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26. & 27. Februar 2014
Kino der Orte 2
Kino Baumgarten Das Baumgartner Bio-Theater wurde als zweitältestes Bezirkskino 1908 gegründet und verfügte über nur 120 Sitzplätze, damals war es dem 13., heute dem 14. Wiener Gemeindebezirk zugeordnet. Wegen des überaus erfolgreichen Betriebes des Lichtspieltheaters übersiedelte die Spielstätte schon 1911 in einen gegenüber der Landwehrkaserne eigens errichteten Saal im Hof des Hauses Hütteldorfer Straße 253 und verfügte dort mit 347 Sitzplätzen über die fast dreifache Kapazität des vorhergehenden Standortes. Die Nähe zur Kaserne war durchaus bewusst gewählt, um möglichst viele Zuschauer anzulocken. 1922 wurde der Kinosaal nochmals auf 574 Sitzplätze erweitert, dadurch avancierte das Baumgartner Grand Bio-Theater zum zweitgrößten Kino in Penzing. Das Kino wechselte wiederholt seinen Namen, zuletzt 1951 in Baumgartner Lichtspiele. Am 31.7.1966 musste auch in diesem großen Vorstadtkino der Spielbetrieb eingestellt werden. Seit 2001 befinden sich in den Räumen des ehemaligen Kinos die Büros der Firma Avaloop IT Solutions GmbH. Heute tüfteln junge selbstständige Kreative unter dem Namen Jurp Network an neuen Ideen. Das Büro ist im Kinosaal untergebracht, rechts und links flankiert von zwei Holzbalkonen im ursprünglichen Zustand. (Thomas Jelinek) Kino Baumgarten (Yurp Network), Hütteldorfer Straße 253, 1140 Wien filmheft # 11
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KINO DER ORTE 2 KINO BAUMGARTEN
Programm 1
MI 26.2.2014, 20:00 L’UOMO DELLE STELLE/DER MANN, DER DIE STERNE MACHTE I 1995 REGIE Guiseppe Tornatore DREHBUCH Guiseppe Tornatore, Fabio Rinaudo KAMERA Dante Spinotti MUSIK Ennio Morricone MIT Sergio Castellitto, Tiziana Lodato, Franco Scaldati, Leopoldo Trieste, Clelia Rondinella PRODUKTION C.G.G. Tiger/Sciarlo/RAI FORMAT Farbe, OF mit dt. UT 106 Minuten
Berühmt, erfolgreich, begehrt, bewundert, geliebt und reich – so stellt sich das Idealbild der Hollywood-Stars für das Publikum dar. Die mediale Dauerpräsenz, welche heute zusehends die Schattenseiten des Prominentendaseins aufzeigt, war in den 1950er-Jahren noch nicht gegeben. Zeitschriften und Wochenschauen präsentierten eine glamouröse Welt der großen Leinwand-Helden und -Diven. In jener Zeit spielt Guiseppe Tornatores Film L’UOMO DELLE STELLE/DER MANN, DER DIE STERNE MACHTE (I 1995), der gleichermaßen Drama und sozialkritische Komödie ist. Joe Morelli reist Anfang der 1950er-Jahre durch Sizilien. Er gibt sich als Vertreter einer bedeutenden Filmproduktionsfirma aus. Gegen einen Betrag von 1.500 Lire macht er Probeaufnahmen
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von allen, die sich zum »Star« berufen fühlen. Die Filme will er – wie er vorgibt – in Rom seinen Partnern vorführen. Egal, ob jung oder alt, besonders schön oder unscheinbar – allen verspricht er eine potenzielle Zukunft im Filmgeschäft. Wo auch immer Morelli Station macht, strömen die Menschen herbei und studieren willig Sätze aus GONE WITH THE WIND/VOM WINDE VERWEHT ein, um für einige Minuten vor die Filmkamera zu treten. Die wenigen Ersparnisse werden oftmals geopfert. Verzweifelte Mütter bieten dem Schwindler ihren Körper an, wenn das Geld für die Probeaufnahmen (und damit für eine bessere Zukunft für die Kinder) fehlt. Vor der Kamera entspinnen sich tragisch-komische Geschichten des Alltags. Eifersuchtsdramen voller Leidenschaft, Ausgrenzung und Bigotterie, christlicher Anstand und Kleinganoventum, aber auch Heldengeschichten und Kriegstraumata werden offenbart. Der erbitterte Wille einer Waisen, die dem tristen Leben in Armut entfliehen will, setzt dem Betrüger emotional zu. Doch die Polizei ist Morelli bereits auf der Spur. L’UOMO DELLE STELLE wurde 1995 bei den Internationalen Filmfestspielen von Venedig mit dem Spezialpreis der Jury ausgezeichnet. (Karin Moser)
Jänner bis Juni 2014
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Seite 24: L’UOMO DELLE STELLE, I 1995 Seite 25: THE PURPLE ROSE OF CAIRO, US 1985
Programm 2
DO 27.2.2014, 20:00 THE PURPLE ROSE OF CAIRO US 1985 REGIE, DREHBUCH Woody Allen KAMERA Gordon Willis MUSIK Dick Hyman MIT Mia Farrow, Jeff Daniels, Danny Aiello, Dianne West, Van Johnson, Deborah Rush, John Wood PRODUKTION Rollins-Joffe/Orion FORMAT s/w und Farbe, OF 82 Minuten
Stars werden von den Medien, noch mehr allerdings vom Publikum gemacht. Ohne Akzeptanz und Anerkennung des Letzteren ist dieser Status weder zu etablieren, noch zu halten. Doch wie sehr brauchen die Zuschauerinnen und Zuschauer ihre Leinwandidole, um das Leben tagtäglich besser oder letztlich überhaupt zu bewältigen? Das Spiel zwischen der Scheinwelt des Films und der bitteren Realität ist Thema des Woody-AllenKlassikers THE PURPLE ROSE OF CAIRO (US 1985). In der Depressionszeit der 1930er-Jahre flüchtet sich die Servierkraft Celia Abend für Abend in ihr Stammkino. Ihr Alltag ist trostlos und beschwerlich: Als Kellnerin ist sie ungeschickt und wird von ihrem Chef geschnitten. Ihr Ehemann ist arbeitslos. Statt nach einer neuen Anstellung Ausschau zu halten, verspielt er Celias Lohn und pflegt Affären mit anderen Frauen.
Der Besuch im Kino wird zum alltäglichen Höhepunkt ihres Lebens, selbst wenn sie denselben Film immer und immer wieder sieht. THE PURPLE ROSE OF CAIRO – eine zwischen Kairo und New York angesiedelte Komödie – avanciert zu ihrem Lieblingsfilm. Eines Abends passiert das Unmögliche: Der Held des Films, Tom Baxter, spricht Celia von der Leinwand herab an, um schließlich aus der Projektion in die Realität zu treten. Ab nun herrscht Chaos in der realen und der fiktiven Welt. Während Tom Baxter das wahre Leben mit Celia entdecken will, kann das Geschehen auf der Leinwand nicht wie gehabt weiter gehen. Die anderen Filmdarsteller langweilen sich, streiten untereinander und mit dem Kinopublikum, das sein Geld angesichts der zu realen Alltagssituation im Film zurückfordert. Man wolle schließlich jenen Verlauf und jenes Ende sehen, an welches man sich schon gewöhnt habe. THE PURPLE ROSE OF CAIRO erhielt 1985 bei den Filmfestspielen in Cannes den Kritikerpreis. In den USA floppte der Film – zu viel Tragik in der Komödie, zu viel bitterböse Selbstreflexion der Traumwelt Hollywood wollte das amerikanische Publikum nicht sehen. (Karin Moser)
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