RUPERT GOTTFRIED FRIEBERGER
ZWISCHEN ORGELBOCK UND DIRIGENTENPULT VON ORGANISTEN, PFARRERKÖCHINNEN UND ANDEREN MUSIKALISCHEN ZEITGENOSSEN MEMORABILIEN EINES REISENDEN MUSICUS
RUPERT GOTTFRIED FRIEBERGER Zwischen Orgelbock und Dirigentenpult
FABIAN
EDITION
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F端r Ingemar Melchersson zum Abschied als Stiftsorganist
RUPERT GOTTFRIED FRIEBERGER
ZWISCHEN ORGELBOCK UND DIRIGENTENPULT
VON ORGANISTEN, PFARRERKÖCHINNEN UND ANDEREN MUSIKALISCHEN ZEITGENOSSEN MEMORABILIEN EINES REISENDEN MUSICUS FABIAN
EDITION
ISBN 3-902143-08-8
Verleger, Herausgeber und Medieninhaber: FABIAN EDITION A-4954 Steinbach a. d. Steyr
Alle Rechte vorbehalten
copyright 2009
Herstellung: OFFSETDRUCK RAINER HIMSL A-4780 Schärding
Gedruckt mit Unterstützung der Oberösterreichischen Landesregierung
INHALT Erinnerungen an hochverdiente Lehrer ........................ 8 Gute Geister .................................................................. 10 Haben Sie dat alles allene gespielt? ............................. 11 Ohne Reisepass ............................................................ 15 Zürich ............................................................................ 17 Störenfried ..................................................................... 18 Eingeschlossen ............................................................. 21 Zu spät .......................................................................... 23 Erlösendes Telefon ........................................................ 25 Stadl-Paura .................................................................... 28 Übernachtungen ............................................................ 30 Venedig .......................................................................... 35 Ein besonderes Übernachtungserlebnis ...................... 38 Italienische Impressionen .............................................. 43 Der richtige Zug! ............................................................ 45 Alleingelassen ............................................................... 47 Strafe muss sein ........................................................... 49 Drei Konzerte in 20 Stunden ......................................... 51 Mozart mit Pannen ......................................................... 52 Von Mesnern und Pfarrern ........................................... 55 Offene Karten ................................................................ 59 Rysum ............................................................................ 61 Orgelerfolge und deren Konsequenzen ....................... 64 Zeitausgleich ................................................................. 67 Souvenirs Parisiens ...................................................... 69 Seltsame Attacke ........................................................... 71 Vorlesung Nr.2 ............................................................... 73 Vorlesung Nr.3 ............................................................... 76 Wie eine Kugel ............................................................... 78 Wettbewerbe ................................................................. 81 Musikkritik ....................................................................... 83 In Gent statt Muscheln Disco ........................................ 87 Paulus in Marokko .......................................................... 89
Dänemark 1994: Hunger mit fatalen Folgen .................. 92 Medienhintergründe ....................................................... 94 Wo ist der Akkord? ........................................................ 98 Rheinlanderfahrungen ................................................... 100 Autoeinbrüche ............................................................... 103 Chorreisen ..................................................................... 109 Wer spielt die Orgel? ..................................................... 113 „Entführung“ auf deutsche Art ...................................... 116 Stress in der Mozartwoche .......................................... 119 Wie CD-Aufnahmen entstehen ..................................... 121 Wenn Noten und Instrumente plötzlich fehlen .............. 125 Was einem im Norden alles passieren kann ................. 127 Was so ein Domorganist bewirkt .................................. 136 Posterfahrungen, oder: man lernt nie aus .................... 138 Autoverlust .................................................................... 142 Abermals Venedig ......................................................... 146 Verwechslung ............................................................... 150 Verstecke mit Fantasie .................................................. 153 Aus der Küche geplaudert ............................................ 156 Eine anstrengende Reise .............................................. 164 Irrwege in Sachsen ....................................................... 168 Schrecken mit Mühlviertler Dialogen ............................. 175 Nochmals: Mühlviertler Impressionen ........................... 179 Mitbringsel aus Polen ..................................................... 182 Nie wieder Polen! ........................................................... 192 Budweis bei Nacht ........................................................ 197 Kommunikationsprobleme in Passau ............................. 200 Wenn das Auto nervt .................................................... 207 Verflixter 24. Dezember ................................................ 209 Faschingssscherz? ...................................................... 214 Verluste ......................................................................... 218 Computersorgen ............................................................ 224 Ein alter Tscheche? ....................................................... 227 Seltsame Wege zu Orgeln ............................................. 230 Gebildete Bildungsministerin ......................................... 233
VORWORT Nach Erscheinen meines ersten Bändchens mit Reiseerinnerungen und anderen Kurzgeschichten („Zwischen Orgelbock und Dirgentenpult“) bzw. nach dessen Vergriffen-Sein hatten mich Freunde und Bekannte darauf angesprochen, noch so eine Leseprobe haben zu wollen. Darauf ist das Büchlein „Vom Podium zum Predigtstuhl und zum Katheder“ erschienen; auch dieses ist seit einigen Jahren vergriffen. Von vielen wurde ich zu einer zweiten Auflage animiert: es liegen hiermit die bereits erzählten Geschichten, angereichert durch neue Erlebnisse (die letzten 14 Geschichten) abermals vor. . Sie sollen zur Erheiterung und Erbauung beitragen, den aufmerksamen Leser bisweilen vor ähnlichen Situationen warnen und mein facettenreiches, schillerndes Dasein als Musiker und Theologe illustrieren.
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Erinnerungen an hochverehrte Lehrer Hans Gillesberger war an der Wiener Musikakademie mein Lehrer in Chorleitung und Stimmbildung. Der „Gilles“ – wie ihn jeder nannte – war der Inbegriff der Wiener Chorerziehung und „nebenbei“ auch Chef der Wiener Sängerknaben. Es war jene Zeit, in der er in fruchtbarer Zusammenarbeit mit Nikolaus Harnoncourt die Passionen, die hMoll-Messe und die erste Serie Kantaten Bachs auf Schallplatte einspielte; kein Wunder, dass er auch öfter überreizt von durchgearbeiteten Nächten in die Proben kam. Da wusste man es als „Alarmstufe eins“ zu deuten, wenn die Krawatte wegmontiert wurde ... Größten Respekt flößte mir seine charaktervolle Haltung gegenüber jedweder guten Musik und deren Vorbereitung ein. Da saßen wir an einem Samstagabend im Piaristenkeller beieinander, und „Gilles“ erhob sich zu noch nicht fortgeschrittener Stunde mit dem Wink, er müsse morgen Griesbachers Missa „Stella maris“ dirigieren und sich noch vorbereiten. Er, der Meister der Chorleitung, diese „Allerweltsmesse“ vorbereiten?? – Ich hab's mir gut gemerkt. Ein anderesmal rettete ihn Anton Heiller aus einer miesen Situation. Es war der Sonntag
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„Gaudete“: feierliches Amt in Wien-St. Ursula, der Hochschulkirche. Wir sangen eine Acapella-Messe, ich glaube, Missa „De beata“ von Josquin. Hermann Kronsteiner zelebrierte in aller Feierlichkeit die Messe und – nicht unfehlbar – stimmte er nach dem Kyrie laut tönend „Gloria in excelsis Deo“ an. Den „Gilles“ durchfuhr es wie ein Blitz, und er schaute verzweifelt zum Orgelspieltisch. („Sch....., a Gloria!“ zischte es dazu von seinen Lippen.) Dort saß Anton Heiller und erfasste die Notwendigkeit des Augenblickes: er zog einige Principalregister und spielte einige Takte solo, sodass sich niemand blamiert fühlen musste. Ich hab's mir gut gemerkt und musste von diesem Trick auch schon ein Mal Gebrauch machen, als ein hoher kirchlicher Würdenträger ebenfalls die liturgischen Bestimmungen für die Adventsonntage vergessen zu haben schien ....
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Gute Geister Die „guten Geister“ sie sind nicht unbedingt notwendig, aber sie machen das Alltagsleben eines Organisten, Dirigenten, Komponisten nicht nur abwechslungsreicher, sondern sorgen auch für Überraschungen und besorgen bisweilen auch für notwendige Handgriffe. Wenn man etwa auf einer Konzertreise allein unterwegs ist, und ein dienstbarer Geist sorgt für eine gebügelte Hose für den Abend. Oder es ist Ostersonntag, und am Klavier im Probensaal liegt ein Osterei von ungenannt zur Überraschung ... Oder man findet am Orgelspieltisch ein kleines Päckchen mit einem Stück Apfelstrudel vor ... – Das sind sie, die Freuden, die das auch von Stress, Missgunst und Skepsis geplagte Künstlerleben erst liebenswert machen. Ich weiß nicht, ob es an mir liegt, aber schon seit meinen ersten Orgeldiensten als Mittelschüler im Linzer Alten Dom haben sie mich umgeben, die „guten Geister“, und in verschiedenen Formen sind sie mir bis heute begegnet – als Pfortenbruder, „Chormutter“, Notenarchivar, Registranten, Reiseteilnehmer. Ich hoffe, dass ich keinen enttäuscht habe und mich mit meiner Kunst revanchieren konnte.
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Haben Sie dat alles alleene gespielt? - Improvisationen auf allerlei Art Seit meinem Erfolg in Haarlem 1974 bin ich vielleicht zurecht bei Konzertprogrammgestaltungen oft um eine Improvisation gebeten worden. Also um Stegreifspiel, das über selbstgewählte Themen sein kann, oder ein Kollege stellt das Thema, oder – was ich noch immer für das größte Risiko halte – man hat vom Publikum Themen zu erwarten. Da kann es schon passieren, dass ganz Ungeeignetes auftaucht. Ich habe von einem Konzert, das ich 1980 im Brucknerhaus Linz gab, der Kuriosität halber die Publikumswünsche „archiviert“. Mit einem Hut wurden in der Konzertpause u.a. folgende Wünsche gesammelt: „Die Neunte Beethoven“, „La Paloma“ ja, auch bloß verbale Anregungen wie „Die Liebe hat keine Grenzen“ waren darunter ... Aber auch mit von Musikern gestellten Themen kann man so seine liebe Not bekommen. In Dänemark habe ich einmal ein Blatt mit einer liedartigen Melodie eine Viertelstunde vor Konzertbeginn überreicht bekommen, noch dazu in einer sehr unange-
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nehmen Tonart. Wie ich das Thema anklingen lasse, höre ich Kichern aus der Kirche; eine bestimmte Unsicherheit befällt mich, ich variiere die Thematik in Quasi-Moll, ergreife die letzte Periode zu einem Fugenthema und – jetzt wird das Kichern lauter – lasse eine Stretta folgen, die ich ausnahmsweise mit einem ziemlichen Pedalfurioso abschließe. Tosender Applaus und lautes Lachen; dann erfahre ich, dass es sich um ein beinahe unanständiges skandinavisches Volkslied gehandelt hat. Ein anderesmal bekomme ich in Frankfurt ein sprödes auskomponiertes Thema, mit dem auch die Zuhörer wenig anzufangen wissen. Ich nütze die Vorbereitungszeit, einen Luther-Choral zu suchen, der sich zum Thema kombinieren lässt. Tatsächlich: „Erhalt uns, Herr, bei deinem Wort“ geht sich wunderbar aus, auch für kanonische Bildungen; ich notiere mir noch die Umkehrung und noch einige knappe Mutationen. Erst nach ca. acht Minuten lasse ich die „Katze aus dem Sack“, führe den Choral dazu ein und schließe mit einer Doppelfuge über beide Themen. Das Publikum dankt es mit viel Beifall, ein Kollege der Musikwissenschaft, der das Konzert besuchte, raunt mir zu, es sei die beste Lösung gewesen mit so einem sch..... Thema zu verfahren ...
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Ähnliches habe ich im Sommer '92 in Haarlem gemacht. Ich war Mitglied der Jury; für das Jurykonzert standen nicht gerade die improvisationsträchtigsten Themen bereit, obwohl ich über mein Thema noch nicht klagen darf. Ich kombinierte es mit dem gregorianischen „Ave maris stella“ und hatte Erfolg. Wenn ich mit „meinem“ Orgelreise-Publikum unterwegs bin – seit 1983 biete ich Orgelstudienreisen in verschiedene Landschaften an – , hat sich herauskristallisiert, dass ich die größeren Instrumente in Form einer längeren Improvisation vorstelle. Das kann auf einer einwöchigen Fahrt bis zu zehn größere Stegreifspiele ergeben, die den Charakter der betreffenden Orgeln herausstellen sollen. Da kann es schon vorkommen, dass sich Themen wiederholen, wie z.B. „Wie schön leuchtet der Morgenstern“. „Also, ihr Morgenstern von heute (in Hamburg) war ja wieder ganz anders als im Vorjahr in Graz!“, äußert sich ein liebenswürdiger älterer getreuer Reiseteilnehmer. ‚Hoffentlich’, denke ich mir. Ich liebe es überhaupt nicht, wenn sich beim Improvisieren jemand in meiner Nähe befindet. Selbst an der schwer bedienbaren Müller-Orgel von Haarlem habe ich immer alles alleine gemacht und die Registranten weggeschickt. Mit der Zeit entwickelt man auch
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seine „Tricks“ für Klangentfaltungen und bestimmte Kombinationen, die man sich nicht gerne abschauen lässt – und die hier zu erklären zu weit führen würde. Nichtsdestotrotz hat mich nach einer Improvisation an einer Domorgel Deutschlands schon einmal der Hausherr selber gefragt: „Sag’n Se, wie ham Se dat jemacht? Ik hab dat Dingen ja noch nie so rauschen hören!“ (Er meinte die Lautstärke seiner Orgel.) Und nach einem Konzert in der Hofkirche Luzern erwartete mich eine Dame beim Orgelaufgang mit großen Augen: „Sagen Sie, haben Sie dat alles alleene gespielt?“
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Ohne Reisepass Ich weiß, dass ich gerne, und wahrscheinlich zu oft, auf Reisen – vornehmlich auf Orgelreisen mit Studenten oder „meinem“ angestammten Publikum der „Schlägler Musikseminare“ – auf allerhand aufmerksam mache, zum Beispiel auch, nicht den Reisepass zu vergessen. Und eines Tages hat es mich bei einer ähnlichen Gelegenheit selbst erwischt. Da will ich einem Orgelkomitee einer Linzer Pfarre neue Orgeln in den Niederlanden zeigen, verabrede einen Treffpunkt in Passau, wo ich in ein Auto aus Linz zusteige – und in Frankfurt auf einer Raststätte bemerke ich fünf Stunden später, dass ich identitätslos bin, d.h. mein eigener Reisepass in meinem Auto in Passau liegt. Normal bin ich in solchen Situationen selten verlegen und habe auch hier eine „Lösung“ des Problems gefunden, allerdings machte „menschliches Versagen“ nochmals einen Strich durch die Rechnung. Ich spekulierte, dass mit der Deutschen Bundesbahn eine Nachlieferung möglich wäre, wenn wir in Deutschland übernachteten. Ich rief in Schlägt an, dass ein Mitbruder meinen Wagen in Passau irgendwie öffnen soll (er erzählte später, dass er dies in Anwesenheit eines Polizisten tat) und mit dem
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Nachtzug (dem Wien-Holland-Expreß) meinen Pass bis Duisburg mitsenden sollte. Das wurde auch so besorgt. Wir übernachteten in Duisburg; zielbewußt schritt ich am nächsten Tag zum Fahrdienstleiter am dortigen Hauptbahnhof, um das erstrebte Dokument abzuholen. Aber: mein Paß war nicht angekommen! Nach einigen Recherchen ergab sich, dass er aber wohl in Passau einem Schaffner übergeben worden war. Dieser verließ aber in Frankfurt den Zug, vergaß meinen Reisepass weiterzugeben – und wurde schließlich schlafend in einem Hotel der Deutschen Bahn in Frankfurt ausfindig gemacht! Am Nachmittag kam mein Pass dann an, „mein“ Orgelkomittee hatte ich vorausgesandt; ich konnte von unserer Schwesterabtei Duisburg-Hamborn ein Auto leihen und fuhr nun hinterher – und an der niederländischen Grenze hat man mich nicht einmal um meinen Pass gefragt!!! Um Mitternacht trafen wir einander in der Nähe von s'Hertogenbosch; von da an nahm die geplante Studienreise ihren Verlauf ohne weiteren Zwischenfall.
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Zürich Irgendwann in meiner frühen Zeit des Konzertierens hatte ich mir angewöhnt, vor dem Spiel einen Schluck Bier zu trinken. Und stolz auf das eigene Hausgetränk des Klosters, nahm ich, wenn es irgendwie möglich war, „Schlägler Bier“ auf die Reise mit. So auch bei einem Recital auf der Großmünsterorgel in Zürich. Als dann knapp vor dem ersten Akkord Schritte auf der Emporenstiege zu hören waren, deutete der Registrant meinen offensichtlich besorgten Blick richtig und ließ die geöffnete Flasche Bier hinter einer Tür im Orgelgehäuseunterteil verschwinden – gerade rechtzeitig, als .ein Pressefotograf erschien. Jahre später war ich wieder an der Großmünsterorgel – und ich habe die alte Bierflasche wiedergefunden, die inzwischen beinahe zum antiken Bestand unserer Brauerei gehörte.
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Störenfried Mit „Störenfrieden“ während des Orgelübens hat man so seine Erfahrung. Entweder kommen Personen, um eine Kirche zu besichtigen, die aber – gar nicht der Weihe des Ortes entsprechend – laut zu reden beginnen. Oder sie brechen in Wunderlichkeiten über die Orgel aus („Oh, die hat ja spanische Trompeten, guck mal!“); und schließlich sind da noch solche, die dann unbedingt an die Orgel wollen („Kann ich mal hochkommen, zu Hause spiel ich auch immer die Maiandacht:.. wissen Sie, nur kurz, aber ich spiel sonst auf jeder Orgel ...“) Da nützt manchmal wirklich nur ein energisches Wort, sonst könnte man die ganze geplante Übungszeit nur den höflichen Einlassdiener zur Orgelempore spielen. (Was nicht heißt, dass ich ernsthaft Interessierten nicht gerne Zutritt zum Instrument gewähre, und erst recht jungen Leuten, wenn sie dadurch etwas lernen wollen) So ergeht es mir übrigens auch manchmal, wenn ich in einer fremden Kirche konzertiere. Da finden sich dann auch noch andere Störenfriede, nämlich solche aus der Tierwelt: Es war ein Sommerabend 1976, ich sollte an der Flentrop-Orgel des Linzer Bruckner-
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hauses Plattenaufnahmen machen – zu einer für solche Aktionen übliche Zeit, nämlich nachts. Es sind kaum dreiviertel Stunden vorbei, wir haben die Einstellung der Mikrofon-Aussteuerung festgelegt, da beginnt plötzlich im Saal eine Grille zu zirpen, vielleicht animiert durch die Orgeltöne. Und zirpt und zirpt, und gedenkt nicht aufzuhören mit ihrer Art von Konzert. Nun ist die Akustik des großen Saales so vortrefflich, dass man auf allen Seiten – zumindest eine Grille – gleich gut hören kann: Steht man vorne, scheint sie hinten zu zirpen, steht man links, zirpt sie rechts ... Verzweifelt machen wir – Toningenieur, dessen Frau, mein Registrant und ich – uns auf die Suche nach dem ungebetenen Musikanten; ein Ohr am Boden, kriechen wir förmlich alles ab und orten schließlich das Tier in einem Schlitz zwischen Orchesterpodium und Unterbau, etwa zwei bis drei Meter unter dem Parkett. Was tun? Ich hatte zufällig ein mit Kampfer versetztes Sport-Tonicum zum Einreiben dabei und spritzte eine Ladung in Richtung Geräuschquelle. Und siehe da, es wurde still. Noch ein Strahl, zur Sicherheit! So, jetzt aber an die Arbeit; eine Stunde Verzögerung! Als ich um drei Uhr morgens zum letzten Mal die Hände von den Tasten
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nahm und schon müde „Gott sei Dank“ hervorstöhnte, meldete sich – wie im Bilderbuch – die Grille aus ihrer Ohnmacht zurück und begann ein neuerliches Konzert ...An ähnliche Störungen bei Plattenaufnahmen erinnere ich mich, als ich Ingemar Melchersson in Steinkirchen/Altes Land an der SchnitgerOrgel assistierte; dort waren es Vögel in den Kirschbaumplantagen rund um die Kirche, die mit sogenannten „Schussimitationsapparaten“ der Obstbauern verschreckt werden sollten – gerade in den Abendstunden. Bis knapp vor Mitternacht war da entweder ein Vogel oder ein „Schuss“ zu hören – und nach ruhigen zwei Stunden war's der Motorradlärm um die nahe gelegene Diskothek, der eine Aufnahme nur in Raten entstehen ließ.
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Eingeschlossen In den frühen 70er Jahren habe ich systematisch alle Orgeln Oberösterreichs, die auf das 17. und 18. Jahrhundert zurückgehen, besucht, um eine Inventarisierungskartei anzulegen. Manch lustige Geschichte wäre zu erzählen, was einem da alles unterkommt. Z.B. der kritische Blick einer Pfarrhaushälterin: „Können S’ überhaupt orgeln?“ Oder: „Na, na, wir hobn erscht letzte Wochn 'n Orglbauer doghobt ...“ oder: „Wos war denn an dem oltn Klempakostn so interessant?“ (Schließlich ist z.T. aus dieser Tätigkeit doch ein Buch und meine Dissertation entstanden.) Einmal habe ich eine Tour ins Innviertel zusammengestellt. Ein Ziel war u.a. die Filialkirche St. Florian bei Helpfau. Einer unserer jungen Mitbrüder spielte meinen Chauffeur; es ist November, schon ein wenig Schnee – kalt genug jedenfalls, dass der junge Ehrwürden im Auto sitzen bleibt, bei angelassenem Motor zwecks Heizung, und auch noch Radio hört: Dazu kommt, dass er selbst nicht sehr gut hört, was mir denn auch zum Verhängnis wird. Denn kaum habe ich mit dem großen, gotischen Schlüssel aufgesperrt, fällt das schwere Kirchentor hinter mir ins Schloss, und ich bin fest eingeschlossen. Alles Rüt-
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teln, Pochen und anderwärtiges Sich-Bemerkbar-Machen nützt nichts – Orgelspiel im Pleno erst recht nicht, denn das erwartet man ohnehin. Plötzlich eine Idee: hinauf auf den Turm. Die Glocke geläutet: bim, bam, bim, bam ... – keine Reaktion! Ich höre nur die leisen Klänge eines Autoradios, der Frater hört ja schlecht! Da sehe ich vom Turm aus eine Frau mit dem Fahrrad von weitem auf der Straße fahren. Ich forme die Hände zu einem Trichter und rufe aus Leibeskräften: „Hallo, fahren Sie bitte zur Kirche!“ Da zuckt die ältere Frau zusammen; beinahe hat sie wegen der schlecht gestreuten Straße eine Komplikation. Sie erschrickt, schlägt aber doch den Weg zur Kirche ein. Als sie näher kommt, rufe ich nochmals aus der Turmlaterne und erkläre die Gründe meines Verbleibes. Sie erlöst mich – der Schlüssel steckt ja außen; ich bedanke mich und stelle mich vor: denn komisch ist so eine Situation allenthalben, und es wäre nicht das erste Mal gewesen, dass mich jemand als Kirchendieb verdächtigt hätte. Während wir zur Vesper heimbrausen, liefere ich weitere Erklärungen an den nichtsahnenden Chauffeur ...
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Zu spät Eines meiner ersten öffentlichen Konzerte außerhalb Oberösterreichs – ich hatte erstmals „Aufsehen erregt“ mit einer Mitwirkung für das englische Fernsehen BBC, als ich 17 Jahre alt war – hatte ich am 30. Juni 1969 in Salzburg; es war Sonntag, just am Tag nach unserer offiziellen Maturafeier. Ich spielte am Vormittag meine Dienste im Linzer Alten Dom – mit ziemlich wenig Schlaf zuvor; und dann ergab es sich, dass zwei meiner Klassenkolleginnen, die schon ein Auto besaßen, sich antrugen, mich nach Salzburg zu fahren. Wir starteten mittags nach der letzten Messe, ich bereitete an der Orgel der Blasius-Kirche die Registrierung der Orgelstücke vor (das Programm war mit Bläsern gemischt), und dann machten wir einen ausgedehnten Spaziergang und landeten im „Höllbräu“, wo wir unser bestandenes Abitur nochmals feiern wollten. Wir bestellten u.a. Salzburger Nockerl – und warteten und warteten ... Wir haben sie aber doch noch bekommen – wie üblich, viel zu reichlich; dann zahlten wir und eilten nach St. Blasius, nachdem ich um 19.40 Uhr zum Aufbruch gemahnt hatte – in der Meinung, das Konzert beginne um 20 Uhr. Da erwartete mich einer der Organisatoren schon am Ende der Getreidegasse ganz
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aufgeregt: „Die Bläser spielen schon!“ O je, es hätte schon um 19.30 Uhr beginnen sollen ... Ich schwinge mich auf die Empore, und schon geht's auch für mich los. Ich habe damals keineswegs daran gedacht, dass ich jemals in Salzburg als Lehrender landen werde. Aber mit den Beginnzeiten von Konzerten bin ich seither (bis heute) vorsichtig geworden.
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Erlösendes Telefon In jener Zeit, als ich knapp vor der Matura stand, zählte die Bruckner-Orgel in St. Florian noch zu den unerklimmbaren Berühmtheiten unter den Großorgeln Österreichs, wo man es – ich zumindest schon – fast als Gnade empfand, ein Konzert auf einer Seitengalerie miterleben zu dürfen. Mein Gymnasiallehrer in Musik hatte mich dorthin schon ab meinem 14. Lebensjahr regelmäßig in Konzerte mitgenommen, und so erlebte ich im Jugendalter beinahe „hautnah“ die Arbeit am Spieltisch eines Illenberger, Heiller, Vollenweider und anderer internationaler Größen. Umso überraschter war ich über einen Telefonanruf des Stiftsorganisten Augustinus Franz Kropfreiter, der mich einlud, für vierzehn Tage die Vertretung an der BrucknerOrgel zu übernehmen. Der Dienst sollte hauptsächlich aus Orgelvorführungen, Hochzeiten und Beerdigungen bestehen. Ich stimmte zu und hatte große Freude und Lust, das erstemal an so einer Riesenorgel sitzen zu können. Herr Kropfreiter wies mich in das Instrument ein, übergab mir einen Schlüsselbund und verreiste. Meine Unterkunft hatte ich in einem Gästetrakt des Klosters. Ich konnte mich nicht zurückhalten und wollte schon
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am ersten Abend nach Versiegen des Touristenstromes – die große „Florianerin“ nach Herzenslust brausen lassen. Ich versuchte alle 103 klingenden Register mit allerlei Literatur und improvisierte bis spät in die Nacht. Und als ich mich in mein Zimmer zurückziehen wollte, war es passiert: die Sakristei war fest verschlossen (das wusste ich), und den „Schleichweg“ über eine Seitenempore konnte ich in der Dunkelheit einfach nicht finden. Nach mehreren Versuchen – einmal rammte ich sogar einen Kachelofen – kehrte ich auf die Empore zum Spieltisch zurück und beschloss, hier die Nacht zuzubringen. Ich stellte drei Sessel zusammen und legte mich, nachdem ich eine Weste zum Polster geformt hatte, nieder. Natürlich fiel es schwer einzuschlafen. Da erspähten meine umherschweifenden Augen plötzlich einen Telefonapparat! Ich richtete mich auf, studierte einen dazu angehefteten Zettel mit Nummern und dachte: „Kellerstüberl“ - das wird's! Es ist 23.30 Uhr: vielleicht erlöst mich einer. Nummer 23 – ich wähle – es läutet – jemand hebt ab. Ich schildere stammelnd meine Situation. Man schickt mir den rettenden Engel. Der erweist sich, wenn auch selbst nicht mehr
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ganz sicheren Schrittes, als verständnisvoller Wegweiser. Lange später, identifizierte ich ihn als einen hochstudierten Chorherren und Hochschulprofessor. Und sooft ich an der BrucknerOrgel konzertiere, erinnere ich mich beim Anblick des Telefonapparates an meine „Rettung“ zu nächtlicher Stunde.
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Stadl Paura oder: An drei Orgeln mit Umwegen Ingemar Melchersson, Karl Friedrich Wagner und ich haben in Stadl-Paura Musik für drei Orgeln für eine Schallplatte aufgenommen. (Es gibt dort nämlich drei gleichwertige Orgeln, gemäß dem Kirchenkonzept der Weihe an die Allerheiligste Dreifaltigkeit.) Bald darauf wurden wir zu einem „Concerto a tre“ eingeladen, und der Konzerttag war ein Pfingstmontag. Just an diesem Tag meldete sich der Kardinal von Wien zu einem Besuch in unserer Abtei an, so dass wir erst nach der Vesper zum Konzert fahren wollten. Karl Friedrich Wagner sollte aus eigenen Stücken direkt von Regensburg in StadlPaura eintreffen. Eine Blockflötistin aus unserem Bekanntenkreis schloss sich uns an und wollte auch einen sehr kurzen Weg zum gewünschten Ziel wissen. Dieser endete aber unvorhergesehenerweise auf einem Acker. Schließlich waren wir zwei(!) Minuten vor dem geplanten Konzertbeginn eingetroffen. Karl Friedrich erwartete uns fieberhaft. Rasch einige Absprachen über Verteilung von Partes und Registrierungen, und dann von mir die Mahnung an die anderen: „Vergesst nicht, den Orgelmotor einzuschalten!“
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Das Konzert beginnt mit einer Intrada für drei Orgeln, bei der ich den Part des dritten Instrumentes an der Hl.-Geist-Orgel besorge. Orgel eins spielt vor, Orgel zwei alterniert, und nun möchte ich mit meinem Echo antworten, aber – kein Laut! Ich beuge mich über die Brüstung und rufe ins Auditorium: „Ich habe keinen Strom!“ Schließlich kommt der Ortspfarrer zu Hilfe und stellt fest, dass die Hauptsicherung nicht eingeschaltet ist. Warum das passierte, weiß ich bis heute nicht. Damals war ich zu naiv, um an Sabotage zu denken. Ohne es für den geschilderten Anlass vermuten zu wollen, von Kollegen habe ich darüber schon schauderbare Dinge gehört. Wenn davon nur die Hälfte stimmte, wär's schon traurig genug. Für mich war's eine Lehre, vor Konzerten mit mehreren Beteiligten wirklich die Funktionstüchtigkeit der Instrumente bald genug zu prüfen.
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Übernachtungen Eine eigene Sache ist es mit Erlebnissen bei Übernachtungen, wenn man reist, um u.a. Konzerte zu geben. Da reicht der Empfindungspegel von „königlich“ bis „kriminell“ kaum aus. Einige Beispiele sollen dies erläutern. Auf meiner ersten „Reise“ 1972 durch Süddeutschland suchte ich ein Quartier für mich und zwei Mitreisende; es war der letzte Tag einer Konzertserie, wir waren in der Nähe des Kurortes Bad Füssing; dieser war völlig ausgebucht, die Zeit drängte zur Vorbereitung des abendlichen Konzertes, so dass ich rasch in einem Vorort in ein Gasthaus sprang, Zimmerschlüssel besorgte und auch gleich bezahlte. Wir wollten ja am nächsten Morgen bald abfahren, um zum Amt in Schlägl zu sein. Ich wunderte mich erst im Auto über die auch für damalige Zeiten äußerst billige Gesamtrechnung von knapp 20 Mark für ein Doppel- und ein Einzelzimmer. Das Konzert gespielt, die anschließende gesellschaftliche Verpflichtung „erledigt“ (die ich selten liebe, weil man immer über Orgel und Orgelmusik reden soll, oder noch peinlicher – über nicht Anwesende ausgefragt wird), hinderte uns zunächst ein Riesengewitter an der Fahrt in das Quartier. So war es knapp vor Mitternacht, als wir, mit Mühe
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übrigens, das auserkorene Gasthaus wiederfanden – und auch bald wussten, warum es so billig war. Da fehlte in einem Zimmer die Glühlampe, im anderen waren die Nachtkästchen Wäschedepot der Hausleute, last not least krachte eine ehemalige Kollegin der KSJ, die sich auf dieser Reise als Chauffeuse anbot, im Nebenzimmer mit voller Wucht mit dem Betteinsatz auf den Boden. Mit dem Schlaf war's vorbei. Wir – der Dritte im Bunde war ein Benediktiner-Kleriker der Wiener Schottenabtei – lachten nur mehr laut und schlichen uns um vier Uhr früh davon. In der Abtei Berne/Heeswijk in den Niederlanden spielte ich 1976 zum ersten Mal. Eine Sängerin und Solistin meines Chores begleitete mich und übernahm auch die Chauffeurdienste. (Das kann auf Konzertreisen sehr entlastend sein; allerdings bin ich ein schlechter „Beifahrer“ und brauche lange, bis ich mein Vertrauen herschenke.) Für mich hatte man ein Quartier im Altbau des Klosters vorgesehen, der auch als eine Art Museum fungiert. Meine Begleitung war in einem modernen Gästetrakt untergebracht. Der nette Gastpater machte mich darauf aufmerksam, dass eine Alarmanlage
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im Museumsteil ab 23 Uhr angestellt ist, und man vorher im Zimmer sein muss. Wir saßen noch mit dem Organisten und anderen Personen aus dem Orgelkreis beisammen, aßen Käse und tranken guten Wein. Dann brachte ich meine Begleitung zum Gästetrakt und wollte zurück in mein Zimmer - immer die drohende Zeit im Nacken, da die Alarmanlage zu wirken beginnt. Aber: ich konnte mein Zimmer einfach nicht finden. Ich irrte umher, schließlich fand ich einen leeren Schlafraum in einem anderen Teil, in den ich mich einschlich, die Tür verriegelte und dort schlief. Am Morgen wollte ich mich in der Frühe bei Tageslicht auf die Suche nach „meinem“ Zimmer machen – und stand plötzlich in der Wohnung des Abtes. Schließlich habe ich aus dem Labyrinth doch noch herausgefunden und endlich in meinem Zimmer meine Morgentoilette gemacht. Seither habe ich noch viel mehr Verständnis mit umherirrenden Gästen in unserem eigenen kleinen Waldkloster. Eine andere Art von ÜbernachtungsÜberraschung erlebte ich bei einer Familie im Württembergischen: ich war eingeladen, in einer evangelischen Pfarrei nicht nur ein Konzert zu spielen, sondern auch bei einem ökumenischen Got-
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tesdienst die Predigt zu halten. Ich war mit der Bahn unterwegs und man holte mich vom Bahnhof Stuttgart ab und brachte mich in eine stattliche evangelische Pfarrei, ein Ehepaar mit einem fünfjährigen quirligen, aufgeweckten Sohn. Bevor man mich ins Hotel brachte – das wirklich nett war und mit einem hervorragenden Bett ausgestattet war – sollte ich unbedingt noch im Hause des Gastgebers eine Tasse Tee zu mir nehmen; und auf die freute ich mich auch, denn es war ein etwas kühler November-Samstag. Es ergab sich aber die Situation, dass ich plötzlich mit dem kleinen Jungen alleine war; die Frau kochte den Tee, der Mann suchte nach dem Konzertprogramm. Da sprach mich der Knirps an: „Komm doch mit mir in mein Zimmer, ich zeig dir meine Schlange, ich zeig dir meine Schlange…!“ Ich lachte. Er sang dabei fast, richtig musikalisch. Ich wollte ihm eine Freude machen – denn sicher war das ja ein Stoff- oder Plastik-Tier – und folgte dem jungen Mann. Der trällerte weiter: „Meine Schlange…. Meine Schlange!“ Und hielt mir plötzlich eine lebende Schlange entgegen! Mich durchfuhr es – Nichts wie weg! Zurückgekehrt an den Tee-Tisch (der Tee dampfte nun schon in den Tassen) erholte ich mich schön langsam, und war sehr froh,
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dass ich nicht direkt in diesem Haus, sondern im Hotel n채chtigen konnte. Was f체r Haustiere doch junge Leute heutzutage haben!
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Venedig Manche Städte scheinen auf Musiker bestimmte Anziehungskräfte auszuüben. Was für Organisten heute noch immer vielleicht Haarlem bedeutet, ist Venedig wohl für alle Musiker zu allen Zeiten gewesen. Auch mich zieht es – zugegeben – immer wieder dorthin, nicht nur wegen der Orgeln in der Frari-Kirche oder in der Pietà, sondern allein schon der Stadt und ihrer Kunstschätze selbst wegen. Seit 1977 bin ich wohl beinahe jährlich wenigstens für einen Tag dort, manchmal öfter im Jahr. Aber mit dem ersten Aufenthalt verbindet mich eine ganz besondere Erinnerung: Ich hatte eine Einladung, beim „Ottobre organistico“ drei Konzerte an einem Wochenende zu geben. Ich unterrichtete damals mein erstes Jahr am Gymnasium der Kreuzschwestern in Linz und hatte bis 18 Uhr Unterricht. Anschließend daran wollte ich losstarten und bat einen Bekannten aus dem Linzer Domjugendchor, sich mir als Chauffeur zur Verfügung zu stellen. Oktober, viel Nebel, noch keine fertige Autobahn – das erschwerte die Nachtfahrt, so dass wir in der Serenissima erst um zwei Uhr morgens eintrafen. Eine Taxigondel trieb schließlich noch ihr Unwesen mit uns in
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einer nicht bestellten Spazierfahrt, so dass wir – um einen repräsentativen Obulus erleichtert – endlich zum Quartier „Domus Cavanis“ kamen. Dessen Nachtglocke, von deren Existenz ich mich zuvor telefonisch vergewissert hatte, funktionierte aber nicht, oder das Personal wollte nicht gestört werden. So fanden wir mit Mühe ein anderes Hotel im selben Gässchen neben der Chiesa „San Agnese''; wo auch das erste Konzert sein sollte. Schwermüde ließ ich die Koffer im Zimmer fallen, das eines von acht Zimmern war, die in einer Art Halbkreis ihre Anordnung hatten. Gegenüber die Dusche; die genoss ich noch, und als ich wieder ins Zimmer zurückwollte, da hatte ich vor Müdigkeit die Zimmernummer und die „geographische Lage“ völlig vergessen. Versuch Nummer eins missglückte – Tür verschlossen. Nummer zwei: Tür offen, doch eine mir fremde Person schnarchte vor sich hin. Beim dritten Versuch hat es schließlich geklappt, Gott sei Dank! Gegenüber dem Hotel war eine Schule, zu der schon um 7.30 Uhr Schüler mit Holzpantoffeln eilten – und echt südländisch, nicht gerade lautlos. Also war's mit dem Schlaf vorbei, und außerdem waren, wenn ich mich recht erinnere, vormittags schon Aufnahmen anberaumt.
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Aber ich habe freilich auch viele gute Erinnerungen an die Lagunenstadt, die mich noch immer j채hrlich wiedersieht.
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Ein besonderes Übernachtungserlebnis Skandinavien, Juli 1990, Konzerte in Norwegen und Dänemark; im Januar beginne ich Quartiere zu organisieren und zwischen den Konzerten eine Woche Urlaub einzuplanen – eine herrliche Woche zwischen Wasserfällen, Fjorden, Holzkirchen und Steinzeichnungen, an die ich mich gerne erinnere. Für die letzte Nacht in Dänemark, am Schluss der Reise, wollte ich mir etwas Besonderes einfallen lassen. Da steht in meinem Reiseführer: „...und wenn Sie etwas Ungewöhnliches erleben wollen, übernachten Sie auf einem ehemaligen Herrensitz“, darunter aufgelistet vier Adressen. Tatsächlich – Schloss Ulricsholm ist in der Nähe von Odense, wo ich den letzten Orgelabend der Tournee hatte. Ich buchte schriftlich und bekam eine Bestätigung retour, die sich sehen lassen konnte: beinahe auf echtem Pergament gedruckt, mit Kordel umwunden, und auch einen stolzen Preis nennend, der die Erwartungen entsprechend höher schraubte. Nun, nach zwei Wochen im hohen Norden endlich auf der richtigen Insel Dänemarks angekommen, wollten wir vor der Vorbereitung in Odense-St.Hans-Kirke noch das
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Quartier aufsuchen (wir: das waren Ingemar Melchersson und ein junger Mitbruder als Reisebegleiter). Aber das stellte sich als erste Schwierigkeit heraus. Nicht einmal der Briefträger im nahegelegenen Kerteminde kannte das Schloss. Nach längerem Fragen und Suchen kündete schließlich ein Schild an der Straße das begehrte Ziel an: „Ulricsholm Slot Gesellschaftsräume, Übernachtung, etc.“. Tatsächlich – ein Backsteinbau aus dem 17. Jahrhundert tut sich vor uns auf, an einem Teich, wunderschön. Das Auto abgestellt, zur Eingangshalle vorgetastet - die Eingangstüre offen, niemand zu sehen, nur von weitem Hundegebell ... Hineingeschlüpft durch die Tür, ein kurzer Blick: das sieht nicht aus, als ob überhaupt Gäste da wären; mehr museal ... Ich winde mich wieder hinaus, plötzlich erscheint ein schweißtriefender Koch aus dem Erdgeschoß. Ich mache mich verständlich, dass wir angemeldet sind und die Zimmer beziehen wollen. Ja, aber die „gnädige Frau“ kommt erst aus der Stadt zurück, die weiß alles ... „Aber, wir müssen zum Konzert!“ Ich mache den Vorschlag, zuerst Kaffee zu trinken; vielleicht kommt die „Gnädige“ inzwischen zurück. Wir werden ins Speisezimmer geleitet, wo man „vom Staub vergangener Jahre“ einiges sehen kann. Ein Ehepaar – deutsch-
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sprechend – kommt mit Fahrrädern an und will essen. Derselbe Koch, der sich rasch in einen Butler verwandelt und sich als das Factotum des Hauses erweist, erklärt umständlich, was es alles nicht gibt und vielleicht doch gibt. Wir amüsieren uns im Hintergrund. Mich reizt es, die Speisekarte sehen zu können und bitte darum – mit dem Hintergedanken, abends nach dem Konzert hierher zum Speisen zu kommen. Fasanbrüstchen, Kaninchen, Forelle…: herrlich! Während des Blätterns nimmt mir der Butler die Speisekarte wieder weg und bringt eine andere, mit der Entschuldigung, er habe sich geirrt. Deren Unterschied besteht aber bloß in höheren Preisen! Ja, und schließlich gibt uns der abgekämpft aussehende, mitleiderregende Herr noch die Empfehlung, wir sollten lieber in der Stadt essen! Schließlich ist Madame zurück, wir können die Zimmer zu sehen bekommen und auch beziehen: „blaues Fürstenzimmer“ und „Elisabeth-Kabinett“, jenes in aller Geschmacklosigkeit mit blauen Plakatfarben übermalt, inklusive der Heizkörper, dieses in Rosa gehalten. Lose elektrische Leitungen gehen quer über die Waschmuschel. Die zwei gezeigten Bäder sind von ähnlicher Qualität: in einem kein Abfluss, im anderen fehlt der Brausekopf; bleibt bloß die Kaltwasserdusche für den Gärtner am Ende des Ganges.
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Eine Umgebung beinahe wie in einem Gruselfilm! Aber was bleibt einem über, als froh zu sein, ein Quartier zu haben; so knapp vor dem Konzert etwas anderes zu suchen, ist kaum möglich. Und irgendwie war's auch spannend ... Konzert gespielt, im Rathauskeller mit dem Hausorganisten gegessen und getrunken, zurück zum Schloss. In meiner schon geübten Voraussicht hatte ich beim Weggehen die Hintertür nur angelehnt – unser Glück, es war die einzige Möglichkeit, Einlass zu bekommen. Müde ins Bett. Plötzlich, um 24 Uhr (!!), klopft es – wie in einem Geisterstück - an die Tür: „Ja!“ Da steht der Butler mit einem Riesenhund in der Tür und fragt unschuldig, um welche Zeit er das Frühstück richten darf! Die „komischen“ Zustände zeichneten auch das Frühstück aus; ganz entgegen dänischen Gewohnheiten besteht es aus vertrocknetem Toastbrot, ein bisschen Butter und zwei Marmeladetöpfen, alles auf einem staubigen Servierboard bereitgestellt. „Da wendet sich der Gast mit Grausen ...“. Nur: es war mit Abstand der teuerste Nachmittagskaffee, den ich je genossen habe (Salzburg ist dagegen ein Diskontladen), und, gemessen am „Komfort“, auch die teuerste Übernachtung.
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Als ich am Morgen nach dem Erwachen aus dem Fenster blickte, fuhren mehrere schwarze Mercedes-Wagen vor; gut gekleidete Herren mit Aktentaschen fanden sich zusammen, und es hatte den Anschein, als tage eine Kommission von Juristen Ăźber die AuflĂśsung des Betriebes ....
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Italienische Impressionen Auf einer Italientour konzertierte ich in Rimini, Pesaro, Ferrara und als letzte Station Colorno. Ich muss gestehen, ich musste mir die zwischen Parma und Mantua gelegene Stadt erst auf der Landkarte suchen. Dann aber belas ich mich in einem Kunstführer, dass die stattliche Kirche 1796 eigens für ein Treffen zwischen dem Papst und Napoléon gebaut wurde, das dann aber dort nie stattgefunden hat. Von weitem sieht man den hohen, schlanken Campanile – und gleich einer magischen Anziehungskraft folgend lenkte ich mein Auto darauf zu, packte die Notentasche unter den Arm und startete auf die Chiesa zu. Etwas sonderbar war mir schon zumute, ein unbeschreibliches Gefühl sagte mir, dass hier etwas nicht stimmt. Das sollte sich auch bald bewahrheiten: Denn nicht nur, dass die Kirche einen verwahrlosten Eindruck auf mich machte – in der Eingangshalle standen Mülltonnen der städtischen „Umweltverwaltung“ –, als ich die von Serassi gebaute Epistelorgel erklommen hatte, bot sich ein Anblick des Grauens: da fehlten schon Pfeifen im Prospekt, waren Pfeifen verbogen, bestand die Klaviatur aus abgebrochenen Tasten, waren Skelette von Mäusen zu sehen kurzum –
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eine abschreckende Kulturschande sondergleichen. Hier kann also auch beim besten Willen kein Konzert sein! Dabei hat man mir nach Österreich Konzertprogramme zugesandt – so schön, wie ich kaum welche je gesehen habe: ein färbiger Reprint einer alten Lithographie des Städtchens als Faltblatt mit geschmackvoll eingedrückter Stückfolge. Ich schlendere über die Piazza, finde sogar ein ebenso schönes Plakat und erfrage schließlich, dass die Orgelkonzerte an einer historischen Orgel von 1700 in der Friedhofskirche außerhalb der Stadt sind. Nun hatte ich noch Glück, einen Bekannten als Chauffeur mitzuhaben, denn das alte Ding und die Kirche überhaupt waren noch ohne Stromversorgung – und ein Kalkant also vonnöten. Ich erinnere mich aber noch gut an das stimmungsvolle Konzert, zu dem man dann aus dem benachbarten Mesnerhaus mit improvisierten Kabelverbindungen eine Abendbeleuchtung installierte. Als ich zehn Jahre späte eher zufällig wieder durch Colorno kam, feierte man just an diesem Tag Orgelweihe für die inzwischen hervorragend restaurierte Serassi-Orgel in der großen Kirche.
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Der richtige Zug! Domorganist Oehms lud mich zu den Trierer Orgeltagen ein; Anfrage im Januar, Konzert im Juni. Ich war damals auch Gymnasiallehrer der Kreuzschwestern in Linz. Jetzt sollte man wissen, wann Maturatermin ist! Ich hatte ja eine achte Klasse ... Aus dem gestrengen Direktor ist nichts herauszubringen. Ich versuche es beim Landesschulrat – mit Erfolg; aber der Termin ist just im Juni, in jener Woche beginnend, in der das Konzert in Trier ist. Ich sage auf gut Glück trotzdem zu. Und wie es schon sein will, ist am Tag nach dem Konzert prompt eine Kandidatin meiner Achten bei mir um neun Uhr zum mündlichen Abitur vorgesehen. Ich muss also mit dem Nachtzug zurück. Das heißt, - sofort nach dem Konzert bringt mich ein Domchorsänger mit dem Auto (und seiner zur ordnungsgemäßen Geschwindigkeit mahnenden Frau) nach Koblenz zum Bahnhof. Rasch hinaus. Bahnsteig 11. „Alpen-Rhein-Expreß“. Ich will einsteigen. „Ne, dürfen Se nich, dat is 'ne jeschlossene Pilgergruppe nach Lourdes!“ – „Aber, AlpenRhein?“, frage ich. „Der jeht Bahnsteich zwölf!“
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Koffer in die Hand, die Stiegen hinunter, die Stiegen hinauf, Zug steht da. Ich zum „Rotkäppchen“ am Bahnsteig: „Alpen Rhein nach Passau?“ – „Nee, nach Oostende! Die andere Richtung jeht Gleis 11!“ - Da kreuzen sich zwei Züge desselben Namens zur selben Zeit im Bahnhof Koblenz. Als ich schon beinahe verzweifelt wieder auf Gleis 11 auftauche, fährt der LourdesSonderzug ab; langsam rollt der richtige Zug mit fünf Minuten Verspätung ein. Ich steige ein, habe sogar ein ganzes Abteil für mich allein und schlafe herrlich durch bis Passau. Dort weckt mich der Zollkontrollor. Einen Schaffner gab's offensichtlich nicht. Um ca. 7 Uhr in Linz angekommen reicht es gerade noch zum Frischmachen und zu einem kurzen Frühstück, und um neun Uhr saß ich wie vorgesehen in der Prüfungskommission. Aber: wenn ich tatsächlich in die falsche Richtung gefahren wäre, wie hätte dann wohl die österreichische Schulbürokratie damals reagiert?
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Alleingelassen Meistens wird man, wenn man zu einem Konzert anreist, von den Veranstaltern empfangen und sozusagen „betreut“, oft mehr als einem lieb ist; da kann es auch passieren, dass man – gut gemeint – die gesamte Zeit gehegt und gepflegt wird, mit Besichtigungsprogramm etc., und man muss sich für eine freie Minute für sich selbst schier wehren, ja bisweilen deutlich werden, dass man auch allein sein kann und will. (Ein eigenes Kapitel wäre über die frühere „staatliche Betreuung“ in osteuropäischen Ländern zu schreiben.) Aber das Gegenteil – das habe ich bisher nur ein Mal erlebt. Schloss Akerhus in Oslo lud mich in die Schlosskapelle zu einem Sommerkonzert ein. Der Schlossorganist war in Ferien. Bei meinem Eintreffen vormittags – das Konzert war ungewöhnlicherweise um 14 Uhr (!) – war niemand, aber schon gar niemand „zuständig“. Über Umwege habe ich einen Schlüssel zur Orgel „ergattert“ – er war in der Orgelbank versteckt. Viel touristischer Betrieb – die Besucher wurden in Massen durch die Kapelle getrieben - ließ an Üben kaum denken. Einige Register ausprobieren, das war's. Und es sah eigentlich auch gar nicht danach aus,
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als ob da bald ein Konzert wäre. Schließlich kam dann eine Viertelstunde vor zwei Uhr eine Dame mit einem Stoß Programme in der Hand. Die wunderte sich auch noch, als ich um ein solches bat. Die Glocke schlug „zwei“, und die Kapelle füllte sich tatsächlich mit Zuhörern. Ich begann zu spielen. Nach dem Konzert kam sogar jemand auf mich zu, der mir in einem Kuvert ein eher bescheidenes Honorar überreichte, beinahe wortlos. Und das war's auch schon wieder. Vielleicht wäre es nicht einmal aufgefallen, wenn ich nicht gekommen wäre. Jedenfalls war ich so wenig Betreuung auch wieder nicht gewöhnt.
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Strafe muss sein In der Schlosskapelle zu Frederiksborg in Dänemark habe ich öfters konzertiert. Es ist jenes berühmte Kastell, wo die EsaiasCompenius-Orgel von 1610, eine P.G. Andersen-Orgel von 1974 und eine Marcussen-Orgel aus dem 19. Jahrhundert zur Verfügung stehen, und wo sich auch fantastische Kunstsammlungen befinden. Den Werten entsprechend gibt es auch ein Bewachungssystem. Üben kann man nur nachts, aber dafür erscheint – wie in alten Zeiten – in bestimmten Abständen ein Nachtwächter, der ungefähr stündlich das Schloss abschreitet. Am Konzerttag selbst ist es möglich, am Nachmittag einzuregistrieren. Und da passierte mir 1990 das Peinliche: Ausgestattet mit den Sicherheitsschlüsseln hantiere ich am Portal der Schlosskapelle und einer der Schlüssel bricht ab! Nicht auszudenken, welcher Schrecken mir durch die Glieder fährt - und welches „System“ ich dadurch in Bewegung setze, bis die Tür durch behördlich befugtes Personal, das extra erscheint, aufgeschlossen wurde. Ich entschuldige mich „hundertmal“, und weiß ja bis heute nicht, wie mir das passieren konnte, da ich an sich sehr sanft umging.
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Trotzdem hat mich eine kleine „Strafe“ ereilt: Durch die notwendigen Maßnahmen war die Zeit zum Konzert hin so knapp geworden, dass ich inmitten des Besucherstromes den Weg zur Orgel hin suchte. Es war mir aber unmöglich, dem Kassier zu erklären, dass ich der Organist selbst bin; also bezahlte ich Eintrittsgeld und ging die Treppen hoch, von denen man mich auch noch zurückholen wollte.
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Drei Konzerte in zwanzig Stunden Dass man bei Konzertreisen Termine möglichst knapp hintereinander legt – außer man verbindet die künstlerische Tätigkeit mit einem Urlaubsaufenthalt –, versteht sich schon aus zeitökonomischen Gründen. Da kann es schon vorkommen, dass drei bis vier Tage hintereinander jeden Abend ein Konzert zu spielen ist, außer es ist eine „größere“ Orgel darunter (ich denke dabei an Passau, St. Florian oder ähnliche „Kaliber“), für die man mehr Vorbereitungszeit braucht. Auf einer unserer Orgelreisen mit Studenten und Kunstliebhabern ist es mir allerdings „geglückt“, innerhalb von zwanzig Stunden gleich drei öffentliche Konzerte zu spielen: am Samstagabend im Ulmer Münster eine Abendmusik im Hochchor zusammen mit einem Flötisten, am folgenden Sonntag um elf Uhr das Münsterkonzert, und schließlich um 16 Uhr in Rot a.d. Rot an der Holzhay-Orgel ein Soloprogramm mit Musik aus dem 18. Jahrhundert. Ich gebe zu, das war wirklich anstrengend; wiewohl ich manche Kollegen nicht verstehe, die schon Tage vor einem Konzert zu stöhnen und zu jammern beginnen über, dies und das, von Essen, Wetter, der Orgel, dem Registranten bis hin zum ach so schweren Programm.
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Mozart mit Pannen Es geht um Mozarts Requiem in einer interessanten Neuinstrumentierung aus England mit historischen Instrumenten und meinen Chören aus Schlägl. Die Proben hatten mir Spaß gemacht, und auch die Generalprobe am Nachmittag verlief zu meiner Zufriedenheit. Auch das Ensemble hatte sichtlich Freude an „meinem“ Mozart-Klang. Die Aufführung sollte am Abend sein, und so organisierte ich für die Ausführenden noch Wurstel zur Stärkung. Ich selbst reservierte mir eine alte, zähe Semmel, wie sie meine seit einer Gelbsucht beleidigte Leber gern hat, und nahm mit dieser kauend vorlieb. Prompt erscheinen auch noch Gäste aus Cambridge, die sich eigens den Termin dieser Vorführung vorgemerkt hatten, und ich eile kauenderweise zur Klosterpforte und empfinde plötzlich ein lautes Knacken in meinem Kopf, ungefähr so, wie wenn das Kiefergelenk „knackst“. Und doch war es anders; ich taste mich mit der Zunge durch die Mundhöhle, habe aber auch wenig Zeit zur Beunruhigung, da ich mich den Gästen widmen muss, weise ihnen den Weg zur Kirche, und mache dort auch noch Bekanntschaft mit einem Australier,
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der angeblich gerade in Theatern in Toronto die Hauptrolle in „Amadeus“ spielt. Schließlich sage ich mich los, ziehe mich in meiner „Zelle“ für die Aufführung um, besorge der Sopransolistin, die ihre Bluse vergessen hat, noch ein weites weißes Hemd, aus meinem Wäschekasten und trete ans Pult. Chor, Solisten und Orchester erwarten mit Spannung das Avertissement für den Introitus, und ich beginne in langsamen Vierteln zu schlagen. Die Fagotte und Basetthörner folgen meiner Anweisung zur Klage, alles nimmt sehr ausdrucksvoll nach meinen Intentionen seinen Lauf. Ich bin froh und mitgenommen zugleich und gebe in der KyrieFuge die Proportion 2 : 1 vor, feuere Sänger und Instrumentalisten zu einer mächtigen Steigerung in die Fermate des Trugschlusses an: Wie ich aushole zum Grave der Schlußkadenz, gelangt meine rechte Hand aus unerklärlichen Gründen unter das Dirigierpult, das ich infolgedessen beinahe mit voller Wucht aushebe; vor Schmerz stieße ich am liebsten einen Schrei aus. Gleichzeitig muss ich wohl auch mein Gesicht verzerrt haben, denn plötzlich wird auch der Grund für das vorhin beschriebene Knacken offenbar: ein plombierter Zahn war entzweigebrochen, und ich hatte plötzlich einen Teil davon im Mund.
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An Pannen nicht genug: Die Suche nach einem Taschentuch vor dem „Dies irae“ war vergeblich; erst in der Stimmpause vor dem Offertorium „Domine Jesu Christe“ erbat ich mir von einer Geigerin ein Tuch, das ich unbemerkt mit meiner Zahnreliquie füllte. Die Musik wurde so hinreißend wiedergegeben, dass ich gar nicht länger über das Malheur nachdachte, sondern erst inmitten des Schlußapplauses Erinnerung an meine sonderbare Lücke im Gebiss fand.
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Von Mesnern und Pfarrern – von Bodenpersonal und anderen Kirchenfürsten Aus eigener Erfahrung habe ich meine Schüler immer auf die Wichtigkeit des höflichen Umganges mit dem „Bodenpersonal“ aufmerksam gemacht. „Mesner (Küster), Pförtner, Pfarrerköchinnen und Schulwarte“ – so hieß meine stereotype Liste, sie waren schon seit meinen Jugendtagen meine besonderen Freunde. (Auch heute halte ich diese Personen, die so viele Handgriffe und Hilfeleistungen, auch für Kirchenmusiker, vollbringen – und das oft um Gottes Lohn, in Ehren, und meine, eine besondere Ader für diese Gruppe lebendiger Nothelfer zu haben.) Sei es der Dommesner in Linz (der mir schon 1969 am gewissen Ort die Rudigierorgelschlüssel unerlaubterweise hinterlegte), der Küster der Frari-Kirche in Venedig, die Haushälterin in Udine oder der Pfortenbruder in Ottobeuren – mit vielen verbindet mich eine freundschaftliche Bekanntschaft, teilweise noch aus der Zeit vor meinem Klostereintritt. Freilich sind inzwischen schon etliche in die Ewigkeit vorausgegangen. Aber ich habe gelernt, wie sehr sich solche Leute allein
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über die Zeit freuen, die man ihnen schenkt, um mehr als nur notwendige Worte zu wechseln – oder über kleine Aufmerksamkeiten oder das Interesse für ihre Tätigkeit. Und gerade die, die ich schon sehr lange kenne, sind heute – wie ich mir erzählen lasse – stolz darauf, dass sie den „berühmten“ Frieberger kennen und dieser mit ihnen ganz „normal“, ja liebenswürdig umgeht. Das soll jetzt kein Selbstlob sein, sondern vielmehr das Gesagte unterstreichen, dass man diesen dienenden Leuten eigentlich zu wenig dankt für ihre Selbstlosigkeit. Da ist manchmal der Umgang mit Pfarrern, Sakristeidirektoren, Pröpsten, Pastoren schon schwieriger. Es hat mich in meinen jüngeren Jahren mehr als ein Mal ein schräger Blick durchbohrt: „Kannst du überhaupt Orgel spielen?“ Auch die gewisse an Überheblichkeit grenzende Untugend, alles „unter“ dem Pfarrer befindliche Volk gleich mit „Du“ anzureden, auch wenn man bereits großjährig ist, ist mir nur in katholischen Kreisen begegnet. Während meiner Tätigkeit als Lehrer für Gregorianik, Liturgik etc. an der Kirchenmusikabteilung des Mozarteums Salzburg habe ich oft Studenten klagen gehört über die schier anmaßende Kompetenzergreifung von Pfarrern in musikalischen Fachbereichen. Ich spielte damals „von Amts wegen“
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und auch heute noch „privat“ eine Art Beichtvater und Aussprachestation. Mit aller Diplomatie versuchte ich da zu vermitteln, wenngleich mir manchmal selbst die Zornadern anschwollen über die geschilderten Fauxpas meiner „Brüder im Amt“. Zwei von vielen Erlebnissen können dies verdeutlichen: Ein Student legte bei mir, zusammen mit drei anderen Jahrgangsgenossen, eben die Diplomprüfung in Choral ab. Wir feierten die guten Noten und das Ende der Studienperiode in einem Salzburger Lokal. Zu fortgeschrittener Stunde gesteht er, er müsse um 6 Uhr früh einen Gottesdienst in einer berühmten Wallfahrtskirche am Stadtrand spielen und müsse nun leider nach Hause. Ich erkläre mich spontan bereit, den Orgeldienst zu übernehmen, da ich ohnedies bald am Morgen den Heimweg in meine Abtei antreten will. Der „Freundschaftsdienst“ beginnt allerdings schon von Anfang an mit Schwierigkeiten. Ich will mit dem Auto zu besagter Kirche, die Türme grüßen schon über ein Feld her, aber ich finde absolut keine Straße dorthin. So lasse ich das Auto auf einem Feldweg stehen; die Glocken läuten, und ich eile querfeldein zum Gotteshaus.
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Ich stürme in die Sakristei und will bei dem Unternehmen auch im gewissen Sinn mein Vergnügen haben. Ich gebe mich also als Schüler meines Schülers aus und frage höflich um das Liedprogramm. Der fragende Blick des Paters lässt mich sagen: „Es wird schon gut gehen, 'Maria zu lieben' kann ich schon ...“ Dann rasch auf die Empore, und wie es schon sein will – ich finde den Schalter zum Motor nicht! Das erhärtet bei der Mesnerin die Mutmaßung, dass es mit meinen Künsten noch nicht weit her sein kann. Sie eilte nämlich herbei und zeigte mir den Schalter. Ich spiele, so glaube ich, ganz anständig und einer Vertretung würdig. Nachher spielt sich in der Sakristei folgende Szene ab: Der Pater hält ein 10-Schilling-Stück (!) in den Fingern, drückt es mir in die Hand und sagt mit sonorer, herablassender Stimme: „Tüchtig, tüchtig, geht ja schon ganz gut, nur weiter üben!“ Ich mache einen Diener, gebe das Geldstück in die Hand des Geistlichen zurück und sage: „Aber Hochwürden, so gut war's auch noch nicht, das nächstemal vielleicht!“ und verschwinde. Komisch, dass jener ehemalige Schüler bei unserer nächsten Begegnung einen roten Kopf bekam!
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Offene Karten Die „Mündigkeit“ der Kirchenmusiker und die Anerkennung derselben klaffen bei verschiedenen „Dienstgebern“ und in unseren Breiten vor allem zwischen Protestanten und Katholiken arg auseinander. Da schüttet wieder einmal ein Student sein Herz aus, dass der Pfarrer alles bestimme, was und wie er zu spielen habe. Ich kann es gar nicht glauben, so anmaßend hört sich die Schilderung an; so, dass ich selbst den nächsten Dienst in seiner Kirche spielen will. Es ist Samstag-Vorabendmesse. Ich komme in die Sakristei, stelle mich als Vertretungsorganist vor und frage, was zu spielen sei. Gleich einer Litanei wird mir der liturgische Speiseplan verkündet. Das ... und das Lied, aber nicht zu viele Strophen, „bei der Kommunion tun S’ präludieren, aber net z'laut, nur am zweiten Manual, und das ‚Schlusspräludium’ (!) bloß a paar Takte!“ Ich zücke aus dem Sakko heimlich mein Zelebret (eine Art Ausweis, die mich als Priester vorstellt, der die Erlaubnis zur Zelebration der Messe in dieser Diözese hat), lasse den großspurigen, vielwissenden Hochwürden ausreden, halte ihm demonstrativ mit einer Hand den Orgelschlüssel unter die Nase, in der anderen den Ausweis
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und kann mich nicht länger zurückhalten: „Herr Pfarrer, ich sehe, Sie kennen sich soo gut aus, was das Orgelspiel anbelangt, wir tauschen besser die Rollen. Sie spielen, und ich zelebriere die Messe!“ – „Aah, äh, wieso (er studiert mein Zelebret) ... oooh, Herr Professor, nana, Sie können’s machen, wie’s g’hört, Sie wissen dös ja ...“ Nach der Messe, in der ich bewußt auch viel Literatur spiele, frage ich ihn beim Abendessen – zu dem er mich eingeladen hatte – spaßhalber, ob er mich für einen so schlechten Pädagogen hält, dass ich meinen Schülern nicht beibringen könne, was die Kirche vom liturgischen Orgelspiel verlangt. Deutlich allerdings bitte ich ihn, die jungen Leute, die heute mit Idealismus ihre Zeit am Sonntag für das Orgelspiel opfern und deren es leider gar nicht so viele gibt, doch als angehende Fachleute zu behandeln und zumindest im Dialog mit ihnen die Musik zum Gottesdienst zu klären. Ich glaube nicht, dass er einem Installateur Vorschriften macht, wie dieser die Wasserleitung anzuschließen habe. Ich glaube, er hat den brüderlich gut gemeinten Rat verstanden: denn ich hörte nie wieder eine Klage.
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Rysum Es war im westlichsten Ostfriesland, auf der sogenannten „Krummhörn“, einem Landschaftsstrich zur Ems hin. Ich spielte an einer der ältesten erhaltenen Orgeln der Welt, der gotischen Orgel von Rysum aus dem Jahr 1457, Schallplattenaufnahmen. Unser Quartier war im einzigen Dorfgasthaus, einfach, aber liebevoll bereitgestellt, und zu einem spottbilligen Preis, den man kaum glauben konnte. Noch dazu hatte man in einem Extrazimmer einen Fernseher für uns aufgestellt, der die nötige Unterhaltung bieten sollte, so man überhaupt daran denken konnte und wollte. Doch gerade das reizte mich, als ich – es war ein Samstagabend – um Mitternacht den Schluss-Strich unter unsere Aufnahmen setzen konnte. Ich hantierte am Gerät und suchte ein Programm; und tatsächlich – es begann gerade ein englischer Kriminalfilm „Wiegenlied für eine Leiche“. Spannend – zugegeben, und in gewissem Maße auch entspannend nach einem anstrengenden Aufnahmetag. Als ich mich nach Beendigung des Programmes in mein Zimmer zurückzog, konnte ich nicht recht einschlafen. Es war Vollmond, und der Schein des Mondes trug das Nötige zur
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Stimmung bei, als mein Blick sich auf das untere Bett-Ende heftete, das im altdeutschen Stile reichlich mit Schnitzereien verziert war. Ich glaubte, meinen Augen nicht trauen zu dürfen – aber was ich hier sah, das war doch – eine Hand! Finger, die sich um die Oberkante des Bettgestells schlangen, glitschig anzusehen, fahl, irgendwie gruselig. Denke ich mir: So ein Blödsinn! Schaust du dir so einen Film an, dann beginnst du zu phantasieren und siehst Geisterhände. Ich drehe mich um, schließe die Augen und ziehe die Bettdecke halb über den Kopf. Aber wie es schon so ist, es lässt einem doch keine Ruhe. Man möchte ja doch wieder nachsehen, ob das Phantom noch sichtbar ist. Ein scheeler Blick mit einem Auge – tatsächlich! Noch immer hier! Allmählich beginnt Schweiß sich auf meiner Stirn zu sammeln, und nicht nur dort. Ich versuche, mich heroisch darüber hinwegzusetzen und mir einzureden, dass dies alles nur Folgen des „Genusses“ des Kriminalfilmes seien. Ich nehme mir fest vor; nicht mehr hinzuschauen, versuche, tief und gleichmäßig zu atmen, um durch diesen Rhythmus in Schlaf zu fallen. Als auch dieser Versuch misslingt, nehme ich allen Mut zusammen, entdecke wieder die ominöse Hand mit ihren Fingern, meine dass sie so-
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gar ihre Stellung verändert hat, und gehe, zugegeben mit Angst, zum Angriff mit meinem rechten Fuß und dessen großer Zehe über. Platsch! Mein Lederhandschuh fällt zu Boden – denn dieser hatte sich zufälligerweise an der Verzierung des Bettes verfangen und meine Phantasie kräftig angeregt!
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Haarlem/Niederlande: Orgelerfolge und deren Konsequenzen Ich könnte wahrscheinlich ein ganzes Büchlein mit Eindrücken aus den Niederlanden füllen. Haarlem, das Mekka der Organisten, war immer schon in meinem Bubenkopf ein Traum, an dessen Erfüllung ich nie gedacht hätte. So war es schon ein revolutionäres Ereignis, als ich 1974, von den Osterferien aus Schlägl an meinen Studienort Wien zurückgekehrt, einen Brief der „Stichting Internationaal Orgelconcours Haarlem“ vorfand, durch den ich zusammen mit drei anderen Organisten aus der ganzen Welt zum berühmten Wettbewerb eingeladen wurde. Es gehört freilich zu meinen Schlüsselerlebnissen mit Musikerkollegen und Lehrern, schon wegen der ehrenvollen Einladung Neid und Missgunst erfahren haben zu müssen. Nachdem ich den Wettbewerb dann auch noch gewonnen hatte, wurde diese psychische Belastung fast unerträglich. Ich könnte darüber mehr erzählen, meine aber, dass es besser ist, darüber eher den Mantel des Schweigens zu breiten. Die Sieger-Verkündigung am 3. Juli 1974 in Haarlem werde ich wohl nicht so schnell vergessen: ich konnte es eigentlich kaum
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glauben, dass ich plötzlich zum weltbekannten Improvisator geworden war. Sooft ich seither nach Haarlem kam – ich wurde öfter zu Konzerten an die berühmte Müller-Orgel eingeladen oder habe Schülern und Freunden das Instrument, das Flair dieser Orgelstadt und auch ein bisschen niederländische Luft vorführen wollen –, war und bin ich vom Puls dieser Stadt und den Niederlanden überhaupt ergriffen. 1974 habe ich natürlich noch nicht daran gedacht, dass ich jemals für die Denkmalpflege im Internationalen Arbeitskreis für Orgelfragen auch für Holland einiges leisten werde können; dass mich Ihre Majestät, die Königin, zum Ritter im Orden von OranjenNassau erwählen würde, oder dass ich 1992 selbst als Juror von Haarlem tätig sein würde. Aber ich habe mich, so glaube ich, mit dem schwedischen Gewinner 1992 so ehrlich mitgefreut, weil ich mich sehr an mein erstes Spiel hier erinnert habe. Ich habe oft nachgedacht, was mich an Haarlem, an den Niederlanden und meinen holländischen Freunden so fasziniert oder mich selbst bei meinen Aufenthalten dort verändert erscheinen lässt. Es ist wohl die Toleranz, der gute Geschmack, die Offenheit und die Ehrlichkeit, wie sie in einem Binnenland wohl nur selten zu finden sind. So bin ich eigentlich für jeden Verbleib als
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„Halbniederländer“ in meiner Ritter-Heimat dankbar, weil es mich manches vergessen lässt - auch was an Unschönem im Zusammenhang mit Haarlem in Erinnerung blieb.
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Zeitausgleich Ich denke, es war 1977; ich war eingeladen, an einer deutschen Münsterorgel zu konzertieren. Schon bei der Programmerstellung gab es Schwierigkeiten; die resche Organistengemahlin telefonierte mir mit leicht schwäbischem Akzent: „Noi, noi, dass Sie's wisse, Bach spielt mei Mann selber ...!“ Folgsam reichte ich ein Programm ohne Literatur von Bach ein, reiste per Bahn an und ließ den Dingen ihren Lauf. Hotel nehmen, einregistrieren, persönliche Bekanntschaft mit dem „Hausherrn“ der Orgel, dann das Konzert. Es gibt dort Mittagskonzerte, die um 11.15 Uhr beginnen und um 12 Uhr mit dem Läuten der großen Münsterglocke schließen. Ich begann pünktlich, spielte mein Programm mit abschließender Improvisation – und als ich eben die als Abschluss gedachte Fuge exponierte, läutete es Zwölf. Ich hatte mir nicht viel dabei gedacht, sondern versuchte eine schöne Steigerung zu machen und schloss im Pleno, einen Choral in allen Zeilen zitierend. Da war es etwa 12.07 Uhr, als ich den Spieltisch verließ. „Unsere Konzerte enden mit der Münschterglocke, Überstunden zahlen wir au net“, wurde ich – sicher nicht böse meinend – von
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besagter Kantorengattin empfangen. Nun wusste ich's. Anscheinend hatte ich aber keinen so schlechten Eindruck hinterlassen, denn zwei Jahre danach war ich wieder eingeladen zum Konzert. Und diesmal erlaubte ich mir den Gegenstreich: ich improvisierte wieder am Ende und höre um 7 Minuten vor Zwölf auf. Unten angekommen suggerierte ich der korrekten Dame: „Das war der Zeitausgleich vom letzten Mal!“ 1991 spielte ich wieder an dieser Orgel, diesmal – leider – in memoriam des zuvor verstorbenen Münsterorganisten. Neben einem Werk von Bach improvisierte ich eine gute halbe Stunde über den Reformationschoral „Eine feste Burg ist unser Gott“ - mit Uhr am Spieltisch, und exakt um 12 Uhr mit Einschwingen der großen Glocke war ich fertig.
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„Souvenirs Parisiens“ Ich war eingeladen, an der großen Orgel von Notre Dame in Paris zu konzertieren – am Fest „Verkündigung des Herrn“ 1979. Mein Vater war „ganz frisch“ in den Ruhestand getreten, und ich wollte ihn zur Abwechslung gerne mitnehmen; das sollte mir auch noch zugute kommen. Es begann wie verhext: Mit dem Zugticket in der Rocktasche und dem wie üblich leider sehr ausgiebigen Gepäck fuhr ich mit meinem damals uralten VW von Schlägl nach Linz und hatte – als ob böse Geister es wollten – vor der Nibelungenbrücke einen „Platten“ ... Natürlich war ich wieder knapp unterwegs, so dass ein Reifenwechsel nicht drin war. Ich parkte also das Auto provisorisch, versteckte den Schlüssel unter einem Rad, rief meinen Schwager um eine wohlgefällige „Erledigung“ des Problems während meiner Abwesenheit an und sprang ins nächste Taxi zum Hauptbahnhof. Dort erwartete mich mein Vater besorgt, zumal er im Bahnfahren kaum Erfahrung hatte. Wir kletterten in ein Schlafwagenabteil des Orient-Expresses Richtung Paris. Am Morgen aufgewacht, fühlte ich mich ziemlich unwohl: heiße Stirn, aufsteigender Schnupfen, Kopfweh – eine Grippe war im
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Anzug oder eigentlich schon da. 39° Fieber – ich konnte doch nicht absagen! Aber ich war ja diesmal mit meinem „Leibarzt“ unterwegs. Mein Vater riet mir ein Hausmittel: in einem Pub auf den Champs Elysees tranken wir Cognac, und ich versuchte die Dämpfe gut zu inhalieren. Später griff ich auch noch zu einem Medikament jedenfalls war ich konzertfähig. Ich bin an sich gewöhnt, viel allein zu registrieren. Aber der einem Flugzeug-Cockpit gleichende Notre-Dame-Spieltisch verwirrte zunächst sogar mich. So machte ich von Vaters Gegenwart Gebrauch, der erstmals seines Amtes als Registrant waltete. Mit viel Aufmerksamkeit und Sorgfalt bediente er mich, und in Clérambault's zweiter Suite hatte er sogar einen Basston mitzuspielen. So konnte er stolz zu Hause berichten, auch er hätte in Paris konzertiert. Leider hatte die Reise noch einen traurigen Nachklang: auf der Heimfahrt vernahm ich aus dem Radio, dass mein Lehrer Anton Heiller in Wien am selben Tag verstorben war, als ich in Paris sein „Ecce lignum“ spielte.
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Seltsame Attacke Gleich nach Fallen des „Eisernen Vorhanges“ spürte man einen großen Hunger unserer Nachbarn in der Tschechoslowakei auch in Kultur- und Musiksachen. Im Sommer 1990 wurde ich gebeten, Benefizkonzerte in Prag (Teinkirche) und Goldenkron bei Krummau zu spielen, dieses sogar als LiveProduktion des Fernsehens für eine Weihnachtssendung. Als Registrant assistierte mir ein niederländischer Orgelbauer, der gerne mit mir Reisen machte, weil wir beide auch auf historische Instrumente neugierig waren. Goldenkron ist eine ehemalige Klosterkirche, schon architektonisch hochinteressant, und auch die Orgel von Abraham Stark von wahrscheinlich 1699 ist bemerkenswert und in spielbarem Zustand. Es war ein heißer Augustsamstag, und da war es an sich schon eine Qual, mit Anzug und Krawatte für die Kamera bei heißem Scheinwerferlicht zu spielen. Ich bin schon mitten im Programm, als ich am linken Ärmel meines Sakkos eine Wespe krabbeln sehe! Was tun? Bei laufender Kamera kann ich nicht einfach aufhören. Also weiterspielen, „cool“ bleiben. Inzwischen hat das Insekt den Saum erreicht und nähert
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sich meinem Handgelenk. Noch keine Pause in den Noten für die linke Hand in Sicht ... Letzte Zeile. Das Vieh ist meinen Augen entkommen und an der Unterseite des Gelenkes spürbar. Plötzlich: Stich!! Abflug. Letzter Takt. Ende der Musik, Kamera Altar an. Ich reiße die Hand zum Mund und sauge rasch die Stichstelle aus. Dann bitte ich meinen Registranten, mein Taschentuch in jenen Wasserkübel zu tauchen, den ich im Orgelgehäuse – sicher zur Befeuchtung der Orgel bei dem trockenen Klima – stehen sah. Rasch zur Kühlung und Verhinderung großer Schwellungen herumgewickelt. Inzwischen die Noten für das nächste Stück aufs Pult, umregistriert. Umschlag ab, in Position, Kamera läuft, weiterspielen. Die Schmerzen werden zwar spürbar größer, aber das Konzert bringe ich gut zu Ende. Ja, solche Attacken sind unberechenbar, und ich muss froh sein, dass ich nicht nur so glimpflich davonkam, sondern auch so gute Nerven bewahrte – in einer nicht alltäglichen Situation.
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Vorlesung Nr. 2 Seit 1978 diene ich österreichischen Universitäten in Musikwissenschaft und Liturgiewissenschaft mit Vorlesungen zu einschlägigen Themen der Musik in der Kirche, ausgewählten Kapiteln der vergleichenden Musikgeschichte, Spezialseminaren zu Gregorianik und Neumenkunde oder liturgischen Fragen der Gegenwart. Seit 1981 bis heute in Salzburg, anfangs in Innsbruck. Es war die zweite Vorlesung in meinem Leben überhaupt; ich war damals noch mit wortwörtlichen Manuskripten unterwegs, und zwar mit einem Korridorzug über Rosenheim nach Innsbruck. Im Rekapitulieren meines Vorlesungsstoffes bin ich wohl eingenickt, und als der Zug in Wörgl stehenblieb, schreckte ich auf. In der Meinung, ich sei schon in Innsbruck, springe ich hoch, will den Mantel packen und die Tasche – rrratsch! Die hastige Bewegung sprengt die Naht meiner Hose - und zwar gründlich! Wie peinlich. Ankunft in Innsbruck ist um 12.25 Uhr, die Vorlesung beginnt um 14.15 Uhr - also nicht gerade viel Zeit zur Beseitigung des Problems. Ich beschließe, mit angezogenem Mantel essen zu gehen und nun erst einmal nachzudenken, wie ich dem Problem beikommen kann. Der Ober sieht
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mich natürlich verwundert an, ich schlinge eine heiße Suppe hinunter und weiß bereits des Rätsels Lösung. Im Kaufhaus „Tyrol“ schicke ich mich an Nadel und Zwirn zu kaufen: das endet mit einem ganzen Set Nadeln und zwei Knäuel Garn verschiedener Stärke. Rasch in die Toilette beim Restaurant im letzten Stock. Verriegeln, Hose aus, Zwirn nach mehreren erfolglosen Versuchen eingefädelt; jetzt beginnt die eigentliche Nähaktion – aber, da klopft die Raumpflegerin energisch an die Tür und will ihres Amtes walten. Unverrichteter Dinge ziehe ich Hose und Mantel an, überbrücke die Zeit mit einem Kaffee an der Theke und unternehme nach zehn Minuten einen zweiten Versuch. Allmählich beginne ich nervös zu werden – 13.45 Uhr! Ich nähe von innen nach außen, freue mich, doch relativ rasch fertig zu sein und betrachte mein Wunderwerk. O je! Ich habe das Futter gleich einer Rüsche nach außen genäht! Also, wieder auftrennen, nun sorgfältig bei jedem Stich geachtet, was mit dem Innenleben der Kleidung passiert. Knopf. Faden Abgebissen. Hose an. Und raschen Schrittes ins Institut. Aber irgendwie bin ich unsicher. Ob das hält? Ich betrete den Hörsaal, setze mich an den Katheder und beschließe – entgegen
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meiner Gewohnheiten – heute alles im Sitzen zu dozieren. Ich schreibe sogar mit Kreide ohne aufzustehen vom Sitz in Spiegelschrift an die Tafel. Und wenn ich mich erhebe, tu ich’s eher vorsichtig. Die Vorlesung ist beendet. Da sind zwei Vorarlberger Geschwister, die mich von einem Musikseminar kennen, unter den Hörern. Sie kommen anschließend zu mir, fragen, wie es mir geht, bzw. stellen mit bedauernder Miene fest, dass ich wahrscheinlich wieder Probleme mit der Wirbelsäule habe (sie wussten, dass ich 1974 einen Unfall mit Wirbelbruch hatte). Weil ich mich so steif bewege und so viel sitze – natürlich. Freilich tut mir auch heute hin und wieder der Rücken kräftig weh, aber der Grund war ein völlig anderer. Später habe ich es ihnen erzählt, und wir lachen noch heute herzlich über die Ursache meines damaligen „steifes Verhaltens“.
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Vorlesung Nr. 3 Meine Vorlesungen in Innsbruck hielt ich als Blocklehrveranstaltungen in dreiwöchigem Zyklus. Als ich zur dritten Lektion erscheine, drängt sich ein Student vor Beginn der Vorlesung am Gang an mich heran und fragt, wie denn der „Neue“ sei, will Inhalt und Art der ersten Vorlesungen erfahren. Ich, nicht feig, simuliere die Schüchternheit eines Erstsemestrigen und stammle etwas von „unmöglich, entsetzlich fad, und überhaupt diese mittelalterliche Musik, was will man denn mit der noch anfangen“. Dann schaue ich auf die Uhr und sage: „Jetzt müssen wir aber in den Hörsaal, der fängt immer pünktlich an“, gehe zur Tür hinein und richte meine Schritte Richtung vorderste Reihen zum Katheder. Mein Gesprächspartner ruft hinterher: „Geh doch nicht so weit nach vorne!“ Ich antworte: „Das macht nichts, nachher sehen wir uns ja wieder“, trete ans Kathederpult und beginne den Vortrag. Da fallen ihm die Schuppen von den Augen und er kapiert, mit wem er es zu tun hat ... Als der nette junge Mann dann zu seiner ersten Prüfung bei mir erschien, hat er noch immer einen roten Kopf bekommen, wie fast jedesmal, wenn er mich sah.
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Und als ich die Geschichte einer Gruppe von Salzburger Studenten bei einer Bahnfahrt im Speisewagen – wir fuhren mit dem Frühzug von Choralaufnahmen in der Innsbrucker Hofkirche nach Hause – erzählte, da saß zufällig besagter ehemaliger Hörer schräg gegenüber, so dass nun ich beinahe einen roten Kopf bekam. Wir haben ihn zum Frühstück eingeladen.
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Wie eine Kugel Seit Beginn meiner Tätigkeit als Berater bei Orgelneubauten oder Restaurierungen predige ich einen logischen, möglichst einfachen Weg der Technologie, die dem instrumentengerechten Charakter entsprechen muss; Ziel muss ein Musikinstrument sein, dessen Äußeres ein Spiegel des musikalischen Innenlebens ist, und dessen „Mittel“, Materialien und Fertigung, die musikalischen Aufgaben unterstützen, d.i. beispielsweise die Verwendung resonanzfähiger Hölzer und deren Verbindung, Entscheidung der Metalllegierung, etc. Mit kleinen Beispielen aus der Kunstbranche sind Auftraggeber – in der Regel Pfarrgemeinderäte, Pfarrer, Äbte, Bischöfe, die sich auf „fremde“ Sachverständige verlassen müssen – vom Qualitätsanspruch künftiger Instrumente auch zu überzeugen. Schwieriger sind solche Diskussionen mit Architekten zu führen, die meist nur auf Standort und „Optik“ – modern ausgedrückt das „Design“ – einer neuen Orgel Ansprüche stellen, ohne eine Ahnung vom technischen Aufbau dieses komplizierten Musikinstrumentes zu haben, das nicht umsonst „Königin“ genannt werden darf. (Interessanterweise haben sich Architekten und Designer – Gott sei Dank! – noch nicht dahinge-
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hend geäußert, dass das Äußere einer Geige oder eines Flügels ab nun unbedingt „anders“ aussehen müsse ...) Von manchen Fachtagungen, auch solchen, die ich als Moderator des „Internationalen Arbeitskreises für Orgelhagen“ zu leiten hatte, könnte ich da einige Bonmots zum Besten geben: „Wissen Sie, die Orgel für meine neue Kirche in X. muss eine Kugel sein, die – von oben abgehängt – die Pfeifen wie Stacheln oder Strahlen nach außen rundherum angeordnet zeigt.“ – Ich: „Und wie stellen Sie sich vor, dass das spieltechnisch funktioniert?“ Entrüstete Antwort: „Aber das ist doch die Sache des Orgelbauers!“ Oder – wesentlich bodenständiger – gar nicht international, sondern in meiner Heimat, äußerte ein Architekt seine Ideen einer neuen Orgel, die – vorerst bei der Planung der Kirche vergessen – „wie ein Tannenbaum“ oder „eine Art Turm“ auszusehen hätte .... Freilich hat die Geschichte Beispiele aufzuweisen, vor allem in der Barockzeit, wo Kirchenbaumeister und Architekten eine Gesamtgestaltung inclusive Orgelgehäuseentwurf großzügig vornahmen. Dies war jedoch stets einer intelligenten Kooperation mit Orgelmachern entwachsen und im Dienst
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am Musikinstrument, wie man es heute leider noch immer groĂ&#x;teils vermisst.
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Wettbewerbe Mit Wettbewerben ist das so eine eigene Sache: natürlich vermögen sie anzuspornen, das Niveau zu heben, eine bestimmte Richtung der Kunst zu fördern – ich meine jetzt Musikwettbewerbe. Aber dann ist da auch die Gefahr der Ausgrenzung, der Cliquenbildung, das Schüren von Eifersucht und Neid. Es kommt auch auf die Vorbereitung an, wie Schüler und Studenten zu solchen Wettspielen entsandt werden. Inzwischen kann ich auf eine dreifache Erfahrung zurückblicken, nämlich als Teilnehmer von Wettbewerben, als Registrant und Betreuer von Teilnehmern und Studenten und schließlich als Jurymitglied mehrerer nationaler und internationaler Wettbewerbe oder Bestellungskommissionen. Leider habe ich selbst nicht nur gute Reaktionen auf Wettbewerbsgewinne erlebt. Als ich mit zwei renommierten Kollegen aus Wien und der Schweiz zu einem Orgelwettstreit anlässlich der traditionsreichen Innsbrucker Orgelwoche 1977 eingeladen war und mir mit großem Abstand zu den anderen der erste Preis zuerkannt wurde – es war über Bachs Choralvorspiel „Wachet auf, ruft uns die Stimme“ zu improvisieren (zugegeben: es ist nicht ganz angenehm, über
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„fertige“ Kompositionen zu fantasieren) – , haben sich die zwei sofort zurückgezogen, und ich konnte mich nicht einmal verabschieden. Oder als ich Juror war, erlebte ich, dass sich Lehrer von wettspielenden Schülern beleidigt fühlten, wenn diese keinen Preis oder „nur“ einen zweiten oder dritten Preis bekamen. Und schließlich muss man zugeben, dass auch eine mehrköpfige Jury subjektiv entscheiden kann, oder das ermittelte Ergebnis bisweilen ein Zufallsprodukt der Mathematik und nicht der künstlerischen Reife ist. Ich habe mir angewöhnt, Künstlersteckbriefe mit genannten Wettbewerbspreisen mit gewisser Distanz zu verfolgen und relativ zu sehen. Ein persönliches Kennenlernen kann in diesem Fall viel mehr über eine angehende oder reife Persönlichkeit aussagen. Und – ich habe schon sehr gute Sänger und Instrumentalisten ohne irgendwelche Wettbewerbserfolge gehört!
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Musikkritik Als Musikrezensent bin ich für mehrere Tageszeitungen und Fachzeitschriften tätig. Wie mir zu Ohren kommt, werden meine Berichte auch gern gelesen. Dabei ist mir die Subjektivität dieses „Geschäftes“ durchaus bewusst. Freilich gibt es gewisse objektive Grundsätze. Ich bemühe mich beispielsweise, die Ehrlichkeit der Mitteilung ins Zentrum meiner Betrachtungsweise zu stellen: also wie die Künstler ihre Darbietungen zum Besten geben – ob als äußere Show, gemachtes Theater, oder als inneres Anliegen, dem Werk und Komponisten verbunden, oder als reine Selbstdarstellung. Bisweilen pflege ich bei Kritiken auch die „IchForm“, um die eigenen Ansichten noch zu unterstreichen und Verallgemeinerungen auszuklammern. Der Leser macht sich freilich kaum Vorstellungen über den Hintergrund, wie Musikrezensionen zustandekommen können. Da „tobt“ beispielsweise das Internationale Brucknerfest im Land Oberösterreich in Linz, Wilhering und St. Florian. Durch drei Wochen bin ich abends fast täglich im Konzert – mit einer Anfahrt bis zu 80 km, meist nach der gesungenen Vesper hastig aus der Abtei aufbrechend, bei der Abendkasse mir die
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Pressekarte und das Programm in letzter Minute erkämpfend; sich versenken, hören, sparsame Notizen machen, Retourweg, Heimkommen meist nach Mitternacht. Um 5.30 Uhr auf, Vorbereitungen für das um 6.30 Uhr gesungene Konventamt. Frühstück. Dann diverse Tagesdispositionen – Unterricht, Schulkanzlei oder Organisatorisches. Mittagsgebet, Mittagessen – und um 14 Uhr Redaktionsschluss für das Telefax des Zeitungsberichtes. Irgendwann dazwischen entweder noch nachts oder vormittags oder knapp vor 14 Uhr ist er auch getippt. Sie merken schon, ich berichte aus der Zeit „vor e-mail“. Ich habe öfters, wenige Male mit dem Unterton des Vorwurfes, die Frage gestellt bekommen, wie ich denn als selbst ausübender Künstler Kritiken schreiben könne. Nun, ich meine, gerade weil ich auch in dieser „Branche“ tätig bin, manches besser verstehen und erklären zu können, aber auch über manchen Unfug besser Bescheid zu wissen: wenn etwa ein Kontrabassist während einer Satzpause seinen Schundroman in Fortsetzungen zu lesen beginnt, muss man das nicht als Eifer für die Sache gelten lassen ... – um nur ein kleines Beispiel aus dem Orchestermilieu zu zitieren.
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Und lieber sind mir immer noch Kollegen, die mit Engagement für das Stück, den Stil und die Musik überhaupt am Werk sind, auch wenn einmal kleine Fehler passieren sollten, als die, die aus Geschäftstüchtigkeit das Publikum mit mittels Kühle oder Show gelieferten Konfektionsleistungen zu blöffen versuchen. Ja, und dann wäre noch anzumerken, dass auch Redakteure und Setzer bewusst oder unbewusst in das Manuskript des Rezensenten eingreifen. Das kann durch notwendige Kürzungen oder einfache Druckfehler zustandekommen, die mitunter auch den Sinn ganz und gar entstellen können. Manchmal gelingt es mir, den Inhalt gewürzt in die Zeilen der Überschrift zusammenzufassen; mehrere Male haben die Redakteure das auch belassen. Eine Auswahl davon könnte zur Erheiterung beitragen: Klavier und Orgel im Streit Stolze Ignoranz Orgelmusik im Ausverkauf Ein Werk zum Vergessen Mutig bis mittelmäßig Feierlich und absolut Vermessener Zugriff Ein fahles Bild
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Vieles änderungsreif Virtuose, rationale Kühle Insgesamt zwiespältig ... Wie eine romantische Erinnerung 100 Minuten Streicherklang Frei von Effekthascherei Mutiger Organist Riskanter Höhenflug Musik im Klang ihrer Zeit? Ein müdes Orchester Undurchschaubare Programmplanung Biederer Mozart Im Galopp über Tasten und Draht
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In Gent statt Muscheln Disco 1985 war ich eingeladen, in der Kathedrale von Gent ein Konzert zu spielen. Zugegebenermaßen hat mich die Orgel mit elektrischer Traktur nicht sehr inspiriert. Aber auf dem großen Marktplatz stach mir am Nachmittag ein Restaurant mit ausgehängtem Schild „Vandag ferse mosselen – heute frische Muscheln“ in die Augen. Ich fasse kurzerhand den Entschluss, mich selbst mit einem Muschelgericht nach dem Konzert belohnen zu wollen. Ich gehe ins Lokal, frage einen Kellner, ob ich nach dem Konzert, also um ca. 22 Uhr, noch essen kann; der bejaht, und ich schreite voll kulinarischer Perspektiven in die Kathedrale zum Konzert. Nach „getaner Arbeit“ nehme ich verheißungsvollen Kurs auf das Lokal. Dort aber erwartet mich eine verschlossene Tür mit einem Schild „Gesloten“. Zuerst enttäuscht, dann aber – zugegeben – mehr und mehr zornig, beginnt mein Innerstes zu reagieren. Nahezu magisch anziehend leuchtet da auf meinem Resignationsspaziergang durch die engen Gassen ein Schild „disco“. Ja, denke ich mir, das wird’s heute: ich werde das erste Mal eine Disco besuchen! Gesagt, getan. Da empfängt mich ein „Türsteher“, ich erhalte für den nicht geringen Eintritt gratis eine Dose Cola
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in die Hand gedrückt. Einen Stock tiefer empfängt mich lauteste Musik. An den Wänden drücken sich gähnende, sich wegen des Lärms nicht unterhalten wollende oder könnende Pärchen. Auf der Tanzfläche ist ein Paar beschäftigt, sich zu produzieren, aber auch nicht gerade überwältigend. Alles in allem für mich Grund genug, nach 30 Minuten das Feld zu räumen. Gent also ohne Muscheln, mit ein wenig Disco und der Erfahrung, dass das nichts für mich ist. Aber mit einer wunderbaren Betrachtung des berühmten Genter Altares am folgenden Tag.
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Paulus in Marokko Wie im Märchen: das Kulturamt im Außenministerium ruft mich an und fragt, ob ich bereit wäre mit einem Ensemble im Auftrag der Österreichischen Bundesregierung beim Ersten Festival für Geistliche Musik in Marokko teilzunehmen. Gefragt ist ein Programm mit Gregorianischem Choral. So „mobilisiere“ ich einige meiner Mitbrüder und meine Studenten der Universität Salzburg zu einer Choralschola, die am 9. Oktober 1994 in Fez mit einem Programm aus dem Marienrepertoire auftritt. Die Österreichische Botschaft kümmert sich rührend um uns, man richtet sogar ein eigenes Wahllokal in Rabat ein, um uns Gelegenheit zu geben, an der just an diesem Wochenende stattfindenden Nationalratswahl teilzunehmen. Man organisiert neben einem beeindruckenden Abendmahl auch eine Führung durch den Bazar und die Universität. In meinem Reisegepäck befindet sich da aber ein anderes „Problem“: für 26.10. ist die Uraufführung eines neuen Oratoriums aus meiner Feder angesagt. Und es war wieder einmal typisch für meine Vorgangsweise als Komponist bei einem größeren Stück. Ich wollte für das eben 1994 zu feiernde Jubiläum „25 Jahre Musikveranstal-
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tungen in Schlägl“ ein neues Oratorium schreiben. Am Fest Pauli Bekehrung „küsste“ mich die Muse mit der Idee des Stoffes während der Liturgie: „Bekehrung des Heiligen Paulus“ – das wär’s doch! Ja, und so ist’s dann auch in das im März erschienene Programmheft gewandert. Und bei einer größeren Chorreise im Juli hatte ich noch immer fast keine Noten am Papier. Schließlich war aber am 24. September, meinem Namenstag, doch die Partitur ganz fertig gestellt. Und jetzt mussten aber schleunigst die Orchesterstimmen und die Chorpartitur herausgeschrieben werden, und schließlich sollte ab 11. Oktober, nach unserer Rückkehr aus Marokko, mit den Proben begonnen werden. Ja, so blieb mir nichts anderes übrig, als in Marokko am Swimmingpool des Hotels zu sitzen und Noten abzumalen. Denn die Zeit war wieder einmal so knapp, dass jede Minute kostbar war. Oboen, Klarinetten und Fagotte erhielten auf diese Weise Material direkt aus Afrika mit der „Bekehrung des Hl. Paulus“. Unser Auftritt in Marokko war bemerkenswert: vor Wasserpfeifen und Ölscheichs, einem internationalen Publikum in einem orientalischen Ambiente,in einem mit Teppi-
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chen ausgekleideten, mit geschnitzter Zedernholzdecke ausgestatteten Saale – akustisch stumpf und wenig inspirierend – gaben wir unser Bestes und sangen unter heißen Scheinwerfern schweißtriefend unser „Salve sancta parens“.
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Dänemark 1994: Hunger mit fatalen Folgen Mit meinem Chor CANTORIA PLAGENSIS und dem Heiligenberger Barockorchester ging ich 1994 auf eine Deutschland – Dänemark-Tournee, die Mozart’s Requiem und mein Oratorium „Mysterium crucis“ im Programm hatte. Auftakt war ein Konzert bei den Europäischen Wochen Passau, gefolgt von einer Aufführung bei den „Niedermooser Konzerten“ in Hessen, an die uns sengende Hitze erinnert. Nach einem Konzert in Fritzlar nächtigten wir in Lübeck, um am folgenden Tag mit unseren Bussen nach Dänemark überzusetzen. Eine verzögerte Abfahrt und Stau auf der Autobahn hatten schließlich zur Folge, dass wir die in Aussicht genommene Fähre verpassten und eine Stunde später mit einem kleineren Boot Dänemark erreichten. Dieses hatte aber nicht das von mir angekündigte Bordrestaurant, so dass wohl die Zähne auf ein Krabbenbrötchen lang, die Hungergefühle aber größer wurden. Doch der Pannen kein Abriss: in Kopenhagen suchten wir verzweifelt nach dem Domizil der Österreichischen Botschaft. Mit schon zwei Stunden Verspätung folgten wir einer Einladung des
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Herrn Botschafters zu einem kleinen Umtrunk und sangen ein Ständchen. Der Hunger einzelner Choristen und Musiker war inzwischen soweit angewachsen, dass sie ziemlich ausgiebig bei den uns angebotenen Häppchen zugriffen und die Frau des Hauses beinahe in Verlegenheit, mich aber zu beschämenden Blicken brachten... Ja, schließlich gelangten wir um 17Uhr zu unserem Hotel nach Ringsted. Das Konzert in der 10km entfernten ehemaligen Abteikirche von Sorø sollte um 19.30Uhr beginnen, davor noch Sitz-und Stellprobe und Einsingen. Also wenn, dann „quick food“: das sollte aber nicht für alle möglich werden. So gab’s verhungerte Gesichter während der Aufführung, und die noch größere Enttäuschung: die Reisebusse brachten uns nach der Veranstaltung gleich in das Hotel zurück. Da war aber auch das Restaurant samt Bar schon geschlossen. Also blieb noch Hoffnung auf die nahegelegene Tankstelle: die hatte gerade mal etwa ein Dutzend Tramezzini – aber, bei noch so biblischem Andenken, wurden davon leider nicht all die satt, die da Hunger hatten....
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Medienhintergründe Für verschiedenste Rundfunk- und Fernsehanstalten Europas hatte ich die Ehre, Einspielungen zu machen. Für den Österreichischen Rundfunk arbeitete ich auch als sogenannter „Freier Mitarbeiter“ und habe in der „analogen“ Zeit selbst viele Aufnahmen im Landesstudio Oberösterreich geschnitten und bearbeitet, und auch mehrere Sendereihen gestaltet. Fernsehen ist dann noch einmal etwas anderes. Im Spätherbst 1980 entstand ein Fernsehfilm mit dem Titel „Orgelreise durch Oberösterreich“, den im Wesentlichen ich gestaltete, oder der zumindest mit mir als „Hauptrolle“ rechnete. Ich führe darin verschiedene Orgeln unseres Bundeslandes vor und zeige das Entstehen einer Orgel. Drehtermine waren genau festgelegt. Und erst recht der Sendetermin 1.1.1981, Neujahrsprogramm! Da waren schon einige Dreh’s hinter uns, und für Mitte November noch Außenaufnahmen und das Spiel an der besonders schönen Chororgel vom Stift Wilhering terminisiert. Doch da schlug das Schicksal zu. Am 11. November wurde mir ein handgefertigtes
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Bett mit Lattenrost geliefert, es stand in Teilen zerlegt an der Stiftspforte. Die Freude, endlich meine defekte Wirbelsäule „wohl“ betten zu können war so groß, dass ich noch nachts an die Montage schritt. Auf der steilen Granitstiege, die ins zweite Obergeschoß unseres Klosters zu meiner Zelle führt, kippte ich mit dem rechten Fuß um, stürzte, die auf beiden Unterarmen aufgestapelten Lattenrostbrettchen purzelten zu Boden, direkt auf meinen linken Vorfuß. Im Schock noch aufgetreten, letztlich doch noch nachts ins Linzer Unfallspital gebracht (um die Rettung einzulassen, hüpfte ich auf einem Bein quer durch die Gänge und warf den Schlüssel beim Fenster über dem Portal in die Tiefe....), musste ich zur Kenntnis nehmen, dass es sich um einen komplizierten Sprunggelenkbruch handelte. Dabei trug ich ein Flugticket nach London in meiner Sakkotasche, wohin ich tags danach den Lehrkörper unserer Musikschule führen sollte.... Aber zurück zum Fernsehen: Mit einem über das Knie reichenden Gips am linken Bein war mir das Spiel an der besagten Wilheringer Chororgel nur schwer möglich: die Sitzgelegenheit ist dort so eng, dass nur ein halb Liegen, halb das Bein nach hinten Strecken übrig blieb. Und wer
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es nun weiß und genau hinsieht, wird das im Film auch beobachten können, und braucht sich auch nicht über „Brustbilder“ im Wilheringer Stiftshof wundern.... Eine besondere Situation ist und bleibt aber die Gestaltung einer Live-Sendung. Da erinnere ich mich an eine Rundfunkübertragung eines Gottesdienstes am 15.8.1976: eine Messe von Heinrich Isaac mit alten Instrumenten und einem klein besetzten Chor hatte ich dafür ausgewählt; eine Blockflötistin hatte ihre noch recht kleinen Kinder mitgebracht und auch beteuert, dass diese ganz brav sein werden. Inmitten der Übertragung machte sich der kleine Knirps krabbelnd zu einem der Mikrofonstative auf den Weg. Da bleibt einem als Dirigent fast das Herz stehen. Zum Glück ist nichts passiert. 1992 übertrugen wir via ORF und ZDF in mehrere europäische Länder das Pfingstpontifikalamt aus unserer Stiftskirche mit meiner damals ziemlich neuen „Missa festiva Plagensis“ für 2 Chöre, 12 Bläser und Orgel. Die musikalischen Ausführenden standen aus Regie technischen Gründen vor dem Hochaltar, und so hatte auch ich vom Dirigentenpult nicht weit in die Sakristei. Diese Fluchtmöglichkeit benutzte ich zu folgender „Tat“: durch die hohe Temperatur
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der installierten Beleuchtung war mir einfach so übermäßig heiß geworden, dass meine Hemdärmeln schon beim Gloria schweißtriefend nass waren. In der Sakristei wusste ich eine Schere, und hatte sie einfach – es musste ja schnell gehen! – während Evangelium und Predigt (das Drehbuch samt Kameraeinstellungen war mir ja bekannt) abgeschnitten. Unter dem weißen Habit fiel das nicht weiter auf und ich fühlte mich weit wohler...
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Wo ist der Akkord ? Die technischen Möglichkeiten der Bearbeitung von digitalen Tonaufnahmen sind schier uferlos. Analog-Aufnahmen habe ich selbst oft genug mechanisch geschnitten, und das eigentlich vom bloßen Zusehen bei Rundfunktechnikern erlernt. Vor dem Bildschirm erblasse ich, wenn ich unseren Tonmeistern zusehen darf. Da werden Tonhöhen „angehoben“, Tempi verzögert oder gerafft, Aufnahmen überlagert und vieles mehr. Ich frage mich dabei schon auch, was hinter dieser Manipulation noch an Echtem transportiert wird... In Zusammenarbeit mit dem WDR nahm ich Mozart’s Requiem auf, das als CD bei einer deutschen Schallplattenfirma erschienen ist. Obwohl solche Projekte von langer Hand geplant sind, ist erfahrungsgemäß vor der Endfertigung immer Streß angesagt. So auch hier. Das fertige DAT-Band (also eine Digitalband mit der genauen Reihenfolge und den fertig gemasterten Aufnahmen) sollte ich Ende Juni 1992 erhalten, dann gab‘s Verzögerungen. So, dass ich das Band per Post im Juli an dem Tag erhielt, als ich mit einer Gruppe eine Orgelreise nach Schweden antrat. Also nahm ich meinen DAT-Walkman mit und hörte im Flug-
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zeug München – Stockholm konzentriert die ersten Tracks ab. Requiem, Kyrie, Dies irae, usw. Lacrimosa....: da leitet das Confutatis doch mit einem höchst spannungsgeladenen Akkord in das Lacrimosa über. Ich denk, ich hab unkonzentriert gehört. Band zurück, noch einmal: ja, das darf doch nicht wahr sein! Der Akkord fehlt! Noch einmal zurück, ja, ich kann’s nicht ändern. Aber was tun? 2000 km weit weg, noch in der Luft, aber bald am Boden, muss ich Alarm schlagen. Sonst geht die CD mit mehreren tausend Stück in Pressung. Auch hier hab ich schon genügend erlebt, als dass ich nicht berechtigt Panik verspürte: da gibt’s Firmenurlaub, das Presswerk beginnt ohne mein Placet doch zu pressen, usw. Nun, ein heftiges Telefonat vom Flughafen Årlanda nach Heidelberg hatte – dank eines beflissenen Sekretärs – zumindest den Stop der Produktion zur Folge, so dass ich nach meiner Rückkehr und Beendigung des Firmenurlaubes, sowie nach nochmaligem genauesten Abhören des gesamten Bandes die Fehlerliste, respektive nach deren Korrektur die Freigabe tätigen konnte.
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Rheinlanderfahrungen Metamorphose einer Priorin ? Alle 6 Jahre halten die Praemonstratenser der ganzen Welt ein Generalkapitel ab. Im Jahre 1988 durfte zum ersten Mal seit mehreren Jahrzehnten sogar wieder ein neu gewählter Abt aus Böhmen dabei sein, obwohl das noch vor dem Fall des Eisernen Vorhanges war. Die Zusammenkunft aller Äbte, Priorinnen und jeweiligen Vertreter der einzelnen Konvente fand in Steinfeld in der Eifel statt. Ich wurde gebeten, wenigstens zu einem Hochamt in der Abtei Hamborn, das Abt Michael von Prag-Strahov erstmals in Insignien feierte, und zu einer Pontifikalvesper am Nachmittag in Xanten (dem Herkunftsort unseres Ordensgründers Norbert), der Generalabt Marcel van de Ven vorstand, die Orgel zu spielen. In Xanten ließ ich es ein wenig „wild zugehen“ zum Auszug und improvisierte über unseren Augustinushymnus „Magne Pater, Augustine“. Als ich fertig war, pflanzte sich die Priorissa unseres Nonnenklosters Oosterhout in den Niederlanden neben mir auf, strahlte über das ganze Gesicht, und rief mir zu: „Ach Rupert, was mecht ich ein Orgel sein und dass du auf mir spielst!“
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Deutsche Gründlichkeit und bürokratische Neugier Im Jahr 1994 spielte ich Konzerte im Münsterland und nahm auch an einem musikwissenschaftlichen Kongress in Münster teil. An diesem Wochenende hatte man uns Österreicher eingeladen, über unsere EUZugehörigkeit abzustimmen. Da mir das zu Hause nicht möglich war, machte ich davon Gebrauch, die Meinung brieflich kundzutun. So schritt ich in der Pause zwischen zwei Vorträgen in eine Notariatskanzlei und meldete mich bei der Vorzimmersekretärin an. „Der Herr Doktor hat jetzt keine Zeit, aber um zwei Uhr können Sie Ihre Anliegen vortragen. Aber sagen Sie schon einmal, wer Sie sind, welchen Beruf Sie haben, wo Sie wohnen.....!“ Na, ich ließ meine Daten aufnehmen, kam um zwei Uhr wieder, und der Herr Notar empfing mich. Mehr gnädig denn höflich. „Na, sag’n Se mal, wat Se wählen werden. Wenn Se dafür sind, dat Österreich zur EU kommt, könn’n Se ja hier bleiben....“ Ich war nicht auf den Mund gefallen und sagte dem gedrungenen, dicklichen Herrn meine Meinung über seine Diskretion und übergab ihm mein bereits verschlossenes Kuvert, auf dessen Rückseite er lediglich seine Unterschrift und einen Stempel auf-
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drückte. „Na, hoff ich doch, dat Se dat Richtige drinn’ hab’n! Und den Rest besorcht dann dat Fräulein draußen. Wiedersehn.“ Ich verabschiedete mich, wartete an der rezeptionsartigen Theke, bis mein neugieriges „Fräulein“ wieder erschien. „So, dat macht zusammen 178.–DM.“ Schluck, denk‘ ich. Leicht verdientes Geld! Und für das, dass ich an einer nicht einmal zur Pflicht erhobenen Wahl teilnahm, wirklich ein ganz schön fettes Geschenk an unseren Staat. Ich hab’s bezahlt und Minister Busek eine Kopie der Rechnung zur Kenntnisnahme weitergeleitet, damit die Politiker wissen, was man für sie auszugeben bereit ist. Geantwortet hat er natürlich nicht.
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Autoeinbrüche Dass mir 20 Jahre lang bei einer relativ großen Reisetätigkeit niemals mein Auto aufgebrochen worden ist, ist eigentlich verwunderlich. Zumal – nichts gegen unsere ausländischen Mitbürger! – in manchen Ländern die Erfahrung damit gegeben ist. Aber das sollte sich schlagartig ändern. Im Februar 1983 nahm ich an einer Sitzung der Liturgischen Kommission unsres Ordens in der Nähe von Brüssel teil und erklärte mich auch bereit, die Protokolle in Lateinischer Sprache abzufassen. Das hatte ich gleich vor Ort erledigt. Von dort aus begab ich mich Sonntag nachmittags Richtung Straßburg, weil ich mich mit einem Kollegen verabredet hatte, am Montag früh Mikrofilme auszutauschen. Ich fuhr auf das erstbeste Hotel – Holiday Inn – zu, parkte den Wagen (es war damals ein Ford-Sierra) im Hof, und war eigentlich reif für das Bett. Am nächsten Morgen schaute ich beim Rasieren aus dem Badezimmerfenster in den Hof und stellte fest, dass es geschneit hatte. Und so oberflächlich die Seitenfläche meines Sierra betrachtend, stellte ich fest, wie zuvorkommend man mir auch schon die Scheiben geputzt hatte. So ließ ich mir noch mehr Zeit beim Frühstück, las die Zeitung, bezahlte
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die Rechnung und machte mich auf zum Auto. Dazu muss ich erwähnen, dass ich in meinem Auto auch Sachen herumführe, die ich nur für Notfälle oder aus irgendwelchen weiter zurückreichenden Anlässen dabei habe. So z.B. einen Fotoapparat (das könnte bei Besuchen an historischen Orgeln wichtig werden), aber auch Schuhe (eben für das Orgelspiel); diesmal waren es auch ein Anzug von einem Konzertauftritt, eine Kugel von 3kg Käse, die ich in Holland gekauft hatte, und eine Schatulle mit 2 kg Lebkuchen, die in Nürnberg bei der Anreise zu mir gefunden hatte. Dazu war auch der schwarze Aktenkoffer mit u.a. den lateinischen Protokollen im Wagen geblieben. Die Überraschung, oder besser: der Schock war groß, als ich feststellte, die Fensterscheiben der Autotüren waren nicht geputzt, sondern jene bei der Fahrerseite war eingeschlagen! Und es fehlte alles, was zum Essen und Anziehen war, und – der Aktenkoffer mit den Protokollen. Alles andere war dageblieben. Fotoapparat, Orgelschlüssel, Papiere im Handschuhfach. Also eher, von einem Bedürftigen gestohlen, der Kleidung und Essen nötig hatte. Ich spekulierte, dass dieser die Tasche mit den lateinischen Tex-
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ten sicher nicht brauchen konnte; und wenn er nach seiner Vermutung, Geld zu finden, dann enttäuscht wurde, wird er sie in den nächsten Mülleimer geworfen haben. Aber meine Suchaktionen blieben erfolglos. Dann Meldung bei der Polizei. Dann zum Treffpunkt mit den Mikrofilmen. Dann zurück – ja, ich brauch ja eine Scheibe, es war bitterkalt, weil Wintereinbruch. Denkste, man schrieb „Rosenmontag“ im Kalender, und da hatte jede vernünftige Werkstatt geschlossen! Bis fast vor Stuttgart fuhr ich auf der Autobahn dahin, als endlich eine Werkstatt mir zumindest ein Provisorium aus Plastik montierte; denn die zugehörige Scheibe zu einem Gefährt der Ford-Kette war natürlich nicht lagernd. Sehr verkühlt kam ich in Salzburg nachts an, bereitete mir heißen Tee und fuhr noch nach Schlägl weiter. Aber, das sollte nicht der einzige Einbruch innerhalb von neun Monaten sein. Im Juli war ich in den Niederlanden. An einem Sonntagvormittag ging ich in der Walse-Kerk zum Gottesdienst. Gustav Leonhardt spielte die Orgel, nachher tranken wir noch eine Tasse Kaffee zusammen. Dann wollte ich mich zur Heimfahrt nach Österreich aufmachen. Ich komme gegen 11.30 Uhr zurück zum Auto. Da will mein Schlüssel nicht sper-
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ren. Mit ziemlicher Gewalt gelingt mir das Öffnen. Und ich stelle fest, dass jemand in meinem Auto gewesen sein muss, weil mir aus dem Seitenfach eine Geldtasche mit den österreichischen Schillingen fehlt und auch noch andere Papiere. Zu guter Letzt passierte es im Oktober noch einmal. Da war ich in Hamburg zu einem Orgelkonzert und für Rundfunkaufnahmen. Ich hatte drei Tage vor der Kirche St. Marien im Stadtteil St. Georg das Auto stehen. Am Samstagabend, eine Stunde vor dem Konzert, sagt der Pfarrer zu mir: „Sie trauen sich aber was! Bei uns wird doch so viel eingebrochen... Stellen Sie doch Ihr Auto auf meinen Privatparkplatz hinter dem Pfarrhaus!“ Ich dachte mir: ‚Nun, wenn bis jetzt nichts passiert ist. ...’ Aber dann will ich nicht unhöflich sein, parke um, und räume mein Auto auch gleich ganz ein, weil ich nach dem Konzert sofort wegfahren wollte. Am Sonntagnachmittag war ein Jubiläum unseres Altabtes, und ich wollte noch die halbe Strecke nachts fahren, um pünktlich zu sein. Sogar nach echten Überlegungen und nicht aus Unachtsamkeit habe ich meine Herrenhandtasche mit allem, was da hingehört – Pass, Schecks, Scheckkarte, Geld, Führer-
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schein... – auch ins Auto neben den Fahrersitz gesteckt; denn, wenn ich sie auf der – auch von Publikum bevölkerten – Orgelempore irgendwo hinlege, ist es dasselbe: sie kann genommen werden; da wähnte ich sie in Pfarrers Garten sicherer. Mit nichten! Knapp vor Konzertbeginn geh ich nochmals zum Auto, um mir ein frisches Taschentuch zu holen. Und die Überraschung war wieder perfekt: aufgebrochen und die Handtasche geklaut! Ja, jetzt zuerst einmal spielen! Dann klarer Kopf. Als erstes den Bankchef in Schlägl anrufen, dass die Konten gesperrt werden! Antwort durchs Telefon: „Nein, im Ausland machen wir das nicht, wir sind ‚eh‘ versichert und der Selbstbehalt ist nur 2000.-öS!“. Also dann eben nicht. Das Österreichische Konsulat anrufen – damit ich überhaupt über die Grenze komme! Verlustanzeige und Einbruchmeldung bei der Polizei. Und so ist es 23 Uhr bis ich endlich aufbreche. Bis in die Gegend von Schweinfurt hatte ich es noch geschafft. Dann in ein Motel, am nächsten Tag weiter. Die Grenze bei Kollerschlag hatte mich nicht einmal kontrolliert, und dann rasch zum Jubiläum..... Aber da blinkt die Benzinanzeige auf. Und ich hab nicht e i n e n Schilling bei mir. Werd ich bis Schlägl kommen? Doch, es ist sich ausgegangen.
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Die Folgen waren dann tröpfchenweise zu bemerken: erstens wurden innerhalb drei Wochen insgesamt 50.000.– öS an europäischen Flughäfenbanken von meinem Konto mit allerdings deutlich als gefälscht erkennbarer Unterschrift abgebucht; zweitens war ich emsig beschäftigt, mir neue Papiere zu besorgen; drittens meldete sich nach vier Wochen das Österreichische Konsulat in Hamburg: „Wir haben Ihre Papiere, aber die können wir erst in einer Woche senden. Die liegen zum Trocknen auf all unseren Heizkörpern verteilt in unserem Büro auf.“ Man hatte mein Täschchen versenkt in einem Spülkasten auf der Toilette im St. GeorgKrankenhaus gefunden, ohne Geld, Schecks und Scheckkarte natürlich; aber immerhin bis Weihnachten hatte ich meine Identität wieder und die nachbestellten Ausweise konnte ich noch rechtzeitig stornieren.
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Chorreisen Mit meinem Chor CANTORIA PLAGENSIS bin ich hin und wieder auch auf Konzertreisen. Nun sind da freilich nicht alle Mitglieder reiseerfahren, zumindest, was die Verbindung mit dem Konzertieren angeht. Und eine Urlaubsreise ist eine Konzertfahrt allemal nicht. 1999 waren wir in und um Venedig eingeladen. Wir fuhren von Schlägl aus mit einem Bus, erstes Konzert war am selben Abend im Dom von Bassano del Grappa. Dort hatte ich auch für diese Nacht ein Hotel gebucht und in einem Restaurant noch vor dem Auftritt ein Abendessen bestellt. Denn das Märchen, dass Italiener bis spät in die Nacht zu Abend essen, ist nun einmal ein Märchen und nicht wahr; also muss man für früher etwas organisieren, wenn um 20.30 Uhr das Konzert beginnen soll. Bei der Anreise gab es eine Umplanung des Weges wegen einer Tunnelsperre auf der Tauernautobahn. Wir nahmen die Brennerstrecke, machten natürlich auch Rast; und dann schlief ich auch ein wenig ein im Bus, und als ich erwachte, sehe ich ein Schild „Verona 27 km“. O Gott, der Busfahrer ist ja viel zu weit südlich. Ich dirigiere ihn um, wir
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fahren Überlandstraßen querfeldein und kommen um 18.30 Uhr nach Bassano. Sofort zum Restaurant! Das klappt gut, das Abendessen wartet. Aber für einen Zwischenstopp im Hotel zum Umkleiden etc. geht es sich einfach nicht mehr aus. Ich telefoniere, dass wir nach der Veranstaltung kommen. Alles in den Bus, auf zum Dom. Hm. Da ist zunächst schon einmal der Weg für den Bus verboten – wir fahren in italienischer Manier trotzdem weiter. Dann ist das Stadttor zu schmal. Alles hinaus. Ich ordne an, dass die Probe bereits in Konzertkleidung stattfindet, es ist ja irre knapp. Umziehen? Wo jetzt? Na, die Herren halt auf der Straße, die Damen im Bus. Zähneknirschen und auch hörbare Fluchäußerungen, aber irgendwie geht es halt doch. Dann die Truhenorgel! Die muss in den Dom 500m geschleppt werden. Starke Tenöre und Bässe machen’s möglich. Ingemar spielt beim Konzert Orgel. Er eilt voraus, spielt sich ein, verlässt sich darauf, dass man ihm seinen Koffer in die Kirche nachbringt. Bloß ist das nicht sein Koffer, der da ankommt. Sieht nur gleich aus, sind aber Damenkleider drin. Das Missverständnis klärt sich irgendwie auch auf, Dame in Anzug geht ja auch nicht. Schließlich Streßberuhigung. Kurzes Ansingen mancher Stücke. Und das Konzert be-
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ginnt mit einer halben Stunde Verspätung um 21 Uhr, was für Italien normal ist.... 1994 habe ich zu Beginn einer Tournee mit der CANTORIA PLAGENSIS und Barockorchester das Mozart-Requiem im Rahmen der Europäischen Wochen Passau an einem heißen Julitag aufgeführt. Nach schweißtreibender Stellprobe mach ich mir noch ein paar ruhige Minuten und setze mich vor einen zur Medidation anregenden Barockaltar – das Konzert war in der Asamkirche Osterhofen –, und zwar mitten in die Publikumsreihen. Nach einigen Minuten erscheint eine Platznachbarin. Macht sich zurecht, zückt das Programm. Dann lispelt sie herüber: „Kennen Sie den Dirigenten?“ Ich antworte: „Ja, ein bisschen.“ – „Der macht des mit die oidn Inschtrumende, gei?“ tönt’s in tiefem niederbayerischen Dialekt – „Steht zumindest im Programmbuch.“ – „Was hoidn denn Sie davu?“ „Klingt manchmal ganz interessant.“ – „Und da schteht a, dos des eppa a neiche Gschicht is mit dera Fossung.“ – „Ja, hab ich auch gelesen“. – „Woher kumman denn Sie?“ – „Aus Österreich, aus dem Mühlviertel.“ – „Jo mei, des deaf net wooh [wahr] sei, do foan mia af Urlaub hi.“ Inzwischen marschieren Chor und Orchester aufs Podium, die Instrumentalisten beginnen zu stimmen. „Sogn S’, hobn S’ de
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Possaunen gseign, gonz oid, gei?“ – „Ja, ziemlich.“ – „Wissen S‘, i bi ja neigierich, i hob vo dema Frieberger a CD midn Haydn, oissa mid dera Schöpfung. Do hoda scho a Tempo drrauff monchmoi, oba i hob zu mei Mo [Mann] gsogt, dera interessiert mi. Jetzt wird’s oba Zeid, dass a ofongt!“ – Denk ich mir auch, stehe auf, verabschiede mich höflich – „Jo, Se werdn do net geh, gei die oidn Inschtrumende meigns ned?“ – „O doch, ich hab was zu tun! Aber vielleicht sehn wir uns in der Pause?“ Und gehe langsam nach vor und besteige das Dirigentenpodium.... In Schlägl treff ich die gute Frau samt ihrem Gatten bei einem Konzert im August. Sie ruft von weitem: „Heid kenn i Ihna scho! Do hobn’s mi oba sche fian Norrn ghoidn in Possau domois.“ Ich stammle was von Entschuldigung. Jedenfalls zählen die beiden seither zum Stammpublikum bei uns.
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Wer spielt die Orgel? Im August 1995 war ich in einem Gebirgsdorf in Kärnten eingeladen, ein Improvisationskonzert zu Bildern von Ernst Fuchs zu spielen. Mir ging es damals gesundheitlich nicht so gut, so dass mich ein guter Freund chauffierte. Wir kamen Samstagabend an, ich spielte mich etwas ein. Am Sonntagvormittag schlug ich vor, in die Evangelische Kirche Völkermarkt zum Gottesdienst zu gehen (mein Freund ist lutherischen Glaubens). Wir sitzen zu dritt – auch eine Wiener Bekannte ist noch dabei – in den vorderen Reihen. Der Pastor erscheint und fragt: „Kann unter den Anwesenden jemand Orgel spielen?“ Ich will mich nicht vordrängen, warte, ob sich jemand anderer meldet. Schweigen im Walde. Schließlich hebe ich die Hand. „Ja, bitte“, sagt der freundliche Pfarrherr und geleitet mich vor allen auf die Orgelempore und sagt dann noch: „Mit den Füßen brauchen S’ eh nicht spielen!“ Zum Glück ist mir die Ordnung des lutherischen Gottesdienstes in Österreich einigermaßen bekannt, und ich habe, was das anbelangt, keinen Fehler gemacht. Nach dem Gottesdienst lud der Pastor noch zum Kirchenkaffee und schüttelte jedem – wie in seiner Kirche üblich – die Hand. Ich kam von der Orgelempore herunter, und er bedankt
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sich mit sonorer Stimme. „Na, war ja eh recht gut. Was machen Sie denn beruflich, wenn Sie nebenher so orgeln können? Machen Sie Urlaub hier?“ Ich versuche, die Fragen der Reihe nach zu beantworten. Also, ja, ich bin katholischer Theologe, gestehe ich. Auf das hobbymäßige Orgelspiel gehe ich nicht ein. Urlaub erkläre ich, ist es auch ein bisschen, aber eigentlich bin ich auch beruflich hier. Dann dreht sich das Gespräch um seine Predigt, die über das damals brisante Thema von Kruzifixen in den Klassenräumen der Schulen handelte. Schließlich verabschiedet er sich, und macht mich aufmerksam, dass heute Nachmittag in Grafenbach ein Orgelkonzert ist. Ich bedanke mich und verabschiede mich. Am Nachmittag vor dem Konzert im Kirchhof sehe ich den Pastor wieder. Er kommt auf mich zu, begrüßt mich: „Na sehr schön, Herr Kollege, dass Sie auch da sind. Wird ja ein Kunstgenuss werden, wenn der Frieberger heute improvisiert!“ Ich: „Kennen Sie den leicht?“ Er: „Nein, aber vom Erzählen, und eine CD habe ich zu Hause“. Ich: „Ach so. Na, dann ...“ Aber da unterbricht mich der Konzertveranstalter und fragt – mich mit Namen ansprechend – noch nach Details von Texten, die auch gesprochen werden sollten. Ich beobachte den Pastor. Der wird
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blass und begreift, mit wem er es seit heute morgen zu tun hat. Aber ich entziehe mich rasch der Mรถglichkeit, dass er noch etwas sagen kann, winke freundlich zu und pfauche auf die Empore hinauf.
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„Entführung“ auf deutsche Art Am 7. Jänner 1977 waren Ingemar Melchersson und ich über die Direktion der Söhnlein-Sekterzeugung eingeladen, auf Schloss Schierstein bei Wiesbaden ein Konzert an zwei Orgeln zu geben. Ingemar fuhr etwas früher hin, ich spielte in Schlägl noch die Pontifikalvesper zum Epiphaniefest und nahm den Nachtzug ab Passau. Der sollte nach Plan um 22.38 Uhr abfahren. Etliche Waggons waren zum Bersten voll, aber der letzte war fast leer. Dort stieg mit mir eine ältere Dame ein; sie erzählte viel, unter anderem, dass sie nach Frankfurt führe, um von dort per Flug nach Amerika zu einem Begräbnis zu fliegen. Ich schaute auf die Uhr: 22.55 Uhr. Ich äußerte mich, dass der Zug doch längst abgefahren sein müsste. Der Blick aus dem Fenster verrät mir aber, dass unser Waggon abgehängt war, der andere Zug längst davon ist. Die freundliche Dame schlug mir dann noch vor, ich solle mit Ihrem Sohn und ihr per PKW nach Frankfurt mitfahren, sie würde dieses Problem nun so lösen, weil der Flug ja termingerecht ginge. Nun war aber Glatteis auf den Straßen, und ich wollte mich nicht in Gefahr begeben. Es war ja Zeit genug. Ich nahm den nächsten Zug, der nicht
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um 8Uhr, sondern um 12.30 Uhr in Wiesbaden war, fuhr mit einem Taxi zu unseren Bekannten. Dort erklärte ich kurz, was geschehen war. Wir aßen eine Kleinigkeit, wurden zum Schloss geführt. Dann war das Konzert, dann nette Gespräche über dies und das, und schließlich wurden wir am Montag nach Schlägl per Firmenauto zurückgebracht. Dienstag früh, noch vor der Konventmesse, kommt mir eine Schwester unseres damals kleinen Konventes der Barmherzigen Schwestern entgegen. „Mein Gott und Herr! Da sind Sie ja wieder! Wie war es denn in der dunklen Kiste drinnen? Und sind Sie nicht verletzt?“ Ich kenne mich überhaupt nicht aus, meine zu träumen, fasse mich und frage überdeutlich: „Also, was ist denn da?“ Die Schwester – ich war damals auch Beichtvater der drei Sorores, die schon im fortgeschrittenen Alter waren – stammelt und lispelt beinahe andächtig: „Also, wissen Sie, wir haben gehört, Sie sind entführt worden!“ Ich würge das Gespräch zunächst ab. Nach der Messe geh ich dem allen mehr auf die Spur. Ergebnis: Weil ich nicht um 8 Uhr in Wiesbaden am Bahnsteig war – keiner sagte, dass ich abgeholt würde –, vermutete man, ich hätte
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den Zug versäumt. Der Veranstalter rief in Schlägl an. Dort beteuerte der Pförtner, er wisse genau, dass mich ein Chormitglied zum Nachtzug gebracht hätte. Der Pförtner brachte die Kunde aber sofort unter die Leute (es war der 7.1. ein Sonntag, also nach der „Kirche“ war die beste Chance der Gerüchteverbreitung....), ich sei nicht angekommen. Und schon waren die Phantasien, auch die der geistlichen Schwestern, auf Hochtouren, zumal auch die OetkerEntführung erst kurz zuvor passiert war. Der Veranstalter in Wiesbaden hatte dann noch in Erinnerung, dass ich manchmal an einer Nierenkolik leide, und reimte sich zusammen, dass ich eventuell auch eine Kolik im Zug erlitten hätte, oder dass ich verschlafen hätte. Er ließ mich angeblich in allen Bahnhöfen bis Ostende ausrufen – ich hatte dann wirklich gut geschlafen und nie etwas gehört. Nur: weder bei meiner Ankunft mit dem Taxi noch später nach dem Konzert sagte man zu mir oder zu Ingemar nur irgendein Wort davon. Aus Höflichkeit oder wie immer, vielleicht auch aus Vergesslichkeit, weil ich ja ohnehin dann da war und das „Problem“ erledigt war. Deutsche Gründlichkeit einmal anders, sie hatten mir in manchen regionalen Geschäften noch Nachfragen nach den Vorgängen der Entführung eingetragen.
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Stress in der Mozartwoche Die Mozart-Woche Salzburg, „das Winterfestival in der Mozartstadt“, wie der originale Untertitel auch lautet, ist jährlich immer in der letzten vollen Jännerwoche und den ersten Februartagen. Das bedeutet für mich aber auch die Zeit des Semesterschlusses auf den Universitäten mit abschließenden Lehrveranstaltungen und Prüfungsterminen. Und dann meine Arbeit als Musikkritiker für mehrere Tages- und Fachzeitungen. In der Zeit vor e-mail ereilte mich dabei einmal folgende Stress-Situation: Ich schrieb morgens meine Kritik in meiner Salzburger Wohnung auf der Schreibmaschine (und schreibe meist gleich „in die Maschine hinein“, ohne Konzeptionspapier), natürlich geht genau jetzt das Farbband aus. Rasch mit dem Auto in die Uni. Dort am Computer damit weitergefahren; aber die Zeit drängt, da kommt noch jemand zur Prüfung. Und dann ist um 11Uhr die nächste Matinee der Mozartwoche im Mozarteum. Zuvor schaue ich noch in das Institut für Musikwissenschaft, dort wartet ein Anruf der Sekretärin für Liturgiewissenschaft, ich hätte eine Formalität am Prüfungszeugnis über-
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sehen, also faxe ich von dort die Information und Bestätigung zwischen Tür und Angel. Nach Streichquartetten retour zur Uni, die „alte“ Kritik fertig schreiben, ausdrucken. Zum Fax-Apparat. Na, wie es sein will, kommt alles zusammen; jetzt ist auch noch das Fax-Gerät der Theologischen Fakultät defekt, das reicht! Ich muss sowieso nach Linz, also gleich ins Auto, bis 3 Uhr geht sich das noch aus, da ist Redaktionsschluss. Wirklich geschafft! Um 3 Uhr gebe ich meine Kritik ab, und tippe gleich vor Ort den Bericht über die Matinee, erledige noch, was ich in Linz zu hatte, fahre zurück und sitze um 19.30 Uhr wieder im Großen Festspielhaus, den Wiener Philharmonikern unter Roger Norrington lauschend. Wenn das kein Stress ist!
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Wie CD-Aufnahmen entstehen Ein deutscher Verlag heuerte mich an, für eine CD mit dem Titel „Historische Orgeln in Italien“ noch zusätzliche Beiträge in Florenz zu spielen, während man mit mir aus anderen Städten schon Aufnahmen „auf Lager“ hatte. Dabei ging es um die Orgel in der Kirche San Nicolò, am anderen Ufer des Arno, ein interessantes, mitteltönig gestimmtes Instrument aus der Zeit um 1580. Nun hatte man aus ökonomischen Gründen für die Tage nach meinem Spiel auch gleich Aufnahmen mit einem bekannten Trompeter und einer Organistin anberaumt. Die waren auch am Üben, als ich in Florenz – mit dem Flugzeug aus München kommend – in den frühen Nachmittagsstunden in der Kirche eintraf. Nun bin ich kein Hysteriker, der tagelang für Aufnahmen von etwa 20 Minuten CDSpielzeit brauchen will. Im Gegenteil: da ich die Orgel kannte, plante ich von Vornherein so, dass wir bis etwa Mitternacht aufnehmen und hatte den Rückflug gleich für den kommenden Tag gebucht. Die probenden Musiker hatten aber ihre liebe Not mit dem alten Instrument, die Stimmtonhöhe zur historischen Trompete passte nicht; die alte Tas-
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tenmensur machte der Dame an der Orgel zu schaffen, und sie bat mich, doch bis 21 Uhr noch bleiben zu können. Ich bezog inzwischen mein Hotelzimmer, ging Essen, kam wieder (und entdeckte übrigens einen Sekundanten mit moderner Trompete, der die hohen Töne spielte....). Ja bis dann die Technik soweit war, war es überhaupt Mitternacht, ehe wir begannen, die von mir gewählten Stücke von Frescobaldi, Luzzaschi, Merulo, Antico und Pasquini aufzunehmen. Das hatte zur Folge, dass ich erst um 4.30 Uhr wieder in mein Hotelzimmer kam. Dieses verließ ich aber schon wieder um 6.30 Uhr, weil ich die Morgenmaschine gebucht hatte. Der Hotelportier schüttelte nur den Kopf, dachte sich sicher nicht das Richtige, und das Flugzeug wurde übrigens aus unerklärlichen Gründen über Mailand umgeleitet, so dass ich erst sehr viel später nach Hause kam als geplant. In der berühmten Frari-Kirche in Venedig – ich brauche nicht zu erklären, dass es eine meiner Lieblingskirchen ist – spielten Ingemar Melchersson und ich für den WDR und in Coproduktion für eine Plattenfirma Aufnahmen an zwei Orgeln. Ich war schon zuvor mit dem WDR-Team unterwegs, um andere Orgeln Italiens „in den Kasten“ zu bannen. Man weiß, dass in Italien die Uhren
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anders gehen. In der Frari war eigentlich alles verabredet, bzw. schriftlich festgehalten; ich war Monate zuvor dort und habe auch darauf geachtet, dass alles in den Kalender eingetragen ist. Ja, und trotzdem waren dann wieder einige Kirchenmänner erstaunt, als das Aufnahmeteam anrückte. Ja, und Deutschen begegnen auch italienische Kleriker anders als Österreichern, das muss man auch sagen. Aber mit viel gutem Zureden ist es gelungen, eine gute Atmosphäre zu schaffen. Auf wen wir aber warteten, war Ingemar Melchersson. Der sollte schon seit einem halben Tag hier sein. Meine Anrufe in Schlägl bestätigten nur, dass er wohl auf dem Weg ist. Ich wusste, dass er mit Flugzeug kommen würde. Nun, das hatte wieder eine Misere, Umleitung über Zürich, dann Streit mit den Taxlern wegen des Fahrpreises... Aber zum Glück war der Herr Kollege bis abends eingetroffen, und wir begannen für zwei Nächte unsere Arbeit, umgeben von den herrlichen Tizian- und Bellini-Gemälden, inspiriert von den beiden schönen alten Orgeln. In einer der Pausen tauchte Fra’ Giovanni, der Sakristan, auf. Leider ist er nun schon verstorben, ein Factotum der FrariMannschaft, listig, touristenfeindlich, und doch gütig und mild. Er nahm mich beiseite,
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zeigte mir unter einer Filzdecke das Versteck eines Schlüssels, bzw. die damit aufzuschließende Tür eines RenaissanceSchrankes, in dem mehrere Flaschen Wein aufgehoben waren. „Wenn ihr Durst habt!“, sagte er mit verschmitztem Lächeln, nahm eine Flasche, ließ den Korken knallen und wünschte uns alles Gute für die Aufnahmen......
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Wenn Noten und plötzlich fehlen
Instrumente
In unserer Sturm- und Drangzeit haben Ingemar Melchersson und ich bei Konzertvorbereitungen schon einige Hektik entwickelt. Wir hatten eine Sängerin, eine Blockflötistin und eine Geigerin ziemlich überraschend für ein Herbstkonzert „verpflichtet“, eigentlich war ich derjenige, der die Damen, von denen wir wussten, dass sie uns besuchen kommen, einfach auf ein Plakat gesetzt. Das war nicht böse gemeint, wir waren damals so spontan, und haben auch gerne zusammen musiziert. Die Überraschung der Damen war zwar perfekt, sie spielten aber mit, und man stellte noch nachts ein Programm zusammen, das abwechselnd alle auftreten ließ. Dazu war vor dem „Volksaltar“ in der Schlägler Stiftskirche auch ein Orgelpositiv oder Cembalo postiert, weil jene Beiträge für Gesang+Blockflöte/Violine/Orgel von dort musiziert werden sollten. Passende Konzertkleidung wurde vor Ort organisiert. Ja, und so mitten im Geschehen des Konzertes sollte das Fräulein D. die Sopranino-Flöte zur Hand nehmen. Die war aber plötzlich verschwunden. Ja, wo ist nur die Flöte? In
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der Hitze des Gefechtes hatte man zunächst vergessen, dass man sie der Brusttasche des Organisten anvertraut hatte, damit sie nicht zu kalt wird fürs Spielen. Und der hatte anderes zu tun, als an die Blockflöte in der Brust zu denken. Ähnliches ist mir mit Noten passiert. Ich hatte eine Einladung, wieder einmal in der Frari-Kirche in Venedig mit einem Instrumentalisten meiner Wahl zusammen zu konzertieren. Ich bat den Passauer Flötisten Thomas Hermann darum. Das Programm verabredeten wir zuerst am Telefon, dann ging’s um Stücke, die wir zuvor in Österreich zusammen spielten, und u.a. auch um eine bestimmte Händel-Sonate. Wie immer das Missverständnis zustandekam, ich verließ mich darauf, dass Thomas die Noten dafür im Gepäck hat; er dachte, ich habe sie mit. Ich holte ihn in Passau ab, und zum Glück kamen wir auch innerhalb der ersten hundert Kilometer darauf zu reden. Da hieß es nichts wie rasch in Salzburg abfahren, zur nächsten Musikalienhandlung, ja, und zum Glück ist Händel noch ein Thema, was „man“ heute in Musikgeschäften lagernd hat. Das Programm war gerettet.
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Was einem im Norden alles passiert… Dass mich der Norden – und „leider“ auch der Süden – immer wieder anzieht, ist vielleicht bekannt. Da spielt die höchst abwechslungsreiche Landschaft ebenso mit, wie auch der Charakter der Menschen. Ihre Zurückgezogenheit, ihre Unaufdringlichkeit, dazu eine gewisse Sprachbescheidenheit (sprich: Schweigsamkeit) und Toleranzbreite sprechen mich an. Dazu kommt die Ruhe und der – mit anderen europäischen Gegenden verglichen – noch wenig auffällige Tourismus. In Schweden und Norwegen kann ich gut komponieren. Weil ich da das Glück habe, dass manchmal wunschtraumartig alles zusammenpasst: eine atmosphärisch ansprechende Kirche mit guter Orgel an einem See, Beeren und Pilze im Wald, Musik in den Fingern und im Kopf. In Dänemark ist das Leben offener und dichter, die Freunde nicht weniger herzlich und direkt. Sorø ist an einem See etwa 60km von Copenhagen gelegen; in seiner ehemaligen Zisterzienserkirche wirken zwei enge Freunde von mir. Frau Elna Bækdorf als Søgnepræst und Knud Vad als Organist und Mentor eines nun 30-jährigen Festivals, zu
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dessen Ehrenmitglied man mich – aus welchen Gründen immer – im Jahre 1994 machte. Dort ist mein Oratorium „Mysterium crucis“ uraufgeführt und öfter wiederholt worden. Dort mache ich Station, wenn ich durch Dänemark fahre, auch wenn ich kein künstlerisches Engagement habe. Weil es wohl tut, unter Freunden zu sein. Berechtigte Angst? Wieder einmal war ich in Sorø, diesmal für ein Konzert. Und ich nächtigte bei Knud Vad. Familie Vad ist gerade in einen Bauernhof nach Fjenneslev umgezogen, schön abgeschieden. Knud hat mir sein Arbeitszimmer als Quartier überlassen, wo es auch ein Bett für mich gab. Nun lebt dort außer der Familie mit zwei Kindern auch ein Hund. Und vor Hunden habe ich Angst. Weil mich bis jetzt schon drei Mal einer gezwickt hat. Und bekanntlich wittern Hunde die Angst. Nach ausgiebigen Abendgesprächen ging ich zu Bett in „mein“ Zimmer im ersten Stock. Tür zu, Oberkleider weg, rasch noch ins Bad, welches über den Gang zu erreichen war – gewesen wäre. Denn da vernahmen meine Ohren die Tritte des ansehnlich großen Hundes. Mein Gott! Nichts wie
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zurück. Tür zu. Aber kein Schlüssel zum Absperren! Und dieser Hund macht leicht mit seiner Pranke eine Tür auf, das hab’ ich doch beim Abendessen selbst gesehen. Also verbarrikadiere ich die Tür mit Büchern aus Knuds Bibliothek. Stapelweise, bis zum Anschlag der Türschnalle von unten. Und sitze und lausche. Nichts rührt sich. Ich lege mich ins Bett. Es rührt sich was. Nicht der Hund. Sondern meine Blase. Das Bier vom Abendessen. Aber ich kann ja nicht hinaus. Letzte Rettung ist das Fenster. Fenster auf, ja es ist eine Mansarde und von der Dachgaube ist’s in die Regenrinne gar nicht weit. Erleichterung, nachdem ich einen Teil meiner Körperflüssigkeiten dort entleeren konnte, beim Mondschein, mit zirpenden Grillen von unten.... Am nächsten Morgen baute ich das Bücherbollwerk wieder ab und erschien nach vollzogener Morgentoilette selbstbewusst zum Frühstück, als ich sicher war, dass der Hund schon in der Obhut seines Herren war. Wie ich in Dänemark zum Schauspieler avancierte War’s bei nämlichem Aufenthalt oder ein anderes Mal in Sorø, ich weiß es nicht mehr. Jedenfalls war ich zu einer Aufführung meines schon genannten Oratoriums anwe-
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send. Knud dirigierte den Chorus Soranus und das Radio Sinfonieorkest Copenhagen. Neben Gesangssolisten sieht die Partitur auch einen Sprecher vor. Diese Partie teilte man mir plötzlich zu – ich weiß nicht, ob absichtlich, oder wegen Erkrankung. Ich fühlte mich natürlich auch ein wenig stolz, weil der für mich vorgesehene Platz Elna’s beeindruckende Barockkanzel war, und: ich auf einer lutheranischen Kanzel, das ist noch einmal was für mich. Ich versuchte, mein Bestes zu geben. Und erst recht war ich stolz, als eine Zeitung tags darauf den „ungenannten Schauspieler mit fantastischem Deutsch und deutlicher Sprache“ lobte... Noch weiter nördlich 1999 hatte ich noch einmal – so wie ganz früher – eine ausgiebige Nordlandtournee unternommen mit etwa 12 Konzerten in 14 Tagen, verteilt auf Norwegen, Schweden und Dänemark. Gleichzeitig wollte ich dazustoßenden Freunden die wichtigsten Naturund Kunstdenkmäler dieser einmaligen Landschaften vorführen. Meine Reiseplanung sah vor, mit Flugzeug und Mietautos voranzukommen. Und das ging schon mit einem Schreckerlebnis los:
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ich bin einer, der den Wecker eigentlich nicht braucht. Normalerweise wache ich – wenn ich nicht aus anderen Gründen schon länger wach liege – einige Minuten vorm Weckerläuten auf. Und vorausschicken muss ich auch, dass ich selbst für längere Reisen keine unbedingte Hysterie des pingeligen und lange vorher beginnenden Einpackens kenne. Diesmal hatte ich am Nachmittag den Gewand-Koffer grob vorgepackt und die Notentasche reiseflott gemacht. Nach der Vesper kamen unerwartete Gäste, mit denen ich den lauen Juli-Abend im Garten des Sommerhauses zubrachte. Um 23Uhr schickte ich mich an, in meiner Kanzlei die wichtigsten „anderen“ Utensilien wie Ausweispapiere, Besteck für eventuelles Picknick, Komponierausstattung (sprich: Bleistifte, Notenpapier, Spitzer, Radiergummi), Fotoapparate, Filme, etc. wahllos in einen Korb zu sammeln; mit dem langte ich nach Mitternacht in meiner Zelle an. Ein Blick auf die Uhr: um 6 Uhr geht mein Flugzeug in Linz-Hörsching, das heißt, um 3.30 Uhr Aufstehen, längstens um 4.15 Uhr Losfahren. Es war verabredet, dass ich bei meiner Schwester Karin in Leonding das Auto parke und sie mich spätestens von dort um 5 Uhr abfahrend zum Flughafen bringt. Na gut, da schlaf ich doch noch drei Stünd-
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chen! Vor lauter Müdigkeit lasse ich den Korb auch noch ungeordnet neben dem Koffer stehen. Noch ins Badezimmer, und dann Wecker gestellt auf 3.30 Uhr, – Gute Nacht! Und dann passiert eben das, was nicht passieren darf und noch nie passiert ist: ich höre den Wecker nicht, ich wache auf – und siehe: es ist 4.15 Uhr!! Ich wie eine Tarantel aus dem Bett, ins Bad, ins Gewand, den Korb einfach in den Koffer gekippt, die Stiegen hinuntergesaust mit Koffer und Notentasche in beiden Händen, die kleine Handtasche um den Hals gehängt – ja, wo ist denn jetzt der Autoschlüssel?? Unauffindbar! Wird doch nicht mit dem ganzen Zeug in den Gewandkoffer gerutscht bzw. von mir mit Füßen hineingetreten worden sein? Koffer auf, durchwühlen... Nein! Zurück in die Zelle – da liegt er friedlich neben dem Waschbecken. So und jetzt aber Gas! Es ist 4.47 Uhr. Starten. Handy heraus, Flughafen angerufen. Nächste Maschine von Linz nach Wien wäre möglich, aber heute von Wien nach Kopenhagen bzw. Bergen alles ausgebucht. Ich muss also meinen Flieger erreichen, ich spiele ja abends schon im Dom von Bergen! Karin anrufen. Sie soll auf den Flughafen direkt fahren und mir alle Wege erfragen, wie und wo ich am schnellsten einchecke.
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Vollgas. Plötzlich eine Straßensperre „...Felsarbeiten bis nächste Woche... Umleitung...“ Ich denke: bei österreichischen Verhältnissen doch sicher noch nicht um diese Zeit. Fahre durch, ist auch kein einziges Hindernis zu sehen, durch Linz, auf Abkürzungswegen zum Airport. Auto stehenlassen in Parkverbot, Karin schon da, Schlüssel übergeben und stammeln: „Bring den Wagen irgendwie einmal zu Deinem Haus....“ Sie: „Schalter eins, dort warten sie schon auf dich“, ein Blick auf die Uhr: soeben 5.46 Uhr. Puh, da war ich aber viel zu schnell. Eingecheckt, Röntgenkontrolle, aufs Rollfeld, in den Flieger hinein, Türen werden geschlossen – hinauf geht’s in die Luft. Ich atme tief durch und denke, es ist alles nur ein Traum... Aber eben auf dieser Reise ist mir in Trondheim folgendes passiert: ich spielte beim Olav-Festival im Nidaros-Dom ein Orgelkonzert; nachts zuvor waren Tonaufnahmen für eine CD an der berühmten JoachimWagner-Orgel aus dem Jahr 1741 vorgesehen. Das war aber erst ab 23Uhr möglich, weil zuvor eben auch noch eine Abendveranstaltung war. Ich erhielt sogar den Schlüssel für alle Alarmanlagen und schloss den Dom von innen ab. Um 4Uhr morgens waren die Aufnahmen – ausschließlich Wer-
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ke von Bach – „im Kasten“. Ich ging dann noch einen Sprung an die Steinmeyer-Orgel (eine zweite, große elektrische Orgel in diesem Dom), um mich mit dem Spieltisch für die Improvisationen des Abendkonzertes vertraut zu machen. Dann reichte es mir. Jetzt Noten zusammenpacken, Alarmanlage anmachen und zum Auto. Aber – wo ist denn der Autoschlüssel? Ich jage durch den Dom, auf der hinteren Orgel vielleicht? Nein. In allen möglichen Taschen? Nein. Vielleicht hab ich ihn am Auto stecken lassen?? Also hinaus. Alarm aus, Alarm ein. Draußen war’s taghell. Klar, Mitte Juli so weit nördlich ist es das fast rund um die Uhr. Beim Auto: Nein. Das war eben noch dazu ein Mietauto, mit dem ich von Oslo aus nach Trondheim kurvte, wegen der abwechslungsreichen Landschaft. Aber was nun machen? Also, doch im Dom? Dort wieder vor der Tür angelangt, „reiste“ gerade das Putzpersonal an. Die halfen auch suchen. Nichts. Dann fällt mir – bei genauer Recherche der Nacht – ein, dass ich ja vor den Aufnahmen noch ein paar Zungenpfeifen in der Wagner-Orgel gestimmt hatte! Also: ins Orgelgehäuse geklettert, zu den Pedalpfeifen – und da liegt er ja, der Vielgesuchte, direkt am Rasterbrett neben der C-Pfeife der Posaune! Schluck, Gott sei Dank! Und jetzt ins Hotel und endlich auch ein bisschen schlafen.....
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In Trondheim hat es uns übrigens noch einmal „verfolgt“. Uns, das sind meine Freunde Günter und Christian, und eben ich. Die kamen nach Norwegen aus Österreich nach, um sich von mir Nordeuropa ein wenig zeigen zu lassen. Die Festivalleitung hatte versprochen, dass wir mit einem eigenen Transfer am Morgen nach dem Konzert zum Flughafen gebracht werden; das Mietauto hatte ich zurückgegeben, mein nächster Termin war in Copenhagen. 6Uhr, wir warten. Niemand kommt uns holen. Wir geben noch ein Viertelstündchen zu. Noch immer nicht. Jetzt wird’s aber Zeit, ein Taxi zu rufen, immerhin sind es 35 Kilometer, und der Flieger geht um 7 Uhr, zwar binnenskandinavisch, das ist sehr unkompliziert, aber immerhin... Ja, aber eben doch zu spät! Wenige Minuten vor unserer Ankunft hob der Vogel ab. Ich gehe mit unseren Tickets zur Flugleitung, stammle von meinem Copenhagen-Date und Versäumnis der Festivaldirektion; das hilft: man schleust uns unbürokratisch und unerlaubt in einen in 20 Minuten abfliegenden Jet, und wir sind mit nur wenig Verspätung auch um 8.30 Uhr in Copenhagen.
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Was so ein Domorganist bewirkt Man hatte mich eingeladen, für die Bestellung eines neuen Passauer Domorganisten in der Kommission zu sein. Ich hab es zugesagt, und schickte mich am 4.12.1991 an, von Schlägl zunächst nach Passau zu fahren, um im Hohen Dom des Hl. Stephanus die erste Serie eines Probespieles mehrerer Kandidaten zu hören. Doch das fing schon gut an: da hatte ich bei unserer Klosterpforte meinen Koffer schon deponiert, um ihn dann gleich ins Auto zu geben. Als ich aber mein Gefährt im Stiftshof anhielt, war der Koffer verschwunden. Den hatte ein Gast versehentlich vor meiner Nase eingepackt und war damit nach Rom unterwegs. Wie praktisch. Nun hatte ich noch rasch das Wichtigste in ein zweites Köfferchen zusammengekramt, raste nach Passau, hörte zu, machte mir meine Gedanken und Notizen und fuhr von Passau aus mit einem Zug ins Münsterland, weil ich dort für Mozart’s 200. Todestag einen Vortrag über die Geschichte des „Requiems“ halten sollte. Mit dem Nachtzug wollte ich wieder so zurück, dass ich am 6.12. vormittags wieder im Passauer Dom zur Stelle war. In Dortmund hatte ich umzusteigen. Da war Glatteis am Bahnsteig. Ich
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stürzte. Nicht viel passiert, aber: die Hose! Ja, die Hose hatte ein Loch, unter dem Knie. Die einzige Hose, denn die vorbereitete zweite war ja nach Rom unterwegs. Nun war es 17.45 Uhr, Anschlusszug 18.25 Uhr. Nichts wie raus aus dem Bahnhof, in die Fußgängerzone, ins nächste Großkaufhaus, Hose vom Kleiderständer, Konfektionsgröße 52, ohne probieren, zahlen, zurück, Zug hinein, Türen schließen. Abfahrt. Und dann im Zug die Hose wechseln. Und schauen, ob sie überhaupt passt. Wenn das kein Stress ist! Und in Passau so tun, als ob am Tag zwischen den Probespielen nichts gewesen wäre. Ich habe dann dem Domkapitel mit meinen Musikerkollegen der Kommission den Münchener Kaplan Hans Leitner vorgeschlagen. Er war unter den Vorspielenden einfach der Geeignetste. Da raunte ein älterer Domherr: „Aber, das ist ja ein Priester! Wos werdn denn d‘Leit sogn, bei dem Priestermongl?“ Der Herr Bischof von Passau hat aber unsere Empfehlung befolgt und Herrn Leitner zum ersten Fastensonntag 1992 als Domorganist bestellt.
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Posterfahrungen – oder: Man lernt nie aus Das Postwesen spielt in der modernen Kommunikationswelt mit Internet, e-mail und Fax eine immer mehr untergeordnetere Rolle. Das hat sein Für und Wider. Natürlich geht vieles unvergleichbar schneller, ja vielleicht zu schnell. Auch die Erwartungen werden beschleunigt. Man sendet ein Fax und ist der Meinung, der Empfänger sitzt schier auf seinem Gerät und hat nichts anderes zu tun, als eben auf dieses Fax zu warten, und man kann selbst die Antwort nicht früh genug bekommen. Fax ist wenigstens noch etwas „Handgreifliches“. Bei den „virtuellen“ Möglichkeiten von Internet und E-Mail wird das – für mich schon – noch etwas spannender. Weil ich der Sache zu wenig traue, ob da z.B. mein „mail“ denn wirklich ankommt, ob da das Gegenüber auch bereit ist, ein mail zu empfangen.... Ich jedenfalls habe beschlossen, mich nicht „verfolgen“ oder „beschleunigen“ zu lassen durch derlei Kommunikationsmittel. Gipfelpunkt der Möglichkeiten neuer Kommunikation, die in Wahrheit das Unpersönliche, Abstrakte fördert, ist ein Beispiel aus einem Amt eines mir gut bekannten öster-
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reichischen Bundeslandes. Da schreibt Beamter x an Amtsrat y ein „mail“ , obwohl die Büros Tür an Tür sind; und dann beschwert sich x bei Abteilungsleiter z, dass y sein mail nicht sofort gelesen hätte und ist tief beleidigt.... Ich könnte jetzt auch noch philosophieren, dass ich auch mit dem Computer nicht komponieren will und werde. Weil ich da keine Notenblätter nebeneinanderlegen kann; und ich will Überblick haben. Und weil ich auf das Genus „Handschrift“ im Allgemeinen – nicht auf meine persönliche – etwas halte. Es bedeutet doch etwas, einen Komponisten an seiner Handschrift erkennen zu können! Ein Blatt von Bruckner in Händen zu halten! Oder wird man in ferner Zukunft feststellen, welcher Komponist mit welchem PC und auf welchem Drucker gearbeitet hat? Aber zurück zur Post. Freilich, für mich ist ein Brief immer noch mehr. Und erst recht ein handgeschriebener Brief....Und ich unterscheide immer noch, welcher Adressat mir einen mit Tinte handgeschriebenen Brief wert ist. Vielleicht eine Spinnerei, von mir als Wertschätzung gedacht. Nun ist man aber zumindest beim Versenden von Paketen und beispielweise unför-
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migeren Noten doch auf die Post angewiesen. Und die hat ihre eigenen Gesetze von Zeitmaß, die man mit musikalischen Tempi nicht messen kann. Zumindest ihre Logik und Realität nicht. Da erreicht mich ein Brief aus Stockholm binnen eines Tages, kommt ein von mir nach Wien gesandter Brief nie an, oder braucht eine Sendung aus einem Ministerium in der Bundeshauptstadt nach Schlägl sechs Tage. Bei der Abwicklung einer CD-Produktion bat ich ein Technikbüro in Linz, mir an einem Donnerstag express Probeabzüge nach Schlägl zu senden, in der Meinung, sie würden nach österreichischem Postgesetz wenigstens spätestens am Samstag direkt ausgetragen. Erst am folgenden Dienstag (!) erreichte mich das am Donnerstag abgestempelte, mit „express“ freigemachte Päckchen mit der normal zugestellten Post.... Schlamperei oder „österreichische Gemütlichkeit“? Ein andermal sandte ich an meine Orchestermusiker für eine Aufführung von Haydn’s Schöpfung Notenmaterial im Voraus zu, zumal ich schon eine Einrichtung vorgenommen hatte, und auch sonst es für vorteilhaft hielt, dass man sich vor der ersten Probe mit einigen Stücken daraus beschäftigt. Nun war einer der Oboisten aus Ams-
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terdam. Den holte ich an einem Mittwoch vor Christi Himmelfahrt mittags vom Flughafen ab. Auf der Fahrt nach Schlägl wollte ich durch versteckte Fragen herausbekommen, ob er sich mit der von mir eingetragene Artikulation beschäftigt hat; als ich da auf wenig Echo stieß, wurde ich deutlicher, und musste hinnehmen, dass „Oboe 1“ nie in den Niederlanden angekommen ist. Nun war aber guter Rat teuer. Denn am Sonntag war das Konzert samt CD-Produktion. Woher eine Oboenstimme rasch auftreiben, wo durch den Feiertag Bibliotheken etc. geschlossen waren und die nächste Musikalienhandlung in Wien zu weit weg war! Durch reinen Zufall kamen wir durch einen Bekannten in einer Linzer Musikalienbibliothek an eine Oboenstimme noch am Donnerstag heran, und die Proben und Vorbereitungen waren gerettet. Seither kopiere ich jede Instrumentalstimme, die per Post außer Haus geht......
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Autoverlust Die Bayerische Staatsbibliothek München hat eine wohl bestückte Handschriftensammlung. Dort wollte ich in bestimmte Manuskripte für eine Vorlesungsvorbereitung Einsicht nehmen. Ich fuhr von Salzburg nach München, von der Autobahn weg dem Wegweiser „Zentrum“ folgend, gelangte am Isartor vorbei und suchte bald einmal einen Parkplatz. So einen fand ich sogar, und ich merkte mir sogar – aufgrund schlechter Erfahrungen in Bologna – den Straßennamen. „Liebich“-Straße, das war insofern leicht zu merken, als auch einer meiner Studenten in diesem Semester so hieß. Ich machte mich auf den Weg zu den Handschriften, ging danach noch Essen, und weil ich eigentlich ziemlich „geschafft“ war, wollte ich mir’s bequem machen und stieg in ein Taxi. „Liebichstraße, bitte!“ verkündete ich mein Ziel. Als der Fahrer anhielt, und ich nach Bezahlung ausstieg, bemerkte ich, dass es ziemlich autoleer war in dieser Straße. Ja, mein Auto war nirgends zu sehen. Eine ältere Dame verließ gerade ein Haus. Ich ging auf sie zu und frug, wie denn das mit dem Abschleppen von Autos in dieser Straße sei. „Jo mei, da hoins jeden Tog o poor mol die Wagn mit an Loster...“ klärte sie mich im breiten Münchner Dialekt auf. Dabei war ich
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mir sicher, dass ich nicht unverboten geparkt hatte. Ich machte mich knieschlotternd zur nächsten Telefonzelle auf. An sich der Umstand, dass das Auto abgeschleppt worden war, war schon unangenehm genug. Ich hatte aber auch meinen Reisepass drinnengelassen, und anderes Wichtige auch. Nun war die Telefonnummer des Abschlepp„dienstes“ schon am Telefonbuch außen vermerkt, wie aufmerksam! Ich rief an, gab meine Autonummer bekannt, machte noch deutlich, dass „RO-134A“ nichts mit Rosenheim in Bayern zu tun hat, sondern dass ich ein österreichisches Kennzeichen fahre. Aber, die Antwort fiel negativ aus. „A soich’s Auto ham mar heint no net doghobt“, versicherte man mir, aber um 20.30 Uhr käme die letzte Fuhre auf den Zentralabstellplatz für derlei sündige corpora delicti. „Und wonn Se’s wissn woin, gschtoin werrn bei uns a gnuag Auto om Tog! Mohans hoit glei a Valustonzeige bei da Polizei.“ Na, schöne Aussichten, ermunternd! Ich pilgerte zur nächsten Wachstube, ziemlich weit weg. Dort schilderte ich meine „Entdeckung“. Der Wachebeamte rief beim Abschleppbüro an, die letzte Fuhre hatte mein Auto auch nicht dabei, die letzte Hoffnung war gesunken. „Do, fuinns den Zedl aus!“ Verlustanzeige....! Während ich
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schreibe, beugt sich ein eben angekommener junger Wachmann über meine Schulter und liest mit. „Ah, in da Liebichstroßn hobns parkt...? Geh, kuman S’ mit, des schaug ma uns o!“ Ich klettere in den Streifenwagen, besagter Polizist fährt ähnlich wie der Taxilenker auf die Liebichstraße zu: leer. Dann macht mir der Polizist den Vorschlag, mich so zu fahren, wie ich beim Isartor entlanggefahren bin und rekonstruierte praktisch meine Anfahrt. Ja, und ich traue meinen Augen nicht. Da heißt es auch: Liebichstraße, und mein Auto steht breitspurig vor mir. „Soachane hom ma a por om Tog, die wos de Liebichstroßn net kenna, die hot nämli o Einbohn so hi und so hi...“ Ich bedanke mich höflich, bin total erleichtert und fahre nach Salzburg zurück. Am nächsten Tag habe ich auf der Uni bloß noch ein paar Unterschriften zu machen und lasse aus diesem Grund mein Auto aus Bequemlichkeit vor dem Universitätsgebäude stehen (obwohl ich im Hof Parkerlaubnis habe, aber Schranken auf, Schranken zu, das hält ja auf....). Ich erzähle dann noch von meinem nächtlichen Abenteuer und die selbst sonst so höfliche Sekretärin aus dem Hause Habsburg muss darüber lachen, um nicht zu sagen, sie lachte mich aus. Ja, und ich empfehle mich, gehe vor das Tor – und sehe mein Auto auf einem Salzburger Ab-
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schleppwagen thronen und langsam meinen Blicken entschwinden. Hat einiges Geld und ebenso M체he gekostet, an den Karren wieder heranzukommen und rechtzeitig in Schl채gl einzutrudeln.
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Abermals Venedig Dass die Serenissima einer meiner heimlichen, oder unheimlichen, oder besser ohnedies bekannten Lieblingsplätze ist, und ich dort schon zum x-ten Mal gewesen bin, wissen meine Freunde. Ein Anziehungspunkt in allen Stimmungslagen, Bedürfnissen und Hoffnungen. Das zu interpretieren dem Leser zu überlassen, wäre gefährlich. Also: wenn ich über etwas nachdenken will, geht es besser an grauen Novembertagen um 5 Uhr früh bei Nebel an den Kanälen...; wenn ich Kompositionsstimulanz brauche, ist ein Nachtspaziergang durch die engen Gassen von Nutzen....; wenn ich mich ärgere und abschalten will, genügt ein Abendmahl bei meinem geschätzten Koch in der Trattoria San Ignazio...; wenn ich hören will, was am Kriminalsektor weitergeht oder an Opernpremieren Neues ansteht, treffe ich mich mit Donna Leon in der Pasticceria Davidiche.... Da es zu meinem Naturell gehört, auch meine Freunde zumindest teilweise an meinem Lebensstil teilhaben zu lassen, schleppe ich zuweilen auch Einzelpersonen, kleine und größere Gruppen in die Lagunenstadt. So z.B. meinen Freund G.H. Setze ihn in die
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Frari-Kirche und spiele für ihn. So geschehen an einem Novembertag 1995. Dann will ich doch das Zungenregister Tromboncini noch nachstimmen, weil die Orgel so wenig gestimmt wird. Das kann ich leicht vom Spielschrank aus tun. Greife hinauf zu den Pfeifen vor dem Prospekt. Und wie es der T..... will (oder wer immer), fällt das kleine Messingzünglein in die Windlade hinein, noch dazu so ungeschickt, dass es die Registermechanik blockiert. Das kannst du nicht so lassen! Wir eilen in ein Elektrogeschäft und wollen eine Taschenlampe kaufen. Aber, was heißt denn Taschenlampe auf Italienisch?? Mit unmöglichen Umschreibungen mache ich deutlich, was ich will. Mit breitem Grinsen antwortet der echte Venezianer, der mich bedient: „Aa, Signore, Lampadina di Tascha!“ „Si, si...“ Wir eilen zurück, leuchten alles aus, ich finde das Miststück, angle es kompliziert heraus, setze die Zunge wieder an ihren Ort, stimme die zugehörige Pfeife.... O.k., keiner hat’s bemerkt, alles wieder in Ordnung. Dann gehen wir abends noch in ein Konzert. Ein Schweizer Chor singt Teile des Weihnachtsoratoriums. Beim Verlassen der Gesuati-Kirche sehe ich plötzlich einen ehemaligen Salzburger Schüler mit seiner Frau! Man ist nie unentdeckt, denk ich mir, klopf
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ihm auf die Schulter – freudiges Erschrecken. Die feierten ihren Hochzeitstag hier. Ein andermal schleppe ich eine Orgelreisegruppe an. Möchte die Nacchini-Orgel im Ospedaletto herzeigen. Alle Anrufe oder Briefe aus Österreich hatten keinen Erfolg auf Antwort. So gehe ich geradewegs auf die Pforte des nun als Altenheim geführten ehrwürdigen Gebäudes, wo schon Vivaldi wirkte, zu. „All’Organo?“ – „No, no signore!“ Ja, man will uns einfach nicht hinlassen. Behauptet, man hätte keinen Schlüssel und so. Aber ich kenne ja den Zugang und die Verhältnisse. Also muss ich mir einen Ausweg ausdenken. Ich hab doch viele Konzerte hier gespielt, wär doch gelacht! Bloß der Organist ist auf Urlaub, weiß ich ja von seiner Mutter. Ich frage, ob ich telefonieren darf. Ja. Rufe das venezianische Denkmalamt an und frage unschuldig, ob sie – die am Telefon sprechende Beamtin – mit dem Pförtner des Ospedaletto reden könnte, dass wir in der Kapelle die berühmten Fresken anschauen dürfen. Das macht die freundliche Frau prompt. Und der Pförtner lässt uns in die Kapelle hinein und verschwindet auf italienische Art, indem er sich auch nicht mehr um uns kümmert. Na, das war‘s. Ich nehme mir zwei Assistenten mit auf die Empore hinauf,
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deren Zugang über die Sakristei ich gut kenne. Bitte die beiden jungen Herren, nun die Bälge der Orgel von Hand zu betätigen – einen Schlüssel für den Motor brauche i c h nicht! Und nun führe ich das Instrument mit händisch erzeugtem Wind noch wesentlich authentischer vor als geplant..... Wieder ein anderes Mal war ich mit meinen Chor CANTORIA PLAGENSIS in Venedig für Konzerte und eine Messe in San Marco. Und ich kann‘s natürlich nicht lassen, auch eine „Sightseeing-Tour“ mit meinen Sängerinnen und Sängern zu machen. Und gerade von San Giovanni e Paolo zum Ospedaletto schlendernd denke ich mir, soll ich’s wagen, einfach eine zweite Auflage des Unternehmens von einst durchzuführen? Einfach so spontan die Orgel vorführen? Und wie im Märchen läuft mir darauf direkt der Organist Dr. Davide Zamattio in die Arme. Freudige Begrüßung, und: „Willst du nicht die Orgel vorführen im Ospedaletto?“ „Natürlich!“, denke ich und spreche ich. Und so geschah’s denn auch ganz regulär.
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Verwechslung Man hat mich in eine unserer Stiftspfarren geholt, um bei einer Pfarrgemeinderatssitzung meine Gedanken über einen Orgelumbau darzulegen und zwischen zwei Offerten einen Vorschlag der Auswahl zu geben. Guten Gewissens entschied ich für Orgelbauer Z. Der damals auch schon betagte Orgelsachverständige der Diözese D. war eher geneigt, an Orgelbauer R. die Auftragsvergabe zu empfehlen. Der Pfarrgemeinderat schloss sich zunächst mehrheitlich meinem Votum an; der Pfarrer aber entschied am folgenden Tag anderes mit Berufung auf die Aussage von D. Ich hatte mich nicht wenig geärgert, nicht nur, weil die Offerte nur um 50.000. –Schillinge differierten, sondern weil ich die Vorgangsweise für undemokratisch hielt, und am Vortag deutlich gesagt wurde, der Pfarrgemeinderat entscheidet. Ich hatte das Orgelbauer Z. mündlich auch schon mitgeteilt. Um die Sache aufzuklären und richtigzustellen, bediente ich mich der Briefform. Einen Brief schrieb ich an den Orgelsachverständigen D. und erklärte ihm meine Gründe, warum ich für Z. entschieden hätte, zumal von diesem Orgelbauer in unserem Gebiet
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kein Instrument stand. An Orgelbauer Z. schrieb ich, dass ich es peinlich finde, aber nun mitteilen müsste, dass er doch nicht den Auftrag erhalten würde, zumal D., „dieses Rindvieh“ (oder so ähnlich) nicht erkenne, worum es mir gehe. Aufgegeben habe ich die Briefe in Salzburg nach einer Matinee der Festspiele im August – ich schrieb Kritik für eine Zeitung – und fuhr schnurstracks darauf nach Vorarlberg, um dort selbst zu konzertieren. Nach Mitternacht angekommen finde ich in meinem Quartier einen Notizzettel auf dem Bett: „Dringend Orgelbauer Z. in .. anrufen“. Das tat ich auch gleich um 7 Uhr früh. „Da müssen Sie unseren Brief in das falsche Kuvert gesteckt haben. Wir haben einen Brief an Sachverständigen D. erhalten..“ raunte eine nicht ganz ausgeschlafene sonorige BassStimme ins Telefon. Mein Gott! Jetzt hat D. jenen Brief, wo ich nicht ganz sanft über ihn schreibe! Na, dazu kann ich auch stehen. Aber die feine englische Art ist‘s ja gerade nicht, wie er das erfährt. Tags darauf mache ich einen Ausflug auf die Silvretta und schreibe an D. eine Karte: „Hier in über 2000 Meter Höhe ist vieles relativ. Trotzdem: bitte um Entschuldigung und herzliche Grüße“. Wir haben nachher darüber herzlich und oft gelacht, weil er inzwischen mein.
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Anliegen auch verstanden hatte. Z. und D. sind schon gestorben. Die von R. umgebaute Orgel spielt auch noch.
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Verstecke mit Fantasie Wir Organisten haben nicht nur den Drang, neue – und erst recht historische Orgeln kennenlernen zu wollen. Wir stehen auch manchmal vor der nackten Tatsache, dass wir ein Instrument in fernabgelegenen Dörfern spielen wollen, und keine Seele antreffen, wo wir nicht nur um Erlaubnis, sondern auch um den Schlüssel fragen können. So wird die Not zur Tugend und weckt Erfindungsreichtum im Suchen nach Schlüsselverstecken. Da ist der Nagel unter der letzten Kirchenbank als einfachstes anzuführen in einer Reihe, die mit „unter einem Gesangbuch in der Bank vor dem Emporenaufgang“ fortgesetzt werden kann. Möglich ist auch, dass der Schlüssel oben am Türrahmen liegt. Ist der Zugang zur Orgel offen, kann er in einem Schalterkasten schlummern. Auch auf einem Profilrahmen des Orgelgehäuses wartet ein Schlüssel gerne auf Entdeckung. Unter oder in der Orgelbank ist dort auch ein eher leicht entschlüsseltes Versteck. Findet man keinen Schlüssel, bleibt noch immer die Möglichkeit, andere Schlüssel durchzuprobieren, ob sie zufällig sperren – beim eigenen Schlüsselbund beginnend, bis
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zu an Beichtstühlen oder anderen Kircheneinrichtungsgegenständen steckenden Verschlussinstrumenten. Als ich neulich mit einer Gruppe Organisten und Musikliebhabern auf Mallorca Orgeln besichtigte, war uns als Geheimtipp verraten worden, die Orgel in Muro zu spielen. Wir kommen an einem Sonntagnachmittag bei bratender Hitze hin, die Kirche ist offen, man strömt hinein – ein 18. JahrhundertOrgelgehäuse, aus dem Horizontaltrompeten ragen, lächelt uns von der Seitenwand an. Aber –, das Aufgangstürchen ist verschlossen. Scheint aber, dass ein eher primitiver Schlüssel sperrt. Übliche Versteckplätze sind leer. (Zum Beispiel auch unter der Altardecke oder im Ambo-Fach....) Die Sakristei ist allerdings sperrangelweit offen. Da stehen sogar Silberkelche. Und an Kästen mit Paramenten und anderem liturgischem Gerät stecken Schlüsseln. Schon der zweite aus der Reihe dieser öffnet uns den Zugang – und mit einer spanischen Battaglia feiern wir die Freude über den Zugang zum Instrument. Nicht einmal dieser Wirbel konnte offensichtlich den Siesta haltenden Klerus im angrenzenden Pfarrhaus wecken, wenn es zuvor schon nicht die Türklingel bewirkte.
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Ein anderes Mal war ich auch orgelreisend mit einer Gruppe unterwegs, und es ging darum, eine Schnitger-Orgel in einem kleinen niederländischen Dorf zu spielen. Wir waren angemeldet, aber keiner war da. Schlüssel war absolut keiner zu finden. Da entdeckten wir eine Leiter. Die wurde angelehnt an die Brüstung, und weil’s nicht so hoch war, kletterte ich tatsächlich auf diesem Wege zur Orgel, um Schnitger-Klänge vorzuführen.
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Aus der Küche geplaudert Dass ich nicht ungern koche, hat sich inzwischen auch herumgesprochen. Noch mehr Freude macht es mir, wenn ich für jemanden kochen kann und nicht nur für mich allein. Mit der Intensivierung dieser meiner auch auf Improvisation fußenden neuen Lust habe ich im Musikzentrum St. Norbert auch eine bessere Küche aus Italien einbauen lassen, die mir – und hoffentlich auch meinen Gästen – viel Freude bereitet. Da war allerdings gleich zu Beginn ein „kleineres“ Problem mit dem Geschirrspüler, meiner inzwischen liebgewonnen Minna. Zum allerersten Mal lud ich Günter und Christian am Stephanstag zum Essen, nachdem die Küche am 23.12. – zeitgerecht als „Christkindl“ – installiert worden war. Installiert wurde eben auch ein Geschirrspüler der Marke Miele, von dem man mir sagte, er sei der „Mercedes“ unter den Küchengeräten. Wir speisten Steinpilz-Risotto, gegrillten Fisch, und weiß ich, was noch; ich freute mich auf die Premiere meiner Minna. Alles eingeschlichtet. Eingeschaltet. Das typische Schlürfgeräusch erschallt. Wir setzen uns zum Tisch und plaudern. Plaudern lange. Da
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sagt Günter: „Na, der Geschirrspüler müsste eigentlich schon fertig sein!“ Ist er aber nicht. Wir warten noch ein wenig, dann öffnen wir. Alles kalt. Er heizt einfach nicht! Und so was in den Weihnachtsferien, wo am nächsten Tag Samstag war. Also, erst in zwei Tagen irgendjemand erreichbar ist. Ich lebe ja im Mühlviertel und in keiner Großstadt. Am Montag habe ich Kontakt zum Miele-Vertreter. Trockene Antwort: „Also vor dem 9. Jänner geht da gar nichts!“ Ich frage mich, was tut eine Hausfrau oder ein Gastronomiebetrieb, der auf so etwas angewiesen ist? Na gut, am 9. 1. kommt jemand. Schaut. „Da müssen wir ein Elektronik-Teil auswechseln.“ Nach einer Woche kommt man mit dem auszuwechselnden Teil. Baut ein. Nimmt in Betrieb. Wieder kalt. Der Lehrjunge unseres E-Werkes steht daneben. Sieht zu. Sieht Drähte herausschauen. Getraut sich endlich, das zu sagen. „Das ist ja die Heizschlange, die nicht angeschlossen ist!“, meint der Lehrling. Jetzt wird der eingebaute ausgewechselte neue Teil wieder ausgebaut, alter eingebaut, Heizschlange angeklemmt. Probebetrieb. Geht.
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Geht gerade rechtzeitig. Denn morgen habe ich Gäste. Ein Samstag. Um 23 Uhr nehme ich dann meine Minna erneut, also zum zweiten „richtigen“ Mal in Anspruch. Räume nebenbei noch zusammen, schalte ein, das typische Schlürfgeräusch ertönt. Minna arbeitet drei Minuten. Klacks. Die Sicherung fällt. Ich schalte wieder ein. Klacks, die Sicherung fällt nach zwei Minuten. Wieder eingeschaltet, nun dauert es nur mehr eine Minute bis Minna und alles andere Elektrische still steht. Also doch wieder ausräumen, händisch abwaschen..... Am Montag kommen sie wieder, der MieleFachmann und der Elektriker. Stehen. Schauen. Schütteln den Kopf. Zaubern etwas herum. Murmeln von zu schwacher Sicherung. Probebetrieb. Geht. Gott sei Dank. Am darauf folgenden Freitag habe ich wieder Gäste und hätte meine Minna wieder „Betrieb“. Vor einer Chorfeier koche ich mittags ein wenig vor, dann fülle ich Minna an. Schalte ein. Warte bange. Doch, das typische Schlürfgeräusch ertönt, Minna läuft ohne Unterbrechung. Aufatmen. Dann wird Sie sich schon von selber ausschalten. Ich gehe in meine Schulkanzlei, erledige Bürokratie, komme nach drei Viertelstunden wieder. Minna steht still. Dampft vielleicht noch ein wenig. Ich möchte öffnen, doch es geht
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nicht. Geht absolut nicht, weder mit Gefühl, noch mit ein wenig Gewalt. Minna bleibt verschlossen. Rasch rufe ich noch unser E-Werk an, da ist niemand mehr da. Aber der nette Herr Höfler eilt – von der Pforte gegen meinen Willen irgendwie informiert – herbei und kann das kranke Kind gesund machen. Minna funktioniert nun einige Wochen lang. Eines Abends ist Minna in Betrieb. Nebenher lese ich den neuesten Roman meiner Freundin Donna Leon. Ich, oder besser zwei Damen aus meinem Chor bemerken Wasserspuren am Boden in der Küche. Die Frage kommt auf, ob Minna die Ursache sei. Ich verteidige das gute Ding und sage, dass das doch nach so viel Umsicht nicht sein kann. Man wischt zusammen, denkt sich nichts. Nach zwei Wochen sitzen mehrere meiner Sänger in der Küche. Minna arbeitet. Da rinnt doch wirklich munter ein Bächlein aus dem linken Eck von Minnas Türe heraus; wir reißen den Rachenverschluss auf – viel Schaum kommt entgegen. Ich bin ratlos und wütend zugleich. Tags darauf erklärt mir jemand, das kann ein falsches Spülmittel sein. Ich füttere daraufhin – und bis auf den heutigen Tag – Minna mit Spezial-Tapsen. Das wirkt Wunder, sie hat mich seither noch
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nicht wieder enttäuscht. Und hat manchmal einiges zu tun. Für meinen Mitbruder Bruno, der gehbehindert ist, gerne von Musik und und vor allem gerne Orgel hört, und obendrein ein kleines Schleckermäulchen ist, habe ich mir ausgedacht, Ossobucco zu kochen. Nicht nur für ihn, freilich auch für Sr. Gisela, seine allzugute Betreuerin. Am Vortag habe ich nämlich am Südbahnhof-Markt in Linz nicht nur sehr schönes, frisches Fleisch dafür gekriegt, sondern auch allerhand Gemüse eingekauft, das dazu passt. Und in einem Großkaufhaus beim Durchgehen eine im Angebot äußerst günstige Kasserolle aus Glas erworben. Es war Samstag, ich entwickelte meine Kochlust schon um 8 Uhr früh, und Ossobucco soll ja lange schmoren. Ich schneide Stangensellerie, schabe Karotten, erzeuge Streifen von Knollensellerie, hacke Zwiebel. Gieße Öl in eine Pfanne, lasse die Zwiebel glasig werden, gebe das geschnittene Gemüse drein, dass es ein wenig auch anbrät. Nebenher werden die schönen KalbshaxnRinge kurz gewaschen, abgetupft, mit Mehl bestäubt, ein wenig Salz, mehr Pfeffer dran, dann in der neuen Kasserolle auf der Platte mit zerlassener Butter angebraten. Ich neh-
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me die Fleischstücke heraus, lege sie auf einen Teller rechts vom Herd. Nun in das Bratensafterl hinein mit dem Zwiebel, dem Gemüse und ein wenig passierte Paradeiser drauf, hohe Hitze, damit’s schneller geht. Denn dann sollten die Fleischstücke wieder hineinkommen und das Ganze wenigstens zwei Stunden schmoren. Aber soweit war es noch nicht. Zuerst Kühlschrank auf, Weißwein heraus, und kräftig ablöschen das anbratende Gemüse. Wummmmmm! Ein Knall, einer Explosion gleich. Ich erschrecke maßlos. Was ist jetzt? Die Kasserolle hat es in tausende Scherben zerrissen und samt Inhalt in die linke Küchenecke gerissen, einige Splitter sind in meinem Gesicht. Ich setze mich zunächst einmal hin, atme durch. Schau mir die Misere an. Also, zuerst mich selber reinigen, die ganze Küche putzen. Das Fleisch durchleuchten, aber das hat zum Glück nichts abbekommen, weil ich auch noch eine AluFolie drauflegte. Und dann wieder von vorn beginnen. Nebenbei lese ich die auf der Verpackung abgedruckte Beschreibung der Kasserolle – eigentlich suche ich die Garantieerklärung. Aber da steht groß: „Nicht geeignet für Herdplatten....“ Selber schuld. Aber trotzdem bin ich mit dem Gericht um
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12 Uhr servierfertig, und den Gästen hat es ganz gut geschmeckt. Seit einigen Wochen versuche ich mich auch mit Kuchen. Und vor dem Sommerhaus steht ein Kirschbaum, der heuer sehr viel getragen hat. Also, ein Kirschkuchen wird fällig. Ich erfrage bei meiner Mutter ein Blechkuchen-Rezept, weil ich mich einfach zu gut an unseren Kirschkuchen daheim erinnere. Ziemlich einfach, stelle ich fest, und meine neue Braun-Küchenmaschine hilft da auch kräftig mit, z.B. was SchneeErzeugung anbelangt. Den Teig streiche ich auf, die in Rum eingeweichten Kirschen (das ist wieder eine improvisatorische Zutat von mir) lege ich auf, das Rohr war vorgeheizt, hineingeschoben. Passt. Jetzt sind ja gut 40 Minuten Zeit. Ich fahre rasch zum neuen „Contra“-Laden, um meiner Minna frische Tapse zu kaufen. Da treffe ich eine Bekannte, die dort frisch angestellt ist. Wir plaudern ein wenig. Ich fahre zurück. Tür auf – Geruch! Nicht unbedingt angenehm. Ich schau ins Rohr – oh je! Nicht gleich ganz verbrannt, aber so kräftig braun erscheint da mein Kuchen, dass ich ihn so nicht anbieten kann.
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Von der Saalorgel kommt gerade eine Schülerin zur Tür herein, die in ihrem neuen Heim auch Ziegen hält. Die freuen sich über die ganze Blechladung Kuchen als Futter. Und nach einer Stunde gab‘s die richtige Ausführung von Mutters Kirschkuchen.
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Eine anstrengende Reise Ich war eingeladen in Leufstabruk, anlässlich der „Wiedereinweihung“ der CahmanOrgel (1723) nach einer neuerlichen Restaurierung durch Marcussen zu konzertieren und zu predigen. An einem Augustwochenende 2007. Ich sagte nur unter der Bedingung zu, dass ich „punktuell“ kommen kann, und zwar Samstag hinfliegen, abends konzertieren, montags wieder retour, weil rundherum auch viel los war und ich in Schlägl ab Montagabend auch die Organistenvertretung selbst innehatte. Klar, natürlich! Und wir holen Dich in Stockholm vom Flughafen ab. Dazu muss man wissen, dass Leufstabruk eine wunderschöne Siedlung um ein altes Schloss ist, das mit ehemaliger Eisenproduktion zu tun hat (bruk = Bruch). Das liegt von Uppsala nochmals ungefähr 50 km weiter weg, und Uppsala ist von Stockholm auch gute 100 km entfernt. Ich buchte einen Flug, der in Stockholm um 13Uhr ankam. Die etwas „chaotische“ Organisation örtlicher „Orgelfürsten“ war mir schon bekannt; aber: als ich in Stockholm niemand antraf, der mich holte, versuchte ich es mit handy. Freund Göran Blomberg hob ab. „Ach ja, stimmt, du…. , ja, aber wir
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haben ja so viele Freunde hier zur Feier.. das geht ja ganz leicht mit dem neuen schnellen Zug, nimm doch den! Und da fährst Du nach Tireo…“ Ich frage, wie man das buchstabiert, damit ich das Nest überhaupt finde. „Dort hole ich dich ab!“ So, ich suche mir den Zug. Stockholms Flughafen Arlanda ist ja vorbildlich total angeschlossen an die Bahn. Ich frage mich durch, wie die Ticket-Automaten funktionieren und scheine wohl richtig gedrückt zu haben. Es ist 14Uhr. Ich besteige den Zug. Um 16Uhr komme ich in Tireo an. Niemand da. Ich rufe wieder an. „Ach ja.. Du…. Aber … da gibt es ja einen bequemen Bus….. der geht gleich gegenüber dem Bahnhof ab… !“ Ich versuche mit wenig schwedischen Brocken und Englisch an einer Kebab-Hütte mich durchzufragen und erhalte die Auskunft, dass an Samstagen nur ein einziger Bus fährt, und der geht erst um 17Uhr. Ich werde nervös. Der Bus kommt, eine nette Chauffeuse lenkt ihn. Ich frage: „Nach Leufsta?“ „Jo,Jo. Kommer in !“ Ich steige ein. Aber: der Bus nimmt keine direkte Route – obwohl ich allein drinnen sitze. Er fährt jedes kleine Dorf an und schön langsam nähert er sich um 18Uhr der weit außerhalb liegenden Endstation Leufsta. Keiner da. Ich rufe wieder an. „Jo…. Ich bin schon auf dem Wege…“ Und da dampft auch ein uralter VW herbei mit
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Göran hinter dem Lenkrad…. „Ach, dass du da bist!“ sagt er zu mir; das denke ich mir auch! Und jetzt rasch bitte ins Quartier, ich möchte mich eigentlich noch duschen. Das geht sich aus. Und rasch an die Orgel. 19 Uhr. Ich kenne sie von früher. Aber ein bisschen Registermischungen probieren! Presse erscheint. Aus. Begrüßungsansprache. Es geht los. Und es geht ja auch ganz gut. Bis ich zu der von mir ins Programm gesetzten 4. Toccata von Muffat komme. Ich hatte extra alle Noten kopiert, damit das Fluggepäck nicht schwer ist. Ich bin beim dritten Abschnitt, dem eine Fuge folgt. Ich schiebe die Seite drei zur Seite, aber: es fehlt die letzte Seite! Puuuuh… auf in den Kampf, das Hirn anstrengen, drauf losspielen, auswendig…. Und es geht! Am nächsten Tag predigte ich im Gottesdienst, den ich zusammen mit einer neuen lutherischen Pfarrerin ökumenisch zelebrierte. Nachmittags CD-Aufnahmen. Abends eine feines Abendessen meiner Gastgeberin. Dort verabrede ich mit deutlichem Ton meine „Verfrachtung“ für den Rückflug; der geht um 9.30 in Arlanda. Ich bin bereit, den Zug in Tireo zu nehmen. Aber, dorthin muss mich Göran bringen, denn Bus gibt es keinen so bald in der Früh, und das war auch nicht ausgemacht.
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Also, Treffpunkt 4.30Uhr vor dem Haus meiner Gastgeberin. Aber: 4.30 – kein VW in Sicht! Ich telefoniere zweimal, dreimal, viermal.. endlich! „Uuh… ich hab mich verschlafen, aber gleich bin ich da….“ Zum Glück geh ich immer auf „Nummer sicher“ wenn ich so Zeiten verabrede. Und 5Uhr Abfahrt war gerade noch recht, dass der Zug in Tireo einfuhr und ich hineinspringen konnte. Übrigens war mir bei einer Konzertreise in Dänemark einmal Ähnliches passiert: Im Pachelbel-Jahr 2006 spielte ich des öfteren Werke dieses Komponisten. Doch beim Betrachten des gedruckten Konzertprogrammes für die Nicolaikirche in Svendborg stelle ich fest, dass ich die dort angegebene „Arietta in F“ (ein Variationswerk) gar nicht im Notenkoffer habe. Aber die moderne Kommunikationstechnik und der Zufall, dass ich Ingemar zu Hause gleich erreichte, machte es möglich, dass ich aus gefaxten Noten dann spielen konnte.
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Irrwege in Sachsen Für einen Vortrag und ein Konzert war ich an einem Septemberwochenende nach Freiberg und Nassau im Erzgebirge eingeladen. Am Samstagvormittag in Freiberg, das Konzert um 17Uhr am selben Tag in Nassau. Ich legte mir zurecht, mit dem Auto die Anreise über die Autobahn via Regensburg, Hof, Plauen, Zwickau, Chemnitz etc. zu machen; heimfahren wollte ich über Tschechien, da gibt es in Rechenberg einen kleinen Grenzübergang durchs Erzgebirge, der von Nassau aus rasch erreichbar ist. In Schlägl fahre ich an besagtem Freitag um etwa 13 Uhr los und rechne damit, dass ich dann sicher so gegen 19 Uhr in Freiberg sein kann, das ist meine Erfahrung nach mehreren Fahrten dorthin. Aber: an einem Freitag fahren in Deutschland alle die, die aus dem Osten stammen und im Westen arbeiten fürs Wochenende in ihre Heimat. Also ab Regensburg Stau, Stau, Stau… Dann nach Plauen eine Baustelle, und dann sogar bei Zwickau Sperre der Autobahn und Abfahrt mit Umleitungsschildern. Es ist dämmrig, nebelig: vielleicht hat das auch Schuld; das Umleitungsschild führte wohl an eine bestimmte Straße, aber es war nie wieder ein weiteres solches Schild zu ent-
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decken. Also fuhr ich gehorsam weiter. Und dann taucht in der Finsternis ein Schild auf „Leipzig 23 Kilometer“. O Gott! Wo bin ich denn gelandet? Und es ist inzwischen 21 Uhr. Ich entscheide rasch, dass ich nach Leipzig fahre und dort in meinem mir bekannten Hotel übernachten will; ich kann ja ganz bald in der Früh dann nach Freiberg fahren, das müsste ich schaffen in zwei Stunden. Gedacht, getan. In einer halben Stunde bin ich im Hotel, geh müde was Essen und schlafe wie ein Stein. Um 6Uhr verlasse ich dieses – wie am Abend mit der Rezeptionsdame verabredet – und suche noch die kleine Bäckerei gleich an der Ecke auf, die ich schon lange kenne. Dort kaufe ich Brötchen für unterwegs, geh zum Auto und fahre los. Mehr als rechtzeitig bin ich in Freiberg. Am frühen Nachmittag fahre ich nach Nassau, bereite mich vor für das Konzert vor und es läuft alles wie geplant weiter. Nach dem Konzert, gegen 19Uhr, verabschiede ich mich relativ bald, weil ich weiß, dass der Weg über Tschechien zwar kürzer, aber teilweise auch mühsamer ist. So zwei Kilometer vor der Grenze greife ich routinemäßig auf den Rücksitz nach meinem Rucksack, wo Reisepass und Autopapiere sind. Aber – da ist nichts auf dem angestammten Platz! Ich halte an,
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schaue alles durch – mein, der Rucksack ist nicht da! Kann doch nicht wahr sein. Aber ich habe ihn in Nassau sicher nicht gebraucht. Und in Freiberg? Da war ich nur in einem Cafe und hatte dafür meine Geldbörse in der Manteltasche. Wie dem auch sei, aber ich habe ja auch keinen Führerschein. Ich kann also nicht weiterfahren, ohne die Polizei zu informieren. Ich fahre bis zur Grenze vor und erzähle meine Geschichte. Dort sagt man mir, der nächste Polizeiposten, wo ich eine Verlustanzeige machen kann, ist Freiberg. Dort bin ich nach langer Suche um 21Uhr auf dem Posten (ich erkenne das ehemalige Amtsgebäude der „Volkspolizei“, wo ich mich schon 1987 für DDR-Kontrollen melden musste): man hat Verständnis und gibt mir ein Ersatz-Papier, da ich zum Glück den Reisepass durch einen Zufall im Handschuhfach hatte. Inzwischen hab ich im Kopf recherchiert: der Rucksack müsste eigentlich in der Bäckerei in Leipzig stehen geblieben sein, denn im Hotel hatte ich ihn noch, und die Geldbörse holte ich in der Bäckerei aus dem Rucksack. Ich bitte den Beamten, die Polizei in Leipzig anzurufen, damit man mir Namen, Adresse und Telefonnnummer der Bäckerei sagen kann. Aber das war zu naiv gedacht: nach einer halben Stunde teilt man mir mit, die Streife sei extra vorbeigefahren, es steht
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aber nichts angeschrieben. Damit wusste ich, ich muss zurück nach Leipzig. Das wollte ich mir aber nicht antun, suchte unterwegs ein Landhotel, und blieb hier – wieder bis etwa 6 Uhr. Dann fuhr nach Leipzig, das sich mir an diesem Sonntagmorgen wie ausgestorben zu Füßen legte. Natürlich war mein erster Weg zur Bäckerei. Dass die sonntags geschlossen hat, damit rechnete ich. Und es stand wirklich nichts, absolut nichts auf der Eingangstür, wer hier zuständig wäre. Nur der „Ladentitel“ war so ähnlich wie „Brotkönig“ – das war aber der Name einer Kette aus Berlin mit x Filialen in Ostdeutschland, wie mir schon die Polizei sagte. Aber: durch die Glastüre sehe ich meinen Rucksack am Boden stehen. Und jetzt dämmert es auch: beim Herausgeben des Restgeldes stellte ich den Rucksack am Boden ab… Ich beobachte die fast menschenleere Straße, übrigens gleich über den Ring gegenüber meiner geliebten Thomaskirche. Eine Frau mit einem Hund ist zu sehen – und zu hören, sie geht an der Bäckerei vorbei. Ich pirsche mich an, frage höflich, ob Sie was über den Laden weiß. Im schönsten Sächsisch antwortet sie mir: „Ooch, ik bin ja selbst ne Jeschäftsfrao hier in der Schtroose, ik koof hier ooch schon 10 Jore mein
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Brot, dat sind zwee nette alte Damen, oba wie de heeßen, dat weeß ik och net.“ Tja, was nun? Es war inzwischen 9 Uhr. Ich denke, wenn ich schon hier bin, will ich mich mit einem anständigen schönen Gottesdienst in der Thomaskirche „belohnen“, und gehe aufs Hauptportal zu. Dort prangt ein Plakat: „Heute hier kein Gottesdienst. Am Platz vor der Nicolaikirche gibt es eine Freiluft-Kirchenveranstaltung zum Thema Mission“. Das hatte ich notwendig! Ich nehme eine Zeit lang daran teil, dann schlendere ich zurück zur Bäckerei, deren Nachbarladen eine Metzgerei ist (und ich erinnerte mich, dass die Geschäfte sogar intern verbunden sind). Ich stehe nun vor der Metzgerei und sehe daran einen Zettel kleben „Suchen Lehrling“. Daneben eine Telefonnummer. Obwohl Sonntag, denke ich, mehr als nicht abheben kann mir nicht passieren. Ich wähle. Eine freundliche Männerstimme meldet sich. Ich sage: „Sie suchen einen Lehrling; ich muss Sie enttäuschen, aber ich suche nur die Telefonnummer der Leute für die Bäckerei neben Ihrem Laden.“ „Ooch, Se sind in Barlin gelandet, hier ist unsere Zentrale für 50 Metzgereien! Aber watten Se mal, ik kiek, wat ik dun kann.“ Und die freundliche Berliner Schnauze vermittelte mir den Namen des Leiters dieser Filiale, hatte aber keine private Tele-
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fonnummer. „Waldsteiner“ war der Name; dann versuchte ich, die Telefonauskunft anzurufen. Das ging vom handy aus nicht. Ich suchte eine Telefonzelle. Dort warf ich meine restlichen Münzen ein, wie grauer handy-Vorzeit. Die Telefonistin flötete: „Da hob ik 15 Einträge mit diesem Nomen…“ Ich bitte um alle 15. „Also eigentlich dorf ich Ihnen nur drei Nummern durchgeben“. „Aber wenn ich ein zweites Mal anrufe, lande ich ja nicht mehr bei Ihnen, und ich erfahre immer dieselben Nummern der ersten drei Einträge.“ „Da hom Se och wieder Recht – nu, weil Sonndog is, mach ik ne Osnahme….“ Mit 15 Telefonnummern ausgerüstet beginne ich um 12 Uhr meinen Telefonterror. Bei der ersten Nummer hebt niemand ab, die zweite und dritte sind andere Leute, die vierte hat einen Anrufbeantworter, wo man sich nicht auskennt, ob es der Fleischermeister ist. Die fünfte Nummer ist eine alte Dame, die schlecht hört. Die sechste Nummer gehört einer über die Sonntagsstörung empörten jungen Frau. Ich lasse nicht locker. Bei Nummer acht sagt mir eine Dame, dass sie die Schwiegermutter des Fleischers sei, und nur die Wohnung hüte, er sei mit dem Sohn zu einem Fußballspiel nach Chemnitz gefahren und ungefähr 80 km von Leipzig wohnt er nämlich. Aber ich soll es doch so gegen 18Uhr versuchen.
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Ich besuche inzwischen eine Ausstellung und lasse mich müde in einem Restaurant nieder. Dann versuche ich, im Auto ein wenig zu schlafen. Um 18Uhr rufe ich wieder an. Der Fleischermeister drückt herum, ich erkläre meine missliche Lage mindestens zwei Mal. Schließlich kann er sich vorstellen, dass sein Neffe, der ohnedies jemand zum Bahnhof führen muss, am Geschäft vorbeikommen kann. Ich soll warten. Es kann aber dauern. 19Uhr, 19.30, 20Uhr….. 20.10Uhr: Ein Wagen fährt vor, zwei junge Männer gehen auf das Geschäft zu, ich hinterdrein. Ich gebe mich zu erkennen, und dann geht alles unkompliziert und schnell: Aufgesperrt, ich packe mit gezieltem Griff den Rucksack, steige ins Auto und fahre los. Aber eben nun wieder die deutsche Autobahn via Chemnitz, Hof, Regensburg. Und natürlich fahren gerade alle die, die am Freitag mit mir herübergefahren sind, auch wieder retour. Stau, Stau, Stau. Müde komme ich in Schlägl – aber im Besitz aller Utensilien – um 4 Uhr morgens an.
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Schreck mit Mühlviertler Dialogen An der Stellwagen-Orgel in der St.JakobiKirche zu Lübeck sollte ich Orgelaufnahmen machen für eine CD und hatte das terminlich im November 2007 so anberaumt, dass ich anschließend gleich direkt zu meinem jährlichen Kuraufenthalt nach Abano-Terme weiterfahren wollte. Zu diesem Zweck flog ich von Wien aus nach Hamburg und hatte ein Mietauto vorbestellt und elektronisch auch voraus bezahlt. Angekommen in Hamburg-Fuhlsbüttel erklärt mir die Dame am Schalter der Autovermietung Sixt, ich müsse noch eine Kaution von 70 Euro erlegen; dafür will sie aber – nach Erspähen meiner gezückten Brieftasche – lieber eine Kreditkartenzahlung. Also gebe ich meine gerade neue (nach drei Jahren abgelöste) mastercard hin; die junge Norddeutsche verschwindet damit zu einem Gerät, kommt nach 1 Minute retour, nimmt eine Schere – und zerschneidet vor mir die Kreditkarte. Mir blieb fast das Herz stehen. Sie: „Das müssen wir so machen, wenn elektronisch angezeigt wird, dass die Karte nicht funktioniert.“ Ich: „Was soll ich denn jetzt tun? Ich muss dann noch nach Italien!!?“ Sie: „Sie werden doch eine andere Kreditkarte auch haben?“
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Ich: „Ich bin doch nicht der Kaiser von China!“ Sie: „Naja, Auto kriegen Sie keines von uns, und wenn Sie nicht innerhalb von 60 Minuten stornieren, kostet Sie das 200 Euro.“ Deutsche Gründlichkeit. (Zum Glück hatte ich mir aus reinem Zufall 500 Euro in bar eingesteckt, einen Betrag, den ich sonst eigentlich nicht mir herumschleppe: der sollte sich noch als mehr als brauchbar erweisen!) Ich rufe mehr erbost als verzweifelt meine Bank an. Der nette Mühlviertler antwortet mir mit einer Gegenfrage: „Wos mochens denn hiatzt?“ Ich: „Das frag ich Sie!“ Er: „Mia weadn mit da mastercard telefonian und schickn ina a neiche“ Ich: „Wohin denn? Wenn, hat das nur nach Abano Terme einen Sinn, suchen Sie sich bitte die Adresse meines Hotels (Astoria) aus dem Internet, und mailen Sie mir das, was Sie veranlasst haben.“ Er: „Kloar. Und olle Unkostn zooit de mastercard.“ Ich: „Da bin ich gespannt. Mailen Sie mir das bitte auch.“ Ich wende mich dann auf den gegenüberliegenden Stand von „Europcar“, erzähle mein Missgeschick. Die jungen Männer dort sind
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zuvorkommender und tragen mir an, weil ich beim ÖAMTC bin, mir ausnahmsweise ein Leihauto mit Bankomat-Zahlmöglichkeit zu geben. Ich atme auf. Inzwischen waren 2 Stunden vergangen. Fahre nach Lübeck. Spiele bis 3Uhr früh für die neue CD. Übernachte – wie vorbestellt, und meist in Lübeck – im Hotel „Alter Speicher“. Am nächsten Tag möchte ich mit der Bankomatkarte zahlen. Die Rezeptionistin kommt aufgeregt aus Ihrer Versenkung hervor: „Die Karte ist seit 8Uhr früh gesperrt!“ Ich rufe meine Bank an. Derselbe nette Mühlviertler von gestern: „Wos mochans denn do hiatzt?“ Ich: „Danke. Wir sprechen uns in 3 Wochen, wenn ich retour bin.....“ Er: „Dös kloppt: die mastercard schickt Ihna noch Italien a neiche.“ Ich: „Danke!“ Ich zahle in bar – dank meiner Euro-Scheine in meinem Geldbörsel –, tanke das Mietauto ebenfalls per Bargeld auf. Fliege nach Wien retour. Fahre von dort nach Abano. Die Hotelleitung kennt mich gut, und ich brauche nichts hinterlegen. Am Freitag kommt in einem Riesenkuvert die neue kleine mastercard an. Dazu ein Begleitbrief von etwa folgendem Inhalt: „....wie peinlich... Sie sind ja eine VIP-Person.... also nun hier die neue
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Karte. Aber: damit die funktioniert, müssen Sie uns bei Erhalt der Karte anrufen.“ Ich rufe an, es war 12.01Uhr: Keiner hebt ab, ein Band läuft: „….am Montag stehen wir gerne ab 9 Uhr zur Verfügung...“ Also: ab Montag – nach geschlagenen 8 Tagen – konnte ich wieder offiziell mit Kreditkarte zahlen und habe mich für den Rest meiner Kur wirklich gut erholt und die Anwendungen genossen. Zurück in Schlägl ging ich am 27.11. zur Bank. Der nette Mühlviertler zu mir: „Wissn’s , is jo guad, doss Ina so dawischt hot. I wissat net, wos a onderna aus Schlägü in dera Situation gmocht het....“
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Nochmals: Mühlviertler Impression Ich habe bisher davon Abstand genommen, einen Essay zu verfassen: „Die Mühlviertler – die Schildbürger?“ (wobei ich das Fragezeichen durchstreichen lassen wollte). Aber ich habe schon sonderbare Reaktionen hier erlaubt. Zum Beispiel bei folgender Fremdenverkehrs-Story. An einem 15. August sitze ich abends mit Gästen in unserer klostereigenen Gaststätte. Ein älteres deutsches Ehepaar (am Akzent erkennbar) kommt auf mich zu und herrscht mich an: „Was ist denn das für eine Abtei? Warum gab es denn heute am großen Marienfeiertag nicht einmal ein musikalisch besonders gestaltetes Hochamt?“ Ich hole tief Luft; das kommt mir doch gerade recht! „Sie haben gerade denn Richtigen erwischt. Ich bin selbst Stiftskapellmeister, und wenn ich mich noch richtig erinnern kann, dann habe ich um 10Uhr heute Mozarts Krönungsmesse dirigiert“. „Aber wir haben am Fremdenverkehrsamt die Auskunft erhalten: es gäbe heute nur eine Feldmesse beim Schützenhaus!“ Das stimmte auch, aber das Pontifikalamt war natürlich auch. Die beiden Leute entschul-
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digten sich für den Ton, ich lud sie noch auf ein Glas Wein ein und wir hatten einen netten Abend. Aber in mir wollte es keine Ruhe lassen: das ortseigene Fremdenverkehrsbüro gibt solche einseitigen Auskünfte? Zahlt keinen Groschen zu unseren Musikveranstaltungen dazu, brüstet sich manchmal damit, was hier los ist, aber gibt dann falsche Auskünfte? Ich weiß nicht…. Aber irgendwie will ich mich selbst davon überzeugen. Eine Woche später war für das Sonntagskonzert an der Putzorgel mein lieber – leider schon verstorbener – Kollege von der dänischen Schlosskapelle Frederiksborg Per Kynne Frandsen zum Konzert eingeladen. Einge Tage zuvor bin ich als Kritiker bei den Salzburger Festspielen, und es reizt mich, einen anonymen Testanruf beim Fremdenverkehrsbüro in Aigen zu machen. „Ich rufe aus Salzburg an und habe gehört in Schlägl gibt es regelmäßig Orgelkonzerte. Wir wollen am Sonntag einen Ausflug machen ins Mühlviertel, wer spielt denn da bitte?“ Antwort: „Da is ka Orglkonzeeat, da brauchans goa net kumma!“ Das darf doch nicht wahr sein! Da bemüht man sich um ein reichhaltiges Angebot an
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Kultur – und dann sagt einem da eine Stimme die totale Anti-Werbung für die Gegend im breitesten Mühlviertler Dialekt ins Ohr, anstatt wenigstens für den Ort Werbung zu machen (wenn sie schon Unkenntnis hat, dass ein Orgelkonzert wäre: die Jahresprospekte waren vor einigen Jahren zum Beispiel noch im Oktober in einer Ecke des Fremdenverkehrsbüros in derselben Schachtel wie ich sie brachte abgestellt….)….. Nun: wie ich mit dem damaligen Bürgermeister – als zuständigen Fremdenverkehrsverantwortlichen – sprach, hatte er mir der zur Erklärung (weniger zu Entschuldigung) zu sagen, dass das halt eine unbeholfene Ferialkraft gewesen sei. Da frage ich mich: in der Hauptsaison eine uninformierte Ferialjobberin als kompetente Auskunftsadresse? Ist das sinnvoll? Aber ich hatte es aufgegeben, nach Sinn zu fragen. Zur Rettung des Systems muss ich heute sagen, dass sich einiges schon verbessert hat. Zumindest sind unsere Prospekte aufgelegt.
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Mitbringsel aus Polen In den Städten Krakau, Gleiwitz und Tarnov veranstaltete man im Frühjahr 1996 ein „Europäisches Orgelfestival“ und hatte offensichtlich über die Botschaft unsere Regierung kontaktiert, einen Vertreter Österreichs als Künstler zu entsenden. Ein Ministerialbeamter rief mich aus diesem Grunde an; für ein April-Wochenende sollte ich Freitag bis Sonntag drei Konzerte spielen, man hat mir den Flug nach Krakow versprochen und ein Auto der österreichischen Botschaft. Auch bei Quartieren wollte man behilflich sein. Ich deponierte deutlich den Wunsch, dass ich Quartiere eigentlich gerne selbst buche, vor allem in Hinsicht auf meine damals sehr kranke Wirbelsäule. Man versicherte aber, dass der Kulturattaché der Botschaft selbst sich um harte Betten kümmern werde. Ich fliege nach Krakow; man kommt eigentlich auf einem Militärflughafen an, der einen Zubau hat, wird nach der Ankunft durch Sperrgebiet gefahren. Von dort begebe ich mich sofort zum Hotel, wo Nachricht von der Botschaft hinterlegt sein soll. Das Hotel, auch das Bett, ist ganz in Ordnung. Ein dickes Kuvert mit österreichischem Staatsadler birgt in sich ein weiteres Kuvert
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und darin nochmals ein weiteres. Briefe sagen mir, dass ich mit Bahn reisen soll, die Tickets sind ebenfalls beigeschlossen. Beim Abendkonzert in der Marienkirche bin ich auch gut betreut vom örtlichen Organisten. Am nächsten Tag steige ich in den Zug nach Gliwice. Die Fahrt kommt mir endlos lang vor für ca. 100 Kilometer, draußen viel Schmutz, drinnen auch, und auch kalt. Endlich kann ich aussteigen. Ein altes Ehepaar, das kein Wort Deutsch spricht, holte mich – wie im Brief angedeutet – ab. Beim Verlassen des Bahnsteiges ruft mir eine Stimme entgegen: „Hallo, hallo! Ich muss schon weiter… Viel Spass! Wird sicher einen ewigen Eindruck hinterlassen, das Konzert…..“ Ich dreh mich in alle Richtungen, da ist der Schatten meines Kollegen Jean Claude Zehnder noch zu sehen. Der spielte, die Schweiz vertretend, am Vortag. Die beiden alten Leute liefern mich beim Pfarrhof der Hauptkirche von Gleiwitz ab, stammeln in Wortbrocken so ungefähr: „Pfarrer weiss alles…..“ Ich läute. Ein Fenster geht auf. Eine Matrone von Pfarrerköchin lässt ihr Haupt mit charakteristischer Knotenfrisur blicken und ruft mir in polnischer Sprache etwas zu. Ich verstehe natürlich nichts, sondern sage, dass ich der Or-
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ganist für das Konzert bin und den Pfarrer sprechen möchte, in Deutsch. Sie versteht, lässt mich ein und erklärt mir, der Herr Pfarrer ist auf einer Wallfahrt und kommt für die Abendmesse um 19Uhr zurück. Als ich nach dem Hotel frage, sagt sie: „Nein, nein! Sie sind unser Gast. Wir haben schon alles vorbereitet. Und ganz wichtig: wann wollen Sie morgen die Heilige Messe zelebrieren?“ Ops, was sollte ich da sagen? Ich stammle was, dass mein Zug bald geht, ich werde das schon mit dem Pfarrer noch regeln, und bitte, mir die Hände waschen zu dürfen, klebrig vom Zug. Die nicht unfreundliche Frau zeigt mir nicht nur das Badezimmer, sondern auch meine „Bleibe“: man hat ein Sofa im Wohnzimmer auseinander geklappt und mit Bettwäsche versehen. Bei dem Anblick allein zieht es meinen Rücken zusammen. Und dann Badezimmer und Toilette! Ich halte die Luft an, versuche nirgendswo anzukommen, und mache eine Art „Katzenwäsche“, weil mir einfach ekelt vom Zustand. Dann frage ich, ob ich inzwischen an die Orgel kann. Es war etwa 14Uhr. Die höfliche Dame weist mir den Weg zur Kirche. Dort höre ich Orgelspiel und geh auf die Empore. Eine Trauung ist „im Gange“ und der Organist gibt mir zu verstehen, es sind noch weitere drei Trauungen bis etwa
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17.30Uhr. Ich versuche nach dem Postludium dieser Hochzeit ein wenig zu spielen, um mich an die Orgel zu gewöhnen, denn ich fürchte schon, dass die Zeit für das Einregistrieren knapp werden könnte. (Nun bin ich bei Gott kein „Hysteriker“ in dieser Hinsicht, aber zum Vergleich: andere Organisten reisen mindestens 36 Stunden vor einem Konzert an…) Das dreimanualige, pneumatische Instrument ist aber etwas „marod“. Am dritten Manual klingt bei den Tasten cis und g’’ kein Ton, am ersten Manual sind es andere Fehler. Puuh, was mach ich da nur! Der Organist gibt mir aber zu verstehen: „Orgelbauer kommt vor Konzert! Kommt!“ Was, ein Orgelbauer kommt? Einerseits, wie gut! Andererseits, ich kann dann gar nicht mehr spielen. Ich ahne, was Kollege Zehnder gemeint hatte. Was soll’s, ich füge mich drein und pirsche mich gegen 17.30Uhr auf der Empore an. Zwei Orgelbauer sind zu Werke und haben den Spieltisch auseinander genommen: Kabeln, Schläuche, Drähte hängen herum, und eine Person kreischt mir entgegen: „Aaaah, esterreichischer Organist, jojo, grosses Orgel in St.Florian kennen, zweiunddreissig Fuß!!“ Und er möchte mich allerhand fragen, ich bettle nur, dass er schnell arbeiten soll, dass ich wenigstens noch einige Töne spie-
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len kann. Aber dazu kommt es nicht. Die defekten Drähte und Schläuche werden noch während der Abendmesse weitergeflickt, ich wundere mich, dass der Spieltisch überhaupt wieder „heil und ganz“ anzublicken ist. Es ist gerade schon Kommunion – also etwa noch eine Viertelstunde zum Konzert – , da höre ich, dass jemand die Treppe auf die Empore heraufgeht. Ein Herr im Anzug erscheint und entpuppt sich als jener Kulturbeamte, mit dem ich die gesamte Korrespondenz führte. In einem Redeschwall erzählt er mir, wielange er schon in Polen ist, und dass seine Kinder bei den Wiener Sängerknaben sind. Ich stammle was von wegen Hotel und Bett und Rücken, da steht der Pfarrer breitbeinig da: „Aaach, lieber Mitbruder in Christo!! Haben wir Sie doch fein untergebracht! Und was mich auch interessiert: wie viele Priester hat Österreich zur Zeit? Ah, und wann zelebrieren Sie morgen die Messe?“ Ich bin zuerst nur stumm, dann sage ich, ich fahre schon um 6Uhr mit dem Zug wieder zurück, und dass ich ja in Tarnov… „Nein, nein, es ist mir eine Ehre, Ihnen selbst zu ministrieren! Sagen wir um 5Uhr?“ Man deutet mir, dass nun eine Begrüßung stattfindet und das Konzert in 10 Minuten – also mit Verspätung – beginnen wird.
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Ich registriere alles im Stegreif und kämpfe mich durch noch immer fehlende Töne und Überraschungen klanglicher Natur. Trotzdem wird mir begeisterter Applaus gezollt nach der Improvisation über ein polnisches Kirchenlied. Im Pfarrhaus gibt es noch Abendbrot und Getränke, der Herr Kulturbeamte empfiehlt sich auf halbem Weg mit den Worten: „Sehr gut haben Sie gespielt, sehr gut, also dann bis morgen..!“ Schwupps, und ich war im Pfarrhof mit Pfarrer, Kaplänen und Köchin allein. Ich sagte, dass ich sehr müde sein und hab mich bald zu „Bett“ begeben. Aber an Schlafen war nicht zu denken bei dieser „Unterlage“. Also stand ich um 4 Uhr wieder auf, schrieb ein Brieflein, dass ich doch schon früher abgereist bin aus terminlichen Sicherheitsgründen, und schlenderte – meinen Koffer hinter mir herziehend – durch das Zentrum von Gleiwitz und schließlich zum Bahnhof, wo ich den von der Botschaft „programmierten“ Zug um 7Uhr besteige und über Krakow – mit Umsteigen – nach Tarnov weiterfahre, wo ich gerädert um 11.30Uhr ankomme. Ein junges Paar, gut deutsch sprechend, empfängt mich am Bahngleis. Man bringt mich mit einem Auto weg, aber ich stelle fest, die Strasse entfernt sich vom Zentrum. Als ich
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andeutend frage, teilt man mir mit: „Das Konzert ist vom Dom in eine Vorstadtpfarre verlegt, weil die Domorgel dort nicht intakt ist.“ Ich bin so müde, dass ich gar nicht mitvollziehe, wohin die Reise geht. Beim Aussteigen sehe ich eine moderne Kirche im Stil der 50er-Jahre, davor eine Riesenmenge Menschen mit Fahrrädern, durch Lautsprecher tönt eine Messe auf den großen Platz; als ich mich in die Kirche schleiche, sind deren Bänke vielleicht mit 20 Personen besetzt. Eigenartig so eine Liturgie – offensichtlich eine Mittagmesse für Radfahrer. Aber man zieht mich am Ärmel zum angrenzenden Pfarrhaus: „Frau Köchin hat schon das Mittagessen vorbereitet!“ Und tatsächlich ist eine Köchin alten Stiles, mit weisser Schürze samt am Rücken gekreuzten Bändern, und hochgeschlossener schwarzer Bluse zu sehen, die eine dampfende Suppenschüssel auf den ovalen großen Esstisch stellt. Auch hier bitte ich, mir zuvor (zumindest) die Hände waschen zu dürfen. Bereitwillig weist man mir wieder den Weg in ein Badezimmer. Aber, was mir da entgegenschaute? Dagegen war es am Vortag ein Vier-Sterne-Bad. Ich konnte mir beim besten Willen nichts waschen; auf der Ablage über dem Waschbecken eine Bürste mit viel Haaren, ebensolche im Becken, und, und…. Ich
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will das im Detail nicht schildern, weil ich mich auch nicht mehr erinnern will. Fluchtartig verlasse ich das „Lokal“, begebe mich zum Tisch und bin wirklich entzückt über ein hervorragendes Essen. Es war ein mit Gemüse besonders zubereitetes Huhn. Dann möchte ich möglichst bald in die Kirche und bitte den Pfarrer um die Orgelschlüssel. Der wehrt zunächst ab, und sagt: „Zuerst möchte ich Ihnen Ihr Zimmer zeigen, wir haben ja ein Gästezimmer!“ Wie? Gästezimmer für mich? Ich dachte, ich bin in Tarnov im Zentrum in einem Hotel! „Nein, wir lassen uns das nicht nehmen! Sie sind unser Gast, und dem Herrn Kulturattaché war das auch recht!“ Hm, so ist man verkauft. Mir geht die Sache nicht aus dem Kopf, auch während ich auf die Empore keuche. Dann eine neue Überraschung: eine Orgel, wo erstes Manual elektrische Traktur hat, zweites Manual und Pedal pneumatisch…. Das ist gewöhnungsbedürftig wegen der verschiedenartigen Verzögerungen. Auch hier Verstimmungen und – wieder! – in einem der Manuale bringt 1 Taste gar keinen Ton hervor. Als ich so vor mich hin fluche, höre ich Schritte. Und neben mir steht ein gestylter Herr im Nadelstreif. Ich nehme die Finger von den Tasten und grüße. Das Gegenüber entpuppt
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sich als – der österreichische Botschafter höchst persönlich! Er erkundigt sich nach meiner Zufriedenheit. Ich will ja nicht unhöflich sein, erzähle was von meinem Rücken und von schwierig… und, wie bestellt, fragt mich der Botschafter nach einer Toilette. Ich, nicht feig, sag darauf: „Oh, Exzellenz, das trifft sich gut, da können Sie sich gerne selbst dann überzeugen, wie gut man mich untergebracht hat!“ Und ich geh mit ihm in den Pfarrhof und weise ihm den Weg und warte vor besagtem Orte. Kreidebleich kommt er heraus, findet zuerst kaum Worte der Entschuldigung für mich, entrüstet sich lautstark über seinen Kulturbeamten, und schließlich will er mich heute noch „evakuieren“. Das erweist sich als unklug, weil die Anfahrt zum Flughafen von dort aus viel günstiger ist und man dem Montagmorgenverkehr ausweichen würde. Also verbleibe ich auch diese Nacht in einem polnischen Pfarrhaus in einem weichen Bett. (An das Konzert kann ich mich so gut wie nicht erinnern. Verdrängt?) Am nächsten Tag sind schon um 4.30Uhr hilfsbereite Geister mit einem Auto bereit, mich bis Krakow zu führen. Mit Umsteigen in Wien lande ich in Linz um 10.30Uhr. Ich fahre schnurstracks zu meiner Mutter, reiße
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die Wohnungstür auf und rufe nur: „Bis gleich, ich muss mich zuerst in eine Badewanne legen!“ Gesagt, getan. Ich lasse Wasser ein und genieße eine Stunde lang ein Schaumbad. Inzwischen hatte meine Mutter was gekocht – sie kann es nie lassen, mich zu verköstigen, wenn ich komme! – und auch meine jüngere Schwester kommt von ihrem Apothekendienst zum Mittagessen. Während ich erzähle, versuche ich, mit Fingern an Stellen, wo es mich juckt, Linderung zu erreichen. Mehrmals. Meine Schwester schaut auf. „Hast Du was?“ „Ich weiß nicht!“ Sie „untersucht“ meine roten Flecken. Und siehe da: es waren Bisse von Wanzen und Flöhen! Also hatte ich außer den konfortablen Unterkünften noch zusätzlich unerbetene Mitbringsel bekommen. Ich bin wütend auf mich selbst, Da stand für mich fest: „Nie wieder Polen!“
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Nie wieder Polen! Ein Erlebnis besonderer Natur hatte ich im Zusammenhang mit einem Konzert in Polen. Schon vor 12 Jahren war ich nicht sehr begeistert von Quartieren in Pfarrhöfen (man versprach gute Hotels), aus denen ich Ungeziefer als „Mitbringsel“ an mir hatte… Und diesmal: da rief mich ein mir unbekannter Pole aus der Schweiz im März an, um mich für ein Konzert im Mai in die Stadtkirche von Gleiwitz einzuladen; ich war der Meinung, dass damit sicher ein Termin im Mai 2009 gemeint sei. Doch nein, am 10. Mai dieses Jahres wollte man mich dort haben. Ich sagte, das ist Pfingstsonntag, da bin ich ganz sicher in Schlägl, und dachte, ich muss damit auch nicht eine „Ausrede“ erfinden, nicht spielen zu wollen. Eine Honorarforderung an der „Schmerzgrenze“ nützte auch nichts, die wurde auch akzeptiert. Man schlug mir den Dienstag, 6.5. vor. Ich stellte zur Bedingung, dass ich mit Flugzeug reise, und nur so, dass ich am 7.5. um 12Uhr wieder in Linz sein kann für eine Sitzung in der Landesregierung für oben erwähnte Orgel. Antwort: „Ja, gerne. Wir haben sowieso einen Generalvertrag mit Lufthansa, wir machen das schon.“ Eine Wo-
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che zuvor bekam ich per email ein Formblatt mit der Aufforderung, alles auszufüllen. Und das war zB „Geburtsname der Mutter, Girokontonummer, Reisepassnummer, Steuernummer, bisherige Beschäftigungen….“ – schlimmer, als man es zuvor von der kommunistischen Systemzeit kannte. Dann verlegte man noch meinen Anflug von 8Uhr auf 6Uhr, sodass ich letztlich also um 3Uhr aufstand, die Noten zusammenpackte (nachdem ich ein Stück nochmals rasch durchgespielt hatte), um 4Uhr nach Hörsching zum Flughafen, 6Uhr ins Flugzeug, 7Uhr bis 11Uhr Aufenthalt in Frankfurt. Ich nützte die Gelegenheit nachzuforschen, ob ich am nächsten Tag den Anschlußflug nach Linz am selben Terminal habe und wie weit die Wege sind. Aber – da sagte mir die höfliche Dame beim Auskunftsschalter: „Sie fliegen doch erst am 10.5. retour!“ Was!!?? Ich telefonierte meinen polnischen Kontaktmann an und erklärte, wenn das nicht sofort geändert wird, flieg ich gar nicht weiter. Auf der anderen Seite ein Stammeln, das müsste ein Versehen der Lufthansa sein, aber man wird sich bemühen…. Und tatsächlich, knapp vor meinem Weiterflug war es im Computer zu sehen, dass der Retourflug geändert ist.
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Ich kam um 13.30 Uhr in Katowice an, wurde abgeholt, konnte vermeiden, dass man mich gleich in der Kirche absetzen wollte, sondern habe mich zuerst im Hotel für eine Stunde zur Ruhe begeben. Dann Kirche: der Pfarrer pflanzte sich mit drei Kaplänen vor dem Hauptportal zur Begrüßung auf und faselte was in der Art „Sehen Sie, ich bin wie ein kleiner Bischof, so viel Klerus habt Ihr nicht mehr an einer Kirche….“; ich blieb höflich und übte, und spielte dann das Konzert. Danach hat mich mein polnischer Kontaktmann beim Abendessen zur Seite genommen und überreichte mir „post festum“ einen Vertrag von 8 Seiten (sowas kriegt man nicht einmal bei den Salzburger Festspielen), mit all den Daten, die ich schon bekanntgegeben hatte, und letzte Seite „Honorarium“: da war als Grundhonorar meine Summe von mehreren hundert Euro eingetragen, mit 7 Untertitel „abzüglich, abzüglich, abzüglich..“ sodass schließlich am Ende 220 Zloty stehen blieben, was eine Summe von ca.25 Euro entspricht. Die bekam ich „entgegenkommenderweise“ – wie man mir erklärte – in Euro ausbezahlt, den Rest gleicht angeblich die Österreichische Botschaft aus.
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Und „nebenbei“ flötete der polnische Kontaktmann: „Ich bringe Sie morgen früh nicht zum Flughafen, sondern ein Shuttle-Dienst des Österreichischen Consulates. Ich bestand darauf, zu wissen, wer der Chauffeur sei, und wollte noch am Abend telefonischen Kontakt, handy-Nummer etc. Man rief ihn auch an, und er versprach auch, pünktlich um 4 Uhr morgens beim Hotel zu sein. Am folgenden Tag war um 4 Uhr niemand zu sehen. Ich rief an: tatsächlich hob der „Chauffeur“ ab – er suche das Hotel und sei gleich da. Das einzige im Zentrum mit großer roter Leuchtschrift. Tatsächlich um 4.20 Uhr war er da; das Flugzeug ging um 6.20Uhr in Katowice, 90 Kilometer weit weg, schlechte Straßen. Mein „Chauffeur“ gab Vollgas und wollte mir beweisen, was sein offensichtlich sehr neues Gefährt (ein Mercedes) leisten kann. Nach 45 Kilometern sprang ein Polizist aus dem Hinterhalt mit roter Kelle auf das Auto zu und hielt uns an. Nach Kontrolle meines Reisepasses nahm man den „Chauffeur“ mit in einen Polizei-VW-Bus; keiner kam wieder. Nach 20 Minuten sass ich so auf Nadeln, dass ich aus dem Wagen sprang und an den Bus klopfte. Einer von drei Polizisten erschien; ich fragte höflich, was ist, und machte mich – über Englisch – bemerkbar,
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dass ich zum Flughafen muss. Das glaubte mir der Executiv-Mann in Blau auch, aber gab mir zu verstehen: „Der wird nicht mehr fahren! Den suchen wir schon 3 Jahre lang!“ Schreck, lass nach! Schließlich brachte man mich mit einem kleinen Polizeiwagen mit Blaulicht an den Flughafen (ebenso schnell fahrend, wie der frühere „Chauffeur“), versicherte mir, man bringe mich an der Menschenschlange vorbei bis zur RöntgenKontrolle, wenn ich jetzt schnell einchecke. Ich sage beim Schalter: „Und das Gepäck bitte durch bis Linz.“ Antwort: „Sie fliegen heute ja nur bis Frankfurt, und am 10.5. nach Linz!“ O Gott!! Aber mein hartnäckiges Drängen, das bitte zu ändern und mir im Flugzeug mitteilen zu lassen, ob es geklappt hat, hat funktioniert, mit der Folge dass ich in Linz um 11Uhr pünktlich gelandet bin und meiner Sekretärin telefonierte: „Nie wieder Polen!“. Woraufhin diese nahezu emotionslos antwortete: „Das haben Sie schon einmal gesagt!“
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Budweis bei Nacht Bald nach Öffnung der Grenzen haben Orgelkontakte zwischen der Tschechoslowakei (heute Tschechien) und Österreich stattgefunden. Mein lieber Kollege Jaroslav Tuma aus Prag regte an, dass eine sogenannte „Radiobrücke“ für ein Live-Konzert für den Tschechischen Rundfunk aus zwei Kirchen „parallel“ installiert wird: ich sollte an der historischen Abraham-Stark-Orgel in Goldenkron spielen, er an der neuen SlajchOrgel einer Schwesternkapelle in Budweis. Und für den Abschluss sollte ich nach Budweis fahren (das sind 20 km), dass wir dort zu zweit „vierhändig und vierfüßig“ improvisierten. Das fand ich besonders reizvoll und stimmte zu. Natürlich habe ich mir auch die Orgel in Budweis vorher mittags angesehen: Orgelbauer Slajch lotste mich dorthin – in ein Schwesternkloster, dessen Kirche wohl an der Straße hinaus gebaut ist, aber ohne Turm, etwas versteckt. Das war für mich mittags noch kein Problem. Das Konzert – es war Mitte Oktober – begann um 19Uhr, es war schon sehr dämmrig. Ich spielte Werke von Froberger und Erbach und improvisierte dann über „Ave
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maris stella“. Jetzt folgte die Übertragung aus Budweis. Ich stieg ins Auto, um nun in 20 Minuten nach Budweis zu fahren und dann mit Jaroslav den Abschluss gemeinsam zu spielen. Vor mir fuhren Radiotechniker mit einem PKW her. Im Auto höre ich Radio: nämlich Jaroslav Tuma, zuerst mit einem Bach-Praeludium, und dann sagt der Sprecher an „von Bach: Partite diverse sopra ‚Sei gegrüßet, Jesu gütig’, ein Choral mit 11 Variationen“. Schön spielt er, denk ich mir – und mein Auge fällt auf die Benzinuhr. Hm, das geht sich unmöglich für die Rückfahrt nach Österreich aus! Aber da gibt es ja eine neue große Tankstelle bei der Stadteinfahrt Budweis, das muss sich schon ausgehen, dort noch zu tanken! Und Jaroslav ist ja erst bei der ersten Variation. Ich tanke. Die Radio-Leute sind weg. Ich frage bei der Tankstelle nach diesem Schwesternkloster, weiß keine Straße und kann kein Tschechisch. Nur fragende Augen. Mensch, die vierte Variation!! Ich starte durch, einfach „dem Gefühl nach“. Die sechste Variation. Ich denk mir: naja, noch 9 Minuten, denn die zwei letzten sind lange Variationen. Das Herz klopft. Doch, da, da ist es doch! Es ist übrigens stockfinster. Braunkohlengeruch ringsum. Ich fahre auf das Gebäude zu: eine Schwester steht in einer Einfahrt und winkt, und schreit mir
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irgendwas zu. Das könnte vielleicht geheißen haben: „Wir warten schon, rasch, rasch…“ Und ich kann also „privat“ parken. Springe aus dem Auto. Die Variationen sind längst zu Ende. Eine Schwester führt mich über die Klausur einen Kurzweg an die Orgel. Dort steht ein Radioreporter und „überbrückt“ im wahrsten Sinne des Wortes mit netten Gedanken, was eine Improvisation ist. Und ich nehme neben Jaroslav an der Orgelbank Platz – und los geht es: ein tschechisches Lied liegt am Notenpult als Thema. Und „es läuft“……
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Kommunikationsprobleme in Passau Meine Lebensgeschichte weist nach, dass es in Passau offensichtlich an mehreren Stellen Kommunikationsprobleme gibt. Da ist der Bahnhof eine „Sammelstelle“ dafür. Beispiel 1: Gotha Die Evangelische Kirche Oberösterreichs bat mich, eine Ausstellung im Evangelischen Museum Rutzenmoos zum Thema „Glaube klingt“ musikwissenschaftliche zu betreuen. Dazu gehörte, dass ich in der Universitätsbibliothek Erfurt – welche im Schloss Gotha untergebracht ist – ein Gesangbuch aus Linz 1608 ausfindig machte und für die Ausstellung persönlich abzuholen hatte. Das wollte ich – auch aus Sicherheitsgründen – in einer Blitzaktion mit der Bahn machen. Ich wollte zu diesem Zweck am Bahnhof Passau nicht nur wegen der Verbindungen anrufen, sondern vor allem auch, wo ich mein Auto parken kann – von der Möglichkeit, dass die Deutsche Bahn dort im Zusammenhang mit der Bahnkarte auch Parkplätze verkauft, wusste ich. Aber: was bis 1999 leicht möglich war, war im Jahr 2002 nicht mehr zu erreichen; nämlich ein Telefo-
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nat an den Bahnhof Passau. Ich erreichte eine Zentralstelle in Berlin, wurde scharf angesprochen „Mensch, wat kann ik denn sachen, wat in Passssau jeht?“ Darauf versuchte ich, die Nummer der Polizei am Bahnhof herauszufinden. Die Telefonauskunft wusste sie nicht. Das Rathaus Passau machte es möglich. Denn die Polizei, dachte ich naiv, weiß sicher die Nummer des Schalters am Bahnhof. Doch hier auch nur bayrischer Ärger: „Wos woins denn, de sand jo eh nia do, wenn ma’s braucht. Und a Numma hobn mer a net.“ Als ich einwarf, aber was ist, wenn dort ein Mord gemeldet wird, legte der Ordnungshüter auf. Also nahm ich wutentbrannt den Weg von Salzburg, wo ich mich gerade befand, über Passau nach Schlägl. Am Bahnhof Passau erklärte man mir, es wäre sowieso nicht anders möglich gewesen, als dieses ParkTicket dort direkt in den Schalteröffnungszeiten zu kaufen. Denn wenn ich abends nach 19Uhr reise, ist sowieso niemand mehr da. Gut, ich kaufte, ließ mir auch das Ticket Passau – via Nürnberg – Gotha und retour ausstellen. Nachmittags war ich Schlägl, wir hatten auch die Namenstagsfeier eines Mitbruders, und ich enteilte um 18.30 Uhr mit dem Auto nach Passau zu meinem Zug, der nach ausgedrucktem Ticket um 19.42Uhr losfahren sollte. Das schaffte ich auch in 60
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Minuten, parkte das Auto auf dem dafür vorgesehen Platz für DB-Gäste, legte den Parkschein hinein, ging zum Bahnsteig, der auch verdächtig unbevölkert erschien, und wartete. 19.38, 19.40, 19.42, 19.45…. kein Zug in Sicht. Ich gehe in die Halle und entdecke außer einer älteren Geschäftsfrau, die gerade ihren Allzweck-Laden schließt, niemand. Schließlich frage ich sie, ob sie was von einer Zugverspätung weiß. „Wos moanst?“ Ich erkläre deutlicher. „Aso. Nana, des is der Neinzehnvirazwoanzger nocha Nianberg, der is scho long fuart.“ War doch tatsächlich auf meinem Ticket ein Ziffernsturz statt 19.24Uhr eben 19.42Uhr zu lesen. Ich fluchte vor mich hin, stieg ins Auto und fuhr nach Nürnberg. Dort trieb ich mich am Bahnhof, und nachdem der geschlossen wurde, in einer Bar herum bis 3.30Uhr und nahm die erste Verbindung nach Gotha. Dort frühstückte ich erstmals. Umsomehr verwunderte mich, wie man mir das kostbare Buch, das ich unbedingt persönlich holen musste und nicht mit der einer Sonderfracht geschickt werden konnte, übergab: in Zeitungspapier eingewickelt – und so reiste es mit mir per Bahn und Auto nach Rutzenmoos.
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Beispiel 2: Eisenach Ich musste ins Bach-Archiv Eisenach und habe eine gute Verbindung mit Zug von Passau aus ausfindig gemacht (via Fulda). Das sollte an einem Sonntag um 14Uhr geschehen. Seit dem Jahr 1999 bin ich durch das Bundessozialamt mit 70% behindert eingestuft (das hat mit meiner Leber, meinem Bewegungsapparat, meinem Gehörsturz und meinen Augen zu tun). Einzigen Vorteil, den man als Beteiligter daraus hat, ist der Erwerb einer Park-Plakette für BehindertenParkplätze (aber der Dienstgeber kriegt eine Geldprämie für mich, weil er einen Behinderten einstellt…..). Nun möchte man dann auch auf solchen besonders gekennzeichneten Parkplätzen parken; sehr oft sind sie verstellt von Nicht-Behinderten. In fremden Städten findet man sie kaum. Weil ich nun vor hatte, das Auto in Passau stehen zu lassen, rief ich das Stadtamt Passau an, ob man mir sagen kann, wo ich in Bahnhofsnähe oder am Bahnhofsgelände behindertengerecht parken darf. Das von Österreich aus geführte Telefonat dauerte 17 Minuten, ich wurde zu 8 verschiedenen Personen weiterverbunden, wo ich jeweils meine Bitte von vorne vortrug. Ende des Telefonates war die Bemerkung: „Na, mia
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kennan Ina des gor net sogn, mia hobn do koan Plan herint, oba i deng scho, doss do wos findn.“ Mit diesem Sicherheitsrisiko fuhr ich am besagten Sonntag – nach einer AnfahrtsPanne, die man unter dem Kapitel „Auto“ nachlesen kann – rechtzeitig nach Passau und legte mir zurecht, einen Taxi-Fahrer auf den Bahnhofstandplätzen für den Behindertenparkplatz zu fragen. Antwort: „Mei, Bua, do woaß i nix, oba do drinnat is dö Informationszentrale, dö wissant da sicha wos.“ Ich lasse das Auto irgendwie stehen, laufe zur Zentrale. Dort seh ich ein Schild: „Wir sind für Sie wieder am Montag ab 8 Uhr früh da. Schönen Sonntag.“ Hm, denke ich, was jetzt. Aja, Polizeiwachstube. Die ist in einem Nebengebäude im ersten Stock. Ich klopfe. Mürrisch hebt einer hinter der Glastür den Kopf, offensichtlich vom Mittagsschläfchen gestört; wankt zur Tür, öffnet: „Wos woans denn?“ Ich stammle was vom Behindertenparkplatz. „Da sand mer net zuaständig, mia mochant dö Zoll-Sochan.“ Ich: „Aber…, und mein Zug…., und….!“ „Noja, stöllns Ina da unt (er meint unter seinem Fenster) hi, da stengand monchmol soachene Auto.“ Ich habe eine ungutes Gefühl, parke mein Auto dort ein, finde auch irgendwelche verblassten Bodenmarkierungen, aber bin mir überhaupt nicht der Sache sicher. Lege neben
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die Plakette aber noch einen Zettel dazu mit dem Text „auf Anraten der Polizeiwachstube“. Und das Auto war bei der Rückkehr sogar noch da! Und inzwischen weiss ich, dass das der EINZIGE wirkliche Berhinderten-Parkplatz am Passauer Bahnhof ist. Beispiel 3: Fahrkartenqualität Ich hatte ein Konzert im Rahmen des Münster-Lippe-Festivals in Höxter angenommen und bemühte mich fernmündlich für die Bahnverbindung, da mein Internet gestört war. Ich landete natürlich wieder in Berlin. Wissen wollte ich vor allem, ob mein Behindertenticket auch gelten sollte. „Das müssen Sie am Bahnhof Passau persönlich klären.“ Ich fuhr extra an den Bahnhof Passau, ein freundlicher Beamter des „Reisezentrums“ erklärte mir, dass ich freilich die österreichische Vorteilscard anwenden kann. Er stellte mir auch gleich das Ticket aus, ich zahlte 116 Euro und ging davon. Der Zufall wollte es, dass eine bekannte Familie sich antrug, mich mit dem Auto zum Konzert zu fahren. Das hatte wiederum zur Folge, dass ich beim nächsten Passau-Aufenthalt zum Bahnhof ging und im „Reisezentrum“ anfragte, ob ich vom nicht benutzten Ticket zumindest einen Teil rückerstattet bekomme. Da stierten mir – bei Einsicht in das Ticket – Blicke entgegen, als ob man mich fressen
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wollte. „Wat habn Se denn hier für enen Fahrschein?“ herrscht mich eine gar unbayerische Stimme auf dem niederbayerischen Provinzbahnhof an. Ich erzähle. Und dann werde ich niedergemacht, dass man nur an einem österreichischen Bahnhof ein Ticket nach Deutschland mit Anwendung meiner Behindertenkarte ausstellen kann, etc.etc. Nun, hatte sich der liebenswürdige Beamte von einst geirrt, kann doch passieren! Aber dass man mich dann so zu Recht weist!?
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Wenn das Auto nervt Vor drei Jahren habe ich mir den Luxus einer Auto-Standheizung geleistet. Für angeschlagene Nieren und meinen Bewegungsapparat ist das im Winter schon eine Erleichterung, wenn man in ein vorgeheiztes Auto steigen kann. Manchmal vergesse ich darauf, den Start dafür zu programmieren. Und dann hatte eines Tages auch die dafür zuständige Elektronik einen Defekt. Nach einer sehr kalten Periode war das Auto endlich wieder dafür gerüstet. Für einen Jänner-Sonntag plante ich gleich nach dem 10-Uhr-Gottesdienst die Abreise nach Passau, weil ich von dort mit der Bahn nach Eisenach für Bach-Forschungen reisen wollte. Am Samstagabend begann es arg zu schneien. Ich fuhr mein Auto neben unserer Stiftskirche in einen Unterstand und schaltete auch sehr erwartungsfroh als Probe die Standheizung für 7.30 Uhr ein. Am Sonntag hatte ich zu allen Vormittagsdiensten die Orgel zu spielen, weil Ingemar auf Urlaub war. Neugierig „besuchte“ ich zwischen Laudes und Frühmesse, nach dem Frühstück mein Auto, und hatte auch schon einen Koffer dabei fürs Einpacken. Das Auto war wirklich schön warm; und eher zufällig wollte ich es vom Abstellplatz wegfahren,
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damit ich es dann bequemer mit meinem Gepäck beladen kann. Aber die große Überraschung war: das Auto sprang nicht an!! Und ich? Ja, ich muss an die Orgel! Die nächste Messe beginnt. Unser Hausmeister – die gute Seele für alles Technische – ist Schnee schaufelnd im Stiftshof beschäftigt. Ich drück’ ihm meinen Autoschlüssel in die Hand und sage: „Können Sie was machen? Um 11Uhr muss ich fahren können!“ Während der Predigt kommt er an die Orgel und raunt mir zu: „Die Batterie! Oba i hobn des Bergerl obilaufn lossn, und er is angsprunga.“ Der Motor lief dann bis 11Uhr, meine Angst war zu groß. Und wie es in Passau weiterging, liest man im Kapitel „Kommunikationsprobleme in Passau“.
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Verflixter 24. Dezember Jährlich versuche ich, meine Mutter am 24. Dezember vormittags zu besuchen. In der Regel gelingt das auch. Und da ich mich nie zu einem Besuch bei ihr anmelde – um sie nicht zu enttäuschen, wenn dann doch was dazwischen käme –, ist sie doch meist überrascht, oder tut so, weil ich doch weiss, dass sie inzwischen durch diese Regelmäßigkeit wenigstens an diesem Tag heimlich mit dem Besuch ihres Sohnes rechnet. Im Jahr 2006 war ich nach dem Konventamt gleich „am Sprung“: ich hatte am Vortag schon einen Karpfen aus unserer Fischerei vorbereiten lassen, packte also dieses Paket und noch ein paar Kleinigkeiten unter den Arm und eilte zu meinem Auto, das ich vor dem Stift am Parkplatz abgestellt hatte. Routinemäßig schwinge ich mich hinein, steck den Schlüssel an, dreh um: kein Geräusch! Kein nichts. Das Gefährt springt einfach nicht an. Ich versuch es noch einmal, und ein drittes Mal. Nichts rührt sich. Na ja, es war schon ziemlich kalt, der Winter kann bei uns schon manchmal „heftig“ sein. Mein Mitbruder Johannes, der unser Forstmeister ist und sich in technischen Belangen auch auskennt, kam zufällig des Weges. Er
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grinste und sagte: „Na, was machst denn?“ Hilfsbereit, wie er ist, schaute er sich das Auto an und meinte, das könne nur die Batterie wegen der hohen Kältetemperaturen sein. Und ein Forstermeister hat bei uns nicht nur Gewehre und Messer bei sich, sondern auch Starter-Kabeln im Auto. Er speiste meinem Auto Strom aus seinem Allrad-Gefährt und die Zündung klappte. Ein rascher Dank, und ich fuhr nach Linz – und kam auch wieder ohne Pannen zurück. Im Jahr 2007 hatten wir einen schneereichen Winter. Wieder bestieg ich am 24. Dezember gegen 8.30 Uhr mein Auto und startete. Und – wieder vergebens! Nichts rührte sich. Diesmal hatte ich unseren Forstmeister aber auch am handy nicht erreicht. Also rief ich den ÖAMTC an. Nach 1 Stunde kam ein „gelber Engel“ und offenbarte mir nach einem Test, dass die Batterie den Geist völlig aufgegeben hatte. „Das kommt beim Alter von 4 Jahren schon vor!“ Und ich war total überrascht, dass er – wohl für den stolzen Preis von 120.- Euro – sofort eine neue Batterie zur Stelle hatte. So konnte ich doch noch um 11 Uhr nach Leonding fahren und meiner Mutter eine Freude machen.
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Mit dem ÖAMTC hatte ich schon einmal gute Erfahrungen: Ich fuhr von Wien nach Hause und war etwa gegen 23 Uhr bei der Autobahnausfahrt Linz angelangt. Es war eine Baustelle im Zubringerbereich, und ich musste auch anhalten. Da „rumpelte“ irgendetwas, so als ob irgendetwas unter der Kühlerhaube sich bewegt hätte. Auf dem Weg durch die Stadt entdecke ich am Armaturenbrett – und es ist ja interessant, dass das den Augen doch sofort auffällt! –, dass die Wassertemperaturanzeige auf 100 klettert. Wenn ich bei einer Kreuzung anhalte, geht sie wieder etwas nach unten. Über der Donau, stadtauswärts, im Ortsgebiet von Puchenau, wusste ich eine Tankstelle, die noch offen hat um diese Zeit. Dort hielt ich an. Man war auch sehr hilfsbereit: denn – wie es sich dann schon richtig gehört – war auch der Akku des handys gerade leer. Wir erreichen den ÖAMTC um 23.45 Uhr und man sagt mir, vor 1.30Uhr werde ich keine Chance haben, dass jemand kommt. Ich gebe mich zufrieden. Der Tankwart sagt, sie haben seit 2 Wochen nicht mehr rund um die Uhr offen, sondern er schließt nun. Bleibt mir nichts anderes übrig, als im Auto zu warten, es war regnerisch und kalt, obwohl Juni.
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Um 1.45 Uhr kommt das gelbe Auto. Das Allererste, was der junge Mann macht, ist, einen Laptop herauszunehmen, meine Mitgliedskartennummer einzutippen, und – mir kundzutun: „Bei Ihnen mach ich gar nix, Sie haben eine offene Schuld bei ÖAMTC!“ Wie? Ich? Ich hab doch gar keinen Schaden gehabt bisher! Das kann höchstens damit zusammen hängen, dass wir im Stift eine „Firmenmitgliedschaft“ haben und irgendeines unserer über 60 Autos eine gerade offene Rechnung dort hatte. Ich versuchte, das zur Erklärung anzugeben. Schließlich ließ er sich erweichen, in Wien in der ÖAMTC-Zentrale anzurufen. Dort war zumindest geklärt, welches Auto aus unserem Fuhrpark eine offene Rechnung von 23,20 Euro hatte. Nach langer Diskussion gab die Dame aus Wien von Ferne die Erlaubnis, mir helfen zu dürfen. Inzwischen war es 3 Uhr. Nur war das Ergebnis der Diagnose des helfenden Engels: irreparabel, es ein Teil eines „Schwungrades“, wo der Riemen der Lichtmaschine befestigt sei, abgebrochen. „Das kann schon passieren bei dem Alter von 4 Jahren. Fahren können Sie nicht mehr damit jetzt.“ Hm, aber was tun? Morgen war Lehrerausflug, den ich zu leiten versprochen hatte. Ich muss irgendwie nach Schlägl.
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Ich frage, was er vorschlägt. „Haben Sie denn keinen Zug?“ „Aber bitte – Mühlkreisbahn, jetzt!?“ Ich verspreche, ein hohes Trinkgeld zu geben, wenn er mich nach Hause bringt. Er lässt sich erweichen und erzählt mir auf der Fahrt seine ganze Lebensgeschichte. In Schlägl kommen wir um 4 Uhr an. Hier will er nicht einmal was für die Fahrt. „Ich hätte das sowieso machen müssen!“ Natürlich geb ich ihm was. Und dann vereinbaren wir auch, wie mein Auto morgen nach Schlägl kommt. Und ich schleiche mich durch die Gänge des Stiftes und versuche bis 6 Uhr noch ein wenig zu schlafen….
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Faschingsscherz? Sachsen als Pilgerweg zu Bach-Gedenkstätten und Silbermannorgeln ist für jeden Organisten ein „Muss“ als Reiseland. Oft war ich inzwischen nicht nur zum Konzertieren in Freiberg, in Dresden, in Nassau oder in Frauenstein, auch mit meinen Studenten habe ich dort schon öfter Studienaufenthalte gemacht. Bei einer Heimfahrt mit dem Auto – wo ich am Überlegen war, den Weg über Tschechien oder über Regensburg zu nehmen: das eine wären von Dresden nach Schlägl nur 368 Kilometer, aber dafür etwa 7 Stunden, das andere 530 Kilometer mit durchgehender Autobahn bis Passau in ca. 5 ½ Stunden… – machte ich bei einer Autobahn-Tankstelle Halt fürs notwendige Tanken. Dabei kramte ich auch in meinen Hosentaschen (wahrscheinlich auf der Suche nach Geld) und im Reiseproviantkorb herum; Facit war jedenfalls, dass in Schlägl plötzlich mein Spezialschlüssel zum Öffnen der Schrankenanlage in der Universität Salzburg nicht mehr zu finden war. Er ist von jener Sorte, die „elektronisch sperren“ (eigentlich müsste man sagen „öffnen“), und sieht aus wie ein Schlüssel-Anhänger. Bald setzte sich in mir der Gedanke fest, dass ich ihn bei jener Autobahn-Tankstelle vielleicht
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auf das Autodach legte und er mir damit abhanden kam. Ich rief die Wirtschaftsabteilung unserer Uni an und „kroch zu Kreuze“; der Verwalter sagte mir, es sei gar kein Problem, solche Schlüssel könne man von Ferne „decodieren“; der Form halber brauche er aber eine Verlustanzeige. Ich brüstete mich: „Nichts leichter als das, das mach ich gleich mit unserer Orts-Gendarmerie“ – nichts ahnend, was da folgen sollte. Am nächsten Tag – es war zufälligerweise Faschingdienstag – rief ich um 8 Uhr auf dem Gendarmerieposten Aigen an. Es lief ein Tonband, das schließlich zum nächsten Posten nach Ulrichsberg (8 km entfernt) weiterschaltete. Dort erklärte man mir, in 30 Minuten würde in Aigen jemand auf mich warten. Ich war rechtzeitig da, ebenso ein Gendarmeriebeamter. Ich trug mein Anliegen vor: Verlustanzeige eines Schlüssels. Antwort: „Des kost’ aber was!“ Ich: „Das weiß ich, aber es muss sein, die Universität verlangt das von mir!“ „Die Universität?“ „Ja, deren Schlüssel ist das.“ „Des is ja dann sozusagen da Stoot?“ „Ja!“ (Damals waren die Universitäten noch nicht privatisiert.) „Ja, dann kost’s ja nix!“ Ich: „Aha. Das weiss ich nicht, ist auch recht.“ „Sitzens Ina amoi duat in die Eckn!“ Ich folge. „Also wie schreiben ma denn da?“
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„Ich sag es Ihnen gerne an!“ Ich diktiere: „Bei einer Fahrt von Dresden nach Schlägl am 11.2.2000 habe ich, Dr. Gottfried Frieberger, geboren am 26.3.1951…“ „…..Äääh, wie???“ Ich stehe auf, weil ich merke, der Beamte hört mich schlecht. „Bleibn S’ duat sitzn!!“ Ich setze mich wieder. Ich werde lauter. „geboren am …, einen elektronischen Spezialschlüssel der Universität Salzburg für die Schrankenanlage des Parkplatzes bei einer Tankstelle der Autobahn A4, Nähe Ausfahrt Zwickau, verloren. Ich bemerkte den Verlust bei meiner Ankunft in Schlägl am folgenden Tag um ungefähr 10 Uhr.“ „Jo wia druck i denn des iatzt aus?“ Ich: „Ich kenn mich bei Computern auch nicht so aus.“ Er: „Und af wöcham Papier muaß i denn des druckn?“ Ich: „Weiss ich nicht. Gendarmerie soll halt drauf stehn.“ Nachdem er das Papier zwei Mal falsch eingelegt hatte, klappte der dritte Ausdruck. „So , iatzt nu an Stempö!“ Und dann drückte er mir das Papier (nach 60 Minuten Aufenthalt) in die Hand und entließ mich. Ich eilte damit in die Musikschule, wo eine Schülerin wartete, und ließ das Papier zu meiner Sekretärin auf den Schreibtisch „wehen“, und rief im Vorbeigehen „Bitte gleich an die Uni weitersenden!“ und verschwand in meinem Unterrichtszimmer. Was seit 10
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Jahren nicht eintrat, ereignete sich: Meine Sekretärin holte mich aus dem Unterricht, stammelnd, so könne Sie das nicht weiterschicken. Ich schau mir die Verlustanzeige der Gendarmerie an, und stelle fest, dass sich auf den wenigen Zeilen, 12 schwere Rechtschreibfehler finden, zum Beispiel: Spetzialschlühsel, Universidäd, bemergt, … Ich lachte laut auf, sagte, sie soll eine Kopie anfertigen für unseren „Spezialordner“, und die Verlustanzeige trotzdem so wegsenden. Als ich mit dem Unterricht fertig war, ging ich nochmals in die Kanzlei und wollte mich nochmals an den Fehlern delektieren. Aber, da wurde ich von Frau Reitinger informiert, es sei ein Gendarm hier gewesen und habe eine „erneuerte“ Verlustanzeige gebracht, weil angeblich der falsche Stempel aufgedrückt war. Es waren Fehler ausgebessert, aber bei weitem nicht alle. Offensichtlich hatte der nachfolgende Dienst habende Gendarm im Computer das Schriftstück entdeckt… Ein anderes Mal, kann ich mich erinnern, habe ich – ebenfalls in unserem Bezirk Rohrbach – mich selbst hinter die Schreibmaschine eines Gendarmeriepostens gesetzt und ein Protokoll selbst geschrieben, weil es mir zu mühsam war, dabei zuzusehen.
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Verluste Ich bin dafür bekannt, dass ich bald einmal wo etwas „liegenlasse“: meinen Schlüsselbund suche ich beispielsweise täglich… Der Autoschlüssel gehörte auch lange zu solchen Utensilien; derzeit habe ich ihn wieder auf dem „Hauptschlüsselbund“ mit allen anderen Schlüsseln vereinigt. Aber zum Beispiel, bei einer Reise nach Prag, an einem Montag der Karwoche, wo ich auch in einer Bibliothek wissenschaftlich forschen wollte, ließ ich mein Auto in der Hotelgarage auf der „Kleinseite“ und fuhr mit einem Taxi vom Hradschin herunter in die Altstadt hinüber. Und – manche werden das Gefühl kennen – irgendwann überbekam mich das Unbehagen, mir fehlt etwas. Und ich durchwühlte meine Mantel- und Hosentaschen und stellte fest: der Autoschlüssel fehlt! Aber ich hab ja noch aus dem Auto meine Aktentasche herausgenommen und bin von dort ins Taxi. Dann werde ich ihn an der Autotüre stecken lassen haben? Nicht auszudenken, wenn das wer sieht! In Prag! Auch wenn es in der Hotelgarage ist! Ich brach alle Unternehmungen ab, fuhr sofort retour ins Hotel. Der Schlüssel war nicht da. Ich rief umgehend meine Autofirma in Rohrbach an, ein wenig selbstsicher, weil ich mir sogar einmal extra die Schlüssel-
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nummer in meinem Reisepass notierte, da kann doch nichts schief gehen. Antwort aus Rohrbach – nach langem Hin- und Hertelefonieren erreichte ich den Chef: so einfach geht das nicht! So einen Schlüssel kann man bestellen, und dann muss wer kommen, und denselben mit Computer kodieren. Nicht vor Donnerstag. Was!?? Das ist Gründonnerstag! Solange kann ich nicht bleiben, ich habe Probe, und bin am Gründonnerstag um 7 Uhr morgens bei der Trauermette erforderlich! Antwort aus dem fernen Mühlviertel: „Pech, schneller geht das beim besten Willen nicht; vielleicht wenn wir in Wien eine Opel-Firma noch fragen…“ Ich setze mich in der Hotelhalle nieder und spiele nochmals alle Möglichkeiten durch. Dass ich mit dem Zug retour fahre…, dass mich wer holt……, dass… naja, dass ich den Autoschlüssel vielleicht im Taxi, mit dem ich in die Altstadt fuhr, ausgestreut habe. Hm, lieber einmal zu viel als zu wenig gefragt. Ich versuche über die Hotelrezeption den Taxichauffeur zu finden. Der steht mit seinem Wagen aber zufällig vor der Tür. Ich sprinte hin. Er hat nichts gesehen. Ich steig vorne ein – wo ich vor drei Stunden auch war – , und: der Schlüssel liegt am Boden bei meinen Füßen. Dort, wo ich sonst auch gerne Schlüsseln in meinem eigenen
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Auto liegen habe, damit ich sie sehen kann….. Ein Stein fiel in die Moldau… Nicht immer habe ich das Glück, Verlorenes wieder zu finden. Seltsamerweise gehört dazu in letzter Zeit auch Gewand. Ein schwarzer Mantel – von einem schottischen Schneider, und mir besonders lieb – ist nach einem Konzert in Lilienfeld spurlos verschwunden; auf Fotos sieht man ihn noch. Ein schwarzes Sakko, das ich zur Orgelweihe in Wilten trug, hat sich in nichts aufgelöst: umso bedauerlicher, als dort ein USB-Stick mit Texten für meine Vorlesungen von 2 Semestern eingesteckt war und auch eine kostbare Montblanc-Füllfeder. Ärgerlich. Und bei längerem Nachdenken und Vergleichen: ich kannte eine Kollegin, die hatte einem berühmten Organisten ebenfalls Gewandteile geklaut, quasi als „Fetisch“. Wenn sie diese vor einem eigenen Konzert heimlich trug, hat sie angeblich besonders schön gespielt. Ich kann es nicht beweisen, aber vieles wäre möglich… Ein anderes Mal war es in Italien. Es war mein letzter Tag eines Kuraufenthaltes in Abano. Ich hatte am Nachmittag noch einen Ausflug in die mir lieb gewordenen „Euganäischen Hügeln“ gemacht, zu einer Stelle, wo es Kaki-Bäume und einen verlassenen
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Weinberg gibt, nahe des malerischen Ortes Calzignano. Zuvor hatte ich im Zimmer schon die Koffer einigermaßen zusammengepackt, sodass ich am nächsten Tag gleich sehr früh losfahren konnte. Heimgekommen von dem Ausflug ging ich zum Abendessen. Um 21 Uhr am Zimmer angelangt, habe ich nochmals alles zusammengestellt für die Abreise. Aber – wo ist mein Reisepass und mein Führerschein? Einfach nicht zu finden! Den werde ich doch nicht ausgestreut haben, dort wo ich geparkt habe, um einige Kaki-Früchte zu ernten und ein paar Weintrauben in einen Korb zu pflücken? Ich springe ins Auto. Fahre nachts noch zu dieser Stelle, nichts da! Klappere mit einer Taschenlampe die Zeilen des Weinberges ab. Nichts. Um Mitternacht wieder im Hotel, mache ich mein Bett, auf dem der große Koffer noch offen, fertig gepackt, da liegt, frei und klappe den Kofferdeckel zu. Darunter lagen Reisepass und Führerschein, so, wie ich eben von dem Ausflug nach Hause kommend sie aufs Bett legte…. Ein anderes Mal war ich in Linz, um in einer Buchhandlung eine Besorgung zu machen. Ich parkte auf einem öffentlichen Parkplatz. In der Buchhandlung bin ich beim Zahlen und nehme dann routinemässig meinen
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Schlüsselbund in die Hand, wo auch der Autoschlüssel nun dabei ist. Aber: von diesem Autoschlüssel ist nur ein Teil daran, der Rest mit den Schlüsselschaft fehlt. Es Stich ins Herz! Das ist am Weg vom Auto zur Buchhandlung abgebrochen oder auseinandergeklappt, wie auch immer. Ich schreite alles feinsäuberlich ab, viele Leute beobachten mich, halten mich für verrückt. Ich gehe die Landstraße – eine große Geschäftsstraße in Linz – linksseitig, dann rechtsseitig im Schneckengang, mit den Augen fast am Boden… Nichts.. Ich nähere mich dem Parkplatz beim Schillerpark. Und an der Autotür steckt der restliche Teil meines Schlüssels… Und noch eine Autoschlüssel-Episode kann ich erzählen: Ich war zu einem Konzert an mehreren Orgeln in den Salzburger Dom eingeladen, ein Donnerstag im Juli 2004. Ich kam aber mehr oder weniger direkt aus dem Elsass dorthin. Und nach kurzer Verabredung mit Domorganist Zuckriegel eilte ich noch ins benachbarte Cafe „Glockenspiel“ für einen „Energieschuss“, und auch, um mich mit Freunden zu treffen, die zum Konzert kommen wollten. Die waren auch da, und nach angemessenem Plaudern blickte ich auf die
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Uhr und schickte mich an, in den Dom zu eilen. Nach dem Konzert verabschiedete ich mich noch von Leuten, und wollte mit „meiner“ Gesellschaft in ein Altstadtlokal zum Abendessen gehen. Ich wühle in meinen Taschen instinktiv nach meinem Autoschlüssel. Doch der – war wieder einmal unauffindbar. Zurück auf die Orgel(n): nirgends wo! Im Dom am Weg von der einen Orgel zur anderen? Nicht ersichtlich. Hm, wo hatte ich ihn das letzte Mal? Aja,im Cafe Glockenspiel, erinnere ich mich, hatte ich ihn in der Hand gedreht. Das schließt aber um 20 Uhr, und jetzt war es 21.30 Uhr. Ich eile zurück. Und zum Glück sind Raumpflegerinnen am Werk, denen ich durch AnsFenster-Klopfen zu verstehen gebe, dass ich eingelassen werden will, um meinen Autoschlüssel zu suchen. Die sind zum Glück mutig genug und lassen mich ein. Und tatsächlich – das gesuchte Objekt liegt noch auf einer Bank bei dem Tisch, wo ich gesessen hatte. Das anschließende Abendessen beruhigte mich wieder…..
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Computersorgen Manche sind ausgesprochene „freaks“ von Computern, manche betrachten die Blechschachtel als „notwendiges Übel“. Ich zähle mich zu denen, die da vielleicht in der Mitte stehen, und bin inzwischen sehr dankbar um viele Funktionen, die so ein Programm für mich übernimmt. Umso mehr bin ich „verfolgt“, wenn mein Laptop plötzlich nicht funktioniert – oder, wie einmal auch, wenn ich selbst schuld daran bin; so geschehen im Herbst 2005, als ich versehentlich eine Flüssigkeit über die Tastatur schüttete. (Die Sache kam teuer zu stehen, denn ich musste die Daten „reparieren“ lassen in einer eigenen, einer Klinik gleichenden Reparatur-Anstalt.) Aus eben solchen dann von mir erfassten „Sicherheitsgründen“ kaufte ich eine externe Festplatte. Ein Freund riet mir, dass in einer Kaufhauskette derzeit ein günstiges Angebot zu haben sei, das technologisch entsprechend sein. Dieses Produkt der Firma Gericom befütterte ich gleich am selben Tag, und war froh, nun Daten „gesichert“ zu haben und dort auch viele Bilder „ausgelagert“ zu haben.
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Aber nach zwei Monaten war es aus mit der Herrlichkeit: beim Anstecken der Festplatte hörte ich nie da gewesene Geräusche und es funktionierte nichts. Ich brachte das Ding direkt zur Gericom-Zentrale in Linz. Abgesehen von den Schwierigkeiten, die Firma überhaupt betreten zu können, wurde mir sehr kühl offeriert, dass nun die „DiagnoseStellung“ Geld kostet; und wenn dann eine Reparatur notwendig würde, muss ich extra einen Auftrag erteilen. Das war am 30. Oktober; bis 17.November hörte ich nichts. Ich war wieder persönlich vorstellig geworden; die Antwort lautete, wir werden nachforschen. Letztlich war nach weiteren zwei Wochen die Antwort: irreparabel, sie kriegen eine neue Festplatte aus Garantiegründen. Die Diagnose musste ich aber zahlen. Nun meint man, dass damit die Sache zwar „erledigt“ sei – aber freilich, einige Daten waren unwiederbringlich. Aber das ist noch nicht alles. Nach weiteren zwei Monaten wiederholt sich der ganze Vorfall. Unliebsame Geräusche, die Festplatte funktioniert nicht mehr. Wieder: Diagnose machen lassen, dann nach 3 Wochen eine ErsatzFestplatte. Als ich dann sagte, ich will einfach das Geld retour, war die Antwort: nein, bis zu drei Mal dürfen wir das so austauschen und machen das auch. Als auch diese Festplatte nach 6 Monaten komische
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Geräusche von sich gab, hab ich eine neue Festplatte – aber eben nicht bei Gericom gekauft , die Daten überspielt und bin seither sehr gut versorgt. Bald darauf hörte man von wirtschaftlichen Schwierigkeiten bei Gericom. Mich wunderte das nicht bei dem Stil, mit Kunden in Linz betreut werden.
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Ein alter Tscheche Hedwig Ebermann war in Linz eine Legende als Organistin. Zum einen, weil sie als Frau sich seit den 50er Jahren einen Namen als Musikerin gemacht hatte, die jährlich an der Brucknerorgel in St.Florian ein vielbeachtetes Konzert spielte, zum andern weil sie mehrere Generationen an Schülern an der Städtischen Musikschule Linz unterrichtete und in die Orgel einweihte, die dann auch Hochschulstudien absolvierten. Ich hatte nicht bei ihr Unterricht, sondern bei Erich Posch am Konservatorium; sie war aber gleichsam meine „Nachbarin“ an der Stadtpfarrkirchenorgel in der Zeit, als ich Organist am Alten Dom in Linz war (1963 – 1969). An ihrem unverkennbaren VW-Käfer, meist schief eingeparkt – weil knapp dran, wusste man, wo sie gerade ist. Es gäbe viele Erlebnisse mit ihr zu schildern: sie war selbst auch – was für andere Organisten selten war und ist – eine eifrige Konzertbesucherin, immer neugierig, was es am Orgelhimmel Neues gibt, und wollte auch jungen Spielern die Ehre des Besuches geben. So sind wir oft nebeneinander gesessen in diversen Kirchen und Konzertsälen, dann auch in Jurien und Kommissionen.
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Eine Episode möge stellvertretend erzählt sein: Ingemar und ich besuchten einen Orgelabend im Brucknerhaus im Jahr 1980, es spielt ein tschechischer Staatsbürger namens Ales Barta, der einige Monate zuvor einen Preis bei einem Orgelwettbewerb errang. Hedwig Ebermann setzte sich neben uns in die Reihe; in der Pause tauschten wir auch Sommerpläne aus, wann Sie wieder einmal zu uns kommt. Nach dem offiziellen Programmteil – mit interessanten Stücken neben Bach und Reger – spielte er als Zugabe ohne Ansage einige Stücke aus einer Suite von J.F.Dandrieu. Hedwig beugt sich zu mir herüber und flüstert ins Ohr: „Was ist denn das? Kennst Du das?“ Ich flöte diskret zurück: „Dandrieu.“ Darauf beugt sie sich nochmals zu mir: „Aso! Ich hom ma denkt, des wird so a oida Tschech sein!“ Hedwig Ebermann hatte bei ihren Konzertprogrammen meistens eine Uraufführung zu spielen. Sie war dafür bekannt, sich für neue Musik zu interessieren, und die mit Orgel befassten Komponisten aus Österreich widmeten ihr gerne ihre Werke. Auch eine Dame aus Oberösterreich, die aus einer bekannten deutschen Musikerfamilie abstammte und auch bekannte musizierende Söhne hatte. Ihre Kompositionen waren
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gutes Handwerk und gelernter Kontrapunkt. Aber Hedwig sagte einmal zu mir: „Bei deren Werke muss ich die Schlüsse immer selber nachkomponieren…..“ Noch eine abschließende Begebenheit zu Hedwig Ebermann: ein junger Mann übernahm den Orgelpart bei einer nicht ganz angenehm zu spielenden Messe für Chor und Orgel, zu der sie Chor und Orchester der Stadtpfarrkirche Linz dirigierte. Beim Benedictus in Ges-Dur gings gründlich neben die richtigen Tasten. Als sich der junge Mann nachher bei ihr mit rotem Gesicht entschuldigte, sagte sie in ihrer sprichwörtlichen Güte: „Mein Gott, hätt so auch heißen können…..“
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Seltsame Wege zu Orgeln Dass der Zugang zu Orgeln meist über Stiegen führt, erklärt sich aus der Tatsache, dass die diversen „Königinnen der Instrumente“ in der Regel auf einer Empore stehen. Bisweilen ist der Weg dorthin aber recht „verschlüsselt“: Wer in Linz an die Orgel der Landhauskirche will, muss den Weg über die Hauptstiege des Landhauses nehmen und den berühmten „Steinernen Saal“ betreten, von wo man aus durch eine Blendtüre auf die Empore „schlüpfen“ kann. In Vornbach, der ehemaligen Benediktinerabtei am Inn zwischen Schärding und Passau, führt der Weg von der Sakristei aus im ersten Obergeschoss entlang des Kirchenschiffes bis zur ersten Empore und von dort erreicht man über eine weitere Treppe die auf der zweiten Empore stehende Hauptorgel. Langezeit war auch in St.Florian der Aufgang zur Brucknerorgel über die Sakristei geregelt: und wenn man – wie ich als 14Jähriger auch – vor einem Konzert sich dort „anstellte“, hatte man Gelegenheit von den Seitenbalkonen aus dem Spieler näher zu sein. Zwischen 1965 und 1970 erlebte ich von dort aus – oft an der Seite meines
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Gymnasial-Musiklehrers Johannes Unfried – manche Uraufführung und viele berühmte Organisten. Sehr kompliziert ist der Weg zur neuen Cathedralorgel in Brüssel. An sich schon eine Meisterleistung, wie Gerhard Grenzing das Instrument in die Südwand „einpasste“, ohne irgendeine gotische Architektur des Raumes zu stören. Aber, man muss für den Weg an die Orgel wenigstens 20 Minuten einrechnen, wenn man nicht geübt ist: Zuerst über eine schmale Wendeltreppe, quasi in einer Säule, etwa 150 Stufen aufwärts; dann im Kircheninneren auf einer äußerst schmalen gotischen Galerie Richtung Hochaltar etwa 10 Meter (wobei es nicht möglich wäre, z.B. ein Violoncello zu tragen); dann durch eine Tür hinaus auf das Kirchendach (es liegen für Notfälle sogar Schirme bereit!), ca. 30 Schritte, dann durch eine Dachluke auf den Kirchendachboden hinein, unter der Gefahr, sich an Eisenverstrebungen das Haupt zu verletzen; und über kleine Holztreppen gelangt man abwärts zur „Brust“ der Orgel, wo der Spieltisch eingebaut ist; dieser Orgelfuß steht – wie bei historischen Vorbildern – wie in einem Schwalbennest, und es haben maximal noch zusätzlich zwei Personen dort Platz. Ein exklusiver Ort für den Organisten, und
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fßr mich immer wieder eine Freude, mit dieser KÜnigin zu kommunizieren – eine der besten neuen Orgeln der Welt!
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Gebildete Bildungsministerin Man hat mich ins Wissenschaftsministerium gebeten, um mir den Berufstitel „Professor“ zu verleihen. Dem ging ein Telefonat voraus. Ein Ministerialrat ruft mich an. Er: „Wos, se san a a Pforrar?“ Ich: „Nein, aber Geistlicher.“ Er: „Hörn S’, da kriagn ma a Problem!“ Ich : „Wieso?“ Er: „Da homs jo goa ka Frou!?“ Ich: „Würde sagen: stimmt, wenn’s rechtmäßig zugeht.“ Er: „Wissen S’, bei uns sitzt von dem, dea wos wos wiad, imma dö Frou hinta eahm, und nocha kriagt s’ Blumen!“ Ich: „Leider kann ich nicht damit dienen.“ Er: „No, lebt de Mama no? Oda hobn S’ a Schwesta?“ Ich: „Meiner Mutter kann ich die Reise nach Wien nicht zumuten, meine Schwester ist erst unlängst als AHS-Lehrerin aus den Diensten der Frau Minister gerne per Pensionsstichtag ausgeschieden, ich weiss nicht ob sie sich so danach sehnt, die Frau Minister bald wieder zu sehen. Aber fragen Sie sie doch selbst.“ Und sage die Telefonnummer an.
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Nach einer Woche ist es so weit. Die Räume kannte ich ja schon. Blaue Tapete, hohe Türen, schmutzige Fenster auf den Minoritenplatz hinunter. Meine Schwester war wirklich bereit, mir zur Seite zu stehen oder besser gesagt, mir den Rücken zu stärken und hatte ihren Platz in zweiter Reihe hinter mir. Neben mir saß links besagte Frau Minister, rechts Herr Ministerialrat. Man lud passender Weise (wie mir die Minsterin persönlich bestätigte) zur Musikkulisse ein original Wiener Schrammel-Quartett ein. Das fiedelte und schrummte gerade, als sich die Frau Minister über meinen gerade nicht kleinen Bauch beugte, zum Herrn Ministerialrat, ihn anflüsternd: „Wos isch n dös, a Organologe?“ Der Ministerialrat: „Frau Minister, ich denke, nichts Medizinisches.“ Ich greife ein und sage: „Organologie ist die Wissenschaft vom Orgelbau.“ Die Ministerin: „Segn S’, Herr Professor, man lernt nie aus, haha…!“ Dann schreitet Sie ans Pult und beginnt: „Und damit verleihe ich Herrn, äää Herrn….. äää…. Wia hoascht er iatz?.....“ „Frieberger“ flötet der Herr Ministerialrat…. Schließlich wird man zu einem Glas Sekt ins Nebenzimmer gebeten. Der ist warm und das Billa-Sackerl hängt an einem Fenster-
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schließer. Auch etwas „alt“ schmeckende Soletti-Stangerl stehen in Trinkgläsern herum. Mitten in die Gesellschaft ertönt ein Aufschrei des Ministerialrates: „Jössas, Frau Minister, die Bluman!!!“ Und man bringt ein in Zeitungspapier eingewickeltes Blumensträußchen, das vielleicht von einem Kübel, wie man sie vor U-Bahn-Stationen manchmal stehen sieht, stammen könnte. Und man drückt es meiner Schwester Sissi in die Hand… Anschließend habe ich meine Schwester und meine Freunde ins Cafe Central eingeladen und das nachgeholt, was in unserer oberösterreichischen Landesregierung üblich wäre bei so einem Anlass: einen Imbiss, mit dem man sich nicht zu schämen braucht.
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Weitere Titel bei
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