Predigt zum 14. Sonntag im Jahreskreis, Lesejahr A (3.7.2005) 1. Investitionen • Vor der Ordination meines Vaters lag eine Straßenbahnlinie. Alle zwei Jahre etwa rückte dort seit unvordenklichen Zeiten eine Straßenbautruppe an und repariert die Schienen. Lange Zeit dachte ich, jemand aus der Stadtverwaltung hat gute verwandtschaftliche Beziehungen zu der Baufirma. Dann aber habe ich erfahren, warum die Schienen so oft repariert werden müssen. Die Straße liegt zur Donau hin auf lehmigem Grund, und der lose Boden unter der Straße rutscht immer wieder ein wenig weg und verbiegt damit die Schienen. Zwar könnte man die Schienen tiefer verstreben, unter dem Fließsand den Fels finden und dort das Fundament der Straße legen. Aber diese einmalige Investition ist im jährlichen Etat der Stadt nicht unterzubekommen und so zahlt die Stadt lieber alle zwei Jahre für die Reparatur. Dass dies auf Dauer viel teurer kommt, weiß jeder. 2. Glaubensfundament • Jesus behauptet, sein Joch drücke nicht, seine Last sei leicht. Er lädt die Menschen ein, zu ihm zu kommen um Ruhe zu finden für die Seele. Viele Menschen widersprechen und sagen im Gegenteil: Der Glaube und die Kirche würden das Leben doch viel komplizierter und anstrengender machen. Es sei doch viel leichter, in den Tag hinein zu leben und sich nicht um Gott und die Welt Gedanken zu machen.
• Wer das Glaubensbekenntnis spricht steht in der Tat vor einem Berg an Wahrheit, der erdrückend wirken kann. Wer soll all das verstehen und begreifen. Wer zu beten versucht, geht in der Tat einen Weg, der nicht so einfach zu haben ist, wie man im Bücherkaufhaus einen interessanten Titel mal eben mitnimmt. Wer ernsthaft als Glied der Kirche leben will, wird in der Tat die Fülle der Formen und die Last der Tradition erfahren. Deswegen liegt es nahe, dieses Joch abzuwerfen, liegen zu lassen und sich nicht damit zu belasten. • Vielleicht aber begeht man damit den selben Fehler wie die Stadtverwaltung, die ständig für Reparaturen zahlt, anstatt einmal ein sinnvolles Fundament zu legen. Vielleicht ist das Joch Jesu deswegen nicht drückend und ist seine Last deswegen leicht, weil sie befreit von einem Kleinkrieg, der sich doch nur um die Entscheidung für das Eine und Wesentliche des Lebens drückt. 3. Ein Schritt • Die Dinge bleiben auch für den, der den Sprung in den Glauben wagt und den Schritt in die Kirche geht kompliziert. Es geht nicht um die große Weltvereinfachung. Wer Verantwortung in der Welt trägt, für viele Menschen oder auch nur für wenige in seinem direkten Umfeld, wird weiterhin um diese Verantwortung ringen müssen.
Aber das Leben steht fortan unter einer Einfachheit und Geradheit die wir durch noch so viel Anstrengung nicht erreichen können. „Lernt von mir", sagt Jesus, „denn ich bin gütig und von Herzen demütig". • Schon am Anfang des heutigen Evangeliums steht dies als Jubelruf Jesu: „ Ich preise dich, Vater des Himmels und der Erde, weil du all das den Weisen und Klugen verborgen, den Unmündigen aber geoffenbart hast." Dies ist nicht nur die Erfahrung der frühen Kirche, dass die meisten Studierten den Glauben in seiner großartigen Einfachheit nicht fassen konnten, und dass die Reichen und Mächtigen zu sehr an ihrem Reichtum und ihrer Macht hingen, um sich für das Evangelium zu öffnen. Dies ist die bis heute gültige Wahrheit, dass wir uns von unserer Weisheit entleeren müssen, um den Glauben zu fassen. Dass damit kein plumper Anti-Intellektualismus gemeint ist, wird schon allein dadurch klar, dass zu den großen Heiligen der Kirche bedeutende Theologen gehören. Weder Paulus noch der Evangelist Johannes sind in diesem primitiven Sinn „einfach". Vielmehr geht es um jene Einfachheit der Seele, die sich nicht mit Weisheit und Klugheit voll pumpt, sondern in Demut und Schlichtheit der Weisheit dient. • Es geht um die Entscheidung, um den großen Schritt. Es geht darum, sich zu jener Investition zu entschließen, die das Fundament tiefer legt. Wer sich einfügt in die Reihe derer, die das Glaubensbekenntnis beten und wer sich in seinem Gebet auf den Weg der Einfachheit begibt, wird finden, dass durch den Glauben und die Kirche
das Leben nicht schwerer und komplizierter wird, sondern reicher und von jener heiteren Leichtigkeit, die der Seele Ruhe schafft.