz ISBN 3-902143-04-5


Rupert Gottfried Frieberger, geboren 1951 in Linz/Donau, ist seit 1969 Praemonstratenser der Abtei Schlägl in Oberösterreich, mehrfacher Akademiker, bekannt als Künstler und Wissenschafter in Sachen Musik und Theologie, nicht nur redend über Ökumene, sondern sie auch in die Tat umsetzend, legt ein Büchlein mit Meditationen und Predigten mit dem Titel „Kreuz und Krone“ vor – als Anregung für das eigene Nachdenken zu den Themen Barmherzigkeit, Gebet und Passion. Wort und Musik sind ihm gleichermaßen Mittel der Verkündigung, sei es für seine Hörer an österreichischen Universitäten, seine Zuhörer, Freunde und die, die von denen er gar nicht weiß, dass sie ihm zuhören.....

ISBN 3-902143-06-1


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