4.2015
Rechtsformen für private Musikschulen Rechtsschutzversicherung prüfen! Verträge für „Freie“ an Musikschulen
musikschule )) DIREKT Kulturland Brandenburg In einer Großen Anfrage des Landesmusikrats Brandenburg an die Landesregierung zum Konzept „Kulturelle Bildung“ wurde unter anderem die Frage formuliert, wie die Landesregierung die prekäre Arbeitssituation im Kunst- und Kulturbereich bewerte und welche Folgen diese Situation für die Angebote kultureller Bildung und die Kultur hätte. Die Antwort der Landesregierung dazu lautet: „[…] Eine nachhaltige Verbesserung der sozialen Situation in diesem Berufszweig ist in jedem Fall nur durch das Engagement von vielen Beteiligten auf allen Ebenen und in verschiedenen Sektoren zu erreichen. In diesem Sinne wird beispielsweise noch in diesem Jahr im Land Brandenburg eine zentrale Beratungsstelle für kultur- und kreativschaffende Akteure eingerichtet […] Die Einrichtung wird zeitgemäße, branchenspezifische Coaching-, Qualifizierungs- und Beratungsangebote anbieten, die vor allem auch dazu beitragen sollen, dass die in Kultur und Kunst Tätigen wirtschaftlich mehr aus ihrem Schaffen ziehen und angemessen Einnahmen erzielen können.“ Liebe Brandenburger Musikschullehrerinnen und -lehrer: In einem solchen Coaching lernt ihr, von eurem Musikschulleiter eine Honorarerhöhung so einzufordern, dass er eurer Bitte sofort nachkommt. Bestimmt wird er auch euer Stundendeputat erhöhen. Ihr lernt, wie ihr eurem Vermieter überzeugend erklärt, dass ihr leider kein Geld für die Mieterhöhung habt – und er verzichtet dann darauf. Ihr könnt euch auch moralisch durch das Anhören von Sonntagsreden über eure gesellschaftlich wichtige und unverzichtbare Arbeit stärken. Und für den akuten Notfall gibt es eine schöne Hochglanzbroschüre aus Drittmitteln mit Kochrezepten für unter einem Euro. Beratung, ja vielleicht sogar Supervision durch gut dotierte Regierungscoaches als Antwort auf prekäre Arbeitsverhältnisse der an der Basis tätigen PädagogInnen ist eine landespolitisch geschickte Strategie, um den akuten Fachkräftemangel in der Kulturellen Bildung abzuwenden, ganz wie die Fachkräftestrategie des Landes „Fachkräfte bilden – halten – gewinnen“ es vorsieht. Ein wirklich nützlicher Beitrag zur preiswerten Fachkräfte-Haltung im Kulturland Brandenburg. Anja Bossen
Ideeninitiative „Kulturelle Vielfalt mit Musik“ Sie haben eine neue Projektidee, die das Miteinander von Kindern und Jugendlichen verschiedener kultureller Herkunft fördert? Dann bewerben Sie sich bis zum 15. September bei der Ideeninitiative „Kulturelle Vielfalt mit Musik“: Die Liz Mohn Kultur- und Musikstiftung unterstützt mit ihrer bundesweiten, jährlichen Initiative die Entwicklung und Umsetzung neuer Projektideen. Dafür werden erneut 50 000 Euro zur Verfügung gestellt. Auf Basis der eingereichten Projektanträge entscheidet der Vorstand der Liz Mohn Kultur- und Musikstiftung Anfang November 2015 über die mögliche Förderung der eingereichten Projekte und die Höhe der finanziellen Unterstützung. www.kultur-und-musikstiftung.de/ projekte/ideeninitiative-kulturellevielfalt-mit-musik
) Sie haben Fragen, Anregungen, Tipps oder Hinweise für die Redaktion? ) Sie möchten sich kritisch äußern zu unseren Themen und Beiträgen oder haben Vorschläge für neue Themen? Schreiben Sie uns: info@musikschule-direkt.de
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musikschule )) DIREKT 4.2015
Rechtsformen: Was ist bei Gründung einer Musikschule zu beachten?
Von GbR zu GmbH
)) Das Marktumfeld für Musikschulen hat sich in den vergangenen Jahrzehnten sichtlich verändert. Seit den 1990er Jahren sprießen private Musikschulen buchstäblich wie Pilze aus dem Boden. Neben den 930 kommunalen Musikschulen des renommierten Verbands deutscher Musikschulen (VdM) sind etwa 350 Musikschulen im Bundesverband deutscher Privatmusikschulen (bdpm) organisiert; über die Zahl jener Musikschulen, die keinem Verband zugehörig sind, liegen keine Angaben vor. Des Weiteren erteilen deutschlandweit zahlreiche MusikpädagogInnen Instrumentalunterricht, ohne dass die Organisation von einer Musikschule übernommen wird. Viele dieser Lehrkräfte sind im Deutschen Tonkünstlerverband (DTKV) organisiert. Derzeit zählt der DTKV rund 8 100 Mitglieder; wie viele davon als MusikpädagogInnen tätig sind, ist momentan nicht bekannt. Ebenfalls liegen keine Zahlen jener Instrumentallehrkräfte vor, die nicht institutionell organisiert sind.
Gesetzliche Voraussetzungen Wer überlegt, eine Musikschule in privater Trägerschaft zu eröffnen oder eine bereits existierende Musikschule zu übernehmen, sollte sich einen Überblick über die gängigen Rechtsformen verschaffen. Der Gesetzgeber stellt jedem, der eine Musikschule eröffnen und betreiben möchte, drei Möglichkeiten zur Verfügung, auf deren rechtlicher Basis der Musikschulbetrieb organisiert werden kann. Eine Musikschule kann entweder als Einzelunternehmen, als juristische Person oder als Per-
Christian Rolf
sonengesellschaft geführt werden. Zunächst werden die Besonderheiten dieser drei Rechtsbasen skizziert. Im zweiten Schritt erfolgt die Beschreibung der Rechtsformen im Einzelnen. ) Das Einzelunternehmen Bei Einzelunternehmen gilt als Rechtssubjekt die natürliche Person – dies kann nach § 1 BGB jeder Mensch sein. Für die Führung eines Einzelunternehmens ist ein geringer bürokratischer Aufwand notwendig. Wer einen musikpädagogischen Beruf ausübt, nimmt im Kreis der Unternehmer eine Sonderstellung ein und zählt zu den Freiberuflern. Freiberufler müssen kein Gewerbe anmelden. Somit entfällt auch die Zahlung der Gewerbesteuer. Zudem kann für die Arbeit im Bereich Bildung und Kultur eine Befreiung von der Umsatzsteuer – nach § 4 Nr. 21 a bb) UstG – beantragt werden. Ein wesentliches Merkmal von freien Berufen wird darin begründet, dass die Gewinnerzielungsabsicht nicht primär im Vordergrund steht. Die Arbeit muss zu den wissenschaftlichen, künstlerischen, schriftstellerischen oder unterrichtenden Tätigkeiten zählen und dem Gemeinwohl dienen. Zudem müssen Freiberufler über besondere berufliche Kenntnisse verfügen – diese müssen sie allerdings nicht zwingend durch ein Hochschulstudium erworben haben. ) Die juristische Person Die juristische Person ist ein Konstrukt, zu dem Organisationsformen wie beispielsweise die Gesellschaft mit beschränkter Haftung (GmbH), Vereine oder Stiftun-
gen zählen. Die einzelnen Organisationsformen sind als Rechtssubjekte zu verstehen; die gewählte Organisationsform ist somit Träger von Rechten und Pflichten. Dadurch besteht grundsätzlich keine persönliche Haftung der einzelnen Gesellschafter und/oder Mitglieder. Ein weiterer Unterschied zum Einzelunternehmen besteht darin, dass die Mitglieder eine Definition für die Erreichung eines gemeinsamen Zwecks fixiert haben. Dieser Zweck ist beispielsweise bei Wirtschaftsunternehmen, einen größtmöglichen Gewinn zu erzielen; hierzu bietet sich die Wahl einer GmbH oder Unternehmergesellschaft (UG) als Geschäftsmodell an. Für die Erreichung gemeinnütziger Ziele wird hingegen der Verein oder die gemeinnützige Gesellschaft mit beschränkter Haftung (gGmbH) bevorzugt. ) Die Personengesellschaft Die ursprüngliche Form der Personengesellschaft ist die BGB-Gesellschaft, als Synonym wird weitläufig der Begriff „Gesellschaft bürgerlichen Rechts“ (GbR) verwendet. Unter den Musikschulen ist in der Praxis häufig der Begriff „Lehrergemeinschaft“ anzutreffen. Personengesellschaften werden von mindestens zwei natürlichen und/oder juristischen Personen geführt. Die Erreichung eines gemeinsamen Zwecks ist bei Personengesellschaften ebenfalls wie bei Organisationsformen der juristischen Person fixiert. Im Wesentlichen unterscheiden sie sich von der juristischen Person durch die Haftung, da bei Personengesellschaften die Gesellschafter auch persönlich haften. Ausübende im Bereich
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Wer überlegt, eine Musikschule in privater Trägerschaft zu eröffnen oder eine bereits existierende Musikschule zu übernehmen, sollte sich einen Überblick über die gängigen Rechtsformen verschaffen.
der freien Berufe haben auch die Möglichkeit, eine Partnerschaftsgesellschaft zu betreiben.
Die Wahl der geeigneten Rechtsform Vor der Wahl einer geeigneten Rechtsform ist eine Grundsatzentscheidung zwingend erforderlich. Soll die Musikschule allein oder gemeinsam geführt werden? Dafür, die Musikschule allein zu betreiben, sprechen folgende Argumente: Der Musikschulleiter ist in seinen Entscheidungen weitgehend frei; er kann seine Musikschule vergrößern oder verkleinern, er kann einen anderen Standort wählen, kann seine Musikschule umbenennen, kann LehrerInnen einstellen oder entlassen. All dies kann er machen, ohne sich mit anderen abstimmen zu müssen. Falls die Musikschule Gewinn erzielen sollte, muss der Einzelunternehmer diesen mit niemandem teilen. Im Gegenzug trägt der Einzelunternehmer auch allein die Verantwortung. Er haftet mit seinem persönlichen Vermögen, muss erforderliches Kapital allein aufbringen und hat keine Partner, mit denen er sich absprechen kann. Risiken und Chancen obliegen allein dem Musikschulbetreiber. Eine Musikschule mit anderen Gesellschaftern zu betreiben, bietet ebenfalls Vor- und Nachteile. Beispielsweise kann die tägliche Arbeit nach den Vorlieben und Talenten der einzelnen Führungspersonen aufgeteilt werden: So kann einer für die Erstellung eines pädagogischen Konzepts verantwortlich sein, während ein zweiter die Musikschule nach außen ver-
tritt und ein dritter sich um die Finanzen kümmert. Allerdings müssen sich die Betreiber abstimmen, was den Kommunikationsaufwand deutlich erhöht; auch müssen sämtliche Gewinne geteilt werden. ) Die Musikschule als Verein Eine Musikschule als Verein zu führen, ist ein gängiges Modell in der Praxis. Grundsätzlich ist Vereinen eine Gewinnerzielungsabsicht untersagt. Ihr primäres Ziel dient der Verwirklichung gemeinwohlorientierter Ziele. Wie bereits erwähnt, sind Vereine juristische Personen. Sie sind also Träger von Rechten und Pflichten und können auch vor Gerichten klagen – oder verklagt werden. Der Verein haftet mit seinem Vereinsvermögen. Für die Gründung eines Vereins sind sieben Personen notwendig; allerdings reichen nur drei Personen für die Besetzung eines Vorstands aus. Der Gesetzgeber schreibt zwei Organe vor, die jeder Verein besitzen muss: den Vorstand und die Mitgliederversammlung. Wer seine Musikschule als Verein führen möchte, muss beim örtlichen Finanzamt eine Vereinssatzung einreichen. In der Satzung müssen die Ziele und der Zweck klar formuliert werden. Beispielsweise ist folgende Formulierung eines Vereinsziels denkbar: „Der Verein ist Träger der Musikschule xy. Er dient einer möglichst früh einsetzenden und umfassenden musikalischen Ausbildung von Kindern und Jugendlichen, dient aber zusätzlich auch der musikalischen Erwachsenenbildung.“ Vordrucke für das Erstellen einer Satzung sind beim Finanzamt erhältlich. Ist der Verein
eingetragen, kann mit dem Betrieb einer Musikschule begonnen werden. Es ist sinnvoll, die Bescheinigung der Gemeinnützigkeit zu beantragen. Dies geschieht ebenfalls beim Finanzamt. Gemeinnützigen Vereinen werden steuerliche Begünstigungen, wie beispielsweise die Befreiung von Ertragssteuern, zugestanden. Zudem darf ein Verein Spenden entgegennehmen. ) Die Musikschule als gGmbH Die gGmbH ist eine Mischform zwischen einem Verein und einer GmbH. Wer als Rechtsform seiner Musikschule das Modell einer gemeinnützigen GmbH nutzen möchte, muss zunächst eine Satzung abschließen, deren Zielsetzung gleichzeitig die Anforderungen des Gemeinnützigkeitsrechts erfüllt. Diese sind im Steuerrecht verankert und unter Abgabenordnung (AO) § 52 Gemeinnützige Zwecke nachzulesen. Wer eine gGmbH gründen möchte, muss ein Stammkapital von mindestens 25 000 Euro einbringen. Die gGmbH ist ebenfalls wie der Verein eine juristische Person und somit Trägerin von Rechten und Pflichten. Wenn die gGmbH Gewinne erwirtschaftet, dürfen die Gesellschafter diese nicht entnehmen. Gewinne sind für die Erreichung gemeinnütziger Ziele zu reinvestieren. Grundsätzlich sind gGmbH-Musikschulen zur Erstellung einer Bilanz verpflichtet, was in der Regel einen Mehraufwand an Rechts- und Steuerberatungsleistung bedeutet. Ein wesentlicher Vorteil einer gGmbH ist der Gemeinnützigkeitsstatus. Wie ein Verein darf eine gGmbH Spenden entgegen-
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musikschule )) DIREKT 4.2015
Leben Aus dem n… gegriffe Frage
Antwort
Wir sind ein kleines Restaurant und suchen Musiker, die gelegentlich bei uns musizieren, um bekannt zu werden. Wir können zwar keine Gage zahlen, aber wenn die Sache gut funktioniert und die Musik bei unseren Gästen gut ankommt, könnten wir an den Wochenenden auch Tanzveranstaltungen machen. Sollten Sie also daran interessiert sein, Ihre Musik bekannt zu machen, melden Sie sich bitte bei uns.
Wir sind Musiker und wohnen in einem ziemlich großen Haus. Wir suchen ein Restaurant, das gelegentlich bei uns Catering macht, um bekannt zu werden. Bezahlen können wir nichts, aber wenn die Sache gut funktioniert und das Essen schmeckt, dann können wir das regelmäßig machen. Es wäre ganz bestimmt eine gute Reklame für Ihr Restaurant. Bitte melden Sie sich bei uns.
nehmen. Gerade für Privatpersonen ist dies oft ein Anreiz, Geld- oder Sachmittel zu spenden, da die Zuwendungen steuerlich geltend gemacht werden können. Des Weiteren bietet der Status der Gemeinnützigkeit einen erheblichen Image-Vorteil: Pressemitteilungen einer gGmbH oder eines Vereins werden öfter veröffentlicht als von Musikschulen, die als GbR oder Einzelunternehmen geführt werden. Zudem ist es möglich, dass die Kommune ortsansässige SchülerInnen finanziell unterstützt.
Des Weiteren erhalten Musikschulen ohne Gemeinnützigkeitsstatus keine Fördergelder und der kostenfreie Zugang zu öffentlichen Räumen, wie beispielsweise die Nutzung der Räumlichkeiten in Schulen, ist oftmals untersagt.
) Die Musikschule als Einzelunternehmen Die allgemeinen Vor- und Nachteile, seine Musikschule als Einzelunternehmen zu führen, sind bereits beleuchtet worden. In der Praxis zeigen sich im Vergleich zum Verein oder einer gGmbH allerdings noch weitere Nachteile. Das Image einer Einzelunternehmensmusikschule ist gesellschaftlich niedriger als das einer Musikschule mit Gemeinnützigkeitsstatus. So wird Einzelunternehmen oft unterstellt, ausschließlich wirtschaftliche Interessen zu verfolgen. Dass die Musikschule primär musikpädagogische Ziele verfolgt, wird von keiner unabhängigen Stelle kontrolliert und bescheinigt. Daher ist es ratsam, dass Einzelunternehmensmusikschulen – dies gilt selbstverständlich für alle Musikschulen, unabhängig von der gewählten Rechtsform – ein eigenes musikpädagogisches Konzept und Leitbild entwickeln. Durch gezielte Öffentlichkeitsarbeit kann das Image der Musikschule verbessert werden. Ob der skizzierte Image-Nachteil von den MusikschülerInnen wahrgenommen wird, ist fraglich.
) Die Musikschule als GbR oder Partnerschaft Lange Zeit war die BGB-Gesellschaft die gängige Rechtsform, um eine Personengesellschaft zu bilden. Nach §§ 705 ff. BGB heißt es: „Durch den Gesellschaftsvertrag verpflichten sich die Gesellschafter gegenseitig, die Erreichung eines gemeinsamen Zweckes in der durch den Vertrag bestimmten Weise zu fördern, insbesondere die vereinbarten Beiträge zu leisten.“ Ein wesentlicher Vorteil des Modells einer BGB-Gesellschaft ist, dass für die Tätigkeit der Gesellschafter die Entrichtung der Künstlersozialabgabe an die Künstlersozialkasse entfällt. Immerhin sind derzeit 5,2 Prozent auf sämtliche Lehrerhonorare zu entrichten. Ein Nachteil besteht allerdings in der Haftung, da in einer BGB-Gesellschaft jeder Gesellschafter auch für die Fehler seiner Mit-Gesellschafter haftet. Seit 1998 ist die Rechtsform der Partnerschaft hinzugekommen. Sie ermöglicht die Vorteile einer Personengesellschaft mit eingeschränkter Haftung; man spricht hier auch von partieller Haftungsbeschränkung. So müssen Partner nicht für die Fehler der anderen Partner haften. Inwiefern diese Rechtsform für Musikschulen geeignet ist, ist strittig, da ein möglicher Schaden beim Erteilen von Musikunterricht gering sein dürfte. Zudem ist die Grün-
dung einer Partnerschaft mit einem größeren vertraglichen Aufwand verbunden als die Gründung einer BGB-Gesellschaft.
Resümee Welche Rechtsform für das Betreiben einer Musikschule die geeignetste ist, kann nicht abschließend geklärt werden. Allerdings gelingt es Musikschulen mit Gemeinnützigkeitsstatus in der Praxis leichter, gesellschaftlich zu reüssieren. Sie können durch diesen Status Fördermittel beantragen, Spenden entgegennehmen und genießen im Allgemeinen einen höheren gesellschaftlichen Stellenwert. Dennoch ist es keineswegs so, dass die Wahl einer Rechtsform mit Gemeinnützigkeitsstatus dazu führt, dass die Musikschule automatisch Fördergelder erhält. Denn in der Regel werden ausschließlich kommunale Musikschulen bezuschusst. Eine gerechtere Verteilung der Fördermittel wäre durchaus denkbar und wünschenswert. Von Albert Einstein wird folgende Aussage überliefert: „Ich bin auch überzeugt, dass die Freude an geistigen Dingen am reinsten dort anzutreffen ist, wo diese nicht mit dem Broterwerb verknüpft ist.“ Für MusikschulleiterInnen und -lehrkräfte sollte beides möglich sein: Freude am Unterrichten und ausreichender Broterwerb. ))
Christian Rolf ist Diplom-Medienberater (ARS), Systemischer Organisationsentwickler und NLP-Master. Er ist Leiter der Gitarren-Akademie-Linden in Hannover.
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Recht ungeschützt!
Jürgen Simon
Auch bei einem langjährigen Vertragsverhältnis mit einer Rechtsschutzversicherung lohnt ein Blick ins Kleingedruckte
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Eine Rechtsschutzversicherung kann im Falle eines Rechtsstreits enorm wichtig sein. Wie gut der Schutz tatsächlich ist, zeigt sich allerdings erst, wenn der Ernstfall eingetreten ist.
)) Vor Kurzem hatte ich einen Rechtsstreit mit meiner Bank. Daher hatte meine Rechtsanwältin einen Antrag auf die Erteilung einer Deckungszusage bei der Rechtsschutzversicherung gestellt. Bereits einen Tag, nachdem die Rechtsschutzversicherung die Zusage an meine Anwältin verschickt hatte, erhielt auch ich Post von der Versicherung: Nach gründlicher Begutachtung des Schadensverlaufs sehe man sich leider außer Stande, das Versicherungsverhältnis fortzusetzen und kündige daher gemäß § 12 der Versicherungsbedingungen zum nächsten Monatsende. § 12 legt unter anderem fest, dass die Versicherung den Vertrag bereits nach dem zweiten Versicherungsfall innerhalb von zwölf Monaten kündigen kann – und tatsächlich hatte ich die Rechtsschutzversicherung einige Monate zuvor wegen einer anderen Angelegenheit in Anspruch genommen. Nun kann man natürlich in einem solchen Fall eine neue Versicherung suchen, doch ergeben sich dabei zwei gravierende Probleme. Zum einen fragen viele Versicherungen beim Abschluss, ob man von einer vorigen Versicherung gekündigt wurde, und lehnen in einem solchen Fall möglicherweise eine Versicherung ab. Viel schwerer wiegt jedoch, dass eine Rechtsschutzversicherung nur dann für ei-
nen Rechtsstreit aufkommt, wenn dessen Beginn innerhalb der Versicherungslaufzeit lag. Wenn z. B. ein Angestellter gegen eine Kündigung klagen muss, kann es durchaus sein, dass eine Versicherung die Deckungszusage verweigert, weil eine möglicherweise vorausgegangene Abmahnung vor dem Abschluss der Versicherung lag, diese Abmahnung aber mit ursächlich für die Kündigung war. Aus diesem Grunde ist es bei einer Rechtsschutzversicherung wichtig, diese nicht jedes Jahr zu wechseln, sondern möglichst lange denselben Vertrag zu behalten. Gegen eine Kündigung durch die Versicherung ist man jedoch weitestgehend machtlos, da die Versicherung nicht einmal eine Vorwarnung verschickt – etwa in der Art: Vorsicht lieber Kunde, wenn wir diesen Fall tatsächlich übernehmen sollen, werden wir die Versicherung anschließend kündigen. Daher muss man sich vor jedem Fall fragen, ob die Sache so wichtig ist, dass man seinen Versicherungsschutz dafür riskiert. Gegen eine solche Kündigung hilft es auch nicht, vorher lange Jahre Kunde der Versicherung gewesen zu sein. In meinem Fall hatte ich 18 Jahre denselben Versicherungsvertrag, ohne ihn auch nur ein einziges Mal in Anspruch genommen zu haben, und wurde dennoch bei der ersten Gelegenheit gekündigt. Wenigstens für den existenziellen Bereich des Arbeitsrechtsschutzes gibt es aber eine sichere Alternative: Wer in einer Gewerkschaft ist, bekommt von dieser Gewerkschaft Rechtsschutz in allen arbeitnehmerrelevanten Bereichen. Die Gewerkschaf-
ten ver.di und GEW bieten auch Rechtsschutz für freie Mitarbeiter (zum Beispiel an Musikschulen). Sogar freischaffende Musiklehrerinnen und -lehrer und Künstlerinnen und Künstler bekommen insbesondere im Bereich von Verträgen und Honoraren Rechtsschutz durch die Gewerkschaft. Und ganz wichtig: Die Gewerkschaft kündigt den Rechtsschutz nicht, egal wie oft er in Anspruch genommen werden muss! ))
Jürgen Simon ist Cellist im Brandenburgischen Staatsorchester Frankfurt (Oder). Er entwickelte ein Orchesterverwaltungsprogramm für sein Orchester.
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musikschule )) DIREKT 4.2015
Fachtagung zu musikpädagogischen Programmen in Schulen am Beispiel der Stadt Essen
Mehrwert oder „Viele Köche …“?
)) Ende Mai hatte der Landesmusikrat NRW nach Essen eingeladen, um mit VertreterInnen aus Stadt, Schule, Musikschule, Wissenschaft und Ministerium einen Tag lang mit kurzen Impulsvorträgen und moderierten Gesprächsrunden über musikpädagogische Programme zwischen Schule und außerschulischen Partnern zu berichten und zu diskutieren. Dabei stand JeKi, demnächst JeKits, nicht im Vordergrund, sondern reihte sich ein in eine Vielzahl musikalischer Projekte. Der sprechende Titel der Veranstaltung – „Mehrwert oder ,Viele Köche …‘?“ – lud ein, sich immer wieder dieser Metaphern zu bedienen. So hält jedes Restaurant/jede Schule mehrere Gerichte/Unterrichtsfächer auf der Speisekarte/Stundentafel bereit. Musikpädagogische Programme stehen dabei für einen Teil der Speisenauswahl. Die Köche/Lehrkräfte bringen bei der Zubereitung unterschiedliche Kompetenzen ein, aus denen schmackhafte Gerichte für die Kinder entstehen. Als wesentliches Gewürz nehme man Kommunikation. Und alle wünschen sich nichts sehnlicher, als dass die Kinder Geschmack an den Gerichten finden und satt werden. Zwei Fragen standen im Vordergrund: 1. Welche Relevanz haben Programme außerschulischer Kooperationspartner für die Schülerinnen und Schüler? 2. Wie funktioniert die Vernetzung mit den Schulen aus Sicht der Kooperationspartner? Die Fragestellungen wurden für die Primarund Sekundarstufe in moderierten Gesprächen erörtert. Michael Dartsch fasste die Statements durch Impulse und Schlussfolgerungen zusammen. Dabei ging er
schwerpunktmäßig auf die Bedeutung der musikbezogenen Kooperationen für die musikalische Bildung ein, wo wir sonst doch allzu oft von den Sekundäreffekten musikpädagogischer Programme in Bezug auf Sozialverhalten, Konzentration oder Sprachförderung hören. Dartsch nannte vier wichtige Aspekte musikalischer Bildung: ) Erfahrung, ) Ausdifferenzierung, ) Nachvollzug kultureller Produkte und ) Einbringen eigener Ideen. Diese vier Punkte sind die Zutaten einer musikpädagogischen Kooperation – nicht nur in Bezug auf die Schülerinnen und Schüler, sondern auch auf die an der Kooperation beteiligten Lehrkräfte und Institutionen.
Erfahrung Insgesamt sieben verschiedene Musikprogramme wurden vorgestellt, davon arbeiten drei an Grundschulen und vier an weiterführenden Schulen. Die drei Grundschulprogramme kooperieren alle mit der Folkwang Musikschule Essen: Neben dem JeKi-Programm, repräsentiert durch die Joachimschule in Essen-Kray, stellte die Folkwang Musikschule das Essener SingNetz (siehe dazu den Bericht in üben & musizieren 3/2015) vor, vertreten durch die Schule an der Heinickestraße in EssenZentrum, sowie ein Klassenmusizierprogramm mit dem Instrument Blockflöte an der Graf-Spee-Schule in Essen-Bredeney. Die Konzepte der weiterführenden Schulen sind sehr unterschiedlich: das Kulturagenten-Programm an der Erich-Kästner-
Ulrike Tervoort
Gesamtschule in Essen-Steele, der „Jamtruck“ der Folkwang Musikschule an der Gertrud-Bäumer-Realschule in Essen-Altenessen, Bläserklassen am Leibnitz-Gymnasium und ein Musikprogramm ohne Kooperationspartner an der Gesamtschule Nord in Essen-Vogelheim.
Ausdifferenzierung Das Klassenmusizieren an der Graf-SpeeSchule und das Essener SingNetz starteten zunächst als AGs im Ganztag. Doch im Lauf der Zeit wurden diese Konzepte soweit verändert, dass sie mehr und mehr in das Schulleben integriert werden konnten. Durch die Zusammenarbeit zwischen Schule und Musikschule fand eine Differenzierung statt, die den Gegebenheiten eher entsprach. An der Graf-Spee-Schule gibt es für die beteiligten Lehrkräfte 45 Minuten pro Woche als Besprechungszeit. So forderte auch Werner Rizzi, dass die agierenden Partner Flexibilität einbringen müssten und die gewachsenen Strukturen vor Ort nicht ignorieren könnten. Die Joachimschule, die das JeKi-Programm als Chance sieht, dass Kinder überhaupt mit musikalischem Handeln und Instrumenten in Kontakt kommen, arbeitet mit dem Übehaus Kray zusammen. Die Kinder werden von der Schule zum Üben abgeholt und individuell betreut, um Nachhaltigkeit möglich zu machen. Die Bläserklassen des Leibnitz-Gymnasiums stellen eher ein herkömmliches Klassenmusizierkonzept an weiterführenden Schulen dar, wobei es dort keine reinen Bläserklassen gibt, sondern die musizieren-
© Landesmusikrat NRW
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den Kinder auf mehrere Klassen verteilt sind. Ein wichtiger Bestandteil der musikalischen Arbeit ist das gemeinsame Konzertieren. Auch an dieser Schule werden den beteiligten Lehrkräften 45 Minuten wöchentlich zur gemeinsamen Planung zur Verfügung gestellt. Vom gelungenen Ergebnis dieser Kooperation konnten sich alle zum Schluss der Tagung überzeugen. Dagegen hat die Arbeit im Jamtruck nichts mit einem Klassenmusizierkonzept gemeinsam. Fünf bis sechs Jugendliche werden von der kooperierenden Schule ausgesucht, um während der Dauer von bis zu einem Jahr einmal wöchentlich eine Stunde in einer Band zusammenzuarbeiten. Dabei erhalten sie von zwei Musikschullehrkräften Unterstützung. Von Seiten der Gertrud-Bäumer-Realschule wurde auch Kritik geübt: So spielen die ausgewählten SchülerInnen nicht als Band zusammen ihre Werke ein, sondern wie im Tonstudio üblich nimmt jeder seinen Part alleine auf. Auf diese Weise werde das gemeinsame Musizieren zu wenig gefördert; die entstandenen Werke würden nicht Teil des Schullebens, wenn die SchülerInnen es nicht möchten. Eine Verzahnung mit dem Schulleben sei eher nicht gewünscht. Die Gesamtschule Nord trennte sich nach einem Schuljahr vom Kooperationspartner Musikschule. Die MusiklehrerInnen vor Ort machen sich bis heute für ihr Musikprojekt stark und es ist fester Bestandteil des Schullebens. Die Erich-Kästner-Gesamtschule kooperiert mit dem KulturagentenProgramm des Landes NRW. Der Schwerpunkt dieses Projekts liegt jedoch eher im dramaturgischen Bereich.
Nachvollzug kultureller Produkte Die beiden musikalischen Beiträge zu Beginn (Chorklassen der Schule an der Heinickestraße) und zum Schluss der Tagung (Bläserklassen des Leibnitz-Gymnasiums) waren Ergebnisse der musikpädagogischen Arbeit. Dabei kann die Präsentation als ein wesentlicher Bestandteil dieser Konzepte gesehen werden. Walter Lindenbaum betonte, dass die Programme zur Weiterentwicklung der Musikkultur beitragen sollen. Doch was ist Musikkultur? Das Schaffen einer simplifizierten Parallelwelt kann damit jedenfalls nicht gemeint sein, so Dartsch. Um einen Nachvollzug kultureller Produkte zu gewährleisten, muss die Begrifflichkeit der beiden handelnden Parteien auf einen Nenner gebracht werden. Das, was unter Musikkultur von Seiten der Schule bzw. des außerschulischen Partners verstanden wird, könnte ein Thema für eine weitere Tagung sein.
Einbringen eigener Impulse Kinder haben ein Recht auf ein selbstbestimmtes Leben, ebenso ein Recht auf selbstbestimmten Umgang mit Musik. Die Wege zur Musik müssen vielen Kindern jedoch zunächst aufgezeigt werden. Das JeKi/JeKits-Programm kann dafür nur ein Impulsgeber sein, denn dort, wo die Kinder den Umgang mit Musik erst lernen müssen, bedarf es zusätzlicher Einrichtungen wie beispielsweise des Übehauses in Essen-Kray (siehe dazu den Bericht in üben & musizieren 6/2012). Die Verteilungsgerechtigkeit
kultureller Bildung – so Holger Noltze – ist leider keine Selbstverständlichkeit und bedarf oft einer solchen Unterstützung.
Fazit Musikpädagogische Programme befinden sich in einem dynamischen Prozess, der sich in den nächsten Jahren weiterentwickeln wird. Das Ziel ist noch nicht in Sichtweite. Daher benötigen wir auf jeden Fall in Zukunft weitere Tagungen, um im Gespräch zu bleiben. Der Besuch der Ministerin für Schule und Weiterbildung NRW, Sylvia Löhrmann, zeigte das hohe Interesse des Landes am Thema und die Bereitschaft, diese Prozesse voranzutreiben. Das JeKi/JeKits-Programm macht es vor, dass Musikpädagogik nicht in einer „Projektitis“ stecken bleiben darf. Die systematische Verankerung musikpädagogischer Programme mit außerschulischen Partnern sollte zu einer selbstverständlichen Aufgabe der Länder – nicht nur in NordrheinWestfalen – werden. Und was wird noch benötigt? Michael Dartsch fasste zusammen: Räume, Zeit für das Üben, Übementoren, möglichst keine Bürokratie, Stärken der Kompetenzen der durchführenden Lehrkräfte und – Geld, Geld, Geld … ))
Ulrike Tervoort ist Leiterin des Fachbereichs Gesang an der Folkwang Musikschule Essen sowie Leiterin und Initiatorin des Programms Essener SingNetz.
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Eine besondere Gratwanderung
Markus Menke
Verträge für freie Instrumentallehrkräfte an Musikschulen Sicher bekommen Sie für ein Engagement an einer Musikschule einen Vertrag vorgelegt. Diesen sollten Sie sorgfältig lesen: Zum einen kann es durchaus sein, dass Musikschulleitungen nicht immer mit allen Details dieser Verträge vertraut sind. Zum anderen enthält jeder Vertrag den Abschnitt „Besondere Vereinbarungen“: Hier sind Sie gefragt, Ihre ganz persönlichen Belange einzubringen.
)) Verträge zwischen „Freien“ und Musikschulen sollten zwei Dinge eindeutig klären: 1. Leistung und Gegenleistung im Rahmen der Zusammenarbeit. 2. Verhältnis von freien MitarbeiterInnen und Musikschule in Bezug auf das Gesetz zum Schutz vor Scheinselbstständigkeit. Punkt eins ist übersichtlich: Sie werden verpflichtet, ein oder mehrere Fächer bzw. Instrumente zu unterrichten. Und: Jede geleistete Unterrichtsstunde wird finanziell vergütet. Natürlich werden auch Ferienzeiten, Kündigungsfristen, Fahrtkostenzuschuss, Rechnungsstellung und Zeitpunkt der Honorarauszahlung vereinbart. All das verhält sich analog zu den Unterrichtsverträgen, die Sie mit PrivatschülerInnen abschließen. Unterzeichen müssen den Vertrag von Seiten der Musikschule der oder die gesetzlichen Vertreter. Es kann durchaus vorkommen, dass Sie ein Einstellungsverfahren mit Fach- oder Pädagogischen Leitungen durchführen; gesetzlich wird die Musikschule aber durch eine Geschäftsführung, Direktion oder einen Vorstand vertreten. Diese müssen dann auch unterzeichnen! Im Fall von Auseinandersetzungen ist der Vertrag sonst wertlos und Sie haben keinerlei Ansprüche. Meist sind es ausbleibende Honorarzahlungen, denen Sie dann erfolglos hinterherlaufen.
Punkt zwei hat es in sich: Der Vertrag muss in allen Punkten sicherstellen, dass Sie wirklich freiberuflich an der Musikschule tätig sind. Fünf Indikatoren listet das Gesetz zum Schutz vor Scheinselbstständigkeit auf: 1. Das wirtschaftliche Risiko liegt bei Ihnen. 2. Sie entscheiden, welche SchülerInnen Sie unterrichten. 3. Sie sind nicht in betriebliche Abläufe eingebunden. 4. Sie sind frei in der Festlegung von Zeit und Ort der Tätigkeit. 5. Sie sind frei in der inhaltlichen Gestaltung. Für Ihre Selbstständigkeit müssen nicht alle fünf Indikatoren gleichzeitig erfüllt sein, aber eine Mehrheit. Und: Die Selbstständigkeit muss „gelebt“ werden, nur die Schriftform reicht nicht aus. Das bedeutet, dass Sie immer mehr als einen Auftraggeber benötigen – und hat Auswirkungen auf den Vertrag: 1. Die Bezahlung kann nur vom erteilten Unterricht abhängen und verändert sich deshalb mit jeder Änderung der Schülerzahl. Es kann keine Honorarfortzahlung in den Ferien oder im Krankheitsfall erfolgen. Sie sollten daher Mitglied der Künstlersozialkasse werden und sich bei Ihrer Krankenkasse mit einem Sondertarif ab dem 15. Krankheitstag die Krankentagegeldzahlung sichern! 2. Zwar melden sich die SchülerInnen bei der Musikschule an; es muss aber ein Prozedere geben, das belegt, dass Sie individuell entscheiden, welche SchülerInnen Sie unterrichten. 3. Es gibt verschiedene betriebliche Abläufe: Probezeit, Konferenzen, Fortbildungen, Deadline für die Einreichung Ihrer Rechnung. All das darf Ihnen nicht von der Musikschule vorgeschrieben werden – im Vertrag muss formuliert sein, dass Sie
die Musikschule beauftragen, gewisse Aufgaben zu übernehmen. 4. Das gilt auch für Unterrichtsort und -zeit! 5. Der Vertrag darf nicht beinhalten, dass Sie in der Musikschule Ihren Unterricht an inhaltlichen Vorgaben orientieren. Im Vertrag sollte erwähnt sein, ob die Musikschule umsatzsteuerbefreit nach § 4 Abs. 21 ist. Sie können dann für Ihre Steuererklärung die Honorare, die Sie über diese Musikschule einnehmen, als umsatzsteuerfrei behandeln. Recht neu ist in Verträgen aufgenommen, wie es sich mit der Nutzung von kopierten Noten verhält. Kopieren verstößt gegen das Urheberrechtsgesetz. Seien Sie solidarisch mit Komponistinnen und Komponisten und halten Sie sich an die mit den Verwertungsgesellschaften geschlossenen Vereinbarungen. „Freie“ tragen die Verantwortung, wenn es durch ihre Verstöße gegen diese Regelung zu Regressforderungen kommt. Zum guten Schluss: Es ist für „Freie“ interessant, mit einer Musikschule zusammenzuarbeiten. Es ergeben sich Netzwerke mit KollegInnen. Das kommt den SchülerInnen zugute (Kammermusik), aber auch Ihnen als Künstler (Austausch). Ob wir als „Freie“ Sparmodelle für die Musikschulen sind, hängt von den Honorarverhandlungen ab, die wir bereit sind zu führen! ))
Markus Menke ist Direktor des Hamburger Konservatoriums. Er studierte Ökonomie, Klavier, EMP und Kontrabass und lehrt seit 1999 Berufskunde an Musikhochschulen.
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Instrumentalpädagogische Profile. Teil II: Für eine bewusste Profilpraxis
Einzigartig. Wertvoll. )) Im ersten Teil meines Beitrags waren die Leserinnen und Leser eingeladen, anhand von zwanzig ausgewählten Impulsfragen das eigene Berufsprofil als InstrumentalpädagogIn zu reflektieren.1 Ich habe erläutert, wofür eine professionelle Selbstvergewisserung im Einzelnen nützlich sein kann, vor allem dann, wenn man den Instrumentalpädagogikberuf langfristig erfolgreich und gesund ausüben möchte. In Gesprächen mit KollegInnen zu diesem Thema fällt mir häufig auf, dass der Bewusstseins- und Reflexionsgrad über das eigene Berufsprofil sehr unterschiedlich ausgeprägt ist. Nach meinem Eindruck wird dem Thema im Berufsalltag von LehrerInnen bzw. im Arbeitsalltag von Musikschulen und Berufsverbänden (zu) wenig Aufmerksamkeit geschenkt. Hier können noch vielfältige, bisher wenig beachtete persönliche und institutionelle Gestaltungsmöglichkeiten genutzt werden. Deshalb möchte ich in diesem zweiten Teil meines Beitrags für die bewusste, gezielte und stimmige Nutzung des Profilpotenzials werben. Dazu formuliere ich im Folgenden sieben Anregungen bzw. Vorschläge und erläutere diese anhand meiner Praxisbeobachtungen. Ich möchte damit im Sinne von Hartmut von Hentigs pädagogischem Diktum: „Die Menschen stärken, die Sachen klären“2 (man beachte die Reihenfolge), dazu bei-
tragen, dass sich jeder einzelne Musikpädagoge und unsere Berufsgemeinschaft insgesamt überzeugender, attraktiver und glaubwürdiger erleben und dadurch sowohl der einzelne wie auch unser Fach überzeugender, attraktiver und glaubwürdiger nach außen wirken.
Anregung 1 Die allgemeine Weiterentwicklung der eigenen Persönlichkeit in den Blick nehmen und „Selbst-Bildung“ üben Profilbeschreibungen von InstrumentalpädagogInnen vermitteln anhand der Formulierungen und der Wortwahl, auch anhand der (Nicht-)Verwendung bzw. der individuellen Bedeutungsgebung zentraler Begriffe des Fachs3 einen Eindruck vom persönlichen Stand der geistigen Durchdringung des Berufs. In der Art dieser (Selbst-)Beschreibungen, Wertsetzungen und Begründungen zeigt sich (auch) eine Sprachkompetenz, die nach Wilhelm von Humboldt zugleich ein Element und Ausdruck von Bildung ist.4 Und obwohl Bildung ein aktuelles, großes gesellschaftspolitisches Thema ist, ist doch fraglich, ob nicht in Beruf und Privatleben (von InstrumentalpädagogInnen) angesichts der vielfältig zu beobachtenden Tendenzen zur „Selbstoptimierung“ das, was
Bernd Dahlhaus
Humboldt ursprünglich mit dem Wort Bildung meinte, eher in das Gegenteil verkehrt wird. Auch InstrumentalpädagogInnen scheinen nicht davor gefeit, einer zielfixierten Output-Orientierung und der Absolutsetzung von Effizienz zu erliegen. Dies zeigt sich beispielsweise, wenn Freiberufler betriebswirtschaftliche Grundannahmen, Prinzipien und Strategien auf ihren Beruf übertragen in der Annahme, dass damit eine finanzielle Existenzsicherung bzw. eine Einkommensverbesserung grundsätzlich und zuverlässig, am besten auf direktem Weg und in möglichst kurzer Zeit machbar sei. Demgegenüber plädiert der Personalberater Stephen Covey für das Veränderungsprinzip „von innen nach außen“.5 Bevor eine gewünschte Veränderung im Außen eintreten könne, sei zunächst eine Veränderung der kognitiven und emotionalen Muster notwendig.6 Diese Art von „Selbst-Bildung“ könnte berufspraktisch unter anderem so aussehen, dass InstrumentalpädagogInnen es sich zur Gewohnheit machen, in gewissen Zeitabständen über sich und ihre Berufstätigkeit nachzudenken. Hierzu nehmen sie sich eine Auszeit vom Alltag, beispielsweise in ritualisierter Form an einem jährlich festgelegten Wochenende alleine oder in der Gruppe mit KollegInnen an einem schönen auswärtigen Ort. Aspekte der Reflexion können sein:
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Gute Töne aus Aachen: „Freie“ sollen Festanstellungen erhalten Die Stadt Aachen ist auf bestem Weg, die bislang auf Honorarbasis angestellten Lehrkräfte der städtischen Musikschule in Festanstellungen zu überführen. Dies betrifft immerhin 56 von 94 Lehrkräften, die als freie MitarbeiterInnen tätig sind. Die städtischen Kulturpolitiker kommen mit dem einstimmig gefassten Beschluss einem Antrag aus Reihen der freien Musikschul-
lehrer nach, der anfangs vor allem bei der SPD und der Linken Unterstützung fand. Doch auch in den anderen Fraktionen wird längst die Notwendigkeit gesehen, den freiberuflichen Kräften feste Verträge anzubieten. Von großer Bedeutung ist, dass in der Beschlussvorlage nicht nur arbeitsrechtliche Gründe, sondern ausdrücklich auch quali-
tative Argumente genannt werden. So heißt es dort: „Weiterhin gilt zu beachten, dass eine Musikschule mehr ist als reine Erteilung von Unterricht. Neben dessen Vor- und Nachbereitung gilt es u. a. pädagogische Konzepte zu entwickeln und zu implementieren […]. Unabdingbare Voraussetzung für eine effiziente Umsetzung der mit dem Bildungsauftrag der städt.
) die Impulsfragen aus dem ersten Teil, ) eine Bestandsaufnahme der aktuellen beruflichen Situation, ) eine bilanzierende Rückschau, ) anstehende Aufgaben, ) (neue) fachliche Interessen, Vorhaben und Projekte, ) dazu eine Vorausschau mit offener Planung inklusive einem ganz andersartigen „Plan B“, ) „Best-“ und „Worst-Case“-Szenarien … Dabei ist es hilfreich, inhaltlich und methodisch eine gewisse „Denkdisziplin“ zu wahren, ebenso, in eine gewisse Distanz zu sich selbst gehen zu können. Dies hilft, stabilisierende Problemmuster leichter erkennen und ein Abschweifen vom Thema leichter vermeiden zu können. Keinesfalls sollte eine berufliche Selbstreflexion in „Profilierungsstress“ ausarten, nämlich dann, wenn durch eine unrealistische Selbsteinschätzung, durch überhöhte Erwartungen und überambitionierte Ziele selbsterzeugter Umsetzungsdruck entsteht, statt dass die Lust und Freude an der eigenen Weiterentwicklung positiv verstärkend auf den Berufsalltag wirken kann. Sich selbst in der Welt begründet verorten zu können (und dies nicht nur fachlich), hat Auswirkungen auf die Qualität der Kommunikation mit sich selbst und anderen – nicht nur im Unterricht.
Weiteres mehr können im individuellen Fall selbstverständlich wichtige Teilinformationen einer Profilbeschreibung sein.7 Allerdings sagen diese Informationen kaum etwas aus über die persönlichen Beweggründe, die Begeisterung und Leidenschaft des Pädagogen oder der Pädagogin. Aussagekräftiger wäre beispielsweise eine Beschreibung des roten Fadens, der eine Berufsbiografie und die unterschiedlichen Tätigkeitsfacetten zusammenhält. Nicht (nur), was ein Instrumentalpädagoge wo und wann tut, sondern vor allem wie, warum (im Sinne eines Erklärungsversuchs für das Gewordene) und wofür (im Sinne des Angestrebten, des als sinnvoll Erlebten) er seinen Beruf ausübt, beschreibt sein Wesen und seine Einzigartigkeit. Diesen Wesenskern immer genauer zu erkennen und beschreiben zu können, ist Grundlage für eine gesunde lebenslange Berufsausübung und gleichzeitig bleibende Aufgabe. Hilfreich wäre es, wenn dem „Persönlich-Werden“ in Aus- und Weiterbildung sowie im Berufsalltag mehr Aufmerksamkeit und Wertschätzung entgegengebracht würde.
lich als Reaktion auf äußere Veränderungen statt, sind die persönlichen Gestaltungsmöglichkeiten von vornherein eingeschränkt, weil sich diese auf den vorgegebenen, begrenzten Rahmen beziehen (müssen). Eine eigeninitiative und vorausschauende Profilschärfung „in guten Zeiten“ bietet per se mehr Handlungsoptionen, weil zunächst fast alles denkbar ist (siehe Anregung 1).
Anregung 2
Viele InstrumentalpädagogInnen denken in der Regel erst dann über ihr berufliches Profil nach, wenn ein äußerer Anlass, der meist zunächst als unangenehm empfunden wird, dies notwendig macht. Solche Anlässe können sein gehäufte Schülerabmeldungen bei Freiberuflern oder Vorgaben der Politik wie z. B. Kooperationen der Musikschule mit anderen Institutionen (siehe JeKi) oder Inklusion. Findet die berufliche Selbstreflexion jedoch ausschließ-
Persönlich werden Instrumentallehrkräfte beschränken sich in ihren Profilbeschreibungen häufig auf die Aufzählung von Sachinformationen. Angaben über Ausbildungsort(e), über frühere und aktuelle Tätigkeitsorte, aktuelle Unterrichtsfächer, eventuell künstlerische Tätigkeiten, über Zusatzausbildungen und
Anregung 3 Sich „in guten Zeiten“ aktiv und vorausschauend mit der eigenen Profilentwicklung beschäftigen
Anregung 4 Der eigenen Einzigartigkeit und dem individuellen Beitrag zum Fach vertrauen Freiberufliche InstrumentalpädagogInnen (und zum Teil auch Honorarkräfte) denken in der Regel mehr über ihr Berufsprofil nach als Musikschulangestellte. Freiberufler sind es gewohnt, sich auf dem „instrumentalpädagogischen Markt“ in Wort und Tat als Experte zu positionieren und darzustellen und bei Interessenten, Kunden und der Öffentlichkeit Kompetenzzuschreibungen zu erwirken. Weil ihnen wie jedem unternehmerisch Handelndem die Abhängigkeit von diesen Außenzuschreibungen bewusst ist, investieren sie kontinuierlich Zeit und Geld in ihre Profilierung. In überspitzter, ungünstiger Form kann dies allerdings dazu führen, dass sich Freiberufler als Dauerzustand ständig (zu sehr) selbstkritisch hinterfragen – vor allem in Phasen, in denen Unterrichtsanfragen ausbleiben. Kommen Selbstzweifel auf, die die persönliche und fachliche Souveränität beeinträchtigen, entsteht ein Teufelskreis. Um dem zu entkommen, ist es hilfreich, sich Referenzerfahrungen aus der Berufsbiografie, in denen man einen guten emotionalen Zugang zur eigenen Einzigartigkeit hatte, wieder aktiv bewusst zu machen.8
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Musikschule verbundenen Ansprüche ist es, eine betriebliche Struktur zu schaffen, die eine enge Verzahnung der verschiedenen Arbeitsebenen gewährleistet und der Leitungsebene Führungs- und Steuerungsinstrumente zur Verfügung stellt, um auf die Unterrichtsgestaltung und -qualität Einfluss nehmen zu können. […] Diese Einflussnahme auf die Unterrichtsgestaltung ist der Leitung der Musikschule für die im Rahmen eines freien Mitarbeiterverhältnisses tätigen Lehrkräfte gerade
nicht gegeben, so dass deren Unterrichtsgestaltung u. a. einer wirksamen (Qualitäts-)Kontrolle entzogen ist.“ Die größte Herausforderung bei der Umsetzung stellt – wie so oft – die Finanzierung dar. Die geplanten Festanstellungen erfordern in den nächsten Jahren zusätzlich gut 120 000 Euro Personal-Mehrkosten. Dieses Geld sollen die Musikschule und der ohnehin schon klamme städtische Kulturbetrieb aufbringen, hat die Kämmerin bekräftigt.
Im Wesentlichen werden die Kosten über eine neue Entgeltordnung refinanziert werden müssen, sprich: Die Musikschulkurse werden ab 2016 teurer. Denkbar ist aber auch, dass die eine oder andere kulturelle Veranstaltung demnächst gestrichen werden muss. Einig sind sich jedoch alle Politiker, dass es keine Umschichtungen zu Lasten der freien Kultur geben soll. – Trotz aller Schwierigkeiten: ein mutiger Schritt der Stadt Aachen zur Bekämpfung des Musikschulprekariats!
Anregung 5
rufliche Weiterentwicklung ihrer Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter zu unterstützen. Sie geben diesen hierzu Raum, indem sie beispielsweise bestimmte künstlerische, pädagogische, organisatorische oder konzeptionelle (Gestaltungs-)Aufgaben innerhalb der Musikschularbeit an die Mitarbeiter delegieren. Weiterhin fördern LeiterInnen die Teilnahme der KollegInnen an musikpädagogischen Fortbildungsmaßnahmen genauso wie an Schulungen für den Musikschul-Führungskräftenachwuchs. Hierzu werden die Mitarbeiter freigestellt und die Finanzierung von der Schule übernommen. In der Regel entsteht eine Winwin-Situation: Die Musikschule unterstützt ihre Mitarbeiter in ihrer Entwicklung und diese bereichern mit ihrer Expertise, das heißt in der Gesamtheit der verschiedenen Berufsprofile im Team die Musikschularbeit. Bei genauerer Betrachtung trüben allerdings zwei Aspekte diese Praxis. So führt der Statusunterschied zwischen TVöDMitarbeitern und sogenannten „freien Mitarbeitern“ per definitionem zu einer Ungleichbehandlung. Nach meinem Überblick kommen in der Regel ausschließlich festangestellte Musiklehrkräfte in den Genuss einer aktiven beruflichen Förderung, „freie Mitarbeiter“ müssen hingegen ihre berufliche Weiterentwicklung aus eigener Kraft betreiben. Des Weiteren handelt es sich allgemein bei der „Förderpraxis“ meist um punktuelle und selektive Maßnahmen. Fördermaßnahmen werden in der allgemeinen Organisationstheorie auch als „Instrumente zur Personalentwicklung“ bezeichnet (vgl. „Mitarbeitergespräche“, „leistungsorientierte Bezahlung“). In diesem Sinne werden Maßnahmen für eine bestimmte Zielerreichung „instrumentalisiert“, sie erscheinen implizit als etwas Besonderes, als
etwas vom normalen Alltag Abgesondertes. Mitarbeiter „lernen“ unterschwellig auf diese Weise, dass berufliche Weiterentwicklung immer mit „Maßnahmen“ verbunden ist. Demgegenüber möchte ich für eine Alltagskultur in der Musikschularbeit werben, in der sich alle Beteiligten als „Potenzialentfaltungsgemeinschaft“9 verstehen. Nach diesem Paradigma unterstützen sich die Mitarbeiter grundsätzlich gegenseitig in der Entwicklung ihres jeweiligen Profils, indem u. a. eine wertschätzende Kommunikation und das Prinzip der Ressourcenorientierung im Miteinander „der Normalfall“ sind. (Und dies auch und besonders in Belastungs- und Konfliktsituationen.) Solch eine „Profilentwicklungskultur“ könnte in der Praxis z. B. an Folgendem erkennbar sein: ) Ein regelmäßiger Tagesordungspunkt von Fachkonferenzen lautet: „mein Profil“. Hier erhält jeweils eine Lehrkraft zehn Minuten Zeit, sich als InstrumentalpädagogIn zu beschreiben. Auf Wunsch geben die KollegInnen eine Rückmeldung. ) KollegInnen treffen sich eigeninitiativ in regelmäßigen Abständen zu „Profilgruppen“ (siehe Anregung 1). ) Nach Art des Modells „Mitarbeiter des Monats“ wird jeweils das Profil eines Kollegen am öffentlichen Aushangbrett und auf den Internetseiten der Musikschule vorgestellt („Feature“). ) In kollegialen, Leitungs- und Konferenzgesprächen ist eine Haltung des wirklichen und offenen Interesses am anderen konkret erlebbar – vor allem des Interesses an den Stärken, Neigungen und an dem, was den anderen fasziniert. Musikschulen können ihren Mitarbeitern, vor allem den Honorarkräften (nach heutigem Stand) leider kaum finanzielle Entwicklungsmöglichkeiten bieten, eine be-
Selbstverantwortlich, das heißt eigeninitiativ und innerlich unabhängig mit persönlichen und beruflichen Entwicklungsfeldern auseinandersetzen Im Unterschied zu Freiberuflern profitieren MusikschullehrerInnen in Bezug auf ihren Expertenstatus und die Schülerakquise vom Renommee und vom Bekanntheitsgrad ihres Arbeitgebers Musikschule. Für angestellte Musikschullehrer besteht aus dieser Sicht in der Regel keine dringende Notwendigkeit, sich bewusst und eigeninitiativ mit dem persönlichen Berufsprofil auseinanderzusetzen und dieses langfristig gezielt weiterzuentwickeln. Natürlich könn(t)en politisch gewollte Neuerungen wie beispielsweise Kooperationen oder Inklusion zumindest als äußere Anlässe für eine persönliche Profilentwicklung genutzt werden. Diese Anlässe werden aber häufig von den KollegInnen eher als Fremdbestimmung gewertet, denn als Chance begrüßt (siehe Anregung 3). Statt sich als angestellter Musikschullehrer hinsichtlich seiner beruflichen Weiterentwicklung langfristig (zu sehr) im Schutzraum des Arbeitgebers Musikschule einzurichten, ist es ein Zeichen souveräner Professionalität, sich als unabhängigen Experten zu begreifen, der inneren (fachlichen) Impulsen folgt, diese in das System Musikschule einbringt und es dadurch zugleich bereichert und fordert.
Anregung 6 Im Arbeitsalltag bewusst eine „Profilkultur“ leben Musikschulleitungen nutzen in der Regel verschiedene Möglichkeiten, um die be-
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Wir verfügen über ein zeitlebens lernfähiges Gehirn, das für die Lösung von Problemen optimiert ist. Doch alte, gebahnte Denkmuster verhindern, was für das Entstehen von Potenzialentfaltungsgemeinschaften erforderlich ist: Vertrauen, Austausch, Begegnung. Wenn wir erkennen, dass unser Gehirn sein Potenzial in Netzwerken mit anderen entfalten kann, dann öffnet sich auch der Weg in eine hoffnungsvolle Zukunft, denn: Gemeinsam verfügen wir über deutlich mehr Hirn als allein!
wusste „Profilentwicklungskultur“ wäre zumindest ein fachlich-inhaltlicher Beitrag der Institution zur Berufszufriedenheit der MitarbeiterInnen. Ebenso können Funktionäre und Führungskräfte in Berufsverbänden die Idee einer „Potentialentfaltungsgemeinschaft“ (noch mehr) im Alltag der Verbandsarbeit kultivieren.
Anregung 7 Die Entwicklung des Berufsprofils von InstrumentalpädagogInnen zum zentralen Leitthema machen und vielfältige Räume zur persönlichen Profilschärfung anbieten Aktuelle Diskursthemen in Berufsverbänden, Fortbildungsthemen in Programmen verschiedener Anbieter sowie Vortragsund Workshopthemen auf Fachkongressen10 sind in der Regel überwiegend „faktisch“ ausgerichtet. Alle Beteiligten gehen dabei scheinbar von der Annahme aus, dass es Ziel sein sollte, primär „Sachen zu klären“ und dass hierfür bestimmte (exklusive) Informationen nötig sind bzw. ausgetauscht werden müssen. Damit ein Fortschritt in der Sache oder eine Lösung im weiteren Sinne jedoch gelingen kann, muss die persönliche Anbindung der Beteiligten an das Thema berücksichtigt werden.11 Erfahrungen, Einstellungen, Beschreibungen, Bewertungen und Schlussfolgerungen, kurz: das, was ein Instrumentalpädagoge an kognitiven und emotionalen Mus-
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alle zwei Monate als Supplement zu üben & musizieren
tern mitbringt, sind ausschlaggebend dafür, welche persönliche Bedeutung ein Musiklehrer einem Thema des Berufs und dessen vielfältigen Aspekten zuweist. Ein hoher Grad an Klarheit in den persönlichen Mustern (= Profilbewusstsein) wirkt sich deutlich positiv auf die Art der Auseinandersetzung mit berufsbezogenen Themen aus. Insofern sollten in diesem Sinne zunächst – oder zumindest Hand in Hand mit sachbezogenen Themen – explizit die „Menschen gestärkt werden“. Hierzu könnten übergeordnete instrumentalpädagogische Institutionen wie Berufsverbände und Interessenvertretungen sowie Weiterbildungsanbieter die Berufsprofilentwicklung von InstrumentalpädagogInnen zu einem für alle Beteiligten attraktiven und bereichernden Leitthema machen und dauerhaft entsprechende Räume zur praktischen Umsetzung schaffen. Musikakademien könnten beispielsweise Angebote zur Anregung 1 entwickeln, Regionalbezirke des Deutschen Tonkünstlerverbands regelmäßig sich treffende „Profilgruppen“ für ihre Mitglieder einrichten und Fachkongresse das Thema aus einer übergeordneten Perspektive behandeln. ))
1 Bernd Dahlhaus: „Einzigartig. Wertvoll. Instrumentalpädagogische Profile. Teil I: Was mich als Instrumentalpädagoge auszeichnet“, in: musikschule )) DIREKT 3/2015, S. 9-11, www. schottmusikpädagogik.de > instrumentalunterricht > zeitschrift > musikschule direkt > alle ausgaben > musikschule )) DIREKT 3/2015. Siehe dort auch die Erläuterung des Begriffs „Berufsprofil“.
2 Hartmut von Hentig: Die Menschen stärken, die Sachen klären. Ein Plädoyer für die Wiederherstellung der Aufklärung, Stuttgart 1985. 3 unter anderem Musiklernen, musikalische/ästhetische Erfahrung, musikalische Bildung, Kultur. 4 vgl. Kapitel 6.4 „Bildung und Sprache“ in: Andreas Dörpinghaus/Andreas Poenitsch/Lothar Wigger: Einführung in die Theorie der Bildung. Darmstadt 52013, S. 73 ff. 5 Stephen Covey: Die sieben Wege zur Effektivität: Prinzipien für persönlichen und beruflichen Erfolg, Frankfurt am Main 272013. 6 vgl. Bernd Dahlhaus: „Der Musiklehrerberuf als Passion?! – Selbstmanagement für Instrumentalpädagogen“, in: musikschule )) DIREKT 6/2013, Seite 7-9. 7 Eine Erklärung für die Beschränkung auf Sachinformationen in Profilbeschreibungen von Instrumentalpädagogen könnte darin bestehen, dass eine Praxis aus dem Konzertwesen (unbewusst) übernommen wird. Hier ist es in Programmankündigungen und -broschüren bekanntermaßen üblich, den Künstler mit einer Aufzählung von ausgewählten biografischen Sachinformationen vorzustellen („Künstlerkurzbio“). 8 vgl. die Impulsfrage zur „musikpädagogischen Sternstunde“ im ersten Teil des Beitrags. 9 Gerald Hüther: Etwas mehr Hirn, bitte. Eine Einladung zur Wiederentdeckung der Freude am eigenen Denken und der Lust am eigenen Gestalten, Göttingen 2015; siehe auch die „Akademie für Potentialentfaltung“ (www.akademiefuerpotentialentfaltung.org). 10 Recht, Steuern und Versicherungen für Freiberufler, (Unterrichts-)Methoden und -konzepte, (Selbst-)Management und Kultur-, Bildungs- und Berufspolitik. 11 Dies hat auch entsprechende Konsequenzen für eine Fortbildungs- bzw. „Veranstaltungsdidaktik“.
Bernd Dahlhaus ist Musikpädagoge und Coach. Er leitet die Agentur für Musikpädagogik musikbäume. www.musikbaeume.de
Redaktion: Anja Bossen und Rüdiger Behschnitt Ständige Mitarbeiter: Jürgen Simon und Bernd Dahlhaus Layout: Rüdiger Behschnitt Grafik: Nele Engler