Issa Watanabe Flucht Hanser Verlag, 16,– Euro Die Illustratorin Issa Watanabe hat mit diesem eindrucksvollen Bilderbuch ganz ohne Worte wichtige Themen aufgegriffen. Es geht um Flucht, Individualität, Mitgefühl und Menschenrechte. Eine große Gruppe von unterschiedlichen Tieren begibt sich auf eine Reise, das gemeinsame Ziel ist unbekannt. Begleitet werden sie von einem riesigen blauen Vogel und einer winzigen Figur, die immer wieder auftaucht und nichts weniger als den Tod darstellt. Die Tiere müssen viel erleiden, Krankheiten, eigene Grenzen und Schwächen annehmen und immer wieder den Tod akzeptieren. Mit diesem Bilderbuch kann man Kindern das wichtige Thema »Flucht« erklären und ihnen zeigen, dass weltweit Menschen auf der Flucht sind. Es ist ein wichtiges Bilderbuch, das zu vielen gemeinsamen Gesprächen anregt. Ab 5 Jahren.
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Lily Brett Alt sind nur die anderen Aus dem amerikanischen Englisch von Melanie Walz Suhrkamp Verlag, 15,– Euro Die Aussage »Jeder möchte gerne alt werden, aber kaum einer möchte gerne alt sein« stimmt. Lily Brett hat in regelmäßigen Abständen Kolumnen für die BRIGITTE WIR geschrieben und unter dem Titel Lily’s Loopings über das Altern und ihre Wahlheimat New York geschrieben. Diese Kolumnen der australisch-amerikanischen Schriftstellerin sind schwarzhumorig und wirklich unterhaltsam. Die Beispiele kennt man irgendwie und man kann darüber nur lächeln – oder eher grinsen. Der sechsjährige Enkel starrt die Arme der Oma an und findet sie so schwabbelig. Lily Brett erzählt, dass sie vor ihrer Augen-OP wildfremden Menschen zuwinkt, weil sie sie mit ihrem Mann verwechselt, und nachher Falten entdeckt, die vorher nicht vorhanden waren. Durch einen merkwürdigen Zufall gerät sie in ein Speeddating für Senioren, erlebt peinliche Arztbesuche und erhält von jungen Mitarbeitern in einem Apple-Store Anweisungen, die sonst eher dreijährigen Kindern erteilt werden. Das Alter bringt herrliche Überraschungen – mit diesem kleinen Büchlein werden sie bestens unterhalten und gleichzeitig informiert.
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Anna Katharina Hahn Aus und davon Suhrkamp Verlag, 24,– Euro
Bernhard Schlink Abschiedsfarben Diogenes Verlag, 24,– Euro
Jana Revedin Margherita Aufbau Verlag, 22,– Euro
In ihrem Generationenroman nimmt uns die Autorin mit auf eine Reise ins 20. Jahrhundert. Die alleinerziehende Mutter Cornelia fühlt sich überfordert von ihrer Situation. Die Kinder sind schwierig, der Sohn hat Essstörungen und die Tochter ist mitten in der Pubertät. Cornelia reist nach Amerika, folgt dabei den Spuren ihrer Großmutter, die während der Inflation an der Ostküste als Dienstmädchen gearbeitet hat. Die Kinder bleiben bei ihrer Mutter Elisabeth. Die ist mit der neuen Aufgabe völlig überfordert und glaubt die Kontrolle über ihr Leben zu verlieren. Elisabeth hatte sich zwar vorgenommen, diese Verantwortung zu übernehmen, doch seit dem Schlaganfall ihres Mannes hat sie ihre Grenzen erreicht. Nun sitzt sie mit den Enkeln in Stuttgart und ihre Tochter meldet sich regelmäßig aus dem flirrenden Manhattan und schickt zahlreiche Fotos und Textnachrichten. Mit diesem Roman beschreibt die Autorin eine Familie im Ausnahmezustand und zeigt, was passiert, wenn plötzlich alles zusammenbricht, was wir für unzerstörbar gehalten haben. Sehr lesenswert!
Im August erschien das neue Buch von Bernhard Schlink und ich konnte kaum abwarten, es zu lesen. Neun Kurzgeschichten mit ganz unterschiedlichen Inhalten sind in diesem Band versammelt, dennoch haben sie eines gemeinsam, es geht um das Thema Abschied. Eigentlich verbindet man damit traurige Erfahrungen, doch der Autor beschreibt jede einzelne Geschichte fesselnd mit Höhen und Tiefen, sie belasten und befreien. Letztendlich geht es auch um die Liebe, zum Partner, zum Bruder, zur Mutter oder auch zu einem Menschen, der die Liebe nicht erwidert. Es sind Erzählungen aus verschiedenen Lebensphasen, mit all den jeweiligen Hoffnungen und Verstrickungen. Nicht alle Geschichten haben ein konkretes Ende. Wir können uns als Leser eine eigene Meinung bilden, die Geschichten weiter ausmalen und eigenständige Gedanken dazu entwickeln. Ich könnte jetzt auf einzelne Geschichten näher eingehen, doch ich finde, man muss sich selbst ein Bild machen und sich überraschen lassen. Begeistert empfehle ich, das Buch unbedingt zu lesen.
Mit ihrem Roman »Margherita« setzt die Autorin und Architekturprofessorin Jana Revedin der Großmutter ihres Mannes ein wunderschönes Denkmal und gewährt gleichzeitig Einblicke in die venezianische Adelsfamilie Revedin, wobei sie Fiktion und Realität munter miteinander verwebt. 1920, fast wie im Märchen: Margherita ist 25 Jahre alt, kommt aus einfachen Verhältnissen und lernt den adeligen Antonio Revedin kennen und lieben. Antonio macht ihr einen Heiratsantrag und die Hochzeit wird geplant. Doch vorher reist Margherita für sechs Monate nach Paris. Sie interessiert sich für Kunst und besucht all die bekannten Galerien. Hier lernt sie wichtige Persönlichkeiten aus der Kunstszene kennen: Alberto Giacometti, Coco Chanel, Jean Patou, Peggy Guggenheim und viele mehr. Nach der Hochzeit beginnt für die frisch Vermählten ein völlig neues Leben. Innerhalb kürzester Zeit wird Margherita zur First Lady Venedigs. Sie schart alle bedeutenden Künstler um sich, ihre Künstlerfeste werden legendär. Doch die Renaissance Venedigs wird von der Realität des Faschismus in Italien eingeholt ... Eine unterhaltsame Romanbiografie, die gleichzeitig einen Einblick gibt in das Künstlerleben zwischen Paris und Venedig.