Kino der Orte 3

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KINO DER ORTE – DAS PROJEKT Schon in den letzten beiden Jahren hat sich das Filmarchiv-Projekt KINO DER ORTE der Suche nach den öffentlichen Räumen der Film- und Kinogeschichte dieser Stadt verschrieben. Das Filmarchiv-Projekt KINO DER ORTE 2014 ist eine Hommage an die eigentlichen Schauplätze des Kinos: ehemalige, heute vergessene, umfunktionierte und aus dem kollektiven Gedächtnis verschwundene Wiener Kinos werden jeweils für zwei Tage noch einmal geöffnet und bespielt. In den alten Lichtspielhäusern sind Filme und Geschichten zu sehen, die das Kino über sich selbst erzählt hat. Zu entdecken sind dabei auch die Relikte einer seinerzeit nahezu flächendeckenden Topografie öffentlicher Dunkel- und Sehräume, die für Jahrzehnte die urbane Kultur geprägt haben. KINO DER ORTE ist ein Projekt des Filmarchiv Austria in Zusammenarbeit mit St. Balbach Art Produktion, Wien.

KINO DER ORTE 3 Fortuna Kino 26. & 27. März 2014 Favoritenstraße 147, 1100 Wien Mit dem Anker Kino, dem späteren Fortuna Ton-Kino, wurde im 10. Wiener Gemeindebezirk, Favoritenstraße 147, im Jahr 1920 das letzte Kino Wiens mit weniger als 150 Plätzen gegründet. 1931 wurde eine Tonanlage eingebaut und das Kino in Fortuna Ton-Kino umbenannt. Es fungierte als klassisches Nachspielkino im Arbeiterbezirk Favoriten. Der reguläre Spielbetrieb endete am 19.5.1977 mit einer Aufführung der Sexklamotte von Franz Antel CASANOVA & CO mit Tony Curtis und Marisa Berenson. Danach wurde das Kino als Sexkino weitergeführt und die Anzahl der ehemals ca. 150 Sitzplätze auf 75 halbiert. Gemeinsam mit den Breitenseer Lichtspielen ist das Fortuna das letzte in seiner Ausstattung komplett erhaltene Vorstadtkino Wiens und hat in dieser Hinsicht schon fast musealen Charakter. Foyer, Buffetbereich und Saal blieben bei der Adaption zum Pornokino unverändert. Auch als Sexkino konnte das Filmtheater nicht mehr kostendeckend wirtschaften und musste am 31.7.2013 vorübergehend den Spielbetrieb einstellen. Inzwischen ist das Fortuna wieder als Erotik-Kino in Betrieb genommen worden.


Programm 1 Mi 26.3.2014, 20:00 DÈMONI I 1985 REGIE Lamberto Bava DREHBUCH Lamberto Bava, Dario Argento, Dardano Sacchetti, Franco Ferrini nach einer Geschichte von Dardano Sacchetti KAMERA Gianlorenzo Battaglia MUSIK Claudio Simonetti MIT Urabano Barberini, Fiore Argento, Natasha Hovey Farbe, OF mit engl. UT, 88 Minuten Vorfilm:

LUMIÈRE: PREMONITION FOLLOWING AN EVIL DEED I USA 1995 REGIE, DREHBUCH David Lynch s/w, stumm, 1 Minute Mit seinem Beitrag zur Hundertjahrfeier des Kinos, bei dem Regiestars mit Stummfilmausrüstung unter Auflage strenger Regeln einen Film für das Großprojekt LUMIÈRE ET COMPAGNIE drehten, hat David Lynch wohl die poetologische Summa seiner filmischen Arbeit vorgelegt: Dieser unheimliche Einminüter ist die Quintessenz seines filmischen Schaffens, die auf wenige Szenen komprimierte Eindringlichkeit seines an Unheimlichkeiten wahrlich nicht armen Werks. Roh und ungeschliffen wird hier Lynchville ausgebreitet: das trügerische Idyll, der unaufhaltsame Einbruch des Grauens, das Moment der Ermittlung. Lynch nutzte die Limits des Experiments zu seinen Gunsten und legte mit der Sequenz PREMONITION FOLLOWING AN EVIL DEED einen unverkennbaren Beitrag vor. Ein kleines, viel zu selten gezeigtes Meisterwerk. Effekte ganz anderer Natur bemüht Lamberto Bava in seinem Trashklassiker DÈMONI: In dem in WestBerlin angesiedelten (und auch dort gedrehten) Streifen taumelt eine Gruppe Jugendlicher, die die exklusive Vorpremiere eines Horrorfilms genießen will, in ein reales Schreckensszenario. Wie zufällig findet die ungleiche Schicksalsgemeinschaft eine verfluchte Maske und löst damit den Weltuntergang aus, der just im Kinosaal seinen Anfang nimmt. Die Vermischung der unterschiedlichen Ebenen und die Aufhebung aller Barrieren dominieren Bavas wenig zimperlichen Beitrag zum Thema Metafiktion: die Zuschauer sind nicht mehr sicher, der Saal wird belagert, die echten Monster steigen von der Leinwand herab oder schlicht durch sie hindurch. Obgleich Bavas Film keine positive Auflösung anbietet, ist DÈMONI nicht ohne Humor oder gar Selbstverweise. Regisseur Bava und Produzent Dario Argento haben eine Vielzahl visueller Spuren ausgelegt, die immer auch zu ihren eigenen Werkskomplexen zurückführen.

Programm 2 Do 27.3.2014, 20:00 BERBERIAN SOUND STUDIO I UK 2012 REGIE, DREHBUCH Peter Strickland KAMERA Nicholas D. Knowland MUSIK Broadcast MIT Toby Jones, Susanna Cappellaro, Cosimo Fusco Farbe, OF, 92 Minuten Ein Mann steht in einem Kinosaal, wir sehen nur ihn, nicht was er zu sehen bekommt. Wir beobachten, wie er Gemüse zerhackt, wie ein Berserker mit Messern arbeitet, immer auf der Suche nach dem noch perfekteren Ton. In Peter Stricklands hochreflexivem BERBERIAN SOUND STUDIO bekommen wir eine kleine Fabel über das Subgenre des italienischen Giallos geboten, doch die dafür so bekannten Bilder von blutigen Morden werden ausgespart. Wir sehen nur wieder und immer wieder, wie der schüchterne Toningenieur Gilderoy, perfekt dargestellt von Toby Jones, angesichts des Schreckens trotzdem versucht, seinen Job gut zu machen. Doch nicht nur der Horror der Leinwand setzt ihm zu, mehr noch plagt ihn das plakativ gezeichnete italienische Umfeld, in dem er zu wirken hat – die Gehässigkeiten der Kollegen, die Barrieren einer zwielichtigen Produktionsfirma. Strickland verbindet das Heimweh des zurückhaltenden Gilderoy, seine zaghaften Versuche soziale Bande zu knüpfen und seine Standpunkte durchzusetzen zu einem Netz, in dem sich der gleichermaßen ungeschickte wie geniale Tonmensch zusehends verfängt. Er strampelt, versucht die Dreistigkeit seiner Auftraggeber zu imitieren, die ihn quälenden Zustände auszublenden. Doch alles


Bemühen ist vergebens, die Verwaltung der Produktionsfirma erweist sich als kafkaesker Apparat, die diversen düsteren Innenräume verschachteln sich zu einem Seelenraum, aus dem es kein Entrinnen geben kann. Immer wieder ruft Strickland, der für sein Debüt KATALIN VARGA 2009 auf der Berlinale mit dem Silbernen Bären ausgezeichnet worden ist, Motive des Giallo auf, integriert Hinweise und legt falsche Spuren. Mit BERBERIAN SOUND STUDIO ist Strickland einen entscheidenden Schritt weitergegangen, er zeigt nicht nur die Möglichkeit des Kinos als Produktionsraum auf, er befragt mit zutiefst filmischen Mitteln das visuelle Primat. Ein Experiment des Schreckens.

Kuratoren: Thomas Ballhausen, Karin Moser

Informationen, Spielorte Spielort FORTUNA KINO Favoritenstraße 147, 1100 Wien Tickets Normalpreis: Euro 7,50 Ermäßigter Eintritt: Euro 5,– für Mitglieder des Filmarchiv Austria, des Club Ö1, Standard-AbonnentInnen und StudentInnen, sowie für InhaberInnen von Tickets bzw. Jahreskarten von Theatermuseum, Weltmuseum Wien, Schauspielhaus, brut, WUK, TAG, WestLicht, 21er Haus und Österreichische Nationalbibliothek. Freier Eintritt bei allen Veranstaltungen von Kino der Orte für Mitglieder des Filmarchiv Austria! Abonnement für Mitglieder Abonnement für 10 Vorstellungen (max. 2 Karten pro Vorstellung): Euro 45,– Mitgliedschaft im Filmarchiv Austria Es können Jahresmitgliedschaften für 2014 (Euro 25,–) und Zweijahresmitgliedschaften für 2014 & 2015 (Euro 40,–) gelöst werden Infos + Ticketreservierung tickets@filmarchiv.at, Tel.: 01/216 13 00

www.filmarchiv.at


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