Hausbau 2.0 DAs SCHWEIGEN DER HÄMMER Es ist derzeit ja viel über künstliche Intelligenz zu lesen und darüber, wie ihr allumfassender Einsatz unser Leben in Zukunft verändern wird. Ehrlich gesagt ist mir persönlich bisher diese Perspektive immer etwas unheimlich gewesen. Ich mochte mir nicht so recht vorstellen, dass mein Alltag irgendwann vollständig von undurchsichtigen Computer-Algorithmen bestimmt wird; für meinen Geschmack wird mein Alltag sowieso schon viel zu häufig von Sachen bestimmt, die ich nicht verstehe. Aber was soll ich sagen: Als ich mich neulich einmal näher mit dem Thema beschäftigte, da konnte ich ihm plötzlich doch einiges abgewinnen. Das hatte vor allem mit unserem Haus zu tun. Genauer gesagt: mit seiner Kernsanierung.
Alexandra Peiper Das Schweigen der Hämmer: Wie man ein Haus baut und dabei glücklich verheiratet bleibt Penguin Verlag, 10.- Euro
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Es ist ein wirklich schönes Haus und wir sind sehr zufrieden damit, das sei gleich versöhnlich vorausgeschickt – aber es ist knapp hundert Jahre alt, und es zu kaufen und einigermaßen bewohnbar zu machen, hat meinem Mann und mir seinerzeit unzählige Erfahrungen beschert, auf die wir sehr gern verzichtet hätten. Sogar wir selbst scheuten uns damals schon nach wenigen Monaten kaum noch, unser Projekt coram publico als unselige Zusammenballung kolossaler Dummheit zu bezeichnen, unsere eigene eingeschlossen. Es passte deshalb zum Thema. »Stell dir nur vor, was uns beim Hausbau alles erspart geblieben wäre, wenn der Einsatz von KI schon verbreiteter gewesen wäre«, sagte ich deshalb eines Abends zu meinem Mann, als wir beide gemütlich vor unserem Kamin saßen. Mein Mann antwortete, er könne sich spontan so einige Lebensbereiche vorstellen, in denen etwas mehr Intelligenz, und sei es künstliche, äußerst hilfreich wäre, besonders in diesem Jahr. Aber auch beim Hausbau, stimmte er mir zu, könne mehr Intelligenz fast nur Gutes bringen. Besonders aus Sicht der Bauherren. Um den Beweis zu führen, stellten wir uns spaßeshalber gemeinsam vor, was alles in unserem Projekt bestimmt nicht so schiefgelaufen wäre, wenn der eine oder andere Beteiligte auf ein paar zusätzliche Bytes hätte zugreifen können, die es ihm oder ihr erlaubt hätten, noch bessere Entscheidungen zu treffen. Unsere Top 10 waren: 10. der erste Bauunternehmer, 9. der zweite Bauunternehmer, 8. der Elektriker – leider! (nichts für ungut, vergeben und vergessen), 7. der erste Sanitärunternehmer, 6. das Team, das den Stahlträger eingezogen hat, ohne die Tür zu messen, die darunter sollte (höher als der Stahlträger), 5. Jaro, als er versehentlich das ganze Vordach abgeflext hat, 4. der Mann, der versehentlich alle Türen entsorgt hat, 3. der Mann, der das Klo außerhalb des Badezimmers montiert hat, 2. der Mann, der unser Haus vorübergehend in ein Hallenbad verwandelt hat, weil er vergaß, dass im ersten Stock bereits Wasserleitungen demontiert waren, 1. die anonymen Hände, die so viele Löcher in die erste Etage gestemmt haben, dass der Statiker Überstunden machen musste. Die Architektin mit ihrem – im wahrsten Sinne des Wortes: vermessenen – Grundrissplan konnten wir da gar nicht mehr unterbringen. Aber auch ihre Leistung hatte sich auf unserer Baustelle nicht segensreich ausgewirkt. Als wir die aktuellen Baustellen unserer Freunde nach diesem Schema begutachteten, wurde es nicht besser. Ich führte Nadja und Georg an, deren Haus, als sie mit ihren Kindern endlich einzogen, gar nicht an die Grundleitungen angeschlossen war. Das hatte noch nicht einmal der Architekt bemerkt, aber die Freude über den Einzug währte hier nur wenige Vollbäder lang. Mein Mann fand das einen schlimmen Fall, bemerkte aber, dass der Schaden immerhin relativ kurzfristig zu beheben gewesen sei. Ganz anders bei unseren Freunden K. und J., die seit zwei Jahren mit einem offenen Dachstuhl leben, weil bis heute niemand sagen kann, wieso dem Nachbarn bei jedem Regen Wasser ins Haus läuft, seit sie sanieren. Dieser Spaß könne sich mangels KI spielend noch Jahre hinziehen, prognostizierte er. Zumal die zuständigen Fachleute inzwischen abgetaucht seien, fast wie das Wohnzimmer des Nachbarn. Und wahrscheinlich aus gutem Grund. Es hätte noch munter so weitergehen können, an Beispielen fehlte es uns nicht. Aber weil man im Leben stets sehr gut daran tut, nicht nur anderer Leute Probleme im Blick zu haben, kamen wir schließlich auf uns selbst zurück.