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Auf Herausforderung folgt Problem

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Pflichtangaben

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Rohstoffe = Mangelware? Nicht nur holzverarbeitende Betriebe haben aktuell unter besonders hohen Beschaffungspreisen zu leiden.

Zimmerermeister Thilo Diedrich blickt mit Konstantin Kuhle (FDP) auf die Herausforderungen der Beschaffungsmärkte im Handwerk. // Politik beim Thema öffentliche Aufträge und Bürokratieabbau in Zukunft besonders gefordert, um wirtschaftliche Erholung zu beschleunigen.

Kurzfristige Lösungen schön und gut. Doch das reicht Zimmerermeister Thilo Diedrich aus Rüdershausen nicht. „Die Frage geht doch viel weiter: Wie gehen wir in Zukunft mit dem Rohstoff Holz um? Da ist vor allem die Forschung gefragt.“ Natürlich spiele die inzwischen seit Monaten angespannte Lage auf den Beschaffungsmärkten bei der Frage nach kurzfristigen Maßnahmen zur Unterstützung der Betriebe eine Rolle. „Wenn wir aber jetzt einfach alle Bäume fällen, damit unser Bedarf gedeckt ist, dann fehlt uns der Rohstoff eben in zwei oder drei Jahren. Und dann haben wir keine Herausforderung mehr, sondern ein Problem. Hier sind viel größere und langfristige Programme notwendig“, ergänzt Diedrich.

Gerade bei öffentlichen Ausschreibungen, aus denen sich viele Betriebe schon länger heraushalten, müssen die Auftraggeber auf alle Beteiligten zugehen. „Viele haben so schon auf diesen ganzen Papierkrieg gar keine Lust.“ Für Diedrich ist ganz klar: „Es kann nicht sein, dass dann immer noch auf einen Vertrag bestanden wird, der dem Betrieb aufgrund der gestiegenen Preise mittlerweile fast das Genick bricht.“

Konstantin Kuhle, Innenpolitiker für die FDP im Bundestag, hält vor allem eine vernünftige Kommunikation und eine gewisse Flexibilität für nötig. „Die Politik kann nicht immer laufen lassen, bis es Probleme gibt, sondern muss schon vorher alle Beteiligten an einen Tisch bekommen. Auch das muss unsere Aufgabe sein.“ Zu Nachhaltigkeit könnten auch festgelegte Quoten führen, ähnlich wie bei der Fischerei, um eine Erholung der verbrauchten Ressource sicherzustellen. „Das wäre auch ein Signal, den Klimawandel als eine Aufgabe zu verstehen, die der holzverarbeitenden Branche wichtig ist.“

Bürokratie? Immer ein Thema

Thilo Diedrich ist nicht der einzige Handwerker, der immer wieder auch mit den Hürden von Bürokratie und Verwaltungsabläufen zu kämpfen hat. „Ich habe erst nach viereinhalb Jahren meine Baugenehmigung für meine geplanten Maßnahmen hier auf dem Grundstück erhalten. Das ist viel zu lange.“, berich-

tet Svenja Fricke, Betriebsinhaberin des „Autohaus Fricke e.K.“ in Scharzfeld. Gerade die personelle Situation in den Ämtern sorge für lange Bearbeitungszeiten und viel Frust.

Marlies Dornieden, CDU-Landratskandidatin für Göttingen und selbst in der Kreisverwaltung tätig weiß um die Problematik der bürokratischen Hürden in den Behörden. „Wenn ich bei Auftragsvergaben sehe, dass die Stapel mit den auszufüllenden Unterlagen immer höher werden, dann ist das eindeutig zu viel. Da müssen wir auch in Zusammenarbeit mit dem Land schlankere Verfahren auf den Weg bringen.“ Das Problem wird nämlich zum Bumerang: Immer weniger Betriebe bewerben sich um eine Auftragsleistung, teilweise sind mehrere Ausschreibungsverfahren nötig, damit sich überhaupt ein Betrieb meldet. Und das kostet die Verwaltung Zeit und Geld. „Keiner ist bei dieser Auftragslage bereit, mit diesem Aufwand Angebote für öffentliche Aufträge abzugeben“, fügt Dornieden hinzu.

Für Handwerkskam-

„Ich sitze selbst, egal wo ich mich anmelde, eine halbe Stunde erst mal da und muss irgendwelche Formulare ausfüllen. Das kann nicht sein.“

Delfino Roman,

Präsident der Handwerkskammer zu den Hürden der Bürokratie im betrieblichen Alltag.

mer-Präsident Delfino Roman liegen mögliche Lösungen bereits auf dem Tisch. „Wir müssen endlich bundesweit ein einheitliches ,Unternehmenskonto‘ schaffen. Ich sitze selbst, egal wo ich mich anmelde, eine halbe Stunde erst mal da und muss irgendwelche Formulare ausfüllen. Das kann nicht sein.“ SPD-Abgeordneter Bernd Westphal ist sich der Verantwortung der Politik durchaus bewusst und verweist dabei auf bereits beschlossene Entlastungsgesetze, auch wenn diese allein nicht reichen werden: „Die Zusammenarbeit mit Behörden, wenn es etwa um Bauanträge geht, muss deutlich schneller werden. Und bei aller Wertschätzung zum föderalen System, Bund und Länder müssen kompatible Systeme haben!“

Die Pandemie hat dabei auch gezeigt, wie schnell es manchmal doch gehen kann. „Die Bon-Pflicht kam und es hat keinen Monat Pandemie gedauert und die Bons waren wieder verschwunden. Manchmal geht es schneller als die Politik uns vielleicht glauben lassen will. Das sollte Anspruch und Motivation für die nächste Wahlperiode sein“, findet Roman. „Vierzigjährige Aufbewahrungsfristen für Unterlagen, das sind Dinge, die können einfach nicht sein.“

Gespräch auf Augenhöhe: Zimmerermeister Thilo Diedrich aus Rüdershausen und Bundestagsabgeordneter Konstantin Kuhle (FDP)

Foto: HWK Verstöße ahnden, Regeln durchsetzen

Doch auch an anderer Stelle gehen Anspruch und Wirklichkeit manchmal stärker auseinander, als es Svenja Fricke lieb ist. Vor allem das Thema Schwarzarbeit ist aus ihrer Sicht ein großes Problem. „Ich habe keine Innungsversammlung, wo das nicht diskutiert wird. Wir kommunizieren das natürlich auch öffentlich und gehen auf den Landkreis und den Zoll zu.“

Besonders verärgert war Fricke dann, als der Zoll anschließend die Innungsbetriebe selbst geprüft hat, anstatt den genannten Hinweisen nachzugehen. „Das fand ich schon hammerhart muss ich sagen. Wir sind die Unternehmen, die alle Rahmenbedingungen erfüllen und dann kommt der Zoll zu uns, anstatt seine Hausaufgaben zu machen.“ Für Fricke ist ganz klar: Landkreis und Zoll müssen hier viel enger zusammenarbeiten und bei der Überprüfung von Hinweisen auch Innungen und Kreishandwerkerschaften einbeziehen. „Wir müssen Regularien erfüllen, uns ständig weiterbilden und einwandfreie Technik vorhalten. Das kostet viel Zeit und viel Geld und da kann es einfach nicht sein, dass in einem Hinterhof eine Hebebühne steht und irgendjemand da fröhlich rumbastelt, ohne dass es Konsequenzen gibt.“ Kreisrätin Dornieden sieht dieses Problem auch als persönliche Aufgabe: „Das Thema Schwarzarbeit ist bei mir im Ordnungsbereich angesiedelt und das werde ich noch einmal aufarbeiten, dass wir Sie da noch besser unterstützen.“ Runde Tische mit den zuständigen Stellen des Landkreises und den Handwerksbetrieben können dabei helfen, eine vertrauensvolle Zusammenarbeit herzustellen und die Probleme gemeinsam zu lösen.

Was grundsätzlich bei allen Themen klar wird, die Politik ist sich der Verantwortung bewusst, und das Handwerk muss weiter Druck ausüben. Im Kern geht es für alle aber um eins: Die Wirtschaftsmacht von nebenan.

YANNIK HERBST W

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PROZENT der eigenen Arbeitszeit verbringt Thilo Diedrich aufgrund der Marktlage inzwischen im Büro mit der Materialbeschaffung.

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