Polit-Film-Festival 10 The Good, the Bad and the Ugly in Politics 22. bis 26. November im LEOKINO Aus den Radarschirmen der subjektiven, medialen und historischen Bewertungen entkommen Politiker, Politik und Ideologien nicht (mehr). Mit pointierten Urteilen, schablonenhaften Einordnungen und auch völligen Fehlinterpretationen wird versucht, auch undurchsichtigste Graubereiche zu erschließen. Heraus kommt dabei oft eine Rollenrepertoire und ein Handlungsszenario, das an einen Spagetti-Western erinnert. Das Polit-Film-Festival 10 befasst sich daher heuer in einer Reihe von Filmen, Vorträgen und Diskussionen mit der oft verzweifelten Suche nach den „Guten“, mit der Enttäuschung über das Scheitern der „Schlechten“ und mit der Faszination und den Abgründen der „Schrecklichen“ in der Politik. (jw) Mo 22.11. 19.00 Uhr THE RETURN OF THE WAR ROOM
Eröffnung mit Alfred Gusenbauer, ehemaliger Bundeskanzler; Special Guest: Peter Filzmaier, Politologe
Nicht weniger als 17 Jahre ist es her, da gelang den Regisseuren Chris Hegedus und D.A. Pennebaker mit THE WAR ROOM ein eindrucksvolles Porträt des US-amerikanischen Präsidentschaftswahlkampfs. Die beiden zeigten, wie es in der demokratischen Wahlkampfzentrale, dem „War Room“ zuging, wie der in aussichtsloser Position gestartete Bill Clinton von einem überaus engagierten Team ins Präsidentenamt katapultiert wurde. Der Film über James Carville und George Stephanopoulos, Clintons damalige Chef-Propagandisten, präsentierte die SpinDoktoren bei ihrer Arbeit, er zeigte, wie politische Gegner beobachtet, wie der eigene Kandidat auf Interviews vorbereitet und wie „die Botschaft” zu den Wählern gebracht wird – ein Lehrstück in Telekratie. THE RETURN OF THE WAR ROOM ist nun keine Fortsetzung, sondern ein Blick zurück. Die Protagonisten von damals erinnern sich, analysieren und diskutieren – und die Zuseher können Parallelen ziehen zum Status quo der USA. Ganz von selbst drängen sich Fragen und Vergleiche auf; wurde damals Bush Senior besiegt, folgte auf Clinton Bush Junior und ein sehr realer, irakischer War Room, der die Skandale des Clinton-Wahlkampfs (wie seine Affäre mit Gennifer Flowers) in ein anderes Licht rückt. Ganz klar wird auch, wie sehr die damals neuen Strategien heute zum Grundwerkzeug politischer Kampagnen gehören. Außerdem gelingt THE RETURN OF THE WAR ROOM auch der Hinweis darauf, wie sich Wahlkämpfe in den USA verändert haben – das führt zu einer reizvollen Perspektive nicht nur auf die Obama-Campaign, sondern auch auf aktuellere Entwicklungen. USA 2008; Regie: Chris Hegedus, D.A. Pennebaker; Kamera und Ton: Chris Hegedus; Schnitt: Aaron Soffin; Mitwirkende: James Carville, George Stephanopoulos, Paul Begala, Bob Boorstin, Dee Dee Myers u.a.; (DigiBeta; 4:3; Farbe; 82min; englische ORI GINALFASSUNG MIT DEUTSCHEN UNTERTITELN).
Di 23.11. 18.00 Uhr SHOAH (Teil I)
Referenten: Claude Lanzmann, Regisseur; Andreas Maislinger, Politologe
Der französische Filmemacher, Journalist und Philosoph Claude Lanzmann legte Mitte der 80er-Jahre mit SHOAH die wohl radikalste und umfassendste Filmarbeit über die Vernichtung des europäischen Judentums vor. Zwölf Jahre Arbeit, 350 Stunden Material, neuneinhalb Stunden Film gegen das Vergessen. Und gegen die Versöhnlichkeiten einer „Erinnerungskultur“ im Zeichen der „Vergangenheitsbewältigung“. 40 Jahre nach Kriegsende fertig gestellt, erregte diese groß angelegte filmische Spurensuche mit Überlebenden, Zeugen, Tätern der NS-Endlösungspolitik Aufsehen und Bewunderung, lief auf etlichen Festivals, war mehrfach im Fernsehen zu sehen. SHOAH ist kein Dokumentarfilm, in dem Personen mit dem Abstand des Alters, quasi losgelöst von ihrer Ver gangenheit, ruhig im Wohnzimmer sitzen und aus ihren Erinnerungen erzählen. Legenden können nur zerstört werden, indem sie mit der unfassbaren Gegenwart konfrontiert werden, aus der sie hervorgegangen sind. Das gelingt, wenn die Vergangenheit als Gegenwart lebendig gemacht und in einer zeitlosen Aktualität wiederhergestellt wird. (nach: www.arte.tv) Rachel Ertel (Sprachwissenschaftlerin): „SHOAH ist kein Erinnerungsfilm. Erinnerungen sind Sache der Vergan genheit. Es ist ein Film des Erinnerns. Durch seine bohrenden Fragen setzt Claude Lanzmann das Gedächtnis der jüdischen Überlebenden in Gang, verbunden mit Sprüngen und unaussprechlichen Qualen, gewissermaßen einen entsetzlichen Geburtsvorgang einleitend, der sie zerreißt. Er entlarvt die Listen und Ausweichmanöver der pol nischen Zeitzeugen ebenso wie die der Henker. SHOAH ist es gelungen – und das ist das schwarze Wunder des Films – das Gedächtnis des Völkermords ins Bewusstsein der nachfolgenden Generationen einzupflanzen.” Frankreich 1985; Regie: Claude Lanzmann; Kamera: Dominique Chapuis, Jimmy Glasberg, William Lubtchansky; Schnitt: Ziva Postec, Anna Ruiz; Mitwirkende: Simon Srebnik, Michael Podchlebnik, Motke Zaidl, Hanna Zaidl, Jan Piwonski, Filip Müller u.a.; (35mm; 1:1,37; Farbe & Schwarzweiß; Teil I – 274min / Teil II – 292min; englisch-deutsch-hebräisch-französisch-polnischjiddische ORIGINALFASSUNG MIT DEUTSCHEN UNTERTITELN).
❑ Mi 24.11. 14.40 Uhr SHOAH (Teil II) – In Anwesenheit von Claude Lanzmann & Andreas Maislinger Mi 24.11. 20.00 Uhr JOE STRUMMER – THE FUTURE IS UNWRITTEN
Referent: Christian Schachinger, Musikjournalist Moderation: Eva Rottensteiner, ORF Tirol
Eine Hommage an einen ganz besonderen Vertreter des Punk ist Julian Temples detaillierte Biografie: Joe Strummer, Gitarrist und Sänger der legendären Band The Clash, wird hier in einem visuell überzeugenden und dokumentarisch erhellenden Bildersturm gehuldigt. Außer ganz viel ganz wilder, toller Musik bietet JOE STRUMMER – THE FUTURE IS UNWRITTEN vor allem einen Einblick in eine Zeit, die heute noch in Protestbewegungen nachklingt. Regisseur Julian Temple hat sich aber gegen die oft lähmende Interview-Inszenierung klassischer Dokumentationen entschieden. Basierend auf Strummers Faszination für Lagerfeuer, die für ihn ein existenzielles Forum für Inspirationen und Gespräche waren, bittet der Regisseur an verschiedenen Orten der Welt zu einem Treffen vor lodernden Flammen. In Hollywood wärmen sich John Cusack, Johnny Depp und Matt Dillon, in Irland schwadroniert Bono von U2, und natürlich kommen auch Familienmitglieder und die Clash-Kollegen Topper Hea don und Mick Jones ausgiebig zu Wort. Noch klarer als die gesprochene Sprache kommen dann aber doch die dokumentarischen Bilder beim Zuseher an. Zeigen die Anfänge von The Clash, vor blutjungen aufgeregten Punks, ebenso wie die zerstrittenen StadionRocker, kurz vor ihrem Zerfall 1983. Ergreifend ist auch der gemeinsame Auftritt der Musiker Mick Jones und Joe Strummer – fast 20 Jahre nach dem letzten gemeinsamen Konzert und nur wenige Monate vor Strummers Tod am 22. Dezember 2002. Immer wieder werden auch das soziale und das gesellschaftliche Engagement des Mu sikers dokumentiert, ebenso wie seine Wurzeln in der radikalen Hausbesetzerszene. Punk ist hier eben nicht nur ein musikalisches, sondern auch ein gesellschaftliches Phänomen.
USA 2007; Regie: Julian Temple; Kamera: Ben Cole; Schnitt: Mark Reynolds, Tobias Zaldua, Niven Howie; Mitwirkende: Joe Strummer, Terry Chimes, Topper Headon, Mick Jones, Bono, Steve Buscemi, John Cooper Clarke, John Cusack, Johnny Depp, Damien Hirst, Jim Jarmusch, Martin Scorcese, u.a.; (35mm – von Video übertragen; 1:1,85; Farbe & Schwarzweiß; Dolby SRD; 123min; englische ORIGINALFASSUNG MIT DEUTSCHEN UNTERTITELN).
Do 25.11. 19.00 Uhr DEUTSCHLAND IM HERBST
Referent: Claus Philipp, Journalist, Leiter des Stadtkino Wien
„Der aufregendste deutsche Film, den der junge deutsche Film bisher hervorgebracht hat“, schreibt Der Spiegel 1978 über DEUTSCHLAND IM HERBST, durch den elf deutsche Filmschaffende – wie Alexander Kluge meinte – eine „Gegenöffentlichkeit“ herstellen wollten. Im Oktober 1977 ist die BRD traumatisiert von der Ermordung Hanns Martin Schleyers, der Flugzeugentführung der „Landshut“ nach Mogadischu, den Todesfällen Andreas Baader, Gudrun Ensslin und Jan-Carl Raspe. Neben Dokumentaraufnahmen von den Beerdigungszeremonien für Schleyer, Baader, Ensslin und Raspe gliedern sich Spielszenen, in denen die beteiligten Regisseure sehr persönlich über das Thema reflektieren. Auch mehr als dreißig Jahre später sieht man dem Kompilationsfilm DEUTSCHLAND IM HERBST an, dass hier eine ernste Auseinandersetzung mit der Lage im Land gesucht wurde. Mit der realen Lage ebenso wie mit der Stimmung. So wird wild Realität und Fiktion vermischt: Rainer-Werner Fassbinder streitet sich mit seiner Mutter, Alexander Kluge interviewt den heutigen Rechtsradikalen und damaligen linksradikalen Ex-RAF-Anwalt Horst Mahler im Gefängnis. Man sieht die Schweigeminute im Stuttgarter Mercedes-Werk, als Hanns Martin Schleyer beerdigt wird, eine imaginäre Runde von Fernsehschaffenden diskutiert über die Notwendigkeit, sich von der Gewalt in einer Sophokles-Inszenierung zu distanzieren. Inszeniertes und Dokumentarisches wechseln sich ab in diesem cineastischen Zeitdokument, das alle vereint, die im damaligen Autorenfilm Rang und Namen hatten. (nach KulturSpiegel; filmarchiv austria) Deutschland 1978; Regie: Alf Brustellin, Hans Peter Cloos, Rainer Werner Fassbinder, Alexander Kluge, Beate Mainka-Jel linghaus, Maximiliane Mainka, Edgar Reitz, Katja Rupé, Volker Schlöndorff, Peter Schubert, Bernhard Sinkel; Buch: Heinrich Böll, Alf Brustellin, Rainer Werner Fassbinder, Alexander Kluge, Beate Mainka-Jellinghaus, Edgar Reitz, Katja Rupé, Volker Schlöndorff, Peter Schubert, Bernhard Sinkel, Peter F. Steinbach u.a.; Kamera: Michael Ballhaus, Günther Hörmann, Jürgen Jür ges, Bodo Kessler, Dietrich Lohmann, Werner Lüring, Colin Mounier, Jörg Schmidt-Reitwein; (35mm; 1:1,66; Farbe; 123min).
Fr 26.11. 19.00 Uhr ES IST BESSER, NICHT ZUVIEL UM SICH ZU SCHAUEN
Referent: Thomas Albrich, Historiker Moderation: Peter Nindler, Tiroler Tageszeitung
In der lokalen Erinnerung ist es kaum präsent, das 1941 von den Nationalsozialisten gegründete Lager Innsbruck Reichenau. Regisseur Johannes Breit hat nun mit ehemaligen Häftlingen des als Auffanglanger für italienische Arbeiter, als Arbeitserziehungslager und als Haftlager der Gestapo Innsbruck genutzten Lagers am Stadtrand von Innsbruck über ihre Haftzeit gesprochen. Für den im Zeitraum von April 2006 bis Jänner 2008 gedrehten Film hat Johannes Breit Kontakt mit ehemaligen Häftlingen in Polen, der Ukraine, Weißrussland, Italien, Deutschland, Österreich, Frankreich und in Slowenien aufgenommen. Einige von ihnen waren bereit, vor der Kamera über ihre Haft, ihre Lebensbedingungen im Wi derstand oder als jugendliche Zwangsarbeiter, über die Umstände ihrer Verhaftung und das Leben im Lager zu berichten. Aus den rund 60 Stunden Interviews über Zwangsarbeit in Tirol, über die Rolle des Arbeitsamtes im Nationalsozialismus über die Arbeit der Häftlingskolonnen in der Stadt und, nicht zuletzt, über Flucht und die Aus wirkungen der Haft ist ES IST BESSER, NICHT ZUVIEL UM SICH ZU SCHAUEN entstanden. Ergänzt werden die eindrücklichen Aussagen der Zeitzeugen von ausgewählten historischen Dokumenten und so entsteht sowohl auf der Bild- als auch auf der Sprachebene ein umfassendes Bild dieses weitgehend verdrängten Innsbrucker Lagers. Österreich 2006-2008; Regie: Johannes Breit; (Mini-DV; Farbe & Schwarzweiß; 90min).
Programmübersicht Montag 22.11. 19.00 Uhr
LEOKINO 1
THE RETURN OF THE WAR ROOM
Eröffnung mit Alfred Gusenbauer, ehemaliger Bundeskanzler Special Guest: Peter Filzmaier, Politologe Dienstag 23.11. 18.00 Uhr
LEOKINO 1
SHOAH (Teil I)
Referenten: Claude Lanzmann, Regisseur Moderation: Andreas Maislinger, Politologe Mittwoch 24.11. 14.40 Uhr
LEOKINO 1
LEOKINO 1
SHOAH (Teil II) Mittwoch 24.11. 20.00 Uhr
JOE STRUMMER – THE FUTURE IS UNWRITTEN Referent: Christian Schachinger, Musikjournalist Moderation: Eva Rottensteiner, ORF Tirol Donnerstag 25.11. 19.00 Uhr
LEOKINO 1
DEUTSCHLAND IM HERBST
Referent: Claus Philipp, Journalist, Leiter des Stadtkino Wien Freitag 26.11. 19.00 Uhr
LEOKINO 1
ES IST BESSER, NICHT ZUVIEL UM SICH ZU SCHAUEN Referent: Thomas Albrich, Historiker Moderation: Peter Nindler, Tiroler Tageszeitung
Vorführungen für Schulklassen: Di 23.11. 10.00 Uhr THE RETURN OF THE WAR ROOM
Idee und Konzeption: Thomas Pupp, Josef Wolf. In Kooperation mit dem Tiroler Bildungsinstitut – Medienzentrum des Landes Tirol, Landesschulrat für Tirol.
Mi 24.11. 10.00 Uhr JOE STRUMMER – THE FUTURE IS UNWRITTEN
4. Innsbrucker Kinoschultag
Do 25.11. 10.00 Uhr DEUTSCHLAND IM HERBST
Am Freitag, dem 19. November, findet der 4. Innsbrucker Kinoschultag für politische Bildung statt. Diese Veranstaltung, von der Stadt Innsbruck und dem Bezirksschulrat Innsbruck-Stadt, in Kooperation mit dem PolitFilm-Festival organisiert, soll den SchülerInnen der 4. Klassen der Innsbrucker Mittel- und Hauptschulen sowie der Polytechnischen Schule einen neuen Zugang zur Politk und zum Medium Film verschaffen. Die Filme: EIN AUGENBLICK FREIHEIT, JOE STRUMMER – THE FUTURE IS UNWRITTEN (im Metropol) und ES IST BESSER, NICHT ZUVIEL UM SICH ZU SCHAUEN (im LEOKINO). Nähere Auskünfte unter Tel. 0512-5360-4213
Fr 26.11. 10.00 Uhr ES IST BESSER, NICHT ZUVIEL UM SICH ZU SCHAUEN Anmeldungen unter: Tel. 0512/560470 (LEOKINO-Büro)