Peter Handke geht ins Kino 2014 Programm

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FOTO: WOL FGA NG ZAJC

PETER HANDKE GEHT INS KINO Eine Filmschau. Ausgew채hlt von Peter Handke TEIL 1: 11. bis 23. Oktober TEIL 2: 8. bis 19. November 2014 METRO Kinokulturhaus


Die KULTURL: http://derStandard.at/Kultur

Peter Handke, Moviegoer. Man kann sich Peter Handke als den jüngeren Bruder von Binx Bolling vorstellen, die Hauptfigur des Romans The Moviegoer von Walker Percy, ein Buch, dessen Entdeckung wir Peter Handkes Übersetzung verdanken. Binx Bolling ist ein leidenschaftlicher Kinogeher, also das Gegenteil von einem Cinephilen, kein Kenner, der vom Kino herkommt, sondern einer, der ins Kino geht, manchmal schon am hellichten Tag, vielleicht auch, um sich davonzustehlen, dann wieder, um einen langen Abend zu vertreiben. Oder einfach um Atem zu holen. Es ist eine so beglückende Vorstellung, dass es diese Welt in der Welt gibt, die eine im Wechselspiel mit der anderen, die andere Lust und Hoffnung weckend, auf die eine. «Ja, nach ‹The Man Who Shot Liberty Valance› bekam ich Appetit auf die Welt: den Wind, den Asphalt, die Jahreszeiten, die Bahnhöfe, und nicht allein der appetitlichen Speisen wegen, die der Aushilfskellner James Stewart serviert», so erzählte Peter Handke in seiner Rede zur Eröffnung der Viennale 1992. Seit seiner Studienzeit in Graz, aus der diese Erinnerung herrührt, ist Peter Handke ein leidenschaftlicher, unbelehrbarer, manchmal enttäuschter, aber immer unbeirrbarer Moviegoer. Und es gibt in seinen Romanen, Erzählungen, Tagebüchern und Aufzeichnungen über die Jahre hinweg unzählige Momente und Spuren, die das anklingen lassen. Manchmal verdeckt und verschlüsselt, dann wieder ganz und gar wörtlich. «Der Filmregisseur John Ford war damals sechsundsiebzig Jahre alt und lebte in seinem Haus in BEL AIR , nicht weit von Los Angeles. Er hatte seit sechs Jahren keinen Film mehr gedreht. Das Haus ist im Kolonialstil gebaut, meist saß er davor auf der Terrasse und redete mit alten Freunden.» Die Filmschau «Peter Handke geht ins Kino» verdankt sich einer Einladung an den Schriftsteller, eine Handvoll jener Filme auszuwählen, die für ihn Gewicht haben. Und es sind ein paar ganz leichte und luftige dabei. Manche davon haben ihn ein Leben lang begleitet, andere sind ihm in diesen Tagen begegnet. Es ist eine «seltsam schöne» Wahl geworden, nicht Filmgeschichte, sondern eine Filmerzählung, eine wahre Wohltat in einer Zeit tollwütiger Spezialisten und kuratorischer Besserwisser. Es sind einzelne Filme, die für sich stehen, jeder eine Welt, aber sie sind nicht vereinzelt, sondern sie reden miteinander, sehen sich an, mancher ist dem anderen fremd, ein anderer wieder entdeckt eine lange vergessene Verwandtschaft. Es gilt für Peter Handkes Auswahl, was Helmut Färber einmal über einen Film gesagt hat, «Ein schöner Film, den man nicht nur von außen ansehen kann, man kann in ihm herumgehen.» Man kann in diesem reichen, weiten, offenen Programm aufs Wunderbarste herumgehen, schlendern, spazieren, sich verirren und dabei ein paar der schönsten Filme der Welt entdecken. Die Bilder sind noch lange nicht am Ende. Hans Hurch


PETER HANDKE GEHT INS KINO / TEIL 1 ERÖFFNUNG: 11. Oktober, 19.30 Uhr

HOW GREEN WAS MY VALLEY REGIE: John Ford, USA 1941 BUCH: Philip Dunne KAMERA: Arthur C. Miller MUSIK: Alfred Newman DARSTELLER: Walter Pidgeon, Maureen O’Hara, Anna Lee, Donald Crisp, Roddy McDowall LÄNGE: 118 Minuten FORMAT: 35mm, Schwarzweiß, OF

Mit ein paar vollgekritzelten Zetteln und einem kleinen Kinoschatz in der Tasche, sah er dem Mann nach, der durchs heftige Schneetreiben die Wiedner Hauptstraße hinunter ging. Mit einem großen, herzlichen Dank an Peter Handke.

Die ursprünglich an den Originalschauplätzen in Wales geplanten Dreharbeiten wurden 1941 durch die deutschen Bombenangriffe auf Großbritannien verhindert und so blieb man sicherheitshalber in Kalifornien. Dass man freilich der unterschiedlichen Vegetation wegen kein Farbfilmmaterial verwendete, sondern in Schwarzweiß drehte, mag eine gut erfundene Anekdote sein. Die ursprüngliche Idee des Produzenten Darryl F. Zanuck, das Familiendrama im Bergwerksmilieu als vierstündiges Pendant zu GONE WITH THE WIND inszenieren zu lassen, konnte Regisseur John Ford verhindern. HOW GREEN WAS MY VALLEY berichtet von Aufstieg und Fall einer walisischen Grubenarbeiter-Familie und zählte stets zu Fords Lieblingsfilmen, da er das Drehbuch als «so perfekt wie nur möglich» empfand.


12. Oktober, 16.30 Uhr

16. Oktober, 21 Uhr

12. Oktober, 19 Uhr

17. Oktober, 21 Uhr

THE SOUL OF A MAN

CLUNY BROWN

REGIE: Wim Wenders, Deutschland 2003 BUCH: Wim Wenders KAMERA: Lisa Rinzler MUSIK: Blind Willie Johnson, Beck, Nick Cave u.a. DARSTELLER: Blind Willie Johnson, Skip James, J. B. Lenoir, Lou Reed, Nick Cave, Beck LÄNGE: 103 Minuten FORMAT: 35mm, Farbe, Schwarzweiß, OF

REGIE: Ernst Lubitsch, USA 1946 BUCH: Samuel Hoffenstein, Elizabeth Reinhardt, James Hilton KAMERA: Joseph LaShelle MUSIK: Cyril J. Mockridge DARSTELLER: Charles Boyer, Jennifer Jones, Peter Lawford, Helen Walker, Reginald Gardiner LÄNGE: 100 Minuten FORMAT: 35mm, Schwarzweiß, OF

Durch ihn gelangte der Blues bis in die Tiefen des Weltalls. Das 1927 von Blind Willie Johnson aufgenommene Lied Dark Was the Night wurde fünfzig Jahre später ein Teil der Golden Record-Datenplatte der Raumsonde Voyager, auf der Bilder, Töne, Grußbotschaften und Musik des Planeten Erde ins All geschickt wurden. Für Martin Scorseses mehrteilige Dokumentation THE BLUES drehte Wim Wenders 2003 die Episode THE SOUL OF A MAN , in dem er die Karrieren der Musiker Blind Willie Johnson, Skip James und J. B. Lenoir porträtierte. Er mischte darin historisches Material mit Spielszenen und Coverversionen von Musikgrößen wie Lou Reed, Nick Cave and the Bad Seeds oder Beck. «Diese Songs bedeuteten die Welt für mich», meinte der Regisseur, «ich fühlte darin mehr Wahrheit als in jedem Buch, das ich je über Amerika gelesen oder in jedem Film, den ich gesehen hatte. Ich habe, mehr wie in einem Gedicht als einer Dokumentation, versucht zu beschreiben, was mich an ihren Liedern und Stimmen so bewegt hat.»

Solche Wortspiele hätten auch Groucho Marx gefallen: «In Hyde Park, some people like to feed nuts to the squirrels. But if it makes you happy to feed squirrels to the nuts, who am I to say nuts to the squirrels?» – In der kapriziösen Romanze zwischen der handwerklich begabten Waise Cluny Brown (Spezialität: verstopfte Abflüsse) und dem polnischen Widerstandskämpfer Adam Belinski, wird in diesem, 1938 spielenden Film über Leben, Liebe und Politik pointensicher polemisiert. Es war der letzte, den Ernst Lubitsch noch persönlich zu Ende führen konnte. Der Film persifliert die britische High Society und scheut, ganz im Stile des Regisseurs, kein gesellschaftspolitisches oder historisches Tabu. Hitler habe doch einen Bestseller geschrieben, heißt es an einer Stelle, warum sei er nicht zufrieden damit und setze sich zur Ruhe? Antwort: «Wenn Sie das wirklich wissen wollen, Sir Henry, dann lesen Sie das Buch.» Der Angesprochene weiß darüber nur, es wäre ein «outdoor book» mit dem Titel «My Camp».


Open House im

METRO

12. Oktober, 21.15 Uhr

14. Oktober, 18.30 Uhr

BAMAKO / DAS WELTGERICHT VON BAMAKO REGIE: Abderrahmane Sissako, Mali / Frankreich / USA 2006 BUCH: Abderrahmane Sissako KAMERA: Jacques Besse MUSIK: Ludovico Einaudi, Ballaké Sissoko DARSTELLER: Aïssa Maïga, Tiècoura Traoré, Hélène Diarra, Habib Dembélé, Danny Glover LÄNGE: 115 Minuten FORMAT: 35mm, Farbe, OmdU

Am Anfang stand der Wunsch, einen Film im Hause seines verstorbenen Vaters in Malis Hauptstadt Bamako zu drehen, sagte Regisseur Sissako. Was als Kammerspiel über die Situation Afrikas geplant war, entwickelte sich schließlich zu einer vielschichtig unterhaltsamen, fast brechtianisch anmutenden Parabel und erzählt die Geschichte vom Prozess einer afrikanischen Zivilgesellschaft gegen Weltbank und Währungsfonds. Ergänzend dazu dokumentiert der Regisseur die Lebenssituation der Menschen in Mali. Wenn man zu viel über Afrika rede, ist der Regisseur überzeugt, behielten die Leute nur wenig davon. «Damit nützen wir dem Kontinent nicht. Die Aufgabe eines Künstlers ist es auch, die Sicht auf einen Kontinent zu ändern. Ein anderes Afrika zu zeigen. Deswegen benützte ich in meinem Falle die Verhandlung, weil darin die Menschen zu Wort kommen. Ich wollte sagen, dass es nicht nur Kriege und Hunger in Afrika gibt, sondern auch ein Afrika, das sich sehr bewusst darüber ist, was ihm widerfährt.»

Kinokulturhaus am 12. Oktober 2014 von 11 bis 21 Uhr

I N S TA L L AT I O N « K I N O E L E M E N TA R» VO N S I E G F R I E D A . F RU H AU F

Informationen zum Programm unter www.metrokino.at


13. Oktober, 19 Uhr

20. Oktober, 21 Uhr

13. Oktober, 21 Uhr

17. Oktober, 19 Uhr

SICILIA!

KHANE-YE DOUST KODJAST? / WO IST DAS HAUS MEINES FREUNDES?

REGIE: Jean-Marie Straub, Danièle Huillet, Italien / Frankreich / Schweiz 1996 BUCH: Elio Vittorini KAMERA: William Lubtchansky DARSTELLER: Gianni Buscarino, Angela Nugara, LÄNGE: 66 Minuten FORMAT: 35mm, Schwarzweiß, OmdU

REGIE: Abbas Kiarostami, Iran 1987 BUCH: Abbas Kiarostami KAMERA: Farhad Saba MUSIK: Amine Allah Hessine DARSTELLER: Babek Ahmed Poor, Ahmed Ahmed Poor, Kheda Barech Defai, Iran Outari, Ait Ansari LÄNGE: 83 Minuten FORMAT: 35mm, Farbe, Omd/fU

Drei Mal hat sich das Filmemacherpaar Jean-Marie Straub und Danièle Huillet mit dem Werk des italienischen Autors Elio Vittorini beschäftigt, den Anfang machte 1996 SICILIA !, das auf dessen Buch Gespräch in Sizilien beruht. In diesem, laut Hemingway, «schönsten Buch aus Italien», steht die Heimkehr eines nach Norditalien Ausgewanderten im Zentrum, seine Gespräche mit den Menschen, die seine Kindheit in Sizilien bestimmten. Das Buch erschien 1941 im faschistischen Italien und wurde von vielen als Stimme der Hoffnung interpretiert, wie Cesare Pavese dokumentiert: «Im Grunde ist Vittorini die vorausgenommene – dies ist das Große – Stimme der Verbotszeit gewesen. Er hat die Zeit vorausgefühlt und hat ihr ihren Mythos gegeben.» SICILIA ! zeichnet die Atmosphäre des Buches in einprägsamen Bildern. In ruhigen, langen Kameraeinstellungen erzählen in der filmischen Adaption Stimmen in der Farbe Siziliens diese spezielle Art einer Suche nach der verlorenen Zeit.

Seine Hilfsbereitschaft einem Freund gegenüber, dem er ein Schulheft nachtragen will, bringt einen Jungen unversehens in Bedrängnis mit der autoritären Welt der Erwachsenen, bis ihm ein alter Mann – ein weiterer Außenseiter – hilft. Der Zuseher blickt durch die Augen eines Kindes nicht nur in fremde Gesellschaftsstrukturen, sondern wohl auch exemplarisch in eigene, vielleicht nicht allzu fern zurückliegende Seelenzustände. Kino, so erläutert Regisseur Abbas Kiarostami seine Metaphorik, gebe ihm die Möglichkeit, Großvater und Enkel in einem zu sein, was ihm im Leben ansonsten verwährt bliebe. Seine Filme erzählen über Menschen, über Menschlichkeit, und nicht nur über ihr Herkunftsland, denn «all die unterschiedlichen Nationen in der Welt haben, trotz ihrer Verschiedenheit in der Erscheinung, Religion, Sprache und Lebensart, etwas gemeinsam, nämlich das, was in uns allen zu finden ist.» Deswegen lasse sein Filmstil gerne Dinge offen, damit es jeder Zuseher individuell ergänze und ausdeute.

Vittorio Vigneri, Carmelo Maddio, Ignazio Trombello


14. Oktober, 21 Uhr

19. Oktober, 19 Uhr

15. Oktober, 19 Uhr

21. Oktober, 20.30 Uhr

MOUCHETTE

L’ENFANCE NUE / DIE NACKTE KINDHEIT

REGIE: Robert Bresson, Frankreich 1967 BUCH: Robert Bresson KAMERA: Ghislain Cloquet MUSIK: Jean Wiener DARSTELLER: Nadine Nortier, Jean-Claude Guilbert, Marie Cardinal, Paul Hebert, Jean Vimenet LÄNGE: 78 Minuten FORMAT: 35mm, Schwarzweiß, OmeU

REGIE: Maurice Pialat, Frankreich 1968 BUCH: Arlette Langmann, Maurice Pialat KAMERA: Claude Beausoleil DARSTELLER: Michel

Terrazon, Linda Gutemberg, Raoul Billerey, Pierrette Deplanque, Marie-Louise Thierry LÄNGE: 90 Minuten FORMAT: 35mm, Farbe, OmdU

Die Menschen sollen einen Film fühlen bevor sie ihn verstehen, erklärt Robert Bresson. Den Inhalt von MOUCHETTE wolle er nicht zusammenfassen, wenn ihm das gelänge, wäre es schlimm um den Film bestellt. Was viele Zuseher irritierte, war Bressons Stilmittel, den ausweglosen Schicksalskampf einer Vierzehnjährigen kommentarlos und ohne jede moralische Stellungnahme zu erzählen. Ingmar Bergman bekundete, er hätte MOUCHETTE selbst gerne gedreht, nannte das mit Laiendarstellern besetzte Entwicklungsdrama ein Kunstwerk. Das religiöse Moment darin zeige sich nur kurz, wenn das junge Mädchen sich weinend fragt, wie man wohl ohne es auskommen werde: «Wie schafft man es ohne die Heilige, die Person, die deine Leiden trägt?» Hierin sieht Bergman den Schlüssel zu dem Film. Er glaube nicht an ein anderes Leben, erklärte er, wisse aber, dass sich manche Menschen – wie in diesem Beispiel die kleine Mouchette – selbstlos darum bemühen, dieses eine Leben für sich und andere erträglicher zu machen.

Ihr ganzes Leben lang suchen manche Waisenkinder nach ihrer gestohlenen Kindheit. Auch die repressiven Ausbrüche des zehnjährigen François in L’ENFANCE NUE sind Ausdruck dieser Suche. Die Annäherungen des französischen Kinos an die kindliche Seele hat bemerkenswerte Resultate zu diesem Thema kreiert, es ist fast unmöglich, bei L’ENFANCE NUE nicht an François Truffauts LES QUATRE CENTS COUPS zu denken. Während Truffaut seine Geschichte jedoch chronologisch und mit Hoffnungsperspektiven erzählt, wählte Maurice Pialat bei seinem Spielfilmerstling einen anderen Zugang. Er vermeidet Sentimentalität, man hat seinen Stil als kompromisslos, radikal und manchmal sogar roh bezeichnet, was vielleicht das Besondere und Eigensinnige dieser Arbeit ausmacht. Pialat war Maler, Schauspieler, Regisseur und Drehbuchautor, begann seine Karriere mit Dokumentarund Kurzfilmen, arbeitete gerne mit Laiendarstellern. Truffaut sei ein Autor, meinte Gérard Depardieu, der mit beiden Regisseuren gearbeitet hat, Pialat ein Maler.


15. Oktober, 21 Uhr

THE MAN WHO SHOT LIBERTY VALANCE

16. Oktober, 18.30 Uhr – –

18. Oktober, 21 Uhr

TOKYO MONOGATARI / TOKYO STORY

REGIE: John Ford, USA 1962 BUCH: James Warner Bellah, Willis Goldbeck KAMERA: William H. Clothier MUSIK: Cyril J. Mockridge, Alfred Newman DARSTELLER: James Stewart, John Wayne, Lee Marvin, Vera Miles, Lee van Cleef LÄNGE: 113 Minuten FORMAT: 35mm, Schwarzweiß, OF

REGIE: Ozu Yasujiro ¯, Japan 1953 BUCH: Noda Ko ¯go, Ozu Yasujiro¯ KAMERA: Atsuta Yu¯haru MUSIK: Saito¯ Kojun DARSTELLER: Ryu ¯ Chishu¯, Higashiyama Chieko, Hara Setsuko, Sugimura Haruko, Yamamura So¯ LÄNGE: 136 Minuten FORMAT: 35mm, Schwarzweiß, OmeU

Auf die von James Stewart verkörperte Predigerstimme der Vernunft hört man im unzivilisierten Wilden Westen erst als jedermann glaubt, er habe den Outlaw Liberty Valance im Duell erschossen. Als der aufgrund dieses Missverständnisses sogar zu Senatsehren Gekommene die Wahrheit wiederherstellen will, akzeptiert man diese nicht. Ein Medienfachmann erklärt: So ist es im Westen: Wenn die Legende zur Wahrheit wird, druckt man die Legende! John Fords melancholische Parabel suggeriert: Damals wie heute scheinen Archetypen à la John Wayne als im wahrsten Sinne des Wortes «trouble-shooter» geeigneter, Probleme endgültig zu lösen. Auf solche Gewaltakte fußt die noble Geschichte der Zivilisation, die sich in einer Mischung aus Verleugnung, Lüge und Fehlinformation tradiert. Das mag die Wahrheit sein, gedruckt werden freilich die Legenden. Ford selber äußerte sich ungern zur Machart seiner Filme. Auf die Frage, wie er eine bestimmte Einstellung gedreht habe, antwortete er einmal: «Mit der Kamera.»

Was wirst du sein, wo werde ich sein, wenn du erwachsen bist, fragt die Großmutter ein kleines Kind, das ebenso wenig auf sie eingeht wie sein erwachsener Vater, ihr Sohn. – Ob nun die Eltern ihre Kinder besuchen oder diese nolens volens das Haus ihrer verstorbenen Mutter, es entsteht kaum gegenseitiges Verstehen oder Verständnis füreinander innerhalb einer Familie. Mit wenigen Ausnahmen redet man aneinander vorbei, nützt die kurze gemeinsame Zeit nicht, sich näher zu kommen. Ozu Yasujirôs Film TOKYO STORY gilt längst als zeitloses Meisterwerk, in dem jede Einstellung minutiös komponiert und ausgeführt ist. Wim Wenders lernte daraus «die universalste Filmsprache überhaupt», in der Gegenstände ebenso wichtig sind wie Sätze oder die handelnden Personen. Für ihn bleibt Ozu Yasujiro- der Mann, der «die Kunstform des 20. Jahrhunderts, den Film, zu seiner absolut schönsten und unnachahmlich und unwiederholbar größten Form geführt hat.»


18. Oktober, 18 Uhr

CHARULATA / DIE EINSAME FRAU

22. Oktober, 18.45 Uhr Restored by the Satyajit Ray Preservation Project through a collaboration of the Academy Film Archive, the Merchant-Ivory Foundation and the Film Foundation. Print courtesy of the Academy Film Archive.

19. Oktober, 21 Uhr

21. Oktober, 18.30 Uhr

WADJDA / DAS MÄDCHEN WADJDA

REGIE: Satyajit Ray, Indien 1964 BUCH: Satyajit Ray KAMERA: Subrata Mitra MUSIK: Satyajit Ray DARSTELLER: Soumitra Chatterjee, Madhabi Mukherjee, Shailen Mukherjee, Tarapada Basu LÄNGE: 112 Minuten FORMAT: 35mm, Schwarzweiß, OmeU

REGIE: Haifaa al-Mansour, Saudi-Arabien / Deutschland 2012 BUCH: Haifaa al-Mansour KAMERA: Lutz Reitemeier MUSIK: Max Richter DARSTELLER: Reem Abdullah, Waad Mohammed, Abdullrahman Al Gohani, Ahd, Sultan Al Assaf LÄNGE: 98 Minuten FORMAT: DCP, Farbe, OmdU

Es mag ohne tiefere Kenntnis indischer Kulturtradition vielleicht nicht möglich sein, Satyajit Rays einfühlsame Umsetzung einer Erzählung von Tagore in all ihrer Vieldeutigkeit zu verstehen, dennoch erwies sich die Dreiecksgeschichte als zeitlos gültige psychologische Studie und wurde von Ray selbst als sein wichtigstes Werk angesehen. Immer wieder verdeutlicht der Regisseur und Drehbuchautor darin die Abgeschiedenheit seiner Hauptfigur von dem Leben, nach dem sie sich eigentlich sehnt, und es sind nicht nur Textilien, Operngucker, Fensterscheiben und unterlassene Konversationen, die sie davon trennen. Seine Entscheidung, den Film mit Standbildern des Paares enden zu lassen, begründete Ray so: «Ich konnte ihn nicht mit einem Wort beenden, denn meinem Gefühl nach sollten die wirklich wichtigen Momente in einem Film wortlos ablaufen. Daher ist mein Ende das visuelle Äquivalent zum Wort: Sie versuchen zusammen zu finden, doch der Prozess wird Zeit brauchen.»

Wie ein grünes Fahrrad und ein rotes Kleid für Hoffnungen und Enttäuschungen stehen können, erzählt ein Film, den auszeichnet, die erste saudi-arabische Produktion überhaupt und das Werk einer arabischen Regisseurin zu sein. WADJDA behandelt sozial relevante Themen mit Poetik und Humor. Seine Regisseurin Haifaa al-Mansour stammt selbst aus einer saudi-arabischen Kleinstadt, wo es viele Mädchen wie Wadjda gibt, die starke Charaktere sind, große Träume haben und das Potential, die Zukunft besser zu gestalten. So gewährt der Film Einblick in eine spezielle Kultur, handelt jedoch von allgemeinen Themen wie Hoffnung oder Beharrlichkeit. Als Inspiration nennt al-Mansour den Neorealismus, in dessen Filmen Fahrräder oft wichtige Rollen spielten. «Fahrräder bedeuten viel,» sagt sie, «vor allem Bewegungsfreiheit. Sein Schicksal in die Hand nehmen zu können. Als im Westen die Fahrräder aufkamen, änderte sich die Frauenkleidung. Das Fahrrad trägt große Bedeutung, aber es trägt sie sanft.»


D E U T S C H E K I N E M AT H E K

20. Oktober, 18.30 Uhr

23. Oktober, 21 Uhr

22. Oktober, 21.15 Uhr

23. Oktober, 19.45 Uhr

ACCATTONE / WER NIE SEIN BROT MIT TRÄNEN ASS

DIE GROSSE EKSTASE DES BILDSCHNITZERS STEINER

REGIE: Pier Paolo Pasolini, Italien 1961 BUCH: Pier Paolo Pasolini KAMERA: Tonino Delli Colli MUSIK: Carlo Rustichelli, Johann Sebastian Bach DARSTELLER: Franco Citti, Franca Pasut, Silvana Corsini, Paola Guidi, Adriana Asti LÄNGE: 115 Minuten FORMAT: 35mm, Schwarzweiß, OmdU

REGIE: Werner Herzog, Deutschland 1974 BUCH: Werner Herzog KAMERA: Jörg Schmidt-Reitwein MUSIK: Popol Vuh DARSTELLER: Walter Steiner, Werner Herzog LÄNGE: 45 Minuten FORMAT: 16mm, Farbe, OF

Jetzt gehe es ihm gut, bekennt der sterbende Zuhälter Vittorio aus der römischen Vorstadt, der sich zeitlebens lieber mit seinem Spitznamen «Accattone» (Bettler) rufen ließ. Er steht im Mittelpunkt von Pier Paolo Pasolinis kontrovers diskutiertem Regiedebüt, in dem er sich, wie stets in seinen Arbeiten, um Respekt für Außenseiter bemühte. Sowohl in der Themenstellung, als auch in der Schauspielführung, blieb ACCATTONE stilprägend. Während sich das offizielle Italien der 1960erJahre als ökonomisch erfolgreiche Einheit präsentierte, beleuchtete der Regisseur, was dort thematisch nicht vorkam. Die Laiendarsteller, deren Ideen und Sprachschöpfungen auch Einfluss auf das Drehbuch hatten, suchte sich Pasolini aus der zu porträtierenden Schicht: «Ich habe mich stets richtig entschieden, ab dem Moment, da ich einen Menschen per Gesicht auswählte, das zu der Rolle passte, stellte er sich instinktiv als potentieller Schauspieler heraus. Wenn ich Laien wählte, waren es potentielle Schauspieler.»

Wenn man ihn fragen würde, welcher Film die Diskrepanz zwischen Leben und Existenz am besten verdeutlichen könnte, würde er auf seine Dokumentation DIE GROSSE EKSTASE DES BILDSCHNITZERS STEINER verweisen, meint Werner Herzog. Im seinem Beruf als Holzbildhauer durchaus erdverbunden, sei der Schweizer Walter Steiner seinem eigentlichen Wesen nach jemand, der fliegen könne. «Leben» im eigentlichen Sinne ließe solche Diskrepanz kaum mehr zu, nur mehr Existenz. Ein Sportler wird als Existenzialist interpretiert, wobei Herzog in die Rolle des Kommentators schlüpft. Der Regisseur, der selber Skispringer werden wollte, sieht in Steiner die Umsetzung seiner eigenen Träume, folgt ihm an die Sportstätten von Oberstdorf, Garmisch-Partenkirchen und Planica, zeigt mit für die damalige Zeit noch ungewöhnlichen Zeitlupenaufnahmen Siege und Niederlagen, lässt den Skiflieger über die Sinnhaftigkeit des Sports, seine Zweifel daran und das «trotzdem» reflektieren: «Es wäre so schön … es wäre so schön!»


J O HN FO RD, D I RECTO R, B EL AIR , CAL IFO R NI A , APR IL 11 , 1972 ; P H OTO G RA P H BY RI C HA RD AV E DO N © T H E RI CH A RD AVE D ON FOU N DAT ION

VIENNALE • FILMMUSEUM

RE T ROS PE KT I VE

JOHN FORD 16. OKTOBER – 30. NOVEMBER 2014 www. viennale.at • www. filmmuseum.at Österreichisches Filmmuseum • 1010 Wien, Augustinerstraße 1, Tel. 533 70 54

R ET RO S P E KT I V E

Fritz Kortner Das Gedächtnis des Films

24. Oktober bis 30. November 2014

METRO

Kinokulturhaus www.filmarchiv.at


PETER HANDKE GEHT INS KINO / TEIL 2 8. November, 17.30 Uhr

11. November, 21 Uhr

MIRYANG / SECRET SUNSHINE REGIE: Lee Chang-dong, Südkorea 2007 BUCH: Lee Chang-dong KAMERA: Cho Yong-kyou MUSIK: Hyun Kim DARSTELLER: Jeon Do-yeon, Song Kang-ho, Jo Yeong-jin, Kim Mi-kyung LÄNGE: 142 Minuten FORMAT: 35mm, Farbe, OmdU

Über die außergewöhnliche Leistung der Hauptdarstellerin Jeon Do-yeon war man sich international einig, wobei ihre Arbeit großteils improvisiert war, denn Regisseur Lee Chang-dong verweigerte ihr jegliche Anleitung und forderte sie auf, spontan auf die im Drehbuch beschriebenen Vorgänge zu reagieren. Anfangs hegte Jeon Do-yeon Zweifel, ob ihre Figur über mehrere Neuanfänge hinweg, den Schmerz über den Verlust eines Kindes, unkontrollierten Gefühlsausbrüchen und der Gratwanderung zwischen Glauben und Bigotterie überhaupt glaubhaft darstellbar sei. Das Resultat bescherte ihr mehrere Preise, darunter den der besten Darstellerin in Cannes 2007. Es sei die schwierigste Arbeit ihres Lebens gewesen, meinte sie später, «aber ob es mir damals bewusst war oder nicht, diese Anstrengungen ließen mich als Schauspielerin wachsen.»


8. November, 20.30 Uhr

11. November, 17 Uhr

ANDREJ RUBLJOW

9. November, 18 Uhr –

12. November, 18.30 Uhr

SOSHUN / EARLY SPRING

REGIE: Andrei Tarkowski, UdSSR 1966 BUCH: Andrei Konchalovski, Andrei Tarkowski KAMERA: Vadim Yusov MUSIK: Vyacheslav Ovchinnikov DARSTELLER: Anatoli Solonitsyn, Ivan Lapikov, Nikolai Grinko, Nikolai Sergeev, Irina Tarkovskaya LÄNGE: 185 Minuten FORMAT: 35mm, Schwarzweiß und Farbe, OmdU

REGIE: Ozu Yasujiro ¯, Japan 1956 BUCH: Noda Ko ¯go, Ozu Yasujiro¯ KAMERA: Atsuta Yu¯haru MUSIK: Saito Takanobu DARSTELLER: Awashima Chikage, Ikebe Ryo ¯, Takahashi Teiji, Kishi Keiko, Ryu¯ Chishu¯ LÄNGE: 136 Minuten FORMAT: 35mm, Schwarzweiß, OmdU

Sein Film soll belegen, dass es unmöglich ist, nach den Erfahrungen anderer zu leben, jeder müsse seine eigenen machen und daraus lernen. Mit Bildern aus der Vergangenheit, die letztlich von der Gegenwart sprechen, und mit den Anspielungen auf die Gegenwart gleichzeitig das Vergangene zu erläutern, ist der Schlüssel zu Andrei Tarkowskis nach Eisensteinschem Vorbild komponiertem, bildgewaltigem Epos ANDREJ RUBLJOW , in dem das Leben eines der berühmtesten mittelalterlichen Ikonenmaler Russlands erzählt wird. Kann – und muss überhaupt? – ein Künstler die relevanten Antworten auf die Fragen seiner Zeit finden, ist ein zentrales Thema des Films. An Assoziationen zur Entstehungszeit des Werkes (1966) mangelt es nicht. Wie lange müsse das russische Volk noch leiden, wird ein Künstler gefragt. Er wisse es nicht, antwortet daraufhin der Maler, aber er fürchte, das werde sich nie ändern. Zugleich aber atmet in der Tiefe des Films die Hoffnung auf eine neue Generation, auf ein anderes Leben.

Manche interpretieren das Spätwerk des Regisseurs Ozu Yasujiro- als Sublimierung aller relevanten japanischen Kunstrichtungen. Wenn die Kinokunst noch etwas Sakrales aufzuweisen habe, meinte Wim Wenders, dann wäre es das Werk Ozus: «Was mich betrifft, war das Kino seinem Wesen und Zweck davor oder danach niemals so nahe: Ein menschliches Bild unserer Zeit zu präsentieren, ein nützliches, wahres und gültiges Abbild, in dem sich der Mensch nicht nur selbst erkennt, sondern auch imstande ist, etwas über sich zu lernen.» – Ozus Dreiecksgeschichte um einen Büro– SHUN gerät zur allgemein gültigen Metapher. Sozialer Aufstieg angestellten in SO und ein gewisser Wohlstand ersparen nicht die Beschäftigung mit der Frage, wer man eigentlich wirklich sei. Wie auch Ernst Lubitsch deutet Ozu in seinen Filmen viele Geschehnisse und Entwicklungen nur an, gibt kleine Hinweise und überträgt dem Publikum einen essentiellen assoziativen Part, auf dem die tiefere Wirkung seiner Filme beruht.


9. November, 21 Uhr

10. November, 19 Uhr

YOUNG MR. LINCOLN

SMULTRONSTÄLLET / WILDE ERDBEEREN

REGIE: John Ford, USA 1939 BUCH: Lamar Trotti KAMERA: Bert Glennon MUSIK: Alfred Newman DARSTELLER: Henry Fonda, LÄNGE: 100 Minuten FORMAT: 35mm, Schwarzweiß, OF

REGIE: Ingmar Bergman, Schweden 1957 BUCH: Ingmar Bergman KAMERA: Gunnar Fischer MUSIK: Erik Nordgren, Göte Lovén DARSTELLER: Victor Sjöström, Bibi Andersson, Ingrid Thulin, Max von Sydow, Jullan Kindahl LÄNGE: 91 Minuten FORMAT: 35mm, Schwarzweiß, OmdU

John Ford spreche über alles, außer sich selbst, meinte Henry Fonda, das mache es leicht ihn zu mögen, aber schwer ihn zu erklären. Für manche seiner Filme gilt dies ebenso. Von den vielen Versuchen Hollywoods, die berühmte Steinfigur im Lincoln Memorial zum Leben zu erwecken, beeindruckt John Fords Version in nachhaltiger Weise. Obwohl der Film weniger erfolgreich war als andere seiner Produktionen, zählte der Regisseur ihn zu seinen Lieblingsarbeiten. Henry Fonda wollte die Rolle ursprünglich nicht annehmen, da er das Gefühl hatte, eine Art Christusfigur darstellen zu müssen, wurde jedoch von Ford überzeugt, dass sein Lincoln noch ein unerfahrener Provinzanwalt sein sollte. Die Entwicklungsgeschichte des 16. Präsidenten der USA erzählte Ford rund um einen Mordprozess, den der junge Anwalt Lincoln mit detektivischem aber auch humanistischem Talent löst. «Ich habe zwar vielleicht wenig Ahnung vom Gesetz,» sagt Lincoln an einer Stelle, «aber ich weiß, was richtig ist!».

Unser ganzes Leben mit unseren Mitmenschen bestehe doch nur darin, dass wir über sie reden und uns über sie aufregen, sagt der Protagonist zu Beginn, auf so ein Miteinander könne er gerne verzichten. Der 78-Jährige Medizinprofessor Isak Borg reist einer Ehrung willen zurück an seine Alma Mater und gleichzeitig in die eigene Vergangenheit, deren Personen sich mit solchen aus der Gegenwart vermischen. Die Grundidee, so Ingmar Bergman, sei: Wie könnte man es realistisch filmen, dass man wie durch eine Türe gehend in die eigene Kindheit reise und durch eine andere wieder zurück in die Realität … und an der nächsten Straßenecke sei man wieder an einem anderen Punkt seiner Existenz und alle Menschen die man kannte, noch am Leben? Für die Titelrolle wählte er den Schauspieler und Regisseur Victor Sjöström, der als Filmpionier in Schweden und den USA über fünfzig Stummfilme, darunter den Klassiker DER FUHRMANN DES TODES (1921), inszeniert und mit Stars wie Greta Garbo oder Lon Chaney gearbeitet hatte.

Alice Brady, Marjorie Weaver, Donald Meek, Ward Bond

12. November, 21 Uhr


10. November, 21 Uhr

14. November, 19 Uhr

I VITELLONI / DIE MĂœSSIGGĂ„NGER REGIE: Federico Fellini, Italien / Frankreich 1953 BUCH: Federico Fellini, Ennio Flaiano KAMERA: Carlo Carlini, Otello Martelli, Luciano Trasatti MUSIK: Nino Rota DARSTELLER: Franco Interlenghi, Alberto Sordi, Franco Fabrizi, Leopoldo Trieste, Riccardo Fellini LĂ„NGE: 102 Minuten FORMAT: 35mm, SchwarzweiĂ&#x;, OmeU

Manche Filme sind glĂźckhafte Resultate kĂźnstlerischer Fehleinschätzungen. Weil seine Filmfirma befĂźrchtete, der in Vorbereitung befindliche LA STRADA wĂźrde kein Erfolg werden, drängte man Federico Fellini dazu, zunächst eine KomĂśdie zu drehen. Diesem Wunsch entsprechend entstand I VITELLONI , eine Entwicklungsgeschichte um fĂźnf junge Männer, von denen letztlich nur einer – Fellinis alter ego – es schafft, der stereotypen Routine zu entkommen. Wie in späteren Werken blickt Fellini darin in seine eigene Vergangenheit und beschreibt Szenen aus seiner Heimatstadt Rimini, wobei sich Autobiografisches und Phantastisches untrennbar vermischen. Das Resultat ist eines der schĂśnsten Werke des italienischen Neorealismus. Die KomĂśdie rund um das MĂźĂ&#x;iggängerquintett war ein wichtiger Schritt auf Fellinis Weg, seinen eigenen Stil zu entwickeln. Der Komponist Nino Rota schrieb dafĂźr ein gleichermaĂ&#x;en pikareskes wie melancholisches Thema, das längst zu den klassischen Melodien italienischer Filmmusik zählt.

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13. November, 18.45 Uhr

15. November, 21 Uhr

13. November, 21 Uhr

17. November, 19 Uhr

POLICE

LADY WINDERMERE’S FAN

REGIE: Maurice Pialat, Frankreich 1985 BUCH: Catherine Breillat, Sylvie Pialat, Jacques Fieschi, Maurice Pialat KAMERA: Luciano Tovoli MUSIK: Henryk Mikolaj Gorecki DARSTELLER: Gérard Depardieu, Sophie Marceau, Sandrine Bonnaire, Richard Anconina, Pascale Rocard LÄNGE: 113 Minuten FORMAT: 35mm, Farbe, OmdU

REGIE: Ernst Lubitsch, USA 1925 BUCH: Julien Josephson, Maude Fulton, Eric Locke KAMERA: Charles Van Enger DARSTELLER: Ronald Colman, May McAvoy, Bert Lytell, Irene Rich, Edward Martindel LÄNGE: 82 Minuten FORMAT: 35mm, Schwarzweiß, stumm, eZT, Klavierbegleitung

Man nannte ihn den unbekanntesten französischen Filmmeister des späten 20. Jahrhunderts, vom Publikum mehr geliebt als von der Kritik. Als Maurice Pialat 1977 für SOUS LE SOLEIL DE SATAN in Cannes die Goldene Palme erhielt, wurde damit sein achter von nur zehn abendfüllenden Spielfilmen ausgezeichnet. Zuvor hatte Pialat als Maler und Schauspieler gearbeitet und Kurzfilme gedreht. Seine Langfilme wurden oft ambivalent aufgenommen, da er sich herkömmlich narrativem Stil verweigerte und eine individuelle Form realistischer Darstellung suchte. Vier Mal arbeitete er mit dem Schauspieler Gérard Depardieu zusammen, einer der Filme ist POLICE . Die Bauart der Geschichte wirkt vertraut: Ein abgebrühter Drogenfahnder wird von einer mysteriösen Frau nicht nur beruflich aus jeglicher Routine gebracht … Maurice Pialats Version einer stereotypen Geschichte nannten Kritiker eine seiner radikalsten Arbeiten und gleichzeitig eine gelungene Symbiose zwischen AutorenFilm und Genrestudie.

«Ich kann allem widerstehen, nur nicht der Versuchung», ist eines der populärsten Zitate von Oscar Wilde, weniger bekannt ist sein Ursprung, die Komödie Lady Windermere’s Fan. Dass sich Ernst Lubitsch als idealer Interpret eines Stückes von Oscar Wilde eignet, wird niemand bezweifeln. In der amerikanischen Stummfilmversion aus dem Jahr 1925 musste der deutsche Regisseur jedoch auf den Originaltext verzichten und nach visueller Umsetzung der Ideen darin suchen. Dazu verkleinerte er das Personal und löste das Fehlen der textlichen Ebene durch präzise Interaktion der Charaktere, klug gewählte Kamerapositionen und ostentative Körpersprache. So beobachten darin die Besucher während eines Pferderennens keineswegs die Vorgänge auf der Bahn, sondern viel mehr einander und taxieren sich beredt, wenn auch ohne Worte. Lubitsch entging damit einem anderen bekannten Zitat Wildes: «Die erste Tragödie unseres Lebens besteht in unserem Tun, die zweite darin, dass wir das, was wir getan haben, in Worte fassen.»


14. November, 21 Uhr

15. November, 19 Uhr

18. November, 21 Uhr

DAS BROT DES BÄCKERS

BIKUR HA-TIZMORE

REGIE: Erwin Keusch, Deutschland 1976 BUCH: Erwin Keusch, Karl Saurer KAMERA: Dietrich Lohmann MUSIK: Condor, Axel Linstädt DARSTELLER: Bernd Tauber, Günter Lamprecht, Maria Lucca, Silvia Reize, Manfred Seipold LÄNGE: 120 Minuten FORMAT: 35mm, Farbe, OF

REGIE: Eran Kolirin, Israel / Frankreich / USA 2007 BUCH: Eran Kolirin KAMERA: Shai Goldman MUSIK: Habib Shadah DARSTELLER: Sasson Gabai,

Mit Maschinenstürmerei, also der Zerstörung der Brotabteilung eines Supermarktes, kann der Besitzer einer Kleinstadt-Bäckerei den Konkurrenzkampf auf Dauer nicht gewinnen. Erst neue Produktions- und Verkaufsstrategien versprechen ein mögliches friedliches Nebeneinander der unterschiedlichen Kontrahenten. Schließlich entwertet die «Brotstraße» genannte Maschine durch ihre Überproduktion den Wert der erzeugten Ware. Neben dieser wirtschaftlichen Parabel erzählt DAS BROT DES BÄCKERS vom Erwachsenwerden junger Menschen in der Provinz und wurde daher in der Kritik mit Peter Bogdanovichs THE LAST PICTURE SHOW verglichen. Der Debütfilm des Schweizer Regisseurs Erwin Keusch war 1976 bei Publikum und Presse gleichermaßen ein beachtlicher Erfolg. So etwa schrieb Die Zeit: «Immer wieder gelingen Keusch und seinem Kameramann Dietrich Lohmann dichte, lebendige Szenen, schöne, lakonische Beobachtungen: ein Film, der neugierig macht auf weitere Arbeiten dieses jungen Regisseurs.»

Die Idee, einem politischen Konflikt mit einer Komödie zu begegnen, macht immer dann Sinn, wenn darin möglichst viele Streitpunkte auf ihren banalen, also durchaus lösbaren Kern reduziert werden. Was tut beispielsweise eine ägyptische Polizeiband, wenn sie auf einer Gastspielreise aus Versehen statt in einer arabischen Stadt in einem israelischen Nest in der Negev-Wüste landet und es dort kein Transportmittel und kein Hotel gibt? Man übernachtet zwangsläufig bei Fremden und erlebt, dass aus einem politischen Konflikt plötzlich ein zwischenmenschlicher wird, der Lösungsmöglichkeiten bietet. Als Kuriosum empfand Regisseur Eran Kolirin den Umstand, dass das westliche Publikum den Film noch komödiantischer empfand als er eigentlich gemeint war. Sein Credo ist: «Viele Filme wurden gemacht, um der wirklich wichtigen Frage nachzugehen, warum es keinen Frieden gibt. Mein Eindruck ist, dass es sehr viel weniger Filme darüber gibt, warum wir eigentlich Frieden so dringend brauchen.»

/ DIE BAND VON NEBENAN

Ronit Elkabetz, Saleh Bakri, Khalifa Natour, Rubi Moskovitz LÄNGE: 87 Minuten FORMAT: 35mm, Farbe, OmdU


16. November, 18.30 Uhr

19. November, 21 Uhr

16. November, 21 Uhr

19. November, 18.45 Uhr

ORDET / DAS WORT

ZIRE DARAKHATAN ZEYTON / QUER DURCH DEN OLIVENHAIN

REGIE: Carl Theodor Dreyer, Dänemark 1955 BUCH: Kaj Munk, Carl Theodor Dreyer KAMERA: Henning Bendtsen MUSIK: Poul Schierbeck DARSTELLER: Hanne Agesen, Kirsten Andreasen, Sylvia Eckhausen, Birgitte Federspiel, Ann Elisabeth Groth LÄNGE: 126 Minuten FORMAT: 35mm, Schwarzweiß, OmeU

REGIE: Abbas Kiarostami, Iran 1994 BUCH: Abbas Kiarostami KAMERA: Hossein Jafarian, Farhad Saba DARSTELLER: Mohamad Ali Keshavarz, Farhad Kheradmand, Zarifeh Shiva, Hossein Rezai, Tahereh Ladanian LÄNGE: 103 Minuten FORMAT: 35mm, Farbe, OmdU

Wie ist es gemeint, das Wunder einer Totenerweckung am Ende eines Films, der sich zuvor bemühte, eine Balance zwischen Zweifel und Glauben, Vernunft und Wahnsinn herzustellen? Warum beruft sich ein Atheist letztlich doch auf Gott? Carl Theodor Dreyers Film um zwei norwegische Bauernfamilien hat im Laufe der Jahre nichts von seiner Enigmatik eingebüßt und man muss wohl Pauline Kaels Urteil vertrauen, dass sich Dreyers Kunst erst dort wirklich entfaltet, wo andere Regisseure resignieren. Für den Autor und Regisseur Paul Schrader steht in seinem Buch über transzendenten Stil im Film neben Ozu und Bresson auch Dreyer im Mittelpunkt seiner Untersuchungen. Realismus an sich sei noch keine Kunst, erst der psychologische oder spirituelle könne es werden. Im Falle von ORDET setzt Dreyer das Übersinnliche kontrastreich in einen nüchtern-realistischen Rahmen. Die Vorlage zu dem Film ist das gleichnamige Schauspiel des dänischen Pastors und Widerstandskämpfers Kaj Munk, der 1943 von den Nazis hingerichtet wurde.

Eine unglückliche Liebe, der man aus Standesdünkel die Legalisierung verweigert, ist für Regisseur Kiarostami der Rahmen, in dem er ein eigenwilliges Porträt seiner Heimat Iran entwirft. Die Liebesgeschichte QUER DURCH DEN OLIVENHAIN komplettiert eine Trilogie, verwendet dabei den Kunstgriff, Film im Film darzustellen und zeigt, um einen Kreislauf zu komplettieren, die Dreharbeiten zum ersten der drei Filme, UND DAS LEBEN GEHT WEITER . «Der Film beginnt mit D. W. Griffith und endet mit Abbas Kiarostami», soll Jean-Luc Godard gesagt haben. Gesichert ist Kiarostamis Zitat, wonach es ihm nichts ausmache, wenn die Leute während seines Films einschlafen, solange sie dabei von dem Film träumen. Die Menschen gehen mit unterschiedlichen Vorstellungen ins Kino, meint der Regisseur, er wünsche sich, dass jeder Zuseher seine Filme individuell ergänze, weshalb er Dinge oft nicht zu Ende erzähle. Seine Filme handeln vom menschlichen Wesen generell, würden daher auf der ganzen Welt verstanden werden.


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substance media ltd. Mariahilfer Straße 76/3/31, A-1070 Wien P.b.b. Plus.Zeitung 06Z036817P

F ILMMA GA ZIN

09/14

A MOST WANTED MAN Philip Seymour Hoffman in seiner letzten großen Rolle MAPS TO THE STARS David Cronenberg und John Cusack im Gespräch HORRORFILM Teil 2 der Retrospektive im Filmmuseum LUDWIG WÜST Ein Porträt DIPLOMATIE Volker Schlöndorff über seinen neuen Film NIGHT MOVES Kelly Reichardts Umwelt-Thriller ROBERT WISE Eine Hommage zum 100. Geburtstag

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17. November, 21 Uhr

18. November, 19 Uhr

NAZARIN REGIE: Luis Buñuel, Mexiko 1959 BUCH: Luis Buñuel, Julio Alejandro KAMERA: Gabriel Figueroa MUSIK: Rodolfo Halffter DARSTELLER: Francisco Rabal, Marga López, Rita Macedo, Ignacio López Tarso, Ofelia Guilmáin LÄNGE: 94 Minuten FORMAT: 35mm, Schwarzweiß, OmdU

Ö1 Club

Ö1 Club

oe1.orf.at © Alexi Pelekanos / Viennale

Es gäbe einiges, das NAZARIN für ihn so speziell mache, meinte der mexikanische Regisseur Guillermo del Toro über das Werk seines Kollegen Luis Buñuel: In dessen mexikanischer Periode habe er die surrealen Experimente der Frühzeit verlassen, wurde vom Bildermacher zum Geschichtenerzähler. In NAZARIN gerät das Weltbild eines in einem mexikanischen Armenviertel lebenden Priesters durch die Enttäuschungen mit seiner Gemeinde beständig ins Wanken. «Was ich außerdem mag», meint del Toro, «ist, dass NAZARIN davon handelt, dass Solidarität und Karitas zwei verschiedene Dinge sind.» Auf diese Art versagt in dem Film ein dogmatischer Katholizismus, der an der vorhandenen Realität scheitert. Ganz auf surreale Ideen verzichtete Buñuel jedoch auch in diesem Werk nicht. So gibt es eine Kussszene in einer Vision, in dem einem Mann die Lippe zerbissen wird und das oft zitierte Bild des gemarterten Christus mit dem lachenden Gesicht. Nicht umsonst nannte sich Buñuel einen «Atheisten von Gottes Gnaden».

Eines unserer Clubhäuser.


PETER HANDKE GEHT INS KINO

Samstag, 8. 11

PROGRAMM TEIL 1 Samstag, 11.10

19.30 Uhr

ERÖFFNUNG HOW GREEN WAS MY VALLEY

Sonntag, 12. 10

16.30 Uhr

THE SOUL OF A MAN

19 Uhr

CLUNY BROWN

21.15 Uhr

BAMAKO

19 Uhr

SICILIA!

21 Uhr

KHANE-YE DOUST KODJAST?

18.30 Uhr

BAMAKO

21 Uhr

MOUCHETTE

19 Uhr

L’ENFANCE NUE

21 Uhr

THE MAN WHO SHOT LIBERTY VALANCE

Montag, 13. 10 Dienstag, 14. 10 Mittwoch, 15. 10

Donnerstag, 16. 10 18.30 Uhr

TOKYO MONOGATARI

21 Uhr

THE SOUL OF A MAN

19 Uhr

KHANE-YE DOUST KODJAST?

21 Uhr

CLUNY BROWN

18 Uhr

CHARULATA

21 Uhr

TOKYO MONOGATARI

19 Uhr

MOUCHETTE

21 Uhr

WADJDA

18.30 Uhr

ACCATTONE

21 Uhr

SICILIA!

18.30 Uhr

WADJDA

20.30 Uhr

L’ENFANCE NUE

18.45 Uhr

CHARULATA

21.15 Uhr

DIE GROSSE EKSTASE …

Donnerstag, 23. 10 19.45 Uhr

DIE GROSSE EKSTASE …

Freitag, 17. 10 Samstag, 18. 10 Sonntag, 19. 10 Montag, 20. 10 Dienstag, 21. 10 Mittwoch, 22. 10

21 Uhr

ACCATTONE

PROGRAMM TEIL 2

• • • • • • • • • • • • • • • • • • • • • • • • • •

Sonntag, 9. 11 Montag, 10. 11 Dienstag, 11. 11 Mittwoch, 12. 11 Donnerstag, 13. 11 Freitag, 14. 11 Samstag, 15. 11 Sonntag, 16. 11 Montag, 17. 11 Dienstag, 18. 11 Mittwoch, 19. 11

• GROSSER SAAL

17.30 Uhr

MIRYANG

20.30 Uhr

ANDREJ RUBLJOW

18 Uhr

SOSHUN

21 Uhr

YOUNG MR. LINCOLN

19 Uhr

SMULTRONSTÄLLET

21 Uhr

I VITELLONI

17 Uhr

ANDREJ RUBLJOW

21 Uhr

MIRYANG

18.30 Uhr

SOSHUN

21 Uhr

SMULTRONSTÄLLET

18.45 Uhr

POLICE

21 Uhr

LADY WINDERMERE’S FAN

19 Uhr

I VITELLONI

21 Uhr

DAS BROT DES BÄCKERS

19 Uhr

BIKUR HA-TIZMORE

21 Uhr

POLICE

18.30 Uhr

ORDET

21 Uhr

ZIRE DARAKHATAN ZEYTON

19 Uhr

LADY WINDERMERE’S FAN

21 Uhr

NAZARIN

19 Uhr

NAZARIN

21 Uhr

BIKUR HA-TIZMORE

18.45 Uhr

ZIRE DARAKHATAN ZEYTON

21 Uhr

ORDET

• ERIC PLESKOW SAAL

IMPRESSUM Für den Inhalt verantwortlich: Viennale

Texte: Günter Krenn, Grafik: Rainer Dempf, Druck: REMAprint

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METRO

Kinokulturhaus Johannesgasse 4, 1010 Wien U1, U3 Stephansplatz U1, U2, U4 Karlsplatz

TICKETS (Freie Platzwahl) Normalpreis Ermäßigt

€ 8,— € 7,— für Mitglieder von sowie Kinder bis 14 Jahre, Studenten und Pensionisten Besucher folgender Institutionen können vergünstigte Tickets beziehen: 21er Haus / brut / ÖNB / Schauspielhaus / TAG / Theatermuseum / Weltmuseum / Westlicht / wien.at / WUK

€ 6,— für Mitglieder des Reservierung per E-Mail unter tickets@filmarchiv.at Ab 12. Oktober Vorverkauf an der Kinokassa und telefonische Reservierung unter 01/512 18 03 Öffnungszeiten Kinokassa 30 Minuten vor Beginn der ersten Vorstellung

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