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Portrait: Die neue Mainzer Stadtschreiberin

((( KLEINE PAUSE AUF LIESEL METTENS BüCHERSTUHL NACH DEM ERSTEN STADTRUNDGANG. DÖRTE HANSEN FüHLT SICH SEIT IHRER ANKUNFT GLEICH WOHL IN DER NEUEN HEIMAT AUF ZEIT )))

Umgetopft

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Die neue Mainzer Stadtschreiberin Dörte Hansen und ihre Literatur aus dem Norden

Feldversuch und Experiment – so sieht Dörte Hansen ihre Zeit als Mainzer Stadtschreiberin des Jahres 2022. Wie jedem Preisträger steht ihr die Wohnung im Haus zum Römischen Kaiser am Liebfrauenplatz zur Verfügung, dem Renaissancebau des Gutenberg-Museums, mit Blick auf den Markt. Hansen ist die 37. Preisträgerin der seit 1984 von ZDF, 3SAT und der Stadt Mainz vergebenen Auszeichnung. Ein Preisgeld von 12.500 Euro gehört dazu sowie die Möglichkeit, eine Dokumentation zu einem Thema freier Wahl zu drehen. Das einjährige Wohnrecht ist ein interessanter Aspekt, verschafft es – wenn ausreichend wahrgenommen – doch einerseits den Mainzern Gelegenheit, den literarischen Gast kennenzulernen und bietet andererseits den Preisträgern eine Chance, die Stadt zu erfahren. Über Mainz - eine völlig unbekannte Welt - schreiben zu können, weiß sie aber nicht.

Erzähl mir Deine Stadt Bis zum Tag ihrer Amtseinführung im März war die Autorin noch nie in Mainz, fing also „bei Null an“, wie sie sagt, hatte keine Vorstellung im Kopf und kannte höchstens das Image des Mainzer Lebensgefühls. Das Amt der Stadtschreiberin sieht sie als Einladung zum Dialog. Mit offenen Augen und Ohren wandert sie seitdem durch die Stadt und bemerkt vom ersten Augenblick an „die heitere Atmosphäre und Freundlichkeit der Menschen“. Selbstkritisch fragt sie sich, ob sie selektiv wahrnimmt, einem Mythos aufsitzt oder daran noch weiterstrickt. Als Norddeutsche das Mainzer „Meer“ vor der Tür und darüber die Möwen erwecken bei Dörte Hansen heimatliche Gefühle. Nach einem Studium in Kiel und Hamburg, lebt sie heute wieder in Husum. In norddeutschen Dörfern spielen ihre Romane. Da fühlt sie sich wohl, kann mit den Nachbarn Platt sprechen und braucht nichts zu erklären. Alle zehn Jahre keimt jedoch auch die Frage auf, ob man nicht woanders wohnen könnte: „Wir leben in einer Art Heimweh-Zeitalter. Wir können uns aussuchen, wo wir leben wollen. Und diese Freiheit bezahlen wir mit einem latenten Heimweh.“ Ehemann Sven Jaax treibt dagegen das Fernweh. Der Dokumentarfilmer hat in der ganzen Welt gedreht. Er wird auch Kameramann in Dörte Hansens Film sein, der zu den Stadtschreiberaufgaben gehört. Das Thema: Die Färöer, Mythos und Meer.

Landschaft, Sprache, Menschen Inwieweit eine Landschaft die Menschen prägt, diese Frage beschäftigt die Autorin immer wieder - spürbar in „Altes Land“, dem Erstlingsbestseller, und noch deutlicher in „Mittagsstunde“, wo sie kritisch den wirtschaftlichen und sozialen Wandel im dörflichen Leben der letzten 50 Jahre reflektiert: stillgelegte Höfe, rationell verplante Felder und Ställe, durch die nur noch die Schwalben fliegen. In beiden Büchern dienen Hansens Erlebnisse und Erfahrungen als „autobiographisches Geländer“. Sie will authentisch schreiben, nicht zuletzt in den kargen Dialogen der Protagonisten, denen sie das lokale Plattdeutsch in den Mund legt. Dabei ist für sie ein Buch nur ein Auszug aus einem größeren Textkontinuum, das aus einer Flut von Gedanken, Erinnerungen und Bildern besteht. Dieser „gasförmige Zustand“ wird zu einem „flüssigen“ mit der Abgabe des Manuskripts und schließlich zu einem „festen Zustand“, wenn nach langen und fruchtbaren Diskussionen mit der Lektorin das Buch gedruckt daliegt. Im September wird der dritte Roman „Zur See“ diesen Zustand erreicht haben und kurz nach Erscheinen in Mainz vorgestellt. Etwa gleichzeitig startet die Verfilmung von „Mittagsstunde“ in den Kinos – sozusagen der vierte, vielleicht virtuelle Zustand eines Romans. Dörte Hansen will Mainz zum Ausgangspunkt ihrer Lesereisen machen. Vielleicht hat der temporäre Umtopfungsversuch von Husum nach Mainz dann Wurzeln geschlagen.

Minas Foto: Stefan Zahm

Lesung auf der Zitadelle am 13. Juli Beginn: 18 Uhr, Eintritt frei

Die Romane von Dörte Hansen sind bei Penguin erschienen: Altes Land (2015), Mittagsstunde (2018), Zur See (Sep 2022) Verfilmungen: „Mittagsstunde“: Kinostart am 22. September (Capitol Mainz)

Weitere Veranstaltungen in Mainz: Lesung aus „Zur See“ 27. September Frankfurter Hof Filmvorstellung „Mittagsstunde“ mit Autorengespräch am 28. September Capitol Kino

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