musikschule )) DIREKT 1.2016

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Musizieren mit Flüchtlingskindern? Musikschule 2.1 im digitalen Zeitalter Tipps zur dienstlichen Kommunikation

musikschule )) DIREKT Die Musikpädagogik und die Flüchtlinge An vielen Orten engagieren sich momentan Musiker, Orchester und Instrumentalpädagoginnen und -pädagogen für Flüchtlinge. Stellvertretend für alle diejenigen, die hier ein bemerkenswertes Engagement zeigen, haben wir in der vergangenen Ausgabe von musikschule )) DIREKT die musikpädagogische Flüchtlingsarbeit des Hamburger Konservatoriums vorgestellt. Doch wie sich zeigt, ruft solche Arbeit auch Kritiker auf den Plan, auch aus der Zunft der Musikpädagogen selbst. Diese argumentieren, es mache keinen Sinn, wenn Flüchtlingskinder lediglich einmal pro Woche in die Musikschule kämen und nur dort ein Instrument zur Verfügung hätten; außerdem würden viele ohnehin das Land wieder verlassen. Eine solche Sichtweise zeugt neben dem völligen Unvermögen zur Empathie mit Menschen, die nahezu alles verloren haben und für die die wöchentliche Musikstunde vielleicht das Highlight der Woche darstellt, von einer erschreckenden musikpädagogischen Auffassung, nämlich der, Instrumentalunterricht einzig als Mittel zur Erzeugung musikalischer Leistungen zu betrachten. Musikpädagogik hatte jedoch schon immer sehr verschiedene gesellschaftliche Aufträge: neben fachlichen auch religiöse, politische, soziale, sozialpädagogische und therapeutische. Die drei letztgenannten Aufträge können jetzt, in der aktuellen Flüchtlingssituation, ganz besonders gut erfüllt werden. Wer hier allein mit dem fachlichen Auftrag argumentiert, der hat die Musikpädagogik nicht verstanden. Weitere Argumente gegen die Flüchtlingsarbeit wie ein unterstellter Kulturimperialismus sind vor dem Hintergrund der offensichtlichen Freude von Flüchtlingskindern an dem, was ihnen musikalisch angeboten wird, nur als zynisch zu bezeichnen, zumal die Teilnahme an den Angeboten absolut freiwillig ist. Niemandem wird hier etwas aufgezwungen. Und wer eine musikalische Betätigung, die auch einer Integration dienlich sein kann (was nebenbei bemerkt ein wesentlicher Grundgedanke der meisten Projekte musisch-kultureller Bildung ist), nur denen zukommen lassen will, bei denen ganz sicher ist, dass sie bleiben dürfen, lässt sich vom derzeit alles beherrschenden Gedanken der Effizienz leiten, der Werten wie Mitmenschlichkeit und Empathie zuwider läuft. Ich wünsche denjenigen, die sich dafür einsetzen, Menschen in einer für uns unvorstellbaren Lebenssituation Momente von Lebensfreude zu ermöglichen, weiterhin viel Erfolg. Seien Sie ineffizient! Den Kritikern empfehle ich den Besuch einer ZEA-Musikschule zur Überprüfung der Stichhaltigkeit ihrer Argumente vor Ort. Anja Bossen

Europäisches Observatory-Netzwerk für Kulturelle Bildung in Berlin gegründet: Im November 2015 erklärten Einrichtungen aus zehn europäischen Ländern ihren Beitritt. Die Akademie Remscheid ist als nationales Observatory unter Schirmherrschaft der Deutschen UNESCO-Kommission in das europäische Netzwerk eingebunden, das sich als Ziel gesetzt hat, den Austausch sowie gemeinsame Forschungen im Feld der Kulturellen Bildung innerhalb Europas zu stärken. Unter den Netzwerk-Partnern finden sich sowohl Universitäten, staatliche Institutionen als auch andere Bildungseinrichtungen bzw. Akademien. Alle Einrichtungen eint, dass sie in der Aus- und Fortbildung oder in der Forschung aktiv sind bzw. Modellprojekte erproben. In einem ersten Schritt will das Netzwerk ein Monitoring für die kulturellen Bildungssysteme in Europa entwickeln. www.akademieremscheid.de

) Sie haben Fragen, Anregungen, Tipps oder Hinweise für die Redaktion? ) Sie möchten sich kritisch äußern zu unseren Themen und Beiträgen oder haben Vorschläge für neue Themen? Schreiben Sie uns: info@musikschule-direkt.de


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Musizieren mit Flüchtlingskindern?

Markus Menke

Musik kennt keine Grenzen – das sagt sich leicht, aber macht Unterricht mit Flüchtlingen überhaupt Sinn? Mit dem Gedanken, eine Willkommenskultur zu leben und erfahrbar zu machen, haben sich viele Musikschulen im Land auf den Weg begeben und öffnen ihr Angebot für Kinder und Jugendliche aus Flüchtlingsfamilien. In der vergangenen Ausgabe haben wir an den Erfahrungen des Hamburger Konservatoriums Möglichkeiten und Gelingensbedingungen für das Musizieren in diesem Kontext beschrieben. Es gibt aber auch Kritik.

)) Drei wesentliche Kritikpunkte werden geäußert: 1. Einwanderungspolitisch: In den Erstaufnahmestationen ist der Aufenthaltsstatus der Flüchtlinge noch ungeklärt. Hier bereits Angebote mit integrierendem Charakter zu starten, könnte ein falsches Signal für die Menschen sein. 2. Musikpädagogisch: fehlende Nachhaltigkeit. Die Bedingungen in den Flüchtlingsunterkünften stimmen nicht. Auch wenn die Kinder und Jugendlichen in die Musikschule kommen, haben sie oft nur dort ein Instrument zur Verfügung. Wer kann schon im Zelt, im Containerdorf oder einer Übergangsunterkunft üben? Wie gehen wir mit der Sprachbarriere um? Wer übernimmt die Kosten? Und alles ist sinnlos, wenn Ausweisung oder Transfer an einen anderen Ort drohen. Ärgste Kritiker sprechen von Aktionismus. 3. Partizipatorisch: Flüchtlinge bringen Musik und kulturelle Identität mit. Es ist sozusagen eine Überheblichkeit unsererseits, sie an unsere Musik, Sprache, Kultur heranführen zu wollen. In solcher Kritik stecken Argumente, die nicht von der Hand zu weisen sind. Trotzdem gibt es viele Gründe, unter den gegebenen Bedingungen zu musizieren!

Einwanderungspolitisch Die Situation der Flüchtlingskinder muss differenziert betrachtet werden. Auch wenn wir Musikerinnen und Musiker von jeher „fahrendes Volk“ sind, kann einen die Konfrontation mit der unsicheren Lebensrealität von Flüchtlingen ganz schön nachdenklich machen. Zum Beispiel der Aufenthaltsstatus: ) Warten auf Antragstellung, Duldung ) Aufenthaltserlaubnis ) „Blaue Karte EU“ ) Erlaubnis zum Daueraufenthalt in der EU ) Niederlassungserlaubnis oder ) Visum. Die Aufenthaltserlaubnis, die „Blaue Karte EU“ und das Visum werden jeweils befristet erteilt. Die Niederlassungserlaubnis und die Erlaubnis zum Daueraufenthalt sind unbefristet (Quelle: Bundesministerium des Inneren). Zum Beispiel die Wohnsituation: ) Zentrale Erstaufnahme (ZEA), Gemeinschaftsunterbringung ) Folgeunterbringungen, Wohnanlagen zum Teil mit abgeschlossenen Wohnungen oder eine eigene Wohnung. Zum Beispiel der Schulunterricht, denn alle Kinder sind in Deutschland schulpflichtig: ) in der Unterkunft ) in einer Schule mit Integrations- und Vorbereitungsklassen (IVK) oder ) in der Regelschule. Hinzu kommt die Gruppe unbegleiteter Minderjähriger, die besonderer Aufmerksamkeit bedarf. Die Konstellation, in der Flüchtlingskinder gerade leben, bestimmt, wie Unterricht und gemeinsames Musizieren angelegt werden können. Vor allem in der ZEA ist die Situation für die Kinder noch sehr provisorisch. Die Familien sind nach ihrer

Flucht zum ersten Mal „angekommen“ und warten auf den Entscheid über ihren Aufenthaltsstatus. Die erlebte Flucht und die Unsicherheit bestimmen noch das Verhalten. Die Kinder verstehen nicht, warum sie jetzt ein ganz anderes Zuhause haben. Sie müssen Vertrauen für ihr neues Leben aufbauen und gleichzeitig haben sie ständig das Bedürfnis, wieder spielen, lernen, Freundschaften schließen – eben Kind sein zu dürfen. Das Leben in der ZEA ist vom ständigen Wechsel geprägt. Und gleichzeitig von Langeweile, weil die Möglichkeiten für anregende Beschäftigungen gering sind. Genau hier setzt Musizieren an und ist besonders hilfreich. Kinder und Jugendliche sind zwar von ihrer Flucht und der einwanderungspolitischen Situation betroffen, die Möglichkeit zu musizieren bringt aber etwas Freude und kreative Beschäftigung in den sonst ziellosen Alltag und lässt die extrem schwierigen Lebensverhältnisse zumindest eine Zeitlang in den Hintergrund treten. Dabei vermittelt Musizieren sicher keiner Familie das falsche Gefühl, dadurch unbedingt als asylberechtigt anerkannt zu werden.

Musikpädagogisch Einfache Einstiege gelingen mit Sing- und Perkussionsgruppen. Mit beiden Angeboten kann Sprachförderung verbunden werden. Über Lieder und Rhythmen finden Kinder und Jugendliche einen ganz spielerischen Zugang zur deutschen Sprache. Singen macht viel mehr Freude, als Vokabeln zu lernen. Lieder sind ja eigentlich für jeden Schulunterricht perfekte Begleiter. Integration und Partizipation können zeitgleich gelingen. Wir können uns von Flüchtlingskindern auch ihre Lieder und Rhythmen beibringen lassen. Es kann ein


© Hamburger Konservatorium

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Geben und Nehmen entstehen. Und: Melodien und Rhythmen aus Afghanistan, Syrien oder Eritrea haben es für uns Europäer ganz schön in sich! Zum Erfolg aller Angebote tragen vor allem Regelmäßigkeit und personelle Beständigkeit bei. Die Kinder kommen mit einem regelrechten Hunger aufs Lernen und bringen Neuankömmlinge in oder aus der Unterkunft einfach mit. Drei Phasen der Integration sind zu beobachten: ) anfängliche Unsicherheit ) Vertrauensgewinn ) Begeisterung. Beim Instrumentalunterricht kommt die Frage der Handhabung des Instruments hinzu. Wir musizieren viel mehr im Hier und Jetzt mit den Kindern, als wir es bisher gewohnt waren. Dazu braucht es ein Umdenken. Zentrales Anliegen ist das Musizieren im Moment. Die Kinder freuen sich über diesen intensiven Moment, sie öffnen sich für ein Erlebnis, das sie über die Fluchtrealität hinweg trägt. Das Instrument stimmen, Geschicklichkeit zeigen, einen Klang von der Lehrerin oder dem Lehrer übernehmen, diesen in einen Rhythmus einbetten, dazu eine Textzeile in deutscher Sprache kennen lernen: Das reicht für ein Heute und wird sogar von Kind zu Kind weitergegeben. Es geht also um gemeinsames Musizieren. Betrachten wir uns doch als Künstlerpartner: Zeigen wir klare melodische und rhythmische Bausteine. Gemeinsam tauchen wir in ein kreatives Spiel mit diesen Bausteinen ein. Kindern und Jugendlichen nach einer Flucht gibt solches Musizieren Persönlichkeit im wahrsten Sinne des Wortes zurück. Es macht sicher Sinn, die Prinzipien der Elementaren Musikpädagogik als Ansatz mit in das gemeinsame Musizieren einzubeziehen.

Partizipatorisch Letzter Kritikpunkt: Partizipation – Teilhabe versus Wahrung der eigenen Identität. Sicher, Menschen, die bei uns Schutz suchen, sind wegen Krieg, Verfolgung und Hunger geflüchtet. Die meisten – und vor allem die Kinder – wären lieber in der Heimat geblieben. Macht es Sinn, ihnen jetzt unsere Kultur angedeihen zu lassen? Ja, es macht Sinn! Ich möchte auf den Untertitel dieses Artikels verweisen: In allen Kulturen gibt es Musik, Musik kennt keine Grenzen. Wer Flüchtlingskindern und -jugendlichen beim Musizieren zuschaut und zuhört, begreift ganz unmittelbar, was es bedeutet, dass Musik eine universelle Sprache ist. Selten spürt man klarer, dass es ein Bedürfnis des Menschen ist, sich in Klängen und Rhythmen auszudrücken. Die Menschen sind jetzt in Deutschland mit ihrer Identität und es ist an uns, diese auch kennen zu lernen. Nirgends gelingt es einfacher als im gemeinsamen Musizieren. Ist das Vertrauen aufgebaut, können wir stundenlang ihre Lieder, Feste und Gebräuche kennen lernen: Sie werden sie uns mit Stolz und wiedererwachender Würde zeigen und beibringen – und dann sind wir die Lernenden und Erlebenden.

Finanzierung Aktuell ist eine Sonderausschreibung im Rahmen von „Kultur macht stark – Bündnisse für Bildung“ aufgelegt worden. Über das Antragsverfahren „MusikLeben!“ können Musikschulen mit Mitgliedschaft im Verband deutscher Musikschulen Projekte für Flüchtlingskinder im Alter von drei bis 18 Jahren einreichen. Zudem ist die Zivilgesellschaft zurzeit in Deutschland extrem engagiert: Es besteht eine große Bereitschaft für ehrenamtliches Engagement. Dort, wo

Trommelgruppe einer Flüchtlingsunterkunft beim Musizieren mit dem Kinderorchester des Hamburger Konservatoriums

Ehrenamt nicht ausreicht und es professioneller Kräfte bedarf, lassen sich Patenschaften für eine Finanzierung initiieren. Eine Information über Flüchtlingsarbeit an die Elternschaft der Musikschule fördert die Vernetzung mit Menschen, die sich finanziell einbringen möchten.

Schlussbetrachtung Als Musikerinnen und Musiker können wir uns auf den Moment einlassen; und das ist eine große Chance. Die Kolleginnen und Kollegen des Hamburger Konservatoriums haben am 15. November ein Benefizkonzert zugunsten der Flüchtlingshilfe gegeben, und der kurz vorher in Hamburg eingetroffene Geiger Mohamed-Aeman Alqambre aus Syrien konnte zum ersten Mal seit fünf Jahren wieder im Kreise anderer Musikerinnen und Musiker konzertieren. Das Erklingen arabischer Skalen und Rhythmen im Kontext unserer wohltemperierten Musik war einer der Höhepunkte des Konzerts. Am 20. November hat das Hamburger Konservatorium „bandboxx“, die mobile Musikschule, in einer Flüchtlingsunterkunft eröffnet. Die Kinder stehen Schlange, um in Fünfergruppen unter professioneller Anleitung musizieren zu können. Ein Moment von Lebensfreude. Musik kennt keine Grenzen! ))

Markus Menke ist Direktor des Hamburger Konservatoriums. Er studierte Ökonomie, Klavier, EMP und Kontrabass und lehrt seit 1999 Berufskunde an Musikhochschulen.


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Instrumentalunterricht im digitalen Zeitalter

Musikschule 2.1 )) Versetzen wir uns in das Jahr 2050: Wissenschaftler gehen davon aus, dass bis dahin Supercomputer durch die Auswertung riesiger Datenmengen die menschlichen Fähigkeiten in fast allen Bereichen übertroffen haben werden.1 Wie sehen in dieser gewissermaßen absehbaren Zukunft die Musikschulen aus? Szenario 1: Die traditionelle Musikschule

hat sich aufgelöst. Instrumente werden jetzt online unterrichtet. Der Preismarkt ist von den Online-Musikschulen hart umkämpft, man versucht, sich mit Qualität und berühmtem Lehrpersonal von den ungezählten InstrumentalpädagogInnen abzugrenzen, die ihre Tutorials kostenlos bei YouTube hochladen. Szenario 2: Nicht nur die Musikschule ist aus der Kulturlandschaft verschwunden, auch der traditionelle Lehrer ist bei Weitem nicht mehr so gefragt wie früher. Denn die Apps für Instrumente lassen sich so intuitiv bedienen, dass Maria Montessoris Diktum „Hilf mir, es selbst zu tun“ gänzlich erfüllt ist. Szenario 3: Die Musikschulen bestehen weiterhin, aber die traditionellen, realen Instrumente sind mehr oder weniger verdrängt. Nun erschließt man sich auf zahlreichen neuen, virtuellen Instrumenten unerhörte Klangwelten, beispielsweise mit dem „iPad Aerostring“ oder der „Google Backpipeharp“. Die Spieloberflächen der Tablets sind weiterentwickelt und reagieren hochsensibel auf Fingerdruck, Atemführung, Haltung und Bewegung. Nicht nur das Übeverhalten und der Lernfortschritt werden auf dem Tablet dokumentiert, sondern die geforderten Etüden werden individuell auf den Schüler abgestimmt, um spielerisch das nächste Level

Philipp Schäffler

zu erreichen. Darüber hinaus ist das neue „Allround-Musikinstrument“ vergleichsweise billig und passt in jede Tasche. Galt früher die Orgel als Königin der Instrumente, lässt das Tablet 2050 die verschiedenen Register der Orgel und damit die Möglichkeit, andere Instrumente zu imitieren, „alt“ aussehen. Auf dem Computer, dem Tablet oder dem Smartphone können per Knopfdruck alle Instrumente in allen nur erdenklichen Spielweisen abgerufen werden, die dank verbesserter Samplingraten nicht mehr vom Original zu unterscheiden sind. Szenario 4: Die Musikschulen funktionie-

ren immer noch so wie im Jahr 2015. Das Smartphone wird gerne als Metronom, Notenbuch, Aufnahme- und Stimmgerät verwendet, aber ansonsten ist die Musikschule nach wie vor ein Ort, an dem man unter professioneller Anleitung ein traditionelles, reales Instrument erlernt. Das Tablet hat sich im Instrumentenkarussell nicht durchsetzen können und ist in anderen Bereichen präsent, aber nicht im Instrumentalunterricht. Das Gedankenspiel ließe sich mit großer Freude weitertreiben, und vermutlich wird die Zukunft eine Mischung aus den angedeuteten Szenarien bringen, die ja teilweise schon eingetreten sind.

Musikinstrumente sind ideale Übungsmedien Die Frage, welchen Einfluss die digitale Revolution auf den Instrumentalunterricht haben wird, führt zu sehr grundsätzlichen Fragen, deren Beantwortung einer philosophischen Positionierung gleichkommt, nämlich wie der Mensch in der Welt ist und wie und ob die digitalen Medien die Be-

schreibung des Menschen verändern werden. Greift man den Ansatz des Philosophen Peter Sloterdijk auf, braucht man sich um die Zukunft des Instrumentalunterrichts keine Sorgen zu machen. In seiner Anthropologie versteht er den Menschen als ein „übendes Wesen“ und definiert Übung als „jede Operation, durch welche die Qualifikation des Handelnden zur nächsten Ausführung der gleichen Operation erhalten oder verbessert wird, sei die als Übung deklariert oder nicht“.2 Sein Übungsbegriff bezieht sich demnach auf jegliche Form des Lebens; und doch geht er nicht zufällig einerseits auf die Pädagogik, andererseits auf den Instrumentalvirtuosen ein. Letzterer ist ein Vorbild, da er durch stetige Wiederholung und Anleitung eines „Trainers“ sich ein artistisches Wissen bzw. Können angeeignet hat. Entscheidend ist, dass Sloterdijk zwischen einer aktiven und einer passiven Wiederholung unterscheidet. Und ein Musikinstrument scheint für ihn in besonderem Maße geeignet, eine Wiederholung bewusst zu gestalten und nicht geschehen zu lassen. Kurz: Musikinstrumente haben sich in allen Kulturen und Zeiten als ideale Übungsmedien bewährt – und so wird es auch in Zukunft bleiben.

Grundstock an musikalischen Erfahrungen sammeln Ist ein Tablet aber ein gleichwertiger Ersatz für ein reales Musikinstrument? Durch die Multifunktionalität eines Tablets ist zunächst die Gefahr der Ablenkung wesentlich höher, als wenn sich der Interpret auf ein Instrument allein konzentriert. Darüber hinaus ist ein Musikinstrument mit seinem Körper und seinen spürbaren Schwingungen nicht durch ein Tablet zu ersetzen. Der selbe Klang kann zwar mit


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einem Tablet erzeugt werden, aber die Resonanz zwischen Spieler und Instrument ist eine andere. Allerdings ist eine Ausweitung der Übungszone mit Hilfe eines Tablets möglich. Am Beispiel einer E-Gitarre lässt sich dies schon heute aufzeigen. Mit Hilfe einer entsprechenden App kann der Spieler auf eine Vielzahl von Verstärkern und Effektgeräten zurückgreifen, was im Realen bereits aus finanziellen Gründen kaum möglich wäre. Der Spieler kann sich demnach einen noch nie dagewesenen Klang bauen, der sein Spiel befeuert.3 Dabei ist er vor eine ganz neue Herausforderung gestellt, bei der eine Lehrkraft Hilfestellung leisten kann: Aus einer Vielzahl von Möglichkeiten muss ausgewählt werden, da der Gitarrist eben nicht mehr auf den einen Verstärker aus dem Proberaum angewiesen ist, sondern quasi grenzenlos auswählen kann. Doch wie kommt ein Schüler überhaupt zu einer klanglichen Vorstellung, bevor diese mittels digitaler Technik realisiert oder erweitert wird? In der Regel durch Erlernen eines realen Musikinstruments und damit verbunden durch stetiges und langsames Üben, durch Wiederholen, durch Hören, durch Rückmeldung und durch Probieren. Hier gibt es keine Abkürzung, auch wenn dies gerne von App-Herstellern suggeriert wird.4 Erst wenn ein gewisser Grundstock an musikalischer Erfahrung gesammelt wurde, kann die neue Technik sinnvoll eingesetzt werden, die dann Mittel zum Zweck und nicht bloße Spielerei wird. Ob sich die Musikschulen diesem neuen, durch eine hohe Medienkompetenz geprägten Aufgabenfeld öffnen, wird sich zeigen. Eine Institutionalisierung von AppInstrumenten ist ohnehin schwerer, da hier eine stetige Entwicklung herrscht und das Spielen mit Sounds und Klangfarben so-

wie die Erschaffung neuer Hyperinstrumente im hohen Maße individuell und schwer lehrbar ist.

Instrumentalunterricht als Refugium Die Digitalisierung dringt in fast alle Lebensbereiche ein. Die Rede ist von einer Revolution, von einem historischen Umbruch, der gerne mit der Industrialisierung des 19. Jahrhunderts verglichen wird.5 Die Digitalisierung hat die Musikwelt nachhaltig verändert. Die Art und Weise, Musik zu hören, zu kaufen, zu teilen, zu reflektieren, zu komponieren und zu machen, hat sich seit dem Übergang von der analogen in die digitale Sphäre rasant entwickelt. Vieles ist einfacher geworden, man denke nur an Notenprogramme, die einem das Ergebnis sofort vorspielen können. Digitale Musikinstrumente werden auf eine riesige Datenbank zurückgreifen und dem Interpreten bestimmte Entscheidungen bezüglich Klangfarbe, Formverlauf, Dynamik, Rhythmik, Melodieverlauf, Harmonik und vieles mehr in Echtzeit abnehmen können. Virtuelle Orchester werden schneller und vor allem billiger Kompositionen zur professionellen Aufführung bringen. Und dennoch: Ist das Spielen eines realen Musikinstruments nicht einer der wenigen Bereiche, in denen der Mensch keinen Supercomputer benötigt, dessen Fähigkeiten, Wissen, Schnelligkeit und Präzision die des Menschen bei Weitem übersteigt? Der Instrumentalunterricht würde dann ein Refugium, an dem man sich nicht von Algorithmen die Entscheidung abnehmen lässt, wo es nicht darum geht, schnell und ohne Umwege zum Ziel zu gelangen, sondern vielmehr selbstbestimmt zu handeln und sich dabei als fühlender, denkender und letztlich freier Mensch zu erfahren. ))

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siehe z. B. „Digitale Demokratie statt Datendiktatur“ vom 12.11.2015, www.spektrum.de/news/ wie-algorithmen-und-big-data-unsere-zukunftbestimmen/1375933 (Stand: 2.12.2015). Eine ähnliche Zukunftsvision breitet der ehemalige Guardian-Journalist Martin Walker in seinem zwischen Fakt und Fiktion liegenden Buch Germany 2064 aus. Interessant ist, dass dort der Musik bei der Erforschung der Künstlichen Intelligenz ein zentraler Stellenwert eingeräumt wird. Martin Walker: Germany 2064, Zürich 2015, S. 123. 2 Peter Sloterdijk: Du musst dein Leben ändern. Über Anthropotechnik, Frankfurt am Main 2009, S. 14. 3 Derzeit lässt sich dies auch gut am Klavier beobachten, dessen Klangwelt und Spieltechnik mittels digitaler Technik erweitert wird. Exemplarisch genannt seien das Duo Grandbrothers und Nils Frahm. 4 Ähnlich optimistisch berichtet Marc Godau vom DigiEnsemble Berlin von Erfahrungen mit iPadProjekten an Schulen. Interessant wäre es allerdings zu erfahren, ob die Schüler über den ersten Zugang zum Musikmachen mit dem iPad dabei geblieben sind oder nicht. (www.koerberstiftung.de/mediathek/player/wie-neue-mediendie-musikwelt-veraendern, Minute 56 ff.) Das Video ist der Mitschnitt einer Tagung vom Oktober 2015 der Körberstiftung zum Thema „Wie die Neuen Medien die Musik verändern“ und gibt einen sehr guten Über- und Einblick in die Thematik. Nach meiner Erfahrung verliert das Arbeiten mit Tablets für Schüler schnell an Reiz, wenn es eben kein Kommunikations-, sondern ein Arbeitsmittel wird. Es ist dann nicht mehr der anpassungsfähige Glücksspielautomat, der das Handy eigentlich so attraktiv macht. 5 exemplarisch und aktuell: Jörg Dräger und Ralph Müller-Eiself: Die digitale Bildungsrevolution. Der radikale Wandel des Lernens und wie wir ihn gestalten können, München 2015. Die Autoren behaupten, dass im Bereich des Lernens „kein Stein auf dem anderen“ (S. 155 ff.) bleibt. Ihre streitbaren Thesen der Demokratisierung und Individualisierung von Bildung verkaufen sie allerdings ganz konservativ in Buchform.

Philipp Schäffler ist Lehrer für Musik und Globales Lernen am Christlichen Gymnasium Jena und hat einen Lehrauftrag an der Hochschule für Musik Franz Liszt Weimar.

© palau83_fotolia

„Ein Musikinstrument mit seinem Körper und seinen spürbaren Schwingungen ist nicht durch ein Tablet zu ersetzen.“


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Dienstliche Kommunikation für InstrumentalpädagogInnen

Sie haben Ihr Ziel erreicht!

Viele Instrumentallehrkräfte haben kaum Erfahrung mit formellen Kommunikationsformen und Hierarchien; sie spielen in ihrem Alltag mit jungen Schülerinnen und Schülern eine untergeordnete Rolle. Nicht wenige neigen sogar dazu, zwischen dienstlicher und privater Korrespondenz kaum einen stilistischen und formalen Unterschied zu machen. Wer seinen Interessen Gehör verschaffen will, sollte aber bestimmte Spielregeln einhalten.

)) Nehmen wir eine fiktive, aber realistische E-Mail an das Sekretariat einer Musikschule: „Liebe …, meine nachgemeldete Schülerin heißt Sophie Schmidt. Ich würde gerne noch eine Gruppe aufmachen, ich habe Anmeldungen hier. Dazu müsste aber mein Vertrag geändert werden. Ich habe auch ein Plakat für ein Konzert gemacht und ins Fach gelegt, meine Schüler hängen es schon in der Stadt auf. Übrigens haben die beiden am letzten Wochenende beim JuMu gewonnen *g*! LG …“ Urheber des Textes ist offensichtlich eine engagierte und motivierte Lehrkraft. Dennoch verbergen sich in dieser E-Mail eine ganze Reihe von Schwierigkeiten, wie wir später sehen werden.

Unsichtbare Hierarchien Von Instrumentallehrkräften häufig unbemerkt gilt in Verwaltungen und Schulen immer noch der Dienstweg. Dessen wichtigste Grundsätze1 sind die folgenden (mit Beispielen in Klammern):

) Eine Nachricht an eine übergeordnete Stelle (Pressestelle des Bürgermeisters) ist über alle dazwischen liegenden Hierarchieebenen zu leiten (Musikschulleitung, Kulturamtsleitung). ) Übergeordnete Stellen (die Pressestelle) können sich auch direkt an untergeordnete (Musikschullehrkraft) wenden, in diesem Fall müssen die übersprungenen Ebenen (Musikschulleitung) nachträglich von der untergeordneten Stelle informiert werden (Musikschullehrkraft). ) Der Austausch zwischen Einrichtungen in einer Kommune, die einander nicht hierarchisch unterstellt sind (Musikschule und Volkshochschule), läuft über den ersten gemeinsamen Vorgesetzten (Kulturdezernenten). ) Der Austausch zwischen getrennten Einrichtungen (Musikschule und Grundschule) findet zwischen den Einrichtungsleitungen statt, denn in der Regel vertreten nur sie ihre Einrichtung nach außen. Die Regelungen sind nicht überall gleich, sodass man vor Ort recherchieren muss, wie der Dienstweg aussieht. Der Sinn ist, dass alle Beteiligten über einen Vorgang informiert sind, alle relevanten Informationen zusammengetragen werden und insbesondere Vorgesetzte intervenieren können, wenn zum Beispiel das Handeln von Mitarbeitern den Grundsätzen und Zielen einer Einrichtung widerspricht. Der Autor der eingangs dargestellten E-Mail könnte als Angestellter einer kommunalen Musikschule einen gravierenden Fehler gemacht haben: Öffentlichkeitsarbeit ist in Verwaltungen häufig nur wenigen Personen erlaubt. Ob das selbsterstellte Plakat allen

Jörg Sommerfeld

Gestaltungsgrundsätzen genügt und ob es alle nötigen Logos enthält, hätte die Pressestelle der Stadt auf dem Dienstweg möglicherweise vorher prüfen müssen. Manchmal reagieren „übergeordnete Stellen“ sehr verärgert auf eine Missachtung ihrer Zuständigkeit, was der Lehrkraft und der Musikschule schaden kann. Neben dem verbindlichen Dienstweg innerhalb einer Einrichtung gibt es aber auch noch einen informellen Dienstweg:2 Wenn eine Streicherklassenlehrerin der Musikschule zum Beispiel in einer Grundschule unterrichtet, so ist deren Schulleitung formal nicht ihre Dienstvorgesetzte (das wäre in der Regel die Musikschulleitung). Dennoch wird die Grundschulleitung erwarten, von wichtigen Dingen so in Kenntnis gesetzt zu werden, als wäre die Musikschullehrerin Mitarbeiterin der Grundschule. Wenn diese hier ungeschickt agiert, indem sie zum Beispiel ein Konzert zwar der Pressestelle der Stadt, aber nicht der Grundschulleitung mitteilt, wird sie in der weiteren Zusammenarbeit mit Schwierigkeiten rechnen müssen. Eine ähnliche informelle Anwendung des Dienstwegs wird in der Regel auch von freien Mitarbeitern in Musikschulen erwartet. Denn auch wenn sie frei sind, also der Musikschulleiter formal nicht der Vorgesetzte ist, so muss er ebenso von wichtigen Vorgängen in seiner Einrichtung in Kenntnis gesetzt werden. Ein typischer Fall ist eine Beschwerde von Eltern über die Qualität des Instrumentalunterrichts direkt beim Instrumentallehrer. Eine professionelle Lehrkraft, egal ob fest angestellt oder Honorarkraft, wird darüber in jedem


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© Elke Minwegen

„Von Instrumentallehrkräften häufig unbemerkt gilt in Verwaltungen und Schulen immer noch der Dienstweg.“

Fall auch die Musikschulleitung informieren. Diese kann so gegebenenfalls intervenieren und Problemlösungen anbieten, und sie ist vorbereitet, wenn die Eltern sich in derselben Angelegenheit auch im Musikschulbüro melden. In Verwaltungen und Schulen gibt es nicht selten ein unausgesprochenes Hierarchiedenken. Wer in welche Vergütungsgruppe eingruppiert ist, wissen die Beschäftigten in der Regel. Ganz ähnlich wie bei Polizei und Militär haben Mitarbeiter so scheinbar Schulterstreifen, die ihren Rang anzeigen. Dabei gehört eine Musikschullehrkraft überraschenderweise oft zu den höheren Rängen, weswegen deren Äußerungen zum Beispiel gegenüber einem Schulsekretariat schnell als Befehle missverstanden werden können.

Berufliche E-Mails sind anders E-Mails dürften die häufigste schriftliche Kommunikationsform im Musikschulalltag sein. In Sekretariaten laufen Dutzende Mails täglich auf, und das erste Kriterium nach dem Aussortieren von Werbung ist meist die Frage: Was kann sofort geklärt werden? Gut formulierte und vollständige E-Mails haben bei diesem Prüfstein die besten Chancen. Betreff: Eine aussagekräftige Betreffzeile

gehört zu jeder Mail. Der Schülername „Sophie Schmidt“ im Betreff sagt nichts. Aber bei „Meine Flötenschülerin Sophie Schmidt (12) möchte gerne ins Jugendblasorchester“ ist sofort klar, worum es geht. Viele Schreiber achten beim Formu-

lieren der Betreffzeile nicht auf das Vorwissen des Adressaten. Wenn eine Mail von einer Instrumentallehrkraft an eine Grundschulleitung gesendet wird, sollte eine Betreffzeile zum Beispiel lauten „Musikschulunterricht von Leon Schmidt (Klasse 3a), Terminkollision mit Ganztagsangebot“. Sachdarstellung: Nach einer geeigneten Anrede folgt eine kurze Sachdarstellung, nicht länger als etwa eine Bildschirmseite. Die Sachdarstellung sollte alle relevanten Informationen enthalten und den Sachverhalt vollständig darstellen. Das wichtigste Kriterium hierbei ist die Weiterleitungsfähigkeit. Fast jede E-Mail wird von mehreren Personen bearbeitet. Ein Beispiel: Ein Gitarrenlehrer möchte gerne in einer Grundschulkooperation seinen Stundenplan ändern und macht der Musikschule einen Vorschlag, verknüpft mit der Frage, ob ein Raum verfügbar ist. Wenn die Mail alle betroffenen Schülernamen und Termine vollständig auflistet, kann sie sofort an die Grundschule zur Klärung weitergeleitet werden. Weiterleitungsfähigkeit bedeutet auch, dass in den Mails auf interne Scherze, unverständliche Abkürzungen und Fachjargon verzichtet wird. Persönliche oder interne Bemerkungen, die nicht weitergeleitet werden sollen, können wenn nötig in einer zweiten Mail gesendet werden. Außerdem sollte jede E-Mail sich nur mit einem einzelnen Thema befassen, sonst müssen bei jeder Weiterleitung die für den neuen Adressaten relevanten Informationen mühsam hervorgehoben werden. Werden mehrere Themen in einer Mail verbunden, kommt auch eine Ant-

wort manchmal spät, nämlich erst dann, wenn alle Fragen geklärt sind. Konflikte: Wenn es zum Beispiel im Unterricht zu einem Konflikt mit Schülern gekommen ist, kann die Beschreibung per E-Mail heikel sein. Denn damit wird ein Vorgang sofort aktenkundig. Kommt es zu einer offiziellen Beschwerde der Eltern eines Kindes, das von einer Lehrkraft vielleicht verhaltensbedingt vom Unterricht ausgeschlossen wurde, gehört jede LehrerMail dazu nun auch in die Akte mit der weiteren Korrespondenz. Daher muss hier jede Mail mit großer Sorgfalt formuliert werden. Wertende oder gar herabsetzende Formulierungen sind zu vermeiden, eine möglichst sachliche und vollständige Beschreibung der pädagogischen Situation sollte angestrebt werden. Gerade bei größeren Konflikten (auch mit Kollegen) neigen manche Lehrkräfte dazu, abends nach dem Unterricht eine hochemotionale Mail zu verfassen, die dann nicht mehr aus der Welt zu schaffen ist. Eine kurze Nachricht, aus der nur hervorgeht, dass und wo es ein Problem gegeben hat, und dann ein Telefonat am folgenden Tag mit der Musikschulleitung ist fast immer die bessere Lösung. Anhang: Stundenpläne, längere Texte, No-

ten etc. gehören in den Mail-Anhang; wenn sie noch weiterbearbeitet werden sollen als Word-Datei, ansonsten besser als PDF oder Bild-Datei. Call for Action: Der wichtigste Punkt je-

der Mail, den viele vergessen, ist der Lösungsvorschlag. Im Marketing heißt es


© 2014 by Breitkopf & Härtel, Wiesbaden Jörg Sommerfeld: Instrumentalunterricht in der Grundschule

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E-Mail-Verteiler Die berufliche Entwicklung eines Instrumentallehrers in Richtung JeKi und Gruppenunterricht bringt immer mehr Kommunikationsmöglichkeiten mit sich. S = Schüler, L = Lehrer, E = Elternteil, KL = Klassenlehrerin, MSL = Musikschulleitung, FöV = Fördervereinsvorsitzender, RK = Reinigungskraft, HM = Hausmeister, GSL = Grundschulleitung, EZ = Erzieherin der Ganztagsschule

auch „Call for Action“: Was soll aus Sicht des Absenders nun genau geschehen? Im Grunde ist ein solcher Lösungsvorschlag ja meist ein Arbeitsauftrag, weswegen er vermutlich aus Höflichkeitsgründen oft weggelassen wird. Wenn der letzte Absatz einer Mail aber lautet: „Ich habe mir den Verstärker angeschaut, eine Reparatur ist nicht mehr sinnvoll. Könntest du bitte einen neuen bestellen? Ich füge dir dazu unten einen Internetlink auf ein Ersatzgerät an“, kann der Adressat sofort aktiv werden und der Vorgang ist wenige Minuten nach dem Lesen der Mail bereits abgeschlossen. Signatur: Jede Mail sollte immer mit einer vollständigen und aussagekräftigen Signatur abschließen. Alle Telefonnummern, Mail-Adressen, Name des Absenders und am besten auch die Funktion („Gitarrenlehrer der Musikschule“) sind im Hinblick auf eine mögliche Weiterleitung der Mail an andere wichtig.

Wenn wir nun noch einmal die fiktive Mail vom Anfang lesen, dann wird klarer, wo die Probleme liegen. Die E-Mail enthält mehrere Themen zugleich, die vermutlich von unterschiedlichen Personen geklärt werden müssen. Durch die Verwendung von Netzjargon wie *g* („grins“) ist sie nicht jedem verständlich und es fehlen zahlreiche Informationen zum Konzert, zur geplanten Gruppe und zur Einordnung der neuen Schülerin. Vor allem bleibt unklar, was nun mit den vielen Themen geschehen soll: Es gibt keinen „Call for Action“.

Formelle Kommunikation öffnet Türen Die Spielregeln formeller Kommunikation einzuhalten, mag mühselig und bürokratisch erscheinen. In der Außenwirkung jedoch öffnen gut aufgebaute und richtig adressierte E-Mails Türen und vermeiden Missverständnisse. Sie sind leichter zu bearbeiten und zu beantworten, weswegen die Interessen der Lehrkraft viel wahrscheinlicher beachtet werden. Auch die Einhaltung eines tatsächlichen oder informellen Dienstwegs erleichtert es insbesondere Vorgesetzten und Schulleitungen, auf Anfragen einzugehen. Der zusätzliche Aufwand zu Beginn wird also auf lange Sicht sicher Zeit und Nerven sparen. ))

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vgl. auch Burkhardt Krems: Verwaltungsmanagementlehre, www.olev.de/d/dienstweg.pdf (Stand: 9.10.2015). 2 nicht zu verwechseln mit dem sogenannten „kleinen Dienstweg“, also dem bewussten Umgehen von Hierarchien. Auch das ist gängige Praxis, aber nur dann zu empfehlen, wenn man eine Verwaltung schon lange kennt und einschätzen kann, ob die Abkürzung zu Problemen führen könnte.

Jörg Sommerfeld ist Instrumentalpädagoge, Jazzsaxofonist, Autor und stellvertretender Schulleiter der Musikschule Monheim am Rhein. www.saxlehrer.de

Es gibt drei Felder, in die man jeweils mehrere Adressaten einer E-Mail eintragen kann. An: Hier sollte immer nur ein Name eingetragen werden. Bei mehreren Personen müssen diese sich zunächst untereinander abstimmen, wer sich um die E-Mail kümmert. Das verzögert die Antwort. CC „Carbon Copy“ (Durchschlag): Wer muss oder sollte vom Mail-Inhalt in Kenntnis gesetzt werden? Hier ist Fingerspitzengefühl gefragt, was die Anzahl der Personen betrifft und ob bestimmte Vorgesetzte dazugehören oder nicht. Manche Lehrkräfte setzen gerne alle denkbaren Personen ein. Wenn auf diese Weise Schulleitung, Sekretariat, Hausmeister, Kollegen und Fachbereichsleitung per Verteiler erfahren, dass ein Klavier gestimmt werden muss, ist die Gefahr groß, dass durch zahlreiche Antworten und Weiterleitungen der einfache Vorgang, einen Klavierstimmer zu beauftragen, plötzlich zu einem unüberschaubaren Wust aus Mail-Korrespondenz wird. BCC „Blind Carbon Copy“ (Blindkopie): Die anderen Adressaten sehen nicht, wer über dieses Feld eine Kopie der E-Mail erhält. Das ist nicht im Sinne einer offenen Kommunikation. Manchmal ist deshalb die dienstliche Nutzung dieses Feldes (um zum Beispiel einen Vorgesetzten heimlich an einer Mail-Korrespondenz teilhaben zu lassen) sogar ausdrücklich verboten. Aber es gibt eine wichtige Ausnahme, nämlich Werbe-Mails oder Newsletter. Wer einen Konzerthinweis an alle seine Schüler senden will, muss die MailAdressen der Eltern in das Feld BCC eintragen. Denn nur damit ist gewährleistet, dass kein Adressat die anderen Mail-Adressen sehen kann (Datenschutz).


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Warum interagieren Musiklehrer oftmals verletzender als Lehrkräfte anderer Fächer?

Fehlende Anerkennung )) In der vergangenen Ausgabe von musikschule )) DIREKT habe ich eine Studie des Forschungsprojekts INTAKT der Universität Potsdam vorgestellt. Eines der Ergebnisse war, dass Musiklehrkräfte im Vergleich zu Lehrkräften anderer Fächer ihre Schülerinnen und Schüler weniger oft anerkennend und wertschätzend ansprechen. Es stellt sich die Frage, worin mögliche Ursachen dafür liegen könnten. Obwohl in der Studie nicht eigens Erhebungen zu den Ursachen von pädagogischen Handlungsweisen vorgenommen wurden, lassen sich dennoch Vermutungen ableiten.

Allgemeine Ursachen In allen Unterrichtsfächern reicht die Bandbreite der Ursachen für verletzendes Lehrerhandeln von einer gestörten Beziehung zu bestimmten Schülern über das Festhalten an stigmatisierenden Schülerbildern und fehlendem Einfühlungsvermögen bis hin zur beruflichen Unzufriedenheit oder Schwierigkeiten im privaten Bereich. Auch könnte man vermuten, dass die Lehrkräfte ihre Schüler nicht gut genug kennen, deren Interessen daher nicht berücksichtigen und keine individuelle Leistungsentwicklung fördern. Anzunehmen ist, dass den zu verletzendem Handeln neigenden Lehrpersonen Wissen über Kinderrechte und über angemessenes pädagogisches Handeln fehlt.

Musikspezifische Ursachen Während die genannten Ursachen für verletzendes Lehrerhandeln auf Lehrpersonen aller Fächer zutreffen können, sind im Forschungsprojekt auch einige aufgetreten, die in dieser Form nur für Musiklehrer und ihre Schüler zuzutreffen scheinen. Musiklehrer haben meist eine sehr lange

musikalische Sozialisation durchlaufen. Dazu gehören nicht allein die Studienjahre, sondern darüber hinaus das Erlernen eines Instruments von Kindesbeinen an, gekoppelt mit einer Vielzahl an musikalischen Prüfungen und Wettbewerben. Dies kann mitunter zu sehr hohen Ansprüchen an musikalische Werke und einer unbändigen Liebe zur Musik führen. Schülerinnen und Schüler haben meist keinen Zugang und kein Verständnis für diese Form des Musizierenlernens und zeigen oft kein ähnliches Interesse für die Vielzahl der klassischen Unterrichtswerke. Damit klingt bereits die nächste mögliche Ursache an: Kinder und Jugendliche setzen sich in ihrer Freizeit mit Musik auseinander, sind demzufolge Experten für bestimmte Genres. Dieses Interesse bleibt jedoch im Musikunterricht häufig ohne Anerkennung, da zentrale Vorgaben andere Schwerpunkte setzen. In diesem Zusammenhang scheint also auch der Druck des zentralen Rahmenlehrplans und der Zensierung in einem künstlerischen Fach wie Musik ein möglicher Grund für negatives Lehrerverhalten zu sein. Hinzu kommt, dass vom Musikunterricht oftmals Präsentationen z. B. bei Schulveranstaltungen seitens der Schulleitung und des Kollegiums gefordert werden, was den Druck auf die Musiklehrkraft erhöht; wobei Musik oftmals nur einstündig pro Woche unterrichtet wird, sodass die Schüler sich kaum auf kreative und künstlerische Arbeit einstellen können. Die unterschiedlichen Lebens- und Musikerfahrungen, der zeitliche Druck, die zentralen Anforderungen und die Erwartungen der Beteiligten an Schule könnten also Ursachen dafür sein, dass es Lehrkräften im Fach Musik nicht immer leicht fällt, anerkennend mit ihren Schülerinnen und Schülern zu interagieren.

Christin Tellisch

Musikstunden, bei denen gemeinsam musiziert und getanzt wird, bringen die Kinder in körperliche Aktivität und erfordern zugleich ein Einhalten bestimmter Regeln. Mit der Möglichkeit, im Musikunterricht selbst aktiv zu werden, steigt in manchen Situationen die Lautstärke, sodass Lehrkräfte gestresst werden, wenn sie dagegen ankommen wollen. Schließlich wird von Kindern und Jugendlichen, oftmals auch von deren Eltern der gesellschaftliche Wert des Fachs als gering eingeschätzt. Eine solche Einstellung ist für das Lehrer-SchülerVerhältnis eher belastend. Informelle Gespräche mit Lehrkräften im Rahmen der Studie lassen darüber hinaus darauf schließen, dass fachfremdes Unterrichten und damit einhergehend eine mangelnde pädagogische Professionalität ein weiterer Grund für verletzende Lehrer-Schüler-Interaktionen sein können.

Weitere Studien sind nötig Die „humane Kraft“ von Musik, die oft postuliert wird, entfaltet nicht in jeder Musikstunde ihre Wirksamkeit. Wie lässt sich die Situation verbessern? Es bedarf einer Sensibilisierung und Fortbildung der Musikfachkräfte, damit sie mit ihren Schülern wertschätzend interagieren. Außerdem sollten weitere Studien zu Anerkennung und Verletzung im Musikunterricht, zu Auswirkungen und zu Ursachen durchgeführt werden, um Ansätze zur Steigerung der sozialen Interaktion im Musikunterricht zu entwickeln. ))

Christin Tellisch hat an der Universität Potsdam im Fach Musikpädagogik promoviert. Sie leitet das Rudolf-StempelGymnasium in Riesa und unterrichtet dort Musik.


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musikschule )) DIREKT 1.2016

Vom Beschweren zum Erleichtern

Bernd Dahlhaus

Wie Sie für ein gutes Miteinander sprechen können für eine ausschließlich „psychologisierende“ Gesprächskultur im Musikschulteam plädieren. Nach meinen Beobachtungen allerdings beschränken sich viele KollegInnen in ihrem kommunikativen Miteinander (zu) oft auf fachlichen „Small Talk“ und auf „Problem Talk“. (Dass gemeinsamer „Problem Talk“ auch untereinander verbindend wirken kann und das Vertagen einer Verbesserung oder Lösung auch vor einer möglicherweise als unangenehm empfundenen Veränderung schützt, sehe ich aus Sicht des Betroffenen als verständlich und genauso berechtigt an.) Wirkliche und nachhaltige Verbesserungsideen und Problemlösungen nehmen ihren Ausgang in der Regel bei einer tieferen Ebene des Miteinanders, auf der die Beteiligten das Gefühl haben, wirklich ernstgenommen zu werden und beim anderen anzukommen. Wenn sich also bei Ihnen öfter mal ein Unbehagen meldet bei immer denselben Kommunikationen mit KollegInnen oder wenn Sie ganz konkret den Wunsch haben, wirklich verstanden zu werden, können Sie in einer ruhigen Minute die Beispiele auf der rechten Seite als Übung zur Selbstklärung nutzen. Die Idee ist, in bestimmten Erlebenssituationen – in unangenehmen und auch in angenehmen – innezuhalten und sich zu vergegenwärtigen, was „in mir eigentlich los ist“, welche Gedanken, Gefühle und Bedürfnisse mein Erleben dieser Situation ausmachen. Haben Sie passende Worte und Formulierungen dafür gefunden und äußern diese auch im Gespräch, werden Ihre Gesprächspartner mit hoher Wahrscheinlichkeit anders als üblich reagieren.1 In der linken Spalte der Übersicht finden Sie Sätze, die so oder ähnlich im Gespräch unter InstrumentalpädagogInnen zu hören sind.2 In der mittleren Spalte biete ich

eine von mehreren denkbaren persönlichen Bedeutungsgebungen an und in der rechten Spalte Formulierungen zu einem möglicherweise dahinter liegenden Bedürfnis oder Wunsch.3 Allerdings ist die Reihenfolge der Sätze in der mittleren und rechten Spalte durcheinander geraten! Ordnen Sie den Aussagen der linken Spalte diejenigen Aussagen aus der mittleren und rechten Spalte zu, mit denen dann die gesamte Zeile für Sie am meisten Sinn macht.4 Die Beispiele betreffen Gespräche unter Lehrkräften. Ergänzen Sie doch Beispiele aus Ihrem Unterricht, auch und vielleicht gerade in der Kommunikation mit sogenannten „schwierigen“ SchülerInnen oder Gruppen. Je mehr man über sich selbst Bescheid weiß, umso klarer kann Kommunikation gelingen, umso mehr Handlungssouveränität stellt sich ein. ))

1

vgl. Marshall Rosenberg: Gewaltfreie Kommunikation, 5. überarbeitete und erweiterte Auflage, Paderborn 2004. 2 Der Tonfall der Aussagen sowie begleitende Gestik und Mimik als wichtige Bestandteile der Kommunikation seien hier unberücksichtigt. 3 Selbstverständlich ist die Auswahl subjektiv und besitzt keinen „Wahrheitsanspruch“. Sie dient lediglich dem Verständnis des Prinzips. 4 Auch hier gibt es (möglicherweise) keine endgültige oder „richtige“ Lösung. Und selbst wenn Sie zu diesem Ergebnis kämen, könnte man dies als Bestätigung dafür nehmen, dass Kommunikation immer mehrdeutig ist und für ein gutes Miteinander vielfältige Rückmeldeschleifen nicht nur nützlich, sondern unabdingbar sind. Meine Zuordnung bzw. „Auflösung“ finden Sie hier: 1Ge, 2Ai, 3Ff, 4Jb, 5Bc, 6Ca, 7Ih, 8Dg, 9Ed, 10Hj

)) Kennen Sie das auch? Sie unterhalten sich mit einem oder mehreren Kollegen auf dem Parkplatz, im Lehrerzimmer oder im Kopierraum über eine Begebenheit aus Ihrem Alltag in der Musikschule, etwas, das Sie oder die Kollegen aktuell beschäftigt. Als Beispiel diene der einfache Ausgangssatz: „In meiner JeKi-Keyboardgruppe haben heute von sechs Kindern fünf ihre Notenmappen nicht dabei gehabt!“ Zunächst wirkt diese Aussage wie eine neutrale Beschreibung eines objektiven Sachverhalts, welche die Gesprächspartner häufig mit ähnlichen Sachaussagen aus ihrem Alltagserleben beantworten. Gibt man allerdings dem Sprecher Raum für sein Thema und erkundet gemeinsam den gedanklichen und emotionalen Kontext seiner Aussage, besteht die Chance, von einer eher oberflächlichen Sachebene zu einer tieferen, persönlichen Ebene zu gelangen und etwas Wesentliches oder Substanzielles voneinander zu erfahren. Dieses Raum-Geben kann darin bestehen, eigene Gedankenassoziationen oder die eigene Bewertung zurückzustellen und zunächst einmal nachzufragen: nach dem Beweggrund des Kollegen für seine Mitteilung, welche Gründe er für das Phänomen vermutet, welche Bedeutung es für ihn persönlich hat, was er mit seiner Äußerung eigentlich meint. Dann könnte zum Beispiel deutlich werden, dass der Sprecher vom Verhalten der Kinder genervt ist, weil sie häufig etwas vergessen, dass er frustriert ist und sich ohnmächtig fühlt, weil er schon viele Methoden zur Verbesserung ausprobiert hat und sich dringend ein paar wirklich hilfreiche Tipps für den guten Umgang mit solchen Situationen wünscht. Selbstverständlich möchte ich weder das normale und ebenso wertvolle Plaudern unter KollegInnen abwerten noch einseitig

Bernd Dahlhaus ist Musikpädagoge und Coach. Er leitet die Agentur für Musikpädagogik musikbäume. www.musikbaeume.de


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Aussagen von Lehrern

Was sie möglicherweise eigentlich ausdrücken möchten …

… und welche Bedürfnisse oder Wünsche damit verbunden sein könnten.

1 Ich bin jetzt schon froh, wenn es in zehn Wochen wieder Ferien gibt!

A Ich fühle mich hilflos, weil ich bei einem „Problemschüler“ einfach nicht den richtigen „Knopf“ finde, um ihn zu packen und zum Üben und zum engagierten Musizieren zu animieren …

a … und ich wünsche mir, dass im Team ein wirkliches Interesse am anderen besteht, dass wir uns Zeit für unser Miteinander nehmen und dadurch auch voneinander lernen können.

2 In meiner JeKi-Gruppe ist ein Schüler, der weiß nach drei Jahren immer noch nicht, wo auf dem Keyboard das h liegt.

B Durch das ständige Unterbrechen und Ratschläge-Geben fühle ich mich von der Grundschulrektorin nicht geachtet und wertgeschätzt …

b … und ich wünsche mir, dass die anderen das auch endlich merken und mir das ab und zu mal bestätigen.

3 Jetzt soll ich auch noch diese Freitagsflötengruppe übernehmen mit den zwei ADHSlern und diesem Libanesen, der kein Wort Deutsch spricht.

C Ich traue mich im Gespräch mit Kollegen nicht, meine tiefergehenden Gedanken und Gefühle überhaupt auszusprechen und meine wirklich empfindlichen Stellen zu zeigen …

c … und ich habe das Bedürfnis, dass sie als Führungskraft offen, ehrlich und wertschätzend kommuniziert, worum es ihr eigentlich geht.

4 Ich habe in meiner Klasse eine ziemlich geringe Fluktuation, und mir fallen auch bei Schülern, die schon lange bei mir sind, immer wieder neue Ideen ein.

D Am Wochenende ist mir meine Freizeit und das Zusammensein mit meiner Familie wichtiger, auch weil mir das Energie für meine Arbeit gibt …

d … und ich brauche Ideen, wie ich meinen Gestaltungsspielraum erweitern kann.

5 Die Grundschulrektorin kann mich JeKiLehrerin irgendwie nicht leiden.

E Ich leide darunter, dass mir die Arbeitsbedingungen immer weniger Raum zu meiner eigenen musikalischen und pädagogischen Entwicklung lassen …

e …und ich brauche Tipps und Anregungen für einen langfristig lebendigen und energiereichen Unterricht, der auch mir gut tut.

6 So ein zusätzlicher Austausch unter Kollegen bringt doch nichts!

F Ich fühle mich oft unsicher und zum Teil auch überfordert in der Arbeit mit verhaltensauffälligen, behinderten und eingewanderten Schülern …

f … und ich wünsche mir Hilfen, wie ich in solchen Belastungssituationen verantwortlich und authentisch unterrichten kann.

7 Für die Musikschulleiterin zählt Engagement von uns Lehrern ja nur, wenn es der Außenwirkung der Musikschule dient.

G Ich bin oft die alltägliche Routine mit den immer gleichen Stücken, Methoden und „Nicht-üben-können-Ausreden“ leid …

g … und ich wünsche mir Fortbildungen, die in der Musikschule während der Arbeitszeit stattfinden und den Unterricht nutzen.

8 Für eine Fortbildung am Wochenende habe ich keine Zeit.

H Ich bin besorgt, was da noch alles auf mich zukommt und wer ich als Musiklehrer in Zukunft sein werde …

h … und ich brauche öfter positive Rückmeldungen und Anerkennung, die spürbar von Herzen kommen.

9 Wann ich selbst zuletzt zum regelmäßigen Üben gekommen bin, daran kann ich mich nicht mehr erinnern.

I Manchmal – eigentlich viel zu oft – leide ich darunter, dass die Leitung mir und meiner Arbeit keine wirkliche Wertschätzung entgegenbringt …

i … und ich wünsche mir, besser zu verstehen, was der Schüler wirklich von mir und der Musik will.

10 Nein, das macht alles irgendwie keinen Spaß.

J Grundsätzlich halte ich mich ja schon für einen guten Lehrer …

j … und ich wünsche mir …


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musikschule )) DIREKT 1.2016

„Wolfie“ – Klavierunterricht auf der Höhe der Zeit

Meine App )) Wer den ersten Kulturschock – iPad statt Notenbuch auf dem Notenbrett des Klaviers! – überstanden hat, erhält mit Wolfie ein pfiffig programmiertes Hilfsprogramm für den Klavierunterricht mit erstaunlichen Fähigkeiten. Was kann die englischsprachige App? Klavierstücke aus einer mitgelieferten Bibliothek laden, im Notenbild darstellen und bei der Wiedergabe umblättern, das Klavierspiel des Lehrers oder Schülers aufnehmen und wiedergeben, einen Statusbalken synchron zu Aufnahme (!) und Wiedergabe mitlaufen lassen, PDF-Versionen importieren und darstellen, eine MIDI-Datei der ausgesuchten Komposition abspielen, das Stück in verschiedenen Versionen aus der YouTubeBibliothek in einem Videofenster abspielen sowie bei allen Wiedergabearten durch Tap auf die Noten an beliebige Stellen springen – und das alles kombiniert mit den Features einer Grafik-App wie Markierungen, Einzeichnungen und farbigen Unterlegungen. SchülerInnen und Lehrkräfte finden in Wolfie das Niveau medialer Ausstattung, das Kinder heute gewohnt sind. Das Repertoire der verfügbaren Stücke bildet die Unterrichtsliteratur der Unterbis Mittelstufe ab; es reicht von elementaren Klavieretüden über Popmusik bis zu mittelschwerer Klavierliteratur der Romantik sowie Klavierarrangements populärer Orchester- und Vokalkompositionen. Die Stücke der Bibliothek sind programmtechnisch aufbereitet, sodass man auf das

musikschule )) DIREKT erscheint

alle zwei Monate als Supplement zu üben & musizieren

Christoph Hempel

Angebot von Wolfie beschränkt ist. Neben einem Grundstock von frei verwendbaren Stücken werden gegen Aufpreis weitere Bibliotheken angeboten. Allerdings können auch beliebige PDF-Notendateien aus der bekannten digitalen Notenbibliothek IMSLP importiert und mit Kommentaren versehen, allerdings nicht abgespielt werden. Hat man ein Stück ausgewählt, werden die Noten in einem exzellenten Layout und passabler Größe dargestellt und es eröffnen sich zahlreiche Möglichkeiten: Die Funktion „Annotate“ stellt Texteinfügung, Zeichenstift und Farbmarker zur Verfügung. Das mit Notizen versehene Notenblatt kann unter eigenem Namen gespeichert werden. Mit der Funktion „Practice“ kann man das eigene Spiel über das eingebaute Mikrofon aufnehmen. Ein Cursor wartet auf den Beginn, ermittelt das Tempo und wandert dann synchron zum Spiel über das Notenbild. Wolfie blättert pünktlich um und findet auch die richtige Stelle wieder, wenn man einen Takt wiederholt oder stecken bleibt. Ein Metronom ist zuschaltbar. SchülerInnen können also aufgenommene „Lehrerversionen“ mit nach Hause nehmen und eigene Aufnahmen speichern. „Listen“ ist die vielseitigste Funktion: Man kann alle eigenen Aufnahmen anhören, ein YouTube-Video mit einer professionellen Darbietung oder eine MIDI-Datei des Stücks abspielen lassen. Letzteres bietet bei aller klanglicher und interpretatorischer

Einschränkung die Möglichkeit, das Tempo beliebig zu verändern oder eine Stimme auszublenden. In einem integrierten Video-Tutorial führt der Entwickler in die Funktionen des Programms ein. Die Funktion „Evaluate“, also eine musikalisch-pädagogische Bewertung der eingespielten Version, ist noch in der Entwicklung. Der Anbieter betritt damit ein äußerst subjektives Gebiet der Instrumentalpädagogik; man darf auf die Ergebnisse gespannt sein. Die immer wieder aufgeworfene Frage nach dem Mehrwert digitaler Versionen gegenüber bewährten pädagogischen Werkzeugen stellt sich bei Wolfie nicht: Das Programm macht einfach Spaß, ist medial auf der Höhe der Zeit und engt SchülerInnen und Lehrkräfte nicht ein. Wolfie ist nur für iPad erhältlich. Für den ersten Test gibt es eine kostenlose DemoVersion. Ein Monats-Abo kostet 9,99 Euro, ein Jahres-Abo 59,99 Euro. Liebe KlavierLehrerInnen, probieren Sie die App doch einfach mal aus. Vielleicht sind Ihre Schülerinnen und Schüler gar nicht so befremdet, wie Sie erwartet haben. Und Sie selbst auch nicht! ))

Kennen Sie eine App, die Sie anderen Lehrkräften empfehlen möchten? Schreiben Sie uns: info@musikschule-direkt.de

Redaktion: Anja Bossen und Rüdiger Behschnitt Ständige Mitarbeiter: Jürgen Simon und Bernd Dahlhaus Layout: Rüdiger Behschnitt Grafik: Nele Engler


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