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Zum Konzept und zur Benutzung der Ausgabe
Mit dieser Neuedition von Gottfrieds Romanfragment Tristan und Isolde liegt erstmals eine Ausgabe vor, die die gesamte Überlieferung des Werkes berücksichtigt und einen Text bietet, dessen Herstellung auf klar definierten Regeln der Handschriftenkritik beruht . Die Überlieferungsvarianten werden in zwei Apparaten präsentiert: Der Textband enthält den Editionsapparat (App . Ia) mit den Varianten der Frühüberlieferung (bis um 1300); der Apparat der Spätüberlieferung (App . II) befindet sich im Begleitband . Auf diese Weise bleibt der Editionsapparat übersichtlich und macht die editorischen Entscheidungen leicht überprüfbar Bewusst ist auf die Beigabe einer Übersetzung verzichtet worden, um einen unmittelbaren Zugang zu Gottfrieds Text und seiner Sprachästhetik zu gewährleisten Zur leichteren Erschließung sind dem Text aber in einem zusätzlichen Apparat (App . Ib) Verständnishilfen beigegeben . Ein dritter Apparat (App . Ic) macht die im Text auszumachenden Vortragseinheiten kenntlich . Näheres ist den folgenden Hinweisen zu entnehmen .
1 Der Archetyp von Gottfrieds Roman entzieht sich aufgrund starker Überlieferungskontamination (= Mischung mehrerer Vorlagen durch diverse Schreiber) und der Herausbildung zahlreicher Präsumptivvarianten (= frühe gleichwertige Varianten) einer durchgehenden Rekonstruktion (vgl das Stemma auf der vorderen Einbandklappe) . Nur im frühen X-Ast gibt es unkontaminierte Ganzhandschriften (M und H), deren gemeinsamen Vorläufer *X – einen archetypnahen Textzeugen – zu rekonstruieren das Ziel der vorliegenden Edition ist (‚Leitastprinzip‘) . Dabei ist zu bedenken, dass der H-Schreiber ein sehr treuer Kopist seiner Vorlage war, dem allerdings Flüchtigkeitsfehler unterlaufen sind (z B Buchstaben-, Wort- oder Versverluste), und dass der M-Schreiber nicht selten (durch Umformulierungen oder bewusste Kürzungen) in den X-Text eingegriffen hat Auf Lesarten der X-externen Überlieferung wurde nur dort ausgewichen, wo die frühen X-Handschriften eindeutig den Sinn verzerren oder fehlerhaft sind . Diese editorischen Eingriffe sind durch Kursivsatz gekennzeichnet .
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2 Die durch das Namen-Initialenspiel (vgl die roten Initialen im Editionstext) angezeigte Gliederung des Romans in Bücher wird in der Ausgabe zusätzlich durch Seitenumbrüche verdeutlicht Die für alle Gliederungsaspekte maßgebliche Handschrift H ist darüber hinaus in Kapitel untergliedert (angezeigt durch die Kombination von Initiale und Kapitelzeichen), deren Beginn in der Edition jeweils durch eine Freizeile kenntlich gemacht und deren Thema in der rechten Kopfzeile angegeben wird . Die linke Kopfzeile verweist auf das Thema des jeweiligen Buches . Eine dritte (in H durch zweizeilige Initialen gekennzeichnete) und vierte (in H durch Kapitelzeichen markierte) Gliederungsebene werden in der Edition durch zwei- bzw einzeilige schwarze Initialen angezeigt – Eine Gesamtübersicht über die Buch- und Kapitelstruktur findet sich am Ende dieses Bandes
3 . Die Interpunktion des Textes ist als ein Lektüremodell nach modernen Zeichensetzungsregeln zu verstehen, das vor allem kommunikative Akte (Aussagen, Fragen, Ausrufe, Einschübe etc .) verdeutlicht . Es handelt sich um ein Angebot zum Erstverständnis des Textes; den Nutzern steht es jederzeit frei, sich von der vorgegebenen Zeichensetzung zu lösen, da die Handschriften nur in wenigen Einzelfällen syntaktische Interpunktion aufweisen .
4 Die metrische Wiedergabe erfolgt so, dass den Nutzern ein größtmögliches Maß an rhythmischer Freiheit überlassen bleibt Elisionspunkte (ẹ) wurden nur an Stellen gesetzt, an denen eine silbische Kürzung unbedingt erforderlich ist .
5 . Der unterhalb des Textes positionierte Editionsapparat (App . Ia) verzeichnet die vom edierten Text abweichenden sinnrelevanten Lesarten (Negativapparat) sowie die Gliederungselemente (Positivapparat) der Frühüberlieferung bis um 1300 in chronologischer Folge, an erster Stelle jedoch die Handschriften des X-Astes (M, ff, H), danach die Handschriften a, t, m, f1/h/f, z/z1, s, W, w, F In folgenden Fällen werden hier aber auch schon die Varianten der Spätüberlieferung in eckigen Klammern nachgewiesen:
– bei editorischen Eingriffen gegen den X-Ast (Kursivsatz im Text) . Ausgenommen sind Emendationen (Verbesserungen kleinerer Schreibfehler), bei denen das Prinzip des Negativapparats gewahrt bleibt (d h Kursivsatz im Text, aber keine Angaben zur Spätüberlieferung in eckigen Klammern)
– nach Zeigehänden (G) Diese weisen darauf hin, dass der Archetyp eine andere Lesart als die edierte X-Variante aufgewiesen haben kann (aber nicht zwingend aufgewiesen haben muss)
– bei Umrahmungen . Sie heben stemmatologisch nachweisbare Archetyplesarten hervor, von denen der Editionstext abweicht .
Direkt oberhalb des Editionsapparats befinden sich die Folio- bzw . Seitenangaben der frühen Textzeugen . Weblinks zu den Digitalisaten finden sich in der dem Stemma (s . Einband) beigegebenen Übersicht (In der E-Book-Ausgabe sind die Folio- bzw Seitenangaben direkt mit den Digitalisaten verlinkt )
6 . Der dem Editionsapparat nachgeordnete Verständnishilfenapparat (App . Ib) wendet sich an Nutzer mit Mittelhochdeutsch-Vorkenntnissen . Seine Aufgabe ist es, ein Erstverständnis des mittelhochdeutschen Textes im schnellen Zugriff (Baukastenprinzip) zu gewährleisten, aber interpretatorische Entscheidungen möglichst offen zu halten Vokabeln, die in den gängigen Wörterbüchern leicht auffindbar sind, werden in der Regel nicht aufgeführt Häufig wiederkehrende Verständnishilfen (im Apparat mit dem Verweis „→ Gl .“ markiert) sind in einem Glossar auf der hinteren Einbandklappe verzeichnet .
7 . An bestimmten Stellen erscheint auf den Textseiten ein dritter Apparat, der den Beginn einer Vortragseinheit anzeigt (App . Ic) . Im Unterschied zu den oben unter 2 . erwähnten Kapiteln, welche die Leser durch den Schrifttext leiten, handelt es sich bei den Vortragseinheiten um kapitelübergreifende Abschnitte innerhalb der vier Bücher, die aufgrund narratologischer Kriterien (vorausgegangener Handlungsabschluss und deutlicher Handlungsneubeginn) voneinander abzugrenzen und auf ein Hörpublikum zugeschnitten sind . Der Apparat bietet jeweils eine kurze Zusammenfassung der betreffenden Vortragseinheit .
Zur genaueren Information über alle Aspekte der Edition vgl . die ausführliche Einleitung im Begleitband .