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Erinnerungsstädte Wien und Berlin

KAPITEL 12 • Erinnerungsstädte Wien und Berlin Ouverture

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ViDEO

#Jugenderinnert Das Video beginnt mit verschiedenen Texteinblendungen. Jasmin Breternitz (Schülerin): Geschichte ist immer dazu da, daraus zu lernen, und ich finde, es ist ein wichtiger Punkt, dass wir das auch tun. Und ich merke das auch, dass viele Leute oder zu viele Menschen eigentlich mittlerweile gar nicht wissen, damit irgendwas anzufangen – mit Auschwitz, mit generell dem Holocaust, und ich finde das eigentlich sehr traurig. Dr. Franziska Giffey (Bundesjugendministerin): Wir haben heute mit Heiko Maas, dem Außenminister, zusammen vorgestellt unser neues Programm „Jugend erinnert“, was für junge Menschen Gedenkstättenfahrten, aktives Erinnern ermöglichen soll, nochmal verstärken soll. Wir wollen in den nächsten beiden Jahren ermöglichen, dass der Bund über zehntausend jungen Menschen Gedenkstättenfahrten an verschiedene Orte des Erinnerns und des Lernens ermöglicht. Über fünfhundert Gedenkfahrten sollen organisiert werden, mit den Geldern, die jetzt zur Verfügung gestellt werden und das bedeutet, dass wir jungen Menschen ermöglichen wollen, eben einmal zu lernen über die Geschichte und andererseits aber auch nachzudenken und sich zu verändern für das Heute.

Wien, Ort der Erinnerung CD

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Spuren der Vergangenheit

In der Stadt Wien werden seit 2005 sogenannte „Steine der Erinnerung“ vor den ehemaligen Häusern deportierter Jüdinnen und Juden im Boden verlegt. Diese kleinen Betonblöcke informieren über die Namen, die Geburtsdaten, die Deportation und die Todesdaten der jüdischen Opfer, die früher in diesen Häusern wohnten. Es werden maximal vier Personen gemeinsam erwähnt. Die Steine erinnern an die über 55.000 deportierten Wiener Jüdinnen und Juden und an die früher sehr lebendige jüdische Community in Wien. Seitdem der Verein „Steine der Erinnerung“ existiert, sind mehr als 300 „Stationen der Erinnerung“ in 16 Wiener Bezirken installiert worden. Auf diese Weise möchte die Stadt Wien Hunderten Menschen einen Platz in ihrer früheren Heimat wiedergeben.

Der Geschichte trotzen CD

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Eine Geste der Versöhnung

Nach einem langen Leben in Frankreich hatte sich Heinz Berggruen 1996 entschlossen, in seine Heimat Berlin zurückzukehren. Aber er tat mehr als nur zurückzukehren, denn er brachte seine bedeutende Kunstsammlung mit. Diese Sammlung wurde in einem Gebäude der Staatlichen Museen zu Berlin im Stadtviertel Charlottenburg präsentiert. Es war eine Dauerleihgabe für zehn Jahre. Das Gebäude in Charlottenburg war speziell für Berg­gruens Sammlung renoviert worden. Der passionierte Sammler wollte seine Kunstwerke der Welt zeigen, vor allem Werke von vier ganz großen Künstlern der modernen Kunst: Pablo Picasso und Paul Klee sowie Alberto Giacometti und Henri Matisse. „Berlin soll leuchten“ sagte Heinz Berggruen, als er im Jahre 2000 der Stadt Berlin definitiv seine Kunstsammlung für eine symbolische Summe übergab. Der reale Wert der Sammlung wurde auf 750 Millionen Euro geschätzt. Er hat diese Entscheidung als eine Geste der Versöhnung verstanden. Er wollte damit anerkennen, dass Deutschland heute wieder ein friedlicher und demokratischer Staat ist.


Im Jahr 2004 erhielt Heinz Berggruen die Ehrenbürgerschaft der Stadt Berlin. Der damalige regierende Bürgermeister Klaus Wowereit freute sich sehr, Heinz Berggruen mit der Ehrenbürgerschaft der Stadt auszeichnen zu können. Dass Berggruen die Ehrenbürgerwürde angenommen hat, war eine große Ehre für Berlin und seine Bürger. Bürgermeister Wowereit erinnerte daran, dass dem jüdischen Mitbürger Berggruen in Berlin in deutschem Namen großes Unrecht zugefügt worden war. Aber Berggruens Liebe zu Berlin war größer. Mit der Überlassung seiner Sammlung hat er die Berliner beschenkt und zugleich beschämt. Es war wichtig, ihm mit der Ehrenbürgerschaft Dankbarkeit und Respekt auszudrücken. Mit dem Museum Berggruen erinnert die Stadt Berlin heute an einen bedeutenden jüdischen Berliner. Heinz Berggruen hat damit in seiner Heimatstadt einen Ehrenplatz zurückerhalten.

Projekt ViDEO  Eine symbolische Gedenkstätte

Frank-Walter Steinmeier: Mangeuse d‘hommes, „Menschenfresser“ wird der Hartmannswillerkopf genannt. Das massenhafte Sterben an diesem Ort steht für den Irrsinn des Krieges. Doch eines wissen wir: Wir wissen, dass es nicht der Berg war, der Menschenopfer forderte. Es war der Irrglaube an die Überlegenheit der eigenen Nation über andere Nationen, für den Millionen junger Männer in den Krieg zogen und darin umkamen. Nicht dieser Berg, meine Damen und Herren, ist ein Menschenfresser. Der Nationalismus ist ein Menschenfresser. Musique (l’hymne à la joie) Liebe Gäste, Europa. Dieses Europa, die in Frieden vereinte Europäische Union, das ist die Antwort auf die Verheerungen zweier Weltkriege. Dieses Europa, zusammengeschlossen durch die Zeichen und Symbole seiner schrecklichen Vergangenheit, ist eine außergewöhnliche und überhaupt nicht selbstverständliche Leistung. So hat es der viel zu früh verstorbene britische Historiker Tony Judt geschrieben. Diese neue gemeinsame Gedenkstätte hier am Hartmannswillerkopf ist ein solches Symbol, und ich bin dankbar, heute mit Ihnen allen hier zu sein, versammelt zur mahnenden Erinnerung. Emmanuel Macron : L’historial où nous nous trouvons aujourd’hui en est le symbole rayon­ nant. Alors, oui, la meilleure réponse à cette mémoire partagée, à ces drames, c’est l’amitié entre l’Allemagne et la France. Ce sont ces ponts, bâtis entre les femmes et les hommes, entre les familles, entre les jeunesses. La meilleure réponse, c’est l’Europe, notre Europe. Frank-Walter Steinmeier: Bei allen Herausforderungen, bei allen Prüfungen, bei allen Entscheidungen, die noch vor uns liegen : l’Union Européenne est la meilleure idée que nous avons jamais eue, elle n’est pas du passé, elle est l’avenir que nous désirons, et cet avenir, nous le tenons entre nos mains.

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TERRITOIRE ET MÉMOIRE

BAC • Épreuve 3 ViDEO

Gedenken an den Mauerfall

Off-Stimme: Wo heute Touristenschiffe fahren, verlief bis 1989 eine tödliche Grenze. Die Berliner Mauer trennte fast dreißig Jahre lang die Stadt, zwei Länder, zwei Systeme. Tausende Menschen versuchten zwischen 1961 und 1989 aus Ostdeutschland zu fliehen und riskierten dabei ihr Leben. Hunderte starben. Auch Peter Barsch scheiterte bei einem Fluchtversuch. Er und sein Freund wurden verhaftet, aber sie überlebten. Peter Barsch: Ich habe natürlich abgestritten, dann hat mein Kumpel gesagt: „Na, vielleicht wollten wir doch abhauen“. Jedenfalls bin ich daraufhin in den Knast gekommen und habe dann erst einmal 23 Monate Jugendhaft gehabt, in der DDR. Off-Stimme: Die Fluchtpläne gab er nicht auf. Still bereitete er den nächsten Versuch vor. Peter Barsch: Man hat über so was nicht reden können, weil du hast dann auch Leute belastet. Insofern: nicht erzählen! Höchstens, und selbst unter den engsten Bekannten erzählst du 355


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Erinnerungsstädte Wien und Berlin das nicht, weil, wenn die dann selber ’mal vernommen werden sollten, dann würden sie sich strafbar machen, indem sie dich nicht angezeigt haben. Also immer ruhig die Klappe halten. Off-Stimme: Zusammen mit einer Freundin gelingt ihm bei seinem dritten Versuch schließlich die Flucht. Unter Lebensgefahr durchschwimmen sie eine Grenzanlage. Heute führt Peter Barsch auf dem Fahrrad Touristen entlang der ehemaligen Mauer. Durch Zeitzeugen wie ihn wird die Geschichte greifbarer. Anne Schubert: Das ist Wahnsinn. Also, ich bin in Berlin groß geworden, und man lernt irgendwie nie aus. Also, ich habe soviel Neues erfahren. Dadurch dass, durch den Zeitzeugen und durch Berlin einfach. Ja, wirklich an den verschiedenen Orten auch stehen zu bleiben und so viel darüber erzählt zu bekommen. Dadurch wird das richtig erlebbar. Also, ich habe auch schon die eine oder andere Gänsehaut gehabt. Obwohl ich das nicht miterlebt habe, habe ich das Gefühl: ich bin mittendrin, irgendwie.


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