schmitzkatze 32

Page 18

die gelbe

Er ist eine analoge Bastion im Internetzeitalter, ein Buch, ein Nachschlagewerk, mehr als ein Kilo schwer. Obwohl es ein Leichtes wäre, den Computer zu benutzen, steht oder liegt er immer noch hunderttausendfach griffbereit in deutschen Büros auf ungezählten Schreibtischen und behauptet sich in strahlendem Gelb: Der Duden, genauer gesagt der Duden 1 – Die deutsche Rechtschreibung. Vor wenigen Wochen ist wieder eine neue Auflage erschienen. Es ist die mittlerweile 28. Neuausgabe, seit Konrad Duden im Jahre 1880 sein erstes Wörterbuch auf den Markt brachte. Gerade 187 Seiten hatte der Erstling und war zu einem Kampfpreis von damals einer Mark zu haben. Vielleicht begründete das ja seinen Erfolg. Wenn er auch nicht mehr ein Monopol darauf hat, ist der Duden doch bis heute DIE Instanz für richtiges Schreiben in Deutschland. Und Konrad Duden hat es geschafft, dass 90% der deutschen Bevölkerung seinen Namen kennen. Damit kann er es im Ranking mit jeder lebenden Popikone aufnehmen.

Dudenredaktion (Hrsg.) Duden - Die deutsche Rechtschreibung 28,- Euro

18

schmitzkatze 32

Nur drei Jahre hat es gedauert, bis die Duden-Redaktion sich entschlossen hat, ihr Flaggschiff in neuer und erweiterter Ausgabe herauszubringen. Das hat natürlich seinen Grund: Die Neuausgabe hat 148.000 Stichwörter auf 1.296 Seiten und ist um 3.000 Wörter gegenüber 2017 gewachsen. Es hat sich aber auch mächtig was getan in der deutschen Sprache: »Fridays for Future«, »Mikroplastik«, »Gendersternchen«, »Videobeweis« sind Wörter, die den Weg in den kollektiven Sprachgebrauch neu gefunden haben. Es gibt weitere Hinweise, die die Aktualität des Dudens belegen: Wörter wie »bienenfrendlich«, »genderneutral« oder »Pflegeroboter« kannte und nutzte bis vor kurzem niemand. Die Hochzeit der Neubearbeitung scheint mit der Corona-Pandemie einhergegangen zu sein. Schlagen Sie die Vokabeln nach, Sie werden alle finden. Die »Ansteckungskette«, die »Atemschutzmaske«, »Covid 19«, »rückverfolgbar« und natürlich fehlt »Social Distancing« ebenso wenig. »Alltagsrassismus«, »Brexiteer«, »Craftbeer« – Sprache ist ein Abbild der Gesellschaft mit all ihren spannenden Entwicklungen und Abgründen. Kann man über neuaufgenommene Wörter wie »Influencer«, »Katzenvideo« und »Zwinkersmiley« noch leise in sich hineinlächeln und darüber nachdenken, wie manche Lebenswelten heute aussehen, gefriert das Lachen schnell bei »Hasskommentar«, »Alltagsrassismus« oder »Schummelsoftware«. Dabei sind manche Wörter so aktuell, dass sie von meinem Rechner noch gar nicht erkannt werden und die Autokorrektur Alarm schlägt. Sehr umsichtig hat man sich auch von Wörtern verabschiedet, die im deutschen Sprachgebrauch keine Rolle mehr spielen. Es ist wirklich gut so, dass es den »Bäckerjungen« genauso wenig mehr gibt wie das »Lehrmädchen«, dass »beweiben« als Synonym für Eheanbahnung ausgedient hat und der »Hackenporsche«, der »Wolfsrachen«, die »Vorführdame«, der »Zehrpfennig« abdanken mussten.


Turn static files into dynamic content formats.

Create a flipbook
Issuu converts static files into: digital portfolios, online yearbooks, online catalogs, digital photo albums and more. Sign up and create your flipbook.