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Fußball Mainz 05

Sportvorstand Rouven Schröder (li.) und Ex-Trainer Achim Beierlorzer gehen getrennte Wege

Frage des Vertrauens

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Beim Fußball-Bundesligisten

Mainz 05 rumort es (mal wieder)

Spieler Adam Szalai will sich unter neuem Trainer Lichte (oben) „durchbeißen“

Wenn das Vertrauen weg ist, muss etwas Gravierendes vorgefallen sein. Bei Mainz 05 ist genau das passiert und hat die Probleme ans Licht gebracht. Doch wie ist es dazu gekommen? Es nahm seinen Anfang, als Stürmer Adam Szalai im September aus der Mannschaft „aussortiert“ wurde. Man legte ihm einen Wechsel nahe. Dabei seien es lediglich „sportliche Gründe“ gewesen, wie Sportvorstand Rouven Schröder und Trainer Achim Beierlorzer mehrfach versicherten, die zu dieser Entscheidung führten. Doch der Stein des Anstoßes war auch ein anderer: Es fehlte an Einnahmen. Allein in diesem Jahr sind es etwa 15 Mio. Euro, die wegen Corona nicht in die Vereinskasse gespült werden. Probleme gab es dann richtig, als der Verein seine Mitarbeiter in Kurzarbeit schicken musste, während auch Spieler auf Teile ihres Gehaltes zu verzichten bereit waren. Unruhe kam in die Mannschaft, die sowieso als schwierig gilt: von Grüppchen im Kader und fehlender Bindung zum Verein ist die Rede – und das seit langem.

Trainer-Wechsel Der Ausgang ist bekannt: Trainer Achim Beierlorzer wurde Ende September entlassen, nachdem die Mannschaft einen Tag in den Streik trat und dem Training fernblieb. Eine beinahe beispiellose Aktion in der Bundesliga, die nicht wenig Kritik einbrachte. Ein Affront gegen den Verein, vor allem aber gegen den Trainer, der schon seit längerem bei einigen Spielern nicht mehr gut gelitten war. Sogar ein Abgang von Sportchef Rouven Schröder stand in der Diskussion. In einem Ende Oktober veröffentlichten Brief geht die Mannschaft auf ihre Beweggründe ein. Dabei ist von „Missverständnissen“ die Rede. „Die schwelende Unzufriedenheit, die im Team herrschte, hat sich an der Freistellung von Adam entzündet.“ Ob sich alle Spieler mit dem Schreiben identifizieren, bleibt fraglich. Die Gründe waren vielschichtig. Dass auch Unzufriedenheit mit der Arbeit von Trainer Beierlorzer Auslöser des Streiks war, geht aus dem Brief nicht hervor. Beierlorzer wurde dennoch schnell und kostengünstig durch den bisherigen Co-Trainer Jan-Moritz Lichte ersetzt. Ein neuer Trainer als Hoffnung für bessere, erfolgreichere Zeiten? Immerhin schreibt sich die Geschichte der 05er in der Bundesliga mit Trainern aus den eigenen Reihen. Seien es Jürgen Klopp, Thomas Tuchel, Martin Schmidt oder Sandro Schwarz. Doch einige sind auch an den gestiegenen Erwartungen gescheitert. Dabei wird vergessen: Mainz ist kein Big-Player innerhalb der Liga; der Erfolg muss sich Schritt für Schritt erarbeitet werden. Selbst Klopp brauchte drei Anläufe, bis er es in die Bundesliga schaffte. Er durfte sogar wieder absteigen und sich dennoch unter frenetischem Jubel auf dem Gutenbergplatz verabschieden. Ohne die Geduld des Vereins wäre Klopp heute vermutlich nicht in Liverpool, hätte nicht die Champions League gewonnen und wäre vielleicht auch nicht deutscher Meister. Ob Lichte also der Richtige ist, um das Ruder rumzureißen? Ein Versuch ist es wert. Er gilt als Stratege, hat Erfahrungen als Co-Trainer bei Paderborn, St. Pauli, Leverkusen, Hannover und zuletzt in Mainz sammeln können. Damit er zeigen kann, ob er das Potenzial hat, die Mannschaft weiterzuentwickeln, braucht er die Rückendeckung von Verein und Vorstand. Dennoch müssen die Mainzer in den anstehenden Partien gegen Augsburg, Schalke und Freiburg punkten. Sonst schwindet früh die Hoffnung.

Mit Spannung aus Versammlung Richtungsweisend für die 05er hätte schließlich die Mitglieder-Versammlung am 27. Oktober sein sollen. Doch Corona machte auch hier einen Strich durch die Rechnung, denn die Lage erlaubt keine Veranstaltung mit so vielen Personen. Vor dem Hintergrund der großen Bedeutung der Versammlung mit den Wahlen des Vorstandsvorsitzenden und des Aufsichtsrates hält der Vorstand die Umsetzung einer virtuellen Versammlung für nicht durchführbar. Man will nach einem neuen Termin suchen. Gemäß der Vereinssatzung bleiben die Mitglieder des Aufsichtsrates solange im Amt. Doch wie lange kann das gut gehen? Auch hier gibt es gewisse Gemengelagen: 16 Bewerber kommen auf acht Plätze – und so manch einer wünscht sich sogar den alten Manager Christian Heidel zurück, der (noch) tendenziell ablehnt. Entspannt hat sich die Lage zumindest in der Causa Szalai. Der wegen der Streitigkeiten anberaumte Termin vor dem Arbeitsgericht wurde abgesagt. Nach einem klärenden Gespräch mit der Vereinsführung sagt Szalai: „Ich bin froh, wieder Teil meiner Mannschaft zu sein und für Mainz 05 alles zu geben. Nur gemeinsam werden wir die vor uns liegenden Aufgaben bewältigen und die schwierigen vergangenen Tage vergessen machen können.“ Worten müssen nun Taten folgen, auf und neben dem Platz. Eine gewaltige Aufgabe für die Spieler und Trainerneuling Lichte. Klar ist: Ein Trainer macht noch keine Mannschaft. Aber an ihm liegt es, eine zu formen. Mit Weitsicht und Vertrauen. Gelingt das, wird im Verein wieder die nötige Ruhe einkehren, um sich auf das Sportliche zu konzentrieren.

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