4x2 Programm 2012

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→ Von jeher stellen Dokumentarfilme ein Gros jener Arbeiten dar, die von sixpackfilm erfolgreich bei internationalen Festivals vertreten werden. Die Palette an großartigen und spannenden dokumentarischen Filmen ist weit größer, als in den heimischen Kinos und im Fernsehen zu sehen ist. sixpackfilm möchte im Rahmen dieses Specials einigen aktuellen Produktionen besondere Aufmerksamkeit geben und diese im Kinoraum präsentieren. Vier Filme laufen an vier aufeinanderfolgenden Tagen, jeweils zwei mal werden sie gezeigt, pro Abend können Sie zwei ver schiedene Filme sehen. Jeder Film wird in der 19.00 Uhr Vorstellung von einem moderierten Gespräch mit den FilmemacherInnen begleitet. Ein gemeinschaftliches Motiv dieser vier Filme liegt in dem Bedürfnis, individuelle Schicksale, Orte oder Begebenheiten in einem breiteren gesellschaftlichen oder politischen Rahmen zu verankern. Behind the Screen betrachtet

investigativ die sozialen und ökologischen Folgen des Raubbaus, der Herstellung und Entsorgung von Computern. Tlatelolco beschreibt in präzisen Einstellungen einen Stadtteil in Mexico City, in den 60erJahren mit sozialpolitischen Utopien gebaut und noch im selben Jahrzehnt Schauplatz von blutigen Studentenunruhen. Von sozialen Umbrüchen ist auch Kirgistan gekennzeichnet, wo Bernhard Pötscher in Kleine Perestrojka den Fotografen Shailo Djekshenbaev auf einer Reise in den zuletzt von Unruhen gekennzeichneten Süden des Landes begleitet. Judith Zdesar stellt sich in Farben einer langen Nacht ihren eigenen Ängsten und begibt sich nach Grönland, um dort den alltäglichen Umgang der Menschen mit den unwirtlichen Bedingungen einer lebensfeindlichen Umwelt aufzuzeichnen.

Wir wünschen Ihnen/Euch viel Vergnügen bei diesen Erkundungen.

4x2 DOKUMENTARFILMTAGE 10. – 13. OKTOBER 2012 TOPKINO

Lotte Schreiber Tlatelolco

Stefan Baumgartner Behind the Screen

Bernhard Pötscher Kleine Perestrojka

Judith Zdesar Farben einer langen Nacht

Mi 10. Oktober – 21:00 Do 11. Oktober – 19:00

Mi 10. Oktober – 19:00 Fr 12. Oktober – 21:00

Fr 12. Oktober – 19:00 Sa 13. Oktober – 21:00

Do 11. Oktober – 21:00 Sa 13. Oktober – 19:00

Topkino Rahlgasse 1, 1060 Wien www.topkino.at ein Programm von sixpackfilm www.sixpackfilm.com


Stefan Baumgartner

Lotte Schreiber

Behind the Screen

Tlatelolco

AT 2011, 60 min, OmdtU → Mittwoch, 10. Oktober 2012 19:00 – großer Saal + Gespräch mit Tristan Sindelgruber/Standbild → Freitag, 12. Oktober 2012 21:00 – kleiner Saal

AT/MEX 2011, 75 min, OmdtU → Mittwoch, 10. Oktober 2012, 21:00 – kleiner Saal → Donnerstag, 11. Oktober 2012, 19:00 – großer Saal (Gespräch mit Gerald Weber/sixpackfilm)

Sieben Computer werden weltweit pro Sekunde produziert. Behind the Screen wirft einen eindrucksvollen Blick hinter die Fassade der Elektronikindustrie. Startpunkt ist der Regenwald Ghanas. Dort stehen junge Goldschürfer bis zu den Knien im Schlamm. In der tropischen Hitze rackern sie sich mit Schaufel und Spitzhacke ab. Das Gold hat sich für sie zu einem Fluch entwickelt, denn längst reißen sich große Minenkonzerne das kostbare Land unter den Nagel und Flüsse sind durch das beim Goldabbau verwendete Quecksilber und Zyanid vergiftet. Das gewonnene Gold findet seinen Weg in Leiterplatinen von Computern. Seit Jahren fallen die Elektronikpreise. In Tschechien

setzen Arbeiter die Computer zusammen, der globale Konkurrenzkampf im Sektor wird auf ihrem Rücken ausgetragen. In einer dunklen Gasse in Pardubitz erzählt Janko: Zwölf Stunden am Tag, sechs Tage die Woche schuftet er am Fließband, für einen Hungerlohn von zwei bis drei Euro pro Stunde. Manche werden ohnmächtig, brechen zusammen. Die Lebensdauer der produzierten Computer sinkt, und täglich überschwemmen neue Modelle den Markt. Die Spur der ausrangierten PCs führt wieder nach Ghana. (Brigitte Reisenberger)

Wenn der Touristenbus in Mexiko-Stadt den Plaza de las tres Culturas passiert, ist der Fremdenführer gefordert. Der Platz im Zentrum des Viertels Tlatelolco-Nonoalco ist ein veritables Epizentrum mexikanischer Geschichtsschreibung: Hierhin zogen sich die Azteken unter Cuauhtémoc vor ihrer endgültigen Niederlage gegen die spanischen Eroberer 1521 zurück; hier wurde am 2. Oktober 1968, zehn Tage vor der Eröffnung der Olympischen Spiele in Mexiko, eine Studentendemonstration blutig niedergeschlagen; und 1985 ließ ein verheerendes Erdbeben in unmittelbarer Umgebung Hochhäuser einstürzen. Die letzten beiden Ereignisse werden der Filmemacherin

Bernhard Pötscher

Judith Zdesar

Kleine Perestrojka

Farben einer langen Nacht

AT 2012, 90 min, OmdtU → Freitag, 12. Oktober 2012, 19:00 – großer Saal (Gespräch mit Isabella Reicher/Der Standard) → Samstag, 13. Oktober 2012, 21:00 – kleiner Saal

AT 2011, 2011, 70 min, OmeU → Donnerstag, 11. Oktober 2012, 21:00 – kleiner Saal → Samstag, 13. Oktober 2012, 19:00 – großer Saal (Gespräch mit Robert Buchschwenter/witcraft)

Schauplatz des Films ist die Kirgisische Republik, die zum Zeitpunkt der Dreharbeiten gerade ihre zweite demokratische Revolution (nach der Tulpenrevolution 2005), einen gewalttätigen ethnischen Konflikt zwischen Kirgisen und Usbeken im Süden des Landes sowie ein Verfassungsreferendum hinter sich gebracht hatte, das den seit Ende der 1990er Jahre anhaltenden Trend zur autoritären Präsidialdemokratie endgültig umzukehren beabsichtigte. Ein Schauplatz erheblicher politischer Umwälzungen also, deren Dimensionierung man dem Film nur deshalb abnimmt, weil er sie konsequent mit der Arbeit und der subjektiven Erfahrung seines Protagonisten

Shailo Djekshenbaev, eines freischaffenden Fotokünstlers, ins Verhältnis setzt. Auf diese Weise gelingt dem Film, was jeder faktenorientierten außenpolitischen Reportage notwendig verwehrt bleiben muss: die Konzentration auf das innere Zeitmaß der Veränderung. Diese zeigt sich als Zustand, der sich vom Anfang bis zum Ende, von den Tränen über den Zustand des kirgisischen Volkes bis zum halbherzigen Versuch, die Tapeten aus der Sowjetzeit loszuwerden, nur minimal transformiert. (Vrääth Öhner)

Von einer die auszog das Fürchten zu lernen. Der Flug in die Dunkelheit nach Grönland beginnt mit dem Abschied von der Sonne, die als roter Ball im Kabinenfenster glüht. Angekommen müssen Kamera und Mikro sofort gegen den eiskalten Wind ankämpfen. Nur die Fragmente von vermummten Gestalten die in einen Lichtkreis geraten, sind wahrnehmbar, keine Farben. Im Schwarz direkt neben dem Schein der Taschenlampe beginnt das Nichts. Innen in den Wärmeinseln dominieren das Gelb, das Rot, Hauttöne, – Farben mit hoher Farbtemperatur. Hier scheint die Isolation im gegenseitigen Vertrauen aufgelöst. Es werden Erfahrungen ausgetauscht, Gebrauchsanweisun-

Lotte Schreiber zu entscheidenden historischen Markierungen in diesem Video, das sich sonst vor allem ins Räumliche erstreckt. Statt auf die Denkmäler und Repräsentationsarchitekturen der Plaza fokussiert Tlatelolco auf die benachbarten Wohnhochhäuser: Unidad Habitacional NonoalcoTlatelolco, errichtet in den Sechziger Jahren unter der Leitung des Modernisten Mario Pani, ist der größte Apartmentkomplex in Mexiko-Stadt. Realisiert am Zenit von Mexikos Wirtschaftsboom, hat Panis Vision vom Hochhaus als einer klassenübergreifenden „vertikalen Stadt“ selbst einige Erschütterungen hinter sich. (Joachim Schätz)

gen gegeben. Das Dunkle und die Kälte sind nicht nur geographische, meteorologische und physikalische Phänomene, sondern tief verwurzelte atavistische. Das Dunkel ist lebensfeindlich und unberechenbar, mit existentieller Angst und dem Tod assoziiert. Wenn die Hunde bellen, sollte man aufpassen. Aber wenn die Hunde immer bellen? (Birgit Flos)


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