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NEUE WELT
VON ELKE HEIDENREICH Neue Welt, neuer Saal, neue Zeiten nach Corona?
So ganz sicher ist das alles noch nicht. Dieses Virus hat uns – und zwar weltweit – ordentlich gebeutelt. Es ging uns nicht nur an die Gesundheit, sondern an alles: Wirtschaft, Lebensart, Reisen, Beruf, Kultur. Keine Konzerte, keine Theater – das war keine neue, das war eine ganz und gar aus den Fugen geratene Welt.
Heute Abend aber: die Neue Welt, nicht nur mit Dvořáks gleichnamiger, berühmter Sinfonie, sondern auch mit ganz neuen Tönen der Komponistin Helena Winkelman, die mit ihrer Einkreisung quasi die Auferstehung des Stadtcasinos segnet: Ein guter alter, ein ganz neuer Alpsegen erklingt rundum mit gleich acht Alphörnern, schöner kann man einen Neuanfang nicht machen! Und Beethoven legt
© Bettina Flittner dann gleich noch nach mit einer Ouvertüre: Die Weihe des Hauses, wobei ich vorsichtig und augenzwinkernd daran erinnern möchte, dass diese Weihe des Hauses eine Adaption seines früheren Werks Die Ruinen von Athen ist... Achtung also, die Ruinen und die Weihe, das kann schon mal nah beieinanderliegen. Aber immerhin hat diese Musik schon mal ein Haus neu eröffnet: das Theater in der Josefstadt in Wien, 1822, Beethoven sass selbst am Klavier und hat dirigiert – erbärmlich, sagte der Geiger Anton Schindler, denn das ging ziemlich daneben, weil er schon fast nichts mehr hörte. Dem erfahrenen Ivor Bolton kann da heute nichts passieren.
Das renovierte Haus wird neu möbliert mit Klängen, was passte da besser als Saties von Debussy bearbeitete Gymnopédies? Denn genau das hat Satie über seine Musik gesagt: Sie solle musique d’ameublement sein, Möbelmusik, Einrichtungsmusik, sie solle im Raum sein wie Tisch, Stuhl, Bank, unauffällig, selbstverständlich, eine Hintergrundmusik, denn, so Eric Satie, der Komponist habe nicht das Recht, «die Zeit seiner Zuhörer unnötig in Anspruch zu nehmen».
So bescheiden, so zurückgenommen, Satie, der so arm war, dass er nach den Saufgelagen mit Freunden in Paris barfuß in sein kleines Zimmer im Vorort zurückging, um sein einziges Paar Schuhe zu schonen. Bezahlt wurden seine Auftritte in Kneipen oft mit Alkohol, und an zu viel Alkohol
starb er denn auch, 1925, mit nur 58 Jahren. Mir ist seine Musik immer mehr gewesen als Möblierung – sie hat etwas so Ruhiges, Klärendes, wenn alles hektisch ist und überall die Viren toben: Satie ist der Mann, der wieder Ruhe reinbringt.
Und dann haben wir ja noch, gesungen von der ‹Artista in residence› Christina Landshamer diese grossartigen Lieder: Das Morgen! des Richard Strauss, das Infelice des Felix Mendelssohn Bartholdy – wie passt das in unsere Neue Welt?
Perfekt: Denn bei Strauss heisst es, «Und morgen wird die Sonne wieder scheinen... », das wollen wir mal sehr positiv auf das Ende des CoronaZeitalters beziehen, irgendwann muss das doch vorbei sein, und dann sind wir felice, nicht infelice, nicht unglücklich. Da hat Mendelssohn sich textlich was zusammengebastelt in seiner Konzertarie, geschrieben für Maria
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Malibran in London, nämlich, so sagte es der 25-jährige Komponist selbst: «den allerschönsten Unsinn» aus mehreren Libretti des Pietro Metastasio. Zuerst wird der Verlust des treulosen Geliebten beklagt, dann aber keimt schon wieder Hoffnung auf: Es werden glücklichere Zeiten kommen – und schliesslich erschallt der Sehnsuchtsruf «Ah! Ritorna età felice!» mögen die glücklichen Zeiten zurückkehren!
Aber das tun sie doch... heute Abend!
Sol Gabetta Patricia Kopatchinskaja Pekka Kuusisto Christina Landshamer Lucas & Arthur Jussen Emmanuel Tjeknavorian Kian Soltani u.v.m.
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