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Musikschulgesetz in Brandenburg Eigene Website und Abmahncheck Werbematerial selbst erstellen

musikschule )) DIREKT Qualität ist, was es kostet Sachsen-Anhalt hat es, Brandenburg hat es, die anderen Bundesländer haben es (noch) nicht: ein Musikschulgesetz. Bildung ist Ländersache, sodass es nicht erstaunlich ist, dass nicht alle Bundesländer ein eigenes Musikschulgesetz für gleich wichtig erachten. Interessant sind allerdings die Unterschiede in der inhaltlichen Ausgestaltung zwischen den beiden Ländern, die bisher ein solches Gesetz erlassen haben (siehe den Artikel von Gunnar Reichmann auf den Seiten 2 bis 4). Der Gedanke hinter einem Musikschulgesetz ist, dass es der Absicherung einer bestimmten Qualität von Musikschulen, die eine Landesregierung als wünschenswert erachtet, dienen soll. Es werden daher in dem jeweiligen landesspezifischen Gesetz Qualitätskriterien festgelegt, die darüber entscheiden, ob und in welchem Umfang eine Musikschule staatlich gefördert werden kann, also finanzielle Mittel erhält. Die Novellierung des Musikschulgesetzes in Brandenburg zeigt jedoch sehr deutlich, dass „Qualität“ eine höchst subjektive Angelegenheit ist und dass sie ausschließlich davon abhängen kann, wie viel Geld eine Landesregierung bereit ist, zur Verfügung zu stellen. In Brandenburg spielen weder pädagogische noch künstlerische Qualitätskriterien eine Rolle und es wird auch kein Gedanke an die Lehrkräfte, die in staatlichem Bildungsauftrag handeln, verschwendet. Bildungswirkungen können sich jedoch nur unter bestimmten Rahmenbedingungen vollziehen. Werden diese unterschritten, tritt kein oder ein höchstens minimaler Lernerfolg ein. Statt dass sich die verantwortlichen Politiker in Brandenburg aber offen dazu bekennen, dass sie staatlich geförderte Musikschulen mit einem Bildungsauftrag eigentlich nicht mehr für notwendig erachten, arbeiten sie auf subtilere Weise an deren weiterem Niedergang, indem sie eine Mangelsituation gesetzlich festschreiben und sämtliche Einwände und Vorschläge von Experten und Eltern vom Tisch wischen. Staatlich geförderten Musikschulen wird so ihr eigentlicher Bildungsauftrag entzogen, ohne dass jemand konkret benannt werden könnte, der dafür verantwortlich ist. Das ist politisch sehr geschickt, denn es sind nicht handelnde Personen, sondern die Kassenlage verantwortlich, die – leider, leider – keine andere Entscheidung zulässt. Die Leitragenden aber sind die in Brandenburg überwiegend als Honorarkräfte tätigen Lehrkräfte, deren monatliches Durchschnittseinkommen von 935 Euro und deren fehlende soziale Absicherung nun ebenfalls festgeschrieben werden. Vor allem aber sind die Leidtragenden die Kinder und Jugendlichen, die einer derartigen „Qualität“ des Musikschulsystems ausgesetzt sind. Anja Bossen

„Jeder hat das Recht auf Bildung“, so beginnt Artikel 26 der Allgemeinen Erklärung der Menschenrechte. Doch nicht jeder kann sein Recht auf Bildung verwirklichen – Leidtragende sind oft Kinder und Jugendliche jener Eltern, die es sich finanziell nicht leisten können, ihren Sprösslingen die Teilnahme an außerschulischen Bildungsangeboten zu ermöglichen. Der Bundesverband Deutscher Privatmusikschulen e. V. (bdpm) unterstützt mit den Mitteln des Sozialfonds „Kids love Music“ Kinder und Jugendliche finanziell benachteiligter Eltern. Nähere Informationen unter www.kids-love-music.de

) Sie haben Fragen, Anregungen, Tipps oder Hinweise für die Redaktion? ) Sie möchten sich kritisch äußern zu unseren Themen und Beiträgen oder haben Vorschläge für neue Themen? Schreiben Sie uns: info@musikschule-direkt.de


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Qualitätsverlust in großem Stil

Gunnar Reichmann

)) Am 22. Januar 2014 wurde vom Brandenburgischen Landtag das novellierte Musikschulgesetz verabschiedet. Doch die damit verbundenen Hoffnungen und Erwartungen der Musikverbände sowie der Lehrer- und Elternschaft haben sich nicht erfüllt – ganz im Gegenteil: Weder wurde die Landesförderung für die bereits seit Jahren chronisch unterfinanzierten Musikund Kunstschulen erhöht noch wurden die Vorschläge verschiedener Musikschulexperten für eine dauerhafte und qualitätssichernde Zukunft der Musikschulen berücksichtigt. Dafür müssen in Zukunft mehr Kriterien erfüllt sein, um überhaupt eine Förderung vom Land Brandenburg erhalten zu können.1

Warum das Gesetz novelliert wurde Ein Musikschulgesetz gibt ist Brandenburg bereits seit dem Jahr 2000. Danach musste eine Musikschule sechs Kriterien erfüllen, um vom Land Brandenburg als solche anerkannt und gefördert zu werden. Die Kriterien waren Gemeinnützigkeit, eine kontinuierliche und planmäßige Arbeit, mindestens 150 Jahreswochenstunden, die Arbeit nach Lehrplänen und die Leitung der Musikschule durch eine festangestellte und nach Ausbildung und Berufserfahrung geeignete Person. Die Mehrheit der Lehrkräfte musste über einen Hochschulabschluss im Fachbereich Musik oder Musikpädagogik bzw. einen gleichwertigen Abschluss verfügen. Die Gesamtfördersumme belief sich auf 3,3 Millionen Euro. Das entsprach einem

Anteil an den Gesamtkosten der Musikschulen von etwa 15 Prozent. Nur drei Jahre später, im Jahr 2003, wurde die Fördersumme vom Landtag auf 2,6 Millionen Euro gekürzt. Das Gesetz sah jedoch vor, die Fördersumme bei steigenden Kosten oder Unterrichtsvolumen zu erhöhen, soweit Haushaltsmittel zur Verfügung stehen. Jedoch standen Haushaltsmittel offenbar seit 2003 nicht zur Verfügung, somit wurde die Fördersumme auch nicht erhöht. Der prozentuale Anteil der Landesförderung an den Gesamtkosten verringerte sich infolgedessen zwischen 2000 und 2009 von ursprünglich 15 Prozent auf unter zehn Prozent. Mit der Kürzung der Landesförderung im Jahr 2003 verschlechterte sich die wirtschaftliche Situation der sowieso schon unterfinanzierten brandenburgischen Musikschulen zusehends. Auszubaden hatten das einerseits die Lehrkräfte, die zunehmend als Honorarkräfte statt als Festangestellte beschäftigt wurden, andererseits die Träger der Musikschulen und die Eltern der Schülerinnen und Schüler, die tiefer in die Tasche greifen mussten. Aus diesen Gründen wurde vom Landesverband der Musikschulen Brandenburg e. V. im Jahr 2009 die Volksinitiative „Musische Bildung für alle“ ins Leben gerufen. Forderungen der Volksinitiative an das Land Brandenburg waren unter anderem, allen Kindern und Jugendlichen unabhängig von ihrem sozioökonomischen Status eine musische Bildung zu ermöglichen und die Fördermittel für die Musikschulen zu verdoppeln. Die Beteiligung der Bevölkerung war groß, und so beauftragte der

Landtag im Jahr 2010 das Ministerium für Wissenschaft, Forschung und Kultur, das bestehende Gesetz zu novellieren.

Die Neuerungen des Gesetzes Von der Novellierung des brandenburgischen Musikschulgesetzes wurde viel erwartet. Denn die Volksinitiative hatte nicht nur damit Erfolg, die Novellierung beim Ministerium durchzusetzen, sondern auch zur Entstehung des Grundmusikalisierungsprogramms „Klasse: Musik“ beizutragen. Für das gesamte Programm „Musische Bildung für alle“, inklusive „Klasse: Musik“, hatte das Land seit 2010 jährlich 1,3 Millionen Euro zur Verfügung gestellt. Vor diesem Hintergrund durften sich die seit Jahren chronisch unterfinanzierten Musikschulen verständlicherweise Hoffnungen auf eine Verbesserung ihrer Situation machen, die sich dann auch im neuen Gesetz wiederfinden sollte. Doch nach den vier Jahren, die seit der Beauftragung durch den Landtag bis zum Beschluss des neuen Gesetzes vergangen sind, fällt das Ergebnis nun ernüchternd aus. Im Gesetz findet sich weder eine Erhöhung der Gesamtfördersumme noch wurde das in Brandenburg so erfolgreiche Programm „Musische Bildung für alle“ in das Gesetz aufgenommen. Dafür wurde das Verfahren zur Anerkennung der Musikschulen als „förderungswürdig“ durch das Land um fünf Punkte erweitert.2 Positiv ist dabei hervorzuheben, dass zukünftig auf die Fortbildung der Lehrkräfte Wert gelegt wird. Andere Kriterien jedoch erhöhen den Verwaltungsaufwand der Musik-


© Uwe Hoffmann

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Neues Musik- und Kunstschulgesetz in Brandenburg verschlechtert die Situation der Schulen Protest gegen die geplante Schließung der Musikschule in Rathenow (Brandenburg) im September 2013

und Kunstschulen. Dafür muss Geld in die Hand genommen werden, das dann nicht für den Unterricht der Schülerinnen und Schüler zur Verfügung steht. Zahlreiche Verbände und die Gewerkschaft ver.di kritisierten in ihren Stellungnahmen zum Entwurf des neuen Gesetzes bereits im Juni 2013 das enorm aufwändige Verfahren zur staatlichen Anerkennung, welches in letzter Konsequenz dazu führt, dass für den Unterricht sogar insgesamt noch weniger Mittel zur Verfügung stehen als vorher.3 Damit aber noch nicht genug. Der Anteil der Fördermittel für die jeweilige Musikschule soll zukünftig auf Grundlage der im Jahr erteilten Unterrichtsstunden und der Zahl der Schüler der Musikschule berechnet werden. Bisher erfolgte die Berechnung ausschließlich anhand der erteilten Unterrichtsstunden. Das Land möchte damit bewirken, dass mehr Schülerinnen und Schüler unterrichtet werden. Mit dieser Maßnahme sollen Wartelisten abgebaut und der Gruppenunterricht anteilig bzw. die Gruppenstärke erhöht werden. Gleichzeitig möchte das Land aber die Sicherung oder sogar die Erhöhung der Qualität erreichen. Besondere Maßnahmen zur Begabtenförderung finden sich im Gesetz nicht wieder, ebenso wenig wie Verbesserungen für die Lehrkräfte. Die Lehrkräfte sind aber das eigentliche „Kapital“ der Musikschulen und in erster Linie für die Qualität verantwortlich. Eine Quote von festangestellten Lehrkräften und das Festlegen von Mindesthonoraren und sozialer Absicherung für die Honorarkräfte hätten eine minimale Anerkennung der Verantwortung der Lehrkräf-

te zum Ausdruck gebracht und auch einen positiven Einfluss auf die Qualität des „Organismus Musikschule“ gehabt. Nichts davon hat jedoch den Weg in das Gesetz gefunden. Weiterhin müssen keineswegs alle, sondern nur die Mehrheit der Lehrkräfte über einen entsprechenden berufsqualifizierenden Abschluss verfügen. Auch dies ist sicher keine qualitätsfördernde Maßnahme. Dass die Berechnung der jeweiligen Fördersumme künftig auch auf der Grundlage der Schülerzahl in Verbindung mit den fehlenden Regelungen für die Lehrkräfte und die unveränderte Gesamtfördersumme erfolgen wird, führt ebenfalls zu einem schleichenden Qualitätsverlust: Musikschulen, die bisher verstärkt auf Einzelunterricht Wert gelegt haben, müssen in Zukunft mehr Schüler aufnehmen und Gruppenunterricht anbieten. Jedoch könnte das mit größeren Hürden verbunden sein, denn Wartelisten gibt es keineswegs an jeder Musikschule und die Schülerzahlen sind in den vergangenen zehn Jahren bereits stetig gestiegen. Darüber hinaus wird es dann nicht mehr wie bisher möglich sein, sich allein aus pädagogischen Gründen für Einzel- oder Gruppenunterricht zu entscheiden. Außerdem sind auch die räumlichen Kapazitäten der Musikschulen begrenzt. Festzustellen ist des Weiteren bereits jetzt in einigen Bereichen ein Fachkräftemangel. Gelingt es einer Musikschule aufgrund dieser Bedingungen nun nicht, die Schülerzahl zu steigern, muss sie möglicherweise mit empfindlichen Einbußen der Landesförderung rechnen.4 Zudem ist bisher

noch nicht festgelegt, wie die Schülerzahl einer Musikschule genau berechnet wird: Ist ein Schüler dann ein Schüler im Sinne des Gesetzes, wenn er das gesamte Kalenderjahr oder nur einen einzigen Tag Schüler der Musikschule war? Hier besteht noch erheblicher Präzisierungsbedarf durch die Landesregierung, um Planungssicherheit für die Musikschulen zu gewährleisten. Sollte jedoch ein „Konkurrenzkampf“ der Musikschulen um die Fördermittel vom Land entstehen, könnte der Einzelunterricht in Zukunft die große Ausnahme darstellen.

Auch Kunstschulen sind nun eher gefährdet Neu ins Gesetz aufgenommen wurde, dass nun auch Kunstschulen prinzipiell das Recht auf Förderung durch das Land haben. Dafür wurden 90 000 Euro für das gesamte Land Brandenburg bereitgestellt. Ob sie aber tatsächlich eine Förderung durch das Land erhalten, ist mehr als fraglich. Dafür müssen sie nämlich erst die Anerkennungsvoraussetzungen erfüllen. Und die haben sich gewaschen: Eine Kunstschule müsste wöchentlich jeweils 30 Unterrichtsstunden in den Bereichen „Bildende Kunst“ und „Angewandte Kunst“ und zehn weitere Stunden in einem der Bereiche „Theater“, „Tanz“, „Literatur“, „Medien“ oder „Zirkus“ erbringen. So könnte es passieren, dass das neue Musikund Kunstschulgesetz Kunstschulen eher verhindert als fördert. Die Landtagsabgeordnete Anja Heinrich (CDU) berichtet in ihrer Pressemitteilung vom 4. März 2014


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Musikschulgesetze in Deutschland In Deutschland gibt es kein einheitlich ausgeprägtes Musikschulrecht in Gesetzesform. Doch in einigen Bundesländern gibt es gesetzliche Regelungen zu den Musikschulen, die sich jedoch stark voneinander unterscheiden. Die Länder Brandenburg und Sachsen-Anhalt regeln das Musikschulwesen in einem eigenständigen Gesetz, wohingegen in anderen Bundesländern die Musikschulen im Schul- oder Jugendbildungsgesetz verankert sind. Eine ausführliche Aufstellung der derzeit vorhandenen gesetzlichen Regelungen der Länder zum Musikschulwesen mit Verlinkungen zum jeweiligen Gesetzestext findet man unter www.kultur-bildet.de/musikschulgesetze

von den Auswirkungen: „Das Gesetz gefährdet das finanzielle Überleben von den Kunstschulen in Brandenburg“, denn es haben schon Träger von Kunstschulen mit der CDU Kontakt aufgenommen, die nach der derzeitigen Beschlusslage den Fortbestand ihrer Schule gefährdet sehen.5

Auswirkungen der Novelle Mithin kann man die Auswirkungen des novellierten Brandenburgischen Musik- und Kunstschulgesetzes folgendermaßen zusammenfassen: ) Die chronisch unterfinanzierten Musikund Kunstschulen erhalten nicht mehr Geld vom Land – im Gegenteil: Durch den erhöhten Verwaltungsaufwand steht für den Unterricht noch weniger Geld zur Verfügung als vorher. ) Keine Planungssicherheit für Projekte, die allen Kindern und Jugendlichen – unabhängig von ihrem sozioökonomischen Status – eine musische Bildung ermöglichen. ) Im Gesetz wird keine Förderung von Spitzenleistungen festgeschrieben. ) Für die Lehrkräfte gibt es keine Verbesserung. ) Die Qualität der Musikschule als Bildungsinstitution wird sinken. ) Kunstschulen sind in ihrer Existenz bedroht, Neugründungen förderfähiger Kunstschulen sind aufgrund der Kriterien so gut wie unmöglich.

Geht es besser? Das Land Brandenburg ist nicht das einzige Bundesland mit einem Musikschulgesetz. Seit dem Jahr 2006 gibt es ein solches auch in Sachsen-Anhalt. Es fällt sofort auf, dass dort eine Gesamtfördersumme nicht genannt ist. Auch auf ein kom-

pliziertes Anerkennungsverfahren wurde verzichtet. Das Gesetz ist zwar insofern etwas komplexer verfasst als das brandenburgische, als es neben dem eigentlichen Gesetz noch eine Verordnung, eine Richtlinie und jeweils dazu noch Ausführungsbestimmungen gibt. Dieses Konstrukt hat jedoch den Vorteil, dass die für das Bundesland Sachsen-Anhalt wichtigen Aspekte leichter angepasst werden können. Das Land Sachsen-Anhalt kann bis zu 50 Prozent der Kosten für die Unterrichtsstunden bezuschussen. Dabei gibt es für bestimmte förderungswürdige Bereiche feste Fördersätze, so zum Beispiel für Ensemblefächer, Unterricht für Menschen mit Behinderungen oder Unterricht in der studienvorbereitenden Ausbildung. Für die Leistungsträger unter den Schülern werden Stipendien in Höhe von 1 000 Euro vergeben. Weiterhin wird festgelegt, dass die Mehrzahl der Unterrichtsstunden durch festangestellte Lehrkräfte erteilt werden soll. Breitenbildung und Spitzenleistungen werden hier ausgewogen gefördert. Dass die Gesamtfördersumme nicht festgelegt worden ist, birgt natürlich auch Gefahren, denn die Zuschüsse in diesem Gesetz unterliegen ebenfalls dem Haushaltsvorbehalt. Besser als das brandenburgische Gesetz scheint es dennoch zu sein. KlausPeter Will, Schulleiter der Musikschule Märkisch-Oderland in Brandenburg, hat im Mai 2013 eine Untersuchung veröffentlicht, in der unter anderem die Zuschüsse aller Bundesländer für die musikalische Bildung verglichen werden. Aus dieser geht hervor, dass Brandenburg gemessen am Anteil der Landesförderung an den Gesamtkosten der Musikschulen bundesweit das Schlusslicht ist. Vermutlich ist es dann auch bald das Schlusslicht gemessen an der Ausbildungsqualität für die Kinder und Jugendlichen.

Der Verband der Musik- und Kunstschulen Brandenburg e. V. (VdMK) hat indes eine neue Volksinitiative angekündigt – wiederum mit dem Ziel der Verdopplung der Landeszuschüsse.6 ))

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Protokoll der Sitzung des Ausschusses für Wissenschaft, Forschung und Kultur des Landtages Brandenburg vom 13.11.2013: www.landtag.brandenburg.de/media_fast/5701/45.16020911.pdf 2 Gesetz zur Förderung der Musik- und Kunstschulen im Land Brandenburg: www.bravors.brandenburg.de/sixcms/detail.php?gsid=land_bb_bravors_ 01.c.54524.de 3 Stellungnahmen vom Verband der Musik- und Kunstschulen Brandenburg e. V. (VdMK), des Städte- und Gemeindebundes Brandenburg (StGB) und der Landeselternvertretung: http://vdmk-brandenburg.de/site/verband/kulturpolitische-arbeit/sub-kulturpolitische-arbeit-2 4 Lausitzer Rundschau: „,Respektlosigkeit‘ ärgert Musikschulen“; www.lr-online.de/regionen/cottbus/Respektlosigkeit-aergert-Musikschulen;art 1049,4372821 5 www.cdu-fraktion-brandenburg.de/aktuell/auswirkungen-des-musik-und-kunstschulgesetzes 6 http://bb.mehr-demokratie.de/bb-news.html?& tx_ttnews[backPid]=6833&tx_ttnews[tt_news]=15 074&cHash=258389db4f35437bccb0c9e58082a658

Gunnar Reichmann ist Lehrer für E-Bass, Kontrabass, Gitarre und Musiktheorie an der Musikschule „Gebrüder Graun“ des Landkreises Elbe-Elster.


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Tipps für Website-Betreiber gegen die Tücken des Netzes

Abmahncheck Das Internet wird häufig als chaotisch und anarchisch wahrgenommen, doch ist das Internet keineswegs ein rechtsfreier Raum. Urheberrecht, Persönlichkeitsrecht, Wettbewerbsrecht, Presserecht bieten vielfältige Angriffspunkte für teure Abmahnungen.

)) Das kostenpflichtige Abmahnen von behaupteten oder tatsächlichen Verstößen im Internet hat sich in den vergangenen Jahren zu einem prosperierenden Geschäftsfeld entwickelt. Wer eigene Angebote im Internet macht, muss damit rechnen, in das Visier von Abmahnunternehmen zu geraten. Bevor es soweit kommt, sollte man die eigenen Angebote gründlich auf die häufigsten Stolperfallen prüfen. Gesunder Menschenverstand genügt hier in der Regel nicht – so hat ein Münchner Gericht eine pflegebedürftige Rentnerin, die weder einen Computer noch einen WLAN-Router besaß, wegen des Uploads eines Hooligan-Films verurteilt (das Urteil ist erst in zweiter Instanz aufgehoben worden). Bei der eigenen Internetseite gibt es einige Regeln, die beachtet werden müssen. Das Urheberrecht greift nicht nur bei Tauschbörsen, sondern gilt für alle Medien. Bilder und Fotos dürfen nur verwendet werden, wenn der Urheber dem ausdrücklich zugestimmt hat. Und auch dann muss der Urheber genannt werden. Das kann in der Regel durch eine kleine Bildunterschrift geschehen. Allerdings hat auch hier ein Gericht in Köln entschieden, dass dies nicht ausreicht und eine Nennung des Urhebers direkt im Bild erfolgen muss (was eventuell eine Bearbeitung des Bildes erfordert, die unter Umständen gegen die Nutzungsbedingungen verstößt!). Am einfachsten geht man dem aus dem Weg, in-

dem man selbst gemachte Bilder verwendet. Zu beachten ist bei Bildern auch, dass die Nutzung für unterschiedliche Zwecke jeweils eigens genehmigt werden muss. Ein Passbild darf z. B. nicht einfach gescannt und ins Netz gestellt werden. Dazu bedarf es einer ausdrücklichen Genehmigung durch den Fotografen. Wenn die Urheberrechte geklärt sind, muss noch auf die Persönlichkeitsrechte der abgebildeten Personen Rücksicht genommen werden. Fotos von musizierenden Schülerinnen und Schülern dürfen nur verwendet werden, wenn dafür Genehmigungen durch die Eltern vorliegen. Bei Schulaufführungen kann dies oft auch direkt mit der Schule geklärt werden. Das Urheberrecht gilt selbstverständlich auch für Texte. Kritiken und Berichte auch über eigene Veranstaltungen dürfen nicht einfach auf die eigene Internetseite übernommen werden. Dazu bedarf es einer Genehmigung durch den oder die Rechteinhaber. Gerade bei Zeitungskritiken kann dies schwierig sein, da die Rechte oft zwischen Verlag und Autor aufgeteilt sind. Auch das Wettbewerbsrecht bietet Fallstricke. Wer auf seiner Website damit wirbt, dass er nur die neuesten Klaviere der Firma XY verwendet und dies womöglich auch noch als Schlüsselwort für eine Suchmaschine hinterlegt, kann schnell eine Abmahnung bekommen, wenn die Firma XY dies nicht als kostenlose Werbung, sondern als unerlaubte Nutzung ihres guten Markennamens betrachtet. Gefahren lauern auch bei den Inhalten. Wer eigene Texte zu aktuellen Themen schreibt oder einen Blog führt, für den gelten möglicherweise Regelungen des Presseund des Medienrechts. Problematisch sind auch Foren und Gästebücher, weil der Betreiber der Seite auch für die fremden Inhalte haftet.

Jürgen Simon

Ohne Ausnahme gilt jedoch für jedes Internetangebot – auch z. B. für Facebook – die Impressumspflicht. Bei der Erstellung eines Impressums gibt es einfache Hilfe aus dem Internet. Unter dem Stichwort „Impressum Generator“ finden sich mehrere Angebote von Rechtsanwaltskanzleien, die bei der Erstellung kostenlos behilflich sind. Einen umfangreichen Generator mit vielen Erläuterungen bietet die Firma eRecht24: www.e-recht24.de/impressumgenerator.html Insgesamt finden sich auf der Seite von eRecht24 viele nützliche Artikel und Hinweise zur Gefahr von Abmahnungen. Von eRecht24 wird auch die Seite www.abmahnung-internet.de/abmahncheck betrieben, die bei der Prüfung der eigenen Seite auf mögliche Abmahnfallen eine gute Hilfe ist. Einen interessanten Ansatz verfolgt die Internetseite www.wbs-law.de/ abmahncheck der Anwaltskanzlei „Wilde Beuger Solmecke“. Hier muss der Nutzer keine Fragen beantworten, sondern er gibt nur die Adresse der zu prüfenden Internetseite an. Die Prüfung erfolgt anschließend automatisch und kostenlos. Alle diese Angebote können eine Hilfe bei der Erstellung von rechtssicheren Internetseiten sein. Wer jedoch mehr als eine einfache Seite zur Selbstdarstellung anbieten will, sollte sich überlegen, ob er die Seite nicht besser vorher durch einen Anwalt prüfen lässt. ))

Jürgen Simon ist Cellist im Brandenburgischen Staatsorchester Frankfurt (Oder). Er entwickelte ein Orchesterverwaltungsprogramm für sein Orchester.


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Die eigene Website

Reinhild Spiekermann

Ein professioneller Internetauftritt ist für erfolgreiches Marketing unverzichtbar Im vierten Teil unserer Serie zur Selbstständigkeit von Instrumentallehrkräften geht es um Marketing, im Besonderen um die Erstellung einer eigenen Website.

)) Wer sich selbstständig machen will, muss in der Lage sein, sich und sein Angebot professionell zu vermarkten. Auch wenn sich Marketingstrategien im Internetzeitalter gravierend verändert haben und sich dieser Beitrag deshalb in erster Linie mit der Gestaltung eines eigenen Internetauftritts beschäftigen soll, gilt insbesondere im ländlichen und kleinstädtischen Bereich noch stark das Prinzip der Mundpropaganda. Vor allem wenn es um Unterricht für Kinder geht, kann man davon ausgehen, dass Eltern sehr gut vernetzt sind und sich intensiv über ihre Erfahrungen mit Lehrkräften austauschen. Sehr schnell entsteht ein Image mit hoher Dynamik, in positiver wie negativer Richtung. Doch auch wenn sich das individuelle Unterrichtsangebot „von allein“ zum Selbstläufer entwickeln sollte, bleibt eine eigene Website unverzichtbar. Allerdings erfordert deren Gestaltung größten Planungseinsatz, muss man hier doch Rechenschaft ablegen über sein Produktprofil: In welcher Gewichtung zueinander stehen Unterrichten, Konzertieren, Produzieren, Forschen? Welche Informationen über mein Unterrichten möchte ich im Netz veröffentlicht sehen? An welche Zielgruppe wende ich mich? Gibt es besondere Dienstleistungen oder Services? Habe ich Kooperationspartner? Der Weg zur eigenen Website unterliegt einer Zweiteilung. Auf der einen Seite steht das Inhaltliche (Content): Produktprofil, „Philosophie“, Angebotsstruktur,

Preisgefüge etc. Auf der anderen Seite geht es um die Wirkung nach außen, um die Qualität einer Website hinsichtlich Design, Ausführung, Navigation bis hin zur Suchmaschinenoptimierung (SEO: Search Engine Optimization). Für das erste bin ich selbst verantwortlich, den zweiten Bereich sollten wir Profis überlassen, wenngleich das zunächst Geld kostet! Wer aber einmal das Netz durchforstet hat nach Websites von InstrumentallehrerInnen, wird bestätigen, dass viele der „selbstgestrickten“ Webauftritte von höchst zweifelhafter Qualität sind und sich die Investition in eine professionelle Aufmachung lohnt!

Menü-Struktur Was muss ich tun? Zunächst eine Struktur der Menüpunkte entwerfen. Das höchste Gebot ist hierbei Transparenz, in der Sprache der Webdesigner: „Keep it simple and stupid!“ (KISS). Diejenigen, die durch Unterrichten und Konzertieren ihr Geld verdienen, müssen eine Entscheidung fällen bezüglich der Reihenfolge. Eine gute und künstlerisch ansprechende Lösung fand z. B. Gudula Rosa (www.gudularosa.de), die mit großer Leidenschaft beide Berufszweige kombiniert. Ihre Menüpunkte lauten: Home – Termine – Biographie – Lehre – Musik – Presse – Kontakt. Ein anderes Beispiel ist die Internetseite von Kerstin Jaunich (www.musikimalter.de), deren Menüpunkte ganz anders lauten: Home – Demenz – Unterricht – Noten – Finanzierung – Über mich – Kontakt. Auf beiden Websites gelingt die Orientierung sofort, der Nutzer erhält ohne Umschweife wesentliche Informationen. Etwas umfangreicher sieht eine Menüleiste im Falle einer eigenen Musikschule aus. Die im zweiten Teil dieser Artikelserie in

musikschule )) DIREKT 1/2014 bereits vorgestellte Musikschule Saltarello (www.saltarello-musikschule.de) benötigt neun Menüpunkte: Home – „Salto Musicale“ – „Saltarellis“ – Blockflötenunterricht – Aktuelles – Team – Kontakt – Preise & Anmeldung – Links. Sehr nutzerfreundlich ist, dass die Eltern potenzieller Schüler unter „Preise & Anmeldung“ sofort erfahren, wie hoch die monatlichen Gebühren für einzelne Bildungsangebote sind. Als PDFDatei angehängt, sind die Informationen unkompliziert herunterzuladen, die Inhaberin der Musikschule kann ihrerseits ohne großen Aufwand eventuelle Änderungen einpflegen. Grundsätzlich stellt sich die Frage, inwieweit die Möglichkeiten der Social Media bereits mit eingebaut werden sollen. Interessant ist diesbezüglich die Version von Sandra Labsch (www.klavierunterrichtmannheim.de), die in ihrer Menüleiste direkt eine Verlinkung zu ihrem Blog anbietet (www.mein-klavierunterricht-blog.de). Dieser Blog ist sehr gut gepflegt, eine wahre Fundgrube für Klavierlehrende hinsichtlich Neuerscheinungen, Raritäten, Zubehör etc. – in vielen Punkten ist er auch interessant für Lernende. Aber Vorsicht: Wenn man so etwas startet, sollte man sich vorher überlegen, ob Zeit und Motivation ausreichen, den Blog regelmäßig zu pflegen und „gedeihen“ zu lassen. Steht die vorläufige Grundstruktur meiner Website, geht es darum, Unterpunkte zu definieren. Im Beispiel von Sandra Labsch finden wir unter „mein Unterricht“ dann folgende Unterteilung: Klavier spielen lernen – Unterricht mit Kindern – Unterricht mit Erwachsenen. Diese untergeordneten Kapitel sollte man nutzen, um spezifische Informationen anzubieten. Sie bieten auch die Chance, sich inhaltlich abzuheben vom „Durchschnittsangebot“. Wichtig ist,


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auf unterschiedliches Vorwissen der Nutzer vorbereitet zu sein und die Hauptzielgruppe, die man ansprechen möchte, nicht aus den Augen zu verlieren.

Fotos, Videos, Materialien Im zweiten Schritt sollte man notwendige Materialien sammeln und aufbereiten: professionelle Fotos, Audiodateien, Presseausschnitte, eventuell Unterrichtsmaterialien, die zum Download bereitgestellt werden. Für alle Materialien gilt: Um rechtliche Probleme zu vermeiden, müssen unbedingt die Genehmigungen bei den jeweiligen Urhebern eingeholt werden! Beachten Sie bitte auch den Artikel „Abmahncheck“ auf Seite 5 dieser Ausgabe. Auch mit diesen Dokumenten kann ich steuern, wie ich gesehen werden will: Bringe ich Fotos, die mich ausschließlich in Konzertsituationen darstellen, oder überwiegen Bilder, die mich im pädagogischen Kontext zeigen? Habe ich Bildmaterial von gelungenen Events, die vielleicht auch Rückschlüsse auf mein Unterrichtsambiente ermöglichen? Lachende, fröhliche Kinder sind Sympathieträger und können auf meinen persönlichen Unterrichtsschwerpunkt hinweisen. Umgekehrt sind Fotos, die alte Menschen beim erfüllten Musizieren zeigen (sehr angemessen und dezent z. B. bei www.musikimalter.de), ein schlüssiger Bestandteil einer gänzlich anderen Angebotsstruktur.

Konkrete Umsetzung Habe ich meine Hausaufgaben gemacht, geht es im dritten Schritt um die konkrete Umsetzung. Da nicht alle das Glück haben, einen fähigen Webdesigner im Bekanntenkreis ansprechen zu können, ist man auf professionelle Dienstleister ange-

wiesen. Für eine individuelle WebsiteErstellung zahlt man ab ca. 700 Euro aufwärts, je nach Anbieter und Expertise. Ein anderes Modell bietet Till Schumann mit www.musikerseiten.de an. Als studierter Musiker stieß er immer wieder auf das Problem, dass sich Musikerkollegen nicht herantrauten an einen Webauftritt. Seine Geschäftsidee war geboren und überzeugt durch Brillanz und Transparenz: Im Team mit einem Programmierer und einer Fachfrau für Marketing bietet er ein Baukastensytem an, das auf die Bedürfnisse von Musikerinnen und Musikern zugeschnitten ist. Sein System ermöglicht es, auch ohne große Vorkenntnisse eine eigene Website zu kreieren, zu verwalten und zu verändern. Hierzu gibt es standardisierte Designvorlagen, die man mit seinen persönlichen Inhalten füllen kann. Texte lassen sich wie in einem Textverarbeitungsprogramm bearbeiten, Fotos unkompliziert in einer Foto-Galerie präsentieren, Audiodateien hochladen und direkt auf der Seite abspielen. Ferner gibt es eine Kalenderbzw. Gästebuchfunktion, die Möglichkeit des Einbettens von YouTube-Links oder ein Übersetzungsmodul. Unter den gezeigten Referenzprojekten bisheriger Kunden finden sich viele außerordentlich ansprechende Beispiele, die dem Einsteiger tolle Ideen liefern. Der Preis für eine Webseite mit beliebig vielen Unterseiten (mit bis zu 1 000 MB an Hörbeispielen und Fotos) liegt derzeit bei 9,90 Euro monatlich zuzüglich Domainregistrierung (bzw. im Jahres-Abo vergünstigt 108,90 Euro inklusiv Registrierung). Einen Testaccount kann man für einen Monat kostenlos und unverbindlich erstellen. Notwendige Schritte sind einfach erklärt (gelegentlich finden sich kleine Mutmacher wie „Das kann man sich doch ganz einfach merken, oder?“): Anmelden – De-

signvorlage wählen – eigene Inhalte eingeben – fertige Website, die man jederzeit ändern kann. Wem dies zu standardisiert ist, kann sich ein persönliches Angebot erstellen lassen für eine individuelle Lösung. Auch hierzu finden sich gelungene Referenzen. Wer sich hingegen überfordert fühlt und am liebsten „seinen Schuhkarton“ mit Presseausschnitten, Audiomitschnitten und ähnlichem Ausgangsmaterial abgeben möchte, kann auch diese Dienstleistung kaufen. Nicht erschrecken darf man bei der im Menüpunkt „Hilfe“ beschriebenen Suchmaschinenoptimierung, die man selbst anhand seiner Inhalte vornehmen kann. Auch wenn durch die Programmierung der Website bereits Grundvoraussetzungen aus technischer Sicht gegeben sind, lohnt es sich, durch entsprechende Aufbereitung seiner Inhalte die Auffindbarkeit durch Suchmaschinen weiter zu verbessern. Auch hierbei stehen Till Schumann und sein Team unterstützend zu Seite. Zuletzt kann man sich überlegen, ob man zusätzlich Portale nutzen möchte, um gefunden zu werden: z. B. www.klavierunterricht.org; www.musiklehrer.de (Anmeldung kostenlos); www.musikunterricht.de (Eintragung durch Kontoerstellung, 4 Euro/ Jahr pro Unterrichtsort, zzgl. 1 Euro/Jahr pro Instrument); www.myoon.com (Basiszugang gratis, sonst 9,95 Euro/Monat). Dabei sollte man unbedingt darauf achten, dass beim Eintrag in ein Portal oder eine Datenbank eine Verlinkung zur eigenen Website erfolgt. Auch dies verbessert das Ranking bei Suchmaschinen. ))

Reinhild Spiekermann ist Studiengangsleiterin für instrumentalpädagogische Studiengänge an der Hochschule für Musik Detmold.


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© ra2studio_123RF Stock Foto

Weniger ist mehr Jürgen Simon

)) Obwohl es nicht zur Ausbildung gehört, muss sich früher oder später fast jeder Musikschullehrer und jede Musikerin mit der Erstellung von Druckerzeugnissen befassen. Egal, ob es sich um die Einladung oder das Plakat für das nächste Schülervorspiel handelt, ob es um einen Flyer zur besseren Vermarktung der eigene Angebote oder einen Aufruf an die Eltern zu einer Demo vors Rathaus geht: Heute genügt es nicht mehr, einen handgeschriebenen oder formlosen Zettel zu verwenden. Der allgegenwärtige Computer hat nicht nur die Möglichkeiten jedes Einzelnen erweitert, er hat auch die Anforderungen, die an solche selbst hergestellten Druckerzeugnisse gestellt werden, stark erhöht. In vielen Fällen scheitert ein gelungenes Ergebnis bereits an ungeeigneter Software. Zwar können moderne Textverarbeitungsprogramme recht ansprechende Ergebnisse erzeugen, aber nicht ohne Grund werden im professionellen Bereich Spezialprogramme eingesetzt. Diese Programme werden in drei Bereiche unterteilt: Bildbearbeitung, Grafik und Layout. Dabei beherrschen hier nur wenige Hersteller den Markt mit Programmen, deren Preise weit jenseits der Möglichkeiten von Gelegenheitsanwendern liegen. Um qualitativ hochwertige Layouts zu erstellen, gibt es jedoch mittlerweile auch hervorragende freie Software. Das bekannteste frei erhältliche Programm im Bereich Bildbearbeitung ist zweifellos Gimp. Aber auch für Grafik und Layout stehen mit Inkscape (Grafik) und Scribus (Layout) ausgezeichnete Programme zur Verfügung. Alle drei Programme liegen mit deutscher Bedienoberfläche und deutschen Handbüchern bzw. Tutorien vor. In vielen Teilen erreichen die drei Programme ein Niveau, das sich durchaus mit professionellen Produkten messen kann. Auch der Funktions-

umfang ist inzwischen enorm. Dies führt jedoch dazu, dass die Programme eine nicht unerhebliche Einarbeitung erfordern. Man sollte daher keinesfalls den Zeitaufwand unterschätzen, der erforderlich ist, um mit dieser Software zu arbeiten, zumal auch die Konzepte und Arbeitsweisen zum Teil erheblich von dem abweichen, was man von einer Textverarbeitung gewohnt ist.

Ausdruck Obwohl das Drucken eigentlich erst am Ende der gesamte Arbeit steht, sollte man sich bereits im Vorfeld Gedanken über Art und Umfang der gewünschten Druckerzeugnisse machen. Solange es nur um ein Dutzend Programmzettel geht, kann der heimische Drucker durchaus eine mögliche Wahl darstellen. Geht es jedoch um größere Auflagen, mehrseitige Broschüren, vollflächig farbige Hintergründe oder andere anspruchsvollere Druckaufgaben, ist es zweckmäßig, die Art des Ausdrucks vorher festzulegen. Der einfachste Weg ist häufig der zum nächsten Copyshop. Die Angebote sind meist relativ preiswert und die Anforderungen an die Vorlagen gering. Die meisten Copyshops akzeptieren heute problemlos Vorlagen als PDF-Datei. Allerdings haben Copyshops in der Regel Schwierigkeiten, wenn es z. B. um vollflächige Hintergründe, besondere Falzungen oder vom Standard abweichende Papierformate geht. Auch bei den Preisen können Druckereien häufig schon ab Auflagen von 100 bis 150 Exemplaren mit den Copyshops konkurrieren. Es lohnt sich also auf jeden Fall, einmal bei einer Druckerei anzufragen. Auf der anderen Seite stellen Druckereien häufig höhere Anforderungen an die Vorlage. Oft wird eine Vorlage im CMYK-For-

mat als PDF oder TIFF verlangt. Da weder Gimp noch Inkscape einen brauchbaren CMYK-Export anbieten, bleibt in diesem Fall nur der Weg über Scribus, das mit diesen Ausgabeformaten keine Schwierigkeiten hat. Scribus wandelt Bilder und Grafiken, die im RGB-Format vorliegen, in den gewünschten Farbraum um, sodass auf diese Weise auch Dateien, die mit Gimp oder Inkscape erstellt und in Scribus importiert wurden, problemlos verwendet werden können.

Gestaltung Wenn es um eine optisch ansprechende Gestaltung geht, dann sollte „Weniger ist mehr“ zu einer zentralen Maxime werden. Ein Dokument, das in allen Farben des Regenbogens schillert, bei dem womöglich Text in vielen verschiedenen Farben dem Leser entgegenschreit, wird von den meisten Betrachtern als unangenehm und vor allem unseriös wahrgenommen. Auch Texte, die mit vielen verschiedenen Schriftarten und -größen oder Hervorhebungen (fett, kursiv, unterstrichen) arbeiten, werden häufig als wenig professionell empfunden. Aber auch bei der Textmenge sollte man diese Regel beachten. Wer z. B. einen Infobrief oder ein Flugblatt entwirft, sollte versuchen, möglichst prägnante Kernthesen zu formulieren, und auf lange Texte verzichten. Ein randvoller, eng mit Text beschriebener Brief wird häufig zunächst ungelesen zur Seite gelegt, um ihn später zu lesen – und dann nicht selten ganz zu vergessen. Auch beim Entwurf eines Plakats sollte sparsam mit Text umgegangen werden. Es ist nicht wichtig, dass eine Leserin dem Plakat den genauen Programmablauf nebst aller Mitwirkenden entnehmen kann. Viel wichtiger ist, dass ein Passant


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Mit freier Software wie „Gimp“, „Inkscape“ oder „Scribus“ kann man seine Drucksachen selbst gestalten schon aus etlichen Metern Entfernung die zentralen Informationen – was, wann, wo – entnehmen kann. Das sollte man vor dem Druck am besten selbst einmal testen und das Plakat in Originalgröße aus einem Abstand von mindestens fünf Metern betrachten. Um Poster in Originalgröße auszudrucken, bieten die meisten Druckertreiber unter Bezeichnungen wie „Posterdruck“ oder „Mehrfachblattlayout“ eine Funktion an, die übergroße Seiten auf mehrere DIN-A4-Seiten verteilt.

Pausen sind auch Musik Was für die Musik gilt, gilt im übertragenen Sinne auch für Grafik und Layout: Großzügig bemessene Leerräume erzeugen meistens ein angenehmeres Gesamtbild. Bei Briefen sorgen ausreichend große Seitenränder ebenso wie nicht zu kleine Zeilen- und Absatzabstände für ein harmonisches optisches Ergebnis. Längere Texte sollten in regelmäßigen Abständen in Absätze unterteilt werden, die jedoch andererseits auch nicht zu kurz (nur zwei oder drei Zeilen) werden dürfen. Wenn Abbildungen in einem Text verwendet werden, sollte der Abstand zwischen Text und Abbildung nicht zu gering sein. Außerdem sollte man vermeiden, die Seiten mit zu vielen Abbildungen, womöglich noch mit unterschiedlichen Abmessungen, allzu unruhig zu gestalten.

Logo-Logik Vor der Gestaltung von Logos sollte man einige grundsätzliche Vorüberlegungen anstellen. Da Logos häufig in unterschiedlichen Größen und für unterschiedliche Medien (Briefkopf, Plakat, Internet) verwendet werden, ist es zweckmäßig, das Logo als Vektorgrafik anzulegen – in die-

sem Fall ist Inkscape das Programm der Wahl. Solche Vektorgrafiken lassen sich ohne Qualitätsverlust beliebig vergrößern und verkleinern. Im Allgemeinen ist es sinnvoll, Logos mit einem durchsichtigen Hintergrund zu erstellen, damit man sie auch auf farbigen Hintergründen einsetzen kann, ohne dass das Logo den Hintergrund mit einem weißen Kasten verdeckt. Auch bei Logos gilt das Prinzip der Sparsamkeit. Ein Logo, das bereits ein Dutzend Farben enthält, kann auf nahezu keinem farbigen Untergrund angebracht werden. Damit ein farbiges Logo möglichst vielfältig eingesetzt werden kann, ist es sinnvoll, bereits bei der Erstellung darauf zu achten, dass das Logo auch einfarbig noch gut erkennbar ist, denn nur so kann es auch für preiswerte Schwarz-weiß-Kopien eingesetzt werden. Auch sollten Logos nicht zu komplex sein, sonst werden sie schnell unkenntlich, wenn sie z. B. sehr klein auf einer Visitenkarte erscheinen. Schlichtere Logos haben einen höheren Wiedererkennungswert – und darum geht es bei einem Logo ja in erster Linie.

Rechtliches Wer etwas veröffentlicht, muss heutzutage immer auf die rechtlichen Rahmenbedingungen achten. Selbstverständlich muss auch hier das Urheberrecht beachtet werden. Das bedeutet, dass Fotos und Bilder unbekannter Herkunft, die womöglich aus dem Internet stammen, absolut tabu sind. Aber auch wenn die Herkunft von Abbildungen bekannt ist und der Urheber einer Verwendung zugestimmt hat, gibt es noch Fragen, die zu klären sind. So sind bei Fotos von Minderjährigen strenge Vorschriften zu beachten. Eine (schriftliche) Zustimmung der Erziehungsberechtigten ist zwingend erforderlich. Wenn die Bilder im

Rahmen einer Veranstaltung einer allgemein bildenden Schule entstanden sind (z. B. beim Klassenmusizieren), sollte neben einer Genehmigung für jedes einzelne Kind auch eine Genehmigung der Schule eingeholt werden – dies kann meist zentral über die Schulleitung geschehen. Bei fremden Texten muss in der Regel das Urheberrecht beachtet werden. Gerade Musiker sind häufig versucht, aus Kritiken ihrer Konzerte zu zitieren. Doch auch relativ kurze Zitate bedürfen dabei einer Genehmigung. Einen weiteren Stolperstein stellt das Presserecht dar. Ob eine Veröffentlichung dem Presserecht unterliegt, ist nicht immer leicht zu entscheiden. Bei reinen Werbebroschüren und Plakaten wird dies normalerweise nicht der Fall sein. Bereits die Information über eine bevorstehende Lehrerdemo in einem Elternbrief kann als Aufruf zu einer Demonstration interpretiert werden. In diesem Fall kann es erforderlich sein, ein V.i.S.d.P. („Verantwortlich im Sinne des Presserechts“) anzubringen. Da das Presserecht zwischen den Bundesländern variiert, muss sich hier jeder selbst informieren. Im Zweifelsfall ist es besser, ein V.i.S.d.P. anzubringen, wenn man sich nicht sicher ist. ))

Jürgen Simon ist Cellist im Brandenburgischen Staatsorchester Frankfurt (Oder). Er entwickelte ein Orchesterverwaltungsprogramm für sein Orchester.


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musikschule )) DIREKT 3.2014

Leidige Gewohnheiten verändern Bernd Dahlhaus

(Wie) Geht das im Instrumentalpädagogikberuf?

) Ein Klavierpädagoge benutzt seit 15 Jahren die gleiche Auswahl an Spielliteratur für seine Schülerinnen und Schüler. ) Eine Trompetenpädagogin spricht bei der Probenarbeit ihres Spielkreises mit gleichbleibend leiser und monotoner Stimme. ) Im Gruppenunterricht mit lärmenden Jugendlichen reagiert ein Geigenlehrer erfolglos im immer gleichen Dreischritt: ermahnen, drohen, rauswerfen. ) Ein freiberuflicher Schlagzeugpädagoge verschiebt jedes Jahr mehrmals das Erstellen seiner Steuererklärung bis auf den letzten Drücker. ) Eine angestellte Querflötenlehrerin übernimmt fast alle an sie herangetragenen Arbeitsaufgaben in der Musikschule. Liebe Kolleginnen und Kollegen, Gewohnheiten und Routinen machen einen Großteil des Denkens und Handelns in unserem Beruf aus. Viele dieser Gewohnheiten haben sich in der Praxis bewährt und sind uns häufig gar nicht mehr als solche bewusst. So haben sicherlich auch Sie Ihre persönlichen äußeren und inneren Rituale, um sich auf den Unterricht vorzubereiten, und reagieren in vielen Unterrichtssituationen quasi automatisch, weil Ihnen bestimmte Gedanken, Formulierungen oder methodische Vorgehensweisen zur zweiten Natur geworden sind. Gewohnheiten und Routinen lassen sich allgemein beschreiben als bewährte Lösungsmuster für wiederkehrende (Anforderungs-)Situationen. Hat sich in einer vergangenen Situation zur Lösung einer Aufgabe oder eines Problems ein Gedanke

bzw. eine Handlung bewährt, greife ich bei zukünftigen, gleich oder ähnlich erlebten Situationen darauf zurück. Jede weitere erfolgreiche Wiederholung festigt im Gehirn ein entsprechendes neuronales Muster, das, je stabiler es wird, desto schwieriger zu verändern ist. Diese Arbeitsweise des Gehirns ist aus biologischer Perspektive überaus sinnvoll: Das Gehirn kann, vereinfacht ausgedrückt, dadurch, dass es bei wiederkehrenden Anforderungssituationen auf vorhandene Lösungsprozeduren zurückgreift, in den Stoffwechselprozessen Energie sparen, effizienter arbeiten und so die Überlebenschancen verbessern.1 Gewohnheiten und Routinen sind allerdings janusköpfig. Einerseits entlasten sie den Handelnden, weil dieser nicht jedes Mal neu über Lösungen für Tätigkeiten nachzudenken braucht, die „normal“ und „selbstverständlich“ geworden sind. Routinen helfen, sich bei der Bewältigung von bekannten Aufgaben und Problemen (einigermaßen) sicher zu fühlen, weil klar ist, was zu tun ist. Außerdem werden wir durch unsere Gewohnheiten für andere erkennbar und im positiven Sinne berechenbar. Allerdings können im subjektiven Erleben Gewohnheiten ihre Nützlichkeit auch verlieren. Dies ist dann der Fall, wenn sich zwischenzeitlich die äußeren Rahmenbedingungen der Situation oder aufgrund von Lernerfahrungen (in anderen Kontexten) die eigenen Werte- und Bedürfnisprioritäten geändert haben. Die Situation wird nun anders erlebt und bewertet, bisher bewährte Gedanken, Gefühle oder Handlungen passen nicht mehr, man gerät an seine Grenzen. Und dem Hirnfor-

scher Gerald Hüther zufolge sei dies auch gut so, denn das Gehirn sei von Natur aus nicht zum Auswendiglernen angelegt, sondern primär ein hervorragend geeignetes Instrument zur Bewältigung von Problemen.2 In diesem Sinne können also leidige Gewohnheiten – so belastend sie möglicherweise zunächst für den Betreffenden sind – auch als Anlass zum Umbau von Nervenverschaltungen im Gehirn und damit insgesamt zur eigenen Weiterentwicklung angesehen werden.

Sich auf eine gute Art verändern Viele Menschen gehen davon aus, dass eine gelingende Veränderung einer leidigen Gewohnheit in der Regel zuallererst eine Frage des „richtigen“ Sachwissens, der „richtigen“ Motivation sowie einer unbeugsamen Selbstdisziplin und Ausdauer ist.3 Ohne Zweifel können diese Aspekte sehr wichtig sein. Allerdings zeigen viele gescheiterte Veränderungsvorhaben bei näherer Betrachtung, dass ausschließlich vernunftgeleitete Vorstellungen darüber, wie eine Veränderung zielgerichtet und zuverlässig zu erreichen sei, nicht ausreichen. Meist werden dabei nämlich die Persönlichkeitsanteile, die andere, häufig widersprüchliche Bedürfnisse repräsentieren, nicht oder nicht genügend beachtet und deshalb nicht in den Veränderungsprozess integriert.4 Im Folgenden möchte ich anhand des zweiten der eingangs genannten Beispiele verschiedene Ideen vorstellen, die jeweils als ein erster Schritt bei einem Veränderungs-


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vorhaben genutzt werden können. Dabei sei in dem Beispiel vorausgesetzt, dass die Trompetenlehrerin – nennen wir sie Frau Müller – sich ihrer Art zu sprechen bewusst geworden ist, möglicherweise dazu entsprechende negative Rückmeldungen bekommen hat und ihre als einschränkend und ungünstig bewertete Sprechgewohnheit auch wirklich ändern möchte. 1. Verschiedene Perspektiven nutzen Beim menschlichen Sehen treffen auf beide Augen jeweils unterschiedliche Sinnesreize. Im Unterschied zum Sehen mit nur einem Auge ermöglichen die zusätzlichen Informationen des zweiten Auges dem Betrachter eine gänzlich neue Sehqualität, nämlich die Tiefenschärfe, die erst eine Orientierung im Raum ermöglicht. Analog kann auch bei dem Blick auf die leidige Gewohnheit eine veränderte Perspektive neue, bisher nicht zugängliche Informationen offenbaren, die für einen guten Veränderungsprozess hilfreich sein können. So könnte sich Frau Müller fragen – und zwar ohne daraus vorschnell Handlungskonsequenzen zu ziehen: ) „In welchem Situationszusammenhang ist meine Art des Sprechens eine Kompetenz?“ > in lautstärkeempfindlichen Kontexten, beispielsweise bei musiktherapeutisch geführten Klangreisen, in kleinen Räumen … ) „Was ist die gute Absicht hinter dem Verhalten?“ > physische Energie sparen, nicht auffallen wollen, sich verstecken = schützen … ) „Mit welchem anderen Verhalten könnte ich die gleiche Absicht verwirklichen?“

© Cordula Heuberg

Selbstmanagement für Instrumentalpädagogen – Teil 3

> unsichtbare Schutzhülle imaginieren; positive Referenzerfahrungen aus anderen Kontexten verankern, Souveränität in Sprache, Mimik und Gestik lernen … Diese Art des Perspektivwechsels bewirkt häufig, dass es dem Betreffenden leichter fällt, zunächst die leidige Gewohnheit annehmen zu können und nicht mehr mit ihr zu hadern. In vielen Veränderungsprozessen scheint dies eine Voraussetzung für ein Gelingen zu sein, sodass erste Handlungsideen entstehen können. 2. Gelungene Lehr-/Lernsituationen aus der eigenen Unterrichtstätigkeit als Informationsquelle oder Modell für eigenes (Um-)Lernen nutzen Als InstrumentalpädagogInnen müssen wir aufgrund unseres Selbstverständnisses davon ausgehen, dass sich Menschen sehr wohl absichtsvoll und auf eine für sie jeweils gute Art verändern können. Andernfalls könnten wir unseren Beruf nicht ausüben. Als Lehrkräfte haben wir vielfach SchülerInnen in der Veränderung ihrer musizierbezogenen Gewohnheiten angeleitet.5 In unserer Art zu unterrichten sind also hilfreiche Informationen darüber enthalten, wie Veränderungen (bei anderen) gelingen können. In diesem Sinne könnte Frau Müller ihren Unterricht, oder genauer: ihren Unterrichtsstil, als Informationsquelle nutzen, indem sie sich fragt: ) „Welchen Grundannahmen bin ich gefolgt, wovon war ich überzeugt, was habe ich gedacht, getan, gesprochen, als Schüler X letzten Monat erfolgreich Y (um)gelernt hat?“ > großes inneres Zutrauen haben,

Zeit lassen, anders/langsam/bildhaft erklären, ausprobieren lassen, von Vorbildern erzählen, auch bei Schwierigkeiten im guten inneren Zustand bleiben … Die Art des Unterrichtens ist ein Spiegel der Vorstellungen über gutes Lernen und gelingende Veränderung. In diesem Sinne zeichnen sich „erfolgreiche“ PädagogInnen (vor allem in der musikalischen Breitenarbeit) aus durch eine hohe Reflexionskompetenz ihrer pädagogisch-didaktischen Gewohnheiten sowie einer ausgeprägten Bereitschaft, diese zu verändern, wenn es dem guten Lernen der SchülerInnen dient. 3. Veränderungserfahrungen aus der eigenen (musikalischen) Lernbiografie als Ressource nutzen6 Ein Instrumentalpädagoge verfügt vor dem Beginn seiner Berufstätigkeit über schätzungsweise 15 Jahre an musikalischen und instrumentalen Lernerfahrungen als Schüler und Studierender. Sehr wahrscheinlich hat er in dieser Zeit auch Lernerfahrungen gesammelt, die sich als ein Verändern von Gewohnheiten beschreiben lassen wie beispielsweise die Veränderung von Bewegungsmustern (Ansatz, Spieltechnik), von Übegewohnheiten oder Interpretationskonzepten. Auch ein Lehrerwechsel oder die Anschaffung eines neuen Instruments sind Ereignisse, bei denen ein Musizierender Veränderungserfahrungen macht, auch wenn er diese Veränderungen möglicherweise nicht immer selbst initiiert hat. Die Idee ist nun, diese Veränderungserfahrungen detailliert auf ihre äußeren und inneren Umstände, auf Kontextbedingungen und vor allem auf innere Erlebensmodali-


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Impulse

„Die Probleme von heute sind die Lösungen von gestern.“ täten zu untersuchen. Absicht dabei ist es, möglichst genau die Musterelemente des inneren Erlebens zu beschreiben, die eine gute und erfolgreiche Lernerfahrung ausmachen, anders ausgedrückt, welchen äußeren und inneren Zustand der Betreffende braucht, um auf eine für ihn gute Art lernen (= sich verändern) zu können. Diese inneren Qualitäten sind natürlich höchst individuell. Es sind die Wahrnehmungen auf den Sinneskanälen, bestimmte Körperempfindungen (Puls, Atmung, Tonus, Haltung, Temperaturempfinden), möglicherweise eine innere Stimme oder Imaginationen und Weiteres. In unserem Beispiel könnte Frau Müller herausfinden, dass für sie eine gute Lernerfahrung mit einem Gefühl von innerer Weite verbunden ist, ihr Körper sich dabei gelöst anfühlt und aufgerichtet ist und ihre visuelle Wahrnehmung hauptsächlich von hellen und warmen Farben erfüllt ist. Damit einher geht möglicherweise ein starkes Gefühl des Verbundenseins mit

Internet Texte und Videos von Gerald Hüther: www.gerald-huether.de/populaer/index.php „Gute Vorsätze: Die Wissenschaft vom inneren Schweinehund“. Quarks & Co (WDR): www.youtube.com/watch?v= dK2y7x3m-Bo

musikschule )) DIREKT erscheint

alle zwei Monate als Supplement zu üben & musizieren

Machen Sie (regelmäßig) einen beruflichen Gewohnheiten-Check: Welche Ihrer unterrichtlichen und Ihrer außerunterrichtlichen Gewohnheiten sind (immer noch) hilfreich, welche bedürften einer Veränderung?

Wählen Sie ein Veränderungsvorhaben mit zunächst „geringem Schwierigkeitsgrad“ und wenden Sie die beschriebenen Ideen auf Ihr Vorhaben an. Für eine größere Nachhaltigkeit führen Sie ein „Veränderungsjournal“ und/oder suchen gleichgesinnte KollegInnen, mit denen Sie sich austauschen und sich gegenseitig in Ihren Vorhaben unterstützen können.

dem Instrument oder der Musik oder ein intensives Sinnerleben. So könnte sich Frau Müller nun fragen: ) „Wie könnte es mir gelingen, diese Musterelemente für mein neues gewünschtes Verhalten zu nutzen?“

warten, dass sie ihr Gehirn sinnvoll nutzen, sollten wir aus einer künstlerisch-pädagogischen Haltung heraus auch hierin Vorbild für sie sein. Wen kennen Sie, der ein gutes Vorbild darin ist, ungeliebte Gewohnheiten zu verändern? ))

4. Körperarbeit zur ganzheitlichen Veränderung von Denk-, Fühl- und Handlungsmustern nutzen Leidige Gewohnheiten schränken die Entfaltung des eigenen Potenzials ein. Als Ergänzung zu den bisher beschriebenen, direkt auf das Veränderungsthema bezogenen Vorgehensweisen bieten Verfahren der veränderungsorientierten Körperarbeit die Möglichkeit einer grundsätzlichen allgemeinen persönlichen Weiterentwicklung. Bewährte Verfahren wie Alexandertechnik oder Feldenkrais haben den großen Vorteil, dass sie nicht nur ein gelöstes, lebendig(er)es Musizieren sowie die Gesundund Arbeitskrafterhaltung fördern, sondern in einem geistig-seelisch-körperlich ganzheitlichen Sinne fundamental zur eigenen Potenzialentfaltung beitragen.

1 vgl. Gerald Hüther: Bedienungsanleitung für ein menschliches Gehirn, Göttingen 32002. 2 s. hierzu auch die Lerntheorie von Jean Piaget (1970), deren Erweiterung durch Humberto Maturana und Francisco Varela erläutert wird in: Fritz B. Simon: Einführung in Systemtheorie und Konstruktivismus, Heidelberg 2006. 3 vgl. die einführenden Überlegungen zum Selbstmanagement für Instrumentalpädagogen „Der Musiklehrerberuf als Passion?!“ in: musikschule )) DIREKT. Supplement zu üben & musizieren 6/2013, S. 7-9. 4 Häufig werden solche Erlebensweisen als „Innere Zwickmühle“ beschrieben; s. hierzu den Beitrag „Plädoyer für die Zwickmühle“ in: musikschule )) DIREKT. Supplement zu üben & musizieren 1/2014, S. 6-8. 5 Eine grundlegende Darstellung einer der „intentionale[n] Grundideen musikpädagogischen Handelns“, nämlich „Musik-Lernen ermöglichen“, ist zu finden in: Peter W. Schatt: Einführung in die Musikpädagogik, Darmstadt 2007, S. 32-39. 6 vgl. den Abschnitt „Erkundung der eigenen LernBiografie zur Reflexion pädagogischen Handelns“ von Sibylle Cada in ihrem Beitrag „Resonanz und Dialog. Systemisches Denken und Handeln in der Instrumentalpädagogik“, in: Frauke Grimmer/ Wolfgang Lessing (Hg.): Künstler als Pädagogen. Grundlagen und Bedingungen einer verantwortungsvollen Instrumentaldidaktik, Mainz 2008, S. 107-116.

Durchdenken Sie die übrigen Eingangsbeispiele anhand der beschriebenen Ideen, um spielerisch Ihre „Veränderungsfantasie“ zu trainieren.

Schwierig – und machbar Die Veränderung von leidigen Gewohnheiten wird meist als schwierig erlebt, als sehr schwierig – und sie ist machbar. Wir können Umbauprozesse der neuronalen Muster im Gehirn initiieren und beeinflussen, je nachdem, wie wir unser Gehirn benutzen. Und wenn wir von Schülern er-

Bernd Dahlhaus ist Musikpädagoge und Coach. Er leitet die Agentur für Musikpädagogik musikbäume, e-mail: info@ musikbaeume.de, www.musikbaeume.de

Redaktion: Anja Bossen und Rüdiger Behschnitt Layout: Rüdiger Behschnitt Grafik: Nele Engler


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