Martin Losert (Hg.): Quellen des Musizierens

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Inhalt Grußworte Monika Oebelsberger: „Quellen des Musizierens“ – ein schönes Thema!

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Sarah Wedl-Wilson und Mario Kostal: „Quellen des Musizierens“ – das wechselseitige Verhältnis von Musik und Pädagogik

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Wolfgang Gratzer: Spiritus Rector

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Einleitung Martin Losert

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Gedanken – Perspektiven Michaela Schwarzbauer Elternteil UND Lehrender Erfolgversprechende Personalunion oder Anlass für Konfusion? Gespräch mit Klara Flieder, Lukas Hagen, Harald Herzl und Benjamin Schmid

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Ulrich Mahlert „… wie Siegfried die Sprache der Vögel versteht“ Kritische und spekulative Gedanken zu Ansichten über Anfangsunterricht

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Wolfgang Lessing Tanz auf der Schwelle Was ist künstlerischer Instrumentalunterricht?

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Peter Röbke Didaktische Inkonsistenz Vom Oszillieren und der Sprunghaftigkeit in einem Unterricht, der der Musik verpflichtet ist

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Martin Losert Künste unterrichten Zwischen Kunst und Pädagogik – dem ersten und dem letzten Lehrer

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Wolfgang Rüdiger Ergriffenwerden Robert Schumanns „Kind im Einschlummern“ als Kosmos musikalischer Themen in Konzert und Unterricht

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Anna Marie Kalcher Quellen der Kreativität Lehren und Lernen im Spiegel der Kreativitätsforschung

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Erik Esterbauer „Musik fängt im Menschen an“ Die Bedeutung von Elementarer Musik- und Tanzpädagogik als erster Unterricht

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Rainer Buland Im Spiel bleiben Musizieren und Musik-Lernen entstehen aus dem Spiel

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Heike Henning In Gemeinschaft Freude als Quelle des Singens – Singen als Quelle der Freude

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Herbert Böck Ideale Synthese Zum wechselseitigen Verhältnis von Musik und Pädagogik

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Andreas Bernhofer (Erst-)Begegnungen mit klassischer Musik Schülerinnen und Schüler im Konzert

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Irmtraud Tarr Lecture Recital Künstlerische Masterarbeiten zwischen Performance und Wissenschaft

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Im Gespräch mit… Manuela Mitterer und Martin Losert Im Gespräch mit … Kit Armstrong, Barbara Bonney, Emile Cantor, Christiane Karg, Dorothee Oberlinger, Benjamin Schmid, Lars Vogt und Tabea Zimmermann

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Autorinnen und Autoren

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Interviewpartnerinnen und -partner

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„Quellen des Musizierens“ – ein schönes Thema!

Aus einem meist versteckten Ursprung entsteht ein zuerst unruhiger, kleiner Wasserlauf, der Steinen und Felsen ausweicht oder ihnen in langer und geduldiger Art eine bestimmte Form gibt. Schließlich entsteht aus solchen Quellen ein starker, ruhig dahinfließender Strom. Dieses Bild lässt sich mühelos auf musikalische Biografien übertragen: Es sind oft kleine, versteckte Impulse, die selbst in großen musikalischen Biografien die entscheidenden sind und musikalische Anfänge über nicht immer hindernisfreie Wege zu lebensbestimmenden Strömen werden lassen. Erfolgreiche Musikerinnen und Musiker, aber auch musikbegeistertes Publikum und leidenschaftliche Laienmusikerinnen und -musiker erzählen von entscheidenden, impulsgebenden Begegnungen, die für sie zu einer „Quelle des Musizierens“ wurden. Nicht in allen, aber doch in vielen Fällen können Musiklehrerinnen und -lehrer diese Impulse geben. Evelyn Glennie, eine berühmte Schagzeugerin, erzählte anlässlich des ISME-Kongresses 2016 in Glasgow von ihrem ersten Instrumentallehrer: Er ließ sich trotz ihrer Hörbehinderung darauf ein, sie zu unterrichten. Am Anfang der ersten Stunde drückte er Evelyn eine kleine Trommel in die Hand und forderte sie lediglich dazu auf, das eine oder andere auszuprobieren – mit dem Instrument zu spielen! In der darauf folgenden Stunde bat er sie, ihm bestimmte Begriffe bzw. das Gefühl für eben diese Begriffe auf der Trommel vorzuspielen. Aus dieser ersten, zunächst mehr als verwunderlichen Begegnung mit einem Instrument entwickelte sich ein Dialog zwischen der Künstlerin und ihrem Instrument, der schließlich zu einer Weltkarriere geführt hat. Auch die Musikpädagogin Susan O’Neill erzählte in ihrer Keynote anlässlich des EAS-Kongresses in Salzburg (2017) von einer entscheidenden ersten Begegnung mit einem Instrument: Ihr Großvater schenkte ihr eine Blockflöte mit der Erklärung, dass es sich um eine „magical flute“ handle, die ihr wunderbare Melodien schenke, wenn sie sich nur oft genug mit ihr beschäftige. „Quellen des Musizierens“ aufzuspüren, ihnen zum Durchbruch zu verhelfen und dabei den einen oder anderen Stein aus dem Weg zu räumen, ist Aufgabe der Musikpädagogik. Grundlage dafür ist ein intensiver Dialog zwischen pädagogischen und künstlerischen Anforderungen. Reinhart von Gutzeit hat in seiner Amtszeit als Rektor der Universität Mozarteum diesen Dialog behutsam, aber beharrlich vertieft und so die Pädagogik als eines der Kerngeschäfte der Universität Mozarteum erkennbar werden lassen.

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Das vorliegende Buch spürt den vielen Facetten möglicher Quellen des Musizierens nach. Unter den Autorinnen und Autoren finden sich neben arrivierten Musikpädagoginnen und -pädagogen auch junge Nachwuchswissenschaftlerinnen und -wissenschaftler der Universität Mozarteum, die in einem künstlerisch wie pädagogisch angereicherten Feld forschen und arbeiten können. Vor allem ist dieses Buch aber ein herzliches Dankeschön an Reinhart von Gutzeit, der in seiner Amtszeit als Rektor der Universität Mozarteum viele Quellen künstlerischpädagogischer Arbeit erschließen ließ und in feinfühliger Art und Weise begleitet und gefördert hat. Monika Oebelsberger

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„Quellen des Musizierens“ – das wechselseitige Verhältnis von Musik und Pädagogik

Zu Ehren von Reinhart von Gutzeit

Die Universität Mozarteum freut sich sehr, dass die Einlösung des Abschiedsgeschenks an Altrektor Reinhart von Gutzeit im Juni 2014 mit dem Symposium „Quellen des Musizierens – das wechselseitige Verhältnis von Musik und Pädagogik“ zu seinem 70. Geburtstag vom Department für Musikpädagogik ermöglich wurde. Das Haus blickt mit großer Dankbarkeit auf eine der kontinuierlichsten Rektorate der vergangenen Jahrzehnte zurück. Am Beginn seiner Amtszeit im Jahr 2006 formulierte von Gutzeit sein Ziel so: „Die Vermittlung von Kunst liegt mir als Musikpädagoge besonders am Herzen. Es ist mein großes Ziel, die Universität Mozarteum nicht nur als Ausbildungsstätte, sondern auch als Stätte der Begegnung von Künstlern und Ideen zu etablieren. Genauso wichtig ist es, nach vorne zu schauen, einen ehrlichen und offenen Dialog zu pflegen und Toleranz großzuschreiben.“ Reinhart von Gutzeit profilierte sich als Netzwerker und Teamplayer – ob bei der Salzburg Biennale, im Deutschen Musikrat, bei „Jugend musiziert“ oder im Mozarteum. In vielen Reden, beispielsweise bei den Sponsion- und akademischen Abschlussfeiern an der Universität Mozarteum Salzburg, wies Reinhart von Gutzeit immer wieder darauf hin, dass die ersten Lehrer für die frühen musikalischen Entwicklungen nicht nur prägend sind, sondern auch für wichtige Initialzündungen bei den jungen Musikerinnen und Musikern sorgen. Daher ist für ihn der Beruf als Musikpädagoge von immenser Bedeutung. Mit großem Engagement förderte Reinhart von Gutzeit am Mozarteum zahllose musikpädagogische Projekte – vom Volkstanz bis hin zu den mannigfaltigen Lehrgangsangeboten, vom „Bella Musica“-Projekt in der Toskana bis hin zu Einzelinitiativen junger Musikpädagoginnen und -pädagogen. In diesem Bereich war für ihn immer die Kulturvermittlung ein ganz großes Anliegen. Dieses Fach lehrte er höchst erfolgreich, neben seiner Arbeit als Rektor am Mozarteum, an der Bruckneruniversität Linz.

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GroĂ&#x;en Dank an alle, die an diesem Symposium beteiligt waren, sowie an alle Initiatorinnen und Initiatoren, voran an Martin Losert und Departmentsleiterin Monika Oebelsberger. Sarah Wedl-Wilson und Mario Kostal Interims-Rektorat der Universität Mozarteum

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Spiritus Rector

Gälte es, Reinhart von Gutzeits Rollenverständnis an der Universität Mozarteum in der Zeit zweier Rektoratsperioden mit einer knappen Formulierung zu charakterisieren, welche wäre treffender als „Spiritus rector“? Die lateinische Phrase hat eine beachtlich lange, mindestens bis in die Antike zurückreichende Geschichte. Früh wurde damit in der Alchemie eine geheimnisvolle geistige Kraft benannt. Dieser Kraft wurde zugeschrieben, dass sie hinter den vielfältigen Elementen der sichtbaren Welt verbindend wirkt. In der Neuzeit wurde von „Spiritus rector“, etwa bei Paracelsus, auch in der Medizin gesprochen: Etwas spezieller als in der Alchemie meinte man damit eine Art treibende Kraft hinter dem Tun menschlicher Lebewesen. Ja, und auch die Biologie machte sich den Begriff eine Zeit lang zu eigen, um spekulative Thesen zu benennen. Der Begriff hat sich erhalten. Gemeint wird heute meist eine Person, der nicht alltägliche, besonders förderliche Führungsqualitäten zugeschrieben werden. Kein Zufall demnach, dass ein vom Studentenrat der Technischen Universität Dresden seit 1998 jährlich herausgegebener Ratgeber eben diesen Titel trägt: Spiritus rector. Reinhart von Gutzeit war zwischen Herbst 2006 und Sommer 2014 in leitender Funktion an der Universität Mozarteum Salzburg tätig. Ohne in die Sprache der alten Alchemisten verfallen zu wollen: In dieser Zeit herrschte hier ein anderer Geist, wehte ein anderer Wind. Im zeitlichen Abstand sei es gestattet, aus der Innensicht eines damaligen Mitglieds des Rektorats „RVG II“ (2010-2014) zu präzisieren, was damit gemeint ist: Nämlich an dieser Stelle nicht etwas, das in Veranstaltungskalendern, in Statistiken zu Studienabschlüssen oder in langen Listen lokaler und internationaler Kooperationen mit diesem Haus abzulesen ist. Auch ist nicht etwas gemeint, das in universitären Wissensbilanzen oder in Rankings – übrigens oftmals trügerisch – abgebildet wird. Nein, gemeint sind persönliche Eigenschaften, die sichtbare, hörbare und meinetwegen auch manchmal messbare Erfolge einer Kunstuniversität dieses Zuschnitts erst möglich machen. Zunächst: Reinhart von Gutzeit kann nicht bloß hören; vielmehr gelingt es ihm, in bemerkenswert aufmerksamer und wohlwollender Weise zuzuhören. Dies ließ sich in Sitzungen und Besprechungen ebenso beobachten wie in Konzerten oder Theateraufführungen, bei Vernissagen oder Vorträgen. Die erstaunlich rege, fortwährende Teilnahme am üppigen Veranstaltungsleben der Universität Mozarteum – selbst nach der Rückkehr von überlangen Sitzungstagen an anderen Orten – spricht für sich und für sein wirkliches Interesse an dem, was hier vor sich ging, was täglich entstand.

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Die Wertschätzung, die er ganz und gar unterschiedlichen Künstlerinnen und Künstlern entgegenzubringen vermag, setzt freilich nicht alleine ausgeprägte Menschenfreundlichkeit voraus: Hinzu kommen in seinem Fall Offenheit gegenüber Neuem, Detailkenntnis in künstlerischen und vielen anderen Fragen, initiatives Denken, Skepsis gegenüber gefräßigen Normierungsmoden, sodann gewandte Diplomatie im Falle unterschiedlicher Interessen und Meinungen, nicht zuletzt pure Freude an Begegnungen: Das alles ist Grundlage und Ausdruck einer von hohem Ethos getragenen Haltung. Bei Veranstaltungen an anderen Orten, beispielsweise Tagungen des AEC (Association Européenne des Conservatoires, Académies de Musique et Musikhochschulen), wurde diese Einschätzung zur Person und zur Persönlichkeit Reinhart von Gutzeits oft genug von Rektoraten anderer Länder bestätigt. Und auch dort mit Sympathie bemerkt: der für Reinhart von Gutzeit typische, gewinnende Humor, der überraschend neue Kräfte frei setzt, und wohltemperierte Besonnenheit, wenn einmal die Felder brennen. Kunst, Pädagogik und Wissenschaft nicht gnädig zu gestatten, sondern aktiv unterstützend zu ermöglichen, sofern dies im Gesamtgefüge einer Kunstuniversität vertreten werden kann, darf als eine seiner Maximen gelten. „Spiritus rector“ zu sein, heißt auch für ausreichend Rückenwind bei der Umsetzung überzeugender Ideen zu sorgen. Dafür stand Reinhart von Gutzeit, diese Haltung grundierte seine Ausnahmestellung in der Geschichte dieser Universität. Ein Rektor kann es nicht allen recht machen, auch Reinhart von Gutzeit nicht, zumal bloßes Ja-Sagen seinem Amtsverständnis fremd ist. Kritisch mitzudenken, Ideen kreativ weiterzuentwickeln, Alternativen anzusprechen oder warnend auf Unbedachtes hinzuweisen anstatt teilnahmslose Zugeständnisse zu machen: Das mag da und dort zunächst Irritation hervorgerufen haben, war aber, so meine vielfache Erfahrung, vor allem Zeichen seines hohen Verantwortungsgefühls vor allem der Kunst und den Kunstschaffenden, den Lehrenden und den Studierenden gegenüber. Die Jahre 2006 bis 2014 waren für die Universität Mozarteum in Summe eine außerordentlich produktive, atmosphärisch von den meisten als höchst inspirierend empfundene Zeit – „Spiritus Rector“ sei Dank! Wolfgang Gratzer

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