musikschule )) DIREKT 03/2015

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Vom Handschlag zum Vertrag Erfolgreiche Privatmusikschulen Instrumentalpädagogische Berufsprofile

musikschule )) DIREKT Mut lohnt sich Seit Jahren stellen Musikschullehrkräfte der Musikschule Dortmund, die im Rahmen des Projekts JeKi befristete Stunden in ihrem Dienstvertrag haben, Anträge auf eine Entfristung dieser Stunden. Die Anträge wurden vom Personalamt mit der Feststellung beantwortet, Entfristungen seien „zurzeit nicht vorgesehen“. Gerne könne man sich aber erneut an das Personalamt wenden, wenn solche Entfristungen irgendwann einmal anstünden. Für jemanden, der seinen Lebensunterhalt gänzlich an dieser Musikschule verdient, neben dem Instrumentalunterricht Schüler auf „Jugend musiziert“-Niveau (Bundeswettbewerb) bringt, JeKi-Unterricht mit bis zu sieben SchülerInnen pro Gruppe erteilt, ein Ensemble Kunterbunt leitet, organisatorische Tätigkeiten an mehr als einer Grundschule übernimmt und dabei ständig ein offenes Ohr für neue Unterrichtsformen hat, ist so eine Antwort, gelinde gesagt, nicht das, was man sich erhofft hat. Erhofft hatten wir Lehrkräfte uns einen Dialog. Als ich bei der Güteverhandlung den Aushang sah: „Völkel gegen Stadt Dortmund“, war ich auf der einen Seite etwas stolz. Ich fühlte mich ein bisschen wie David gegen Goliath. Auf der anderen Seite stimmte aber das „gegen“ nicht. Ich habe nicht gegen die Stadt geklagt, sondern dafür, für lange Zeit bei dieser Stadt zu arbeiten, weil ich meine Arbeit gerne mache und die Sicherheit haben wollte, sie noch lange machen zu dürfen. Ich denke, so ging es vielen von uns, die sich schlussendlich gezwungen sahen, über ver.di Klage einzureichen. „Wir“, das waren 15 Musikschullehrerinnen mit befristeten Stunden an der Städtischen Musikschule Dortmund. Ich habe mit einigen gesprochen, die unsicher waren, sich anzuschließen. Aus Angst, hinterher gar nichts mehr zu haben, nicht mal eine befristete Stelle. Das ist ein Lebensgefühl, wie man es niemandem wünscht! Überhaupt eine dieser seltenen, vom Aussterben bedrohten TVöD-Stellen mal für ein Jahr besessen zu haben, ist für viele MusikpädagogInnen schon etwas Besonderes. Das aufs Spiel zu setzen, erfordert Mut. Aber ein Leben mit Familie, mit Kindern und mit einer Miete, die regelmäßig gezahlt werden muss, kann man mit ständigen Jahresbefristungen nicht verwirklichen. Die Stadt hat nun letztlich einer Entfristung zugestimmt, weil sie weitere Klagen erwartet und für eine befristete Weiterbeschäftigung keine juristischen Chancen gesehen hat. Das Ergebnis: 55 angestellte Musikschullehrkräfte bekommen ihre Stunden entfristet! Der Mut zu klagen hat sich gelohnt. Nele Völkel

Der Deutsche Chorverband (DCV) zieht gegen das Bundesministerium für Bildung und Forschung (BMBF) vor Gericht. Es geht um die Vergabe von bis zu 4,7 Millionen Euro Fördergelder für Singprojekte mit bildungsbenachteiligten Kindern. Das Geld war dem DCV aus dem Programm „Kultur macht stark. Bündnisse für Bildung“ bewilligt worden. Doch rund neun Monate lang weigerte sich das Ministerium, den Projekten die bereits vom DCV bewilligten Gelder auszuzahlen. Nun warten seit einem Dreivierteljahr rund 1 000 Musikpädagogen, Chorleiter, Musiker und ehrenamtliche Helfer auf Honorare oder Aufwandsentschädigungen. Einige Kulturvereine stehen aufgrund der ausbleibenden Gelder sogar vor der Insolvenz. www.deutscher-chorverband.de

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Schriftlich nützt, schriftlich schützt!

Markus Menke

Vom Handschlag zum Vertrag: Unterrichtsverträge für freie InstrumentalpädagogInnen Mit schriftlichen Unterrichtsverträgen können Sie Ihre Einkommenssituation und soziale Sicherheit stabilisieren sowie Ihre Verwaltung vereinfachen.

)) Jeder kennt es: „Das hatten wir doch abgesprochen!“ – „Tut mir leid, ich hatte das ganz anders verstanden.“ Geben Sie einer Schülerin Unterricht, so liegt eine Vereinbarung von Leistung und Gegenleistung zugrunde. Das ist ein Vertragsverhältnis und sollte schriftlich festgehalten werden.

Klare Vereinbarungen zur Zufriedenheit beider Parteien Wunderbar an unserem Beruf ist, dass wir uns schon sehr früh auf unser Berufsleben vorbereiten können. Schon als Teenager kommen erste Anfragen aus Verwandtschaft oder Nachbarschaft. „Du spielst doch so schön, magst du Lisa nicht Klavierunterricht geben?“ Verträge werden im Stadium semiprofessioneller Berufstätigkeit meist nicht abgeschlossen. Das Honorar wird bar auf den Tisch des Hauses gelegt. Irgendwann ist es dann soweit: Sie haben studiert, Examen abgelegt, unterrichten 20 bis 30 SchülerInnen – Sie sind Profi! Die Künstlersozialkasse steht Ihnen offen, Sie wissen, dass unser Staat Steuern erhebt, Sie zahlen monatlich Ihre Miete. Nun ist es wichtig, dass Sie auch Ihren Lebensunterhalt bestreiten können – durch sichere Einkünfte aus Unterricht. Ich treffe häufig Kolleginnen und Kollegen, die schriftlichen Verträgen skeptisch

gegenüberstehen. Sie empfinden mündliche Absprachen als weniger einschränkend. Aber wie regelt man den immer mal auftretenden Zweifelsfall? Sie weisen sich als vertrauenswürdige, professionelle Instrumentalpädagogin aus, wenn Sie schriftliche Verträge nutzen. In einem Vertrag halten Sie fest, zu welchen Konditionen Ihr Unterricht stattfindet und was die Gegenleistung ist. Bei der Gestaltung des Vertrags sind Sie völlig frei. Es geht um Ihre Bedingungen, die Sie brauchen, um gute Arbeit leisten zu können. Eine Einschränkung gibt es allerdings: Sie dürfen nichts Sittenwidriges vereinbaren. Natürlich ist es an dieser Stelle berechtigt, sich ein paar Gedanken zu machen: Was soll ich denn alles in meinem Unterrichtsvertrag festlegen? Hilfe ist nah! Musterverträge finden Sie beim Deutschen Tonkünstlerverband (www.dtkv.org/images/pdfs/ Unterrichtsvertrag_2013-12_Muster.pdf) oder der Fachgruppe Musik der Gewerkschaft ver.di (http://musik.verdi.de/musikschulen/freiberuflich/mustervertraege). Als Mitglied in diesen Vertretungen dürfen Sie die Musterverträge auch nutzen. Im Folgenden möchte ich auf Vertragsvereinbarungen eingehen, die erfahrungsgemäß immer wieder zu Diskussionen mit unseren Schülern – oder nennen wir sie besser: Kunden – führen. Diese Diskussionen sind zuweilen peinlich, sicher aber nervig, ärgerlich und vor allem zeitraubend. ) Pünktliche Honorarzahlung ) Durchbezahlte Ferien ) Unterrichtsausfall/Krankheit ) Kündigungsfristen

) Unterschrift beider Erziehungsberechtigter (bei Kindern)

Pünktliche Honorarzahlung Bitte vereinbaren Sie, dass die Kunden einen Dauerauftrag zu einem festgelegten Datum für die Honorarzahlung einrichten. Ist ein Dauerauftrag eingerichtet, wissen Sie sicher, wann Ihr Honorar auf dem Konto eingeht. Außerdem ist ein Dauerauftrag bei der Kontoführung Ihrer Bank gut zwischen anderen Überweisungen zu erkennen. Die bargeldlose Zahlung enthebt Sie vieler administrativer Aufgaben. Wird dagegen das Honorar bar in der ersten Unterrichtsstunde des Monats gezahlt, kann es gut sein, dass der Betrag gerade nicht abgezählt verfügbar ist. Sie müssen zwischen Tür und Angel eine Quittung ausstellen; diese geht gerne in der Notentasche von SchülerInnen verloren.

Durchbezahlte Ferien Immer wieder fragen Kunden: Warum muss ich zahlen, obwohl in den Ferien kein Unterricht stattfindet? Es gibt viele Möglichkeiten, mit dem Problem umzugehen. Was halten Sie von folgender: Sie unterrichten im Jahr 38 Unterrichtsstunden entsprechend der Menge der Unterrichtswochen an allgemein bildenden Schulen. Dafür berechnen Sie ein Jahreshonorar. Um den Zahlungsmodus für die Kunden so einfach wie möglich zu gestalten, wird dieses Jahreshonorar in zwölf gleiche Teile geteilt und monatlich fällig.


© Jürgen Hüls – fotolia

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Regelungen im Vertrag ❑ Vertragspartner ❑ Vertragsbeginn ❑ zu unterrichtende Person ❑ Instrument ❑ Ort, Zeit und Dauer des Unterrichts ❑ Ferienregelung ❑ Honorarhöhe und -erhöhung ❑ Krankheitsfall ❑ Kündigungsfrist ❑ Zustimmung zu öffentlichen Auftritten und Wettbewerben ❑ Unterzeichner: Kunde (beide Eltern im Falle von Kindern)/Lehrkraft

Unterrichtsausfall/Krankheit

Kündigungsfristen

Sie sollten festlegen, dass ein Unterrichtsausfall von Seiten des Kunden vorher angekündigt wird. Nichts ist energieraubender, als auf SchülerInnen zu warten. Egal ob Krankheit oder Opas Geburtstag, auf jeden Fall kommt die Frage des Nachholtermins. Die Absage einer Stunde seitens des Kunden führt nicht zu einem Nachholtermin. Bei Erkrankung der SchülerInnen von mehr als vier Wochen können Sie vereinbaren, ab der fünften Woche das Honorar zu erstatten. Sie sollten dem Kunden aber nicht das Recht einräumen, das Honorar zu kürzen. Es ist besser, wenn Sie das Honorar erst einmal auf dem Konto haben und dann aktiv werden können! Für den Fall Ihrer Erkrankung vereinbaren Sie zu Ihrer sozialen Sicherung eine Honorarfortzahlung von 14 Tagen (darüber hinaus gezahlte Honorare erstatten Sie zurück). Als KSK-Mitglied können Sie mit Ihrer Krankenkasse einen Sondertarif vereinbaren, der die Zahlung des Krankentagesgeldes ab dem 15. Tag der Krankheit vorsieht. Das kostet Sie zwar einen erhöhten Krankenversicherungsbeitrag, führt aber zusammen mit den oben genannten Vereinbarungen im Unterrichtsvertrag zu einer lückenlosen Sicherung der Einkünfte im Krankheitsfall! Für alle Vertragsvereinbarungen gilt: Unsere Kunden haben gestiegene Ansprüche an uns als Dienstleister. Daher immer mit Fingerspitzengefühl verhandeln. Sie Unterrichten ja nicht nur wöchentlich, sondern bereiten SchülerInnen auf Vorspiele, Schulkonzerte, Wettbewerbe vor. Viele dieser Vorbereitungen sind mit Zeitaufwand verbunden, den Sie nicht unbedingt gesondert abrechnen, der sich aber eignet, um ausgefallenen Unterricht zu kompensieren.

Sicher, Reisende soll man nicht halten. Hat eine Schülerin keine Lust mehr zu musizieren oder möchte dringend die Lehrkraft wechseln, ist es nahezu sinnlos, den Unterricht weiterführen zu wollen. Trotzdem geht es bei einer Kündigungsfrist um Ihre Absicherung. Und es ist auch gut für die Kunden, im Vorhinein zu wissen, dass es eine solche Frist gibt. Manchen Eltern ist eine Kündigungsfrist auch eine Argumentationshilfe gegenüber ihren Kindern, den Unterricht bis zu einem Termin fortzuführen. Sie selbst müssen entscheiden, in welcher Zeit Sie einen frei werdenden Unterrichtsplatz wieder besetzen können. Eine sechswöchige Kündigungsfrist zum Monatsende erscheint mir zurzeit angemessen. Ausgeschlossen ist eine Kündigung zum Beginn der Sommerferien! Geben Sie aber die Möglichkeit, den Vertrag sofort zu beenden, wenn der Unterrichtsplatz neu besetzt werden kann. Regional kann es schwierig sein, neue Kunden zu bekommen. Dann empfehlen sich Kündigungsfristen zu Ende März und Ende September. Auf jeden Fall muss das Problem der Sommerferien bedacht werden. Immer wieder möchten Kunden vor den Sommerferien kündigen. Das geht nicht, denn Sie haben ja in den Monaten vor den Sommerferien weniger Honorar bekommen, als Ihnen zusteht. Die Kompensation findet genau in den Sommerferien statt (siehe oben: Durchbezahlte Ferien)!

Unterschrift beider Erziehungsberechtigter Unsere Gesellschaft ändert sich. Es gibt immer häufiger Eltern, die sich trennen. Daher ist es ratsam, dass Unterrichtsver-

träge für Kinder von beiden Elternteilen unterzeichnet werden. Bei einem Trennungsfall ist es egal, bei welchem Elternteil ein Kind dann lebt: Beide haben unterzeichnet und jeder ist gesamtschuldnerisch haftbar, muss also zahlen. Sicher ist es etwas komisch, wenn Sie nach einer erfolgreichen Probestunde und der Freude von Kind und Mutter oder Vater, eine tolle Lehrkraft gefunden zu haben, darum bitten, dass auch der zweite Elternteil den Vertrag unterzeichnet. Viel unangenehmer ist es aber, im Fall einer Trennung die Rückmeldung zu bekommen: „Den Vertrag hat das andere Elternteil unterschrieben, ich zahle den Unterricht nicht!“ Zum einen kommen Sie nicht an Ihr Honorar, zum anderen dürfen Sie auch noch den SchülerInnen erklären, dass sie nicht mehr unterrichtet werden können, weil ein Elternteil nicht zahlt. Nutzen Sie einen Unterrichtsvertrag, der Ihre Unterrichtsbedingungen gut beschreibt. Nehmen Sie sich die Zeit, diesen Vertrag Wort für Wort mit den Kunden vor der Unterzeichnung zu besprechen. Jeder Vertrag hat eine Rubrik „besondere Vereinbarungen“. Hier können sie gemeinsam Konditionen festlegen, die individuell für diesen Kunden zutreffend sind und nicht in Ihrem Standardentwurf enthalten sind. Auf jeden Fall gehen Sie sicher, dass nach gemeinsamer Lektüre beide Seiten Klarheit über die Vereinbarungen haben. Wie gesagt: Es führt zu Zufriedenheit! ))

Markus Menke ist Direktor des Hamburger Konservatoriums. Er studierte Ökonomie, Klavier, EMP und Kontrabass und lehrt seit 1999 Berufskunde an Musikhochschulen.


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Leistungs- und Qualitätsentwicklungsbericht zur Entwicklung der Berliner Musikschulen

Vorbildlich prekär )) Im Dezember 2014 wurde von der Berliner Senatsverwaltung für Bildung, Jugend und Wissenschaft der zweite Leistungs- und Qualitätsentwicklungsbericht zur Entwicklung der Musikschulen veröffentlicht. Damit wurde die Forderung des Berliner Schulgesetzes erfüllt, mindestens alle fünf Jahre einen solchen Bericht vorzulegen. Umfasste der erste Bericht den Zeitraum 2002 bis 2006, bezieht sich der nun vorliegende Bericht auf die Jahre 2007 bis 2011. Der Bericht setzt sich differenziert mit relevanten Bereichen der Musikschularbeit, vor allem aber mit den wirtschaftlichen Fakten und Rahmenbedingungen der Musikschularbeit auseinander. Doch was unter „Leistung“ und „Qualität“ nun eigentlich zu verstehen ist, bleibt überwiegend im Nebulösen.

Leistung und Qualität Offenbar geht es um eine ausschließlich ökonomisch orientierte Definition des Leistungs- und Qualitätsbegriffs. Demnach ist eine „gute“ Qualität dann erreicht, wenn mit möglichst wenig finanziellem Aufwand möglichst viele SchülerInnen unterrichtet werden. Unter „Leistung“ werden Unterrichtsleistung (Stundenzahl), Versorgungsgrad der Bevölkerung, Breitenwirkung und Kostendeckungsgrad verstanden. „Leistung“ ist nach dieser Auffassung also vor allem das, was sich in Quantität ausdrückt, und zielt auf ein möglichst billiges Betreibermodell von Musikschule. Auch der Begriff „Qualität“ wird als eine Bündelung ausschließlich quantitativ messbarer Faktoren definiert. Unter „Qualität“ werden die Anwendung von QsM und die Orientierung am Lehrplan des VdM verstanden. Nicht beachtet wird dabei allerdings, dass die Musikschulen sich zwar an den Richtlinien des VdM orientieren sol-

len, allerdings offenbar nur, solange dies kostenneutral ist. Laut VdM-Richtlinien sollen nämlich mindestens 70 % der Lehrkräfte festangestellt sein. Von dieser Situation ist Berlin mit über 90 % Honorarkräften weit entfernt. Festgestellt wird dann auch, dass aufgrund der geringen Größe des „tatsächlich angestellten Personalkörpers“ QsM seit 2009 nur noch in sehr eingeschränkter Form durchgeführt werden konnte. Eine Änderung daran soll nicht etwa durch eine Aufstockung des „tatsächlich angestellten Personalkörpers“ erfolgen, sondern durch eine Reduktion des Systems erreicht werden.

Lehrkräfte als Produktionsmaschinen Was für ein Menschenbild nach wie vor gegenüber den Musikschullehrkräften seitens der Verwaltung herrscht, lässt sich im Übrigen an der im Bericht ausdrücklich hervorgehobenen Feststellung ablesen, dass die Arbeit mit einem dermaßen hohen Anteil an Honorarkräften keinerlei messbare negative Auswirkungen auf die Unterrichtserteilung und -qualität habe. Ganz im Gegenteil wird als besonders positiv hervorgehoben, dass eine bei Festanstellungen gegebene Kapazitätsobergrenze bei den Unterrichtsdeputaten durch die freien Lehrkräfte nicht gegeben sei und mit Honorarkräften mehr Flexibilität gegenüber Nachfrageschwankungen bestehe. Auch für die Verwendung von Honorarkräften in Kooperationen gebe es juristisch keine Hinderungsgründe. Die Senatsverwaltung scheint also mit dem hohen Anteil der Honorarkräfte sowie deren pädagogischer Arbeit äußerst zufrieden zu sein – warum also sollte sie sich bewegen, solange die Lehrkräfte das produzieren, was sie sollen? Dass die

Anja Bossen

Lehrkräfte nicht nur Produktionsmaschinen von Produkten und Kennziffern, sondern Menschen sind, die von ihrer Tätigkeit leben müssen, interessiert natürlich in einem ökonomiebasierten Bericht nicht.

Weiter so!? Offenbar ist die Berliner Senatsverwaltung mit den Leistungen und der Qualität ihrer Musikschulen im Großen und Ganzen recht zufrieden, auch wenn der Bericht ausdrücklich aufführt, dass ) das Qualitätssicherungssystem QsM aufgrund mangelnder personeller Ausstattung mit festangestellten Lehrkräften nicht umgesetzt werden kann, ) dringend mehr Verwaltungsstellen geschaffen werden müssten, da ein immer höherer Anteil an Honorarkräften sowie an Kooperationen erheblich mehr Verwaltungsaufwand bedeuten, ) bildungsferne Schichten nicht in gewünschtem Umfang erreicht werden, ) der angestrebte Großgruppenunterricht an den zur Verfügung stehenden Lehrkräften und Rahmenbedingungen in der Kooperation mit Schulen scheitert, ) Kooperationen aufgrund der finanziellen Ausstattung und der Rahmenbedingungen stagnieren, ) kaum noch Stellen mit einer stellvertretenden Musikschulleitertätigkeit besetzt sind, ) Wartelisten nicht abgebaut werden können, ) Geräte und Ausstattungen nur punktuell erneuert werden können, ) ein gravierender Mangel an Unterrichtsräumen besteht, sodass viele Lehrkräfte in ihren Privaträumen unterrichten müssen, und ) Fortbildungen nicht den gewünschten, nachhaltigen Erfolg zeigen.


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Patient Musikschule

Der Bericht zum Download http://www.berlin.de/imperia/md/ content/sen-bildung/fort_und_ weiterbildung/musikschulen/musikschulbericht_web.pdf?start&ts= 1422361097&file=musikschulbericht_web.pdf

Leider begnügt sich der Bericht überwiegend mit der Darstellung von Tatsachen in Gestalt von Kennziffern und Produkten und verzichtet vollständig auf eine Analyse, warum bestimmte Ziele nicht oder nicht in gewünschtem Umfang erreicht wurden. Dies ist zwar nicht unbedingt Aufgabe eines Berichts, doch werden dort auch einige Handlungsempfehlungen ausgesprochen. Doch ohne Analyse der Bedingungen, unter denen die Fakten entstanden sind, ist ein Erfolg von Handlungsempfehlungen kaum vorstellbar. Für erfolgreiche Handlungsempfehlungen bedürfte es vielmehr einer tieferen Ursachenanalyse: Warum wollen die Lehrkräfte keine 25er-Gruppen unterrichten, selbst wenn sie den Lehrgang „Gruppenleitungskompetenz“ an der Landesmusikakademie absolviert haben? Könnte das etwas mit einem bestimmten Berufsbild und Vorstellungen von musikalischer Bildung zu tun haben? Ist die Bezahlung für das Unterrichten von 25er-Gruppen, das mit einer deutlich höheren Belastung und Vorbereitung verbunden ist als der Einzel- oder Kleingruppenunterricht, nicht attraktiv genug? Wie sollen mehr Lehrkräfte für Kooperationen gewonnen werden, wenn man nur die Rahmenbedingungen für die Schüler, nicht aber für die Lehrkräfte verbessert? Warum ist die Nachfrage nach Einzelunterricht hoch, während die Nachfrage nach Gruppenunterricht trotz eines wesentlich günstigeren Entgelts hinter den Erwartungen der Senatsverwaltung zurückbleibt? Könnte das etwas mit den Qualitätsansprüchen der Eltern zu tun haben? Wünschen diese vielleicht eher eine individuelle Betreuung ihrer Kinder und würde eine stärkere Bewerbung von Gruppenunterricht daran etwas ändern? Warum nutzen in einigen Bezirken mehr Menschen das

Musikschulangebot als in anderen? Könnte das etwas mit der Sozialstruktur und dem sozialen Habitus zu tun haben? Wie könnte man Menschen aus bildungsfernen Schichten einbeziehen, welche Maßnahmen wären dazu erforderlich? Reicht es, lediglich die Entgelte zu senken?

Wichtige Erkenntnisse – zu spät … Es ist gut, dass es den Bericht gibt, denn er zeichnet ein übersichtlich strukturiertes Bild der Berliner Musikschularbeit. Positiv ist auch zu vermerken, dass aus dem Bericht deutlich hervorgeht, dass musikalische Bildung sich nicht allein über Projekte ereignen kann, sondern der Kontinuität bedarf. Diese essenzielle Erkenntnis hat es mittlerweile also auch in das Verwaltungsdenken hinein geschafft. Doch hinkt der Bericht den Fakten mindestens drei Jahre hinterher, denn erst 2014 wurden überhaupt Schlussfolgerungen aus dem Stand der Jahre 2007 bis 2011 abgeleitet. Davon abgesehen wird der Bericht zu einer wirklichen Qualitätsentwicklung nur beitragen, wenn die Fakten sorgfältiger auf ihre Ursache hin überprüft werden und anschließend daraus nicht nur die Handlungsempfehlungen umgesetzt werden, die vor allem eines zum Ziel haben: auf keinen Fall mehr Geld in die strukturellen Defizite der Musikschulen zu investieren. Und dazu gehört auch, endlich die menschenverachtende Behandlung der Lehrkräfte zu beenden, die ihren vorläufigen Höhepunkt im Jahr 2013 mit einer massiven Verschlechterung der Honorarverträge zu verzeichnen hat. Doch was genau in jenem Jahr geschah und wie sich dieser Umstand auf die Qualität der Musikschularbeit ausgewirkt hat, erfahren wir dann im nächsten Bericht – im Jahr 2018 … ))

Die Berliner Musikschule ist krank, sehr krank. Doch nun gibt es neue Hoffnung für den Patienten: In Berlin befindet sich zurzeit ein bemerkenswertes Bündnis zur Förderung der öffentlichen Berliner Musikschulen in Gründung, das sich bereits jetzt äußerst prominenter Unterstützung erfreuen kann (siehe dazu den Bericht auf Seite 36 in üben & musizieren 3/2015). Doch das allein hebt es nicht aus der Vielzahl von Bündnissen und Initiativen zur Förderung kultureller Bildung heraus, die in der Republik in großer Zahl existieren. Was das Berliner Bündnis besonders macht, ist die Absicht, die künftige Rolle der Berliner Musikschulen in der Stadt zu klären. Es geht also nicht lediglich darum, die bisherige Musikschularbeit auszuweiten, sondern um neue konzeptionelle Überlegungen, um eine grundlegende Diskussion darüber, welche bildungspolitische Rolle die Berliner Musikschulen in der Zukunft haben sollen. Diese Diskussion ist seit Langem überfällig, denn momentan steuert die von der Politik viel beschworene Berliner Musikschule „für alle“ vor allem darauf zu, mit möglichst wenig Geld möglichst viele Menschen irgendwie mit irgendwelchen Angeboten zu versorgen. Die Grundsatzfrage, was die Berliner Musikschulen für wen eigentlich leisten sollen, muss endlich diskutiert und vor allem auch beantwortet werden. Zum anderen ist das Bündnis bemerkenswert, weil es eine „Musikschule für alle“ nicht länger auf Kosten der Lehrkräfte hinzunehmen bereit ist. Damit dürfte es die einzige Initiative sein, die sich Gedanken um die Arbeitsbedingungen derjenigen macht, die kulturelle Bildung vermitteln. Nicht einmal die Bundesvereinigung Kulturelle Jugendbildung (BKJ), die deutschlandweit wohl größte Vereinigung zur Förderung von kultureller Bildung, hat sich bisher jemals zum Thema „Prekäre Arbeit in der kulturellen Bildung“ geäußert. Aus diesen Gründen ist dem jungen Bündnis von ganzem Herzen zu wünschen, dass sich daraus ein motiviertes, unerschrockenes und dickhäutiges Team aus Ärzten und Sanitätern bildet, und dass dieses Team es doch noch schafft, dem todgeweihten Patienten neues Leben einzuhauchen. Anja Bossen


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© Joachim Liebe

Und es geht doch! Jürgen Simon

Zwei Beispiele für Privatmusikschulen, die sowohl pädagogisch als auch wirtschaftlich erfolgreich sind Es ist nicht leicht, eine private Musikschule zu betreiben, die hohen pädagogischen und künstlerischen Ansprüchen gerecht wird und dabei dem Betreiber ein angemessenes Einkommen sichert. Dass es doch geht, zeigen die folgenden beiden sehr unterschiedlichen Beispiele.

)) In der Brandenburger Straße, mitten in der Fußgängerzone in Potsdam, befindet sich der Hauptsitz der Musikschule Bertheau & Morgenstern. Die beiden Gründer empfangen mich im Früherziehungsraum – ein lichtdurchfluteter Raum, der an eine Dachterrasse grenzt. Die Wände sind in einem kräftigen Blau gehalten, der Teppichboden und die Stühle in verschiedenen Größen sind passend dazu ausgewählt. Außer einigen Instrumenten fällt sofort ein originelles Kunstwerk aus Kupferrohren an der Wand auf, das sich im Warteraum für die Eltern fortsetzt. Man merkt, hier hat jemand mit viel Kreativität und Liebe zum Detail die Räume gestaltet. Bertheau & Morgenstern ist mit rund 3 000 SchülerInnen und mehr als 140 Lehrkräften eine große Musikschule – größer sogar als die kommunale Musikschule, die sich in unmittelbarer Nähe befindet. Der Weg bis dahin war nicht leicht. Katrin Morgenstern und Andreas Bertheau kennen sich von der Arbeit an der Uni Potsdam und überlegten Anfang der 1990er Jahre, eine Musikschule zu gründen. 1995 begannen sie mit der konkreten Planung. Sie besuchten verschiedene Existenzgründerseminare, u. a. an der Uni Potsdam, wo

sie zwischen vielen informatik- und technologieorientierten Gründern eher Exoten waren. Sie besuchten Betreiber von privaten Musikschulen in der ganzen Bundesrepublik. Sie sprachen mit Banken über Startkapital, was sich zunächst als schwierig erwies, da sie kein Eigenkapital hatten und sich Banken mit künstlerisch orientierten Unternehmungen nicht auskannten. Sie lernten, Businesspläne zu schreiben, und erhielten mit Hilfe der Bürgschaftsbank und der KfW ein Darlehen zu einem akzeptablen Zinssatz. Bis heute sind sie ihrer Bank treu geblieben – überhaupt sind ein guter Kontakt und langjährige zuverlässige Beziehungen zu den verschiedensten Partnern ein wichtiger Aspekt ihres Erfolgs. Eine besondere Rolle spielte auch die Beziehung zu ihrem ersten Vermieter. Bereits während der Planungsphase engagierten sich Katrin Morgenstern und Andreas Bertheau im Umfeld ihrer künftigen Musikschule auf Straßenfesten und mit Konzerten. So konnte schließlich auch der Investor, der die Räume, die für die zukünftige Musikschule vorgesehen waren, vermietete, überzeugt werden, die erheblichen Kosten für die Schallisolierung der gemieteten Räume zu übernehmen, sodass das gesamte Gründungskapital in die Ausstattung der Räume und Instrumente investiert werden konnte. Zwei Jahre nach dem Beginn der Planungen war es schließlich soweit: 1997 wurde die Musikschule Bertheau & Morgenstern gegründet. „Es war eine harte Zeit“, erinnert sich Katrin Morgenstern, „und ohne

die Hilfe beider Familien, die nicht nur Flyer an zehntausende Haushalte verteilten, sondern auch in vielen anderen Bereichen mithalfen, wäre es nicht zu schaffen gewesen.“ Es dauerte dann noch weitere zwei bis drei Jahre, bis sich die beiden Gründer zum ersten Mal ein Gehalt überwiesen. Bis dahin wurden alle Einnahmen sofort wieder in die Musikschule investiert. Auch heute noch fließt ein großer Teil der Gewinne in die Erweiterung der Musikschule. Inzwischen verfügt die Musikschule über ein Netz von sechs eigenen Standorten allein in Potsdam. Dazu kommen noch Unterrichtsangebote in mehreren Grundschulen und Kitas. „Wir wollen in der Nähe der Schüler sein, weil es für viele Schüler und Eltern schwierig ist, quer durch die Stadt zum Unterricht zu fahren“, erklärt Andreas Bertheau. Inzwischen gibt es auch eine Filiale in Falkensee und zwei Filialen in Berlin. Mit Martin Behm wurde ein dritter Inhaber mit ins Boot geholt, der im Gegensatz zu Katrin Morgenstern und Andreas Bertheau, die beide aus dem Bereich der klassischen Musik kommen, mehr im Popmusikbereich zuhause ist.

Keine Kompromisse beim pädagogischen Anspruch Von Anfang an war einer der wichtigen Pfeiler des Konzepts, nur hochwertige pädagogische Angebote zu machen. Dazu setzten die Gründer von Anfang an ausschließlich auf Pädagoginnen und Pädagogen mit einer Hochschulausbildung. Auch


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© Nadja Chawaf

Zufriedene Lehrkräfte als ein Baustein des Erfolgs: Die „Musikschule Bertheau & Morgenstern“ möchte ihre Lehrkräfte möglichst langfristig an sich binden (links). Das Geheimnis des Erfolgs von „Emmas kreativer Flötenschule“ liegt nicht zuletzt in den Backkünsten von Inhaberin Annelie Kronbügel (rechts).

der Anteil von Einzelunterricht ist hoch: Annähernd zwei Drittel der erteilten Unterrichtsstunden werden als Einzelunterricht erteilt. Außer Instrumentalunterricht werden die verschiedensten Kurse angeboten. Dabei gibt es neben der musikalischen Früherziehung, dem Instrumentenkarussell und Kursen für Eltern und Kleinkinder auch Ensemblespiel in den unterschiedlichsten Zusammensetzungen vom Blockflötenquartett über verschiedene Bands bis hin zu Chor- und Orchesterangeboten, aber auch eher unübliche Angebote wie eine Bodypercussion-Gruppe. Ein weiterer wichtiger Aspekt sind die vielen Veranstaltungen. Rund hundert Veranstaltungen werden von der Musikschule jedes Jahr durchgeführt. Außer den von den Lehrkräften veranstalteten Klassenvorspielen gibt es auch regelmäßig öffentliche Konzerte an unterschiedlichen Orten. Dieses breite Spektrum ist natürlich auch für die LehrerInnen attraktiv. Monatlich bewerben sich zehn bis 15 Lehrkräfte. Für Festanstellungen reichen die Entgelte, die insbesondere für den Einzelunterricht zu zahlen sind, leider nicht, und auch die Honorare liegen geringfügig unter denen, die von den öffentlichen Musikschulen in Brandenburg gezahlt werden. Dafür werden Zusatztätigkeiten wie Klassenvorspiele und Konzerte ebenfalls honoriert und insbesondere für aufwendigen Kurs- und Klassenunterricht sind die Honorare deutlich höher. „Wir wollen unsere Lehrer natürlich möglichst langfristig an uns binden und gleichzeitig möglichst viele attraktive Angebote für unsere Schüler anbieten“, sagt Andreas Bertheau. „Deshalb bieten wir unseren Lehrkräften die Möglichkeit, einmal im Jahr eine Weiterbildungsveranstaltung zu besuchen, für die wir die Kosten übernehmen.“ Darüber hinaus werden auch eigene

Weiterbildungen veranstaltet, die teils mit externen, teils mit eigenen DozentInnen durchgeführt werden. Ein wichtiges Standbein für die Musikschule ist die intensive Zusammenarbeit mit der Hoffbauer Berufsakademie. Dabei funktioniert die Zusammenarbeit in zwei Richtungen: Die Musikschule übernimmt die musikalische Ausbildung der Studierenden und gleichzeitig kommt es immer wieder dazu, dass Studierende später an der Musikschule mitarbeiten. Zum Geheimnis des Erfolgs gehören auch regelmäßige Innovationen: „Es ist ganz wichtig, dass sich die Musikschule und ihr Angebot ständig weiterentwickelt, um Kunden zu behalten und neue Kunden zu gewinnen“, erklärt Katrin Morgenstern. So bietet die Musikschule zusätzlich zum Instrumentenkarussell die „Miniband“ an. Und gerade wird mit „Play together“ ein neues Angebot für 13- bis 16-Jährige entwickelt, da in dieser Altersklasse die Fluktuation besonders hoch ist.

Alles, was glücklich macht Ein nicht weniger innovatives, aber gänzlich anderes Konzept verfolgt Annelie Kronbügel mit Emmas kreativer Flötenschule. Der kleine Laden in der Wisbyer Straße in Berlin strahlt bereits von außen eine heimelige Atmosphäre aus. Durch das Schaufenster fällt der Blick auf einen großen Blumenstrauß und eine gemütliche Kaffeetafel, und wenn man den Laden betritt, liegt ein leichter Duft nach frisch gebrühtem Kaffee und selbstgebackenem Kuchen in der Luft. Hier wird sofort klar, dass dies kein Ort ist, in dem es nur um optimalen Instrumentalunterricht geht, dies ist ein Ort zum Leben. Es war jedoch ein recht langer Weg von den ersten Ideen bis zur Eröffnung.

Annelie Kronbügel hatte bereits langjährige Erfahrungen im Unterrichten sowohl an einer Musikschule als auch als Vertretung am Musikgymnasium Carl Philipp Emanuel Bach Berlin; sie wollte jedoch gerne ein Angebot machen, bei dem sie auch ihre anderen Begabungen und Interessen einsetzen konnte. Die Idee für ihre kreative Flötenschule kam ihr während eines Probespiels in der Vorweihnachtszeit. Um die Wartezeit zu überbrücken, hatte sie einige Weihnachtsbasteleien, die sie noch fertigstellen wollte, mitgenommen, und diese Basteleien begeisterten die übrigen Kandidatinnen und Kandidaten des Probespiels so, dass sie beschloss, auch dieses Talent für das Unterrichtskonzept zu nutzen. Aber auch danach war noch eine große Menge an Vorarbeiten zu erledigen. Mit Hilfe der Existenzgründerberatung der Arbeitsagentur beschaffte sie sich einen Überblick über alle nötigen Schritte. Danach besuchte sie Coachings in den Bereichen Buchhaltung und Marketing, die durch die KfW finanziert wurden. Die nächste Schwierigkeit stellte die Anfangsfinanzierung dar, denn selbstverständlich war keine Bank bereit, einer freischaffenden Flötistin und Flötenlehrerin einen Kredit zu gewähren. So musste schließlich ihr Mann als Angestellter den Kredit beantragen, und auch die Eltern haben sich – nicht nur finanziell – beteiligt. Endlich konnten der Laden eingerichtet, Logos und Broschüren entworfen und die Internetseite (www.emmaskreativcafe.de) erstellt werden. Von Anfang an hat sie ihr eigenes Konzept umgesetzt. So beginnt der Unterricht nicht sofort mit Flötespielen, sondern mit einer kleine Massage oder etwas Tanzen zu einer Musik, die die SchülerInnen auswählen, oder auch mit einigen Atem- oder Rückenübungen. „Die Schülerinnen und Schü-


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© Joachim Liebe

„Wir bieten unseren Lehrkräften die Möglichkeit, einmal im Jahr eine Weiterbildungsveranstaltung zu besuchen, für die wir die Kosten übernehmen.“ * ler sollen zuerst zur Ruhe kommen und sich entspannen – sie müssen geerdet sein, um richtig Musik machen zu können“, sagt Annelie Kronbügel. Sie erteilt in der Regel nur Einzelunterricht und setzt dabei bewusst auf die Bezahlung von Einzelstunden statt auf eine monatliche Bezahlung. „So bleibe ich auch selbst flexibler, um als Flötistin zu arbeiten und Konzerte zu spielen“, begründet sie diese Entscheidung. Erst vor Kurzem war sie mit dem Konzerthausorchester Berlin auf Spanientournee und musste dann natürlich den Unterricht ausfallen lassen. Dieses flexible Konzept erlaubt es ihr, den Schülerinnen und Schülern auf Wunsch Unterricht auch während der Ferien anzubieten.

Eine Schule für kreatives Leben Aber der Flötenunterricht ist nur ein Teil des Konzepts der kreativen Flötenschule. Ein weiterer wichtiger Teil ist das Café, in dem die Eltern der Schüler, aber auch Freunde und die SchülerInnen selbst mit Tee, Kaffee, heißer Schokolade und selbstgebackenem Kuchen bewirtet werden. Hier wird nicht nur gegessen und getrunken, sondern hier entstehen die Beziehungen, die den besonderen Reiz dieser Einrichtung ausmachen und gelegentlich sogar das Angebot bereichern. So wurde aus einem Besucher, der die kreative Flötenschule und vor allem das Café regelmäßig besuchte, ein Mitstreiter, der mittlerweile Kurse in Origami anbietet. Denn auch Kurse sind ein wichtiger Bestandteil des Konzepts von Emmas kreativer Flötenschule. Jeden Monat gibt es einen Kurs in den unterschiedlichsten kreativen Tätigkeiten – Salzteig, Ostereier bemalen, Backen, Filzen, Häkeln, Stricken, Schmuckherstellung und vieles mehr. Annelie Kronbügel ist sehr vielseitig interessiert

und begabt und kann deshalb bei vielen dieser Themen selbst als Dozentin tätig werden. Aber sie holt sich auch Unterstützung durch ein Netzwerk aus Freunden, Bekannten und Familie, die Kurse gegen ein Honorar in Form von Kuchen und kleinen Geschenken anbieten. Für die Schüler sind die Kurse kostenlos, sie finanzieren sich einerseits durch Materialspenden und andererseits durch die Umsätze im Café. Jedes Jahr während der Sommerferien gibt es eine Kurswoche für Kinder, bei der nicht nur ihre eigenen SchülerInnen, sondern auch deren Freunde und Geschwister teilnehmen können. Eine zentrale Rolle spielt das Café auch bei den regelmäßigen Vorspielen. Um diese Vorspiele abwechslungsreicher zu gestalten, hat sich Annelie Kronbügel inzwischen mit einer Geigen- und einer Harfenlehrerin zusammengetan. Für die Vorspiele wird dann die Trennwand zwischen Café und Unterrichtsraum zur Seite geschoben und alles wird ein großer Raum. So ähneln die Vorspiele eher einem gemütlichen Beisammensein, bei dem sich jeder auch künstlerisch betätigen kann. Das hilft den Schülerinnen und Schülern, den Stress etwas abzubauen. Selbstverständlich spielen auch die Lehrerinnen selbst bei den Vorspielen mit. Dadurch, dass Emmas kreative Flötenschule ein so umfangreiches Angebot macht, entstehen mit den Jahren Beziehungen, die weit über eine reine Lehrer-Schüler-Beziehung hinausgehen. „Solche Beziehungen sind ganz wichtig für mich“, sagt Annelie Kronbügel, „nur dadurch kann ich mein Angebot immer weiter ausbauen.“ So hat etwa die Mutter einer Schülerin einen Brautmodenladen und vermittelt sie immer wieder an Kundinnen, nicht nur als Musikerin, sondern zunehmend auch als Bäckerin für Hochzeitstorten.

Die Wohnung, in der Annelie Kronbügel mit ihrem Mann lebt, grenzt direkt an den Laden. „Das ist einerseits praktisch, andererseits bin ich so aber auch immer bei der Arbeit, und gerade weil mir die Arbeit eigentlich immer Spaß macht, ist es oft so, dass ich eher zu viel arbeite und nicht wirklich ausspanne.“ Denn außer dem Unterricht, den Kursen und Vorspielen muss sie natürlich auch die Kuchen und Torten vorbereiten, Pralinen herstellen und nicht zuletzt ist sie selbst in erheblichem Umfang auch als Musikerin tätig. Sie spielt häufig bei der Deutschen Oper Berlin und im Konzerthausorchester Berlin und gibt auch regelmäßig selbst Solo- und Kammermusikkonzerte. Die beiden Beispiele zeigen, dass es durchaus möglich ist, trotz der Konkurrenz durch öffentliche Musikschulen mit einer privaten Musikschule auch wirtschaftlich erfolgreich zu sein. Dazu gehört neben einem guten und innovativen Konzept auch eine gewisse Risikobereitschaft, denn ohne Investitionen geht es in der Regel nicht. Die wichtigste Voraussetzung für den Erfolg sind jedoch viel Leidenschaft und die Bereitschaft, für die eigene Idee hart zu arbeiten. Denn eine eigene Musikschule erfordert extrem viel Einsatz – doch wenn alles stimmt, kann der Erfolg und die Umsetzung der eigenen Träume sehr befriedigend sein. ))

* Andreas Bertheau, Mitinhaber der Musikschule Bertheau & Morgenstern in Potsdam

Jürgen Simon ist Cellist im Brandenburgischen Staatsorchester Frankfurt (Oder). Er entwickelte ein Orchesterverwaltungsprogramm für sein Orchester.


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© Cordula Heuberg

Einzigartig. Wertvoll.

Bernd Dahlhaus

Instrumentalpädagogische Profile. Teil I: Was mich als Instrumentalpädagoge auszeichnet

Idee und Nutzen Das satirische Internet-Nachrichtenportal „Dummerang“ meldete vor einiger Zeit, dass der Technologiekonzern Apple ein „fahrzeugloses Auto“ zu bauen beabsichtige.1 Diese Meldung ironisiert gekonnt die Marketingstrategien der Digitalindustrie. Genauso wenig, wie die konkrete Realisierung des angekündigten Produkts in der Praxis vorstellbar ist (zumindest nach heutigen Maßstäben), ist in der Übertragung der Formulierung des „fahrzeuglosen Autos“ auf unser Thema die Existenz eines „profillosen Instrumentalpädagogen“ denkbar. Selbstverständlich lassen sich bei jedem Instrumentallehrer bestimmte Merkmale – Fähigkeiten, Eigenschaften, Interessen – in den Fokus nehmen, die ihn sowohl als Instrumentalpädagogen auszeichnen als auch auf seine Einzigartigkeit verweisen. Allerdings ist nach meiner Beobachtung der Bewusstseins- und Reflexionsgrad über das eigene Berufsprofil unter den KollegInnen unterschiedlich stark ausgeprägt. Unter „instrumentalpädagogischem Berufsprofil“ verstehe ich die Selbstbeschreibung dessen, was einen Instrumentalpädagogen in seinen beruflichen Tätigkeiten, Neigungen, Fähigkeiten, Eigenschaften, Bedürfnissen, Werten und Überzeugungen auszeichnet.2 Da sich diese im Lauf des Berufslebens auch verändern (können), handelt es sich bei der Formulierung eines Berufsprofils nicht um etwas Statisches und Abgeschlossenes, sondern um eine Mo-

mentaufnahme in einem kontinuierlichen Prozess der Selbstreflexion. Bereits vor über 2 000 Jahren betrachteten die Stoiker die Selbsterkenntnis als Weg für den Menschen, in Übereinstimmung mit der Natur zu leben, wobei mit „Natur“ die des Menschen selbst wie auch seine damit in Wechselwirkung stehende Umwelt gemeint war. Übertragen auf unser Thema kann dieser Gedanke so verstanden werden, dass ein klares Wissen über das eigene instrumentalpädagogische Profil eine günstigere „Passung“ von Person und Arbeitskontext ermöglichen kann. Beispiele hierfür sind die individuelle Zielgruppenausrichtung eines Lehrers, der von sich weiß, dass er erfolgreich (nur) mit Erwachsenen (und vielleicht nur in Gruppen) arbeiten kann, oder die Klavierlehrerin, der Selbstbestimmung als Wert so wichtig ist, dass sie die freiberufliche Tätigkeit einer weisungsgebundenen TVöDAnstellung vorzieht (auch wenn sich dadurch möglicherweise andere Herausforderungen ergeben). In beiden Beispielen wird deutlich, dass eine persönliche Profilierung letztlich immer eine Wahl ist, die auf bisherigen, subjektiv-bestätigenden Erfahrungen beruht. Lege ich mich fest, nur Erwachsene zu unterrichten, weil ich dies für eine meiner Stärken halte, vermeide ich dadurch gleichzeitig, mich auf ungewohnte Erfahrungssituationen einzulassen und dadurch neue Fähigkeiten zu lernen, indem ich beispielsweise mit (behinderten) Kindern arbeite.

Auch der persönliche Unterrichtsstil und das Unterrichtskonzept können als „Passung“ von Person und didaktisch-methodischen Wahlentscheidungen verstanden werden, wenn z. B. eine Kollegin mit der Solmisationsmethode arbeitet, weil ihr diese „liegt“. Als Orientierungshilfe für mich selbst und andere hat ein klares Berufsprofil erfahrungsgemäß vielfältige nützliche Auswirkungen. Hierzu gehören: ) ein besseres Stimmigkeitsgefühl mit sich selbst: mehr Sicherheit im Selbsterleben, mehr (Selbst-)Zufriedenheit und Sinnerleben in den Tätigkeiten, dadurch ein gestärktes fachliches Selbstbewusstsein; ) eine deutlichere Klarheit in der Wahl der Tätigkeiten, z. B. in Bezug auf Unterrichtsfächer, Einsatzgebiete, Schülerzielgruppen … (man macht mehr von dem, was man gerne tut); ) eine größere Überzeugungskraft in Gesprächen mit SchülerInnen, deren Eltern, KollegInnen und Vorgesetzten; ) insgesamt eine für Körper, Geist und Seele „gesündere“ Ausübung des Berufs. Des Weiteren: ) eine bessere Erkennbarkeit für andere auf dem „instrumentalpädagogischen Markt“ (Anbieter, Mitwettbewerber, Kunden); ) eine leichtere Positionierung als ExpertIn für bestimmte Unterrichtsinhalte oder Arbeitsweisen (Alleinstellungsmerkmal im Rahmen des Selbstmarketings), dadurch Wertsteigerung auf dem „instrumentalpädagogischen Markt“.


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musikschule )) DIREKT 3.2015

ullehrer h c s k i s Mu chulen? in die S PRO

Pressemitteilung des Ministeriums für Bildung, Jugend und Sport sowie des Ministeriums für Wissenschaft, Forschung und Kultur des Landes Brandenburg vom 18.12.2014

An manchen Schulen müssen Musik- oder Kunststunden ausfallen, da beispielsweise bei Erkrankung kurzfristig kein fachgerechter Ersatz gefunden wird. Das Bildungsministerium will jetzt in Abstimmung mit dem Kulturministerium gegensteuern und Honorarkräften der öffentlichen und privaten Musik- und Kunstschulen die Möglichkeit geben, zeitweise an staatlichen Schulen als Lehrkräfte zu arbeiten. […] Bildungsstaatssekretär Thomas Drescher: „Die guten Lehrkräfte an

den Musik- und Kunstschulen wären eine willkommene Ergänzung an unseren öffentlichen Schulen. Überall dort, wo Musik- oder Kunstunterricht nicht fachgerecht erteilt werden kann und ein schneller Ersatz durch ausgebildete Lehrkräfte nicht möglich ist, können die Musik- und Kunstpädagogen einspringen.“ […] Kulturstaatssekretär Martin Gorholt unterstützt das Konzept: „Es ist das gemeinsame Interesse von Kultur- und Bildungsministerium, den Kunst- und Musikschulun-

terricht an den Brandenburgischen Schulen abzusichern. Wir unterstützen es, wenn die Lehrkräfte an den Musik- und Kunstschulen dazu beitragen können. Dabei könnten sich deren Beschäftigungsmöglichkeiten, insbesondere wenn es sich um Honorarkräfte handelt, erhöhen.“ […] Die Vertretungskräfte werden mit befristeten, sozialversicherungspflichtigen Arbeitsverträgen eingestellt und nach den geltenden Eingruppierungsvorschriften bezahlt.

Konkrete praktische Anlässe außerhalb des Unterrichts sind: ) Bewerbung bzw. Vorstellungsgespräch, ) Informationsgespräche mit (erwachsenen) Unterrichtsinteressenten, ) (Kennenlern-)Gespräche auf Kongressen und Fortbildungen sowie ) die Selbstdarstellung der Person und der Tätigkeit in Werbematerialien oder auf der eigenen Internetseite.

Musik schon beschäftigt haben. Ebenfalls wichtig sind mir Bezüge zu Zeitumständen, Architektur, Mode oder Kunst. Ein strahlendes: ,Das hat Spaß gemacht‘, oder: ,Ich liebe meine Flöte, weil sie so schön klingt‘, natürlich auch begeisterte Ensemblemitglieder, Wettbewerbsteilnehmer, begeisterte Berichte über Konzertbesuche und bestandene Aufnahmeprüfungen sind mir Ansporn und Belohnung.“

Drei Profilbeschreibungen

2. Andreas Lobisch: Pianist (Dipl. Mus.) und Klavierlehrer (Dipl. Mus.päd.), Lehrtätigkeit als freiberuflicher Klavierlehrer, als TvÖD-Lehrkraft an der Musikschule Lüdinghausen und als Lehrbeauftragter am Institut für Musikpädagogik der Westfälischen Wilhelms-Universität Münster für Haupt-/Nebenfach Klavier. „Als Klavierpädagoge bilde ich seit fast zwei Jahrzehnten Kinder, Jugendliche und Studenten pianistisch aus. In verantwortungsvoller Weise die Ressourcen, Interessen und Fähigkeiten jedes Einzelnen effektiv zu entwickeln, dessen Potenziale voll auszuschöpfen und bewusstes und verstehendes Hören, Lesen und Spielen unterschiedlicher Musikstile zu bilden, ist zentrales Anliegen meines Unterrichts. Hier ist mir individuelle, künstlerische Arbeit im Einzelunterricht als Basis des Unterrichts wichtig. Meine künstlerische Arbeit als Pianist umfasst regelmäßige Kammermusikkonzerte und konzertante Auftritte mit dem Schwerpunkt im klassischen Repertoire, aber auch im Bereich Jazz und U-Musik. Ich bin Teil der Vereinigung freiberuflicher Musiklehrer ,Musiker im Münsterland‘ als Plattform instrumentalpädagogischer Zusammenarbeit. Als künstlerischer Leiter des Schimmel Klavierspielwettbewerbs NRW bin ich auch organisatorisch-gestaltend tätig.“

3. Lucia von Zadow: Instrumentalpädagogin (Klavier, EMP) in Essen. „In meiner Tätigkeit ist mir wichtig, den Schülern Möglichkeit zu geben, sich selbst als Musiker zu erfahren und zu entwickeln, und sie auf diesem Weg zu begleiten. Kulturvermittlung ist mir ein besonderes Anliegen. Ich meine damit einen Kulturbegriff, der auf Vielfalt basiert. In meiner Arbeit spielen deswegen Werke aus verschiedenen Stilrichtungen, Epochen und Gattungen eine Rolle. Hier geht es auch um die individuellen Neigungen der Schüler, allerdings sehe ich meine Aufgabe auch darin, den kulturellen Horizont zu erweitern und das Wecken bisher verborgener Vorlieben zu ermöglichen. Zudem sehe ich Leistung als pädagogisches Prinzip: Schüler sollen die Möglichkeit haben zu erfahren, dass sie selbst zu etwas in der Lage sind, was sie vorher nicht konnten und auf das sie stolz sein können. Sie sollen die Möglichkeit haben, ein tragfähiges Selbstbild im musikalischkulturellen Bereich zu erlangen.“

Im Rahmen meiner Recherchen für diesen Beitrag habe ich mehrere KollegInnen gebeten, ihr instrumentalpädagogisches Profil in knapper Form zu beschreiben. Hier eine Auswahl: 1. Ulrike Höffkes: Studium IP und Orchester in Detmold und Berlin, seit 1981 an der Musik- und Kunstschule Duisburg sowie freischaffende Flötistin. „Aufgewachsen in einem musikalischen Umfeld empfinde ich es als völlig unverzichtbaren Teil meines Lebens, Musik zu erleben (aktiv oder passiv). Als Instrumentalpädagogin für Flöte versuche ich, genau das zu vermitteln und erlebbar zu machen: Musizieren und Musik hören als großartige, elementare Lebensbereicherung. Ansatz, Technik, Atmung, Haltung, Artikulation, Sinn für Metrum und Betonung – das alles möchte ich optimal, das heißt im Rahmen der Möglichkeiten jeder Schülerin erarbeiten; aber das Ziel ist, ,flötisch‘ zu reden, musikalisch zu sprechen und Empfindungen auszudrücken. ,Spiel so, dass man merkt, wo die Musik hin will‘ – egal, ob es sich um eine Improvisation, ein klassisches Stück oder einen Popsong handelt. Und ich vermittle ein Gefühl für Tradition und Geschichte: Wir als Teil einer langen Kette von Menschen, die sich mit (dieser)

Impulsfragen zur Reflexion des eigenen Profils Sicher haben Sie bereits während Ihrer Ausbildung oder Ihrer beruflichen Laufbahn in ähnlicher Weise über Ihr Profil nachgedacht. Darüber hinaus möchte ich Sie mit nachfolgenden, ausgewählten Impulsfragen dazu anregen, noch mehr in die Tiefe zu gehen und noch näher zu Ihrem Profil-Kern zu gelangen. Lassen Sie die Fragen auf sich wirken, vor allem die, deren Beantwortung zunächst schwierig erscheint. Schnelle Antworten sind ein Hinweis auf Denkautomatismen, die einerseits Stimmigkeit im bisherigen Profilbewusstsein widerspiegeln und andererseits unhinterfragt keine neuen Erkenntnisse ermöglichen.


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KONTRA

Resolution des Deutschen Kulturrats: „Künstlerische Schulfächer sind unverzichtbarer Teil des schulischen Bildungsauftrags“ vom 27.3.2015

Der Deutsche Kulturrat […] sieht aufgrund aktueller Entwicklungen in den Bundesländern […] mit Sorge eine zunehmende Erosion der kulturellen Bildung in der Schule durch die Schwächung der künstlerischen Schulfächer. […] Die Schulfächer Kunst, Musik und Theater gehören zum Bildungsauftrag der Schulen. Ihre Grundlage bildet der Pflichtunterricht, der von akademisch ausgebildeten Kunst-, Musikund Theaterlehrern erteilt werden muss. Dieser Pflichtunterricht ist konsekutiv auf-

gebaut und folgt wie andere Schulfächer einem fachlich und didaktisch fundierten Curriculum. Dieser Unterricht muss in allen Schulformen und -stufen mit mindestens zwei Stunden pro Fach in den Stundentafeln erteilt werden. […] Im Zuge der Öffnung von Schule und der Entwicklung von Ganztagsschulen wurde die Zusammenarbeit von außerschulischen Bildungsträgern, Kultureinrichtungen und Schulen verstärkt. Diese Angebote der kulturellen Bildung verändern die Schule inhaltlich

und strukturell positiv und schaffen neue Bildungsgelegenheiten. Sie sind aber kein Ersatz für die künstlerischen Schulfächer. […] Ebenso wenig können Künstler oder andere Akteure der außerschulischen kulturellen Bildung Fachlehrer ersetzen und auch nur ansatzweise flächendeckend Aufgaben der Allgemeinbildung erfüllen. Der Deutsche Kulturrat wendet sich entschieden gegen eine solche Entfachlichung und Vereinnahmung von außerschulischen Akteuren.

Empfehlenswert ist es auch, sich mit einem interessierten und in „sokratischer Haltung“ nachfragenden Gegenüber als Erkenntnishelfer auszutauschen. Für einen wirklichen Erkenntnisgewinn ist es hilfreich, die Fragen schriftlich zu beantworten, weil durch die Externalisierung der eigenen Gedanken diese wirklich konkret, bewusst und rational verfügbar werden.

8. Wobei helfen Ihnen konkret diese Überzeugungen, was erschweren sie? 9. Woher kommt Ihr innerer Antrieb? Was lässt sie immer wieder aktiv werden? Wofür tun Sie, was Sie tun? 10. Worauf sind Sie als InstrumentalpädagogIn wirklich stolz? 11. Beschreiben Sie sich mit einer Metapher: Als InstrumentallehrerIn bin ich wie ein/e … und erläutern Sie das Bild. („Als Musiklehrerin bin ich wie eine Taxifahrerin, die ihre Fahrgäste nach Auftrag an einen bestimmten Ort bringt.“) 12. Was ist Ihr Markenzeichen? 13. Was brauchen Sie innerlich und äußerlich, damit Sie gute Arbeit machen können? Welche Bedürfnisse haben Sie? 14. Was verstehen Sie unter musikalischer Bildung? 15. Woran ist konkret erkennbar, dass in Ihrem Unterricht musikalische Bildung „geschieht“? 16. Wie lautet in einem Satz Ihr instrumentalpädagogisches Credo? 17. Was denken Sie, schätzen a) Ihre SchülerInnen und b) Ihre KollegInnen besonders an Ihnen? 18. Welche Indizien sprechen Ihrer Ansicht nach dafür, dass dem Beruf des Instrumentalpädagogen eine gute Zeit bevorsteht? 19. Welche Folgen hätte es für Sie, wenn Sie langfristig dabei blieben, sich selbst in Ihrem Profil wie in den Antworten formuliert zu sehen und zu beschreiben? 20. In welchen beruflichen Zusammenhängen haben Sie, im Nachhinein betrachtet, positive Erfahrungen gemacht, die Ihr heutiges Profil erweitert haben, obwohl der Anlass fremdbestimmt war, weil Sie angewiesen wurden, etwas Bestimmtes zu tun (beispielsweise in einem bestimmten Unterrichtssetting oder mit bestimmten Schülergruppen zu arbeiten)?

In einem nächsten Schritt können Sie Ihr Selbstbild mit Fremdbildern – den Wahrnehmungen und Einschätzungen anderer Personen über Sie – abgleichen, indem Sie die Fragen entsprechend umformulieren („Was denkst du, sind meine Stärken …, ist mir in meinem Beruf wichtig?“). In pädagogischer Hinsicht können Sie die Impulsfragen auch für Überlegungen zu den musikalischen Profilen Ihrer SchülerInnen nutzen oder diese direkt mit entsprechend umformulierten Fragen zur eigenen künstlerisch-musikalischen Selbstreflexion anregen. In der kommenden Ausgabe folgen weiterführende Gedanken zum Profilbewusstsein von InstrumentalpädagogInnen. ))

1. Beschreiben Sie ein musikpädagogisches Highlight, eine für Sie besonders bereichernde, schöne, berührende Situation bzw. Erfahrung aus Ihrem Unterricht. 2. Beschreiben Sie einen instrumentalpädagogischen Tiefschlag aus Ihrem Unterricht, eine persönliche Erfahrung, die man auch als fachliches Scheitern bezeichnen könnte. 3. Was sind Ihre besonderen Stärken, Neigungen, Fähigkeiten, Schwerpunkte in Ihrem Beruf? 4. Was fällt Ihnen in Ihrer Berufstätigkeit ganz leicht, was können Sie gut? Und was können KollegInnen besser, leichter, einfacher, spielerischer … als Sie? 5. Was ist Ihnen in Ihrem Unterricht besonders wichtig? Nennen Sie drei bis fünf Aspekte und fassen Sie diese jeweils in Werte zusammen. (Beispiele für Werte sind Pünktlichkeit, Leistung und Spaß.) 6. Woran kann Ihr Gegenüber (SchülerInnen, deren Eltern, KollegInnen, Vorgesetzte) erkennen, dass Ihnen diese Werte wichtig sind? Beschreiben Sie Ihr von außen wahrnehmbares (Kommunikations-) Verhalten möglichst konkret. 7. Wie lauten Ihre Grundüberzeugungen zu zentralen Aspekten des Instrumentalpädagogikberufs? Vervollständigen Sie, möglichst ohne längeres Nachdenken, folgende Satzanfänge: „Musiklehrer sind …“, „Schüler sind …“ und „Der Instrumentalpädagogikberuf …“.

1

http://dummerang.de/2015/03/05/apple-willfahrzeugloses-auto-bauen 2 Aus Sicht einer wissenschaftlichen Musikpädagogik bedarf die Metapher „Profil“ einer umfassenderen Reflexion. Der Begriff wäre (auch) zu klären im Zusammenhang mit Konzepten wie „Identität“, „Persönlichkeit“,„Selbstbild“ und „Selbstkonzept“ sowie „Rolle“. Vgl. zur Verwendung von „Bildern“ in musikpädagogischen Zusammenhängen die Untersuchung von Malte Sachsse: Menschenbild und Musikbegriff. Zur Konstituierung musikpädagogischer Positionen im 20. und 21. Jahrhundert, Hildesheim 2014. Literatur Stefan Lindemann: Kapitel „Zum Selbstverständnis“, in ders.: Marketing und Management für Musikpädagogen, Kassel 2014, S. 10-19 Ulrich Mahlert: „Das persönliche pädagogische Selbstkonzept – Klärungen und Optionen“, Vortrag auf dem Musikschullehrertag des Vorarlberger Musikschulwerks, Götzis, 11. September 2013; www.ulrichmahlert.de/Publikationen.html

Bernd Dahlhaus ist Musikpädagoge und Coach. Er leitet die Agentur für Musikpädagogik musikbäume. www.musikbaeume.de


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musikschule )) DIREKT 3.2015

„Korg Cortosia“ – GOOD SOUND TUNER

Meine App )) Kann ein Stimmgerät guten Sound erkennen? – Ja, es kann! Das verspricht zumindest die neue App der Firma Korg. Korg Cortosia – GOOD SOUND TUNER funktioniert derzeit nur für Trompete, Flöte und Klarinette. Für das Handling der App sollte man zumindest gute EnglischGrundkenntnisse mitbringen, sonst wird es schwierig, alle Raffinessen dieser Neuheit zu nutzen. Nach dem Aufrufen der App befindet sich der User in einem Practice Room, der in drei Teile gegliedert ist. Durch einfaches Wischen nach rechts und links lassen sich die beiden anderen Schwerpunktbereiche erreichen. In der Mitte des Practice Room steht ein Aufnahmegerät, das Klangstabilität, Klarheit des Anstoßes, dynamische Stabilität, Intonationsstabiliät und Klangfülle/Klangqualität misst und diese Parameter bereits während des Spielens anzeigt. Automatisch wird das Gespielte mitgeschnitten und unter dem Menüpunkt Practice Record archiviert. Die Qualität der Aufnahme mit einem iPad ist überraschend gut und so fülle ich den internen Speicher dieser App bereits in der ersten halben Stunde meines Tests mit einem guten Dutzend Aufnahmen des Haydn-Trompetenkonzerts, bei denen ich mit verschiedenen Mundstücken meinen Klang absichtlich verändere, um die App aufs Glatteis zu führen. Doch diese bemerkt selbst feinste Nuancen: 1:0 für den GOOD SOUND TUNER!

musikschule )) DIREKT erscheint

alle zwei Monate als Supplement zu üben & musizieren

Kristin Thielemann

Auf der linken Seite des Practice Room befindet sich ein Bereich, in dem sich einzelne Töne der Aufnahme auf Modi wie Lautstärke, Abweichungen von der Intonation oder Stabilität der Klangfarbe hin betrachten lassen. Ich versuche es mit einem Nachdrücken sowie absichtlichem Absinken längerer Töne und werde natürlich sofort entlarvt. Noch ein Punkt für Korg Cortosia! Ergänzend hat Korg auf der rechten Seite des Practice Room ein bedienungsfreundliches Metronom zur Verfügung gestellt, das über die üblichen Features verfügt. Leider ist es nicht möglich, das Metronom laufen zu lassen und gleichzeitig aufzunehmen. Ansonsten aber kann man sich über einen umfangreichen und vor allem sehr detailgetreuen Überblick vieler Parameter seines Spiels freuen, die selbst ein geschultes Ohr auf einmal kaum wahrnehmen kann, geschweige denn nach dem Spiel zu belegen in der Lage ist. Das interne Aufnahmegerät mit 500 MB Speicherplatz kann etwa 1 200 Dateien aufnehmen und je nach Übeehrgeiz und Speicherwut kann man sich auf diese Weise leicht einen Überblick über einen größeren Zeitraum verschaffen. Dabei hilft zusätzlich der Menüpunkt Practice Record, der alle gespeicherten Aufnahmen miteinander vergleicht und auf einer Zeit-/ Leistungsachse nebeneinander darstellt. Witzig und in jedem Fall erwähnenswert ist die SNS-Funktion, die auf unkomplizierte Art ein Teilen der eingespielten Files

in sozialen Netzwerken wie Twitter, Facebook und Line ermöglicht. Hier wäre für den deutschen Markt die Verbindung zu WhatsApp statt zu Line wünschenswert, da dieser Messenger derzeit noch von deutlich mehr Menschen genutzt wird. Ein wenig Spielerei und bestenfalls eine Motivationshilfe fürs Üben ist das Ranking, bei dem man sein good-sounds.orgKonto (sofern man denn eines besitzt) mit der App verbinden kann, um sich mit anderen Usern zu messen. Die App Korg Cortosia hält, was sie verspricht und ist eine erstklassige Ergänzung zu gutem Unterricht und eine Hörschulung der Sonderklasse! Korg Cortosia – GOOD SOUND TUNER ist für iPad und iPhone im App Store für 9,99 Euro erhältlich. Am Ende meines Tests erkenne ich beim Haydn-Trompetenkonzert, mit dem ich immerhin schon mehrere Probespiele gewinnen konnte, noch Potenzial in Sachen Klangfülle, dafür punkte ich bei Klarheit des Anstoßes. Drei meiner Aufnahmen archiviere ich, der Rest wird gelöscht, via Twitter sende ich noch eine in die Welt hinaus und freue mich über Feedback, während ich mich darüber wundere, wie sehr Apps beginnen, unser Musizieren zu verändern. Wenn das Papa Haydn wüsste! )) Kennen Sie eine App, die Sie anderen Lehrkräften empfehlen möchten? Schreiben Sie uns: info@musikschule-direkt.de

Redaktion: Anja Bossen und Rüdiger Behschnitt Ständige Mitarbeiter: Jürgen Simon und Bernd Dahlhaus Layout: Rüdiger Behschnitt Grafik: Nele Engler


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