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ANDRÁS PÁLFFY RETRO-PERSPEKTIVE
Ein Gespräch zu den Arbeiten von Jabornegg & Pálffy
„Altes fortschreiben und Neues damit in Verbindung setzen“ – so lautet das Credo des Architekten András Pálffy, der gemeinsam mit seinem Büropartner Christian Jabornegg seit mehreren Jahrzehnten zahlreiche namhafte historische Bauten mit Gegenwartsarchitektur aufgewertet, umorganisiert oder einfach zu neuem Leben erweckt hat.
Fotos: Jabornegg & Pálffy
Die Arbeit erfolgt anhand von Modellen.
Begonnen hat alles in der Wiedner Hauptstraße. Hier haben die Eltern gemeinsam mit ihrem Sohn nach der Flucht aus Ungarn bei einem Verwandten Unterschlupf gefunden, hier hat András Pálffy seine Kindheit und Studienjahre mit Blick in den romantisch bewachsenen Innenhof verbracht, in dem sich auch heute noch das Architekturbüro Jabornegg & Pálffy seit seiner Gründung befindet. Aus dem Atelier sieht man direkt auf die ehemalige Hutfabrik Habig, die den Garten begrenzt. An der Fassade der Nachbarschaft erinnert ein einprägsames Wappen, geformt von zwei Hüten, an die ehemalige Manufaktur.
Was für ein Zufall, dass genau hier seine Karriere beginnen sollte! Es war das Jahr 1992, als ein Wettbewerb ausgeschrieben wurde und er als junger Architekt gemeinsam mit seinem Freund und Büropartner Christian Jabornegg zum Zug kam. Die Generali Foundation war im Entstehen, ein Kunstraum, in dem die Sammlung zeitgenössischer Kunst in wechselnden Ausstellungen gezeigt wurde. Im Jahr 2014 ging sie als Dauerleihgabe an das Museum der Moderne nach Salzburg. Bis dahin jedoch war das Museum in der Wiedner Hauptstraße ein aufregender Dreh- und Angelpunkt für Kunstinteressierte gewesen.
„Als wir das erste Mal die Räume der ehemaligen Hutfabrik Habig betraten, bot sich uns beim Anblick einer irgendwann in der Vergangenheit abrupt abgebrochenen Entrümpelung das Bild eines unverrückbaren Stillstandes“, erzählt András Pálffy. „Mitten in einem belebten Universitäts- und Wohnviertel wirkte dieser verlassene Industrieraum wie ein Anachronismus, der sich aus dem 19. Jahrhundert in die Gegenwart gerettet hatte.“
Die Generali Foundation war eines der ersten gemeinsamen Projekte des Architekten-Duos.
Was daraus wurde, ist einzigartig. Der Bestand wurde analysiert, bauliche und wirtschaftliche Gegebenheiten und natürlich auch die zukünftige Funktion wurden mitgedacht, bevor der Hauptraum nur durch eine nicht ganz bis zur Decke reichende Betonwand eine neue räumliche wie auch konstruktive Gliederung erfuhr, die sich als geniales Element der neuen Galerie erwies. Sie gab dem Raum eine Ordnung, der Kunst einen Platz und den Besuchern einen logischen Rundweg vor.
Dieses Projekt war der Beginn einer langen Reise des Architekturbüros Jabornegg & Pálffy, die vom Umbau des Museums am Judenplatz im ersten Wiener Gemeindebezirk und des Bahnhofs von Kassel für die „documenta X“ (Ausstellung für zeitgenössische Kunst vom 21. Juni bis 28. September 1997) über das Schlosshotel Velden, das Palais Rothschild, Schoellerbank, das Schloss Esterházy sowie das Passionsspielhaus Oberammergau bis hin zu dem Städel Museum in Frankfurt/Main, dem Stift Altenburg oder – ganz aktuell – dem Parlament in Wien reicht. Im Prinzip geht es bei diesen Projekten immer wieder um Ähnliches: nämlich den Umgang mit historischer Substanz und die Transformation der Bauten in die Jetztzeit oder sogar in die Zukunft. „Eine dieser Aufgabenstellung folgende Praxis kristallisiert sich für uns aber auch mehr und mehr als radikale Freiheit heraus, die es zulässt, nicht nur das Neue zu verorten, sondern auch das Alte weiterzubauen“, beschreibt András Pálffy.
Anders als Objekte, die auf der grünen Wiese entstehen und von denen das Architekturbüro selbstverständlich auch unzählige auf seiner Liste hat, scheint es hier in den loftartigen, lässigen Büroräumen in der Wiedner Hauptstraße eine der Leidenschaften zu sein, sich zuerst den Grundlagenstudien zu widmen, der Kulturgeschichte der historischen Bauten, der Topografie rundherum und dem Verständnis des Gebäudes, bevor man ans Planen geht. Hierzu laden Hunderte Bücher in den Regalen im Atelier ein, die langen Tische, an denen gearbeitet wird, oder die hohen Stellagen, auf denen Materialsamples, kleine Ideengeber oder auch Relikte von Baustellen zu sehen sind.
Eines der größten Projekte ist der Umbau des Parlaments in Wien.
„Die Gegebenheiten bilden den strukturellen Widerstand“ – so einer der Grundgedanken des Architekturbüros – „den man nicht aus seinem Kontext lösen kann und an dessen Reibungsflächen sich ein Projekt erst tatsächlich entwickelt. Man muss vor allem das vorhandene Gebäude gründlich lesen und verstehen, bevor man es bearbeitet.“ Während in früheren Generationen häufig der Fehler gemacht wurde, einfach dazuzubauen, zu verändern und damit zu verfremden, ist man jetzt vorsichtiger geworden. Nicht zuletzt, weil das Denkmalamt ein strenges Auge darauf hat. Pálffy selbst hat gute Erfahrung damit. „Wir haben eine wunderbare Gesprächsebene, die tragfähige Lösungen hervorbringt.“
András Pálffy hat einige Jahre in Rom gelebt. In der ewigen Stadt selbst, aber auch im restlichen Italien hat er viel gesehen. In Verona oder im Veneto beispielsweise, dort, wo auch Carlos Scarpa gearbeitet hat. Der 1906 in Venedig geborene Architekt ist eines der Vorbilder von Jabornegg & Pálffy und zugleich Inspirationsquelle. Scarpa gehörte zu den wichtigsten Vertretern der von Frank Lloyd Wright beeinflussten organischen Architektur und setzte Maßstäbe in der Ergänzung von Neuem zu Altem.
Ähnliches gelingt den beiden, wie anhand von mehreren bereits abgeschlossenen Projekten zu erkennen ist. Da wäre einmal der Umbau des Museums Judenplatz
erwähnenswert, wo das Untergeschoß eines Privathauses in moderne Ausstellungsräume und die archäologischen Ausgrabungen unterhalb des Platzes in einen Schauraum verwandelt wurden, dessen lehmfarbener Boden Assoziationen mit dem Ort, den Geschehnissen, der Geschichte hervorrufen.
Das ehemalige Palais Rothschild wurde von Jabornegg & Pálffy für die Schoellerbank adaptiert. Die alten, an der Renngasse und am Gartenhof des Schottenstifts liegenden Räume haben „durch das zentrale Implantat einen qualitativen Rückhalt bekommen“, kann man im Katalog zu diesem Projekt lesen. Die „Erschließung und Entfluchtung durch neue Stiegenhäuser“, wie Pálffy erklärt, ist immer wieder von entscheidender Bedeutung bei einer Renovierung und einer damit verbundenen Nutzungsänderung. Die Wärmerückgewinnung über den Innenhof der Schoellerbank wie auch deren Abschluss mit einem pneumatischen Luftkissendach sind für die Arbeitsweise des Büros genauso exemplarisch wie der Umgang mit der Tageslichtführung und der Einsatz von hochwertigen Materialien. Ausgeklügelte Konstruktionen und ihr positiver Einfluss auf die gesamte Energiebilanz der sanierten Bauten standen von Beginn an im Mittelpunkt der Planungen von Jabornegg & Pálffy. Technik und Klimaeffizienz sind ein Gebot der Stunde. Bei Jabornegg & Pálffy heißt es: „Nachhaltigkeit ist Selbstverständlichkeit.“
Die Epochen sichtbar zu machen ist einer der wesentlichen Ansprüche der Architekten. Im Benediktinerstift Altenburg nahe Horn in Niederösterreich wurde dieser denn auch exemplarisch verwirklicht. Die barocken Überformungen des Mittelalters wurden von der Veitskapelle abgelöst, die nunmehr als Bauwerk nicht nur einen Schwerpunkt im Eingangsbereich des Museums-
Jabornegg & Pálffy bringen neues Leben in alte Mauern
bezirkes bildet, sondern selbst als bauhistorisches Exponat die Ausstellungsräume aus den unterschiedlichsten Epochen räumlich miteinander verbindet. Besonders auffällig ist oberhalb der archäologischen Schauräume die wiederhergestellte Altane, eine vorspringende, erhöhte Plattform, von der aus man einen herrlichen Blick auf das Kamptal hat. Im Zusammenhang mit diesem Projekt kommt von András Pálffy ein Vorschlag – eigentlich eine mit Verve vorgetragene Forderung –, dass solche Investitionen bei der Steuer geltend gemacht werden sollten, dienen sie doch mit ihrem Mehrwert der Erhaltung von Kulturgut und Identität und haben zusätzlich gesellschaftliche und wirtschaftliche Bedeutung. Man würde damit Restaurierungen und Modernisierungen von historischer Bausubstanz nicht zur Liebhaberei degradieren.
Eines der ganz großen und gerade jetzt in der Finalphase befindlichen Projekte von Jabornegg & Pálffy ist das Parlament an der Wiener Ringstraße. Die Planung durch Theophil von Hansen vor mehr als 130 Jahren, der Wiederaufbau nach dem Zweiten Weltkrieg und danach nur noch kleinere Eingriffe und Restaurierungsarbeiten zogen jetzt Handlungsbedarf nach sich. Im
Im Stift Altenburg wurden die unterschiedlichen Zeitalter sichtbar und zugänglich gemacht.
Das Schlosshotel Velden wurde durch einen zeitgenössischen Kontrapunkt ergänzt und aufgewertet.
Jahr 2013 wurde vom Parlament entschieden, eine Generalsanierung auszuschreiben – ein Wettbewerb, den Jabornegg & Pálffy in der Folge gewannen.
„Es ist herrlich, so etwas machen zu können!“, kommt András Pálffy ins Schwärmen, wenn er von den vier neuen repräsentativen Treppenhäusern, der Säulenhalle, dem freigelegten neuen Foyer, den Dachterrassen, der neuen Glaskuppel über dem Nationalratssitzungssaal und vielem mehr erzählt. Eine „technische Ertüchtigung des Hauses“ war ebenso gefordert wie höchste Transparenz und Funktionalität. Die Eckdaten sind respekteinflößend: 55 000 m² Netto-Geschoßflächen, 1600 Räume, 740 Fenster, 600 historische Türen, 500 Luster usw. usf.
Wenn im kommenden Jahr dieses Projekt abgeschlossen sein wird, das Büro, das „wie eine Ziehharmonika funktioniert“ und je nach Bedarf zwischen 10 und 30 Mitarbeiter beschäftigt, sich auf die nächste Aufgabe vorbereitet, wird es wieder nach Pálffys bewährtem Anspruch vorgehen – nämlich die „radikale Freiheit zu nützen, Altes fortzuschreiben und Neues damit in Verbindung zu setzen“. Text: Clarissa Mayer-Heinisch
INFOBOX
Jabornegg & Pálffy Architekten Christian Jabornegg, András Pálffy Wiedner Hauptstraße 17/2/1 1040 Wien www.jabornegg-palffy.at