musikschule )) DIREKT 6.2016

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6.2016

Raus aus der Opferrolle! Rechtslage zu Konzertmitschnitten Solidarität und Protest in Leverkusen

Musikpädagogische Interessenvertretungen und Gremien in musikpädagogischen Verbänden wie DTKV, BMU oder die Fachgruppe Musik in ver.di beklagen seit Längerem einen Rückgang des ehrenamtlichen Engagements. Die wenigen MusikpädagogInnen, die überhaupt noch bereit sind, sich zu engagieren, sind meistens älter als fünfzig – jüngere kommen kaum nach. Vorstandsposten können teils nicht mehr besetzt werden, und die keineswegs weniger werdende politische Arbeit verteilt sich auf immer weniger Schultern oder kann überhaupt nicht mehr erledigt werden. Die Folge ist eine geringere Durchsetzungsmacht, was wiederum dazu führt, dass weniger MusikpädagogInnen in Organisationen eintreten, da „man ja sowieso nichts erreichen kann“. Stattdessen verbreitet sich die Mentalität, dass man doch bitteschön angesichts seines Mitgliedsbeitrags erwarten kann, dass dieser oder jener Verband die Dinge schon regelt. Soll man auch noch zusätzlich ehrenamtlich arbeiten? Schließlich haben wir uns längst daran gewöhnt, zusätzlich zum Zeitungsabo auch noch eine Prämie zu erhalten (wovon leben eigentlich Journalisten?) oder „für zwei zu zahlen und drei zu nehmen“. Schafft es ein Verband nicht, den Erwartungen seiner Mitglieder zu entsprechen, tritt man enttäuscht aus, wodurch der Organisation nochmals Mittel entzogen werden, die selbst ehrenamtlich Engagierte nun mal für ihre Arbeit benötigen. Wie also stellen sich MusikpädagogInnen die Vertretung ihrer Interessen künftig vor? Zwei Möglichkeiten zeichnen sich ab: Entweder wird das ehrenamtliche Prinzip bei der Besetzung von Gremien aufgegeben und durch professionalisierte, bezahlte Lobbyarbeit ersetzt. Immerhin arbeiten laut Wikipedia bereits ca. 5 000 Lobbyisten in Berlin, das sind statistisch acht, die auf einen Bundestagsabgeordneten kommen. Professioneller Lobbyismus bedeutet allerdings, dass die Mitgliedsbeiträge deutlich erhöht werden müssten. Das ist problematisch, da viele MusikpädagogInnen am Existenzminimum leben. Oder MusikpädagogInnen engagieren sich politisch mit der gleichen Selbstverständlichkeit, mit der sie auch ehrenamtlich Vorspiele durchführen, Schüler auf Wettbewerbe vorbereiten oder an Fortbildungen teilnehmen. Anja Bossen

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Engagiert euch!

Text neck bei SängerInnen Einen negativen Effekt von Smartphones, das sogenannte „Text-neck-Syndrom“, beklagt Stimmbildnerin Christianne Roll vom Florida Southern College: Viele junge Sängerinnen und Sänger seien heute gar nicht mehr in der Lage, eine gute, gerade Körperhaltung einzunehmen, so Roll im OnlineMagazin Musical Theatre Resources. Denn sie seien daran gewöhnt, ständig mit gesenktem Kopf auf ein Tablet oder Smartphone zu starren. https://musicaltheatreresources.com/2016/ 06/10/text-head-and-the-singing-voice

) Sie haben Fragen, Anregungen, Tipps oder Hinweise für die Redaktion? ) Sie möchten sich kritisch äußern zu unseren Themen und Beiträgen oder haben Vorschläge für neue Themen? Schreiben Sie uns: info@musikschule-direkt.de


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Ein Appell an Musikerinnen und Musiker für berufsständisches Engagement

Raus aus der Opferrolle!

Helge Harding und Wendelin Bitzan

I. Beobachtungen zur aktuellen Situation Es herrschen besorgniserregende Bedingungen für das Musikertum in Deutschland. Der Arbeitsmarkt in der professionellen Musikwirtschaft ist äußerst angespannt: Stellen in Chören und Orchestern sind durch Auflösungen und Fusionen seit Jahren rückläufig. Im Konzertbetrieb stagnieren die Honorare auch für sehr gute Solisten und Ensembles. An den öffentlichen Musikschulen werden bundesweit immer weniger Mitarbeiter fest angestellt. Und an vielen Musikhochschulen leisten schlecht bezahlte Lehrbeauftragte den überwiegenden Teil der Lehre. Dabei wird weitgehend am gesellschaftlichen und berufsständischen Bedarf vorbei ausgebildet. Es existieren zu wenige Studienplätze für Musikpädagoginnen und -pädagogen, und auf die Freiberuflichkeit als Standardsituation wird noch immer zu wenig Rücksicht genommen. Die meisten Absolventinnen und Absolventen werden nicht adäquat auf ihr Berufsleben vorbereitet, die gesellschaftliche Nachfrage wird nur unzureichend berücksichtigt. Die ist aber so groß wie nie: Bildung, insbesondere kulturelle Bildung, hat Hochkonjunktur, genauso wie die Nachfrage nach Kultur allgemein. Musiker, Musikwissenschaftler und Musikpädagogen finden sich leider auch im 21. Jahrhundert in einem überwiegend prekären Gewerbe wieder. Die Existenzgrundlage der meisten Kolleginnen und Kollegen ist eine patchworkartige Mischung aus kargen Gagen und freiberuflichen Unter-

richtshonoraren. Selbst in Festanstellungen sind die Arbeitsbedingungen in der Regel äußerst unflexibel, bedingt durch die Vorgaben des öffentlichen Dienstes. Ein vitales Personalmanagement sucht man fast überall vergebens. Gemessen an den Qualifikationen unserer Kollegenschaft und unserer Funktion in Markt und Gesellschaft sind die Vergütungen unangemessen niedrig und zu undynamisch. Der Mangel an Zukunftsperspektiven in unserer kreativen Branche ist aus berufsständischer Sicht katastrophal und trägt maßgeblich zur problematischen Situation bei. Vor diesem Hintergrund sind Unmut, Frustration und ein Gefühl der Machtlosigkeit, das wir vielerorts beobachten, mehr als verständlich. Dennoch sind wir der Situation nicht hilflos ausgeliefert. Wir können etwas für unsere Sache unternehmen, indem wir uns für Verbesserungen persönlich engagieren.

II. Politisches, Strukturelles, Grundsätzliches Aus unserer Sicht ist ein Verständnis für die Zusammenhänge und Abläufe in unserer Branche Voraussetzung, um unser berufliches Umfeld zu durchdringen und nach unseren Vorstellungen gestalten zu können. Noch entscheidender aber ist die Einsicht, dass wir, gemessen an derzeitigen und zukünftigen Herausforderungen, berufsständisch zu schlecht organisiert sind, um effektiv für unsere Interessen eintreten zu können. Wir sind als Berufsgruppe schwach, weil wir praktisch keine Druckmittel haben.

Viele Kolleginnen und Kollegen sind der Meinung, dass die Ursachen für die Missstände vorrangig politischer und administrativer Natur sind, dass also die Kulturund Bildungspolitik der Kommunen, Länder und des Bundes in direkter Verantwortung stehen. Dem stimmen wir grundsätzlich zu – allerdings mit einer wichtigen Einschränkung: Politische und administrative Akteure bewegen sich nicht im luftleeren Raum, sondern sind an bestimmte Handlungsrahmen gebunden, die sich aus ihrer jeweiligen Rolle sowie aus vielfältigen gesetzlichen Bestimmungen ergeben. Die viel gescholtenen Politiker und Verwaltungsangestellten sind nicht notwendigerweise unsere Gegner, die allesamt keine Ahnung von unserem Metier haben; dieser Darstellung, die in unseren Kreisen zweifelhafte Beliebtheit genießt, möchten wir entschieden entgegentreten. Ein solcher Perspektivwechsel ermöglicht uns, die genannten Menschen als unsere Verbündeten zu sehen, auf die wir angewiesen sind, wenn wir etwas verändern wollen. Akteure in Politik und Verwaltung brauchen in ihren jeweiligen Rollen und Funktionen in vielen Fällen unsere fachliche Beratung, damit sie in unserem Sinne entscheiden und handeln können. Wir sind also keine Opfer, sondern qualifizierte Partner und sollten entsprechend selbstbewusst auftreten. Denn mit uns kann man sich gut darstellen. Unsere Gesellschaft verändert sich nachhaltig und rasant. Wir stehen in wachsender Konkurrenz zu anderen gesellschaftlich relevanten Bildungs-, Freizeit- und Kulturangeboten. Auch deshalb wird es immer wichtiger, die Bedeutung und die


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„Zug der Kultur“ in Leverkusen: Die gesamte Kulturszene einer Stadt zeigte sich solidarisch und protestierte erfolgreich gegen Kürzungen bei der städtischen Musikschule. Lesen Sie dazu auch den Beitrag auf den Seiten 6 und 7.

Besonderheiten unseres Metiers und unserer Arbeit gegenüber der Allgemeinheit sachlich und fundiert darzustellen. Dies ist notwendig, um unseren Bedarf an strukturellen Verbesserungen, Personal und finanziellen Mitteln zu legitimieren. Eine zentrale Frage für Politik und Verwaltung lautet: Was hat die Gesellschaft davon, wenn mehr Steuergelder in einen bestimmten Bereich fließen und nicht in einen anderen? In unserem Fall: Warum soll Geld für Musik und musikalische Bildung aufgewendet werden anstatt für andere Bereiche, die ebenfalls eine gesellschaftliche Relevanz besitzen? Diese Fragen müssen wir klar beantworten können – denn alle öffentlichen Mittel müssen vor verschiedenen Gremien gerechtfertigt werden, um deren sinnvolle, ausgewogene und wirtschaftliche Verwendung sicherzustellen, was letztlich auch in unserem Interesse ist. Um diese Mittel bemühen sich aber natürlich auch andere Berufs- und Interessengruppen. Es sind also gute Argumente vonnöten, die auch Menschen einleuchten, die noch nie mit klassischer Musik in Berührung gekommen sind.

Mehr Geld und bessere Arbeitsbedingungen sind normalerweise an neue Aufgaben und Leistungen gebunden. Wir sollten uns also überlegen, welche Aufgabenbereiche wir zusätzlich oder anders als bisher wahrnehmen möchten. Beispielsweise könnten wir die bisherige Trennung zwischen privatem und öffentlich gefördertem Musikunterricht überdenken und das Angebot neu ordnen. Es ist nicht einzusehen, warum eine Leistung wie der Instrumentalunterricht an öffentlichen Musikschulen gefördert wird und an privaten nicht – erst recht, wenn diese Leistungen sogar teilweise von denselben Personen erbracht werden. Wir sollten dazu übergehen, gesellschaftlich und berufsständisch relevante Leistungen und Qualifikationen in den Mittelpunkt unserer Überlegungen zu stellen. Die Arbeitskonditionen müssen dabei attraktiv sein. Diejenigen Personen und Institutionen, die diese Leistungen am hochwertigsten anbieten können, sollten mit öffentlichen Mitteln gefördert werden. Den Status quo fortzusetzen und weiter öffentliche gegen private Angebote auszuspielen, ist jedenfalls keine zukunftsfähige

Lösung. Zudem braucht es im freiberuflichen Sektor realistischere Honorarkalkulationen, um den fatalen Unterbietungswettbewerb, der vor allem in Großstädten für immer stärkeren Konkurrenzdruck sorgt, zu stoppen und ein Berufsethos zu entwickeln, das auch ein selbstbewussteres Verhandeln mit Kunden und Vertragspartnern einschließt.

III. Was können wir tun? Es ist an der Zeit, die nötigen Schritte zu unternehmen, um unsere Berufswelt attraktiver und dynamischer zu gestalten. Eine gute arbeits- und sozialrechtliche Absicherung ist dabei nicht gleichbedeutend mit einer Festanstellung, was ein weit verbreitetes Missverständnis ist. Eine mit guten und doch flexiblen Arbeitsverträgen abgesicherte Existenz in einem dynamischen Arbeitsumfeld ermöglicht den nötigen Raum für die freie Entfaltung von Kreativität und Innovation. Diese brauchen wir mehr denn je, wenn wir dem Reformstau begegnen wollen, dem wir uns gegenüber sehen und der mit jedem Tag drückender wird.


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Organisationen und Verbände (Auswahl)

„Wir sind keine Opfer, sondern qualifizierte Partner und sollten entsprechend selbstbewusst auftreten.“ Für den Musikbereich existieren im Vergleich zu anderen Bereichen der sehr vielfältigen Kulturwirtschaft recht viele Organisationen und Verbände. Was zunächst positiv anmutet, ist gleichzeitig ein Problem, da die Vernetzung der verschiedenen, überwiegend ehrenamtlich geführten Organe und eine sinnvolle Bündelung von Kompetenzen und Ressourcen in der Praxis schwer zu organisieren ist. Um zukünftige Entwicklungen in unserem Sinne mitgestalten zu können, müssen wir die bestehenden Verbandsstrukturen professionalisieren, modernisieren, dynamisieren und besser vernetzen. Dies gilt auch für die Zusammenarbeit von Schulen, Musikschulen und Hochschulen, die aus unserer Sicht auch bundesweit besser koordiniert werden sollte. Für wichtige, die Zukunft betreffende Themen gibt es faktisch keine Foren oder Gremien. Dabei wäre eine demokratische, berufsständisch organisierte Diskussion erforderlich, um drängende Fragen zu beantworten: Wie stellen wir uns eine zeitgemäße Musik- und Musiklehrerausbildung vor? Wer muss dafür was in welchem Zeitraum leisten? Wie sieht die Musikwirtschaft in zehn, zwanzig oder dreißig Jahren aus, wenn wir so weitermachen wie bisher? Wollen wir das? Falls nicht: Was wollen wir verändern und in welcher Form? Und schließlich: Wie sollen die Reformen finanziert werden? Um die Weichen für die Zukunft zu stellen, bedarf es verstärkten Engagements. Wir sollten uns möglichst weitreichend in Berufsverbänden, Gewerkschaften und sonstigen Zusammenschlüssen organisieren – nur so kann sich mittel- und langfristig ein professionelles „Standesbewusstsein“ entwickeln, das nötig ist, um sich auf einem komplexen Arbeitsmarkt zu behaupten und zukünftigen Herausforderungen ef-

) Bundeskonferenz der Lehrbeauftragten an Musikhochschulen (BKLM) – www.bklm.org

) Bundesverband der Freien Musikschulen (bdfm) www.freie-musikschulen.de

) Deutsche Orchestervereinigung (DOV) – www.dov.org

) Fachgruppe Musik der Vereinigten Dienstleistungsgewerkschaft (ver.di) – www.musik.verdi.de

) Gewerkschaft Erziehung und Wissenschaft (GEW) www.gew.de

) Verein art but fair www.artbutfair.org

) Deutscher Tonkünstlerverband (DTKV) und seine Landesverbände www.dtkv.org

fektiv begegnen zu können. Ein möglicher Schritt zu einem verbesserten Zusammenwirken wäre die Bündelung von kulturellen Organisationen und Verbänden in Landeskulturräten, wie es sie in Sachsen-Anhalt und Nordrhein-Westfalen bereits gibt. Hier wären jedoch stabile Budgets und eigenes, angemessen bezahltes Personal erforderlich, um ein kraftvolles und unabhängiges Handeln zu ermöglichen. Auf Bundesebene gibt es bereits den Deutschen Kulturrat, der als Spitzenverband der Bundeskulturverbände auch den Deutschen Musikrat als eine von mehreren Sektionen einschließt. Denkt man noch weiter in die Zukunft, so wäre die Gründung einer Kammer für Musik anzustreben, also einer berufsständischen Körperschaft öffentlichen Rechts, die unter der Aufsicht von Politik und Verwaltung steht. Ärzte, Apotheker, Rechtsanwälte, Architekten, Steuerberater, Handwerker und viele andere Berufsgruppen verfügen seit Langem über solche Standesvertretungen und profitieren von diesen. Eine Kammer ist juristisch eine „Körperschaft öffentlichen Rechts“ und unterscheidet sich damit von privatrechtlichen Organisationen wie Verbänden oder Gewerkschaften. Eine Kammer wäre in der Lage, die berufsständische Selbstverwaltung unter staatlicher Aufsicht sehr viel effektiver und umfassender zu bewältigen, als es die bestehenden Organisationen derzeit leisten können. Sie wäre Ansprechpartnerin für die Kultur- und Bildungspolitik und könnte etwa auch Empfehlungen für zukünftige Ausbildungsinhalte aussprechen, die auf aktuelle Entwicklungen im Kulturleben Bezug nehmen. Sie könnte aber auch einen Schutz musikbezogener Berufsbezeichnungen erwirken und eine verbindliche Gebührenordnung

für musikalische Dienstleistungen und für Musikunterricht verabschieden.

IV. Kanäle zur Vernetzung Anfangen müssen wir im Hier und Jetzt. Zur Orientierung haben wir eine Liste von Organisationen und Verbänden zusammengestellt, bei denen es möglich ist, sich persönlich einzubringen (siehe Kasten). Sofern es in euren Institutionen nicht schon Zusammenschlüsse oder Interessenvertretungen gibt, könnt ihr selbst welche gründen und euch gemeinsam engagieren. Solltet ihr dabei Unterstützung benötigen, möchten wir euch anbieten, uns bei Interesse an einer Zusammenarbeit persönlich zu kontaktieren! ))

Helge Harding ist Dirigent und Klarinettist. Er unterrichtet Klarinette an der Universität der Künste Berlin, der Musikschule „Fanny Hensel“ Berlin-Mitte und privat. Zudem ist er Mitglied des Vorstands im DTKV Berlin. Kontakt: hh@helge-harding.com

Wendelin Bitzan ist Musiker, Musikforscher, Komponist und Autor. Er unterrichtet Musiktheorie an der Universität der Künste Berlin, der Musikhochschule „Hanns Eisler“ und an der HumboldtUniversität Berlin und ist Mitglied im DTKV Berlin. Kontakt: wen.de.lin@web.de


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Muss ich mir Aufnahmen von Aufführungen gefallen lassen?

Mitgeschnitten … Frage: AnIässlich der Vortragsübung an einer Musikschule hat eine Mutter mit ihrem Smartphone eine Ton- und Bildaufnahme der gesamten Vortragsübung erstellt und später auf YouTube gestellt. Darf sie das?

1. Das Persönlichkeitsrecht besagt, dass jede Verwendung einer Persönlichkeit, sei es in Bild, Ton oder anderer Ausgestaltung, widerrechtlich ist, es sei denn, dass sie durch Einwilligung des Betroffenen, ein überwiegendes Interesse oder durch das Gesetz gerechtfertigt wäre. Eine Ausnahme besteht für Aufnahmen, die eine Menschenmenge zeigen, in der der betroffene Einzelne nicht erkennbar ist. Auf die vorliegende Frage bezogen heißt das, dass die Ton-Bild-Aufnahme bei einer Konzertaufführung schon aus persönlichkeitsrechtlichen Gründen ohne Einwilligung der Auftretenden widerrechtlich ist und damit verboten werden kann. Nachdem die Aufnahme nun schon geschehen ist, kann die Löschung auf dem Smartphone und bei YouTube gefordert werden. 2. Das Urheberrecht schützt unter anderem Urheber und Interpreten von Werken der Kunst. Dieser Schutz erstreckt sich unter anderem darauf, dass allein der Urheber, respektive der Interpret, das Recht hat zu bestimmen, ob, wann und wie ein Werk verwendet, insbesondere aufgeführt, gesendet oder anderswie wahrnehmbar gemacht wird. Das Hochladen von Inhalten zum Beispiel in einen YouTube-Kanal gibt die Möglichkeit des Abrufens des zur Verfügung gestellten Inhalts für Dritte, und es ist das alleinige Recht des Urhebers, respektive des Interpreten des Werks, darüber zu entscheiden. Haben mehrere Personen an einer Darbietung künstlerisch mitgewirkt, so steht ihnen dieses Schutzrecht

Yvette Kovacs

prinzipiell gemeinschaftlich zu, das heißt jeder Einzelne muss mit einer Aufnahme und dem Hochladen einverstanden sein. Bei einer Chor-, Orchester- oder Bühnenaufführung ist für eine Verwendung der Darbietung aber nur die Zustimmung der Solisten, der Dirigenten, des Regisseurs und der Vertretung der mitwirkenden Künstlergruppe, respektive des Leiters der Künstlergruppe, erforderlich. Bei Werken, deren Urheber nicht bereits seit 70 Jahren verstorben sind, ist im Falle einer szenischen Aufführung zusätzlich die Einwilligung des Urhebers und/oder des Verlags nötig; bei nicht-szenischen Aufführungen werden die Rechte in der Regel von einer Verwertungsgesellschaft wahrgenommen, sodass vorab dort anzufragen ist. 3. Das Fazit ist, dass die Einwilligung aller an der Aufführung Beteiligten für die Aufnahme und den Upload in einen YouTubeKanal nötig sind. Selbst dann, wenn es sich nur um eine Aufnahme zum Privatgebrauch handelt, das heißt nicht zum Upload bestimmt, so ist trotzdem aus persönlichkeitsrechtlichen Gründen die Einwilligung aller erkennbaren Personen notwendig. Aus diesem Grund ist bei Aufführungen eine ausdrückliche Vereinbarung über allfällige Aufnahmen und über einen Upload von großem Nutzen, da das Einholen der Zustimmung aller Beteiligten aufwendig ist. Ich empfehle daher dringend, für sämtliche an Aufführungen Beteiligte beim Eintritt in einen Chor oder in ein Orchester oder bei der Verpflichtung als Solist, Dirigent oder Regisseur eine Vertragsklausel aufzunehmen, wonach sich der Betreffende damit einverstanden erklärt, dass Aufführungen mit Einverständnis des Leiters der Gruppe aufgenommen und ins Internet gestellt werden können. ldealerweise

sollten auch gewisse Qualitätsstandards und die Orte des Uploads festgelegt werden. Auf diese Weise kommt man Missverständnissen oder gar Klagen zuvor. Nicht zuletzt ist es aber auch Sache der Veranstalter von Aufführungen, dass sie alle Beteiligten und vor allem das Publikum darauf hinweisen, dass Bild-, Tonund Bild-Ton-Aufnahmen verboten sind und den sofortigen Saalverweis unter Einleitung rechtlicher Schritte zur Folge haben. Diesem Verbot muss auch konsequent Achtung verschafft werden, zumal das Publikum solche Verbote nur beachtet, wenn sie gegen alle durchgesetzt werden. Beginnt jemand in einer Aufführung zu filmen, folgt häufig der nächste, und so ist es Sitte, dass viele Aufführungen mit dem Smartphone mitgeschnitten werden und sofort im Internet erscheinen, „weil es ja alle so machen“. Es ist daher wichtig, dass die Frage thematisiert wird, ob und wie man sich hier verhalten will, ob man ein Verbot aussprechen und durchsetzen will oder ob es den Beteiligten einerlei oder sogar erwünscht ist, wenn sie im Internet in Erscheinung treten. Zu guter Letzt ist auch zu beachten, dass derartige Rechtsverletzungen irgendwann als genehmigt erscheinen, wenn die Verwendung des Smartphones, respektive der Upload ins Internet, bekannt sind, die Berechtigten aber nichts dagegen unternehmen. Daher müssen unerwünschte Aufnahmen und Uploads so rasch wie möglich unterbunden werden. )) Zuerst erschienen in Schweizer Musikzeitung 7-8/16

Dr. iur. Yvette Kovacs ist Rechtsberaterin des Schweizerischen Musikpädagogischen Verbands (SMPV) und Rechtsanwältin in 8032 Zürich (Kempterstraße 5).


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„Wir schenken euren Kindern Bildung, ihr uns Armut.“

Schuh-Installation auf dem Leverkusener Rathausplatz: 3 000 Paar Schuhe symbolisieren die Zahl der Kinder und Jugendlichen, denen die Musikschule ein sinnvolles Bildungs- und Freizeitangebot macht

Mit dem fortschreitenden Abbau „freiwilliger“ Leistungen – sprich: der Abwicklung von Bildungs- und Kultureinrichtungen – lassen sich mancherorts eben diese Einrichtungen gegeneinander ausspielen. Man duckt sich weg, erleichtert, nicht selbst betroffen, sondern zumindest in der aktuellen Sparrunde (noch) verschont geblieben zu sein – und vorübergehend kann aufgeatmet werden. Solidarität ist zwar schön, doch nicht unbedingt, wenn es ums eigene Überleben geht. Dass es auch anders gehen kann, zeigt in beeindruckender Weise das Beispiel der Musikschule Leverkusen. Unmittelbar davon bedroht, dass fast das gesamte Kollegium von festangestellten Lehrkräften durch Honorarkräfte ersetzt werden sollte, haben sich die Musikschullehrkräfte mit Unterstützung des Musikschulleiters mit anderen Kultureinrichtungen und der freien Kulturszene solidarisch vernetzt – und Erfolg gehabt!

)) Leverkusen, eine 160 000-EinwohnerStadt im Rhein-Ruhr-Gebiet, befindet sich aufgrund der verheerenden Haushaltslage seit 1992 im Haushaltskonsolidierungsprogramm. Doch gespart werden kann nur noch an den freiwilligen Leistungen, zu denen die Kultureinrichtungen der Stadt gehören. Trotz bereits zahlreicher Einsparmaßnahmen an der Musikschule in der Vergangenheit, veröffentlichte das Wirt-

schaftsprüfungsunternehmen KPMG im Februar 2016 einen Vorschlag zur Umsetzung weiterer Einsparungen im Bereich der Kultureinrichtungen, die im städtischen Eigenbetrieb zusammengefasst sind. Dabei sah KPMG das hauptsächliche Einsparpotenzial vor allem an der Musikschule bei der Umwandlung von festen Stellen in Honorarbeschäftigungsverhältnisse: Betrug zu diesem Zeitpunkt das Verhältnis der von Festangestellten erteilten Unterrichtsstunden zu dem Anteil, der von Honorarkräften erteilt wurde, 80:20 (und entsprach damit den Richtlinien des Verbands deutscher Musikschulen), sollte dieses Verhältnis durch einen „sozialverträglichen“ Abbau genau umgekehrt werden. Als Einsparpotenzial wurde von KPMG die Summe von 376 000 Euro bis zum Jahr 2021 angegeben. Über diese Maßnahme hinaus schlug KPMG vor, das Museum Morsbroich zu schließen und die Ateliermieten im sogenannten Künstlerbunker zu erhöhen. Eine Entscheidung darüber sollte vom Rat der Stadt am 27. Juni 2016 getroffen werden.

Solidarisierung und Protest Der Verkündung der geplanten Einschnitte folgte eine öffentliche Grundsatzdiskussion über den Stellenwert von Kultur in unserer Gesellschaft. Die Umsetzung der Sparmaßnahmen hätte einen unglaublichen Einschnitt für die Lebensqualität in der Stadt bedeutet. 3 000 Schülerinnen und

Schüler, die an der Musikschule von 70 Lehrkräften unterrichtet werden, wären von massiven Einschränkungen betroffen gewesen – abgesehen von den mittlerweile auch der Öffentlichkeit und Politik bekannten sozialen und finanziellen Problemen, die Honorarkräfte an Musikschulen haben. Auftakt für die Protestaktionen war eine außerordentliche Kulturkonferenz, zu der das Junge Theater Leverkusen Anfang März Vertreter anderer Kultureinrichtungen, der freien Szene und der Vereine sowie andere Interessierte einlud. Von April bis Juni wurde jeden Samstagvormittag konzertierte Aktionen gestartet, die ein großes Echo in der regionalen Presse fanden. Ein erster Höhepunkt des Protests war ein Kulturzug durch die Stadt mit 30 Bands und anderen Musikgruppen, die immer wieder anhielten und künstlerische Beiträge lieferten. Begleitet wurden sie von rund 1 000 weiteren Kulturschaffenden, Bürgern und Politikern. Ein weiterer Höhepunkt folgte in Gestalt einer Schuh-Installation auf dem Rathausplatz: 3 000 Paar Schuhe, die die Musikschülerinnen und -schüler gesammelt hatten, symbolisierten die Zahl der Kinder und Jugendlichen, denen die Musikschule ein sinnvolles Bildungs- und Freizeitangebot macht. Ebenso spektakulär war das „stumme Orchester“ unter der Leitung von Martin Ehrhardt, der sich als neu gewählter Sprecher der Honorarlehrkräfte an der Musikschule zum Motor vieler Aktivitäten


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Vor dem Verstummen gerettet Anja Bossen

Wie Solidarität, Mut und Kreativität sich lohnen können

entwickelte. 45 Notenständer wurden vor dem Rathaus aufgebaut, für jedes Ensemble der Musikschule einer. Martin Ehrhardt dirigierte, doch es erklang kein einziger Ton: So also könnte die Zukunft der Musikschule aussehen. Parallel zu den Protestaktionen wurden eine Petition und eine Unterschriftenaktion zum Erhalt der Kulturinstitutionen initiiert, an denen sich mehrere tausend Personen beteiligten. Zugleich konnte Musikschulleiter Jürgen Ohrem in einer Stellungnahme zum KPMG-Gutachten überzeugend nachweisen, dass die Berechnungen von KPMG schlichtweg falsch waren. Da sich KPMG weigerte, die Rechenwege offenzulegen, war jedoch nicht festzustellen, worin die Fehler konkret bestanden. Dafür stellte sich als unbeabsichtigter Nebeneffekt des KPMG-Gutachtens heraus, dass die Honorare an der Musikschule seit zehn Jahren nicht mehr erhöht worden waren.

Erfolgreicher Kompromiss Inzwischen hat der Rat der Stadt am 27. Juni 2016 entschieden – allerdings nur zur Musikschule. Die Entscheidung ist ein Riesenerfolg und erheblich der Solidarität und dem Engagement der Betroffenen zu verdanken: der Musikschullehrkräfte, der Künstler und Unterstützer anderer Einrichtungen und der freien Kulturszene, des Musikschulleiters, der sich vor seine Einrichtung und sein Kollegium gestellt hat, der Eltern und der engagierten Bevölke-

rung. Aber auch die seit vielen Jahren gut funktionierende starke Verankerung der Musikschule im städtischen Leben, die Sichtbarkeit in öffentlichen Konzerten, Ferienangeboten und anderen Veranstaltungen haben sicher maßgeblich mit zu diesem Erfolg beigetragen. Den politischen Entscheidungsträgern dürfte klar geworden sein, was alles weggefallen wäre, wenn das KPMG-Gutachten umgesetzt worden wäre. Der Rat der Stadt ist den Empfehlungen von KPMG daher nicht gefolgt, da dies die bisherigen Strukturen vollkommen zerstört hätte. Man wollte offensichtlich auch nicht umsetzen, was auf einem der Demonstrationsplakate mahnend zu lesen war: „Musikschullehrer im Honorar, Lehrerwechsel jedes Jahr“. Als Kompromiss werden künftig 74 Prozent der Unterrichtsstunden von festangestellten Lehrkräften und 26 Prozent von Honorarkräften erteilt. Dies wird umgesetzt, indem zwei frei werdende TVöD-Stellen nicht neu besetzt werden. Die ursprünglich von KPMG anvisierte Quote von 30 Prozent Festangestellten zu 70 Prozent Honorarkräften ist damit vom Tisch. Der Rat der Stadt Leverkusen hat (im Gegensatz zu vielen Parlamentariern an anderen Orten) offensichtlich verstanden, was eine Musikschule ausmacht: dass es sich dabei nicht um ein Unterrichtsvermittlungsinstitut handelt, sondern um eine Bildungseinrichtung, in der Lehrkräfte eine Arbeit von hoher Qualität leisten. Der Rat

hat auch verstanden, in welchem Verhältnis die Einsparsumme zu dem steht, was an immateriellen Werten verloren gegangen wäre. Möglicherweise dämmert Politikern auf der kommunalen Ebene auch zunehmend, dass das Ende der Fahnenstange beim Sparen erreicht ist; denn was passiert eigentlich, wenn sämtliche freiwilligen Leistungen weggespart sind und nur noch Pflichtausgaben bleiben, für die die kommunalen Haushalte absehbar irgendwann ebenfalls nicht mehr ausreichen?

Der Widerstand geht weiter Wenigstens bis 2022 verfügt die Musikschule nun über Planungssicherheit. Über das Museum Morsbroich und die Ateliermieten des Künstlerbunkers wurde allerdings noch nicht entschieden. Doch auch die grundsätzliche Schlechterstellung von Honorarkräften gegenüber Festangestellten an der Musikschule ist damit noch nicht gelöst. Die solidarischen Aktionen werden also in die nächste Runde gehen – und das sicher mit genauso viel Fantasie, Mut und Kreativität wie bisher. Eins zeigt sich am Beispiel Leverkusen ganz deutlich: Solidarität und Engagement können noch immer erfolgreich sein. Und es gilt noch immer der Satz, dass, wer nicht kämpft, schon verloren hat. ))


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Reparatur und Wartung

Michael Herrmann

Umsatz erhöhen durch Verkauf von Musikinstrumenten und Zubehör, Teil 2

Lohnt es sich wirklich, als Musikpädagoge unter die Einzelhändler zu gehen? Und wie genau stellt man das an? Im ersten Teil gab Michael Herrmann Tipps, wie man ein Ladengeschäft eröffnet und den richtigen Großhändler findet. Im zweiten Teil geht es nun um die moralische und rechtliche Seite der Instrumentenbesorgung für Schüler, um Steuerfallen und um die Frage, wie Sie mit einem Reparaturservice Geld verdienen können.

)) Im ersten Teil meines Beitrags in der vergangenen Ausgabe von musikschule )) DIREKT habe ich Ihnen das Partner-ShopModell vorgestellt, mit dem Sie auch ohne eigenes Ladengeschäft für Ihre Schülerinnen und Schüler Instrumente besorgen können. Bei dieser Art des Besorgungsgeschäfts gibt es einen wichtigen moralischen und einen ebenso wichtigen rechtlichen Aspekt. Beginnen wir mit dem moralischen Aspekt: Als Pädagoge, der eine gewisse Autorität gegenüber seinem Schüler ausübt, sollten Sie keinesfalls eine Muss-Situation heraufbeschwören. Wer seinen Schüler bewusst oder auch nur unbewusst dazu verpflichtet, seine Instrumente bei ihm zu besorgen, handelt sowohl moralisch als auch rechtlich verwerflich. Jeder Schüler muss die absolut freie Wahl haben, wo er seine Musikalien erwirbt. Dabei ist man als Lehrkraft meist in einer unglücklichen, zweischneidigen Situation: Zum einen sieht man, dass das bisher vorhandene Instrument für einen angemesse-

nen Fortschritt nicht ausreichend ist, zum anderen darf man den Schüler nicht nötigen, das Instrument bei einem selbst zu kaufen. Noch ungemütlicher ist die Situation bei Noten: Man kann als Lehrkraft vollkommen zu Recht dem Schüler auftragen, ein ganz bestimmtes Notenheft zu erwerben, weil es für den Unterricht benötigt wird. Gleichzeitig sollte man ihm höchstens anbieten, es für ihn zu beschaffen, ihm aber jederzeit die freie Wahl lassen, es anderweitig zu besorgen. Aus rechtlicher Sicht gibt es zwar grundsätzlich keine Einschränkungen bezüglich dieser Art des Besorgungsgeschäfts. Dennoch entstehen besonders bei minderjährigen Schülerinnen und Schülern schnell rechtliche Grenzsituationen: Ein nicht voll geschäftsfähiger Schüler darf rein rechtlich seinen Musiklehrer gar nicht beauftragen, für ihn ein einige hundert Euro teures Instrument zu besorgen. Spätestens wenn dann die Eltern das Instrument bezahlen sollen, kann die Situation unschön werden. Denn wenn der Schüler nicht voll geschäftsfähig ist, so ist sein Besorgungsauftrag an den Lehrer aus rechtlicher Sicht ungültig. In der Konsequenz bedeutet das, dass die Eltern nicht zur Abnahme und Bezahlung verpflichtet sind und der Lehrer zusehen kann, wie er das Instrument anderweitig los wird. Dabei muss es sich nicht einmal um ein teures Instrument handeln: Schon Noten für wenige Euro können diese Situation heraufbeschwören. Kurz gesagt: Eine professionell arbeitende Lehrperson lässt ihren Schülerinnen und Schülern immer die Wahlfreiheit, wo sie ihre Instrumente und Noten besorgen.

Achtung: Steuerfalle! Es gibt aber auch eine kleine steuerliche Falle, die Sie kennen sollten. Das Stichwort, auf das Sie Ihren Steuerberater ansprechen sollten, ist die sogenannte „Vorsteuer-Kürzung durch umsatzsteuerbefreite Umsätze“. Bevor ich lange erkläre, worum es sich hierbei handelt, mache ich es an einem Beispiel fest: Angenommen, Sie erwirtschaften im Monat 1 000 Euro Gewinn, davon 900 Euro – also 90 Prozent – durch die Erteilung von Musikunterricht und 100 Euro – 10 Prozent – durch den Verkauf von Musikinstrumenten und Noten an Ihre Schülerinnen und Schüler. Der Musikunterricht ist in der Regel von der Umsatzsteuer befreit, der Verkauf der Musikinstrumente nicht. Nun stellt sich die Situation also so dar, dass Sie 90 Prozent Ihrer Umsätze aus nicht umsatzsteuerpflichtigen Bereichen generieren und nur 10 Prozent aus umsatzsteuerpflichtigen Bereichen. Das wiederum bewirkt, dass die Umsatzsteuer, die Sie beim Einkauf von Waren erwirtschaften, um 90 Prozent gekürzt wird – im Umkehrschluss bedeutet das, dass Sie nur 10 Prozent der Umsatzsteuer, die Sie bezahlt haben, wieder vom Finanzamt zurückerhalten. Wenn Sie also eine Gitarre für 119 Euro einkaufen (diese enthält ja 19 Prozent, also 19 Euro Umsatzsteuer), können Sie nur 10 Prozent davon beim Finanzamt zurückholen, also nur 1,90 Euro. Der Musikladen um die Ecke, der ausschließlich Musikinstrumente verkauft und keinen Musikunterricht erteilt, kann sich hingegen bei der gleichen Gitarre 19 Euro Umsatz-


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Vorschlag für eine Preisliste für Reparaturen

© fotolia_diego cervo

Gitarre Saiten aufziehen: – pro Saite..................................... 1 Euro – für alle sechs Saiten................... 5 Euro Mechaniken wechseln.................. 15 Euro Gurtpin montieren ....................... 8 Euro Sattel tauschen ............................. 15 Euro Stegeinlage fertigen, einpassen.. 15 Euro Komplettreinigung ...................... 20 Euro Trompete Mundstück ziehen........................ 5 Euro Komplettreinigung ...................... 40 Euro

steuer vom Finanzamt zurückholen. Wenn Sie die Gitarre wieder verkaufen, ist dies relativ irrelevant. Anders sieht es allerdings aus, wenn Sie die Gitarre für sich selbst gekauft haben, beispielsweise um sie für Ihren Musikunterricht oder für Konzertauftritte zu nutzen. Nun mag sich der eine oder andere vielleicht denken, diese paar Euro könne man durchaus verschmerzen. Ja – könnte man. Richtig tragisch wird es allerdings, wenn Sie ein Auto kaufen, das Sie für Ihre gewerbliche Tätigkeit zu nutzen beabsichtigen. Hier ist der Unterschied zwischen 100 Prozent Vorsteuerabzug und nur 10 Prozent Vorsteuerabzug schon gewaltig: Das kann oft in die Tausende gehen. Sie verzichten damit unter Umständen auf einen ordentlichen Betrag und sollten sich gut überlegen, ob Sie das riskieren möchten.

Hier kann noch richtig Geld verdient werden: Reparaturen Wussten Sie eigentlich, dass in einer Musikalienhandlung der Deckungsbeitrag II für Reparaturen üblicherweise weit über dem für den Handel mit Musikinstrumenten, Zubehör und Noten liegt? Sie haben keine Ahnung, wovon ich spreche? Formulieren wir es ganz einfach: Wenn Sie ein Instrument reparieren, verdienen Sie das zigfache von dem, was Sie bei einem Verkauf des Instruments verdienen würden. Nehmen wir ein Beispiel: Wenn Sie eine Gitarre für 100 Euro verkaufen, haben Sie daran voraussichtlich etwa 15 Euro verdient. Wenn Sie eine baugleiche Gitarre allerdings neu besaiten, umfangreich reini-

gen, alles überprüfen und gegebenenfalls die Mechaniken nachfetten, so können Sie ebenfalls 15 Euro verlangen. Nur mit dem kleinen Unterschied, dass Sie in letzterem Fall gerade mal ein paar Cent für Reinigungsmittel und Fett eingesetzt, im Falle eines Verkaufs aber mindestens 85 Euro investiert haben. Einfach gesagt könnte man formulieren, dass Sie, um 15 Euro zu verdienen, zwei Möglichkeiten haben: Entweder Sie investieren 85 Euro (Verkauf) oder ein paar Cent (Reparatur). Was ist wirtschaftlicher? Na logisch: Variante zwei. Viele Musiklehrkräfte bieten Reparaturen als kostenlosen Service an. Sie sollten darüber nachdenken, diesen Service künftig kostenpflichtig zu machen. Ein Beispiel: Das Aufziehen von Gitarrensaiten dauert bei einer Klassik-Gitarre im Durchschnitt etwa 15 Minuten. Wenn Sie einen Stundenlohn von beispielsweise 35 Euro ansetzen, dann ergibt das 8,75 Euro für 15 Minuten Arbeit. Wenn Sie diese Dienstleistung in Ihrer Musikschule direkt bei Ihren Schülerinnen und Schülern bewerben, werden Sie sich wundern, wie schnell Sie eine Stammkundschaft aufbauen. Erstellen Sie einfach eine Preisliste mit den häufigsten Reparaturen (siehe Kasten), von denen Sie wissen, dass Sie sie zuverlässig ausführen können, und hängen Sie diese aus – die ersten Anfragen werden schnell eintreffen. Und wenn sich einmal herumgesprochen hat, dass Sie einen ordentlichen Service bieten, ist das schon „die halbe Miete“. Um sich weiterzubilden, gibt es übrigens immer wieder Instrumentenbau-Kurse bei vielen Herstellern – im Internet gut zu recherchieren.

Saxofon Klappen nachjustieren, Achsen ölen .................................. 40 Euro Polster tauschen ........................... 10 Euro Komplettreinigung ...................... 40 Euro Querflöte Klappen nachjustieren, Achsen ölen .................................. 25 Euro Polster tauschen ........................... 10 Euro Komplettreinigung ...................... 30 Euro Alle Preise zuzüglich Material.

Fazit In der Musikalienhandelsbranche sind die Gewinnmargen äußerst klein und das Geschäft verlagert sich immer mehr ins Internet. Wer jetzt beschließt, ein Musikgeschäft zu eröffnen, braucht zum einen viel Kapital und zum anderen viel Mut. Damit ein Musikgeschäft läuft, muss es groß sein – sehr groß sogar. Nur so können Sie mit den miserablen Gewinnmargen überleben. Ein kleiner Musikladen hat heutzutage quasi keine Chance mehr. Wo Sie als „Kleiner“ allerdings noch Geld verdienen können, ist bei den Serviceleistungen: Reparaturen, Wartung und Instandhaltung. Dort können Sie durchaus attraktive Gewinne machen, auch als Einpersonenbetrieb. Um Ihren Schülerinnen und Schülern Musikinstrumente zu besorgen, sollten Sie sich bei einem Internetshop als Musiklehrkraft oder Musikschule registrieren lassen, um dort mit einem Partner-Shop-Modell vergünstigt ein- und dann mit einem kleinen Aufschlag weiterzuverkaufen. Probieren Sie das ein oder andere doch einfach mal aus. Sie werden sehen: Es kann sich lohnen – und macht sogar Spaß! ))

Michael Herrmann besitzt eine Musikschule mit angeschlossenem Musikgeschäft in Pfaffenhofen. www.intakt-musikinstitut.de


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6.2016

Wenn die Kamera hospitiert Sebastian Herbst

Der Instrumentalunterricht an Musikschulen findet häufig hinter geschlossenen Türen statt. Dabei bieten Hospitationen und Analyse videografierter Unterrichtsstunden ein großes Potenzial zur Reflexion des eigenen Unterrichts und eignen sich methodisch hervorragend für Fort- und Weiterbildungen.

)) Besonders Lehrende derjenigen Fächer, die ihre SchülerInnen zu einem großen Teil im instrumentalen Einzelunterricht unterrichten, empfinden die Anwesenheit einer weiteren Person oder gar einer Kamera gelegentlich als unangenehm und nehmen sie als Eindringen in einen sonst geschützten Raum wahr. Das ist nachvollziehbar. Man fühlt sich beobachtet, bewertet oder kritisiert und es besteht die Sorge, dass kreative und künstlerische Prozesse dadurch gestört werden. Methoden der Unterrichtsvideografie bieten aber viele Vorteile und lassen sich nutzen, um hin und wieder den eigenen Unterricht allein oder im Austausch mit anderen Lehrenden zu reflektieren sowie methodisch und inhaltlich weiterzuentwickeln. Dieser Beitrag soll Hemmungen und Ängste gegenüber der Videohospitation abbauen und zur Nutzung dieser Methode ermutigen, indem Möglichkeiten und Potenzial dieser Methode näher betrachtet werden.

Vorteile der Videohospitation Instrumentalunterricht ist durch verbale und nonverbale Kommunikation, durch das Spiel auf dem Instrument und durch ständige Interaktion zwischen Lehrenden, SchülerInnen und Instrument besonders vielseitig. „Zahlreiche Aktionen finden gleichzeitig statt und bieten diverse Beobachtungs-

möglichkeiten, sodass die Situation kaum von einem einzelnen Beobachter angemessen wahrgenommen“1 und in einem anschließenden Gespräch angemessen in Erinnerung gerufen werden kann. Daher sind Unterrichtshospitationen mit anschließendem Austausch allein nicht ausreichend und unzeitgemäß. Heute ist es ohne großen Aufwand möglich, Videos per Smartphone oder Camcorder in ansprechender Qualität aufzuzeichnen. Die aufgezeichneten Videos einer sinnvoll platzierten Kamera erlauben im Anschluss, einzelne Unterrichtssequenzen wiederholt abzuspielen und dabei unterschiedliche Beobachtungsperspektiven einzunehmen. Der konkrete Wortlaut, alle Interaktionsprozesse sowie das instrumentale Spiel sind wiederholt abspielbar und können zur Grundlage einer eigenen oder mit anderen Lehrenden gemeinsamen Betrachtung und Reflexion werden. „Das mehrmalige Anschauen einer Sequenz unter deutlicher Zuspitzung eines Beobachtungsaspekts und unter Einnahme der unterschiedlichen Perspektiven der Akteure ermöglicht eine detaillierte Analyse“,2 die dazu führen kann, dass wir unseren Unterricht besser verstehen. Waren unsere verbalen Hinweise nicht klar formuliert? Haben die begleitenden nonverbalen Äußerungen die verbalen Äußerungen unterstützt oder für Verwirrung gesorgt? Welchen Eindruck macht eigentlich die Schülerin? Hat sie es nicht richtig verstanden und wie scheint es ihr überhaupt zu gehen? Ist sie motiviert oder eher lustlos? Viele weitere Faktoren wären denkbar, die dazu führen, dass eine oder gar eine Reihe von Unterrichtsstunden nicht so verläuft, wie wir es uns erhofft und zuvor geplant haben. Die Videohospitation ermöglicht uns, diese vielseitigen und manchmal versteckten Faktoren aufzudecken, um sie

wahrzunehmen und daran zu arbeiten. Lehrende finden es bei der Betrachtung ihrer Unterrichtsstunden immer wieder spannend, Merkmale des eigenen Unterrichtens wahrzunehmen, sie entdecken dabei neue, ungekannte Seiten an sich und geben an, sich dadurch stetig weiterentwickeln zu können. Aus Angst vor Kritik entsteht ein konstruktiver Umgang mit Feedback, der sich positiv auf das Unterrichten und die Lehrerpersönlichkeit auswirkt.

Unterstützung durch die Forschung Zur Erforschung unterschiedlicher musikpädagogischer Fragestellungen greift auch die Unterrichtsforschung immer häufiger auf Methoden der Videografie zurück, „um die Unterrichtswirklichkeit in ihrer Komplexität analysierbar machen zu können“.3 Auch hier werden durch die Zuspitzung der musikpädagogischen Fragestellung, eines Beobachtungsaspekts und durch Einnahme unterschiedlicher Perspektiven spezifische Prozesse des Instrumentalunterrichts mit dem Ziel der Verbesserung von Unterricht und Lehrer(fort)bildung analysiert, sodass diese Ergebnisse für die Praxis nutzbar gemacht werden können. Der für die jeweilige Fragestellung entstehende Korpus an Videodaten erweist sich dabei als nützlich, um praxisorientiert in der Lehrer(fort)bildung zu arbeiten. Häufig werden die Videos in Transkriptionen überführt, die den genauen Wortlaut festhalten. Die Ausführlichkeit von darin enthaltenen weiteren Anmerkungen kann sich aber je nach Fragestellung stark unterscheiden. Besonders geeignet scheinen jedoch Transkriptionsverfahren zu sein, die die Vielseitigkeit des Instrumentalunterrichts erfassen, indem sie mittels Partitur-


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Videobasierte Reflexion im Instrumentalunterricht darstellung sowohl verbale als auch nonverbale Äußerungen mehrerer gleichzeitig agierender SprecherInnen festhalten sowie Möglichkeiten zum Einfügen vieler weiterer Anmerkungen lassen (siehe Abbildung auf Seite 12). Diese Transkripte können schließlich neben der Erforschung musikpädagogischer Fragestellungen auch in der Lehrer(fort)bildung eingesetzt werden, da das Lesen von Transkripten den Wahrnehmungsprozess im Vergleich zur Videobetrachtung, die mehrere Sinne gleichzeitig anspricht, erheblich entschleunigt und LeserInnen dadurch auf jeweils einen Beobachtungsaspekt fokussiert. Die Erstellung von Transkriptionen erfordert viel Arbeit, erweist sich aber nicht zuletzt auch aufgrund der Anonymisierung des Datenmaterials für den Einsatz in der Lehrer(fort)bildung als sehr vorteilhaft. Hier gibt es von Seiten der Forschung sicher noch einiges zu tun. Der Korpus muss sich vergrößern, Forschende müssen den Instrumentalunterricht unter weiteren musikpädagogischen Fragestellungen betrachten sowie Wege finden, das Video- bzw. Transkriptionsmaterial mit Zustimmung der aufgezeichneten Personen der Lehrer(fort)bildung zugänglich zu machen.

Videografie in Inklusionsfortbildungen Im Zuge der Inklusion wächst das Angebot an Fortbildungen, die Inklusion im Instrumentalunterricht thematisieren. Die Angebote des Verbands deutscher Musikschulen, der Landesverbände sowie der Landesmusikakademien und der Bundesakademie für musikalische Jugendbildung reichen von zweitägigen Fortbildungen bis hin zu mehrphasigen berufsbegleitenden Lehrgängen mit Qualifikationsnachweis

und thematisieren unter anderem Grundlagen der Sonderpädagogik unter Berücksichtigung musikpsychologischer Grundannahmen, methodisch-didaktische Aspekte der Unterrichtsplanung, (Um-)Arrangieren und Vereinfachung von Musikstücken für die elementare musikpraktische Arbeit sowie Improvisationsmodelle im Instrumentalunterricht. Es versteht sich von selbst, dass zweitägige Fortbildungen nicht alle Inhalte ausführlich thematisieren können und den Fokus auf meist nur einen Aspekt wie beispielsweise die Vorstellung praxiserprobter Modelle elementarer Musizierpraxis legen, die in den Fortbildungen selbst ausprobiert werden. Hier stellt sich nun die Frage: Wie viel Fortbildungsstunden mit welchen Inhalten benötigen Lehrende eigentlich, um sicher inklusiv unterrichten zu können? Es entsteht dabei der Eindruck, als könne man gar in einer Art Handbuch für das Unterrichten von Menschen mit Behinderung die zehn Merkmale eines guten und gelingenden inklusiven Unterrichts benennen und dazu praktische Hinweise bzw. praktische Anleitungen geben. Wie in jedem Instrumentalunterricht ist aber auch in inklusiven Settings ein Unterricht gefragt, der sich immer wieder neu auf die Bedürfnisse der SchülerInnen einstellt. Neben allen genannten Themen brauchen Lehrende eben vor allem auch „Neugier, Interesse, Bereitschaft zum Ablegen von Vorurteilen, Mut, Experimentierlust, Freude daran, wie sich Menschen mit Behinderungen über Musik und im Musizieren freuen können“4 – und das braucht Zeit und Praxis! Fortbildungen können dazu nur einen Anreiz geben. Mehrphasige Lehrgänge wie BLIMBAM in der Akademie Remscheid geben Raum für die Praxiserprobung, indem die Lehrgangsphasen durch regelmäßige Praxisphasen mit Hospitationen und Videoaufzeichnun-

gen von Lehrproben begleitet werden. Unterrichtsmethoden können dabei ausprobiert und Ängste abgebaut werden. Die Reflexion eigener Unterrichtsstunden und das Voneinander-Lernen stehen dann im Vordergrund und nutzen dabei die Stärken der Videohospitation. Sowohl zweitägige Fortbildungen als auch mehrphasige berufsbegleitende Lehrgänge kosten aber Zeit und Geld – Zeit, die Lehrende teilweise zusätzlich zu ihrer Arbeitszeit investieren müssen, und Geld, das Lehrende häufig selbst aufbringen müssen. Bei Lehrenden mit Honorarverträgen bringt das natürlich ganz besondere Schwierigkeiten mit sich. Für einen flächendeckenden, gelingenden inklusiven Unterricht werden hier Lösungen zu finden sein, die den Besuch von mehrphasigen Fortbildungen mit intensiven videobegleiteten Hospitationsphasen attraktiver machen.

Videografiebasierte Reflexion der Unterrichtssprache Wie der in der vorherigen Ausgabe von musikschule )) DIREKT erschienene Artikel zu sprachlichen Assoziationen in der Vermittlung elementarer instrumentaler Fertigkeiten zeigt, muss die Sprache des Instrumentalunterrichts unter anderem aufgrund der häufigen Verwendung assoziativer Elemente besondere Berücksichtigung bei der Reflexion von Unterricht finden und daher noch viel stärker in der Lehrer(fort)bildung thematisiert werden. „Ein ‚Griff‘ ist eben etwas anderes als eine ‚Berührung‘, eine ‚Haltung‘ etwas anderes als die ‚Konzentration auf den Atemfluss‘, ‚Da kannst du richtig durchmaschieren‘ etwas anderes als ‚Spiel das mal wie ein Wiegenlied für ein ganz kleines Baby‘.“5 Die regelmäßige Reflexion der eigenen Unterrichtssprache ist eine Bedingung für einen


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6.2016

„Videohospitationen eignen sich aufgrund ihres vielfältigen Potenzials dazu, die Qualität des eigenen Unterrichts stetig zu verbessern.“ Transkription einer Videohospitation in Form einer Partitur

gelingenden Unterricht und sensibilisiert Lehrende im Umgang mit dieser. Neben der Analyse verbaler Äußerungen spielt aber auch die Betrachtung nonverbaler Äußerungen eine entscheidende Rolle, denn „instruktionale Formen zur Vermittlung motorischer Ausführungsfertigkeiten und musikalischen Ausdrucksgehalts im Instrumentalunterricht leben neben verbalsprachlichen Erläuterungen ähnlich von Mimiken und Gesten“.6 Videografierte Unterrichtsstunden und daraus erstellte Transkriptionen ermöglichen, eben diese Komplexität der Unterrichtssprache festzuhalten, analysierbar und zum Gegenstand der Reflexion zu machen.

Mut zur Videohospitation Videohospitationen eignen sich aufgrund ihres vielfältigen Potenzials sowohl dazu, die Qualität des eigenen Unterrichts stetig zu verbessern, als auch Einblicke in den Instrumentalunterricht in inklusiven Settings zu bekommen. Nach Klärung der Regelungen zum Datenschutz – denn es werden auch immer SchülerInnen gefilmt – können ausgewählte Unterrichtsstunden aufgezeichnet und zur eigenen Reflexion genutzt sowie eventuell auch beispielhaft in der Lehrer(fort)bildung eingesetzt wer-

musikschule )) DIREKT erscheint

alle zwei Monate als Supplement zu üben & musizieren

den. In Studium und Fortbildungen sowie in Zusammenarbeit mit anderen Lehrenden können Videoausschnitte, sogenannte Videovignetten, als Ausgangspunkt für eine kollegiale Fallberatung dienen, in der gemeinsam Lösungsansätze für Schwierigkeiten und Herausforderungen entwickelt werden. Der Zusammenschluss mit einer Expertin oder einem Experten für inklusiven Instrumentalunterricht kann schließlich besonders gewinnbringend für die kollegiale Fallberatung sein, und zwar nicht nur dann, wenn es sich bei der aufgezeichneten Unterrichtsstunde um eine Stunde mit „diagnostiziertem“ inklusiven Setting handelt. Es wäre wünschenswert, dass sich eine Hospitationskultur, die Stärken der videobasierten Unterrichtsreflexion und kollegialen Fallberatung nutzt und sich weiter für empirische musikpädagogische Forschung öffnet, in den Musikschulen etabliert. Bei vertrauensvollem und respektvollem Umgang ist die Kamera schnell vergessen. )) 1 Kerstin Heberle/Ulrike Kranefeld: „,Genau das ist jetzt das Problem bei uns.‘ Eine Fallstudie zum Rückmeldeverhalten von Lehrenden im Gruppeninstrumentalunterricht“, in: Thomas Greuel/ Katharina Schilling-Sandvoß (Hg.): Soziale Inklusion als künstlerische und musikpädagogische Herausforderung, Aachen 2012, S. 132.

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Ulrike Kranefeld/Melanie Schönbrunn: „Videografie im Unterricht. Medialer Blick ins Klassenzimmer: über den Einsatz und Nutzen videobasierter Unterrichtsforschung für die Praxis“, in: Musik & Unterricht 101/2010, S. 59. 3 Kerstin Heberle/Ulrike Kranefeld: „,Bei ihm klingt das so komisch!‘ Perspektiven der Interpretativen Unterrichtsforschung auf den Umgang mit Differenz im JeKi-Gruppeninstrumentalunterricht“, in: Andreas Lehmann-Wermser (Hg.): Beiträge empirischer Musikpädagogik Vol. 3, No. 1, elektronischer Artikel 2012, S. 2. 4 Ulrich Mahlert: Vorwort zum Themenheft „Inklusion“, in: üben & musizieren 1/16, S. 1. 5 Beate Mitzscherlich: Musikpsychologie im Instrumentalunterricht – eine Einführung, Leipzig 2008, S. 88. 6 Heike Gebauer: „,Es sind Kamera-Themen’. Potenziale und Herausforderungen videobasierter Lehr-Lernforschung in der Musikpädagogik“, in: Andreas Lehmann-Wermser (Hg.): Beiträge empirischer Musikpädagogik Vol. 2, No. 2, elektronischer Artikel 2011, S. 23.

Sebastian Herbst ist wissenschaftlicher Mitarbeiter am Lehrstuhl für Musik und ihre Didaktik der Universität Paderborn und Klavierlehrer an der Musikschule Dortmund.

Redaktion: Anja Bossen und Rüdiger Behschnitt Ständige Mitarbeiter: Jürgen Simon und Bernd Dahlhaus Layout: Rüdiger Behschnitt Grafik: Nele Engler


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