sensor Mainz #104 Oktober 2020

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Rathaus-Sanierung

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Die Initiative „Die Betonisten“ setzt sich für Mainzer Nachkriegsarchitektur ein

„Wir drücken die Daumen, Baby“ – mit diesem Slogan betitelten die „Betonisten“ kürzlich eine ihrer Instagram-Storys. Die bezog sich auf die aktuelle Sanierung des Rathauses. Zu sehen waren Aufnahmen des Gebäudes, dessen markante Silhouette in den wolkenlosen Himmel sticht. Das Grau der Fassade bildete dabei mit dem Blau des Firmaments einen einzigartigen Kontrast. Als „wichtigstes Bauwerk in Mainz des 20. Jahrhunderts“, bezeichnet es Maximilian Kürten – einer der „Betonisten“. Die Mainzer Initiative setzt sich seit 2018 für den Erhalt von Nachkriegsarchitektur in der Stadt ein. Die Gruppe aus Architekten, Designern und Kunsthistorikern gründete sich, als die Diskussion um die Rathaussanierung vor zwei Jahren an Fahrt aufnahm. Das von den dänischen Architekten Arne Jacobsen und Otto Weitling entworfene Gebäude auf dem Jockel-Fuchs-Platz macht derzeit einen Großteil ihrer Arbeit aus, aber auch andere Objekte und Freiräume wie etwa das Gutenberg-Museum, die Ludwigsstraße, das Allianzhaus, der Ernst-Ludwig-Platz oder die „Muschel“ auf dem Uni-Campus.

Das Rathaus ist das größte Sorgenkind. In einem offenen Brief stellen „Die Betonisten“ Forderungen an die Stadt

Statement der Demokratie Das Mainzer Rathaus zwischen Denkmalpflege und Erneuerung

Sie alle werden durch die „Betonisten“ wieder in das öffentliche Bewusstsein gerückt. Den Dreiklang „entdecken, vermitteln, erhalten“ trägt die Initiative in ihrem Namen und verknüpft damit die Ziele, einerseits Politik und Wirtschaft zu einem verantwortungsvolleren Umgang mit den Bauwerken der Nachkriegszeit aufzurufen und andererseits Kritiker des funktionalen Stils von der Schönheit der Archi-

tektur zu überzeugen. Für Letzteres setzen die „Betonisten“ auf Instagram und Facebook relevante Bauwerke ins Spotlight und erläutern deren ästhetischen Wert. Durch Stadtführungen und Aktionen wie die „Schaustelle“ gibt es außerdem Gelegenheit, in der Öffentlichkeit mehr über die Nachkriegsmoderne zu erfahren und darüber zu diskutieren. Auf dem Jockel-Fuchs-Platz wurden dafür in der Vergangen-

heit um jenen Sockel knallgelbe Stühle aufgestellt, auf dem einst die Skulptur „Schlüssel des Stundenschlägers“ von Hans Arp stand. Der Metall-Monolith steht aktuell als Leihgabe im Arp-Museum in Remagen. Die Leere soll nun den städtischen Sanierungsstau symbolisieren. Ästhetik der Nachkriegszeit „Architektur der Nachkriegszeit obliegt oftmals der Stempel der Hässlichkeit“, sagt Maximilian Kürten. Dabei sei es manchmal schon hilfreich, genauer hinzusehen und den Blick nach oben zu richten. „Wir wollen da ansetzen, wo die Ressentiments herkommen. Häufig ist es so, dass Geschmacksbilder reproduziert werden.“ Kürten nennt als Beispiel den Mainzer Dom. Dieser gelte eben als schön und das werde dann auch so weitergegeben, wogegen niemand etwas sagen würde. „Aber die Antworten auf die Frage, worin die schönen Aspekte genau begründet sind, fallen oftmals schwer.“ Wie die Ästhetik der Nachkriegsmoderne greifbar werden kann, verdeutlicht Maximilian Kürten bei einem Blick auf die Außenwand des Rathauses: „Das Besondere an die-


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