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Altenauer Brauerei füllt wieder ab
Finanzierung mit Förderung: Altenauer Brauerei füllt wieder ab
Ein 400 Jahre alter Betrieb soll schließen. Das tut weh: Der treuen Kundschaft im Oberharz und dem traditionsbewussten Brauermeister Joachim Kilian. Er übernimmt also die Brauerei in Altenau mit zwei Gesellschaftern und rettet auch mit der Hilfe von Fördermitteln ein Stück Kulturgut.
von Astrid Bauerfeld
Joachim Kilian schaut in einen der alten Kessel, den er auch nach Sanierung der Brauerei erhalten möchte.
Das Altenauer Bier gehört zum Oberharz wie die Hexe zum Brocken. Als im Januar der Betrieb der Brauerei in Altenau eingestellt werden sollte, wurden nicht nur die treuen Kunden über soziale Netzwerke, sondern auch die Politik aktiv. Gestärkt durch diesen Rückhalt, entschloss sich Brauermeister Joachim Kilian Anfang dieses Jahres für den Kauf der Brauerei im Harz. Trotz des Wissens, viel investieren zu müssen. „Stirbt eine Brauerei, kommt sie auch nicht wieder“, sagt der 46-Jährige.
Er wurde bereits 2017 damit beauftragt, der Altenauer Brauerei beratend zur Seite zu stehen, wurde Technischer Betriebsleiter. Das Ziel sei damals gewesen, den Betrieb zu erhalten und wieder wettbewerbsfähig zu machen: Es ging um Investitionen, eine neue Bügelverschließeranlage wurde angeschafft. „Der Betrieb mit all seinen Mitarbeitern ist mir während dieser Tätigkeit sehr ans Herz gewachsen“, erzählt der Brauermeister. „Der Stand der Technik war längst nicht mehr ausreichend“, erinnert sich der Handwerker. Aber das Personal und die Kundschaft haben gestimmt. Seine größte
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BRAUEREIEN gibt es noch im Bezirk der Handwerkskammer Braunschweig-Lüneburg-Stade Herausforderung sei nun, die Brauerei im laufenden Betrieb umzubauen. Mit einem geeigneten Businessplan und den entsprechenden Visionen sei aber alles umsetzbar. „Den Finanzierungsplan für den Kauf und die Sanierung der Brauerei haben wir vorab auch mit Hilfe von Fördermitteln des Landes Niedersachsen solide aufstellen können“, erklärt Kilian. Gegründet habe er zusammen mit Metallbauermeister Sebastian Schneider und Fruchtsafthersteller Andreas Creydt eine GmbH, um sein Brauerei-Standbein im Harz zu verwirklichen.
Die Lehre zum Brauer hat Joachim Kilian direkt nach dem Abitur in der Distelhäuser Brauerei in seiner Heimat Tauberbischofsheim südlich von Würzburg absolviert. Im Anschluss studierte er das Brauwesen in der Hochschule Weihenstephan. Der Wunsch, dieses Handwerk zu erlernen, habe sich früh bemerkbar gemacht. „Naturwissenschaften waren meine Lieblingsschulfächer, gekocht und abgeschmeckt habe ich schon immer gern“, erzählt Kilian lächelnd. „Ich war nach dem Studium unter anderem in Südkorea und in der Schweiz, habe einige Brauereien kennen gelernt und viele Erfah-
rungen gesammelt“, erinnert sich der Meister. Jede Brauerei ticke etwas anders. In Altenau ist laut Kilian die Tradition und Kundentreue etwas ganz besonderes. „Es ist die letzte handwerkliche Brauerei in der Region“, betont er. Mit ihr würde auch ein Stück regionale Identität verloren gehen. Das habe er nicht zulassen wollen: „Wir produzieren kein Fernsehbier, unterliegen nicht dem starken Konkurrenzdruck, leben vom Tourismus und der Kundentreue vor Ort.“ Das seien alles Gründe gewesen, in dieses Stück Harzer Kulturgut zu investieren und sich selbst eine weitere Perspektive zu schaffen: „Mein Ziel ist es, einen stabilen Betrieb für die Nachkommen aufzustellen.“
Der momentane Absatz sei in Anbetracht der Situation völlig in Ordnung, obwohl die Gastronomie wegen der Coronakrise noch merklich mit angezogener Handbremse wirtschaftet: „Corona hat uns nicht so übel erwischt wie einige Großbrauereien, weil wir einen sehr hohen Flaschenbieranteil haben.“ Hier habe es auch weiterhin einen Markt gegeben. Allerdings seien die coronabedingten Einschränkungen bezüglich der Materiallieferungen nun ein Problem. „Wir bekommen nur verzögert Kronkorken geliefert, bei den Metallbügeln für die Bügelflaschen gibt es Engpässe, auch die grüne Farbe für die Kistenaufdrucke wird knapp“, zählt er auf. Die neuen Außentanks habe er glücklicherweise rechtzeitig bestellt und sollten noch im Herbst geliefert werden.
Trotz der Materialknappheit und Verzögerun-
„Es gibt keinen Brauer, der nicht kochen kann.“
Joachim Kilian,
Brauermeister und Brauereiinhaber
Der Hopfen für die Altenauer Biersorten stammt aus Tettnang, einem Hopfenanbaugebiet in Süddeutschland, und die Gerste stammt aus Wöltingerode. Ein brauereieigener Brunnen versorgt die Bierproduktion mit Harzer Wasser. Hopfen und Malz - Gott erhalt‘s.
Die Braugeschichte von Altenau
Die Braugeschichte in Altenau ist eng mit der Ortsgeschichte Altenaus verbunden. Im Jahr 1617 verlieh Herzog Christian von Celle-Lüneburg Altenau Stadtwappen und Bergfreiheit. Mit der Bergfreiheit bekamen die ortsansässigen Berg- und Hüttenleute das Recht, eigenes Bier zu brauen. Das Braurecht war allerdings auf die Häuser der Brauer beschränkt, weshalb alle Berechtigten ihr Bier im eigenen Haus brauten. Da dies wirtschaftlich nicht sinnvoll war, wurde 1672 ein städtisches Brauhaus errichtet und den Inhabern des Braurechts wurden bestimmte Nutzungszeiten zugeteilt. Wann diese städtische Einrichtung in eine private Rechtsform umgewandelt wurde, ist noch nicht erforscht. Bekannt ist lediglich, dass Herrmann Kolberg, zuvor angestellter Braumeister, die Altenauer Brauerei 1919 erwarb. Diese blieb bis Ende 2004 im Besitz der Familie Kolberg. 2005 wurde die Brauerei veräußert und ging 2012 in die Insolvenz. Aus dieser erwarb die Kloster Wöltingerode Brennen & Brauen GmbH die Brauerei, die diese ihrerseits am Anfang dieses Jahres wieder veräußert hat. Zum 1. April 2021 hat die neu gegründete Altenauer Brauerei GmbH den Betrieb aufgenommen. Die Altenauer Brauerei ist die letzte verbliebene mittelständische Brauerei im Oberharz und damit auch die höchstgelegene Brauerei Norddeutschlands.
Fotos: Bauerfeld/Schmitz
Joachim Kilian (v. links) mit seinen Partnern Sebastian Schneider und Andreas Creyd.
gen sieht Kilian optimistisch in die Zukunft. Die Altenauer Brauerei sei ein kleiner und übersichtlicher Betrieb. Dass noch viel Wert auf das Handwerk gelegt wird, schmecke man sofort. „Das Brauerhandwerk ist anspruchsvoll“, sagt der Meister. Eine Affinität zu den Naturwissenschaften solle vorhanden sein, auch die körperlichen Beanspruchungen seien nicht zu unterschätzen. „Aber der Beruf macht großen Spaß.“ Ausbilden möchte Joachim Killian daher gern weiterhin. „Sobald der Sanierungsstau behoben und moderne Technik im Betrieb eingesetzt wird, werde nach weiterem geeignetem Personal gesucht und entsprechend ausgebildet“, betont der Handwerker.
Es sei ein großer Schritt gewesen, die Brauerei zu kaufen. „Meine Intention ist neben dem wirtschaftlichen Aspekt aber insbesondere auch die Regionalität und Nachhaltigkeit dieses Produktes am Leben zu erhalten“, erklärt Kilian. Nun trägt er mit seinen Partnern dazu bei, dass ein altes Handwerk und ein traditionelles Produkt weiter existieren. „Das ist ein schönes Gefühl.“ W
Web-Wegweiser: www.altenauer-brauerei.de
Weitere Materialien: www.hwk-bls.de/magazin
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MITGLIEDER zählt die Facebookgruppe „Rettet die Altenauer
Brauerei“
Facebook-Gruppe: „Rettet die Altenauer Brauerei“
Die Harzer halten zusammen. Als es um den Erhalt der eigenen Biermarke ging, sind innerhalb weniger Tage mehr als 3000 Menschen einer Facebook-Gruppe beigetreten, die für die Altenauer Brauerei kämpfen wollten. Im Januar wurde die Plattform ins Leben gerufen. Vorgeschlagen wurden Spenden, ein Zusammenschluss mehrerer Anwohner, ein Crowdfunding-Projekt oder gleich die Gründung einer Genossenschaft.
Mit zahlreichen Bild- und Wortbeiträgen wurde die Gruppe im sozialen Netzwerk mit Leben gefüllt. Die Politik ist auf die Anteilnahme aufmerksam geworden und hat sich ebenfalls stark gemacht.
Die Facebook-Gruppe ist noch heute, auch nach dem Kauf und gesicherten Erhalt der Brauerei, aktiv. Mittlerweile heißt es in der Gruppe „Gerettet. Auf die nächsten 404 Jahre.“ Ein Stück Harzer Kulturgut wurde sicher auch durch diesen digitalen Einsatz und Zusammenhalt gesichert.
Interview mit Adrienne Blum zum Thema Fördermittel:
Wie findet ein Handwerksbetrieb eine passende Förderung für sein Vorhaben?
» Adrienne Blum: Welche Förderungen für einen Betrieb passend sind, hängt vor allem von der Ausgangssituation ab. In welcher Phase befindet sich das Unternehmen? Was soll mit der Förderung erreicht werden? Welches Vorgehen kommt für den Betrieb in Frage? Die Beraterinnen und Berater der Handwerkskammer helfen gern diese Fragen zu beantworten und stehen den Betrieben bei der Findung von passenden Programmen zur Seite.
Wann lohnt es sich, Fördermittel zu beantragen?
» Adrienne Blum: Wichtig zu wissen ist, dass bei vielen Förderprogrammen noch nicht mit dem eigentlichen Vorhaben begonnen werden darf, bevor eine Bewilligung der Fördermittelgeber vorliegt. Eine gute Vorbereitung ist somit unerlässlich. Zunächst muss das Vorhaben gut geplant und die Gesamtfinanzierung gesichert sein, um mit dem Geschäftskonzept/Businessplan an die Banken beziehungsweise Fördermittelgeber herantreten zu können. Die Entscheidung über die Genehmigung von Anträgen hängt somit von den Unterlagen und dem Bankgespräch ab. Es ist also sinnvoll, sich frühzeitig zu informieren!
In welchen Belangen kann sich ein Handwerksbetrieb insbesondere unterstützen lassen?
» Adrienne Blum: Die Betriebsberatung der Handwerkskammer begleitet auf Wunsch das gesamte Vorhaben von der Situationsanalyse, über die Entscheidungsfindung bis zum Bankgespräch. Insbesondere bietet die Handwerkskammer Unterstützung bei der Erstellung des Businessplans und hilft, eine Ertragsvorschau zu erstellen. Dabei können sich die Betriebe auf die Neutralität und Diskretion der Beraterinnen und Berater verlassen. Zudem kommen hierfür keine Kosten auf die Mitgliedsbetriebe zu.
Gibt es noch immer die Möglichkeit, auf Coronahilfen zurück zu greifen?
» Adrienne Blum: Die Unterstützungsmöglichkeiten über Corona-Hilfen laufen aktuell bis Ende September beziehungsweise Ende Oktober 2021.
Betriebsberaterin Adrienne Blum.
Foto: Schmitz
Verlängert: Überbrückungshilfe III Plus und Neustarthilfe Plus
www.hwk-bls.de/ corona-hilfen
Von einer erneuten Verlängerung der Fristen ist momentan nicht auszugehen. Bis Ende September können Betriebe beispielsweise einen Zuschuss zu den Personalkosten über die „Restart-Prämie“ erhalten, wenn Personal aus der Kurzarbeit zurückgeholt wird oder anderweitig die Beschäftigung erhöht wurde. Erst- und Änderungsanträge für die Überbrückungshilfe III oder die Neustarthilfe für Soloselbstständige können bis zum 31.10.2021 gestellt werden. Die Überbrückungshilfe III unterstützt Unternehmen und Soloselbstständige, die zwischen November 2020 und Juni 2021 Umsatzeinbußen von mindestens 30 Prozent verzeichnen mussten, mit nicht rückzahlbaren Zuschüssen zu den Fixkosten. W
Web-Wegweiser: www.hwk-bls.de/betriebsberatung
Weitere Informationen: Andrienne Blum, Telefon: 0531 1201-251, Mail: blum@hwk-bls.de