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HARTUNG & HARTUNG

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Bücherwand im Auktionssaal, mit aufgeschlagenem Atlas

ANTIQUARIAT – AUKTIONEN

Felix Hartung betreibt zusammen mit seiner Schwester Katharina in München in zweiter Generation als Familienunternehmen das Auktionshaus Hartung & Hartung KG mit den Schwerpunkten auf Versteigerungen von wertvollen alten Büchern, Manuskripten, Autographen und Grafik. Die Firma wurde am 1.1.1972 durch Abspaltung der Buchsparte aus dem Auktionshaus Karl & Faber gegründet, in dem der im Jahr 2012 verstorbene ehemalige Senior Karl Hartung seit dem Neubeginn nach dem Krieg als Leiter der Buchabteilung gewirkt hatte. Somit wird die Firma Hartung & Hartung KG, deren Geschäftsführer und persönlich haftender Gesellschafter Felix Hartung ist, zum Jahreswechsel ihr 50-jähriges Jubiläum feiern können.

Fotos: Jörgen Nitsch für Hartung & Hartung

Felix Hartung absolvierte nach dem Abitur und dem Wehrdienst von 1973 bis 1975 eine zweijährige Ausbildung zum Antiquar bei dem ähnlich strukturierten Auktionshaus Dr. Helmut Tenner in Heidelberg. Anschließend sammelte er Auslandserfahrung in dem auf Botanik spezialisierten Antiquariat John Chancellor in London direkt am Kew Green in unmittelbarer Nachbarschaft zu den berühmten Kew Gardens. Daran schloss sich noch ein halbjähriger Aufenthalt in Paris an, um sich auch mit dem französischen Antiquariatswesen vertraut zu machen. Nach seiner Rückkehr nach München war Felix Hartung seit Anfang 1978 zunächst als Prokurist, seit dem Jahr 1989 als Geschäftsführer für den Betrieb verantwortlich. Seine Versteigerer-Lizenz erhielt er gleich zu Beginn der dauerhaften Tätigkeit in der Firma Anfang des Jahres 1978. Traditionellerweise werden durch H&H jährlich zwei Auktionen – jeweils Anfang Mai und Anfang November – veranstaltet. Für die Katalogisierung und den täglichen Geschäftsbetrieb sind sechs erfahrene Antiquarinnen und Antiquare beschäftigt, die fast ausnahmslos bereits seit Jahrzehnten im Betrieb tätig sind. Die Firma residiert in München am Karolinenplatz im Erdgeschoß des vormaligen Stadtpalais der Freiherren von Freyberg, das um 1900 im neoklassizistischen Stil erbaut und nach den im Zweiten Weltkrieg zugefügten Zerstörungen durch den jetzigen Eigentümer – den Bayerischen Müllerbund e.V. – im Jahr 1950 wiedererrichtet wurde.

Eva von Schilgen: Was hat Sie veranlasst, den Kunsthandel zu Ihrem Beruf bzw. zu Ihrer Berufung zu machen?

Felix Hartung: Ich wurde seit meiner Kindheit durch meinen Vater mit allen Geschäftsvorgängen vertraut gemacht, habe mir natürlich als Schulbub schon eine Taschengeldaufbesserung durch Katalogausfahren mit dem Fahrrad verdient und die Faszination alter Bücher als Jugendlicher durch das halbjährlich wechselnde, reichhaltige Auktionsangebot erfahren. Meine ersten ernsthaften Sammlungskäufe habe ich im Alter von 15 Jahren getätigt, und mit 18 habe ich angefangen, nebenbei auch ein wenig mit nicht auktionsgeeignetem Material zu handeln. Während meiner Ausbildung in Heidelberg entschied ich mich dafür, den Beruf zur Berufung werden zu lassen, was ich nie bereut habe.

EvS: Ihr Spezialgebiet ist …?

FH: Die alte Kartografie sowie das Sammeln von Atlanten.

EvS: Was muss ein Sammler oder ein Investor beim Kauf von Objekten des Antiquariatshandels besonders beachten?

FH: Es verhält sich in diesem speziellen Segment wie im Kunsthandel allgemein: Nur Topqualität kaufen und nur Werke kaufen, für die man sich persönlich begeistern kann. In einer schönen Bibliothek sollten sich nur komplette Werke in guter Erhaltung und in Einbänden der Entstehungszeit finden.

EvS: Nach welchen Kriterien beraten Sie?

FH: Ich berate Kaufinteressierte unter Berücksichtigung ihrer persönlichen Neigungen und Interessen dahingehend, dass höchste Qualitätskriterien angelegt und dadurch Fehlkäufe vermieden werden.

EvS: Was ist Ihre Erfahrung bezüglich Wertsteigerung?

FH: Alles mit Unikatcharakter birgt das höchste Wertsteigerungspotenzial in sich, das heißt Manuskripte, Autographen, Handzeichnungen und natürlich auch wirklich seltene und bedeutende Druckwerke aus der Frühdruckzeit, also Inkunabeln und schöne Holzschnittbücher. Allerdings muss man hierfür einen langen Atem haben, denn die Wertsteigerungen im Antiquariatswesen schlagen eigentlich erst frühestens für eine Folgegeneration zu Buche.

EvS: Was empfehlen Sie jungen Sammlern mit wenig Budget?

FH: Sie sollten im Rahmen ihrer Interessensgebiete auf Seltenheiten achten, die oft zu lächerlichen Preisen zu erwerben sind. Der Markt ist im Zuge der Internetentwicklung innerhalb der letzten zwanzig Jahre

Bild des „Atlas maritime“ (aus Auktion Nr. 149 vom 5. Mai 2021) In: De Fransche Neptunus, of Nieuwe Atlas van de Zeekarten ... 3 Teile in 2 Bdn. Amsterdam, Pieter Mortier 1693–1700. Imperial-Folio. Alle Kupfer und Karten in hervorragendem, goldgehöhtem Verlagskolorit. Das Werk gilt als „the most attractive and most expensive sea-atlas ever published in Amsterdam in the 17th century. In an exceptionally well-preserved, complete copy“. Abgebildet der Vortitel zu Tl. 3 in Bd. 2, dessen Kupfer und Karten alle von Romeyn de Hooghe gestochen wurden. Zuschlag: € 100.000,–

enorm transparent geworden. Man kann sich somit auch als Privatsammler durch das Abonnement einer Auktionspreisdatenbanklizenz, wie zum Beispiel auf dem vom Verband Deutscher Antiquare betriebenen Portal www.auktionspreise-online.de, einen ausgezeichneten Überblick über Seltenheit und Auktionspreise von antiquarischen Werken verschaffen. Außerdem sollten sie die Besichtigungsmöglichkeiten im Vorfeld von Auktionen nutzen. Das sind großartige und kostenfreie Lerngelegenheiten.

EvS: Was sollte ein Unternehmen beachten, wenn Kapital angelegt werden soll?

FH: Ein Unternehmen, welches Kapital im Antiquariatssektor anlegen will, wird sich allein durch diese Auswahl schon mit einem ziemlichen Alleinstellungsmerkmal schmücken können. Während das Unterhalten einer Kunstsammlung für Unternehmen eher gängig sein mag und natürlich auch nur mit wirklich

rechts: Einband-Abbildung: (aus Auktion Nr. 149 vom 5. Mai 2021) Einband im Kathedralstil. Holzdeckelband von 1878. Gefertigt von Heinrich Jauner, Medailleur und Graveur aus Wien, anlässlich der Goldenen Hochzeit von Ludovika Wilhelmine von Bayern und Herzog Maximilian in Bayern am 9. September 1878. Erzielter Preis: € 3.000,–

ernsthaften Einsätzen sinnvoll ist, findet man kaum Unternehmen, die in den Erwerb von interessanten Objekten des Antiquariatshandels investieren. Dies geschieht immer nur auf Betreiben einer bibliophil begeisterten Persönlichkeit, weil der Zugang zu einem alten Buch naturgemäß ein weitaus schwierigerer ist als der zur wesentlich repräsentativeren Kunst. Eine Kapitalanlage für Unternehmen im Antiquariatssektor kann nur unter Hinzuziehung eines erfahrenen und fachlich versierten Beraters aus dem Handel sinnvoll sein.

EvS: Was halten Sie von „Kaufen gegen den Trend“?

FH: Sehr gute Bereiche hierfür wären zum Beispiel Emblemwerke des 16.–18. Jahrhunderts, Erstausgaben der deutschen Literatur oder Kinderbücher vor 1800, um nur drei Themen zu nennen, bei denen es sich um wirklich ergiebige Sammelgebiete handelt, die seit vielen Jahren preislich im Keller liegen.

links: Bild mit dem Lamm Gottes mit Fahne (aus der kommenden Herbstauktion, Auktion Nr. 150, 2. November 2021) Eine von drei blattgroßen Malereien in Silber und Farben, aus: Sebald Schürstab, Salbüchlein und Familienchronik. Dt. Handschrift auf Pergament. Nürnberg um 1484. Ein wichtiges Dokument zur Geschichte und Genealogie der Nürnberger Patrizierfamilien. Das Bild zeigt das Lamm Gottes und darunter kniend die Bildnisse Sebald Schürstabs und seiner Frau, geb. Gross (ebenfalls aus einer der Patrizierfamilien Nürnbergs), links und rechts sieben Wappenschilder.

Schätzpreis: € 30.000,–

EvS: Sammeln Sie selbst ebenfalls?

FH: Ich bin Bibliomane mit knapp 50 verschiedenen Sammlungsschwerpunkten.

EvS: Eine Anekdote aus Ihrem Berufsalltag?

FH: Da fallen mir die Äußerungen eines alten österreichischen Stammkunden ein: „Wenn ich sage: ,Ich habe eine Waffelfabrik‘, verstehen die Leute: ,Ich habe eine Waffenfabrik.‘ Und wenn ich sage: ,Ich habe eine Biskuit-Fabrik‘, verstehen die Leute: ,Ich habe eine Whisky-Fabrik.‘“

Text: Eva von Schilgen

INFOBOX

Hartung & Hartung KG Antiquariat, Auktionen Karolinenplatz 5a, D-80333 München Tel.: +49 89 284034 www.hartung-hartung.com

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